Fundamental research on magnetic reconnection - Max

Werbung
Jahrbuch 2014/2015 | Grulke, Olaf | VINETA.II – Grundlagenforschung zu magnetischer Rekonnexion
VINETA.II – Grundlagenforschung zu magnetischer Rekonnexion
VINETA.II – Fundamental research on magnetic reconnection
Grulke, Olaf
Max-Planck-Institut für Plasmaphysik, Teilinstitut Greifsw ald, Greifsw ald
Korrespondierender Autor
E-Mail: [email protected]
Zusammenfassung
Das Experiment VINETA.II dient der Untersuchung magnetischer Rekonnexion. Weil hier die Plasmaerzeugung
und der Antrieb der Rekonnexion getrennt sind, w ird eine gute Kontrollierbarkeit und Reproduzierbarkeit
erreicht. Das besondere Augenmerk der Studien liegt auf der räumlichen und zeitlichen Entw icklung der
Stromschicht auf verschiedenen Skalen. Makroskopisch w ird die Stromschicht vornehmlich durch die Geometrie
des Magnetfeldes geprägt. Auf der mikroskopischen Skala bildet die Stromschicht turbulente Fluktuationen
aus, deren Charakteristik von der Elektronendynamik dominiert w ird.
Summary
The experiment VINETA.II is designed for studies of magnetic reconnection. Due to the separation of plasma
generation and reconnection drive a high degree of controllability and reproducibility is achieved. Special
attention is paid to investigations of the spatial and temporal development of the reconnection current sheet
on different scales. On the macroscopic scale the current sheet is mainly influenced by the geometry of the
magnetic field. On
the
microscopic scale
the
current
sheet
develops
turbulent
fluctuations, w hich
characteristics are determined by the electron dynamics.
Die Wechselw irkung eines Plasmas mit einem Magnetfeld äußert sich w ohl in keinem Phänomen so deutlich,
w ie bei magnetischer Rekonnexion: Die Magnetfeldlinien brechen durch den Einfluss dynamischer Prozesse im
Plasma auf und verbinden sich neu [1]. Dabei ist die Energie des Endzustands, die im magnetischen Feld
gespeichert ist, kleiner als vor dem Aufbrechen. Die Differenz w ird umgew andelt in Energie von Elektronen und
Ionen des Plasmas [2]. Dieser Transfer von Feldenergie zu kinetischer Energie ist bei magnetischer
Rekonnexion
überaus
effizient
und
erzeugt
sehr
energiereiche
Plasmateilchen,
die
häufig
in
astrophysikalischen Systemen beobachtet w erden, beispielsw eise bei koronalen Masseausw ürfen auf der
Sonnenoberfläche und Nordlichtern an den Erdpolen.
Die detaillierten Prozesse, die zur Energieumw andlung beitragen und ein quantitatives Verständnis der
Rekonnexion erlauben, sind jedoch noch nicht gut verstanden und Gegenstand intensiver theoretischer und
experimenteller Studien. Hierbei sind insbesondere stoßfreie Plasmen, w ie sie häufig in astrophysikalischen
Systemen auftreten, von Interesse. Um die magnetische Topologie zu ändern, w ie sie bei magnetischer
Rekonnexion auftritt, ist generell ein resistives Medium nötig, das den auftretenden Plasmaströmen einen
© 2015 Max-Planck-Gesellschaft
w w w .mpg.de
1/5
Jahrbuch 2014/2015 | Grulke, Olaf | VINETA.II – Grundlagenforschung zu magnetischer Rekonnexion
W iderstand entgegensetzt [3, 4]. Stoßfreie Plasmen zeichnen sich aber gerade durch einen sehr geringen
W iderstand aus, sodass die Rekonnexion eigentlich sehr viel langsamer ablaufen sollte, als in diesen
Systemen beobachtet w ird. Die Komplexität des Problems liegt darin, dass eine Vielzahl von räumlichen und
zeitlichen Skalen eine Rolle spielen. Sie reichen von der globalen, langsamen Skala der Entw icklung des
magnetischen Feldes bis hinunter zur schnellen, kleinskaligen Kinetik der Elektronen, die die Stromflüsse
bestimmen. Diese verschiedenen Skalen in Satellitenmessungen aufzulösen, ist ein nahezu hoffnungsloses
Unterfangen, w eshalb kontrollierten Laborexperimenten eine besondere Bedeutung zukommt [5].
Laborexperiment VINETA.II
Ein neues Laborexperiment, das am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Greifsw ald zur Untersuchung
magnetischer Rekonnexion aufgebaut w urde, ist die Anlage VINETA.II, die in Abbildung 1 schematisch
dargestellt ist [6].
A bb. 1: Sche m a tische Da rste llung de s Ex pe rim e nts Vine ta .II.
Fa rbig m a rk ie rt sind die inte rne n Le ite r zur Erze ugung de s
re k onne k tie re nde n Ma gne tfe lde s (k upfe rfa rbe n), e inige
m a gne tische Fe ldlinie n (schwa rz) und die Le ite r zum Tre ibe n
de r R e k onne x ion (bla u).
© Ma x -P la nck -Institut für P la sm a physik , Te ilinstitut Gre ifswa ld
Die
zylindrische
Experimentieranlage
ist
homogen
axial
magnetisiert.
Die
Plasmaquelle,
eine
Radiofrequenzheizung, stellt je nach Heizleistung einen w eiten Bereich an Plasmadichten zur Verfügung. Die
Installationen zur Erzeugung magnetischer Rekonnexion sind innerhalb des Vakuumgefäßes angeordnet. In
einem Paar axialer Leiter (X-drive) w ird ein konstanter Strom erzeugt, der ein Magnetfeld in der axialen Ebene
zur Folge hat und dessen Feldlinien in Abbildung 1 beispielhaft dargestellt sind. Durch die Symmetrie der
Leiteranordnung verschw indet das Magnetfeld auf der Zylinderachse, der sogenannten X-Linie. Mittels eines
zw eiten Paars axialer Leiter (reconnection drive) w ird durch einen zeitlich veränderlichen Strom der
magnetische Fluss in der axialen Ebene in Richtung X-Linie getrieben. Das resultierende induktive axiale
elektrische
Feld
hat einen
Plasmastrom zur Folge, der in
der vorliegenden
Anordnung
von
einer
miniaturisierten Elektronenquelle gespeist w ird (plasma gun). Dieser Strom w irkt seinerseits auf die Rate
zurück, mit der der magnetische Fluss über die X-Linie transportiert w ird und schließt letztendlich den Kreis der
Selbstkonsistenz zw ischen Plasmadynamik und magnetischer Rekonnexion.
© 2015 Max-Planck-Gesellschaft
w w w .mpg.de
2/5
Jahrbuch 2014/2015 | Grulke, Olaf | VINETA.II – Grundlagenforschung zu magnetischer Rekonnexion
© Max-Planck-Institut für Plasmaphysik, Teilinstitut Greifsw ald
Messung magnetischer Rekonnexion in VINETA.II
Abb. 2: Das Video zeigt den zeitlichen Verlauf der Ströme in X-Punkt- und Treiber-Spulen (links) der Anlage
VINETA.II sow ie (rechts) der Messungen der korrespondierenden azimutalen Struktur des resultierenden
Magnetfeldes und Plasmastroms.
Eine Stärke von Laborexperimenten sind hochauflösende Messungen der Felder und beteiligten Ströme, die in
VINETA.II mittels Sondendiagnostiken und sehr präzisen Positionseinrichtungen erreicht w erden. Eine
Messung magnetischer Rekonnexion ist in der Animation zu Abbildung 2 gezeigt. Insbesondere nach dem
Einschalten des sinusförmigen Antriebs der Rekonnexion bildet sich der Plasmastrom mit einer maximalen
Amplitude der Stromdichte von jm a x = 4·10 4 A/m2 im Zentrum an der X-Linie. Er w ird begleitet von dem
kontinuierlichen Aufbrechen der Magnetfeldlinien an dieser Stelle. Die Rückw irkung des Plasmas auf den
Rekonnexionsprozess äußert sich in einer Abnahme des induktiven elektrischen Feldes ∆E an der X-Linie im
Vergleich zur Situation im Vakuum.
Einfluss der magnetischen Geometrie
W ie dargestellt, bestimmt der sich ausbildende Plasmastrom in entscheidender Weise die Rate, mit der die
magnetische Rekonnexion abläuft. Ein w ichtiges experimentelles Ergebnis in VINETA.II ist, dass dieser Strom
entlang der X-Linie nicht räumlich konstant ist. Eine Messung der Stromdichte in drei axialen Schnittebenen
zeigt Abbildung 3(a).
A bb. 3: R ä um liche Struk tur: (a ) Va ria tion de r Strom schicht
und re sultie re nde R a te de r R e k onne x ion, a usge drück t durch
da s norm ie rte induk tive e le k trische Fe ld a n de r X-Linie Eind,p
(b).
© Ma x -P la nck -Institut für P la sm a physik , Te ilinstitut Gre ifswa ld
Die Geometrie des Stromkanals variiert signifikant durch zw ei beteiligte Effekte. Einerseits führt die
Kombination aus dem homogenen magnetischen Führungsfeld und dem Magnetfeld in der axialen Ebene zu
einem Auseinanderlaufen der Magnetfeldlinien, in Abbildung 3 für eine Feldkonfiguration durch einige
exemplarische Feldlinien (rot) angedeutet. Der Plasmastrom folgt dieser Geometrie und w ird dadurch diagonal
elongiert. Diese Elongation ist abhängig vom Verhältnis der magnetischen Feldstärken und w ird mit
abnehmendem
Führungsfeld
stärker.
Anderseits
befindet
sich
der
Plasmastrom
nicht
in
einem
Kräftegleichgew icht mit dem Magnetfeld, sodass der Strom expandiert. Im Resultat dieser beiden Effekte
variiert die Rate der Rekonnexion mit der Stärke des Führungsfeldes Bg . Dies ist dargestellt in Abbildung 3(b),
w o sich die Variation für sehr kleine Führungsfelder dem Fall ohne Plasma annähert. Zusätzlich tritt derselbe
© 2015 Max-Planck-Gesellschaft
w w w .mpg.de
3/5
Jahrbuch 2014/2015 | Grulke, Olaf | VINETA.II – Grundlagenforschung zu magnetischer Rekonnexion
Effekt auch entlang der X-Linie auf, w ie die Messung an drei axialen Positionen z = (39, 53, 67) cm zeigt.
Elektromagnetische Turbulenz
Schon sehr häufig w urde auf der Basis nichtlinearer numerischer Simulationen spekuliert, dass die geringe
Resistivität in stoßfreien Plasmen durch kleinskalige fluktuierende elektromagnetische Felder erhöht w erden
kann [7]. Sie können den Elektronenflüssen einen effektiven W iderstand entgegensetzen und damit die
beobachteten hohen Rekonnexionsraten erklären. Dieses Phänomen w ird als anomale Resistivität [8]
bezeichnet und ist untrennbar mit Plasmainstabilitäten verbunden, die sich aus Quellen freier Energie –
beispielsw eise Plasmaströme und Gradienten der Plasmaparameter – speisen können. In VINETA.II w erden
magnetische Fluktuationen innerhalb der Stromschicht beobachtet. Die Amplitude der Fluktuationen korreliert
direkt mit der Amplitude der lokalen Stromdichte. Dies legt die Vermutung nahe, dass sie direkt durch den
Strom getrieben w erden. Es handelt sich dabei jedoch nicht um w enige kohärente Fluktuationsmoden mit
w enigen definierten Frequenzen. Das Frequenzspektrum ist stattdessen sehr breitbandig und folgt einem
Potenzabfall. Dies ist ein sehr klares Zeichen für elektromagnetische Turbulenz [9].
Messungen des Fluktuationsspektrums in VINETA.II sind in Abbildung 4(a) für verschiedene Stärken des
Führungsfeldes gezeigt. In allen Fällen ist der Potenzabfall sehr klar zu beobachten, der sich in der
doppellogarithmischen Darstellung als linearer Abfall der Fluktuationsamplituden zeigt. Jedoch w ird dieser
Abfall an einer charakteristischen Frequenz gebrochen, der sogenannten unteren Hybridfrequenz fLH , die sich
mit Erhöhung der Führungsfeldstärke zu größeren Frequenzen verlagert. Ab dieser Frequenz ist der Abfall sehr
viel steiler, w as auf eine verstärkte Dämpfung der Fluktuationen hinw eist. Dieses Ergebnis ist sehr robust und
kann auch in Experimenten anderer Geometrie beobachtet w erden [8].
A bb. 4: Me ssung de s Spe k trum s und de r Dispe rsion
m a gne tische r Fluk tua tione n.
© Ma x -P la nck -Institut für P la sm a physik , Te ilinstitut Gre ifswa ld
Es ist noch nicht vollständig geklärt, w elche Instabilität für die Ausbildung der turbulenten Fluktuationen
maßgeblich verantw ortlich ist und w elche Prozesse zur verstärkten Dämpfung bei hohen Frequenzen
beitragen. Räumlich und zeitlich aufgelöste Messungen in VINETA.II erlauben jedoch, das Dispersionsverhalten
der Fluktuationen zu untersuchen, indem die beteiligten Wellenlängen frequenzaufgelöst gemessen w erden.
Das Ergebnis ist in Abbildung 4(b) farbcodiert dargestellt. W ie schon in den Spektren zeigt sich auch hier die
starke Dämpfung bei f/fLH =1. Die Ausbreitungsgeschw indigkeit zeigt einen klaren Verlauf, der in Richtung des
Elektronenflusses
Wellenphänomenen
innerhalb
zeigt,
der
dass
Stromschicht
die
orientiert
ist.
Ein
Ausbreitungsgeschw indigkeit
Vergleich
sehr
viel
mit
charakteristischen
größer
ist,
als
die
Ausbreitungsgeschw indigkeit der von der Ionendynamik getragenen Alfvén- oder der ionenakustischen
Wellen. Gute Übereinstimmung w urde mit W histlerw ellen gefunden, die allein durch die Elektronendynamik
getragen w erden. Dies ist ein w ichtiges Ergebnis, das numerische Simulationen der vorliegenden Situation
© 2015 Max-Planck-Gesellschaft
w w w .mpg.de
4/5
Jahrbuch 2014/2015 | Grulke, Olaf | VINETA.II – Grundlagenforschung zu magnetischer Rekonnexion
inspiriert. Es darf jedoch noch nicht als Klärung der zugrundeliegenden Dynamik verstanden w erden. Weitere
Untersuchungen hierzu sind Gegenstand aktueller Forschung an VINETA.II und w eltw eit.
Literaturhinweise
[1] Zweibel, E.; Y amada, M.:
Magnetic Reconnection in Astrophysical and Laboratory Plasmas
Annual Review of Astronomy and Astrophysics 47, 291-332 (2009)
[2] Y amada, M.; Y oo, J.; Jara-Almonte, J.; Ji, H.; Kulsrud, R. M.; Myers, C. E.
Conversion of magnetic energy in the magnetic reconnection layer of a laboratory plasma
Nature Communications 5, 4774 (2014)
[3] Parker, E. N.
Sweet's Mechanism for Merging Magnetic Fields in Conducting Fluids
Journal of Geophysical Research 62, 509-520 (1957)
[4] Sweet, P. A.
Electromagnetic Phenomena in Cosmical Physics
Cambridge University Press (1958)
[5] Y amada, M.
Review of controlled laboratory experiments on physics of magnetic reconnection
Journal of Geophysical Research 104, 14529-14541 (1999)
[6] Bohlin, H.; von Stechow, A.; Rahbarnia, K.; Grulke, O.; Klinger, T.
VINETA II: A linear magnetic reconnection experiment
Review of Scientific Instruments 85, 023501 (2014)
[7] Daughton, W.; Roytershteyn, V.; Karimabadi, H.; Y in, L.; Albright, B. J.; Bergen, B.; Bowers, K. J.
Role of electron physics in the development of turbulent magnetic reconnection in collisionless plasmas
Nature Physics 7, 539-542 (2011)
[8] Shinohara, I.; Nagai, T.; Fujimoto, M.; Terasawa, T.; Mukai, T.; Tsuruda, K.; Y amamoto, T.
Low-frequency electromagnetic turbulence observed near the substorm onset site
Journal of Geophysical Research – Space Physics 103, 20365-20388 (1998)
[9] Frisch, U.
Turbulence: The Legacy of A. N. Kolmogorov
Cambridge University Press (1995)
© 2015 Max-Planck-Gesellschaft
w w w .mpg.de
5/5
Herunterladen