2. Übung zur Einführung in die Plasmaphysik Prof. Kaufmann, WS 98/99 Lösungen 1. Kollektive / Nicht-kollektive Streuung Streuung erfolgt, wenn die Wellenlänge der gestreuten Welle größer oder gleich der charakteristischen Abmessung der streuenden Potentiale ist. Die 2 1 2 . charakteristische Länge von Ladungsstörungen im Plasma ist die Debye-Länge, D 0 kT ne Für Lichtwellenlängen kleiner als D wird das Licht an einzelnen Elektronen gestreut. Für Lichtwellenlängen größer als D “sieht” das Licht die Elektronen in der Ladungswolke, welche die Ionenladung abschirmt, als Ganzes. Dies ist z.B. von Bedeutung, wenn die Doppler-Verschiebung des gestreuten Lichts ausgewertet werden soll. Bei nicht kollektiver Streuung bestimmt die Geschwindigkeitsverteilung der Elektronen allein das Streu-Spektrum. Bei kollektiver Streuung überlagern sich die Verschiebung durch die gemeinsame Bewegung (Ionen-Geschwindigkeit!) und die individuelle thermische Bewegung der Elektronen. Welcher Effekt überwiegt, hängt von der Zahl der Elektronen in der “Debye-Kugel” ab: Ne D neVD 4 ne 3 3 D 4 3 2 0 3e3 kT 3 2 1 2 ne Beispiel: Für ein Fusionsplasma ist z.B. kT 10 keV, ne 1020 m 3 . Damit ist D 74 m und ND e 1 7 108. Mit einem Nd:YAG Laser (Vakuum-Wellenlänge 1 064 m) erfolgt die Streuung unabhängig an einzelnen Elektronen. Mit einem Gyrotron (Frequenz 140 GHz, Vakuum-Wellenlänge 2 mm) kann kollektive Streuung beobachtet werden, da die kollektive Elektronenbewegung durch eine genügend hohe Anzahl von Elektronen das Spektrum dominiert. 2. Thomson-, Rayleigh-, Brillouin- und Raman-Streuung Thomson-Streuung bezeichnet allgemein die Streuung von Licht an (freien) Elektronen. Rayleigh-Streuung ist die LichtStreuung an Brechungsindex-Fluktuationen (z.B. Ursache des blauen Himmels). Brillouin-Streuung ist Streuung an akustischen Phononen (Festkörper) bzw.an Ionen-akustischen Wellen (Plasma). Raman-Streuung ist Streuung an optischen Phononen im Festkörper. 3. Thomson-Streuquerschnitt Wir betrachten zunächst die Wirkung der einfallenden Strahlung auf ein Elektron. Die Energiedichte der einfallenden Strahlung (Index i) beträgt Pi 1 2 Ei Di 2 2 Hi Bi 0 Ei 0 Hi . Die Intensität (Leistung je Flächeneinheit) ergibt sich aus der Energiedichtedichte der Wellenpakete mal ihrer Ausbreitungsgeschwindigkeit (Lichtgeschwindigkeit). Im zeitlichen Mittel: Ii 1 2 0 cEi2 , wobei Ei die Amplitude des elektrischen Feldes ist. Für ein Elektron im Wechselfeld gilt die Bewegungsgleichung: mv̇ eEi cos kr t Die Leistung der elektromagnetischen Strahlung einer beschleunigten Ladung (z. B. Hertz’scher Dipol) je Raumwinkelelement beträgt (J. D. Jackson, Kap. 14 bzw. Landau-Lifshitz, Bd. II, §67): 1 e4 Ei2 sin2 2 3 2 16 0 c me e2 v̇2 sin2 2 3 16 0c dP d cos kr t ist der Winkel zwischen der Polarisierungsrichtung der Welle (=Bewegungsrichtung des Elektrons) und der Beobachtungsrichtung: z d k i y x Im Zeitmittel: d P̄ d e4 32 2 E 2 sin2 3 m2 i c 0 e e4 16 I sin2 2 2 c4 m2 i e 0 2 t Ii sin wobei t 8 10 30 m2 der Thomson-Streuquerschnitt ist. Interessanterweise ist t gleich dem Quadrat des klassischen Elektronenradius e2 4 0 mc2 erhalten aus Gleichsetzen der elektrostatischen Energie einer homogen geladenen Kugel 2 e 4 0 re und der Elektronen-Ruhemasse mc2 . Dieser Zusammenhang spiegelt die Verknüpfung von spezieller Relativitätstheorie und Elektrodynamik wieder. Wir müssen noch die nicht-relativistische Behandlung der Abstrahlung rechtfertigen und tun das an einem praktischen Anwendungsbeispiel, der Diagnostik der Elektronentemperatur durch Laser-Streuung. In der Praxis wird z. B. ein Nd:YAG Laser ( 1 064 m) verwendet, 13 2 der gepulst eine Intensität von Ii 5 10 W/m erreicht. Dies entspricht einer Feldstärke von 2 108 V/m. Die maximale Geschwindigkeit (max. Beschleunigung dividiert durch Winkelgeschwindigkeit 2 c ) der durch dieses Feld bewirkten harmonischen Bewegung 4 ist vi 2 10 m/s. Im Vergleich dazu beträgt die überlagerte thermische Geschwindigkeit vth e 3kTe me bei Te 5 keV bereits 5 107 m/s (c 3 108 m/s). Die thermische Bewegung (die aufgrund der Doppler-Verschiebung das Wellenlängenspekrum bestimmt) ist somit bei hoher Plasmatemperatur bereits schwach relativistisch. re 4. “Ausbeute” an Streustrahlung Die Intensität der gestreuten Strahlung je Elektron in optimaler Beobachtungsrichtung (senkrecht zur Polarisationsebene) ergibt sich als d P̄ 8 10 30Ii d Der Beobachtungs-Raumwinkel sei typisch 0 01. Im Beobachtungsvolumen Vs (typisch 1 mm x 1mm x 4 cm 4 10 8 m3 ) halten sich Vs ne 4 1012 Elektronen auf. Damit 2 beträgt die detektierte Leistung des gestreuten Lichtes Ps 32 W. Bei einer Photonenenergie von 1 17 eV entspricht dies 1 7 1014 Photonen/s. Der Laserpuls dauert ca. 20 ns, d.h. die Gesamtzahl der Photonen beträgt ca. 3 4 106 für das gesamte Streuspektrum. Diese Intensität kann noch spektral aufgelöst werden, um die Frequenzverschiebung durch den Dopplereffekt zu bestimmen. Die einfallende Lichtintensität entspricht 2 7 1032 Photonen/s, d.h. nur jedes 1018 -te einfallende Photon wird aus dem beobachteten Volumen in den Detektor gestreut. In der Praxis wird, bei nicht allzu kleinen Dichten, die Thomson-Streuung als Methode zur Bestimmung der Elektronendichte (Intensität) und Elektronentemperatur (spektrale Verteilung, unter Annahme einer Maxwell-Verteilung der Geschwindigkeit) verwendet. 5. Streuspektrum Das nicht-kollektive Streuspektrum ergibt sich aus der Dopplerverschiebung aufgrund der unkorrelierten thermischen Bewegung der Elektronen in Beobachtungsrichtung. Wir nehmen eine Maxwell-Verteilung der Geschwindigkeit an: ne f v v2 exp 3 2 a3 2v2 a2 Da nur die Geschwindigkeit in Beobachtungsrichtung zur Doppler-Verschiebung beiträgt, können wir über die Geschwindigkeit in den senkrechten Bewegungsrichtungen integrieren ( 0 exp a2 x2 dx 2a ) und erhalten die eindimensionale Verteilungsfunktion ne fv v fv a Uns interessiert die spektrale Verteilung f v zusammenhängt: f , die mit der Geschwindigkeits-Verteilung d fv v bzw., mit der Doppler-verschobenen Frequenz schiebung iv c f dv d c fv v v2 a2 exp dv s i 1 c ne fv v i i v c me exp 2kTe , d.h. der Ver- i me v2 kTe Die Intensität pro Frequenzintervall ist das Produkt aus der Verteilungsfunktion und einem Faktor, der wiedergibt, daß sich bei gegebener Feldstärke für Blauverschiebung die Intensität erhöht (mehr Wellenpakete pro Zeiteinheit) und bei Rotverschiebung erniedrigt: I 1 s f i 6. Ionen-Abbremsung Wir berechnen die Leistung, die ein Testteilchen (Ion, index t, Energie 1 2 2 mt vt ) an die Plasma-Elektronen (Index e) und Plasma-Ionen (Index i) abgibt (beide haben eine Maxwell-Verteilung der Geschwindigkeit). Die Stoßzeiten für Ionen an thermischen Elektronen ist (s. z.B.: J. Wesson, Tokamaks): 3 2 kTe ie 1 2 3 2 me mi AD mit der Abkürzung 3 AD ne4 ln 2 0 mt2 Dies gilt für den angenommenen Fall vth e vt , in dem die Relativgeschwindigkeit allein durch die Elektronen bestimmt wird. Für die Abbremsung an den Plasma-Ionen müssen wir 2 Grenz-Fälle unterscheiden: 1. vt vth i : Hier gilt in Analogie: 3 2 kTi ii 3 2 3 2 2mi AD wobei ein Faktor 2 durch die unterschiedliche reduzierte Masse auftritt. 2. vt vth i : In diesem Fall wird die Relativgeschwindigkeit allein durch die Test-Ionen bestimmt und es gilt: ii vt3 AD Die Stoßzeit war als p ṗ eingführt worden, wobei ṗ die Impulsänderung pro Zeit, also die Kraft auf das Testteilchen ist. Die Leistung, die an das Elektronen bzw. Ionengas abgegeben wird, ergibt sich als Kraft mal Geschwindigkeit: Pie mi vt2 ie und, für den Fall mi 2Et ie mt , Pii Das Verhältnis (im Fall vt mi mt vt2 mi mt ii mi vt2 2 ii Et ii vth i ) ergibt sich damit als Pie 2 ii Pii ie Die Leistung an die Elektronen überwiegt, wenn dieses Verhältnis Teilchenenergie: 1 wird, also für eine mi 1 3 3 2 3 2 1 3 kTe 30 kTe me 2 Für kleinere Energie wird vornehmlich durch Stöße an den Ionen abgebremst. Et 4