Sonderbedarfszulassungen

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Sonderbedarfszulassungen
In einer erfreulichen Entscheidung hat das BSG die Tür für die Schaffung weiterer
Psychotherapeutensitze in Niedersachsen mittels einer qualitativen und lokalen
Sonderbedarfszulassung
entschieden.
Dabei
wurde
erstmalig
auch
die
Verfahrensrepräsentanz als maßgeblicher Faktor für eine Sonderbedarfszulassung
benannt. Im Folgenden soll diese Entscheidung kurz erläutert werden, zudem sollen
Auszüge aus dem Urteil des BSG zitiert werden.
Das Bundessozialgericht hat am 23.06.10 (Az. B 6 KA 22/09 R, zitiert nach Juris, Rdz. 29)
im Zusammenhang mit der Möglichkeit einer Sonderbedarfszulassung ausgeführt, dass die
tiefenpsychologische, psychoanalytische und verhaltenstherapeutische Behandlung
unterschiedliche
Versorgungsangebote
sind,
weshalb
bei
Anträgen
auf
Sonderbedarfszulassung der jeweils entsprechende spezifische Bedarf zu ermitteln ist.
Gleichzeitig hat das BSG betont, dass der Bereich der Kinder- und
Jugendlichenpsychotherapie gegenüber demjenigen des Psychologischen Psychotherapeuten
einen eigenen Versorgungsbereich darstellt.
Bei der Bedarfsplanung und –prüfung ist also zwischen PP und KJP einerseits und jeweils
nach den unterschiedlichen Verfahren zu differenzieren. Erfreulicherweise hat das BSG die
Qualität und Wirksamkeit der Richtlinienverfahren als erwiesen und nicht erneut
rechtfertigungsbedürftig angesehen.
Bei dem dargestellten Gebot, zwischen den verschiedenen Versorgungsbereichen zu differenzieren
und für den konkret betroffenen Versorgungsbereich das Vorliegen ausreichender
Versorgungsangebote zu ermitteln und festzustellen, ist zu beachten, dass es sich bei den
psychoanalytisch begründeten und den verhaltenstherapeutischen Behandlungsverfahren um
unterschiedliche Versorgungsangebote handelt. Dies entspricht der unterschiedlichen Wesensart
dieser Verfahren, die sich in ihrer unterschiedlichen Ausrichtung und Indikation ausdrückt (z.B.
bei spezifischen Phobien im Regelfall Verhaltenstherapie und nicht analytische Psychotherapie;
dagegen bei umfassenderen Störungen vor dem Hintergrund frühkindlicher Belastungen, wie z.B.
Persönlichkeitsstörungen, bevorzugt analytische Psychotherapie). Das Vorliegen verschiedener
Versorgungsangebote ergibt sich aber auch aus den einschlägigen rechtlichen Regelungen der
§§13 ff Psychotherapie-Richtlinie (Richtlinie des G-BA über die Durchführung der
Psychotherapie idF vom 19.02.2009, in Kraft seit dem 18.04.2009, veröffentlicht im BAnz Nr. 58
vom 17.04.2009, S 1399 <PsychThRL>). In diesen Bestimmungen wird unterschieden zwischen
einerseits den Behandlungsformen analytische und tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie,
die als psychoanalytisch begründete Verfahren zusammengefasst sind (s § 13 Satz 2 Nr 1 und § 14
iVm §§ 14a, 14b PsychThRL), und andererseits der Verhaltenstherapie (§ 15 PsychThRL). In § 16
PsychThRL ist zudem bestimmt, dass psychoanalytisch begründete Verfahren und
Verhaltenstherapie nicht kombinierbar sind. Diese Trennung wird dadurch vervollständigt, dass
eine gegenseitige Behandlungsergänzung durch die Möglichkeit, im Bedarfsfall einen Patienten
an einen anderen Behandler zu überweisen, weder in den PsychThRL noch in der PsychotherapieVereinbarung (zuletzt geändert am 30.10.2007, DÄ 2007, A3431) vorgesehen ist (insoweit anders
im ärztlichen und zahnärztlichen Bereich: § 24 Bundesmantelvertrag-Ärzte, § 27
Bundesmantelvertrag-Ärzte/Ersatzkassen, § 10 Bundesmantelvertrag-Zahnärzte und § 14 Abs 8
Bundesmantelvertrag-Ersatzkassen-Zahnärzte).
Handelt
es
sich
mithin
bei
den
psychoanalytischen
und
den
verhaltenstherapeutischen
Behandlungsverfahren
um
unterschiedliche Versorgungsangebote, so ist bei einem Antrag auf Erteilung einer
Sonderbedarfszulassung der dementsprechende spezifische Bedarf zu ermitteln: So sind im Falle
eines psychoanalytisch ausgerichteten Bewerbers um eine Sonderbedarfszulassung die
Versorgungsangebote speziell im Bereich der psychoanalytisch begründeten Verfahren
festzustellen; Angebote für Verhaltenstherapie sind außer Betracht zu lassen (Az. B 6 KA 22/09 R,
zitiert nach Juris, Rdz. 29).
Hilfreich ist auch die Darstellung des BSG (AZ B6 KA 22/09 R, zitiert nach Juris, Rdz. 32)
wonach nicht potentielle Behandlungskapazitäten, sondern nur reale Versorgungsangebote
und damit geleistete Stunden für eine lokale Bedarfsbemessung maßgeblich sind.
Bei der Prüfung , ob in dem einschlägigen Versorgungsbereich – hier: psychoanalytisch
begründete Verfahren in der Erwachsenentherapie – ausreichende Versorgungsangebote
vorliegen oder ein Sonderbedarf besteht, ist schließlich zu beachten, dass die Patienten entgegen
der Annahme des LSG nicht ohne Weiteres darauf verwiesen werden können, andere
Psychotherapeuten leisteten in ihrer Praxis täglich nur zwischen zwei und vier Therapiestunden
und hätten also noch freie Behandlungskapazitäten (so aber das LSG-Urteil). Diese sind ohne
Bedeutung, wenn es sich lediglich um potenzielle, nicht aber um reale Versorgungsangebote
handelt. Solange diese Leistungserbringer nicht tatsächlich zu weiteren Versorgungsleistungen
bereit sind, kann auf sie nicht verwiesen werden (BSGE 104, 116 = SozR 4-2500 § 101 Nr 7, RdNr
17, und BSG SozR 4-2500 § 101 Nr 6 RdNr 17). Ein reales Versorgungsangebot ergibt sich
schließlich auch nicht aus der Einrichtung eines Anrufcenters, wie dies z.B. in BadenWürttemberg besteht und bei dem freie Therapieplätze abgefragt werden können; diese
Einrichtung dient nur dem leichteren Auffinden etwaiger freier Therapieplätze, sie impliziert nicht
automatisch, dass es auch solche Plätze gibt (AZ B6 KA 22/09 R, zitiert nach Juris, Rdz. 32).
Es wird also in Zukunft die Aufgabe der Zulassungsausschüsse und des Berufungsausschusses
sein, auch unter diesen Gesichtspunkten für eine nachfrageangemessene Repräsentanz aller
Verfahren zu sorgen.
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