Die palliative Wundversorgung Differenzierung in kurative und palliative Wundbehandlung kurativ: palliativ: Stadium, Ausdehnung und Lokalisation des Tumors ermöglichen Radikaloperation als sichersten Weg zur Tumorbekämpfung nicht als „sinnlos“ oder „aufgegeben“ auslegen, sondern als Symptomkontrolle und dadurch Wahrung einer bestmöglichen Lebensqualität Läsionen werden in chirurgische Wunden überführt entsprechend behandelt und verschlossen Palliative Wunden Tumorwunden Chronische Wunden bei nicht therapierbarer Grunderkrankung vom lösungsorientierten Handeln zum bedürfnisorientierten Begleiten Haisfield-Wolfe, Baxendale-Cox, 1999 typische Merkmale der Palliativwunde Tendenz zum Wachstum schließen Standardtherapien oft aus schlechter EZ und AZ Mobilisation häufig eingeschränkt meist tumorbedingt oder Dekubitus Die onkologische Wunde = Zerstörung der Gewebekontinuität, wobei es durch lange Wachstumsprozesse zu flächenhaften Ulzerationen kommen kann unterschiedliche Ursachen: • • • • • primärer Hauttumor (z. B. Melanom, Basaliom) geschwüriger Zerfall eines Tumors Verletzungen im Bereich des Tumors Entartung von Gewebe (z. B. bei einem lang bestehenden Ulcus cruris) Metastasen Wundheilungsstörungen aufgrund Malnutrition (red. EZ, Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen) Beschädigtes Gewebe kann nicht ausreichend mit Nährstoffen versorgt werden Gewebehypoxie Sauerstoffminderversorgung durch Anämie, PAVK, Diabetes (Mikroangiopathie), CVI (Ödem) Immundefizit Medikamente (Zytostatika, Antikoagulantien, Immunsuppressiva, Diuretika, Sedativa) Lokale Störfaktoren Wundinfektion, Vorgeschädigtes Gewebe z. B. nach Bestrahlung, Immobilität Wundvergrößerung durch Störung im Lymphabfluss Blutgerinnungsstörung Bestrahlung, Sensibilitätsstörungen Chemotherapie Immunsuppression Mangelnde Compliance, Depression, Demenz, Angst vor Schmerzen Eigenschaften der Wunde Grundprinzipien der Wundversorgung optimale Wundversorgung Prinzipien der Tumorwundversorgung Symptomkontrolle Stigmatisierung vermeiden Autonomie wahren Lebensqualität Abheilung als Primärziel oft unrealistisch verlangt kreatives und häufig unkonventionelles Arbeiten ab gewissen Zeitpunkt verlieren Prinzipien der modernen Wundversorgung an Bedeutung symptomorientierte Versorgung rückt in Vordergrund es gibt nicht „den“ Verband bei malignen Wunden Symptome Schmerzen Geruch hohe Exsudatmengen Schädigung der Wundumgebung Juckreiz Blutungen Infektionen psychische Belastung Schmerzen Grundlage für erfolgreiche Schmerztherapie sind Verständnis, Zuspruch und Einfühlungsvermögen, gesunde Vertrauensbasis und wertschätzender Umgang Schmerzlindernde Lagerung Vermeiden unnötiger Reize Wundspülung in Körpertemperatur Verband dem Wundtyp entsprechend, ohne Kleberand, Silikonauflagen, ggf. Schaumstoff mit Wirkstoff IBU lokale Schmerzbehandlung: Xylocain Gel, Emla Creme, Lidocain 1% Lösung schonendes Debridement Akupunktur, TENS (Transkutane Elektrische Nervenstimulation ), Laser Basale Stimulation, Massage, Atemtechnik Musik Lymphdrainage Aromatherapie (Zitrone, Apfel, Lemongras) Strategien Geruch Geruch entsteht - durch Zerfall von Tumor und Zelltrümmern - Nekrosen sind idealer Nährboden für Keime Infektion (Geruch je nach Keimart, meist Anaerobier) - durch Exsudat Das Belastende für den Patienten ist, dass „er sich selbst riecht“, er sich schämt und es dann zu einer sozialen Isolation kommt Es sollte nichts unversucht bleiben, ihm dieses so gut wie möglich zu erleichtern. Geruch geruchsbindende Wundauflagen z. B. Aktivkohlekompressen mit/ohne Silber (Actisorb o.ä., nicht schneiden) Lokalantiseptika Medihoney, Sorbion sachet Metronidazolgel oder -Lösung für fünf bis sieben Tage (=Anaerobex, bekämpft Anaerobier Nilodor (künstlicher Geruchsbinder) systemische Antibiotika optimale Wundreinigung und Debridement Kräuterduftkissen (z.B. Lavendel) Duftlampe (herbe, frische Düfte z.B. Lemongras) Raumbelüftungsgeräte Strategien Exsudation optimales Exsudatmanagement ist ein Schwerpunkt in der Palliativversorgung Exsudation = hoher Verlust von Eiweiß Kachexiesyndrom Senkung des intravasalen onkotischen Druckes Extravasation ins Gewebe Zytokine und MMP`s aus Wunde steigern Kapillarpermeabilität Exsudation VW-Intervalle anpassen „so häufig wie nötig, so selten wie möglich“ Wundauflagen mit hohem Saugvermögen Polyurethanschaumverbände mit Superabsorber Windelvorlagen oder Damenbinden, Fixierung mit leicht elastischen Binden, Schlauchverbänden, 1xSlips Bei Fisteln Produkte aus der Urostomaversorgung Kompression VAC-Therapie Strategien Wundrandschutz und Hautpflege Gefahr der Mazeration transparenter Hautschutzfilm z.B. Cavilon Spray/-lolly/-creme, wirkt 72h Barrierecremes z.B. Medihoney barriercream, dLine Zinkcream Salbengitter z.B. Atrauman, Adaptic, Urgotüll…. Einsatz von Wundauflagen ohne Klebeflächen bei problematischer Umgebungshaut (z. B. trocken, schuppig) bei Stuhlinkontinenz: Einsatz von Analtampons (z. B. Conveen, Fa. Coloplast) oder Stuhldrainagesystemen (= beugen Unterwanderung der Wundauflage vor z. B. Flexiseal) Juckreiz „Pruritus ist ein häufiges, quälendes und recht schwierig zu therapierendes Problem in der Palliativversorgung“ (Thöns, Sitte, 2013) Ursachen Irritation der Nervenenden lokale Entzündungen durch wachsende Tumorknoten Opioide, Morphin (setzt Histamin frei mazerierte Haut Unverträglichkeit des Verbandmaterials Niereninsuffizienz, Cholestase psychische Störungen Bestehender Juckreiz verstärkt sich meist nachts, bei Wärme und durch Kontakt mit alkoholhaltigen Lösungen Strategien Opioidwechsel, Auslassen anderer Noxen ph-neutrale Waschlotionen, rückfettende, harnstoffhaltige Hautcremes Capsaicin Creme 0,025%; Salben mit Tacrolimus 0,03% UVB-Bestrahlung, Sonnenexposition Antihistaminika, Antikonvulsiva, Nicht-steroidale Antirheumatika Sedierende Antidepressiva, vor allem wenn der Juckreiz nachts problematisch ist lokale Kortikoide Kühlung: gekühlte Lotionen, Hydrogele Xylocain Gel®, Emla Creme® TENS (=Transkutane elektrische Nervenstimulation) ätherische Öle: Zitrone, Rosmarin, Grapefruit Waschung mit Hagebutten- oder Stiefmütterchentee, Obstessig Tragen von Baumwollkleidung Entspannungsübungen, Meidung von Stress, Aufregung, scharfem Essen und Alkohol Strategien Juckreiz = multifaktoriell bedingt zusätzliche Provokationsfaktoren wie schwere Decken enge Kleidungsstücke Schwitzen Einreibung mit Alkohol, duftstoffenthaltende Pflegeprodukte, Parfums, Haarspray Schmuck direkter Kontakt mit Wolle ausschalten Kürzen der Nägel, nächtliches Tragen von Baumwollhandschuhen, leichtes Reiben oder Drücken Blutungen Ursachen: durch invasives Tumorwachstum, wenn Gefäße infiltriert/ rupturiert werden Gerinnungsstörungen Traumatischer Verbandswechsel, Manipulation an der Wunde Prävention: nicht haftende Verbandstoffe, schonende Entfernung nicht verklebenden Wunddistanzgitter (z. B. Atrauman, Adaptic, Sorbion plus) Wundbad/-dusche, Verband mit körperwarmen Lösungen anfeuchten Gerinnungsoptimierung (TK, Vit. K, Gerinnungsfaktoren…) Strategien leichte bis mittelstarke Blutung: lokaler Druckverband blutstillende Auflagen (Tabotamb, Calciumalginat….) lokale Hämostyptika (Ulcogant, Otriven NT, Adrenalin 0,1%, Tranexamsäure, Noradrenalin 1:2 – 1:10) Kühlen mit Salbeitee getränkte Kompressen, unter Kompression (max. 10 Min.) starke Blutung: Pat. nicht alleine lassen!! lokaler Druckverband saugfähiges Material (dunkle Handtücher) evtl. Sedativa Wundinfektionen durch schlechten Immunstatus (Immunsuppression, Chemotherapie) besteht erhöhtes Infektionsrisiko meist anaerobe Erreger (Clostridien, anaerobe Kokken, Bacteroides) Verbandwechsel unter sterilen Bedingungen keine unsterilen Materialien direkt auf Wunde Wunden auch potenzielle Keimquellen (Tumornekrosen) Sepsisgefahr lebensbedrohliche Situation rechtzeitigen Keimreduktion durch prophylaktischen/frühzeitigen Einsatz von Antiseptika und silberhaltigen Verbandstoffen (z. B. Atrauman Ag, Acticoat…) frühzeitige i.v.- Antibiose Wundreinigung bei Tumorwunden durch adäquate WR Geschwürbildung durch Gewebezerfall eindämmen/aufhalten Keimzahlen verringern äußerst schonende Durchführung Manipulation kann zu Blutung führen Chirurgisches bzw. mechanisches Débridement nur in Ausnahmefällen und überaus vorsichtig Gerinnungswerte berücksichtigen Spülungen ohne hohen Druck Reinigung mit Kompressen behutsam und mit wenig Druck Trockene, festhaftende Nekrosen belassen Ablösen mit hydroaktiven Wundauflagen z. B. TenderWet Nekrosenlösung mit Medihoney Jede unnötige Manipulation in und an der Wunde vermeiden! Psyche Tumorwunden = Verunstaltung des Körpers Betroffene fühlen sich häufig als „Monster“ (v.a. bei Tumoren im Gesichts/ Halsbereich) Versorgung erfordert Sensibilität und Feingefühl Patienten leiden unter Schamgefühl und Ekel vor sich selbst(v.a. durch Geruch und Exsudation) Tumor – Fatigue - Syndrom neben entsprechender Wundversorgung ist psychologische Betreuung durch einen Psychologen oder Seelsorger sinnvoll Bei der Versorgung in Palliativsituationen ist nicht allein die lokale Wundbehandlung ausschlaggebend, sondern v.a. Zuwendung durch einen anderen Menschen! Ziele der palliativen Wundversorgung Vermeidung und Reduktion von Schmerzen Patient mit einbeziehen Vermeidung von Immobilität Vermeidung von Isolation oder sozialer Ausgrenzung psychosoziale Unterstützung Förderung der Unabhängigkeit Hinauszögern von Wundwachstum, Wundzerfall und Komplikationen Kosmetische Akzeptanz Belastungsgrenzen der Betroffenen erkennen Fazit [email protected] www.wundmanagement-tirol.at