Biogeochemische Zyklen, Mikroorganismen und atmosphärische

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Vierteljahrsschrift der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich (1994) 139/1: 15-22
efleochemische Zyklen, Mikroorganismc ,^.
atmosphärische Spurengase
u^^;c
R. Bachofen, Zürich
Zusammenfassung
Die Aktivität verschiedener Mikroorganismen in Boden und Wasser tragen zu einer natürlichen Erhöhung
der Konzentrationen von Gasen bei, welche die Infrarot-Rückslrahlung erhöhen und deshalb zu einer globalen Erhöhung der Temperatur unseres Planeten führen
können. Neben Kohlendioxid (CO 2) sind Methan (CH4)
und Distickstoffoxid (N20) besonders wichtig. Eine
allgemeine Erhöhung der Temperatur der Atmosphäre
dürfte weltweil die Aktivitäl der Mikroorganismen stimulieren und damit die Bildung von Treibhausgasen
zusätzlich erhöhen. Gewisse Algen und Bakterien bilden methylierte reduzierte Schwefelverbindungen wie
u. a. Methanthiol, Dimelhylsulfid (DMS) und Dimethyldisulfid (DMDS). Diese Verbindungen werden
in der Luft zu SO2 oxydiert, das Kondensationskeime
liefert und über die Wolkenbildung die globale Erwärmung entscheidend reduzieren könnte. Mikroorganismen können auch von andeIn Elementen flüchtige methylierte Verbindungen bilden, so etwa von Selen, Tellur, Arsen, Blei, Quecksilber, Cadmium und Zinn. Viele
dieser reduzierten organischen Melallverbindungen
sind unstabil und dürften deshalb an der Atmosphärenchemie beteiligt sein.
1
EINLEITUNG
In biogeochemischen Zyklen wird das Verhalten einzelner
chemischer Elemente auf dem Weg durch die unbelebte und
die belebte Natur verfolgt (Abb. 1), wobei sich die einzelnen
Elemente beispielsweise bezüglich der Natur ihrer Verbindungen, in denen sie vorliegen, bezüglich ihres Redoxzustandes, ihres Aggregalszustandes oder ihrer Beweglichkeit in
einem Ökosystem verändern (BoLIN & Cook, 1983; BUTCHER
et al., 1992). Hier beschränken wir uns auf Reaktionen, an
denen Mikroorganismen beteiligt sind, und auf diejenigen
Teile der Zyklen, in denen gasföImige oder flüchtige Stoffe
auftreten. Dabei soll besonders auf diejenigen Spurengase
eingegangen werden, die als Treibhausgase einen Einfluss
Biochemical Cycles, Microorganisms and
Atmospheric Trace Gases
The activity of a variety of microorganisms in soil and
water contributes to a natural increase of the concentration of gases which influence the absorption of infrared radiation in the atmosphere and therefore may
change the climate on our planet. Besides carbondioxide (CO2) methane (CH4) and dinitrogenoxide (N20) are
of main importance. An increase in temperature will
stimulate microbial activity in most parts of the world
and thus further increase the production of these
greenhouse gases. Certain algae and bacteria form
methylated reduced volatile sulfur compounds such as
methanethiol, dimethylsulfide (DMS), and dimethyldisulfide (DMDS). These gases are oxidized in the atmosphere to sulfurdioxide acting as cloud nuclei. The microbial formation of reduced sulfur gases may therefore
reduce solar input and thus partially compensate for
the process of global warming. Microorganisms may
also produce volatile methylated compounds of other
elements such as selenium, tellurium, arsenic, lead,
quicksilver, cadmium, and tin. Many of these reduced
organic metal compounds are unstable and therefore
might be involved in atmospheric chemistry.
auf den Wärmehaushalt der Erde haben. Die anthropogen
entstehenden, für Klimaveränderungen ebenfalls relevanten
Gase der Familien der Chlorfluorkohlenstoffverbindungen
(CFC) und der Stickoxide (NO,), sowie Ozon, werden hier
nichl diskutiert.
Die quantitative Bedeutung der Zyklen der verschiedenen
Elemente in bezug auf die Biosphäre kann aus der Häufigkeit
der einzelnen Elemente in Biomasse abgeschätzt werden.
Nach REDFIELD et al. (1963) ist das Verhältnis von C : N : P
wie 80 : 15 : 1, gefolgt von Schwefel mit etwa 0,8. Der
jährliche Umsatz der Verbindungen im Kohlenstoffzyklus
übersteigt daher diejenigen der andern Zyklen bei weitern
(Tab. 1).
15
R. Bachofen
Phosphor- oder dem Schwefelzyklus kaum flüchtige Verbindungen in der Atmosphäre bekannt (Tab. 1).
^ Lu ftj
J
Mensch
Boden f
I ••
\
Pflanzen -Tiere
`
~ Mikroorganismen
Tiere
Mikroorganismen
biologischer
Zyklus
Abb. l. Allgemeine Darstellung der Flüsse in biogeochemischen
Kreisläufen.
Fig.1. General model of fluxes in biogeochemical cycles.
Unter den Gasen in der Atmosphäre sind, mit den aus dem
Kohlenstoffzyklus stammenden Gasen CO2, CH 4 und CO
und den dem Stickstoffzyklus zugehörenden Gasen N2O und
N2, mehrere Gase Biogenen Ursprungs; dagegen sind aus dem
Tab. l. Zusammensetzung der Atmosphäre (BENARDE. 1992). Die
weiteren Gase, Ammoniak, Stickstoffdioxid, Schwefeloxide und
Schwefelwasserstoff sind in Konzentrationen von weniger als
0.01 ppm in der Atmosphäre vorhanden. Mikrobiell gebildete
Treibhausgase sind fett angegeben.
Tab. 1. Composition of the atmosphere (BENARDE, 1992). The concentrations of further gases like ammonia, nitrogendioxide, sulfuroxides and hydrogen sulfide are below 0.01 ppm. Microbially produced greenhouse gases are printed in bold type.
Gas
chemische Vorkommen
Formel
(Volumen)
Stickstoff
Sauerstoff
AIgon
N2
02
Ar
H2O
CO2
Ne
He
03
CH4
Kr
Wasserdampf
Kohlendioxid
Neon
Helium
Ozon
Methan
Krypton
Wasserstoff
Distickstoffoxld
Kohlenmonoxid
Schwefelgase
H2
N20
CO
diverse
78.08%
20.95%
0.93%
variabel, %-ppm 20.5
340 ppm 17*
18 ppm
5 ppm
0.03-10 ppm
2 ppm
14.5
1 ppm
0.5 ppm
0.3 ppm
13
0.05-0.2 ppm
15
siehe Fussnote
13
* Der Umsatz von CO2 ist damit 10 17 g pro Jahr.
16
Umsatz pro
Jahr (log g)
2
DER KOHLENSTOFFZYKLUS
Kohlendioxid ist neben Wasserdampf mengenmässig das
wichtigste Treibhausgas. Durch den Vorgang der Photosynthese werden pro Jahr weltweit ca. 2,2.10" t Kohlenstoff in
Pflanzenmaterial fixiert. Beim vollständigen aeroben Abbau
dieser Biomasse wird die gleiche Menge an CO 2 wieder frei.
Durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe und durch das
Abbrennen von Wäldern verändert der Mensch dieses durch
biologische Vorgänge gegebene Gleichgewicht. Jährlich
werden 5-6.10 9 t C als CO 2 mehr an die Atmosphäre abgegeben als aus ihr durch die Photosynthese aufgenommen
werden. Die zusätzliche Zufuhr von CO 2 in der Grössenordnung von wenigen Prozenten des Gesamtumsatzes führte in
den vergangenen Jahrhunderten zum Anstieg der CO2-Konzentration in der Atmosphäre von 280 ppm in der vorindustriellen Zeit auf den heutigen Wert von 350 ppm. Dieser
Konzentrationsanstieg wlrd allgemein als eine der Hauptursachen betrachtet für eine weltweite Erwärmung und eine
mögliche globale Klimaveränderung.
Grundsätzlich ist ein Gas dann als Treibhausgas wirksam,
wenn es im Emissionsbereich der terrestrischen Abstrahlung
absorbiert (3-100 µm), sein AbsoIptionsspektrum nicht von
demjenigen des dominierenden Wasserdampfes überlagert
ist und es selbst eine hohe Eigenabsorption hat (MITCHELL,
1989). Dass die verschiedenen, heute als Treibhausgase erkannten Spurengase in der Atmosphäre diese Bedingungen
erfüllen, ist seit langem bekannt. FOURIER (1827) postulierte,
dass die Luflhülle für die Erde als Treibhaus wirke, und
TYNDALL (1863) zeigte experimentell, dass CO 2, CI-L und
N2 0 Infrarotstrahlung 100-400 mal stärker absorbieren als
Luft. ARRHENIUS (1896) schliesslich beschrieb mit umfangreichen Rechnungen einen zu erwartenden Temperaturanstieg oder -abfall, wenn sich die CO 2 -Konzentration erhöhen
oder erniedrigen würde. Es ist daher eigentlich erstaunlich,
dass diese wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht schon früher mit ihren Konsequenzen verstanden wurden und voIsorglich zu entsprechenden Handlungen führten.
Met han, das zweite klimawirksame Gas im Kohlenstoffzyklus, ist erstaunlicherweise erst vor relativ kurzer Zeit als
wichtiges Treibhausgas erkannt worden. Methan wurde schon
vor über 200 Jahren als brennbares Gas durch VOLTA (1777)
und als Sumpfgas von INGEN -Housz (1784) beschrieben. Die
global wichligsten Quellen sind Sümpfe und Moore, überflutete Reisfelder, Pansen von Wiederkäuern, Termiten und Ab-
Biogeochemische Zyklen, Mikroorganismen und atmosphärische Spurengase
Tab. 2. Biologische Quellen von Methan (TYLER, 1991).
Tab. 2. Biological sources of methane (TYLER, 1991).
jährliche ProdukIion
Quetle
etwa 60%, aus Reisfeldern um 80% erhöht, die bei Erdgasund Ölgewinnung freigesetzte Methanmenge ist in dieser
Zeit sogar auf das 17fache angestiegen (BOLLE et al., 1986).
(Tg* CH4/Jahr)
Reisfelder
Sümpfe und Moore
Wiederkäuer (Rinder, Schafe, Elefanten)
Termiten
Verbrennung von Biomasse und
Wildfeuer
Deponien
Tundra
Süsswasserseen
Ozeane
70-300
100-200
90-130
25-125
gesamthaft
372-977
40- 75
30- 70
15- 35
l- 25
l- 17
* = Teragramm = 10 12 g
falldeponien (Tab. 2). Methan entsteht mikrobiell beim vollständigen anaeroben Abbau von organischem Material:
2 <HCHO> - CO 2 + CH4.
Anthropogene Quellen von CH4 machen etwa 10% der
weltweiten Emissionen aus. Methan wird freigesetzt bei der
Verbrennung von Biomasse und der Erdöl- und Kohlegewinnung.
Die Methankonzentration in der Atmosphäre ist von etwa
0,6 ppm vor einigen hundert Jahren auf 2 ppm heute angestiegen. Diese Zunahme korrelierl in etwa mit der Wachstumsrate der menschlichen Bevölkerung (BouN & COOK,
1986) und verläuft parallel zur Vermehrung des Reisanbaus,
der Rindermast, der Erdölförderung und der Abfalldeponien.
Methanfreisetzung aus Wiederkäuern hat sich seil 1940 um
DER STICKSTOFFZYKLUS
3
Zu den atmosphärischen Gasen des Stickstoffkreislaufs gehören N2, N2 0, NO. und NH3 . Von diesen wirkt vor allem das
ungiftige und wenig reaktionsfähige Lachgas (N 20) als starkes Treibhausgas. Wie andere Stickoxide entsteht es bei
Verbrennungsprozessen. Wesentlich mehr N 2 0 wird aber
durch die mikrobiologischen Vorgänge der Denitrifikation
und Nitrifikation in die Atmosphäre freigesetzt (Tab. 3).
Von den drei klimawirksamen Gasen CO 2, CH4 und N20
sind die beiden letzten zwar in wesentlich geringerer Konzentralion als CO2 vorhanden, beide beeinflussen aber bei
gleicher Konzentration den Wärmehaushalt der Erde deutlich stärker als CO2. Die Methankonzentration in der Atmosphäre steigt zudem schneller an als diejenige von CO2. Die
Bedeutung von N 2 0 bezüglich seiner Klimawirksamkeit ist
vor allem auf dessen lange Verweilzeit in der Atmosphäre
zurückzuführen (Tab. 4).
Tab. 4. Wirkung verschiedener Spurengase auf den Treibhauseffekt (FABIAN. 1984).
Tab. 4. Effect of trace gases on the greenhouse effect (FABIAN,
1984).
Gas
heutige
Grösse des vorindu-
KonzenStrahlungs- strielle
rückhaltes Konzenira- iration
im
Lion in der
Vergleich
Atmosphäre
zu CO 2(ppm)
(ppm)
Tab. 3. Globale Emissionen von Distickstoffoxid (DAVIDSON,
1991).
1
CO2
CH4 25
Tab. 3. Global emissions of dinitrogenoxide (DAVIDsoN,1991).
N20 250
Quelle
jährliche Produktion
(Tg* N als N20/Jahr)
Ozeane
Land
gedüngtes Landwirtschaftsland
Grasland in gemässigter Zone
Wälder in gemässigter Zone
Wälder in subtropischer und
tropischer Zone
Verbrennung
fossile Brennstoffe
Biomasse
2.0
gesamthaft
6.9-10.2
* = Teragramm = 1012 g
0.2-2.l
0.l
0.3-l.5
4.l
0.l
0.l-0.3
275
0.75
0.25
345
l.65
0.35
jährliche
LebeDszeit
prozentuale in
Zunahme Atmosphäre
(%)
0.4
l.0
0.2
(Tage)
2500
3600
60000
Werden die bisher diskutierten Prozesse der biogenen
Bildung von atmosphärischen Spurengasen als Regelkreise
aufgezeichnet (Abb. 2, ausgezogene Pfeile), wird deutlich,
dass es sich bei den Beziehungen zwischen mikrobiellen
Aktivitäten und Temperatur der Atmosphäre um ausschliesslich positive Rückkopplungen handelt. Jede erhöhte mikrobielle Aklivität, bei der die klimawirksamen Gase CO 2, CH4
oder N 2 0 gebildet werden, resultiert wiederum in einer verstärkten Strahlungsabsorption im Infrarotbereich und führt
damit zu einer weiteren Temperaturerhöhung auf der Erde.
Da die atmosphärischen Temperaturen über weite Gebiete
der Erde für biologische Vorgänge suboptimal sind, wird jede
17
R. Bachofen
Temperatur der
Atmosphäre
Wolken
r
Verbrennung von
fossilen
Brennstoffen und
von Biomasse
anthropogen
biogen
Düngung
Nahrungsbedarf
Bevölkerungszahl
Abb. 2. Schematische DaIstellung der Beziehungen zwischen der
Bildung atmosphärischer Spurengase und der Temperatur der Atmosphäre als Regelkreise. Prozesse des C- und des N-Zyklus sind
ausgezogen, diejenigen des anschliessend diskutierten S-Zyklus
gestrichelt gezeichnet.
Fig. 2. Schematic presentation of the interactions between the
formation of atmospheric trace gases and the temperature of the
atmosphere. Processes of the C- and the N-cycle are in solid lines,
those of the S-cycle in dashed lines.
Temperaturerhöhung die mikrobiellen Aktivitäten stimulieren. Ein solches System ist unstabil und schaukelt sich auf.
Zusätzlich dazu kommen die durch den Menschen direkt
gebildeten Gase, vor allem die Chlorfluorkohlenwasserstoffe, die das Wärmebudget der Erde belasten. Deren Konzentration in der Atmosphäre hat lange Zeit stärker zugenommen
als diejenige von CO2 und ihr Anteil an einer globalen
Erwärmung für die nächsten 50 Jahre dürfte bei einigen
Zelmtelsgraden liegen (BoLIN et al., 1986). Es scheint, dass
ohne drastische Eingriffe zur Reduktion der diskutierlen
Gasemissionen eine weltweite KlimaverändeIung nicht abgewendet werden kann.
4
DER SCHWEFELZYKLUS
Auch im Schwefelzyklus entsteht eine Anzahl von gasförmigen Verbindungen (KADOTA & ISHIDA, 1992; SALTZMAN &
COOPER, 1989) und die weltweiten Emissionen von fltichtigem Schwefel sind in der gleichen Grössenordnung wie für
Methan und N20. Trotzdem finden sich nur äusserst geringe
Mengen von Schwefelgasen in der Luft (Tab. 1), da diese
wesentlich reaktiver sind als CH4 oder N 2 0 und daher ihre
Verweilzeit in der Atmosphäre nur wenige Tage beträgt.
Im anaeroben Abbau von organischem Material entslehen
neben Methan Schwefelwasserstoff (H 2S) und organische
Schwefelverbindungen wie Methanthiol, Dimethylsulfid
(DMS), Dimethylsulfoxid (DMSO), Dimethyldisulfid
(DMDS), Schwefelkohlenstoff (CS2) und Carbonylsulfid
(COS) (KELLY & SMITH. 1990, Tab. 5). Viele dieser Verbindungen sind im anaeroben Tiefenwasser von Seen zu finden
(WAKEHAM et al., 1987; KIENE & CAPONE, 1988; HENATSCH &
JüTTNER, 1990). DMS ist besondeIs im Meerwasser weit
verbreitet. Verschiedene Algen produzieren zur Kompensation des wechselnden osmotischen Wertes des Meerwassers
oder als Schutz gegen Gefrieren Dimethylsulfopropionat.
Beim Altern der Zellen, bei Lyse oder Frass durch Zooplankton wird DMS im Ozeanwasser in der Grössenordnung von
Tab. 5. Emission von flüchtigen Schwefelverbindungen aus natürlichen Quellen (Tg ` S/Jahr) (KELLY & SMITH. 1990).
Tab. 5. Emission of volatile sulfur compounds from natural sources (Tg ` S/year) (KELLY & SMITH. 1990).
Quelle
Ozeane
Salzmarsche
Sümpfe, Moore
Boden
Verbrennung von Biomasse
Vulkane und Fumarolen
Total
SO2
7.0
8.0
15.0
H2S
DMS
0-15
0.8
11.7
3-41
0-l.0
l.0
38-40
0.6
0.8
0.2-4.0
16.5-70.6
39.6-45.4
CS2+COS
Total
0-l
0.l
0.2
1.0
0-l.0
0.7
0.2
4.7
0.8-2.5
0.l
38.7-56.7
l.7
17.4
5.0-48.5
7.l-9.l
9.0
1.3-3.3
6.5-8.2
78.9-142.4
S
* = Teragramm = 10 12 g. DMS = Dimethylsulfid, DMDS = Dimethyldisulfid, CS 2 = Schwefelkohtenstoff, COS = Carbonylsulfid.
18
Biogeochemische Zyklen, Mikroorganismen und atmosphärische Spurengase
0,1-1,0 g/m2 und Jahr freigesetzt. DMS kann chemisch oder
mikrobiologisch zu DMSO oxidiert werden (ZEYER et al.,
1987) und Mikroorganismen können DMSO wiederum zu
DMS reduzieren. Beide Verbindungen dienen heterolrophen
Bakterien auch als Kohlenstoffquelle. Abhängig von den
physikalischen Bedingungen – Temperatur, Windgeschwindigkeit und Wellenbewegungen – entweicht DMS in die
Atmosphäre, wo es rasch verdünnt und chemisch verändert
wird. Der Fluss von DMS in die Atmosphäre ist nicht leicht
zu errechnen; er wird auf 15-40.10' 2 g/Jahr geschätzt (MALIN
et al., 1992). In der Troposphäre wird DMS photochemisch
zerstört. Produkte sind Methansulfonsäure, DMSO, Dimethylsulfon, Schwefeldioxid und Sulfat; die beiden letzteren
bilden die Hauptmenge. Die Oxidationsprodukte von DMS
sind in dreifacher Hinsicht von grosser Wichtigkeit:
1. Der Fluss von DMS von den Ozeanen auf die Kontinente
gleicht im natürlichen Schwefelkreislauf zu einem Teil den
mengenmässig bedeutenderen Schwefeltransport vom Land
in die Meere aus. Allerdings übersteigt der anthropogene
Eintrag mit ca. 90 .10 12 g S/Jahr die Schwefelemissionen der
Meere um ein mehrfaches.
2. Die Produkte der DMS Oxidation, SO2 und H2SO4 sind
sauer und verändeIn damit den pH von Aerosolen und Regen.
In industriefernen Gebieten werden diese biologisch entstandenen Schwefelverbindungen zu den Hauptquellen des sauren Regens.
3. Das durch Oxidation von DMS gebildete SO2 hat auch
einen starken Einfluss auf den Energiehaushalt der Atmosphäre durch Bildung von Sulfat-Aerosol-Teilchen. Diese
induzieren Wolkenbildung und verändern dadurch die Strahlungsverhältnisse durch erhöhte AbsoIption und Lichtstreuung.
Lange Zeit war unklar, in welcher Art eine erhöhte Wolkenbildung die Strahlungsbilanz der Erde beeinflussen würde. MARGULIES & LOVELOCK (1974) und CHARLSON et al.
(1987) postulierten eine klimaregulierende Rückkopplung,
in welcher die durch Temperaturerhöhung bewlrkte vermehrte DMS-Freisetzung über verstärkte Wolkenbildung für eine
Temperaturerniedrigung verantwortlich sein könnte. Diese
Hypothese blieb lange umstritten. So müssten UnteIschiede
in Temperatur und Albedo zwischen der höher industrialisierten Nordhemisphäre gegenüber der Südhemisphäre beobachtet werden können. Seit kurzem scheint aber aus Satellitenbeobachtungen klar geworden zu sein, dass Wolkenbildung weltweit gesamthaft abkühlend auf die Erdatmosphäre
wirkt, eine grössere Bildung von DMS durch Meeresplankton somit abkühlend auf den Strahlungshaushalt der Erde
wlrkt. Wird daher das Temperatur-Strahlungs-Regelsystem
Erde durch die mikrobiologische Bildung von DMS ergänzt
(Abb. 2, gestrichelte Linien), wird eine negative Rückkoppelung eingefügt. Die durch DMS verursachte verstärkte Wolkenbildung kompensiert somit durch einen verringerten
Energieeintrag die durch die Klimagase bewirkte Temperaturerhöhung. So sollen eine uIn 10% grössere DMS-Freisetzung aus den Ozeanen die Energieeinstrahlung um etwa
0,5% verringern. Gelingt es damit den Mikroorganismen,
eine mögliche, durch den Menschen in Gang gesetzte Klimakatastrophe zu verlangsamen oder zu verhindern?
5
GASFÖRMIGE VERBINDUNGEN IN ANDEREN
ELEMENT-ZYKLEN
Ähnliche gasförmige Verbindungen wie im Stickstoff- und
Schwefelzyklus werden auch von anderen Elementen gefunden; auch diese entstehen häufig durch mikrobielle Reduktion der oxidierten Formen und Methylierung zu den entsprechenden Hydriden und Methylverbindungen.
Hydridbildung ist für die Elemente Se und Te in der
Gruppe VIA (DORAN, 1982; FRANKENBERGER & KARLSON,
1992; KARLSON & FRANKENBERGER, 1993), für As und Sb in
der Gruppe VA und für Sn in der Gruppe IVA beschrieben
(HALLAS et al., 1982), während Methylierungen weiter verbreitet sind und neben den oben genannten Elementen auch
solche der Gruppe VIIA (Cl, Br, I; WEVER, 1991) und in der
Gruppe IVA auch Pb, sowie Tl, Cd und Hg umfassen (HUGHES
& POOLE, 1989; SIGEL & SIGEL, 1993; SUMMERS & SILVER,
1978; WOOD, 1974). Viele dieser Elemente sind sehr giftig
und die Transformalion in flüchtige Verbindungen ist als
Entgiftungsmechanismus für die Mikroorganismen zu verstehen. Für Mensch und Tier bedeutet die Verflüchtigung
häufig eine Erhöhung der Giftigkeit, da die Aufnahme durCh
die Luft unkontrolliert geschieht und die flüchtigen Verbindungen lipophiler sind als die Ionenformen und sich daher
im Gewebe akkumulieren.
Quecksilber kann zu Hg 2+ oxidiert und dieses dann unter
anoxischen Bedingungen durch Bakterien zu (CH 3)Hg+ und
zu (CH3)2Hg methyliert werden. In Sedimenten werden Konzentrationen bis 80 µg/kg, in Wasser bis 2 µg/l gemessen.
Methylquecksilber wird in Plankton akkumuliert und verbreitet sich in den Nahrungsketten. In Japan hat Quecksilber
durch Vergiftungen nach Anreicherung in Fischen (Minamata Bucht, 1955) eine traurige Berühmtheit erlangt.
Arsen ist in der Umwelt weit verbreitet und als Transformationen sind Oxidationen, Reduktionen und Methylierungen bekannt. Arsenat (As04 3) und Arsenit (As03 3) werden
durch verschiedene Baklerien und Pilze zu den flüchtigen
19
R. Bachofen
Verbindungen Arsin (AsH3), Dimethylarsin (AsH(CH3)2)
und Trimethylarsin (As(CH3)3) transformierl. Vergiftungen
durch flüchtige Arsenverbindungen aus arsenhaltigen Tapeten scheinen im 19. Jahrhundert in Europa ein Problem
gewesen zu sein.
Selen ist ein für den Menschen essentielles Spurenelement, aber schon in geringen Konzentrationen hoch giftig.
Selen ist weltweit selten in hohen Konzentrationen anzutreffen, kann aber lokal Umweltprobleme verursachen. So sind
z. B. durch neue Bewässerungspraktiken einzelne Gewässer
in Kalifornien stark mit Selen Verbindungen belastet. Selenat
(SeO4 2) und Selenit (SeO3 2) werden unter anaeroben Bedingungen durch verschiedene Mikroorganismen reduziert und
methyliert. Analog zu den Reaktionen mit Schwefel entstehen dabei H2Se, (CH3)SeH, (CH3)2Se und (CH3)2Se2.
Blei ist eines der giftigsten Metalle in der Umwelt. In
Seesedimenten werden verschiedene Bleiverbindungen
durch Mikroorganismen in Tetraäthylblei umgewandelt.
Möglicherweise eI-folgt die Methylierung indirekt über biogen entstandenes Methyliodid (CH3I).
Zinn wird in natürlichen Systemen methyliert und demethyliert; dabei können Mono-, Di-, Tri- und Tetramethylzinnverbindungen entstehen. ZinI kann ferner auch zu flüchtigem Stannan (SnH4) reduziert und in dieser Form freigesetzt
werden.
Cadmium kaIn möglicherweise durch Quecksilber reduzierende und methylierende Organismen in flüchliges Methylcadmium umgewandelt werden.
Chrom und Antimon werden ebenfalls enzymatisch reduziert; auch von Thallium ist eine Methylierung beschrieben
worden. .
Schliesslich sind die Halogene zu erwähnen, die in der
Natur zu Methylhaliden transformiert werden (Tab. 6).
Tab. 6. Globale Emission von Methylhaliden
in die Atmosphäre (WEVER, 1991).
und von Bromoform
Tab. 6. Global emission of methylhalides and of bromoform into
the atmosphere (WEves.1991 j.
Verbindung
Quelle
Menge
Tg /Jahr*
CH3I
CH3Br
CH3Br
CH3CI
CH3CI
CHBr3
CHBr3
Ozean, natürlich
Ozean, natürlich
Verbrennung, anthropogen
Ozean, natürlich
anthropogen
Ozean, natürlich
Makroalgen, natürlich
* = Teragramm = 10 12 g
20
0.3-2.0
0.3
0.05-0.08
2.5-5.0
0.03-0.3
l.0
0.01
Die meisten der aufgezählten Metalle und Metalloide sind
für Mensch und Tiere giftig. Durch natürliche Akkumulierung in Böden, in Deponien und in Altlasten treten diese
Elemente oft in hohen Konzentrationen in Boden und Wasser
auf. Die Fähigkeit von Mikroorganismen zur Volatilisierung
könnte genutzt werden, um durch einen biologischen Vorgang die genannten Elemente aus Wasser und Böden zu
entfernen und eventuell sogar wieder nutzbar zu machen. So
sind in Kalifornien erfolgreich Grossversuche angelaufen,
wo in ausgetrockneten Bewässerungsteichen die im Boden
angereicherten Selenverbindungen mikrobiell verflüchtigt,
grossflächig abgesaugt und chemisch oder physikalisch abgefangen werden (FRANKENBERGER & KARLSON, 1992; KARLSON & FRANKENBERGER, 1993).
Als Mechanismen der biologischen Methylierung werden
enzymatische Methylgruppenübertragungen von Methylcobalamin, S-Adenosylmethionin und N-Methyltetrahydrofolat auf das Metall angenommen. Nicht enzymatische Methylierungen sind ebenfalls möglich, z. B. weIn methylierte
Stoffwechselprodukte mit den betreffenden Elementen reagieren (z. B. Melhyliodid, Dimethylsulfid oder Betaine, aber
auch Humin- und FLIlVmSäuren) (THAYER & BRINCKMAN,
1982).
Biomethylierung von Metallen und Metalloiden in Böden
und Sedimenten ist ein weitverbreitetes Phänomen, und die
Fähigkeiten von Mikroorganismen scheinen fast unbegrenzt
zu sein. Es ist denkbar, dass noch weitere Elemente durch
Mikroorganismen zu flüchtigen Verbindungen transformierl
werden, die Produkte aber bisher in der Atmosphäre nicht
nachgewiesen werden konnten, weil sie sofort mit Wasser
oder Sauerstoff reagieren.
Die meisten der aufgezählten Elemente liegen im Periodensystem nahe beieinander (Gruppen III A—VIIA). Auffällig
ist dabei, dass in der Gruppe VA für Phosphor selten mikrobiologisch gebildete flüchtige Verbindungen erwähnt werden. Ist Phosphor eines jener Elemente, von denen uns eine
biologische Reduktion und Methylierung bisher entgangen
ist? Nach ATLAS & BARTHA (1993) kann unter anaeroben
Bedingungen auch Phosphat (PO 4-3) als Elektronenakzeptor
dienen, dabei würden niedere Phosphane (PH 3 oder P2H4)
entstehen. Diese flüchtigen Verbindungen sind äusserst reaktiv, selbstentzündlich und verbrennen mit grüner Flamme.
Möglicherweise sind die in Sümpfen und Mooren zu beobachtenden Irrlichter auf die Bildung solcher Phosphane zurückzuführen.
Die mikrobielle Bildung von Phosphin PH 3 unler anaeroben Bedingungen findet sich schon in der älteren Literatur.
RUDAKOV (1927) beschrieb eine Abnahme an gelöstem
Biogeochemische Zyklen, Mikroorganismen und atmosphärische Spurengase
Phosphat in mit Erde beimpften Nährlösungen innert weniger Tage. In neuerer Zeit zeigten Devai et al. (1988), dass in
Kläranlagen weniger Phosphat die Anlage in gelöster und
partikulärer FoIm verlässt als in diese einlritt. Schliesslich
gelang es vor kurzem GASSMANN und Mitarbeitern (1993a, b),
Phosphane im Schlamm des Hamburger Hafens und in Fäkalien von Tieren und Menschen nachzuweisen und zu quantifizieren. Diese Ergebnisse zeigen, dass auch das Element
Phosphor in mikrobiellen Reaktionen ähnlich transformiert
wird wie die im Periodensystem benachbarten Elemente.
8
LITERATUR
ARRHENIUS,
S. 1896. On the influence of carbonic acid in the air
upon the temperature of the ground. –Philosoph. Mag. 41, 237-276.
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BOLIN,
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BOLIN,
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SCHLUSSFOLGERUNG
Die vorliegende Übersicht hat gezeigt, dass in vielen biogeochemischen Zyklen durch mikrobielle Tätigkeit in Boden
und Wasser flüchlige Verbindungen entstehen, die zu einer
natürlichen Erhöhung der Konzentrationen von klimawlrksamen Gasen beitragen. Eine allgemeine Erhöhung der Temperatur der Atmosphäre dürfte weltweit die Aktivität der
Mikroorganismen stimulieren und damit die Bildung von
Treibhausgasen zusätzlich erhöhen. Umgekehrt bilden gewisse Algen und Bakterien methylierte reduzierte Schwefelverbindungen, die in der Luft zu SO 2 oxydiert werden, was
über die Wolkenbildung die globale Erwärmung entscheidend kompensieren könnte.
Zusätzlich können durch Mikroorganismen auch von andern Elementen flüchtige methylierte Verbindungen gebildet
werden, so etwa von Selen, Tellur, Arsen, Blei, Quecksilber,
Cadmium und Zinn. Viele dieser reduzierten organischen
Metallverbindungen sind unstabil und kurzlebig und dürften
wegen ihrer Reaktivität an der Atmosphärenchemie beteiligt
sein.
Gasförmige mikrobielle Produkte haben in der Forschung
mit wenigen Ausnahmen bisher recht wenig Beachtung gefunden; es dürfen in den kommenden Jahren in diesem Gebiet
mit Sicherheit interessante Ergebnisse erwartet werden.
7 VERDANKUNG
Ich danke den Herren Drs. K. Hanselmann und M. Wolf für mannigfaltige Anregungen und Diskussionen, Frau H. Müller für die
sorgfältige Ausarbeitung des Manuskriptes und Herrn Dr. M. Egli
für seine unermüdliche Hilfe beim Auffinden der historischen Quellen.
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