Aus der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychosomatik Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau Nächtliche Gedächtniskonsolidierung bei Patienten mit primärer Insomnie und bei Patienten mit obstruktiver Schlafapnoe INAUGURAL-DISSERTATION zur Erlangung des Doktorgrades der Wirtschafts- und Verhaltenswissenschaftlichen Fakultät Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br. vorgelegt von Dipl.-Psych. Corinna Klöpfer 1 Dekan: Prof. Dr. Dieter K. Tscheulin 1. Gutachter: Prof. Dr. Dieter Riemann 2. Gutachter: Prof. Dr. Josef Unterrainer Datum des Promotionsbeschlusses: 08.10.2009 2 Lutz Goebel 2005 For Janos. Thanks for all love, care, support and patience. 3 Danksagung Herrn Prof. Dr. D. Riemann, möchte ich für die Überlassung des Themas und dafür mir die Durchführung dieses Projektes anzuvertrauen, die Betreuung und Korrektur meiner Arbeit danken. Besonderer Dank gebührt Dr. B. Feige, der mich jederzeit während der Phase der Studiendurchführung, Auswertung und Publikation der Daten wissenschaftlich fundiert, zuverlässig, gewissenhaft und uneigennützig unterstützt hat und Dr. C. Nissen danke ich für seine guten Ideen. Prof. Dr. J. Unterrainer danke ich für seine kontinuierliche Beratung bei den neuropsychologischen Testungen und seine mutmachende Begleitung, und Prof. S. Sorichter, dass er es uns ermöglichte, die Patienten mit OSA zu untersuchen. Prof. J. Born und Dr. E.A. Nofzinger möchte ich danken für ihre konstruktiven Ideen und ihre Unterstützung bei der Veröffentlichung der Studienergebnisse. Ich danke Thorsten, Désirée und meiner Mum für ihre Unterstützung und Beistand in all den Jahren der Doktorarbeit. Zudem danke ich meinen Freundinnen und Freunden: Anita, Sabine, Lutz, Verena, Marta, Rigo, Karin und Christian – jeder hat auf seine Art dazu beigetragen, dass diese Arbeit fertig gestellt werden konnte. Des Weiteren danke ich allen medizinischen Doktoranden, bzw. Diplomanden für die gute Zusammenarbeit bei der Datenerhebung. Mein Dank gilt ebenso dem Team des Schlaflabors der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie Freiburg und des Schlaflabors der Pneumologie Freiburg, insbesondere Bernd Tritschler, unserem EDV-Koordinator. Des Weiteren danke ich allen Studienteilnehmern, ohne welche die Durchführung der Studie nicht möglich gewesen wäre. 4 Zusammenfassung Jeder weiß, dass Schlaf eine wichtige Funktion hat, aber dennoch ist die Funktion des Schlafs immer noch wie ein mythologischer Phoenix: „Che vi sia ciascun lo dice, dove sia nessun lo sa“ („That there is one they all say, where it may be no one knows.“ Wolfgang Amadeus Mozart and Lorenzo da Ponte, 1790, Cosi fan tutte). Während die Funktion des Schlafs immer noch unbekannt ist, ist eine der spannendsten und umstrittensten Hypothesen, dass Schlaf einen wichtigen Beitrag zur Gedächtnisbildung leistet. Zahlreiche tierexperimentelle Studien und Untersuchungen an gesunden jungen Probanden fanden Belege für diese substanzielle Funktion des Schlafes, die unter dem Begriff der schlafabhängigen Gedächtniskonsolidierung bekannt wurde. Eine klinisch relevante Konsequenz dieser Befunde ist, dass Einschränkungen der Schlafqualität auch Gedächtnisprozesse beeinträchtigen müssten – bei chronischen Schlafstörungen über einen langen Zeitraum hinweg. Das primäre Ziel der vorliegenden Studie war es, die Hypothese zu testen, dass die nächtliche prozedurale und deklarative Gedächtniskonsolidierung bei Patienten mit primärer Insomnie und bei Patienten mit obstruktiver Schlafapnoe (OSA) beeinträchtigt ist. Nach unserem Kenntnisstand wird mit dieser Studie zum ersten Mal systematisch untersucht, ob atmungsbezogene Schlafstörungen mit Beeinträchtigungen in der nächtlichen Gedächtniskonsolidierung assoziiert sind. Die vorliegende Auswertung umfasst eine Stichprobe von 18 Patienten mit primärer Insomnie im Vergleich zu 34 gesunden Kontrollprobanden und eine Stichprobe mit 15 Patienten mit milder OSA im Vergleich zu 20 gesunden Kontrollprobanden. Alle Studienteilnehmer waren im Alter zwischen 40 und 60 Jahren. Die Stichprobe der Insomnie-Patienten beinhaltet 11 Frauen und 7 Männer, im Alter von 45.5±4.5 Jahren, und 34 nach Alter und IQ abgeglichene, gesunde Kontrollprobanden. Die Stichprobe der OSA-Patienten beinhaltet 5 Frauen und 10 Männer im Alter von 46.4±5.9 Jahren, und 20 abgeglichene, gesunde Kontrollprobanden. Neben einer umfassenden neuropsychologischen Untersuchung (Konzentration, Aufmerksamkeit, 5 psychomotorische Verarbeitungsgeschwindigkeit), wurden vor bzw. nach einer Untersuchungsnacht im Schlaflabor (abends und morgens) Lernaufgaben zur prozeduralen und deklarativen Gedächtniskonsolidierung durchgeführt (Mirror Tracing Task und Visueller und Verbaler Merkfähigkeitstest). Die Ergebnisse der polysomnographischen Untersuchungen der Insomnie- Stichprobe zeigen eine signifikant gestörte Schlafkontinuität (Schlafzeit, Sleep Period Time, Schlafeffizienz), eine gestörte Schlafarchitektur (Wachzeit, Stadium 2, REMSchlafanteil) und Beeinträchtigungen in der subjektiven Schlafqualität bei den Insomnie-Patienten im Vergleich zu gesunden Kontrollprobanden. In den prozeduralen und deklarativen Lernaufgaben zeigten sich am Abend vor der Nacht im Schlaflabor keine Gruppenunterschiede. Die Insomnie-Patienten zeigten jedoch eine signifikant geringere Verbesserung in der prozeduralen Gedächtnis- konsolidierung über Nacht. Zudem zeigten die Insomnie-Patienten, mit mittlerer Effektstärke, eine verminderte deklarative Gedächtniskonsolidierung im Vergleich zu den gesunden Kontrollprobanden, ohne dass das Signifikanzniveau erreicht wurde. Die polysomnographischen Daten der OSA-Stichprobe zeigten eine Beeinträchtigung in den REM-Schlaf-Variablen (signifikant verminderte REM-Dichte), signifikante Unterschiede in den Atemparametern, erhöhtes Auftreten von Arousals und eine beeinträchtigte selbst eingeschätzte Schlafqualität bei den OSA-Patienten, im Vergleich zu gesunden Kontrollprobanden. In den Lernaufgaben zeigten sich am Abend vor der Nacht im Schlaflabor keine Gruppenunterschiede. Bezüglich der Gedächtniskonsolidierung zeigten die OSA-Patienten eine signifikante Be- einträchtigung in der nächtlichen prozeduralen und verbal deklarativen Gedächtniskonsolidierung im Vergleich zu gesunden Kontrollprobanden. Zudem fanden sich in den beiden Stichproben der gesunden Kontrollprobanden signifikante positive Korrelationen zwischen der REM-Dichte und der Verbesserung im prozeduralen Lernen. Die Ergebnisse dieser Studie bestätigten die Hypothese, dass Patienten mit primärer Insomnie eine signifikant schlechtere Konsolidierung prozeduraler Leistungen und Beeinträchtigungen im deklarativen Lernen zeigen. Zudem stützen sie die 6 Hypothese, dass Patienten mit OSA eine signifikant schlechtere schlafassoziierte Gedächtniskonsolidierung für prozedurale und verbal deklarative Leistungen zeigen. Weitere Untersuchungen dieser Zusammenhänge sollen zu einem besseren Verständnis der kognitiven Aspekte dieser häufig auftretenden Schlafstörungen beitragen. Außerdem sollen sie dazu dienen herauszufinden, welche Behandlungsmöglichkeiten (z. B. kognitive Verhaltenstherapie bei Insomnie und Continuous Positive Airway Pressure = CPAP bei OSA) die kognitiven Defizite mildern oder normalisieren können. 7 INHALTSVERZEICHNIS Danksagung 4 Zusammenfassung 5 Inhaltsverzeichnis 8 1 THEORETISCHER HINTERGRUND 13 1.1 Physiologie des Schlafes 14 1.1.1 Grundlagen der Schlafforschung 14 1.1.2 Schlafstadien und die Biologie des Schlafes 14 1.2 Schlafstörungen 19 1.2.1 Definition von Schlafstörungen 19 1.3 Primäre Insomnie 20 1.3.1 Prävalenz und Epidemiologie 20 1.3.2 Diagnosekriterien 20 1.3.2.1 Diagnostik 22 1.3.3 Symptome 23 1.3.4 Erklärungsmodelle 26 1.3.5 Folgeerkrankungen 29 1.4 Obstruktive Schlafapnoe 30 1.4.1 Prävalenz und Epidemiologie 31 1.4.2 Diagnosekriterien 31 1.4.3 Symptome 32 1.4.4 Erklärungsmodelle 34 1.4.5 Folgeerkrankungen 35 1.4.6 Risikofaktoren 36 1.5 Gedächtnis und Lernen 37 1.5.1 Gedächtniskategorien 37 1.5.2 Gedächtnisstufen 38 1.6 Untersuchungen zu Schlaf und Gedächtnis 39 1.6.1 Humanstudien zum deklarativen Gedächtnis und Schlaf 40 1.6.2 Humanstudien zum prozeduralen Gedächtnis und Schlaf 41 1.6.2.1 Motorisches Lernen 42 1.6.2.2 Visuelles Lernen 42 8 1.6.2.3 Auditives Lernen 43 1.6.3 Tierexperimentelle Studien 43 1.7 Schlafabhängige synaptische Plastizität 44 1.7.1 Bildgebende Untersuchungen 44 1.7.2 Elektrophysiologische Untersuchungen 45 1.7.3 Untersuchungen auf molekularer Ebene 46 2 METHODIK 48 2.1 Ziele der Untersuchungen 49 2.2 Fragestellungen und Hypothesen 50 2.3 Methodik und Forschungsdesign 50 2.3.1 Studienpopulation 51 2.3.1.1 Einschlussprozedere 51 2.3.1.2 Ein- und Ausschlusskriterien 51 2.3.2 Versuchsplan 52 2.3.3 Untersuchungsdesign 53 2.3.4 Untersuchungsablauf 54 2.3.4.1 Vorphase der Untersuchungen 54 2.3.4.2 Experimentelle Hauptuntersuchungen 55 2.3.5 Hintergrund der Untersuchungsinstrumente 56 2.3.5.1 Schlafparameter 56 2.3.5.2 Gedächtniskonsolidierungsparameter 57 2.4 Datenerhebung 57 2.4.1 Allgemeine körperliche Untersuchungen 57 2.4.2 Untersuchungen zum psychischen Allgemeinzustand 58 2.4.3 Erfassung des subjektiven Schlaferlebens 58 2.4.3.1 Pittsburgh Schlafqualitätsindex (PSQI) 58 2.4.3.2 Epworth Sleepiness Scale (ESS) 59 2.4.3.3 Schlaffragebogen (SF-A) 59 2.4.3.4 Schlaftagebuch 59 2.4.4 Zusätzliche neuropsychologische Untersuchungen 60 2.4.4.1 Intelligenz 60 2.4.4.2 Aufmerksamkeit und Konzentration 61 9 2.4.4.3 Kognitive Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit 61 2.4.5 Untersuchungen zum Gedächtnis 62 2.4.5.1 Prozedurales Gedächtnis 62 2.4.5.2 Deklaratives Gedächtnis 63 2.4.6 Objektive Schlafuntersuchungen (Polysomnographie) 65 2.5 Statistische Auswertungen 66 2.5.1 Analyse der Gruppenunterschiede 67 2.5.2 Analyse der Zusammenhänge Schlaf und Gedächtnis 67 3 ERGEBNISSE 68 3.1 Stichprobenbeschreibung 69 3.2 Ergebnisse zu Schlaf und Gedächtnis bei primärer Insomnie 69 3.2.1 Stichprobe Insomnie 69 3.2.2 Subjektive Einschätzung des Schlafs 70 3.2.3 Polysomnographische Parameter 70 3.2.4 Gedächtnisparameter 73 3.2.5 Zusammenhang zwischen Schlaf und Gedächtnisparametern 77 3.2.6 Zusätzliche Neuropsychologie 78 3.3 Ergebnisse zu Schlaf und Gedächtnis bei obstruktiver Schlafapnoe 80 3.3.1 Stichprobe obstruktive Schlafapnoe 80 3.3.2 Subjektive Einschätzung des Schlafs 81 3.3.3 Polysomnographische Parameter 81 3.3.4 Gedächtnisparameter 85 3.3.5 Zusammenhang zwischen Schlaf und Gedächtnisparametern 89 3.3.6 Zusätzliche Neuropsychologie 90 4 DISKUSSION 92 4.1 Demographische und klinische Parameter 93 4.1.1 Stichprobe Insomnie 93 4.1.2 Stichprobe obstruktive Schlafapnoe 94 10 4.2 Polysomnographische Parameter 95 4.2.1 Stichprobe Insomnie 95 4.2.2 Stichprobe obstruktive Schlafapnoe 95 4.3 Gedächtniskonsolidierung 96 4.3.1 Stichprobe Insomnie 96 4.3.2 Stichprobe obstruktive Schlafapnoe 99 4.3.3 Zusammenhang zwischen Schlaf und Gedächtnisparametern 103 4.4 Fazit und Ausblick 105 LITERATURVERZEICHNIS 106 ANHANG 118 11 Abbildung 1. Hypnos und Thanatos betten Sarpedon (griechische Lekythos, ca. 440 v. Chr.) 12 1. THEORETISCHER HINTERGRUND 13 Theoretischer Hintergrund 1.1 Physiologie des Schlafes 1.1.1 Grundlagen der Schlafforschung In der griechischen Mythologie gilt Hypnos (griechisch: Ὕπνος, lateinisch „Somnus“) als der Gott des Schlafes, der Bruder des Todes Thanatos und Vater der Träume; er ist ein Sohn der Nyx und des Erebos. Im Mythos muss er Hera beim Einschläfern von Zeus helfen. Hypnos wird mit seinem Zwillingsbruder Thanatos häufig als die sogenannte Ildefonso-Gruppe mit Schlaf und Tod dargestellt. In seinen Metamorphosen beschreibt Ovid die Höhle, in der Hypnos lebt, als einen Ort der Ruhe und des Schweigens. Er wird auf allen Bildern mit Schmetterlingsflügeln auf der Schläfe dargestellt. Bis ins letzte Jahrhundert galt Schlaf als inaktiver Zustand, der vom Gehirn passiv erlebt wird und nicht aktiv erzeugt wird (Borbély, 1984). Mit der Entdeckung des Elektroenzephalogramms (EEGs) zur Messung der elektrischen Hirnströme (Berger, 1929) wurde eine systematische Betrachtung der Schlafphysiologie überhaupt erst möglich. Loomis et al. (1937) fanden EEGVeränderungen während des Schlafes, Aserinsky und Kleitmann (1953) konnten zwei deutlich unterschiedliche Schlafphasen erkennen. 1968 erstellten Rechtschaffen und Kales Standardkriterien für die Bestimmung von Schlafstadien aus der polysomnographischen Ableitung, die neben dem EEG zusätzlich noch mindestens die Ableitung der Muskelaktivität (EMG) sowie der Augenbewegungen (EOG) enthält. Fast 40 Jahre war dieses Manual zur Schlafstadienklassifikation maßgeblich. 2007 modifizierte die American Academy of Sleep Medicine (AASM) diese Standard-Schlafklassifikation und entwickelte neue Richtlinien für die Terminologie, Ableitungsmethoden und Klassifikationsregeln für schlafbezogene Phänomene (AASM Manual for Scoring sleep, 2007). 1.1.2 Schlafstadien und die Biologie des Schlafes Die eigentliche Funktion des Schlafes ist bis zum heutigen Zeitpunkt nicht vollständig verstanden und Gegenstand intensiver Forschung. In der ersten Lebensphase des Menschen konnte ein fördernder Einfluss des Schlafes auf die strukturelle Entwicklung des Gehirns nachgewiesen werden (Hobson, 1990). Beim Erwachsenen scheint dem Schlaf darüber hinaus eine Schlüsselrolle bei der Speicherung und 14 Theoretischer Hintergrund Verarbeitung von neuen Informationen durch das Gehirn zuzukommen (Pace-Schott & Hobson, 2002). Viele Gehirnareale haben spezifische Funktionen während des Schlafes und jedes Areal hat spezifische organisatorische Aufgaben. Abbildung 2. Gehirnregionen und Regulationssysteme, die in den Schlaf involviert sind (Pace-Schott & Hobson, 2002). Dargestellt sind Gehirnregionen, die für die Neurobiologie des Schlafes interessant sind. In der unteren Reihe sind subkortikale Regionen dargestellt, welche den SchlafWach-Rhythmus kontrollieren und für den Übergang und Wechsel von Schlaf und REM-NREM-Schlaf verantwortlich sind. Die obere Reihe zeigt Gehirnareale, die für die Generierung des Schlaf-EEG-Rhythmus, das subjektive Erleben von Schlaf oder Träumen und den Einfluss von Schlaf auf die Kognition zuständig sind. Der Schlaf von Säugetieren kann grob in zwei unterschiedliche Typen eingeteilt werden: Non-rapid eye movement Schlaf (NREM) und rapid eye movement (REM) Schlaf. Der NREM-Schlaf wird bei Primaten und Katzen weiter unterteilt in vier Subkategorien (1-4) entsprechend der Reihenfolge der Zunahme des Tiefschlafes (Rechtschaffen& Kales, 1968). Beim Menschen alterniert NREM und REM-Schlaf in ultradianen Zyklen von ca. 90 min Länge. Obwohl die Länge des NREM-REM Zyklus größtenteils stabil über die Nacht bleibt, ändert sich der Anteil von NREM und REM über die 90-min-Zyklen hinweg. In der ersten Nachthälfte überwiegt NREM-Schlaf (Stadien 3 und 4) während REM-Schlaf bevorzugt in der zweiten Nachthälfte auftritt. Die tiefsten Schlafstadien 3 und 4 werden auch als Tiefschlaf bzw. wegen des Überwiegens langsamer EEG-Wellen im Deltaband (0.5- 3.5 Hz) als slow wave sleep 15 Theoretischer Hintergrund (SWS) bezeichnet. Über die Schlafstadien hinweg treten große Veränderungen in elektrophysiologischen, neurochemischen und funktionellen Prozessen auf, machen sie biologisch unterschiedlich vom Zustand der wachen Gehirnaktivität und dadurch voneinander unterscheidbar. Z. B. ist SWS gekennzeichnet durch eine Abnahme cholinerger Aktivität, REM-Schlaf durch Unterdrückung der Abgabe von Noradrenalin durch den Locus coeruleus und der Abgabe von Serotonin durch die Raphe-Kerne. Abbildung 3. Schlafstadien (Stickgold & Walker 2007). Die EEG-Ableitungsmuster unterscheiden sich ebenso erheblich zwischen den Schlafstadien. NREM-Schlafprozesse sind dadurch erkennbar, dass die elektroenzephalographische (EEG) Aktivität mit langsamer Frequenz beginnt. Während des Stadiums 2 NREM zeigen sich phasisch elektrische Ereignisse mit K Komplexen (große elektrische Ausschläge der Wellen im EEG) und Schlafspindeln (kurze synchronisierte 12- 14 Hz EEG Schwingungen) (Steriade & Amzica, 1998). Die tiefsten NREM-Stadien, Stadium 3 und 4, werden oft zusammengefasst unter dem Begriff „slow wave sleep“ (SWS). Dies spiegelt das Auftreten langsamer Wellen (13.5 Hz und <1 Hz) wieder, welche abwechselnd der kortikalen Synchronizität unterliegen (Amzica & Steriade, 1995). Während des REM-Schlafes zeigen die EEG-Oszillationen asynchrone Ausschläge und synchrone hochfrequente Aktivität im Bereich von 30-80 Hz, in der Schwankungsbreite ähnlich zum Wachzustand (Llinas & Ribary, 1993; Steriade et al., 1996). Periodisch auftretende, schnelle Augenbewegungen (REM) sind zudem ein Charakteristikum des REM-Schlafs. Außerdem ist während dieses Zustandes der Muskeltonus im Vergleich zu NREM-Schlaf und Wachzustand deutlich herabgesenkt (Chase & Morales, 1990). Es gibt Untersuchungen, die nachweisen, dass rapid eye 16 Theoretischer Hintergrund movements mit dem Auftreten von phasischen endogenen Wellen assoziiert sind, welche im Pons (P) hervorgerufen werden, im Corpus geniculatum laterale des Thalamus (G) und im occipitalen Cortex (O) verfolgbar sind, und somit unter dem Begriff „PGO-Waves“ (Callaway et al., 1987), zusammengefasst werden. Während das Gehirn diese Schlafstadien durchläuft, spielen sich außerdem drastische neurochemische Veränderungen ab. Im NREM-Schlaf werden subcortical cholinerge Systeme im Hirnstamm und Vorderhirn inhibiert (Hobson et al., 1975; Lydic & Baghdoyan, 1988), die serotonergen Aktionspotentiale der Raphe-Kern Neuronen und die noradrenerge Aktivität der Locus coeruleus Neuronen sind im Vergleich zu ihrem Level im Wachzustand reduziert (Aston-Jones & Bloom, 1981; Shima et al., 1986). Im REM-Schlaf werden die aminergen Neuronengruppen aktiv gehemmt und die cholinergen Neuronenpopulationen sind aktiver als im Wachzustand (Kametani & Kawamura, 1990; Marrosu et al., 1995). Das Resultat ist ein Gehirnzustand, der weitgehend ohne aminerge Modulation abläuft und von cholinerger Neurotransmission dominiert wird. Derzeitiger Wissensstand ist, dass das Aufsteigende Reticuläre Aktivierungssystem (ARAS), welches im Gehirnstamm seinen Ursprung hat, eine zentrale Rolle in der Regulierung des Schlaf-Wach Zustandes spielt. Saper und Kollegen (Saper, 2005; Lu et al., 2006) haben das aktuelle Wissen über die Neurobiologie und Neurochemie der Schlaf-Wach-Regulierung zusammengefasst. Nach diesem „Flip-Flop-Modell“ wird der Zustand des Wachseins von einem Netzwerk von Zellgruppen im Hypothalamus (einschließlich Orexin), welche den Thalamus und die Großhirnrinde aktivieren, verursacht. Zusätzlich zum orexinergen System kommen noradrenerge, histaminerge, cholinerge und serotonerge Systeme hinzu, welche Arousal fördern und aufrechterhalten. Ein „Flip-Flop-Schalter“ im Hypothalamus hat während dem Schlafzustand die Fähigkeit, das Arousalsystem auszuschalten. Andere Neuronen im Hypothalamus dienen dazu diese Zustandsübergänge zu gewährleisten und zuwenig Orexin, und damit eine unerwünschte Umschaltung von Zuständen, wie z.B. bei Narkolepsie, zu unterbinden. Es wird auch diskutiert ob ein dysfunktionaler „FlipFlop-Schalter“ eine pathogene Ursache von primärer Insomnie sein könnte. Dies könnte sich in einem Ungleichgewicht zwischen schlafunterstützenden Arealen im Gehirn [z.B. im Ventrolateralen Präoptischen Bereich des Hypothalamus (VLOP), 17 Theoretischer Hintergrund Neurotransmitter GABA] und Neuronen die Arousal hervorrufen (andere orexinerge Neurone im lateralen Hypothalamus) und dadurch mit einer Überaktivität im Orexin System oder einer Unterfunktion im VLPO zeigen. Diese Vermutung wurde durch die Entwicklung eines Orexin½ Rezeptor Antagonisten bestätigt, welcher zur Behandlung von Insomnie eingesetzt wurde und bei der Verabreichung an Tieren und gesunden Schläfern Erfolg versprechende Ergebnisse zeigte. Abbildung 4. Flip-Flop Switch Modell der Schlaf-Wach Regulation (modifiziert nach Saper et al. 2005). a.) Wachzustand Orexin TMN LC Raphe „on“ wach VLPO VLPOe b.) Schlafzustand Orexin schlaf VLPO VLPOe TMN LC Raphe „off“ Die Neuronen des VLPO sind im Schlaf aktiv, zu wenig VLPO Neuronen verursachen Schlaffragmentierung und Insomnie. Im VLPO gibt es VLPO und VLPOe Neuronen: VLPO sind am häufigsten im Nukleus tuberomamillaris (TMN) zu finden, während VLPOe häufiger im Locus coeruleus (LC) und im dorsalen und medianen RapheKern vorkommen. Bei der Interaktion zwischen VLPOe und Komponenten des Arousal Systems hemmen sich diese gegenseitig. Diese Wegbahnung funktioniert beispielsweise analog zu einem „Flip-Flop Schalter“. Die Orexin Neuronen im lateralen Hypothalamus (LH) spielen wahrscheinlich eine stabilisierende Rolle bei der Umschaltung. 18 Theoretischer Hintergrund Obwohl dies nur ein Skizze der Beschreibung der neuronalen Prozesse ist, die bei den nächtlichen Abläufen im Gehirn eine Rolle spielen, zeigt es doch, dass Schlaf nicht als ein homogener Zustand angesehen werden kann, der das Gedächtnis beeinflusst, sondern dass es sich um einen vielschichtigen, komplexen neurobiologischen Prozess handelt. 1.2 Schlafstörungen 1.2.1 Definition von Schlafstörungen Schlafstörungen werden als Abweichungen vom gesunden Schlafverhalten beschrieben. Im Jahre 2005 erfolgte eine Neuauflage der 1990 publizierten Internationalen Klassifikation von Schlafstörungen durch die American Academy of Sleep Medicine (International Classification of Sleep Disorders, ICSD-2, 2005). Tabelle 1. Hauptkategorien von Schlafstörungen anhand ICSD-2 (2005). Hauptkategorien Insomnien Zugeordnete Störungen/ Erkrankungen Schlafbezogene Atmungsstörungen Hypersomnien ohne Bezug zu schlafbezogenen Atmungsstörungen Störungen des zirkadianen Rhythmus Parasomnien Schlafbezogene Bewegungsstörungen Andere Schlafstörungen Sog. Primäre Insomnien (Psychophysiologische Insomnie, Fehlbeurteilung des Schlafzustandes, Idiopathische Insomnie Insomnien infolge äußerer Einflüsse (Vibration, Gebrauch von Genussmittel und Pharmaka, sowie andere verhaltensabhängige Faktoren Sog. Sekundäre oder symptomatische Insomnien (bei vorbestehenden körperlichen oder psychiatrischen Erkrankungen) Obstruktives Schlafapnoesyndrom (OSAS) Zentrale Schlafapnoesyndrome (ZSAS) Zentral-alveoläre Hyperventilationssyndrome Primäre Hypersomnien mit genetischer Disposition (z.B. Narkolepsie, Idiopathische Hypersomnie) Verhaltensbedingte Hypersomnien (z.B. durch mangelnde Schlafhygiene, Gebrauch von Medikamenten, Gebrauch von psychoaktiven Substanzen) Sog. Sekundäre oder symptomatische Hypersomnien (bei vorbestehenden körperlichen oder psychiatrischen Erkrankungen; Voraussetzung für ihre rationale Therapie ist grundsätzlich die Erkennung des Zusammenhangs mit der Grunderkrankung und deren Behandlung) Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus (z.B. durch Zeitzonenwechsel, Jet-Lag, Schichtarbeit, Hospitalisierung) Z.B Schlafwandeln (und andere Störungen die jeweils an charakteristischen Stellen des Schlafablaufs auftreten, ohne in der Regel die Erholungsfunktion des Schlafs zu beeinträchtigen) Restless Legs Syndrom (RLS) Periodische Bewegungen der Gliedmaßen im Schlaf (PLMS), Periodic Limb Movement Disorder (PLMD) Und andere Nicht näher bezeichnete Schlafstörungen 19 Theoretischer Hintergrund Schlafstörungen gehören zu den häufigsten gesundheitlichen Beschwerden in der Bevölkerung. Umfragen zufolge leiden 15- 35% der erwachsenen Bevölkerung in westlichen Industrieländern, zumindest zeitweilig an leicht bis schwer ausgeprägten Schlafstörungen (Hohagen et al., 1993; 1994; Meier 2004; Schramm et al., 1995; Weyerer & Dilling, 1991). Bei ca. 10% der Erwachsenen liegt eine schwere, und damit vermutlich behandlungsbedürftige, Schlafbeeinträchtigung vor (Ohayon et al., 2001; Simen et al., 1995). 1.3 Primäre Insomnie 1.3.1 Prävalenz und Epidemiologie Die primäre Insomnie ist mit einer Prävalenzrate bei Erwachsenen zwischen 3 bis 5% die bekannteste Schlafstörung, und die am häufigsten auftretende Erkrankung im Zusammenhang mit psychiatrischen Erkrankungen (Ohayon, 2002). Verschiedene Studien belegen erhebliche Folgen der primären Insomnie für die psychische und körperliche Gesundheit (Costa e Silva et al., 1996; Fischer et al., 2002; Ohayon, 2002). Übereinstimmend zeigen alle epidemiologischen Studien, dass das Problem mit zunehmendem Alter gravierender wird und dass Frauen häufiger betroffen sind als Männer (Riemann & Backhaus, 1996). Die Zunahme von Schlafproblemen im Alter könnte verursacht werden durch Abnahme körperlicher, geistiger und sozialer Aktivitäten und die Zunahme von physischen und psychiatrischen Erkrankungen (Ohayon et al., 2001). Häufig bestehen die Schlafprobleme über mehrere Monate oder Jahre hinweg (Hajak, 2001; Simen et al., 1995). Ein Großteil der Befragten berichtet, dass sie durch die Schlafstörung auch unter Beeinträchtigungen des Befindens und der Leistungsfähigkeit am Tage leiden (Wittchen et al., 2001). Insgesamt nimmt die Gesellschaft den Umfang der Gesundheitsrisiken, die mit Schlafstörungen verbunden sind, nicht genügend wahr (Penzel et al., 2005). 1.3.2 Diagnosekriterien Der Begriff primäre Insomnie wurde als nosologische Entität im DSM-III-R (APA, 1987) eingeführt und im DSM-IV (APA, 1994) beibehalten. Die Störung wird dort definiert als Beschwerde über Ein- und oder Durchschlafstörungen, nicht-erholsamen 20 Theoretischer Hintergrund Schlaf, und daraus resultierende Konsequenzen für das Befinden während des Tages, wie etwa Konzentrations- und Leistungsstörungen, Dysphorie und Gereiztheit, die mindestens über den Zeitraum eines Monats andauern müssen, um als krankheitswertig eingestuft zu werden. Eine somatische bzw. psychiatrische Ursache muss zur Vergabe der Diagnose primäre Insomnie ausgeschlossen werden. Im ICD-10 (WHO, 1993) findet für diese Störung der Begriff nicht-organische Insomnie (F51.0) Verwendung. Im engl. Sprachraum wird parallel zum Begriff der primären Insomnie der Terminus „psychophysiological insomnia“ verwendet, der inhaltlich weitestgehend deckungsgleich ist. In der aktuellen Internationalen Klassifikation der Schlafstörungen ICSD-2 (AASM, 2005), bilden die Insomnien eine eigenständige Hauptkategorie. Innerhalb dieser Gruppe lassen sich sog. primäre Insomnien, sekundäre bzw. symptomatische Insomnien und Insomnien infolge äußerer Einflüsse unterscheiden. Die primären Insomnien lassen sich von den beiden anderen Formen der Insomnie dadurch abgrenzen, dass mögliche organische oder psychiatrische Erkrankungen sowie äußere Einflüsse (z. B. Lärm) und verhaltensabhängige Faktoren (z. B. inadäquate Schlafhygiene) als Ursache ausgeschlossen werden müssen (AASM, 2005; APA, 1994; WHO, 1993). Im klinischen Alltag wird zur Diagnosestellung meist auf die gängigen psychiatrischen Klassifikationsschemata DSM-IV (APA, 1994) und ICD-10 (WHO, 1993) zurückgegriffen. Tabelle 2. Diagnosekriterien der primären Insomnie (DSM-IV; APA, 1994). Kriterien der primären Insomnie nach DSM-IV A Die vorherrschende Beschwerde besteht in Einschlaf- oder Durchschlafschwierigkeiten oder nicht erholsamem Schlaf für mindestens einen Monat. B Die Schlafstörung (oder damit assoziierte Tagesmüdigkeit) führt zu klinisch signifikantem Leiden oder Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen. C Die Schlafstörungen sind nicht ausschließlich zurückzuführen auf eine Narkolepsie, atmungsgebundene Schlafstörung, Schlafstörung mit Störung des zirkadianen Rhythmus oder eine Parasomnie. D Die Schlafstörung ist nicht primär zurückzuführen auf eine psychiatrische Erkrankung (z. B. Major Depression, generalisierte Angststörung, Delirium etc.). E Die Schlafstörung ist nicht direkt auf die Wirkung einer Substanz (Droge, Medikament) oder eine medizinische Erkrankung zurückzuführen. 21 Theoretischer Hintergrund In allen modernen Diagnose Systemen zur Klassifizierung von Schlafstörungen ist das Kriterium des „nicht-erholsamen Schlafs“ von wesentlicher Bedeutung (AASM, 2005; APA, 1994; WHO, 1993). Durch die Einführung dieses Begriffs liegt der Fokus nicht nur auf Beeinträchtigungen und Phänomene während des Nachtschlafes, sondern auch auf daraus resultierenden negativen Konsequenzen für die Wach- und Leistungsfähigkeit am Tag. 1.3.2.1 Diagnostik Im Rahmen der Diagnostik der primären Insomnie stehen die anamnestische Erfassung der verschiedenen Symptome und deren Dokumentation durch Schlaffragebögen und Schlaftagebücher an erster Stelle (Chesson et al., 2000; Sateia et al., 2000). Unter Berücksichtigung des Ausmaßes der Beeinträchtigungen am Tage werden Charakter (z. B. Ein- oder Durchschlafstörung), Dauer und Schweregrad der insomnischen Beschwerden bestimmt (Penzel et al., 2005). Neben diagnostischer Funktion führt die Protokollierung des Schlaf-Wach-Rhythmus dazu, dass der Patient lernt, generalisierte negative Urteile zu relativieren, und dass zudem ein Zusammenhang zwischen Tagesereignissen und Schlafqualität sichtbar wird. Um organische und psychiatrische Ursachen auszuschließen, sind entsprechende medizinische Untersuchungen vorzunehmen. Zudem sollten Routinelaborparameter (inkl. Schilddrüsendiagnostik) und ein EKG zur organischen Ausschlussdiagnostik erhoben werden. Zur präziseren und zuverlässigeren Einschätzung der primären Insomnie sowie zur Diagnosestellung werden strukturierte Interviews (z. B. SIS-D, Schramm et al., 1991) eingesetzt. Sie grenzen die Insomnie von anderen Schlafstörungen ab und bieten Checklisten, anhand derer psychiatrische und körperliche Erkrankungen als mögliche Ursachen der Insomnie abgefragt werden. Besonders bei Patienten mit chronisch therapierefraktären Insomnien, die sowohl auf verschiedene adäquate pharmakologische als auch verhaltenstherapeutische Therapieversuche nicht angesprochen haben, Objektivierung der dient die Beschwerden polysomnographische und zum Ausschluss Untersuchung okkulter zur Ursachen, insbesondere aus dem weiteren Feld schlafmedizinischer Krankheitsbilder (Riemann et al., 2003a). 22 Theoretischer Hintergrund Grundsätzlich wird zur effektiven Behandlung von Schlafstörungen ein abgestuftes diagnostisches und therapeutisches Vorgehen empfohlen. Im Schlaflabor ergeben sich häufig Belege für zuvor nicht erkannte zugrunde liegende organische Faktoren (Fischer et al., 2002; Riemann et al., 2003b). Zudem findet sich teilweise eine Diskrepanz zwischen subjektiven und objektiven Daten bei schlafgestörten Patienten (Riemann & Backhaus, 1996). Zusammenfassend sind Aspekte der Anamnese und Differentialdiagnose in Tabelle 3 dargestellt. Tabelle 3. Anamnestische und differentialdiagnostische Aspekte von Insomnien (Riemann & Backhaus, 1996). Körperliche Anamnese Psychiatrische/ psychologische Anamnese Schlafanamnese Polysomnographie -frühere und jetzige Erkrankungen -Medikamente/Alkohol/Drogen/Nikotin -jetzige bzw. frühere neurotische/ Psychotische Erkrankungen -Persönlichkeitsfaktoren -jetzige und frühere Konflikte -SIS (Strukturiertes Interview nach DSM-II-R) -Schlaftagebuch (14 Tage) -Tagesbefindlichkeit -besondere Ereignisse/ äußere Faktoren -Fremdanamnese (Bettpartner): Myoklonien/ Atempausen/ Schnarchen -Vorgeschichte der Schlafstörung -Kindheit/ Familienanamnese -Aktometrie -Verdacht auf Atemregulationsstörung -Verdacht auf Restless-Legs -chronische therapierefraktäre Insomnie 1.3.3 Symptome Polysomnographische Untersuchungen im Schlaflabor ermöglichen eine objektive Diagnose der primären Insomnie (Rosa & Bonnet, 2000). Charakteristika sind: z.B. verlängerte Einschlafzeit am Abend, Verkürzung der Gesamtschlafzeit sowie Reduktion des Tiefschlafs. Der Schlaf ist stark fragmentiert und durch viele Wachphasen und häufige Stadienwechsel gekennzeichnet. 23 Theoretischer Hintergrund Abbildung 5. Schlafprofil eines Insomnie-Patienten mit typischer Fragmentierung des Nachtschlafs. Die Patienten erleben den Nachtschlaf als zu kurz, unruhig und oberflächlich. Nächtliches Wachliegen wird oft von ausgeprägtem Grübeln und Gedankenkreisen begleitet, welches meist aktuelle Probleme betrifft, oder fokussiert sich auf das NichtSchlafen-Können (kognitive Überaktivität). Emotionale Reaktionen zeigen sich überwiegend in Ärger und Verzweiflung über den gestörten Schlaf, in Niedergeschlagenheit und Angst vor möglichen negativen Auswirkungen des schlechten Schlafes am nächsten Tage (psychische Überaktivität). Körperliche Beschwerden können auch im Rahmen einer vegetativen Überaktivität (z. B. Anspannung, Herzklopfen, Schwitzen) auftreten (Hajak & Rüther, 1995). 24 Theoretischer Hintergrund Am Tage äußern sich der Schlafmangel und die unzureichende Schlafqualität oft in Beeinträchtigungen der Befindlichkeit sowie der sozialen und beruflichen Leistungsfähigkeit. Häufig berichtete Beschwerden sind: Müdigkeit, Erschöpfung Muskelschmerzen, und Kraftlosigkeit, Schmerzsymptome, innere Erregung allgemeines und Unwohlsein, Unruhe, depressive Verstimmungen, Reizbarkeit und Angst, überwiegendes Beschäftigtsein mit der Störung, Angst vor der Nacht, Konzentrations-, Aufmerksamkeits- und Gedächtnisprobleme (Morin, 1993). Obwohl Insomnie-Patienten häufig über starke Tagesmüdigkeit klagen, wurden verlängerte Einschlaflatenzen am Tage im multiplen Schlaflatenz-Test (MSLT) gefunden (Lichstein et al., 1997). Zudem leiden Insomnie-Patienten häufig unter einem allgemein erhöhten Erregungsniveau. Kognitive Beeinträchtigungen und Leistungsdefizite wurden in folgenden Bereichen festgestellt: Semantisches Gedächtnis (Mendelson et al., 1984), Kurzzeitgedächtnis, Arbeitsgedächtnis (Hauri, 1997), Reaktionsgeschwindigkeit (Hautzinger et al., 1994), Konzentration, selektive Aufmerksamkeit (Schneider et al., 2004), Daueraufmerksamkeit und Vigilanz (Hajak & Rüther, 1995). Einige Studien fanden keine Beeinträchtigungen in der objektiv gemessenen, kognitiven Performance bei Insomnie Patienten mit einer Diskrepanz zwischen subjektiv erfassten Beschwerden und objektiven neuropsychologischen Testungen. Bisher gibt es zwei Übersichtsarbeiten zu diesem Thema (Riedel & Lichtstein, 2000; Fulda & Schulz, 2001), welche zusammenfassend zu dem Ergebnis kommen, dass es nur in 20-25% aller bisher publizierten Studien leichte Beeinträchtigungen bei Insomnie-Patienten im Vergleich zu den Kontrollprobanden gibt. Insgesamt sind die Ergebnisse zu kognitiven Beschwerden recht widersprüchlich; viele Studien unterstützen die subjektiv vorgetragenen Beschwerden der Patienten nicht (Riemann & Voderholzer, 2002). Eine Beeinträchtigung der nächtlichen Gedächtnisbildung bei Patienten mit primärer Insomnie konnte bisher in zwei Studien nachgewiesen werden. Nissen et al. (2006) fanden eine beeinträchtigte prozedurale nächtliche Gedächtniskonsolidierung, die in Zusammenhang mit Beeinträchtigungen des REM-Schlafs gesehen werden. Backhaus und Kollegen (2006) hingegen fanden eine beeinträchtigte nächtliche Konsolidierung des deklarativen Gedächtnisses. Während in der Stichprobe der Gesunden das deklarative Gedächtnis positiv mit 25 Theoretischer Hintergrund Tiefschlaf korrelierte, wurde dies bei den Insomnie-Patienten nicht festgestellt. Allerdings fanden Backhaus et al. eine signifikante Korrelation zwischen deklarativem Gedächtnis und REM-Schlaf bei diesen Patienten. 1.3.4 Erklärungsmodelle In den letzten Jahrzehnten wurden verschiedene Erklärungsansätze zur Entstehung und Aufrechterhaltung der primären Insomnie entwickelt. Einige Modelle postulieren, dass sich die primäre Insomnie als Folge bzw. Wechselwirkung eines erhöhten Erregungszustandes (Hyperarousal) mit einem gelernten Fehlverhalten während der Erfahrung eines gestörten Schlafs entwickelt (Übersicht bei Bonnet & Arand, 1997). Einige pathophysiologische Modelle der primären/ psychophysiologischen Insomnie postulieren als Ursache ein Hyperarousal (d. h. Zustände von übermäßiger Unruhe und Angespanntheit) auf vegetativer, motorischer, emotionaler und kognitver Ebene (Morin, 1993), das von den Patienten subjektiv als dauerhafte Anspannung und erhöhte Grübelneigung erlebt wird. Physiologisch lässt sich Hyperarousal u. a. durch folgende Parameter nachweisen: Erhöhte Katecholaminwerte (Vgontzas & Chrousos, 2002), erhöhte Stoffwechselaktivität (Bonnet & Arand, 2003) und erhöhte Körpertemperatur (Lushington, 2000). Die „Hyperarousal“ Perspektive der Insomnie (Perlis et al., 1997; Riemann et al., 2009) erreichte als ein integratives Modell zur Pathophysiologie von Insomnie weit verbreitete Aufmerksamkeit. Es wird vermutet, dass verschiedene psychologische und physiologische Faktoren in der Entstehung und Aufrechterhaltung von chronischer Insomnie zusammenwirken. Dementsprechend sind akute Episoden von Insomnie durch akute Stressoren verursacht (z.B. psychosozial, medizinisch, Medikamente oder Drogen). Perlis postuliert in seinem Hyperarousal Konzept, dass besonders Menschen, die sich kognitiv auf Insomnie fokussieren und beginnen, über ihre Schlafbeschwerden „schlafverhindernder nachzudenken, Gedanken“. anfällig sind Fehlanpassende für die Entwicklung Verhaltensweisen (z.B. Verlängerung der Bettzeiten, Tagesschlaf, erhöhter Alkoholkonsum, etc.) verstärken zusätzlich die Entstehung einer Insomnie. Das Hyperarousal-Konzept beinhaltet auch 26 Theoretischer Hintergrund physiologische Phänomene. Z.B. konnten erhöhte autonomische Aktivitäten bei Insomnie Patienten nachgewiesen werden (erhöhte Beta Aktivität, Perlis et al., 1997). Abbildung 6. Neurokognitives Modell der Insomnie (modifiziert nach Perlis et al., 1997; 2006). Kognitiv-behaviorale Ebene -Psychosozialer Stress -Inadequate Problemlösestrategien -Sorgen machen/ grübeln -Probleme mit SL& WASO -reduzierte TST akut -besorgt über Schlaf -selektives Aufmerksamkeitslenken auf schlafbezogene Stimuli -attentional bias zu Tageskonsequenzen durch gestörten Schlaf -Behaviouralel Anpassung -ausgedehnte Schlaf gelegenheiten -wach im Bett liegen bleiben -veränderte Lichtposition während der Schlafphase -Depression -Abhängigkeitserkrankungen -Angststörungen -konditionierende Auswirkungen subchronisch chronisch Insomnie adaptiv maladaptiv Neurobiologische Ebene -Monoamine -Cortisol -Orexin -Adenosine -5-HT -akute Veränderungen In Bezug auf ARAS und/ oder VPLO -homöostatische& zirkadiane Dysregulation -akutes kortikales Hyperarousal -chronische Veränderungen innerhalb ARAS und/ oder VPLO -chronisches kortikales Hyperarousal -reduzierte hippokampale Volumen -beeinträchtige Gedächtniskonsolidierung -Depression -Abhängigkeitserkrankungen -Angststörungen 5-HT: Serotonin; SL:sleep latency; TST: total sleep time; VLPO: Ventrolaterale Präoptische Region im Hypothalamus;WASO: wake after sleep onset Morin (1993) entwickelte ein Modell, das die Entstehung und Aufrechterhaltung der primären Insomnie ausgehend von Arousalstörungen beschreibt. Er geht von vier Problembereichen im Leben des Insomniepatienten aus, die sich im Laufe der Zeit zu einem regelrechten Teufelskreis entwickeln. Im Fokus steht die erhöhte Aktivierung und Unruhe. Diese Unruhe kann ihren Ursprung in einem anstrengenden oder kritischen Lebensereignis haben, welches der Patient aber mit der Zeit nicht mehr mit den Schlafstörungen in Verbindung bringt. Im Zustand von Angespanntheit ist es dem Patienten nicht möglich einzuschlafen. Diese Erregtheit kann sich auf kognitiver Ebene (vermehrtes Grübeln), auf emotionaler Ebene (übertriebene Angst oder Ärger) oder auf physiologischer Ebene (erhöhte EMG-Aktivität, erhöhte Körperkerntemperatur oder gesteigerte Cortisolausschüttung) manifestieren. Oft 27 beziehen sich die dysfunktionalen Theoretischer Hintergrund Gedanken und Gefühle wiederum auf die Angst vor dem Nichtschlafenkönnen, was einen Rückkopplungseffekt zur Folge hat, d. h. die Anspannung steigt. Abbildung 7. Modell zur Genese und Aufrechterhaltung primärer Insomnie (Morin, 1993). Aus überhöhter Selbstbeobachtung und oftmals unrealistischen Ansichten entstehen Fokussierung auf das Schlafgeschehen und Fehleinschätzungen des eigenen Schlafverhaltens (Adam et al., 1986; Lack et al., 1996). Um Schlaf nachzuholen oder das Schlafen vermeintlich zu fördern, entwickeln die Patienten im Laufe der Zeit Schlaf behindernde Gewohnheiten, wie z. B. zu frühes Zubettgehen, Tagschlaf oder unregelmäßige Schlaf-Wach-Rhythmen. Erhöhte Müdigkeit tagsüber und Konzentrationsschwierigkeiten führen wiederum zu erhöhtem Druck, unbedingt gut schlafen zu müssen, und haben Angespanntheit zur Folge (Riemann & Backhaus, 1996). Inzwischen konnten zerebrale Glucosemetabolismen dieses Hyperarousals mithilfe der PET-Technik bestätigt werden (Nofzinger et al., 2004). Angenommen wird auch, dass Schlaf verhindernde, gelernte Assoziationen („sleep-preventing learned associations“) für die Chronifizierung der Störung eine wesentliche Rolle spielen. Untersuchungen der letzten Jahre konnten zudem nachweisen, dass bei diesen Patienten eine Überaktivität der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrindenachse vorliegt, und sich nachts im Schlaf-EEG eine verstärkte Aktivität im Bereich der schnellen Frequenzen im Beta-Bereich zeigt (Perlis et al., 1997; 2005). Espie und Kollegen (2006) entwickelten ein kognitives Modell zur Entwicklung und Aufrechterhaltung von chronischer Insomnie, welches sie als „AIE-Pathway“ 28 Theoretischer Hintergrund (attention-intention-effort) bezeichneten. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den kognitiven Mechanismen, welche mit den vermuteten Hyperarousal bei InsomniePatienten einhergehen oder unterliegen. Wenn man von einem normalen Schlaf ausgeht, ist es nahe liegend zu vermuten, dass die Aufmerksamkeitslenkung auf den Schlaf, ebenso wie das explizite Bemühen in Schlaf zu fallen, ausschlaggebende Faktoren für die Entwicklung und Aufrechterhaltung einer Insomnie sind (Spiegelhalder et al., 2008). Der Grundgedanke ist, dass der normale Schlaf ein weitgehend selbständiger und unwillkürlicher Prozess ist, welcher jedoch durch selektive Aufmerksamkeitslenkung gestört werden kann. Des Weiteren kann dieser Automatismus durch die willentliche Anstrengung zu schlafen gestört werden, welche in einer Entwicklung fehlangepasster und schlafverhindernder Verhaltensweisen münden kann. 1.3.5 Folgeerkrankungen Besonders bei Patienten mit chronifizierter Insomnie zeigt sich ein komplexes und hoch relevantes Störungsbild, das Beeinträchtigungen in verschiedenen Bereichen nach sich zieht. Die genannten Symptome auf körperlicher, psychisch-emotionaler und kognitiver Ebene können eine verminderte Lebensqualität, psychosoziale und berufliche Probleme hervorrufen (Mahowald & Schenck, 2005; Penzel et al., 2005). Die Relevanz dieses Störungsbildes wird unterstrichen durch Befunde, aus denen hervorgeht, dass insomnische Beschwerden z. B. mit einem erhöhten Risiko einhergehen, psychiatrisch zu erkranken. Als wichtigste psychiatrische Komorbidität gilt bei Insomnie-Patienten die Depression (Ford & Kamerow, 1989; Riemann & Voderholzer, 2003c). Subjektiv berichten die Patienten verschiedene Funktionsbeeinträchtigungen im Zusammenhang mit Schlafstörungen: Müdigkeit, verminderte Motivation, schwierigkeiten, Störungen kognitive Funktionsstörungen Gedächtnisprobleme), (Depressionen, (z. B. psychologische Angststörungen, Reizbarkeit) bzw. und Konzentrationspsychiatrische unspezifische körperliche Beschwerden (Kopfschmerzen, gastrointestinale Störungen) (Zammit, 1988). Ebenso wurde eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für kardiovaskuläre Erkrankungen (Schwartz et al., 1999; Suka et al., 2003), Störungen der Glukoseregulation (Spiegel 29 Theoretischer Hintergrund et al., 2005) und erhöhte Mortalität (Pollak et al., 1990; Janson et al., 2001; Kripke et al., 2002) bei Insomnien beschrieben. Hajak und Rüther (1995) beschreiben die Risiken von Insomnie folgendermaßen: erhöhte Mortalität und Morbidität, erhöhte Unfallrate, geringere Arbeitsproduktivität, verminderter beruflicher Erfolg, Koinzidenz mit psychiatrischen Syndromen (Angst und Depression), Probleme in der mitmenschlichen Interaktion und Prädisposition für Alkohol- und Drogenmissbrauch. Insomnie ist eine gesellschaftspolitisch und ökonomisch gesehen höchst relevante Erkrankung. Die Befunde verdeutlichen, dass es sich bei diesem häufigen Störungsbild um eine Erkrankung handelt, die ernsthafte psychische und körperliche Konsequenzen nach sich zieht. 1.4 Obstruktive Schlafapnoe Die obstruktive Schlafapnoe (OSA) stellt eine Untergruppe der schlafbezogenen Atmungsstörungen dar. Erste klinische Beobachtungen zu schlafbezogenen Atmungsstörungen führten Cheyne (1818) und Stokes (1854) durch. Durch die Beschreibung eines typischen Atmungsmusters wurde der Begriff „Cheyne-StokesAtmung“ geprägt, welche Teil der zentralen Schlafapnoe mit Cheyne-Stokes-Atmung ist, und ein typisches „Crescendo-Decrescendo-Muster“ der Atmung mit verlängerten Hyperpnoe Phasen aufweist (Cheyne, 1818; Stokes, 1854). Gerardy und Kollegen (1960), sowie Drachman und Gumnit (1962) entdeckten in den frühen sechziger Jahren periodische Atemstillstände bei Patienten mit „PickwickSyndrom“, das durch eine Kombination aus Übergewicht, Schnarchen und „Schlafsucht“ gekennzeichnet ist. Gastaut und Kollegen (1965) wiesen nach, dass schlafbezogene Atemstillstände auf eine Obstruktion der oberen Atemwege zurückzuführen sind. 1965 entdeckten Jung und Kuhlo in Freiburg Zusammenhänge zwischen der Schlafapnoe und der Entstehung des Pickwick-Syndroms (Jung & Kuhlo, 1965). 1969 setzten Kuhlo und Kollegen zum ersten Mal die Tracheotomie zur Behandlung der Apnoe ein (Kuhlo et al., 1969). Im Jahre 1981 beschrieb Sullivan die nasale 30 Theoretischer Hintergrund CPAP-Beatmung (Continuous Positive Airway Pressure) als Therapieoption (Sullivan et al., 1981). 1.4.1 Prävalenz und Epidemiologie Die obstruktive Schlafapnoe zählt mit zu den häufigsten nächtlichen Atemregulationsstörungen (Überblick bei Guilleminault & Bassiri, 2005). OSA kann in allen Altersgruppen auftreten, bevorzugt jedoch bei Männern im Alter ab etwa 40 Jahren. Die Prävalenzrate wird bei 30-60 Jährigen mit ca. 2% bei Frauen und ca. 4% bei Männern angegeben, mit steigender Tendenz in zunehmendem Alter (Young et al., 2002). Allerdings variieren die Prävalenzraten, je nachdem auf welchen Diagnosekriterien sie basieren. Der „Apnoe-Hypopnoe-Index“ (AHI), der sich aus der Anzahl der Apnoen und Hypopnoen von jeweils mehr als 10 Sekunden Dauer pro Stunde errechnet, spielt eine zentrale Rolle in der Diagnostik. Der AHI allein sagt jedoch wenig über den tatsächlichen Krankheitswert aus, welcher sich viel mehr durch die klinische Symptomatik (Tagesmüdigkeit und – schläfrigkeit, körperliche Morbidität) begründet. 1.4.2 Diagnosekriterien Zusätzlich zur gründlichen Anamnese sollte eine allgemein-körperliche, internistische und neurologische Untersuchung durchgeführt werden. Bei Verdacht auf Schlafapnoe ist auch eine HNO-ärztliche Untersuchung notwendig, um eventuelle morphologisch- anatomische Ursachen (etwa stark vergrößerte Tonsillen) einer Obstruktion der Atemwege abzuklären. Niedergelassene Pneumologen bieten ambulante Monitoring-Systeme an, mit denen unter den gewohnten Bedingungen zu Hause kontinuierlich die Sauerstoffsättigung, Herzaktionen und Schnarchgeräusche während des Nachtschlafs aufgezeichnet werden. Daran kann sich bei Verdacht auf Schlafapnoe eine polysomnographische Untersuchung in einem Schlaflabor anschließen. Durch die Auswertung des Schlafprofils und der zugehörigen Atmungsparameter kann festgestellt werden, ob es sich um obstruktive, zentrale oder gemischte Apnoe-Phasen handelt, und ob, im 31 Theoretischer Hintergrund Falle der Diagnose eines Schlafapnoe-Syndroms, eine Therapie eingeleitet werden soll. Tabelle 4. Diagnosekriterien der obstruktiven Schlafapnoe, nach ICSD-2 (2005). Kriterien nach ICSD. Gefordert sind: A+B+D oder C+D Anamnese (mindestens eines der folgenden Kriterien): 1. ungewollte Einschlafperioden während Wachheit, Tagesmüdigkeit, nicht-erholsamer Schlaf oder Insomnie A 2. nächtliches Erwachen mit Atemstillstand, Erstickungsanfällen, nach Luft schnappen 3. durch Bettpartner beobachtetes lautes Schnarchen oder Atemstillstände im Schlaf Polysomnographie: ≥ 5 respiratorische Ereignisse (Apnoen, Hypopnoen, RERAs (Respiratory Effort Related Arousal)) /h mit Atemanstrengung bei jedem respiratorischen Ereignis B oder C Polysomnographie: ≥ 15 respiratorische Ereignisse (Apnoen, Hypopnoen, RERAs (Respiratory Effort Related Arousal)) /h mit Atemanstrengung bei jedem respiratorischen Ereignis D Erkrankung nicht besser beschrieben durch andere Schlafstörung, eine internistische oder neurologische Erkrankung, Medikamenten-/Drogengebrauch Die Diagnostik sollte nicht allein auf den Apnoe-Index beruhen, da dieser für sich gesehen keine Therapiebedürftigkeit begründet. Eine Therapieindikation kann ebenso aufgrund ausgeprägter Tagesmüdigkeit, Fatigue oder mit der Apnoe assoziierten, schweren internistischen Erkrankungen bestehen, selbst wenn der geforderte Grenzwert des Apnoe-Index von > 10 Phasen/h nicht erreicht wird. 1.4.3 Symptome OSA ist gekennzeichnet durch repetetive partielle und komplette Obstruktionen der Atemwege im Schlaf, die eine erhebliche Fragmentierung der Nachtruhe zur Folge haben. Definitionsgemäß ist Schlafapnoe durch wiederholte Apnoe/ Hypopnoe-Episoden von mindestens 10 s Dauer während des Schlafes charakterisiert. Diese Atemstillstände können bis zu einer Minute und länger andauern und repetitiv auftreten. Üblicherweise führen diese Apnoe-Phasen zu einem Abfall der Sauerstoffsättigung im Blut. Durch Apnoephasen kurze schließlich Weckreaktionen, beendet. Die 32 sogenannte Arousals, Betroffenen selbst werden erleben die diese Theoretischer Hintergrund Apnoephasen nicht bewusst; meist sind es die Bettpartner der Erkrankten, die diese Atemaussetzer beobachten. Abbildung 8. Schlafprofil eines OSA-Patienten mit typisch Sauerstoffsättigungskurve (SaO2), Apnoen/ Hypopnoen-Episoden. Zu den Leitsymptomen von OSA zählt, neben den zu erniedrigter beobachtenden Atemaussetzern, auch nächtliches, lautes und unregelmäßiges Schnarchen. Die schlafinduzierte Erschlaffung der Muskulatur in den oberen Atemwegen führt meist dazu, dass es beim Einatmen zum Kollaps der Schlundmuskulatur und zur 33 Theoretischer Hintergrund mechanischen Verlegung der oberen Atemwege in diesem Bereich kommt. Dies führt zu zentralnervösen Arousalprozessen („Alarmreaktionen“) und Weckreaktionen, die einerseits das Ersticken verhindern, andererseits aber eine erhebliche Fragmentierung des Nachtschlafs bewirken. Die kurzen Weckreaktionen sind neben EEG-Frequenzbeschleunigungen von Anstiegen der Atmungs- und Pulsfrequenz begleitet. Die Betroffenen leiden zudem häufig an erhöhter Tagesmüdigkeit, die eine reduzierte Lebensqualität zur Folge hat, völlig unabhängig von der tatsächlichen Schlafdauer. 1.4.4 Erklärungsmodelle Die Ursache der pharyngealen Obstruktion wird in einer Einengung der oberen Atemwege gesehen, allerdings wird von einer multifaktoriellen Pathophysiologie ausgegangen. Das komplexe, zentralnervös gesteuerte Zusammenspiel der verschiedenen Muskeln beim Atmungsvorgang ist gestört, mit der Folge, dass besonders in Rückenlage der Rachenschlauch teilweise (Hypopnoen) oder vollständig (Apnoen) kollabiert. Indem die Patienten zur Offenhaltung der Atemwege die dilatatorisch wirksame Muskulatur des Pharynx, speziell den M. genioglossus, aktivieren (Mezzanotte et al., 1992), treten die Symptome fast ausschließlich nachts auf und die Atemfunktion tagsüber bleibt fast unbeeinträchtigt. Die Erschlaffung der Pharynxwände ist einerseits in einer allgemeinen Tonusabnahme der quer gestreiften Muskulatur zu sehen und andererseits in einer pharyngealen Verlegung durch hyperplastische Teile des weichen Gaumens und der Tonsillen. Der Neurotransmitter Serotonin (5-HT) spielt eine wichtige Rolle in der Kontrolle der Motoneurone der Muskulatur der oberen Atemwege. Während einer Schlafperiode kommt es zur verringerten Ausschüttung des exzitatorisch wirkenden Serotonins. Dieser Effekt wird hauptsächlich über den Serotonin Subtyp 2A Rezeptor vermittelt. Eine pharmakologische Aktivierung dieses Rezeptors ist keine therapeutische Option, da Agonisten an diesem Rezeptor unerwünschte Wirkungen an anderen neuronalen Bahnen verursachen (Kubin et al., 1998). 34 Theoretischer Hintergrund 1.4.5 Folgeerkrankungen Betroffene mit einem erhöhten AHI (Apnoe-Hypopnoe-Index) bemerken in der Regel subjektiv am störendsten eine erhöhte Tagesmüdigkeit und -schläfrigkeit bis hin zum Sekundenschlaf, und erhebliche Leistungs- und Konzentrationsstörungen, insbesondere bei monotonen Tätigkeiten, wie zum Beispiel beim Autofahren (TeranSantos et al., 1999). Auch auf neurokognitiver Ebene sind Beeinträchtigungen zu verzeichnen. Beebe und Kollegen fanden Tagesschläfrigkeit, bei OSA-Patienten, Aufmerksamkeits- im und Vergleich zu Gesunden, erhöhte Konzentrationsschwierigkeiten und Defizite in den exekutiven Funktionen, wie zum Beispiel der Entscheidungsfindung (Beebe & Gozal, 2002). Bedeutsame Veränderungen kann man auch in Gedächtnisprozessen finden, in denen Fähigkeiten wie neue Informationen zu erfassen, zu speichern und wieder abzurufen, wichtig sind. Bei OSA-Patienten wurden sowohl im deklarativen als auch im prozeduralen Gedächtnis Verschlechterungen nachgewiesen. Bedard und Kollegen zeigten dies für das deklarative, Hippocampus-vermittelte Gedächtnis (Bedard et al., 1991) und Rouleau und Kollegen für das prozedurale, nicht Hippocampus-gesteuerte Gedächtnis (Rouleau et al., 2002). Jedoch zeigten diese Veränderungen in beiden Studien nur die Subgruppen mit schwerer OSA. Darüber hinaus treten eine Menge unspezifischer Symptome auf, wie beispielsweise Abgeschlagenheit oder ein Leistungsknick. Ebenso werden psychische Symptome wie eine Wesensänderung, Stimmungsstörungen oder intellektueller Leistungsverfall berichtet. Aufgrund von OSA-Folgeerkrankungen und Spätkomplikationen, erweckt die Erkrankung zunehmendes medizinisches Interesse. Epidemiologische Daten weisen auf Zusammenhänge des Störungsbildes mit der Häufung koronarer Herzerkrankungen, Schlaganfällen und erhöhter Mortalität hin, wobei nicht nur von korrelativen Zusammenhängen, sondern auch von einer kausalen Verursachung dieser Erkrankungen durch Schlafapnoe-Syndrome ausgegangen wird (Peppard et al., 2000; Young et al., 1993). Weiterhin ist bekannt, dass zwischen dem Auftreten eines Schlafapnoe-Syndroms und Übergewicht, arterieller Hypertonie und Linksherzhypertrophie signifikante Korrelationen bestehen (Grote et al., 1999; Marti et al., 2002). 35 Theoretischer Hintergrund Die Auswirkungen auf metabolischer und endokriner Ebene sind ebenfalls beträchtlich, am wichtigsten hervorzuheben ist dabei der Einfluss auf die InsulinResistenz. Auch hier stellt OSA einen unabgängigen Risikofaktor dar (Punjabi et al., 2004). Als Konsequenz aus den erheblichen Folgekrankheiten der OSA erklärt sich die erhöhte Mortalität bei Patienten, die an OSA leiden. Lavie et al. zeigten, dass OSA indirekt das Mortalitätsrisiko steigert, da es ebenfalls als ein Risikofaktor für die Hypertonie gilt (Lavie et al., 1995). Marin und Kollegen bestätigten dies in einer prospektiven Kohortenstudie (Marin et al., 2005). 1.4.6 Risikofaktoren Verschiedene Risikofaktoren sind bei OSA bekannt. Dazu zählen alle Faktoren, die eine Veränderung der knöchernen kraniofazialen anatomischen Verhältnisse, der Zunge oder der lateralen Pharynxwände bedingen. Ein erhöhter Body-Mass-Index mit Fetteinlagerungen, wie er im Rahmen einer Adipositas vorkommt, gehört zu den häufigsten Risikofaktoren. Weiterhin ist bekannt, dass zwischen dem Auftreten von OSA und Übergewicht, arterieller Hypertonie und Linksherzhypertrophie, signifikante Korrelationen bestehen (Grote et al., 1999; Marti et al., 2002). Auch Adenoide oder vergrößerte Tonsillen können durch Volumenzunahme zur Einengung des Rachenschlauches führen. Des Weiteren kann auch das Vorhandensein einer Makroglossie oder Mikrognathie, wie sie beispielsweise beim Down-Syndrom auftreten, dazu führen. Akromegalie und das Vorliegen einer Hypothyreose mit konsekutiver Strumabildung wirken sich ebenfalls auf die anatomischen Gegebenheiten im Rachenbereich aus. Inhalativer Nikotingebrauch kann durch die Begünstigung der Entstehung einer chronischen Pharyngitis negative Auswirkungen auf die nächtliche Atemfunktion haben. Auch der Konsum von Alkohol, oder die Einnahme von Beruhigungsmitteln und anderen atemdepressorischen Substanzen wirken sich in negativer Weise auf die Kontrolle der Atemfunktion im Schlaf aus. 36 Theoretischer Hintergrund Bei der obstruktiven Schlafapnoe handelt es sich um eine Schlafstörung primär organischer Genese, die zudem mit erheblichen Konsequenzen für die Gesundheit verbunden ist. 1.5 Gedächtnis und Lernen 1.5.1 Gedächtniskategorien Obwohl „Gedächtnis“ oftmals wie Schlaf als einheitlicher Begriff verwendet wird, ist es nicht eine einzelne Einheit. Das menschliche Gedächtnis wird in verschiedene Klassifikationsschemen zusammengefasst. Das bekannteste Klassifikationsschema beruht auf die Unterscheidung zwischen deklarativem und nicht-deklarativem Gedächtnis (Squire & Zola, 1996; Tulving, 1985). Abbildung 9. Gedächtnissysteme, modifiziert nach Squire (2004). Das menschliche Gedächtnis wird meist unterteilt in deklarativ, mit den Subkategorien episodisch und semantisch und nicht-deklarativ, mit den verschiedenen Subkategorien, inklusiv den prozeduralen Gedächtnisfertigkeiten. Gedächtnis deklarativ (exlizit) episodisch (Ereignisse) nicht-deklarativ (implizit) semantisch (Fakten) prozedural Klassische Konditionierung nichtassoziatives Lernen Priming (Bahnung, Erwartung) Das deklarative Gedächtnis kann betrachtet werden als das bewusste Gedächtnis, das auf Fakten-Wissen beruht (i.S. Wissen „was“). Es bestehen verschiedene Subkategorien des deklarativen Gedächtnisses, die das Episodische Gedächtnis (Gedächtnis für vergangene Ereignisse) 37 und das semantische Gedächtnis Theoretischer Hintergrund (Gedächtnis für generelles Wissen, nicht auf ein bestimmtes Ereignis bezogen) beinhalten. Aktuelle neuronale Modelle des deklarativen Gedächtnisses betonen den entscheidenden Einfluss von Gedächtnisstrukturen im medialen Temporallappen, inklusive des Hippocampus (Eichenbaum, 2000), einer Struktur, welcher die Funktion von zeitlicher Wiederholung neokortikal gespeicherter Information zugesprochen wird. Im Gegensatz dazu kann das nicht-deklarative Gedächtnis als unbewusstes Gedächtnis bezeichnet werden. Die nicht-deklarative Kategorie beinhaltet u.a. das prozedurale Gedächtnis (i.S. Wissen „wie“), wie das Lernen von Handlungen, Gewohnheiten und Fertigkeiten, ebenso wie das implizite Lernen, und es erscheint weniger von den medialen Temporallappen-Strukturen abhängig zu sein. Diese Einteilung in Kategorien erscheint praktisch, im täglichen Leben treten sie jedoch selten einzeln oder getrennt auf (Stickgold & Walker, 2007). Z. B. erfordert das Erlernen einer Sprache die Kombination von Gedächtnissystemen, die vom nicht-deklarativen Gedächtnis für prozedurale motorische Fertigkeiten um die Sprache zu Artikulieren, über das Gedächtnis für grammatische Regeln und Strukturen, bis hin zu Aspekten des deklarativen Gedächtnisses für die Auswahl der richtigen Wörter reichen. Dies muss berücksichtigt werden, wenn man den Einfluss von Schlaf auf Lernen und Gedächtnis betrachtet. 1.5.2 Gedächtnisstufen Weil das Gedächtnis nicht monolithisch betrachtet werden kann, gibt es nicht ein einziges Ereignis, das das Gedächtnis entwickelt oder hervorruft. Das Gedächtnis entsteht vielmehr durch verschiedene Stadien über die Zeit. Z. B. kann Gedächtnis entstehen, wenn man sich mit etwas beschäftigt oder wenn man eine Handlung plant, in Abhängigkeit zur Repräsentation des Objektes oder der Handlung im Gedächtnis. Entsprechend der Erfahrungen, kann die Gedächtnisrepräsentation verschiedene Stadien der Entwicklung durchlaufen. Das bekannteste Gedächtnisstadium ist die „Konsolidierung.“ Klassisch bezieht sich der Terminus „Gedächtniskonsolidierung“ auf einen Prozess, in dem das Gedächtnis resistent gegen Störungen von konkurrierenden Informationen oder störenden Faktoren in Abwesenheit von weiteren übenden Möglichkeiten über die Zeit ist (McGaugh, 2000). Das bedeutet, das Gedächtnis wird stabiler und sicherer. 38 Theoretischer Hintergrund Neuere Untersuchungen bestätigten dies. Z. B. kann Konsolidierung nicht nur betrachtet werden als Gedächtnisstabilisierung, sondern auch als Zunahme und Wissenserweiterung, zwei Prozesse die sich, mechanisch betrachtet, unterscheiden (Walker, 2004). Die Stabilisierungsphase scheint überwiegend im Wachzustand stattzufinden (Walker et al., 2003a). Die Wissenserweiterung erscheint überwiegend, aber nicht alleinig, während des Schlafes stattzufinden, entweder durch das Wiederholen früher verlorener Gedächtnisinhalte, oder durch das zusätzliche Erzeugen von neuen Gedächtnisspuren (Gais et al., 2000; Karni et al., 1994; Stickgold et al., 2000a; Walker et al., 2003b). Aus dieser Perspektive wird die Phase der Wissenszunahme der Gedächtniskonsolidierung weder durch die aktive Wiederholung des Gedächtnisinhaltes verursacht (anstatt seines Zerfalls), noch entsteht die Erweiterung des Gedächtnis durch eine einfache Aufrechterhaltung der Leistung. Somit kann Konsolidierung als eine Phase der Gedächtnisprozesse betrachtet werden, die sowohl in spezifischen Gehirnzuständen, wie auch in Wach- oder Schlafzuständen bzw. sogar in verschiedenen Schlafstadien auftritt (Karni et al., 1994; Stickgold et al., 2000a; Walker et al., 2003a). 1.6 Untersuchungen zu Schlaf und Gedächtnis Neue Forschungen zeigen, dass Schlaf einen entscheidenden Einfluss auf die aktivitätsabhängige Reorganisierung von neuronalen Netzwerken hat und deshalb für die Gedächtniskonsolidierung bedeutsam ist (Maquet, 2001; Stickgold, 2005). In Untersuchungen wurde gezeigt, dass Schlaf sowohl prozedurales Lernen (Erwerben von unbewussten Fertigkeiten; Plihal & Born, 1997; Walker & Stickgold, 2004) beeinflusst wie hippocampal abhängiges deklaratives Lernen (Erwerb von Faktenwissen; Gais & Born, 2004). Untersuchungen an Tieren (Wilson & McNaughton, 1994) und an Menschen (Maquet et al., 2000) bestätigen das Konzept, dass neu erworbene Gedächtnisinhalte im Schlaf wiederholt und verstärkt werden und dass dieser Prozess zu Gedächtnisplastizität beiträgt und einer Langzeitpotenzierung der Gedächtnisformation unterliegt (Ribeiro & Nicolelis, 2004). 39 Theoretischer Hintergrund Einem „Dual-process-model“ von Plihal und Born (1997) folgend, ist die Konsolidierung prozeduralen Gedächtnisses, das nicht bewusst verfügbare und nicht verbalisierbare Fähigkeiten wie z. B. motorisches Lernen umfasst, besonders an das Auftreten von REM-Schlaf gebunden (Fischer et al., 2002). Die Verfestigung deklarativen Gedächtnisses, das bewusst verfügbares und verbalisierbares Wissen wie z. B. Wortpaar-Lernen beinhaltet wird dem Modell folgend hingegen besonders durch Non-REM (NREM) Schlaf begünstigt (Fowler et al., 1973). Andere Arbeiten sprechen weniger für eine Dichotomie nach Schlafstadien, sondern legen nahe, dass die schlafgebundene Gedächtniskonsolidierung stufenweise erfolgt (Stickgold et al., 2000a). Trotz zunehmender Evidenz, dass Schlaf die Gedächtniskonsolidierung unterstützt und dem Beginn den Einfluss klinisch relevanter Schlafstörungen auf die Gedächtniskonsolidierung zu erforschen, steht dieser Forschungsbereich noch am Anfang. Vorläufige Ergebnisse zeigen, dass schlafabhängige prozedurale Gedächtniskonsolidierung (Nissen et al., 2006) und deklarative Gedächtniskonsolidierung (Backhaus et al., 2006) bei Patienten mit primärer Insomnie im Vergleich zu gesunden Kontrollprobanden beeinträchtigt sind. Nach unserem Wissen ist die vorliegende Studie die erste systematische Untersuchung zu schlafabhängiger Gedächtniskonsolidierung bei Patienten mit obstruktiver Schlafapnoe (OSA) im Vergleich zu gesunden Kontrollprobanden. 1.6.1 Humanstudien zum deklarativen Gedächtnis und Schlaf Viele der früheren Untersuchungen zu Schlaf und Gedächtnis legten ihren Schwerpunkt auf deklarative Lernaufgaben und fanden unterschiedliche Ergebnisse. Einige berichten über schlafabhängige Gedächtnisprozesse, andere nicht. De Koninck et al. (1989) zeigten einen deutlichen Zuwachs von REM-Schlaf nach intensivem Lernen einer Fremdsprache. Mit der Zunahme des erfolgreichen Lernens korrelierte die prozentuale Erhöhung des REM-Schlafs. Diese Ergebnisse lassen vermuten, dass REM-Schlaf eine aktive Rolle bei der Gedächtniskonsolidierung spielt, und dass die Zunahme beim Posttraining (vor dem Schlafen) eine homöostatische Antwort zu einer Erhöhung der REM-Schlaf abhängigen Konsolidierung darstellt. Meienberg (1977) fand allerdings keinen Nachweis, dass 40 Theoretischer Hintergrund sich nach einem verbalen Gedächtnistest die Schlafarchitektur verändert. Weitere inkonsistente Ergebnisse zeigten sich bezüglich der Abhängigkeit der Effekte von der Intensität deklarativer Lernaufgaben und der Lernbeeinträchtigungen, die durch nachfolgende Schlafdeprivation hervorgerufen wurden (z. B. Chernik, 1972; Meienberg, 1977; Plihal & Born, 1997). Born und Kollegen (Gais & Born, 2004) zeigten in verschiedenen Studien Verbesserungen in einem Wortassoziationstest nach frühem Schlaf (23 – 3h) mit hohem Tiefschlafanteil und Veränderungen der Schlafcharakteristiken nach intensivem Lernen von Wortpaaren (Gais et. al., 2002). Diese Ergebnisse unterscheiden sich von denen früherer Studien, die keinen Effekt fanden. Jedoch könnte dieser Unterschied verursacht worden sein durch die Art der verwendeten Wortpaare. Während in älteren Untersuchungen semantisch unverbundene Wortpaare verwendet wurden, wie z. B. Hund-Blatt, verwendete Born semantisch verbundene Wortpaare wie z. B. Hund-Knochen (Gais & Born, 2004). Die Art der verwendeten Wortliste verändert folglich durch ihre Form und Eigenschaft neue Assoziationen (Hund-Blatt), bzw. stärkt die bereits vorhandenen gut ausgebildeten Assoziation (Hund-Knochen) zum Abrufzeitpunkt der Untersuchung. Somit scheint der Einfluss von Schlaf auf die deklarative Gedächtniskonsolidierung ziemlich davon abhängig zu sein, welche Gedächtniskonsolidierungsaufgaben verwendet werden. Außerdem wird vermutet, dass es vom Schwierigkeitsgrad der verwendeten Gedächtnisaufgabe (Empson & Clarke, 1970) und der emotionalen Verfassung der untersuchten Probanden (Wagner et al., 2001) abhängt. Des Weiteren fehlen noch genauere Untersuchungen zu anderen deklarativen Gedächtniskategorien, wie z. B. dem episodischen und semantischen Gedächtnis (Cipolli & Salzarulo, 1980). Diese könnten eventuell die unterschiedlichen Einflüsse von REM und SWS-Schlaf bei der deklarativen Gedächtniskonsolidierung erklären (Smith, 2001). 1.6.2 Humanstudien zum prozeduralen Gedächtnis und Schlaf Im Gegensatz zum deklarativen Lernen sind die Untersuchungsergebnisse zu prozeduralem Lernen und Schlaf einheitlich und robust über die verschiedenen Subkategorien hinweg, wie motorisches, visuelles und auditives Lernen. 41 Theoretischer Hintergrund 1.6.2.1 Motorisches Lernen Smith and MacNeill (1994) stellten fest, dass selektive Schlafdeprivation das Lernen einer motorischen Aufgabe („Rotary pursuit“) beeinträchtigen kann. Sie vermuten, dass die Gedächtnisbeeinträchtigung durch den geringen Anteil an Stadium 2 Schlaf hervorgerufen wird. Plihal und Born (1997) fanden, dass Fertigkeiten im Spiegelzeichnen durch den Einfluss von REM-Schlaf verbessert werden. Stickgold und Kollegen (2000b) zeigten, dass die Verbesserung in einem Fingertapping Task besonders durch eine Schlafarchitektur mit hohem Anteil an NREM-Schlafstadium 2 zu Beginn der Nacht, und einem ähnlich hohen Anteil an REM-Schlaf gegen Ende der Nacht begünstigt war. Walker et al. (2002a) konnten nachweisen, dass Nachtschlaf bedeutsame Verbesserungen in der Durchführungsgeschwindigkeit und –genauigkeit in einem Finger-Tapping-Task hervorbringt, während äquivalente Wachphasen keine merkliche Unterschiede hervorbrachten. 1.6.2.2 Visuelles Lernen Karni et al. (1994) erbrachten den Nachweis, dass das Lernen einer visuellen TexturDiskriminationsaufgabe, welche sich nicht durch eine 4-12 Std. Wachphase verbessert (Stickgold, 2000b), sich erheblich durch nachfolgenden Nachtschlaf verbessert. Des Weiteren zeigten sie, dass selektive Unterbrechung des REMSchlafes, aber nicht des NREM-Schlafes, einen Verlust der Lernleistung hervorbringt (Karni et al., 1994). Gais et al. (2000) machten Untersuchungen zu selektivem Schlafentzug, indem sie frühen Schlaf (SWS) oder späten Schlaf (REM und Stadium 2) unterbrachen, und schlossen daraus, dass die Konsolidierung durch Tiefschlafprozesse beeinflusst wird. Stickgold et al. (2000b) belegten, dass diese Gedächtnisverbesserungen schlaf- und nicht zeitabhängig sind, dass sie positiv mit frühem SWS-Schlaf und spätem REM-Schlaf korreliert sind, und dass das Produkt dieser beiden Schlafparameter 80% der Varianz zwischen den Gruppen erklären kann. 42 Theoretischer Hintergrund 1.6.2.3 Auditives Lernen Gaab et al. (2004) zeigten mit einer Computer Gedächtnisaufgabe (Pitch memory task), dass, unabhängig ob die Probanden abends oder morgens die Aufgabe durchführten, Leistungsverbesserungen nur nach einer Nacht mit Schlaf festgestellt werden konnten, nicht aber nach ähnlichen Wachperioden, in denen Schlaf- oder Wachepisoden zuerst stattfanden. Fenn et al. (2003) stellten fest, dass Wachperioden, die dem Training mit einem Computer Spracherinnerungstest folgten, eine Leistungsverschlechterung hervorbrachten, und dass ein nach dem Training folgender Nachtschlaf die gleiche Leistung wie beim Posttraining hervorbringt. Sie vermuten, dass ein schlafabhängiger Gedächtnisprozess eine Stabilisierung der vorher gelernten komplexen Aufgabe hervorbringt. Basierend auf diese Untersuchungen zu schlafabhängigem visuellem, auditivem und motorischem Lernen, scheint es schwierig zu widerlegen, dass Schlaf keinen Einfluss auf menschliches prozedurales Lernen hat. Durch Schlaf steigt vermutlich die Fähigkeit, vorher Gelerntes in Gedächtnisspuren zu festigen ebenso, wie der zusätzlichen Vertiefung von Gelerntem und die Verbesserung von Fertigkeiten ohne die Notwendigkeit von weiterer manueller Übung. 1.6.3 Tierexperimentelle Studien Untersuchungen an Tieren haben den Einfluss von Schlaf auf Hippocampusabhängige Aufgaben strafreizvermeidenden belegt. Aufgaben Das ruft Trainieren von Veränderungen in räumlichen und charakteristischen Schlafstadien hervor (Ambrosini et al., 1988; Smith et al., 1980). Beide Autoren vermuten darin eine homöostatische Antwort auf erhöhte Anforderungen durch schlafabhängige Gedächtniskonsolidierungsmechanismen gefunden zu haben (ähnlich wie beim Menschen). Datta (2000) vermutet, dass für einige Formen des Lernens die PGO-Wellen des REM-Schlafes (oder P-Wellen bei Ratten) den physiologischen Mechanismen der Konsolidierung unterliegen. Sie berichten in einer Studie, dass nach dem Training einer Vermeidungsaufgabe REM-Schlaf und die Dichte der P-Wellen dramatisch erhöht waren, und dass die erhöhte P-Wellendichte stark positiv korrelierte mit der Abrufleistung der Lernaufgabe nach dem Schlaf. Dies bedeutet, eine Erhöhung im REM-Schlaf und spezifisch die Dichte der P-Wellen 43 Theoretischer Hintergrund haben einen wichtigen Einfluss für den Abruf der Lernleistung nach Schlaf. Weiter berichten Datta et al. (2004), dass die Induktion von PGO-Wellen durch intrapontine Injektion von Carbachol die Postschlafabruf-Lernleistung unterstützen kann und dies sogar bei REM-Schlaf-Deprivation, welche normalerweise den Abruf blockiert. Weil diese experimentell induzierten PGO-Wellen im SWS-Schlaf vorkommen, kann es den normalen REM-Schlaf ersetzen. Dies lässt vermuten, dass die cholinerge Aktivität für die schlafabhängige Gedächtniskonsolidierung wichtiger ist als der REMSchlaf. 1.7 Schlafabhängige synaptische Plastizität Gedächtnisbildung hängt von synaptischer Plastizität ab, und zwar durch strukturelle und funktionelle Veränderungen der Neuronen als Antwort auf einen Stimulus. Wenn Schlaf einen entscheidenden Einfluss auf die Gedächtnisbildung hat, dann unterstützt die Hypothese von schlafabhängiger synaptischer Plastizität diese Annahme. 1.7.1 Bildgebende Untersuchungen Maquet et al. (2003) zeigten beim Menschen schlafabhängige Plastizität, indem sie eine prozedurale visuomotorische Aufgabe („visuomotor pursuit“) in Kombination mit funktioneller MRI (fMRI) untersucht haben. Die Probanden mit Schlaf zeigten zum Abrufzeitpunkt eine bessere Leistung in der eingesetzten Lernaufgabe und höhere Aktivierung im superioren temporalen Sulcus. Schwartz et al. (2002) fanden Veränderungen in fMRI-Gehirnaktivität nach dem Training einer visuellen Text Diskriminationsaufgabe. Zum Abrufzeitpunkt stellten sie eine größere Aktivierung im retinotopischen Areal von V1 entsprechend dem trainierten visuellen Feld fest. Durch Untersuchungen mittels Positronen-Emissions-Tomographie (PET) konnten für die Gedächtnisformation relevante spezifische enkodierte Aktivierungsmuster festgestellt werden. Maquet und Kollegen (Maquet et al., 2000) zeigten durch Einsetzen von PET Untersuchungen, dass nach dem Training einer seriellen Reaktionszeit in einer motorischen Aufgabe („motor skill task“) vor dem Schlaf 44 Theoretischer Hintergrund spezifische Gehirnaktivierungsmuster während REM-Schlaf Episoden erscheinen, während bei Probanden ohne Training keine entsprechenden Aktivierungsmuster im Schlaf zu erkennen waren. Des Weiteren zeigten die Probanden mit Schlaf am nächsten Morgen eine signifikante Leistungsverbesserung. Diese schlafabhängige neuronale Aktivierung wurde vermutlich durch synaptische Stärkung in spezifischen Netzwerken und eine Festigung von synaptischen Verbindungen verursacht, während andere Neurone schwächer ausgeprägt waren. Solche Reaktivierungsmuster könnten zusammen mit schlafspezifischen neurochemischen Bedingungen, wie z. B. charakteristische Schwankungen cholinerger Neurotransmission (Hasselmo, 1999; Gais & Born, 2004) zu synaptischer Plastizität (Frank et al., 2001) und Proteinänderungen im Kortex beitragen, die letztlich als neuronales Korrelat von Gedächtnis angesehen werden (Graves et al., 2001). Peigneux et al. (2003) zeigten zudem, dass das Ausmaß der Verbesserung während der Trainingsphase einen direkten Zusammenhang mit der Höhe der nachfolgenden neuronalen Aktivierung während REM-Schlaf hatte. 1.7.2 Elektrophysiologische Untersuchungen REM- und NREM-Schlaf zeigen zahlreiche einzigartige elektrophysiologische Muster. Viele dieser elektrischen Phänomene sind durch die Potenzierung oder Unterdrückung synaptischer Verbindungen in den Prozess der Plastizität einbezogen (Benington & Frank, 2003). Z. B. vermuten einige Autoren, dass Schlafspindeln, die meist in Stadium 2 auftreten, zu synaptischer Langzeitpotenzierung beitragen (Contreras et al., 1997; Steriade, 1999). Andere Autoren fanden, dass Theta-Wellen, die im Hippocampus während des REM-Schlafes bei Menschen und Tieren vorkommen, einen großen Langzeitpotenzierung haben, Einfluss und somit auf ein die Hippocampus physiologischer abhängige Mediator der Gedächtnisformation sind. Des Weiteren fand man Assoziationen zu Lernen und phasischen Ereignissen während des REM-Schlafes, insbesondere bezüglich der PGO-Wellen. Datta (2000) und Sanford et al. (2001) zeigten, dass Angstkonditionierung bei Ratten die Amplitude von P-Wellen während REM-Schlaf erhöhen kann, und vermuten, dass ein homöostatischer Vorgang von Schlaf und Plastizität zugrunde liegt. Holscher et al. 45 Theoretischer Hintergrund (1997) zeigten zudem, dass die experimentelle Stimulation von verschiedenen hippocampalen Regionen Long-Term Potentiation (LTP) hervorrufen kann. Diese Ergebnisse lassen vermuten, dass die Stimulation von PGO als endogener Mediator von synaptischer Plastizität zur Stärkung oder Schwächung von synaptischen Verbindungen und damit zu effizienter Netzwerk-Plastizität beitragen kann. Wilson und McNaughton (1994) zeigten anhand elektrophysiologischer Ableitungen an hippokampalen „place cells“ bei Ratten, dass Entladungsmuster, die charakteristisch für die Lernphase in einer räumlichen Orientierungsaufgabe waren, in sich anschließenden SWS- und REM-Schlafphasen wiederholt wurden. Diese Reaktivierung hippocampaler Neurone könnte zu Veränderungen neuronaler Plastizität in hippokampal-kortikalen Netzwerken und letztlich zur Speicherung neuer Lerninhalte im Cortex beitragen (Buzsaki, 1996). Weitere Untersuchungen zeigen, dass Enkodierung vor dem Schlaf zu spezifisch lokalisierten kortikalen Aktivierungsmustern im Schlaf führt (Huber et al., 2004). Ribeiro et al. wiederherstellt, (2004) vermuten, während dass nachfolgender SWS die Gedächtnisrepräsentation REM-Schlaf das Gedächtnis zum nachfolgenden Abruf befähigt durch die Induktion von genetisch verursachter synaptischer Plastizität. Diese Annahme wird von Mednick et al. (2003) und Stickgold et al. (2000b) geteilt: Während SWS das Gelernte stabilisiert, trägt nachfolgender REM-Schlaf zur Steigerung des Gelernten bei. 1.7.3 Untersuchungen auf molekularer Ebene Smith et al. (1991) zeigten, dass die Injektion von Protein Synthese Inhibitoren bei Ratten während des REM-Schlafes Verhaltensverbesserungen nach dem Schlaf verhindert, während schlafabhängige könnten die Ratten mit einer Gedächtniskonsolidierung Aktivierung von Injektion zeigten. genetischen von Salzlösung Solche Kaskaden normale Proteinsynthesen verursachen, die Schlüsselmoleküle für synaptische Veränderungen und damit Plastizität erzeugen. Tononi und Cirelli (Cirelli & Tononi, 1998; 2000a; 2000b) berichteten, dass verschiedene so genannte „immediate early genes“ (IEG) während des Schlafzustands herunterreguliert sind. Cirelli et al. (2004) beschreibt, dass ca. 100 46 Theoretischer Hintergrund Gene spezifisch während des Schlafes und fast genauso viele Gene im Wachzustand herunterreguliert sind. Ribeiro und Kollegen (1999) fanden eine Herunterregulierung von plastizitäts-assoziierten IEG im REM-Schlaf, nachdem Ratten einer intensiven sensomotorischen Lernumgebung ausgesetzt waren. Außerdem fanden sie eine Herunterregulierung im SWS und REM-Schlaf, wenn die Ratten nicht das Lernexperiment durchliefen. So scheint eine erhöhte neuronale Plastizität während REM-Schlaf und nachfolgenden Wachphasen zu entstehen. Während einige Autoren auf zurzeit nicht vollständig untersuchte Faktoren wie zirkadiane Einflüsse oder wachspezifische Interferenz hinweisen und die Rolle von Schlaf für Gedächtniskonsolidierung kritisch hinterfragen (Siegel, 2001; Vertes & Siegel, 2005), fassen neue Übersichtsarbeiten zusammen, dass zumindest einige Schlafstadien zur Gedächtniskonsolidierung beitragen (Walker & Stickgold, 2004; Stickgold, 2005). 47 2. METHODIK 48 Methodik 2.1 Ziele der Untersuchungen Die hier vorgestellte Untersuchung verfolgte als primäres Ziel, den Zusammenhang von Schlafstörungen (primäre Insomnie und obstruktive Schlafapnoe) und schlafassoziierter Gedächtnisbildung besser zu verstehen. Hierzu wurde in einem ersten Schritt der Prozess der schlafassoziierten Gedächtniskonsolidierung bei Patienten mit primärer Insomnie (n = 18) und obstruktiver Schlafapnoe (n =15) im Vergleich zu gesunden Probanden (n = 34 zur Gruppe Insomnie und n=20 zur Gruppe obstruktive Schlafapnoe, Altersbereich in allen Gruppen: 40 bis 60 Jahre) untersucht. Die gesunden Kontrollprobanden entstammen einem gemeinsamen Pool und wurden für die Stichprobe Insomnie und OSA rekrutiert. Ein direkter Vergleich der Stichprobe Insomnie mit der Stichprobe OSA ist aufgrund der unterschiedlichen Alters- und Geschlechtsstruktur der beiden Erkrankungen nicht möglich. In einem zweiten, explorativen Teil des Projekts wurde geprüft, ob sich korrelative Zusammenhänge gemäß dem „Dual-process-model“ nach Born (Plihal& Born, 1997) zeigen. Dieses Modell geht davon aus, dass prozedurale Gedächtniskonsolidierung positiv mit einer erhöhten Gedächtniskonsolidierung mit REM-Aktivität einem korreliert, erhöhten und deklarative NREM-Schlaf (SWS) zusammenhängt. Die bisher unzureichende Untersuchung des Zusammenhangs von Schlaf und Kognition ist aufgrund der hohen Prävalenz und klinischen Relevanz der primären Insomnie und der obstruktiven Schlafapnoe von erheblicher Bedeutung. Die Untersuchung des Zusammenhangs von Schlaf und Gedächtnis ist zudem für ein besseres Verständnis der Zusammenhänge und die Entwicklung besserer, möglicherweise daraus ableitbarer Behandlungsverfahren ein relevantes gesundheitspolitisches Ziel. Primäre Insomnie und obstruktive Schlafapnoe spiegeln zudem relevante Pole der klinischen Schlafmedizin wider. Während die primäre Insomnie als durch psychologische Prozesse mit verursacht bzw. aufrechterhalten angesehen wird (und auch durch kognitiv-verhaltenstherapeutische Strategien behandelt werden kann), wird die Schlafapnoe als organische Schlafstörung aufgefasst, die erfolgreich durch eine nächtliche Ventilationstherapie (CPAP) behandelt werden kann. Beiden Störungen gemeinsam ist jedoch die Klage über die mangelnde Erholsamkeit des Schlafs, und die erhebliche Beeinträchtigung der Tagesbefindlichkeit mit Konzentrations49 und Leistungsstörungen, massiven Methodik psychosozialen Einschränkungen, u. a. am Arbeitsplatz, was die Frage aufwirft, ob nicht beide Krankheitsbilder mit Störungen bzw. Dysfunktionen schlafassoziierter Lern- und Gedächtnisvorgänge einhergehen. 2.2 Fragestellungen und Hypothesen Fragestellung 1 Unterscheiden sich die Gruppen mit Schlafstörungen (Insomnie, OSA) von den Gruppen der gesunden Kontrollprobanden bezüglich ihrer schlafassoziierten Gedächtniskonsolidierung? Hypothese 1 Beide Schlafstörungsgruppen zeigen im Vergleich zu gesunden Kontrollprobanden eine Beeinträchtigung in der nächtlichen prozeduralen und deklarativen Gedächtniskonsolidierung. Fragestellung 2 Gibt es einen Zusammenhang zwischen den Schlafkennwerten und den Parametern der Gedächtniskonsolidierung? Hypothese 2 Es besteht ein Zusammenhang zwischen Schlafkennwerten und Parametern der Gedächtniskonsolidierung. -Positive Korrelation von REM-Schlaf (REM-Dichte) und Verbesserung der prozeduralen Gedächtniskonsolidierung (Mirror Tracing Test) -Positive Korrelation von NREM-Schlaf (SWS)-Dauer und deklarativer Gedächtniskonsolidierung (Visueller und Verbaler Merkfähigkeitstest) 2.3 Methodik und Forschungsdesign Die vorliegende Arbeit ist im Rahmen der Untersuchungen zu schlafassoziierter Gedächtniskonsolidierung entstanden. An dieser Stelle soll zunächst ein Überblick 50 Methodik über den Ablauf der Studie gegeben werden. Im Weiteren soll auf die eingesetzten Messinstrumente und die Gesamtstichprobe eingegangen werden. Im Anschluss erfolgt die Beschreibung der statistischen Methoden innerhalb der Arbeit. 2.3.1 Studienpopulation 2.3.1.1 Einschlussprozedere Die vorliegenden Untersuchungen wurden im Schlaflabor der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie und im Schlaflabor der Abteilung Pneumologie der Universitätsklinik Studienbeginn Freiburg ausführlich durchgeführt. über die Alle geplante Studienteilnehmer Untersuchung wurden vor aufgeklärt. Die Teilnehmer entschieden sich freiwillig zur Teilnahme und unterzeichneten eine Einverständniserklärung und eine Datenschutzerklärung. Die Studie entspricht den Vorschriften der „Declaration of Helsinki“ und wurde durch die zuständige Ethikkommission genehmigt. 2.3.1.2 Ein- und Ausschlusskriterien Alle Patienten zwischen 40 und 60 Jahren, die zwischen Januar 2005 und Dezember 2006 stationär zur Behandlung ihrer Schlafstörung im Universitätsklinikum Freiburg, Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie bzw. der Abteilung Pneumologie kamen, wurden mit Hilfe von Schlaffragebögen, dem klinischen Eindruck eines schlafmedizinischen Facharztes und anhand eines strukturierten klinischen Interviews nach DSM-IV (DIA-X-Interview, Wittchen & Pfister, 1997) diagnostiziert. Die Patienten der Schlafstörungsgruppen (primäre Insomnie und obstruktive Schlafapnoe) wurden im Rahmen der von unabhängiger Seite ärztlich indizierten, ohnehin stattfindenden Schlaflaboruntersuchung über eine mögliche Studienteilnahme informiert. Die Probanden der gesunden Kontrollgruppe wurden über Aushänge oder durch mündliche Ansprache geworben. Für die Teilnahme an der Studie wurde eine Aufwandsentschädigung von 50,- Euro bezahlt. 51 Methodik Die Kriterien, die für eine Teilnahme an der Untersuchung ausschlaggebend waren, sind in Tab. 5 dargestellt. Tabelle 5. Ein- und Ausschlusskriterien. Einschlusskriterien Erwachsene beiderlei Geschlechts im Alter zwischen 40 und 60 Jahren Zuordnung zu einer der Untersuchungsgruppen Primäre Insomnie (gemäß DSM-IV 307.42 bzw. ICD-10 F51.0) Obstruktive Schlafapnoe (gemäß DSM-IV 780.59 bzw. ICD-10 G47.3) Gesunde Probanden (keine Diagnose gemäß DSM-IV / ICD-10 während der letzten 12 Monate) Studienspezifische Kriterien Primäre Insomnie: Schlafeffizienz in der 1. Schlaflabor-Nacht < 75% Gesunde Probanden: Schlafeffizienz in der 1. Schlaflabor-Nacht ≥ 75% - Obstruktive Schlafapnoe: mild AHI 5-15, mittlere AHI 15-25, schwere AHI>25 Ausschlusskriterien Aktuelle schwerere somatische Erkrankung (z. B. Tumorerkrankungen, nicht jedoch gut eingestellte Hypertonie oder ähnliches) Psychiatrische Erkrankung nach DSM-IV bzw. ICD-10 während der letzten 12 Monate Regelmäßige Medikamenteneinnahme innerhalb der letzten 2 Wochen gemäß Hauptgruppeneinteilung der Roten Liste: Antiepileptika, Hypnotika/ Sedativa, Psychopharmaka. Darüber hinaus Medikamente mit deutlicher Wirkung auf folgende Rezeptortypen: Serotonin, Dopamin, Histamin, Beta-Rezeptoren, Acetylcholin Schichtarbeit Rauchen mit Konsum > 10 Zigaretten/ Tag Drogen- oder Alkoholmissbrauch bzw. -abhängigkeit gemäß DSM-IV bzw. ICD-10 Teilnahme an einer klinischen Studie innerhalb der letzten 30 Tage Intelligenzquotient < 90 Ungenügende Deutschkenntnisse Bildung <Hauptschulabschluss Die Patienten und gesunden Kontrollprobanden, welche die Einschlusskriterien erfüllten und die Teilnahme an der Studie schriftlich zusagten, wurden mittels der zufälligen Zuordnung einer Probandennummer randomisiert einer Test- abfolgenbedingung zugewiesen. 2.3.2 Versuchsplan Um Sequenzeffekte, die durch die Messwiederholung entstehen können, zu kontrollieren, wurden die Testabfolgen der Gedächtnisuntersuchungen in der Durchführung entsprechend variiert. Es wurden alle bekannten Faktoren ausgeschlossen, die sich verändernd auf Schlaf oder Gedächtnis auswirken könnten. Durch Eingrenzung anderer Faktoren (z. B. Bildungsniveau: mindestens Hauptschulabschluss) wurde eine Homogenisierung der Stichprobe und damit die Vergleichbarkeit der Leistungswerte gewährleistet. Da in dieser Studie „natürliche“ Gruppen untersucht wurden, wurde ein quasiexperimentelles Untersuchungsdesign gewählt. 52 Zur Untersuchung der Methodik studienspezifischen Hypothesen wurde ein zweifaktorielles Forschungsdesign mit den Faktoren „Zeit“ und „Gruppe“ gewählt (der Versuchsplan ist in Tabelle 6 dargestellt). Der Faktor „Zeit“ bezieht sich darauf, dass die Teilnehmer am Untersuchungstermin jeweils abends und morgens (vor und nach der Untersuchungsnacht) die Gedächtnisuntersuchungen absolvierten. Der Faktor „Gruppe“ beinhaltet den Vergleich der Untersuchungsgruppen (Insomnie vs. Gesund bzw. OSA vs. Gesund). Tabelle 6. Zweifaktorieller Versuchsplan der Untersuchung mit den Faktoren „Zeit“ und „Gruppe“. Beide Faktoren sind jeweils zweifach gestuft. Faktor: Gruppe Faktor: Zeit Abends 19.30 Uhr; Morgens 7.00 Uhr Abends 19.30 Uhr; Morgens 7.00 Uhr Kontrollgruppe: Gesund Experimentalgruppen: Insomnie bzw. OSA N=34 N=18 N=20 N=15 2.3.3 Untersuchungsdesign Das experimentelle Untersuchungsdesign und die Messzeitpunkte wurden speziell an das stationäre Setting des Schlaflabors angepasst. Wie anhand Abbildung 8 ersichtlich wird, wurden zwei Gedächtnisuntersuchungen und dazwischen eine Nacht mit polysomnographischen Untersuchungen durchgeführt. Tabelle 7 zeigt die verwendeten Messinstrumente und Messzeitpunkte im Überblick. Abbildung 10. Untersuchungsablauf mit einer Screeninguntersuchung in der Vorphase. Experimentelle Gedächtnisuntersuchungen abends und morgens, dazwischen eine Untersuchungsnacht im Schlaflabor. Vorphase Tag 2 Tag 1 22.30 Uhr – 06.30 Uhr •Screening •Voruntersuchungen 19.30 Uhr Lernen Untersuchungsnacht 7.00 Uhr Abruf Gedächtniskonsolidierung 53 Methodik Tabelle 7. Studienablauf, Messzeitpunkte und Messinstrumente. Instrument Vorphase Demographischer Fragebogen X Pittsburgh Schlafqualitätsindex, PSQI X X Epworth Sleepiness Scale, ESS X X DIA-X/ CIDI Interview X Schlaftagebuch X Fragebogen zur Händigkeit T1 T2 X Standard Progressive Matrices Test X Klinische Untersuchung X Testbatterie zur Aufmerksamkeitsprüfung, TAP X X Visueller und Verbaler Merkfähigkeitstest, VVM X X Mirror Tracing Task X X Trail Making X X X X Subj. Gedächtniseinschätzung X Polysomnographie X Schlaffragebogen, SF-A X Labor X 2.3.4 Untersuchungsablauf 2.3.4.1 Vorphase der Untersuchungen Dieser Studienabschnitt diente zur Sammlung von Daten zur Überprüfung der Einund Ausschlusskriterien. In dieser Vorphase wurden die Teilnehmer über die geplante Untersuchung informiert und gaben ihre schriftliche Einverständniserklärung zur Teilnahme. Zur Überprüfung der Ein- und Ausschlusskriterien wurden folgende Diagnostikinstrumente eingesetzt: -Demografischer Fragebogen (Kloepfer, 2004a) zur Erhebung demografischer, gesundheitlicher, psychologischer, medizinischer und schlafspezifischer Parameter sowie subjektiver Einschätzungen zur eigenen Leistungsfähigkeit -Schlaffragebögen (PSQI, Buysse et al., 1989; ESS, Johns, 1991) zur Erfassung verschiedener Aspekte des Schlafverhaltens und der Schlafqualität -DIA-X-Interview (Wittchen & Pfister, 1997) zum Ausschluss möglicher psychiatrischer Erkrankungen während der letzten zwölf Monate -Standard Progressive Matrices (SPM, Raven & Court, 1999) zur Schätzung des allgemeinen Intelligenzniveaus. Die Voruntersuchung fand für die gesunden Kontrollprobanden zu einem separaten Termin, mindestens 14 Tage vor Studienbeginn statt. Nach Auswertung der 54 Methodik Voruntersuchungen wurde der Untersuchungstermin im Schlaflabor vereinbart. Um einen regelmäßigen Schlaf-Wachrhythmus zu gewährleisten, wurde das Schlaftagebuch (Kloepfer, 2004b) von den gesunden Studienteilnehmern 14 Tage vor dem Untersuchungstermin im Schlaflabor geführt. Die Insomnie- und Apnoe Patienten wurden am Tage ihrer stationären Aufnahme im Schlaflabor über die Studie informiert und bei Eignung und Bereitschaft zur Teilnahme in die Studie eingeschlossen. Der erste Untersuchungstermin fand für die Patienten am selben Abend statt. Aufgrund organisatorischer Gründe führten die Patienten bereits zum Zeitpunkt ihres ambulanten Termins im Schlaflabor ein Schlaftagebuch. 2.3.4.2 Experimentelle Hauptuntersuchungen Am Untersuchungstermin eingehenden wurden alle medizinisch-körperlichen Studienteilnehmer Untersuchung durch zunächst den einer Stationsarzt unterzogen. Das weitere Vorgehen gliederte sich in die folgenden drei Schritte: Abenduntersuchung, Untersuchungsnacht im Schlaflabor, Morgenuntersuchung. Tag 1: Abenduntersuchung (Lernphase) Zu Beginn der Abenduntersuchung um 19.00 Uhr bearbeiteten alle Studienteilnehmer zunächst verschiedene schlafrelevante Fragebögen (PSQI, ESS). Zur Erfassung der Händigkeit wurde das Edinburgh Händigkeitsinventar (Oldfield, 1971) durchgeführt. Anschließend durchliefen alle Studienteilnehmer eine Gedächtnisuntersuchung. Die weiteren neuropsychologischen Aufgaben dienten der Prüfung der Aufmerksamkeit und Konzentration (Testbatterie zur Aufmerksamkeitsprüfung, TAP, Zimmermann& Fimm, 2000), sowie der kognitiven Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit (TMTA, Reitan, 1958). Die Gedächtnisleistung wurde anhand von Aufgaben zum prozeduralen Gedächtnis (Mirror Tracing Task, Milner, 1968) und zum deklarativen Gedächtnis (Visueller und Verbaler Merkfähigkeitstest, VVM, Schellig & Schächtele, 2001) gemessen. Jeweils zu Beginn und zum Ende der Gedächtnisuntersuchung schätzten die Teilnehmer durch Ankreuzen auf einer visuellen Analogskala (mit den beiden Polen 0=schlecht, 100= sehr gut) ihre subjektive Gedächtnisleistung ein (Kloepfer, 2004c). 55 Methodik Anschließend wurden im Schlaflabor Puls und Blutdruck gemessen, die Elektroden zur Erfassung der polysomnographischen Schlafparameter angelegt und um 22.30 Uhr das Licht gelöscht. Untersuchungsnacht im Schlaflabor Alle Studienteilnehmer verbrachten eine Nacht im Schlaflabor der Universitätsklinik Freiburg mit umfassenden polysomnographischen Ableitungen der relevanten Schlafparameter von 22.30 Uhr bis 6.30 Uhr. Tag 2: Morgenuntersuchung (Gedächtnisabruf) Nach dem Wecken um 6.30 Uhr bearbeiteten alle Studienteilnehmer zunächst befindlichkeits- und schlafrelevante Fragebögen (SF-A, Görtelmeyer, 1981). Um 7.00 Uhr folgten die morgendlichen Untersuchungen zum Gedächtnisabruf. Anschließend erfolgten im Schlaflabor eine Blutabnahme sowie eine Urinuntersuchung (Drogenscreening), bevor die Studienteilnehmer gegen 9.00 Uhr entlassen wurden. 2.3.5 Hintergrund der Untersuchungsinstrumente Im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit standen Untersuchungen zur nächtlichen Gedächtniskonsolidierung, welche im Folgenden ausführlicher beschrieben werden sollen. 2.3.5.1 Schlafparameter Anhand der polysomnographischen Aufzeichnungen im Schlaflabor wurden in der Untersuchungsnacht jeweils die folgenden Schlafparameter bestimmt und zur statistischen Auswertung herangezogen: -Parameter der Schlafkontinuität: Einschlaflatenz, Schlafperiode (Sleep Period Time, SPT), Gesamtschlafzeit (Total sleep Time, TST), Schlafeffizienz (Sleep Efficiency Index, SEI) -Parameter der Schlafarchitektur: Dauer und Prozentanteil der Wachphasen sowie der einzelnen NREM- und REM-Schlaf-Episoden an der Schlafperiode bzw. an den einzelnen Schlafzyklen -REM-Schlaf-Parameter: REM-Latenz, Anzahl schneller Augenbewegungen, REMDichte 56 Methodik -Atemparameter: Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI), Anzahl der Apnoen, Sauerstoffsättigung -Arousals -PLMS 2.3.5.2 Gedächtniskonsolidierungsparameter Die Erfassung der nächtlichen Gedächtniskonsolidierung erfolgte anhand des Mirror Tracing Task (Milner, 1968) und des Visuellen und Verbalen Merkfähigkeitstests (VVM, Schellig & Schächtele, 2001). Die Gedächtnisuntersuchungen wurden jeweils abends (Lernen) und morgens (Abruf) durchgeführt. Der Mirror Tracing Gedächtniskonsolidierung. morgendlichen Verbesserung Task Durch Leistungswerte in der diente zur einen Vergleich werden „Zeichenzeit“, als Erfassung der Messgrößen „Fehleranzahl“, der prozeduralen abendlichen die und prozentuale „Fehlerzeit“ und ein „Leistungsparameter (Capacity)“ bestimmt. Der VVM diente zur Erfassung der deklarativen Gedächtniskonsolidierung. Er beinhaltet die Abfrage von visuell-räumlichen und verbalen Materialien. Als Messgröße wurde eine „Erinnerungsrate“ berechnet, welche angibt, wie viel Prozent der kurzfristigen Behaltensleistung (am Abend) und zu einem verzögerten Abfragezeitpunkt am nächsten Morgen richtig wiedergegeben werden (langfristiger Erwerb von Wissen). 2.4 Datenerhebung 2.4.1 Allgemeine körperliche Untersuchungen Zur Prüfung der Normalität erfolgte eine allgemeine venöse Blutentnahme, mit der Bestimmung folgender Werte: Differentialblutbild, Gerinnungsparameter (Quick, INR, PTT), Elektrolyte (Natrium, Kalium), Leberenzyme (GOT, GPT; GGT), Schilddrüsenparameter (FT3, FT4, TSH), Nierenfunktionsparameter (Kreatinin, Harnstoff), allgemeine allgemeine körperliche Entzündungszeichen Untersuchung und (CRP). ein Außerdem Drogenscreening (Benzodiazepine, Barbiturate, Amphetamine und Opiate) durchgeführt. 57 wurden im eine Urin Methodik 2.4.2 Untersuchungen zum psychischen Allgemeinzustand Die Beurteilung des psychischen Zustandes der Studienteilnehmer erfolgte mittels des DIA-X-Interviews (Wittchen & Pfister, 1997). Das DIA-X-Interview ist ein umfassendes, standardisiertes Interview zur Beurteilung der psychischen Befindlichkeit, welches eine Diagnosestellung entsprechend den Kriterien nach ICD-10 (Weltgesundheitsorganisation, WHO, 1993) und DSM-IV (American Psychiatric Association, APA, 1994) ermöglicht. Erfasst werden die häufigsten Formen psychischer Störungen des Jugend- und Erwachsenenalters (z. B. Depressionen, Angststörungen, Suchterkrankungen). Das Interview wurde während der Vorphase der Studie zum Ausschluss möglicher psychiatrischer Erkrankungen der Studienteilnehmer während der letzten zwölf Monate eingesetzt. 2.4.3 Erfassung des subjektiven Schlaferlebens Im Studienverlauf wurden verschiedene Fragebögen zur Beurteilung des Schlafes durchgeführt. In der Vorphase sowie zum Untersuchungstermin bearbeiteten die Teilnehmer abends die Fragebögen PSQI und ESS. Der SF-A wurde am Untersuchungstermin morgens bearbeitet. Mit jedem dieser Fragebögen werden unterschiedliche Aspekte des Schlafverhaltens und der Schlafqualität erfasst. 2.4.3.1 Pittsburgh Schlafqualitätsindex (PSQI) Der Pittsburgh Sleep Quality Index (PSQI, Buysse et al., 1989) ist ein Fragebogen zur Beurteilung der subjektiven Schlafqualität während der letzten zwei Wochen (deutsche Version von Riemann & Backhaus, 1996). Der Fragebogen enthält 19 Fragen zur Selbstbeurteilung und fünf Fragen zur Fremdbeurteilung durch einen Partner. Zur Auswertung werden die Antworten der Selbstbeurteilungsfragen zu den folgenden sieben Skalen zusammengefasst: Häufigkeit schlafstörender Ereignisse, Einschätzung der Schlafqualität, gewöhnliche Schlafzeiten, Tagesmüdigkeit, Einschlaflatenz, Schlafdauer und Einnahme von Schlafmedikamenten. Jede Skala kann einen Wert zwischen 0 und 3 annehmen. Die Werte der einzelnen Komponenten werden zu einem Gesamtwert (0-21) addiert, wobei eine höhere Ausprägung einer verringerten Schlafqualität entspricht. Die Klassifikation in gute und schlechte Schläfer ergibt sich aus einem empirisch bestimmten „Cut-Off-Wert“ von ≥5 58 Methodik Punkten. Der PSQI gehört international zu den meist eingesetzten Schlaffragebögen, mit guten Testgütekriterien. 2.4.3.2 Epworth Sleepiness Scale (ESS) Die Epworth Sleepiness Scale (ESS, Johns, 1991) ist ein Kurzfragebogen zur quantitativen Erfassung Wahrscheinlichkeit Alltagssituationen für in der das Tagesschläfrigkeit. Einnicken letzter Zeit. bzw. Der Erfragt Einschlafen ESS wird bei wird die subjektive in acht typischen Schlafstörungen als Screeninginstrument zur globalen Erfassung der subjektiv erlebten Tagesschläfrigkeit oder auch zur Verlaufsmessung eingesetzt. Die Einschätzung erfolgt durch den Patienten auf einer vierstufigen Skala von „würde niemals einnicken“ (0 Punkte) bis „hohe Wahrscheinlichkeit einzunicken“ (3 Punkte). Zur Auswertung wird aus den acht Items ein Summenwert gebildet (0-24 Punkte). Werte von >10 Punkten sind als klinisch auffällig zu betrachten, Werte von >14 Punkten weisen auf eine klinisch relevant erhöhte Tagesschläfrigkeit hin. 2.4.3.3 Schlaffragebogen (SF-A) Der Schlaffragebogen A (SF-A, Görtelmeyer, 1981) diente zur Erfassung schlafrelevanter Variablen der vergangenen Nacht. Der SF-A eignet sich zur Diagnose von allgemeinen und aktuellen Schlafstörungen sowie ihrer Ursachen. Die Fragen werden unmittelbar nach dem Aufwachen beantwortet. Die Beurteilung bezieht sich auf den Vorabend, die letzte Nacht und den Zeitpunkt der Beantwortung. Der SF-A umfasst Schlafgewohnheiten, 22 Fragen Schlafqualität, u. a. zu Ereignissen Schätzungen des nächtlicher Vortages, Wachzeiten, Befindlichkeit vor dem Schlafengehen und am Morgen nach dem Aufwachen. Zur Auswertung werden die Antworten jeweils einem der fünf Faktoren zugeordnet: Schlafqualität, Ausgeglichenheit Gefühl am des Erholtseins Abend, nach Psychische dem Schlaf, Erschöpftheit Psychische am Abend, Psychosomatische Symptome in der Schlafphase. 2.4.3.4 Schlaftagebuch In dieser Studie wurden modifizierte Schlaftagebücher (Kloepfer, 2004b) der Deutschen Gesellschaft für Schlafmedizin und Schlafforschung zur Erfassung von subjektiv geschätzten Ein- und Durchschlafzeiten, nächtlichen Wachperioden, des 59 Methodik Gefühls des Erholtseins am Morgen und der Befindlichkeit am Tage eingesetzt. In vielen Fällen erlauben Schlaftagebücher eine Relativierung generalisiert negativ vorgebrachter Beschwerden über den Schlaf wie etwa: „Ich habe seit Wochen kein Auge mehr zugetan!“ (Riemann et al., 2003b). Auch Zusammenhänge zwischen Tagesereignissen und gestörtem Schlaf lassen sich mithilfe des Schlaftagebuchs aufdecken (Riemann et al., 2003b). Zusätzlich kann festgestellt werden, inwieweit die Patienten einen adäquaten Umgang mit dem Schlaf pflegen, ob der Schlaf an den zirkadianen Rhythmus angepasst ist oder ob ein ausgeprägter Konsum schlafstörender Substanzen (z. B. Alkohol, Pharmaka) vorliegt (Penzel et al., 2005; Riemann et al., 2003). 2.4.4 Zusätzliche neuropsychologische Untersuchungen 2.4.4.1 Intelligenz Das Intelligenzniveau der Studienteilnehmer wurde in der Vorphase der Studie zur Überprüfung der Ein- und Ausschlusskriterien anhand der Standard Progessive Matrices von Raven (1998) bestimmt. Die Standard Progressive Matrices (SPM, Raven & Court, 1999) wurden in der vorliegenden Studie in einer Kurzversion (Wiener Testbatterie Computerversion mit 32 Items) eingesetzt. Damit erfolgt eine sprachfreie Erfassung des allgemeinen Intelligenzpotentials unabhängig von Ausbildungsniveau, Nationalität oder Gesundheitszustand. Neben induktivem Denken scheinen vor allem Faktoren der räumlichen Wahrnehmungsdifferenzierung sowie des räumlichen Vorstellens und Denkens an der SPM-Leistung beteiligt zu sein. Den Probanden werden geometrische Muster am Bildschirm vorgegeben, die jeweils nach bestimmten logischen Prinzipien aufgebaut sind. In jeder Aufgabe ist ein Teil des Musters ausgelassen. Unter mehreren Antwortvorschlägen sollen die Probanden dasjenige Teilstück herausfinden, welches das Muster richtig ergänzt. Die Durchführung erfolgt ohne zeitliche Begrenzung. Die Auswertung erfolgt durch das PC-Programm unter Berücksichtigung von Geschlecht, Alter und Bildungsniveau. Es werden IQ-Werte, Prozentränge und Standardwerte ausgegeben. 60 Methodik 2.4.4.2 Aufmerksamkeit und Konzentration Die Aufmerksamkeitsleistung wird in der vorliegenden Untersuchung mittels zweier Verfahren aus der Testbatterie zur Aufmerksamkeitsprüfung (TAP) von Zimmermann und Fimm (2000) erfasst. Mit dem Untertest Alertness werden die tonische und phasische Alertness der Probanden erhoben. Tonische Alertness bezieht sich auf das allgemeine Aufmerksamkeitsniveau, welches durch die einfache Reaktionsgeschwindigkeit auf einen Reiz hin messbar ist. Unter phasischer Alertness ist die Fähigkeit zu verstehen, das Aufmerksamkeitsniveau in Erwartung eines Reizes hoher Priorität zu steigern und aufrechtzuerhalten. Aufgabe ist es, so schnell wie möglich eine Taste zu drücken, wenn in der Mitte des PC-Bildschirms ein Kreuz erscheint. Nach dem Tastendruck verschwindet das Kreuz und der nächste Durchgang beginnt. Unterschieden werden Durchgänge ohne Warnton (tonische Aktivierbarkeit) und Durchgänge mit Warnton (phasische Aktivierbarkeit). In allen Durchgängen mit Warnton soll der Proband schneller reagieren als in den Durchgängen ohne Warnton. Durch einen Vergleich der Reaktionszeiten der Durchgänge ohne bzw. mit Warnton lässt sich ein Kennwert der phasischen Alertness bestimmen, welcher ein Maß für die Anhebung des Aufmerksamkeitsniveaus darstellt. In einem weiteren Untertest der TAP wird die geteilte Aufmerksamkeit mittels einer sog. „Doppelaufgabe“ geprüft, bei der die Probanden eine optische und eine akustische Aufgabe gleichzeitig bearbeiten sollen. In jeder Aufgabe sollen die Probanden, möglichst schnell durch Tastendruck auf einen bestimmten, kritischen Reiz reagieren. Bei der optischen Aufgabe gilt es, auf ein durch benachbarte Kreuze gebildetes Quadrat am Bildschirm zu reagieren, bei der akustischen Aufgabe zwei aufeinander folgende gleiche, d. h. hohe oder tiefe Töne zu erkennen. Gemessen werden die Reaktionszeit sowie die Anzahl richtiger Reaktionen und Fehler (Auslasser und falsche Alarme). Die Ergebnisse werden entsprechend den Geschlechts-, Alters- und Bildungsnormen ausgegeben. 2.4.4.3 Kognitive Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit Der Trail-Making-Test (TMT-A, Reitan, 1958) wurde in dieser Studie zu beiden Untersuchungsterminen abends und morgens vorgegeben. Aufgabe beim TMT-A ist es, Zahlen, die in randomisierter Anordnung auf ein Blatt gedruckt sind, möglichst 61 Methodik schnell in aufsteigender Reihenfolge miteinander zu verbinden. Mit diesem Testinstrument wird die allgemeine kognitive Informationsverarbeitungs- geschwindigkeit und psychomotorische Verarbeitungsgeschwindigkeit erfasst. 2.4.5 Untersuchungen zum Gedächtnis 2.4.5.1 Prozedurales Gedächtnis Die prozedurale Gedächtnisleistung (motorisches, nicht explizit wissensgebundenes Lernen) wurde anhand des Mirror Tracing Task (MT, Milner, 1968) ermittelt. Die Durchführung der Mirror Tracing Task folgt der Vorgehensweise von Plihal & Born (1997). Die Probanden haben die Aufgabe, mit einem elektronischen lichtempfindlichen Sensorstift die Umrisse mehrerer vorgegebener, schwarz-weißer Figuren so schnell und genau wie möglich nachzufahren. Die Vorlagen, sowie die Bewegungen des Sensorstiftes, können dabei aufgrund eines Sichtschutzes nur über einen Spiegel gesehen werden. In der Abenduntersuchung (Lernen) wird zunächst die Übungsvorlage (Stern) so oft durchgeführt, bis die Fehleranzahl <15 beträgt. Anschließend werden sechs verschiedene Testbilder (Männchen) nacheinander umfahren. Am Morgen (Abruf) wird die Übungsvorlage (Stern) nur einmal bearbeitet, direkt im Anschluss die sechs Testfiguren in randomisierter Anordnung. Registriert werden bei allen Durchgängen die benötigte Bearbeitungszeit, sowie die Anzahl und Dauer der Abweichungen von der Linie (Fehleranzahl) und die „Fehlerzeit“ (Quotient der Bearbeitungszeit und Fehler). Die nächtliche prozedurale Gedächtniskonsolidierungsleistung wird anhand der Differenzwerte zwischen den registrierten Werten abends und morgens berechnet. Des Weiteren werden Prozentwerte für die Leistungsverbesserung über Nacht berechnet. Zusätzlich wurde basierend auf theoretischen Überlegungen und aufgrund empirischer Beobachtungen, die Mirror Tracing „Leistung“ als Summe aus „Zeichenzeit“ und dem Produkt „Fehleranzahl“ mal penalty-Faktor berechnet. Der penalty-Faktor (Sekunden pro Fehler) wurde für beide Untersuchungsgruppen mittels einer linearen Regression getrennt berechnet. Für die Gruppe OSA vs. Gesund beträgt er 1.9 und für die Gruppe Insomnie vs. Gesund 1.7. 62 Methodik Abbildung 11. Mirror Tracing Task. 2.4.5.2 Deklaratives Gedächtnis Zur Untersuchung von Gedächtnisleistungen, die dem expliziten (deklarativen) Gedächtnis zugeordnet werden, wurde der Visuelle und Verbale Merkfähigkeitstests (VVM, Schellig & Schächtele, 2001) verwendet. Der VVM überprüft das kurzfristige (unmittelbar nach Darbietung) und längerfristige (Abfrage nach 12 Stunden, ohne erneute Reizdarbietung) Behalten von visuell-räumlichen und verbalen Materialien. Das verbale Gedächtnis wird mit dem Untertest „Bau“ untersucht, wobei den Probanden eine Baubeschreibung vorgelegt wird, die in syntaktisch einfachen Sätzen formuliert ist. Es sind Namen, Zahlen und propositionale Inhalte zu merken. Anhand gezielter Fragen werden diese Komponenten später schriftlich abgefragt. Das visuell-räumliche Gedächtnis wird mit dem Untertest „Stadtplan“ untersucht, wobei der Verlauf eines Weges eingeprägt und zu den Abfragezeitpunkten in einen identischen Stadtplan eingezeichnet werden muss. Sowohl die Einprägezeit wie auch die Reproduktionszeit sind zeitlich begrenzt. Zur Auswertung werden zunächst für jeden der Untertests (Stadtplan, Bau), sowie für die verschiedenen Messzeitpunkte (abends, morgens) anhand von Aus- werteschablonen die Rohpunktwerte bestimmt. Über einen Vergleich der kurzfristigen und längerfristigen Gedächtnisleistung kann schließlich der dritte Kennwert, die „Erinnerungsrate“, berechnet werden. Sie drückt aus, wie viel Prozent der kurzfristigen (morgens) Behaltensleistung noch erhalten (abends) bleibt. Für 63 bis alle zum späteren Rohwerte Abfragezeitpunkt können anschließend Methodik Vergleichswerte (Prozentränge) aus den Normtabellen abgelesen werden. Diese sind, wie auch Berichte zur testtheoretischen Güte des VVM, im Testmanual zu finden (Schellig & Schächtele, 2001). Abbildung 12. Visueller und Verbaler Merkfähigkeitstest (VVM, Schellig & Schächtele, 2001). Tabelle 8. Erhebungsinstrumente. Symptomebene Schlafstörungen Fremdbeurteilung Selbsteinschätzung Instrumente Abkürzung Checkliste Stationsarzt, klinisches Urteil, klinische Diagnose Pittsburgh Schlafqualitätsindex Epworth Schläfrigkeits-Skala Schlaffragebogen Schlaftagebuch PSQI ESS SF-A STAG DIA-X. PC-Programm zur Durchführung des Interviews, Längs- und Querschnittuntersuchungen. Klinische Bewertung durch Stationsarzt DIA-X Intelligenz Standard Progressive Matrices SPM Aufmerksamkeit Testbatterie zur Aufmerksamkeitsprüfung (1) Alertness, (5) geteilte Aufmerksamkeit TAP Händigkeit Edinburgh Händigkeits-Inventar Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit Trail Making Test A TMT Mirror Tracing Task Visueller und Verbaler Merkfähigkeitstest MT VVM Psychopathologie Fremdbeurteilung Gedächtnis Prozedural Deklarativ 64 Methodik 2.4.6 Objektive Schlafuntersuchungen (Polysomnographie) Die Polysomnographie dient zur simultanen Aufzeichnung wichtiger schlafspezifischer Variablen im Schlaflabor. Sie ermöglicht eine Verlaufsbeobachtung des Schlafes und eine Bestimmung der einzelnen Schlafstadien nach den Kriterien von Rechtschaffen und Kales (1968). Die polysomnographische Untersuchung während der Experimentalnacht dieser Studie beinhaltet die Ableitung des Elektroenzephalogramms (EEG) mit den beiden EEG-Kanälen C3-A2 und C4-A1 zur Messung der Hirnaktivität, des Elektrookulogramms (EOG) Augenbewegungen, zur des Aufzeichnung der Elektromyogramms vertikalen (EMG) zur und horizontalen Aufzeichnung des submentalen Muskeltonus sowie eine kontinuierliche Ableitung des Elektrokardiogramms (EKG). Die Atemdiagnostik erfolgt mittels 3 Atemregistrierungsgeräten (Dehnungsgurten über Brust und Bauch sowie eines Fühlers unter der Nase) zusätzlich mit arterieller Sauerstoffsättigung (SaO2, mittels Finger Puls Oximetrie). Videoaufnahmen mittels einer Infrarot Kamera und Mikrophone dienen der Erfassung von atembezogenen Schlafproblemen, Körperlage und Beinbewegungen. Atemereignisse werden klassifiziert als obstruktiv oder zentral basierend auf thorakaler und abdominaler Tätigkeit, Atemfluss und Pulsübertragungszeit. Obstruktive Schlafapnoe wurde definiert als >5 pharyngeale Obstruktionen mit Hypopnoen, nachfolgenden Arousals oder Apnoen pro Stunde. Entsprechend den Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin wurden Hypopnoen definiert als eine Reduktion der Atemamplitude oder Atemfrequenz mit nachfolgendem Abfall der Sauerstoffsättigung ≥3% oder nachfolgendem Arousal. Apnoen wurden definiert als Atemereignisse ≥10s (Hein et al., 2001). Die inspiratorische Atemaussetzer pro Stunde Schlaf (Apnoen, Hypopnoen) wurden anhand des Apnoe-Hypopnoe Index (AHI) erfasst. Zusätzlich wurden die Anzahl der Apnoen ohne und mit Arousal während der Schlafperiode (SPT) gemessen. Leichte OSA wurde definiert als AHI 5-15, mittlere OSA als AHI 1525, und schwere OSA als AHI>25. Die Analyse der polysomnographischen Daten wurde von 3 erfahrenen und verblindeten Mitarbeitern des Schlaflabors vorgenommen. Alle Auswerter nahmen an wöchentlichen Besprechungen zur Diskussion von Auswertungsproblemen teil, 65 Methodik Interrater-Reliabilität wurde monatlich überprüft. Die Übereinstimmung der Auswertungen zwischen 2 Auswertern wurde auf >85% festgelegt. Tabelle 9. Beschreibung der polysomnographischen Parameter. im Rahmen dieser Studie relevanten Variablen der Schlafkontinuität Zeit zwischen „Licht aus“ und dem erstmaligen Auftreten von S2, S3, S4 oder REM-Schlaf in Minuten Sleep Period Time (SPT) in Minuten = Bettzeit - Einschlafzeit - frühmorgendliches Erwachen Total Sleep Time (TST) in Minuten = SPT - alle Wachperioden Einschlaflatenz Schlafperiode Gesamtschlafzeit Schlafeffizienz Anteil der geschlafenen Zeit an der Bettzeit in Prozent Arousal Index/ h SPT Arousalindex in der Schlafperiode (SPT) pro Stunde Variablen der Schlafarchitektur Anteil nächtlicher Wachperioden an der Schlafperiode bzw. an Wachphasen Schlafzyklen in Minuten/Prozent Anteil von S1 an der Schlafperiode bzw. an den einzelnen Stadium 1 Minuten/Prozent Anteil von S2 an der Schlafperiode bzw. an den einzelnen Stadium 2 Minuten/Prozent Anteil von SWS an der Schlafperiode bzw. an den einzelnen Tiefschlaf (SWS) Minuten/Prozent Anteil von REM an der Schlafperiode bzw. an den einzelnen REM-Schlaf Minuten/Prozent den einzelnen Schlafzyklen in Schlafzyklen in Schlafzyklen in Schlafzyklen in REM-Schlaf-Variablen Anzahl schneller Augenbewegungen Zeit zwischen dem Einschlafen und dem erstmaligen Auftreten von REM-Schlaf in Minuten Anzahl aller schnellen Augenbewegungen, insgesamt und innerhalb der einzelnen Schlafzyklen REM-Dichte REM-Dichte in Prozent, insgesamt und innerhalb der einzelnen Schlafzyklen REM-Latenz Respiratorische Ereignisse AHI/ h Alle Apnoe/ Hypopnoe in der Schlafperiode (SPT) pro Stunde Anzahl der Apnoen Gesamtzahl aller Apnoen während der Schlafperiode (SPT) Anzahl Apnoen mit Arousal Gesamtzahl aller Apnoen während der Schlafperiode (SPT) mit Arousals Mittlere SaO2 (SPT) % Mittlere Sauerstoffsättigung (SPT) % Periodische Bewegungen der Gliedmaßen im Schlaf PLMS 2.5 PLMS-index (SPT) Statistische Auswertungen Als deskriptive Maße der Statistik wurden für die Beschreibung der Variablen die Kennwerte Mittelwert, Median und Standardabweichung herangezogen. Bei allen erhobenen Variablen wurde von Normalverteilung und Varianzhomogenität ausgegangen, bzw. die Normalverteilung wurde durch Transformation der Daten in 66 Methodik logarithmisierte Werte erreicht. Das Signifikanzniveau wurde auf p<0.05 festgesetzt. Die Analysen wurden mittels SPSS for Windows, Version 15.0 durchgeführt. 2.5.1 Analyse der Gruppenunterschiede Zur Analyse der Unterschiedshypothesen wurden jeweils zwei getrennte Gruppenvergleiche durchgeführt (Insomnie vs. Gesund I und OSA vs Gesund II). Zur Analyse der demographischen und klinischen Parameter wurden t-Tests für unabhängige Stichproben angewendet. Um die Unterschiede in den Schlafparametern und um Unterschiede in der prozeduralen und deklarativen Gedächtnisleistung (%) zu ermitteln, wurden Varianzanalysen (MANCOVA) mit dem Faktor „Gruppe“ und der Kovariate „Alter“ berechnet. Messwiederholungsanalysen MANCOVAs mit den Faktoren „Zeit“ (abends und morgens), „Gruppe“ (Insomnie vs. Gesund bzw. OSA vs. Gesund), dem Interaktionsfaktor „Zeit x Gruppe“ und Kovariate „Alter“ wurden zur Erfassung der prozeduralen und deklarativen Gedächtnisleistung und der neuropsycholgischen Leistung eingesetzt. Die Kovariate Alter wurde aufgrund eines nachgewiesenen Einflusses von Alter auf die kognitiven Leistungen und den Schlaf verwendet. 2.5.2 Analyse der Zusammenhänge Schlaf und Gedächtnis Exploratorisch wurden Korrelationskoeffizienten nach Pearson (r) berechnet, um Zusammenhänge zwischen Schlaf und Gedächtnisparametern zu erfassen. Alle Univariaten Tests wurden Greenhouse-Geisser korrigiert. Für MANCOVAEffekte wurden zusätzlich die partiellen Effektstärken (partial ETA squared, pETAsq) berechnet. Effektstärken: klein, 0.01; mittel, 0.06; groß, 0.12. 67 3. ERGEBNISSE 68 Ergebnisse 3.1 Stichprobenbeschreibung Von ca. 118 vorgescreenten Patienten durchliefen 96 das vollständige Screening zur Teilnahme an der Studie. Die Hauptgründe zum Ausschluss vom Sceeningverfahren waren medikamentöser Natur oder eine vorbestehende Diagnose einer psychischen und/ oder schweren körperlichen Erkrankung. 21 Patienten mit Insomnie und 22 Patienten mit OSA und 53 gesunde Probanden schlossen regulär die Untersuchungen ab. 3 Patienten mit Insomnie, 7 Patienten mit OSA und 17 gesunde Probanden wurden aufgrund von Durchführungsproblemen bei den Untersuchungen oder weil kein passender Partner zum Abgleich („matching“) gefunden wurde nachträglich von der Analyse ausgeschlossen. Zwischen den Teilnehmern, welche die Untersuchung abbrachen und jenen welche die Untersuchung erfolgreich abschlossen, gab es keine statistisch signifikanten Unterschiede hinsichtlich demographischer oder klinischer Variablen. Aus dem Pool der gesunden Kontrollprobanden wurden für die beiden Schlafstörungsgruppen OSA und Insomnie unter Abgleich der Variablen „Alter“, „Geschlecht“ und „IQ“, Probanden zugeordnet. Bei den Kontrollprobanden kann aufgrund von Schlaftagebüchern (2 Wochen vor Studienteilnahme) und Schlaffragebögen der Status „gesunde Schläfer“ als gesichert betrachtet werden. Alle Studienteilnehmer hatten einen geregelten Schlaf-Wach-Rhythmus, die Schlaftagebücher zeigten vergleichbare Bettzeiten für beide Untersuchungsgruppen. 3.2 Ergebnisse zu Schlaf und Gedächtnis bei primärer Insomnie 3.2.1 Stichprobe Insomnie Achtzehn Patienten mit primärer Insomnie und 34 gesunde Probanden wurden untersucht. In Tabelle 10 finden sich im Überblick demographische und klinische Merkmale der Stichprobe. Die Mittlere Erkrankungsdauer bis zum Studieneintritt (basierend auf subjektiv berichtete Symptome) betrug 13.25 ± 6.7 Jahre. Alle Patienten waren 2 Wochen vor und während der Experimentalnacht im Schlaflabor unbehandelt. Die subjektive Gedächtniseinschätzung innerhalb der letzten 4 Wochen vor Studienteilnahme anhand einer standardisierten visuellen Analogskala von 0 69 Ergebnisse (schlecht) bis 100 (sehr gut; Kloepfer, 2004c) war bei den Patienten signifikant schlechter als bei den gesunden Kontrollprobanden. Tabelle 10. Demographische und klinische Parameter für Patienten mit Insomnie und gesunde Kontrollprobanden. Insomnie-Patienten (N = 18) Gesunde Kontrollen t p (N = 34) Männer/ Frauen 7/11 14/20 Alter in Jahren 45.5 ± 4.5 46.2 ± 5.0 0.5 0.634 Schuljahre 11.0 ± 1.6 11.4 ± 1.6 0.9 0.386 IQ 102.6 ± 13.4 104.2 ± 11.8 0.4 0.659 Subj. Gedächtniseinschätzung 43.3 ± 12.7 55.8 ± 19.3 2.5 0.017 PSQI 11.1 ± 3.0 3.6 ± 1.6 -9.8 <0.001 ESS 11.0 ± 6.1 6.2 ± 3.4 12.0 0.001 SFA, SQ 2.1 ± 0.8 3.1 ± 0.6 22.5 <0.001 Daten sind dargestellt als Mittelwerte ± SD. Subjektive Gedächtniseinschätzung ist die subjektive Gedächtnisleistung über die letzten 4 Wochen, erfasst mittels einer visuellen Analog Skala von 0 (schlecht) bis 100 (sehr gut). PSQI, Pittsburgh Schlafqualitätsindex. ESS, Epworth Schläfrigkeitsskala. SF-A, SQ, Schlaffragebogen nach Görtelmeyer (Schlafqualität). T-Test für unabhängige Stichproben. Signifikante Effekte sind fettgedruckt dargestellt. 3.2.2 Subjektive Einschätzung des Schlafs Wie erwartet berichteten die gesunden Kontrollprobanden eine signifikant bessere Schlafqualität innerhalb der letzten zwei Wochen vor Studienteilnahme (Pittsburgh Schlafqualitätsindex, PSQI, 1989). Außerdem zeigte die Stichprobe der gesunden Kontrollprobanden eine geringere Tagesmüdigkeit (Epworth Sleepiness Scale, ESS, 1991) und eine bessere Schlafqualität in der Untersuchungsnacht im Schlaflabor (Schlaffragebogen, Görtelmeyer, SF-A, 1981). 3.2.3 Polysomnographische Parameter Tabelle 11 zeigt die Ergebnisse der polysomnographischen Untersuchung. Patienten mit Insomnie zeigten eine signifikant gestörte Schlafkontinuität: eine reduzierte Schlafzeit, reduzierte Schlafperiode (SPT) und eine reduzierte Schlafeffizienz im Vergleich zu gesunden Kontrollprobanden. Des Weiteren fanden sich bei den Patienten mit Insomnie eine gestörte Schlafarchitektur: ein erhöhter Anteil der Wachzeit, reduzierter Anteil an Stadium 2 und reduzierter REM-Schlafanteil im 70 Ergebnisse Vergleich zu gesunden Kontrollprobanden. Die Hauptergebnisse der polysomnographischen Untersuchungen sind in den Abbildungen 13a-d dargestellt. In allen anderen standardisierten Schlafparametern wurden in der vorliegenden Stichprobe der Patienten mit Insomnie und gesunden Kontrollprobanden keine signifikanten Unterschiede gefunden. Tabelle 11. Polysomnographische Parameter für Patienten mit Insomnie und gesunde Kontrollprobanden. Insomnie-Patienten Gesunde Kontrollen F p pETAsq ( N = 18) (N = 34) Einschlafzeit, min 30.3 ± 30.0 23.9 ± 19.3 0.8 0.389 0.02 Schlafperiode (SPT), min 433.1 ± 46.0 451.2 ± 21.4 3.6 0.065 0.07 Schlafzeit (TST), min 338.0 ± 79.7 392.2 ± 48.5 9.1 0.004 0.16 Schlafeffizienz 70.3 ± 16.6 81.6 ± 10.0 9.0 0.004 0.16 Arousal Index/h SPT 17.0 ± 4.2 16.4 ± 6.8 0.2 0.662 <0.01 Arousal Index/h Stadium 2 16.0 ± 5.8 13.0 ± 6.9 2.4 0.125 0.05 REM Dichte, % 27.9 ± 12.2 26.0 ± 7.1 0.4 0.516 0.01 REM Latenz, min 119.2 ± 62.6 99.9 ± 43.6 1.6 0.211 0.03 3.8 ± 1.2 4.2 ± 1.1 1.6 0.218 0.03 o N REM Zyklen Schlafstadien, in Prozent der Schlafperiode (SPT) Wach% 23.0 ± 12.6 13.2 ± 8.4 10.9 0.002 0.18 Stadium 1% 12.5 ± 4.8 11.2 ± 5.1 0.9 0.360 0.02 Stadium 2% 46.1 ± 9.3 53.6 ± 7.6 9.7 0.003 0.17 SWS% 4.3 ± 5.2 3.8 ± 3.9 0.3 0.611 0.01 REM% 14.0 ± 5.6 18.2 ± 4.9 7.8 0.008 0.14 Atem Parameter AHI /h 2.1 ± 2.5 2.1 ± 2.8 <0.1 0.842 <0.01 o 2.7 ± 6.0 5.3 ± 11.1 0.7 0.420 0.01 o 1.5 ± 3.1 3.3 ± 6.8 0.9 0.356 0.02 PLMS (SPT) 4.0 ± 9.4 1.5 ± 3.1 2.3 0.133 0.045 PLMS (SPT) mit Arousal 0.9 ± 1.7 0.5 ± 1.4 0.7 0.400 0.014 N Apnoen N Apnoen mit Arousal PLMS Daten sind dargestellt als Mittelwerte ± SD. REM bezieht sich auf rapid eye movement Schlaf. SWS, slow wave sleep (Tiefschlaf). AHI, Apnoe/ Hypopnoe Index. No Apnoen, Anzahl aller Apnoen in der Schlafperiode (SPT). PLMS (Myoklonieindex). pETAsq, partial ETA squared. MANCOVA mit Faktor “Gruppe” und Kovariate “Alter”. Signifikante Ergebnisse sind fettgedruckt dargestellt. 71 Ergebnisse Abbildungen 13a-d. Polysomnographische Parameter für Patienten mit Insomnie und gesunde Kontrollprobanden: Parameter der Schlafarchitektur in % Abb.13a. Schlafeffizienz,% Abb.13b. Wach (%,SPT) Abb.13c. Stadium 2 (%,SPT) Abb.13d. REM (%,SPT) 72 Ergebnisse 3.2.4 Gedächtnisparameter Die Messwiederholungsanalyse (Tabelle 12) zeigt signifikante Haupteffekte für den Faktor „Zeit“ in den Variablen „Mirror Tracing Leistung“ und „Mirror Tracing Zeichenzeit“. Ebenso zeigte sich ein nahezu signifikanter Interaktionseffekt „Zeit x Gruppe“ in den Variablen „Mirror Tracing Leistung“ und „Mirror Tracing Zeichenzeit“. Für den Faktor „Gruppe“ wurden in der Gedächtnisleistung keine signifikanten Haupteffekte gefunden. In der Lernphase abends vor dem Schlafen wurden keine signifikanten Unterschiede in der Gedächtnisleistung zwischen den Insomnie-Patienten und den gesunden Kontrollprobanden festgestellt: MT Leistung: F5,46=2.1, p=0.150; MT Zeichenzeit: F5,46=0.8, p=0.374; MT Fehleranzahl: F5,46=2.6, p=0.112; MT Fehlerzeit: F5,46=1.2, p=0.279; verbale Gedächtnisleistung: F5,46=0.7, p=0.397, visuelle Gedächtnisleistung: F5,46=1.1, p=0.291). Ebenso unterschieden sich die „Mirror Tracing Übungen“ (Stern) nicht signifikant zwischen den Insomnie-Patienten (3.3±2.2) und den gesunden Kontrollprobanden (4.4±4.4, F=0.9, p=0.360). Die Hauptergebnisse der Untersuchung, welche die nächtlichen Gedächtniskonsolidierungsraten für prozedurales und deklaratives Gedächtnis kennzeichnen sind in Tabelle 13, sowie in den Abbildungen 14a-d bzw. 15a-b dargestellt. Als Hauptergebnis zeigten die Insomnie-Patienten eine signifikant geringere nächtliche Verbesserung in der „MT Leistung“ (26.9%±15.3), im Vergleich zu gesunden Kontrollprobanden (36.3%±12.9, Abb. 14a, große Effektstärke). Diese geringere „MT Leistung“ wurde verursacht durch eine signifikant geringere Verbesserung in der „Mirror Tracing Zeichenzeit“ bei den Insomnie-Patienten (21.2%±17.2) im Vergleich zu gesunden Kontrollprobanden (32.0%±15.2, Abb. 14b, große Effektstärke). In den Variablen „MT Fehleranzahl“ und in der „MT Fehlerzeit“ wurden keine signifikanten Gruppenunterschiede festgestellt. Ohne das Signifikanzniveau zu erreichen, tendierten die Patienten mit Insomnie ebenfalls zu einer Beeinträchtigung der nächtlichen deklarativen Gedächtnisleistung (mittlere bzw. kleine Effektstärke für die „verbale und visuelle Erinnerungsraten“, Abb. 15a-b). 73 Ergebnisse Tabelle 12. Gedächtnisleistung für Patienten mit Insomnie und gesunde Kontrollprobanden. Insomnie-Patienten Gesunde Kontrollen (N=18) (N=34) abends morgens abends morgens Zeit F Gruppe Zeit * Gruppe p F p - 0.7 0.419 F p Prozedurales Gedächtnis MT Übungen Stern 3.3 ± 2.2 1.0 4.4 ± 4.4 1.0 - MT Leistung 109.7 ± 47.4 76.3 ± 28.3 129.1 ± 44.5 79.5 ± 24.0 5.4 0.025 1.3 0.262 3.9 0.055 MT Zeichenzeit 91.4 ± 47.7 68.5 ± 30.7 103.8 ± 47.2 67.4 ± 27.4 4.9 0.032 0.3 0.586 3.3 0.074 MT Fehleranzahl 13.9 ± 9.9 5.9 ± 4.8 19.3 ± 12.1 9.2 ± 8.2 1.0 0.332 2.6 0.112 0.9 0.348 MT Fehlerzeit 9.9 ± 7.6 5.0 ± 5.4 12.9 ± 10.1 8.3 ± 8.4 <0.1 0.936 1.6 0.215 0.1 0.786 Verbales Gedächtnis 13.7 ± 6.2 11.7 ± 6.6 15.0 ± 4.6 13.5 ± 4.7 1.0 0.321 1.2 0.282 0.6 0.437 Visuelles Gedächtnis 22.5 ± 6.2 18.8 ± 6.8 24.2 ± 4.7 21.5 ± 5.2 2.9 0.093 2.6 0.111 0.6 0.428 Deklaratives Gedächtnis Daten sind dargestellt als Mittelwerte ± SD. Zeitangaben in Sekunden. MT, mirror tracing. Werte für verbale und visuelle Gedächtnisleistung dargestellt als Anzahl der richtig beantworteten Items. Rm-MANCOVA mit Messwiederholung für Faktor „Zeit“, Faktor „Gruppe“ und Kovariate „Alter“. Signifikante Effekte sind fettgedruckt dargestellt. 74 Ergebnisse Tabelle 13. Nächtliche Gedächtniskonsolidierung für Patienten mit Insomnie und gesunde Kontrollprobanden. Insomnie-Patienten Gesunde Kontrollen (N=18) (N=34) F p pETAsq Prozedurales Gedächtnis, Verbesserung % MT Leistung 26.9 ± 15.3 36.3 ± 12.9 5.3 0.013 0.12 MT Zeichenzeit 21.2 ± 17.2 32.0 ± 15.2 5.0 0.014 0.12 MT Fehleranzahl 55.0 ± 21.9 53.1 ± 23.3 2.2 0.850 <0.01 MT Fehlerzeit 52.6 ± 32.7 36.4 ± 37.5 1.4 0.149 0.04 Deklaratives Gedächtnis, Erinnerungsrate % Verbal 80.2 ± 24.0 88.5 ± 9.5 3.3 0.075 0.07 Visuell 83.2 ± 15.9 89.5 ± 17.7 1.3 0.241 0.03 Daten sind dargestellt als Mittelwerte ± SD. Zeitangaben in Sekunden. MT, mirror tracing. Werte für verbale und visuelle Gedächtnisleistung dargestellt als Anzahl der richtig beantworteten Items. MANCOVA mit Faktor „Gruppe“ und Kovariate „Alter“. pETAsq, partial ETA squared. Signifikante Effekte fettgedruckt dargestellt. 75 Ergebnisse Abbildungen 14a- 14d. Nächtliche prozedurale Gedächtniskonsolidierung in % für Patienten mit Insomnie und gesunde Kontrollprobanden. Mittelwerte mit 95% Konfidenzintervall. Abb. 14b. Mirror Tracing Zeichenzeit,% Abb. 14a. Mirror Tracing Leistung,% F=5.3, p=0.013* Abb. 14c. Mirror Tracing Fehleranzahl,% F=2.2, p=0.850 76 F=5.0, p=0.014* Abb. 14d. Mirror Tracing Fehlerzeit,% F=1.4, p=0.149 Ergebnisse Abbildungen 15a- 15b. Nächtliche deklarative Gedächtniskonsolidierung in % für Patienten mit Insomnie und gesunde Kontrollprobanden. Mittelwerte mit 95% Konfidenzintervall. Abb. 15b. Visuelle Gedächtnisleistung,% Abb. 15a. Verbale Gedächtnisleistung,% 3.2.5 Zusammenhang zwischen Schlaf und Gedächtnisparametern Die exploratorisch durchgeführten Korrelationsanalysen zeigten eine signifikante Korrelation über die gesamte Stichprobe zwischen der REM-Dichte und der prozentualen Verbesserung in der „Mirror Tracing Fehlerzeit“ (Pearson Korrelation r=0.279, p=0.045), verursacht durch die hochsignifikante Korrelation in der Stichprobe der gesunden Kontrollprobanden (r=0.449, p=0.008; Abb. 16b). In der Stichprobe der Insomnie-Patienten wurde diese Korrelation nicht gefunden (r=0.062, p=0.806; Abb. 16a). Es wurden keine weiteren signifikanten Korrelationen Schlafparametern und der Gedächtnisleistung festgestellt. 77 zwischen den Ergebnisse Abbildungen 16a-b. Korrelation der Insomnie-Gesund Stichprobe zwischen REM Dichte und Verbesserung beim Mirror Tracing. Abb. 16a. Korrelation Stichprobe Insomnie Insomnie; N=18 r=0.062; p=0.806 Abb. 16b. Korrelation Stichprobe Gesund Gesund; N=34 r=0.449; p=0.008* 3.2.6 Zusätzliche Neuropsychologie Tabelle 14 fasst die Ergebnisse der neuropsychologischen Leistung zusammen. In der vorliegenden Stichprobe unterscheiden sich die Insomnie-Patienten und die gesunden Kontrollprobanden nicht signifikant in ihrer Leistung in irgendeinem der durchgeführten neuropsychologischen Tests (Alertness, geteilte Aufmerksamkeit oder psychomotorische Verarbeitungsgeschwindigkeit). 78 Ergebnisse Tabelle 14. Neuropsychologische Leistung für Patienten mit Insomnie und gesunde Kontrollprobanden. Insomnie-Patienten Gesunde Kontrollen (N = 18) (N = 34) Zeit Gruppe Zeit * Gruppe abends morgens abends morgens F p F p F p Alertness [ms] 244.7 ± 48.8 250.2 ± 68.7 245.2 ± 43.9 243.2 ± 44.9 0.4 0.537 0.1 0.746 0.8 0.392 Geteilte Aufmerksamkeit [ms] 680.6 ± 65.7 686.0 ± 92.9 702.8 ± 83.6 694.5 ± 70.5 2.4 0.128 0.4 0.541 1.1 0.297 Psychomotorische 31.1 ± 9.3 32.0 ± 15.7 31.2 ± 9.3 28.5 ± 8.8 2.4 0.130 0.8 0.385 1.7 0.198 Verarbeitungsgeschwindigkeit [s] Daten sind dargestellt als Mittelwerte ± SD. Rm-MANCOVA mit Messwiederholung für Faktor „Zeit“, Faktor „Gruppe“ und Kovariate „Alter“. Signifikante Effekte sind fettgedruckt dargestellt. 79 Ergebnisse 3.3 Ergebnisse zu Schlaf und Gedächtnis bei obstruktiver Schlafapnoe 3.3.1 Stichprobe obstruktive Schlafapnoe Fünfzehn Patienten mit mittelschwerer OSA und 20 gesunde Kontrollprobanden wurden untersucht. Demographische und klinische Charakteristika der Stichprobe sind in Tabelle 15 aufgelistet. Die mittlere Erkrankungsdauer vom Beginn der Erkrankung (basierend auf subjektiv berichtete Symptome) bis zum Studieneintritt beträgt 5.1±4.4 Jahre. Die mittlere Sauerstoffsättigung (SaO2) während der polysomnographischen Untersuchungsnacht beträgt 79.6%. Alle OSA-Patienten waren vor und während der Untersuchungsnacht im Schlaflabor unbehandelt. Die subjektive Gedächtniseinschätzung innerhalb der letzten 4 Wochen vor Studienteilnahme anhand einer visuellen Analogskala (Kloepfer, 2004c) unterschied sich nicht zwischen den beiden Gruppen. Tabelle 15. Demographische und klinische Parameter für Patienten mit mittelschwerer OSA und gesunde Kontrollprobanden. OSA-Patienten Gesunde Kontrollen (N = 15) (N = 20) Männer/ Frauen 10/ 5 12/ 8 Alter in Jahren 46.4 ± 5.9 Schuljahre t p 47.4 ± 5.6 0.5 0.631 10.6 ± 1.6 11.6 ± 1.6 1.7 0.096 IQ 99.0 ± 12.6 103.7 ± 13.3 1.1 0.303 Subj. Gedächtniseinschätzung 50.9 ± 23.3 53.4 ± 21.8 0.3 0.754 PSQI 6.0 ± 2.5 3.3 ± 1.8 -3.7 0.001 ESS 11.1 ± 6.1 5.8 ± 3.9 -3.0 0.007 SFA, SQ 2.6 ± 0.9 3.4 ± 0.8 3.0 0.005 Daten sind dargestellt als Mittelwerte ± SD. Subjektive Gedächtniseinschätzung ist die subjektive Gedächtnisleistung über die letzten 4 Wochen, erfasst mittels einer visuellen Analog Skala von 0 (schlecht) bis 100 (sehr gut). PSQI, Pittsburgh Schlafqualitätsindex. ESS, Epworth Schläfrigkeitsskala. SF-A, SQ, Schlaffragebogen nach Görtelmeyer (Schlafqualität). T-Test für unabhängige Stichproben. Signifikante Effekte sind fettgedruckt dargestellt. 80 Ergebnisse 3.3.2 Subjektive Einschätzung des Schlafs Wie zu erwarten berichteten die gesunden Kontrollprobanden eine signifikant bessere Schlafqualität in den zwei Wochen vor der Studienteilnahme (Pittsburgh Schlafqualitätsindex, PSQI, 1989). Ebenso zeigten sie eine geringere Tagesmüdigkeit in der Epworth Sleepiness Scale, (ESS, 1991). Des Weiteren zeigten sie eine bessere Schlafqualität in der Nacht im Schlaflabor (Schlaffragebogen nach Görtelmeyer, SF-A, 1981). 3.3.3 Polysomnographische Parameter Die Ergebnisse der polysomnographischen Untersuchungen sind zusammengefasst in Tabelle 16 und die signifikanten Hauptergebnisse sind in den Abb. 17a-c und 18ad dargestellt. Verglichen mit der gesunden Stichprobe zeigen die OSA-Patienten eine signifikant geringere REM-Dichte und einen erhöhten Arousal Index innerhalb der SPT und dem Stadium 2, was für einen fragmentierteren Schlaf bei den OSAPatienten spricht. Des Weiteren zeigen die OSA-Patienten einen signifikant höheren Apnoe-Hypopnoe Index, eine höhere Anzahl der Apnoen mit und ohne Arousal und eine geringere mittlere Sauerstoffsättigung im Vergleich zu den gesunden Kontrollprobanden. In allen anderen standardisierten Schlafparametern wurden in der vorliegenden Stichprobe der Patienten mit mittelschwerer OSA und gesunden Kontrollprobanden keine signifikanten Unterschiede gefunden. 81 Ergebnisse Tabelle 16. Polysomnographische Parameter für Patienten mit mittelschwerer OSA und gesunde Kontrollprobanden. OSA-Patienten Gesunde Kontrollen F p pETAsq (N = 15) (N = 20) Einschlafzeit, min 29.5 ± 18.3 26.3 ± 20.4 0.2 0.650 0.01 Schlafperiode (SPT), min 416.6 ± 28.8 428.6 ± 28.1 1.7 0.206 0.05 Schlafzeit (TST), min 358.9 ± 56.2 355.2 ± 28.9 <0.1 0.848 <0.01 Schlafeffizienz 78.4 ± 11.1 77.2 ± 8.9 0.1 0.762 <0.01 Arousal Index/h SPT 22.1 ± 7.6 16.3 ± 7.5 4.9 0.035 0.14 Arousal Index/h Stadium 2 19.1 ± 8.8 13.1 ± 6.9 5.3 0.029 0.14 REM Dichte, % 20.6 ± 10.9 27.5 ± 7.7 4.9 0.035 0.13 REM Latenz, min 91.3 ± 61.4 110.7 ± 49.6 0.9 0.363 0.03 3.7 ± 1.3 3.8 ± 1.0 0.2 0.678 0.01 o N REM Zyklen Schlafstadien, in Prozent der Schlafperiode (SPT) Wach% 14.2 ± 10.1 16.8 ± 8.2 0.7 0.411 0.02 Stadium 1% 12.9 ± 5.7 11.6 ± 5.4 0.6 0.428 0.02 Stadium 2% 47.2 ± 11.4 53.2 ± 8.2 3.3 0.081 0.09 SWS% 5.0 ± 4.6 2.7 ± 4.2 2.2 0.151 0.06 REM% 14.9 ± 6.7 15.2 ± 4.3 <0.1 0.877 <0.01 Atem Parameter AHI /h 19.7 ± 13.7 2.0 ± 2.5 31.0 <0.001 0.49 o 73.4 ± 88.4 5.0 ± 8.3 11.8 0.002 0.27 o N Apnoen mit Arousal 59.2 ± 81.3 3.7 ± 7.5 9.2 0.005 0.22 Mittlere SaO2 (SPT),% 93.0 ± 2.6 95.1 ± 1.2 10.4 0.003 0.25 PLMS (SPT) 8.1 ± 10.5 1.4 ± 2.6 8.1 0.007 0.20 PLMS (SPT) mit Arousal 1.2 ± 1.7 0.4 ± 0.9 4.5 0.043 0.12 N Apnoen PLMS Daten sind dargestellt als Mittelwerte ± SD. REM bezieht sich auf rapid eye movement Schlaf. SWS, slow wave sleep (Tiefschlaf). AHI, Apnoe/ Hypopnoe Index. No Apnoen, Anzahl aller Apnoen in der Schlafperiode (SPT). Mittlere SaO2 (SPT)%, mittlere Sauerstoffsättigung (SPT)%. PLMS (Myoklonieindex). pETAsq, partial ETA squared. MANCOVA mit Faktor „Gruppe“ und Kovariate „Alter“. Signifikante Ergebnisse sind fettgedruckt dargestellt. 82 Ergebnisse Abbildungen 17a-c. Polysomnographische Parameter für Patienten mit mittelschwerer OSA und gesunde Kontrollprobanden: Parameter der Schlafarchitektur Abb.17a. Arousal Index/ h SPT Abb.17b. Arousal Index/h Stadium 2 Abb.17c. REM Dichte, % 83 Ergebnisse Abbildungen 18a-d. Polysomnographische Parameter für Patienten mit mittelschwerer OSA und gesunde Kontrollprobanden: Atemparameter (AHI, SaO2, Apnoen) Abb. 18a. AHI/h Abb. 18b. Mittlere Sa O2 (SPT),% Abb. 18c. No Apnoen Abb. 18d. No Apnoen mit Arousal 84 Ergebnisse 3.3.4 Gedächtnisparameter Die Messwiederholungsanalyse (Tabelle 17) zeigt signifikante Haupteffekte für den Faktor „Zeit“ in den Variablen „Mirror Tracing Leistung“ und „Mirror Tracing Zeichenzeit“, ebenso in der deklarativen Variable „visuelle Gedächtnisleistung“. Ebenso zeigte sich ein signifikanter Interaktionseffekt „Zeit x Gruppe“ in den Variablen „Mirror Tracing Leistung“ und „Mirror Tracing Zeichenzeit“. Für den Faktor „Gruppe“ wurden in der Gedächtnisleistung keine signifikanten Haupteffekte gefunden. In der Lernphase abends vor dem Schlafen wurden keine signifikanten Unterschiede in der Gedächtnisleistung zwischen den OSA-Patienten und den gesunden Kontrollprobanden festgestellt: MT Leistung: F4,30=1.9, p=0.178; MT Zeichenzeit: F4,30=2.5, p=0.123; MT Fehleranzahl: F4,30=0.4, p=0.522; MT Fehlerzeit: F4,30=2.6, p=0.117; verbale Gedächtnisleistung: F4,30=1.2, p=0.285; visuelle Gedächtnisleistung: F4,30=0.8, p=0.373). Ebenso unterschieden sich die „Mirror Tracing Übungen“ (Stern) nicht signifikant zwischen den OSA-Patienten (6.1±4.4) und den gesunden Hauptergebnisse Kontrollprobanden der Untersuchung, (4.9±4.7, F=0.7, welche p=0.406). die Die nächtlichen Gedächtniskonsolidierungsraten für prozedurales und deklaratives Gedächtnis kennzeichnen, sind in Tabelle 18, und den Abbildungen 19a-d bzw. 20a-b dargestellt. Als ein Hauptergebnis zeigten die OSA-Patienten eine signifikant geringere nächtliche Verbesserung in der „MT Leistung“ (30.1%±9.7) im Vergleich zu gesunden Kontrollprobanden (39.5%±12.2, Abb. 19a, große Effektstärke). Diese geringere „MT Leistung“ wurde hauptsächlich verursacht durch eine signifikant geringere Verbesserung in der „Mirror Tracing Zeichenzeit“ bei den OSA-Patienten (22.0%±13.4) im Vergleich zu gesunden Kontrollprobanden (32.7%±13.8, Abb. 19b, große Effektstärke) und eine signifikant geringere Verbesserung in der „MT Fehleranzahl“ bei den OSA-Patienten (46.0±18.6) im Vergleich zu gesunden Kontrollprobanden (59.5±22.0, Abb. 19c, große Effektstärke). In der „MT Fehlerzeit“ wurden keine signifikanten Gruppenunterschiede festgestellt. Als weiteres Hauptergebnis zeigten die OSA-Patienten eine signifikant geringere Verbesserung in der „verbalen Gedächtnisleistung“ (80.4%±13.6) im Vergleich zu gesunden Kontrollprobanden (88.2%±10.4, Abb. 20a, große Effektstärke). In der „visuellen Gedächtnisleistung“ zeigten die OSA-Patienten ebenso eine geringere Leistung mit mittlerer Effektstärke, allerdings ohne das Signifikanzniveau zu erreichen (Abb. 20b). 85 Ergebnisse Tabelle 17. Gedächtnisleistung für Patienten mit mittelschwerer OSA und gesunde Kontrollprobanden. OSA-Patienten Gesunde Kontrollen (N=15) (N=20) abends morgens abends morgens Zeit F Gruppe Zeit * Gruppe p F p - 1.4 0.254 F p Prozedurales Gedächtnis MT Übungen Stern 6.1 ± 4.4 1.0 4.9 ± 4.7 1.0 - MT Leistung 131.5 ± 41.3 90.9 ± 28.1 151.9 ± 44.9 89.8 ± 25.2 6.9 0.013 0.6 0.432 6.0 0.020 MT Zeichenzeit 88.3 ± 38.6 67.0 ± 28.0 113.2 ± 50.9 73.9 ± 29.0 6.2 0.018 1.8 0.194 5.6 0.024 MT Fehleranzahl 22.8 ± 10.9 12.7 ± 7.3 20.4 ± 10.7 8.4 ± 7.7 0.8 0.382 2.2 0.147 0.5 0.474 MT Fehlerzeit 16.5 ± 8.4 11.2 ± 9.1 11.6 ± 9.3 7.4 ± 8.3 0.4 0.529 3.2 0.084 0.4 0.515 Verbales Gedächtnis 12.6 ± 3.8 10.5 ± 4.4 14.3 ± 4.5 12.7 ± 4.5 0.3 0.619 1.9 0.175 1.8 0.195 Visuelles Gedächtnis 21.8 ± 3.8 18.1 ± 4.9 23.1 ± 4.3 20.6 ± 4.9 4.2 0.050 1.8 0.186 0.7 0.419 Deklaratives Gedächtnis Daten sind dargestellt als Mittelwerte ± SD. Zeitangaben in Sekunden. MT, mirror tracing. Werte für verbale und visuelle Gedächtnisleistung dargestellt als Anzahl der richtig beantworteten Items. Rm-MANCOVA mit Messwiederholung für Faktor „Zeit“, Faktor „Gruppe“ und Kovariate „Alter“. Signifikante Effekte sind fettgedruckt dargestellt. 86 Ergebnisse Tabelle 18. Nächtliche Gedächtniskonsolidierung für Patienten mit obstruktiver Schlafapnoe und gesunde Kontrollprobanden. OSA-Patienten Gesunde Kontrollen (N=15) (N=20) F p pETAsq Prozedurales Gedächtnis, Verbesserung % MT Leistung 30.1 ± 9.7 39.5 ± 12.2 8.5 0.007 0.21 MT Zeichenzeit 22.0 ± 13.4 32.7 ± 13.8 6.6 0.015 0.17 MT Fehleranzahl 46.0 ± 18.6 59.5 ± 22.0 4.7 0.037 0.13 MT Fehlerzeit 38.4 ± 24.8 40.0 ± 45.6 0.1 0.765 <0.01 Deklaratives Gedächtnis, Erinnerungsrate % Verbal 80.4 ± 13.6 88.2 ± 10.4 4.3 0.046 0.12 Visuell 82.0 ± 16.3 90.1 ± 20.3 1.3 0.255 0.04 Daten sind dargestellt als Mittelwerte ± SD. Zeitangaben in Sekunden. MT, mirror tracing. Werte für verbale und visuelle Gedächtnisleistung dargestellt als Anzahl der richtig beantworteten Items. MANCOVA mit Faktor „Gruppe“ und Kovariate „Alter“. pETAsq, partial ETA squared. Signifikante Effekte fettgedruckt dargestellt. 87 Ergebnisse Abbildungen 19a- 19d. Nächtliche prozedurale Gedächtniskonsolidierung in % für Patienten mit mittelschwerer OSA und gesunde Kontrollprobanden. Mittelwerte mit 95% Konfidenzintervall. Abb. 19b. Mirror Tracing Zeichenzeit,% Abb. 19a. Mirror Tracing Leistung,% F=8.5, p=0.007* Abb. 19c. Mirror Tracing Fehleranzahl,% F=4.7, p=0.037* 88 F=6.6, p=0.015* Abb. 19d. Mirror Tracing Fehlerzeit,% F=0.1, p=0.765 Ergebnisse Abbildungen 20a- 20b. Nächtliche deklarative Gedächtniskonsolidierung in % für Patienten mit mittelschwerer OSA und gesunde Kontrollprobanden. Mittelwerte mit 95% Konfidenzintervall. Abb.20b. Visuelle Gedächtnisleistung,% Abb.20a. Verbale Gedächtnisleistung,% 3.3.5 Zusammenhang zwischen Schlaf und Gedächtnisparametern Exploratorisch durchgeführte Korrelationsanalysen wurden getrennt nach Gruppen für Patienten mit mittelschwerer OSA und gesunde Kontrollprobanden durchgeführt. In der Stichprobe der Gesunden erreichte die Korrelation nach Pearson eine hochsignifikante positive Korrelation zwischen der REM-Dichte und der Verbesserung in der „Mirror Tracing Fehlerzeit“ (r=0.570, p=0.009; Abb. 21b). In der Stichprobe der OSA-Patienten wurde keine signifikante Korrelation gefunden (r=0.357, p=0.210; Abb. 21a). Des Weiteren zeigte sich in der Stichprobe der Gesunden eine nahezu signifikant positive Korrelation zwischen REM-Dichte und „MT Leistung“ (r=0.42, p=0.062). Zusätzlich exploratorisch durchgeführte Analysen zeigten positive Korrelationen bei den OSA-Patienten (verbale Gedächtnisleistung in % und REM-Zyklen: r=0.52, p=0.046). Es fanden sich keine signifikanten Korrelationen zwischen den prozentualen Verbesserungen in der nächtlichen Gedächtniskonsolidierung und Atemparametern (AHI, Anzahl der Apnoen mit und ohne Arousal, SaO2, p>0.1, Ergebnisse nicht dargestellt). 89 Ergebnisse Abbildungen 21a-b. Korrelation der Apnoe-Gesund Stichprobe zwischen REM Dichte und Verbesserung beim Mirror Tracing Abb. 21a. Korrelation Stichprobe OSA OSA: N=15 r=0.357, p=0.210 Abb. 21b. Korrelation Stichprobe Gesund Gesund: N=20 r=0.570, p=0.009* 3.3.6 Zusätzliche Neuropsychologie Tabelle 19 fasst die Ergebnisse der neuropsychologischen Leistung zusammen. In der vorliegenden Stichprobe unterscheiden sich die OSA-Patienten und die gesunden Kontrollprobanden nicht signifikant in ihrer Leistung in irgendeinem der durchgeführten neuropsychologischen Tests (Alertness, geteilte Aufmerksamkeit oder psychomotorische Verarbeitungsgeschwindigkeit). 90 Ergebnisse Tabelle 19. Neuropsychologische Leistung für Patienten mit mittelschwerer OSA und gesunde Kontrollprobanden. OSA-Patienten Gesunde Kontrollen (N = 15) (N = 20) Zeit Gruppe Zeit * Gruppe abends morgens abends morgens F p F p F p Alertness [ms] 235.4 ± 39.2 234.5 ± 40.0 242.3 ± 39.6 237.9 ± 39.3 <0.1 0.838 0.1 0.742 0.1 0.743 Geteilte Aufmerksamkeit [ms] 715.4 ± 72.5 713.4 ± 77.1 719.2 ± 91.2 706.2 ± 73.2 1.4 0.245 <0.1 0.952 0.9 0.357 Psychomotorische 34.7 ± 6.0 30.5 ± 5.5 30.1 ± 9.5 29.1 ± 8.3 <0.1 0.860 2.3 0.143 1.7 0.197 Verarbeitungsgeschwindigkeit [s] Daten sind dargestellt als Mittelwerte ± SD. Rm-MANCOVA mit Messwiederholung für Faktor „Zeit“, Faktor „Gruppe“ und Kovariate „Alter“. Signifikante Effekte sind fettgedruckt dargestellt. 91 4. DISKUSSION 92 Diskussion Ziel der vorliegenden Arbeit war es, den Einfluss von primärer Insomnie und obstruktiver untersuchen. Schlafapnoe Der direkte auf die nächtliche Zusammenhang Gedächtniskonsolidierung von gestörtem Schlaf zu und schlafassoziierter Gedächtniskonsolidierung wurde bislang bei der primären Insomnie nur in zwei Studien, und bei obstruktiver Schlafapnoe bisher gar nicht untersucht und ist deshalb Gegenstand der vorliegenden Studie. Bereits nach Auswertung der Pilotdaten konnte eine geminderte Gedächtniskonsolidierung bei Insomnie-Patienten über Nacht gezeigt werden (Nissen et al., 2006). Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit beruhen auf der Auswertung einer größeren InsomnieStichprobe (18 Patienten), replizieren die Pilotstudienergebnisse und unterstützen nochmals unsere Ausgangshypothese, dass Patienten mit primärer Insomnie eine signifikant schlechtere schlafassoziierte Gedächtniskonsolidierung prozeduraler Leistungen zeigen als gesunde Probanden. Außerdem zeigten die InsomniePatienten Beeinträchtigungen im verbal-deklarativen Lernen, erfasst mit dem Visuellen und Verbalen Merkfähigkeitstest (Schellig & Schächtele, 2001) mit mittlerer Effektstärke. Ebenso stützen die Ergebnisse der Apnoe-Stichprobe unsere initiale Hypothese, dass Patienten mit mittlerer OSA eine signifikant schlechtere prozedurale und verbaldeklarative schlafassoziierte Gedächtniskonsolidierung aufweisen als gesunde Kontrollprobanden. Eine Publikation mit den Ergebnissen der OSA-Stichprobe (15 Patienten mit OSA) wurde im Journal of Clinical Sleep Medicine zur Publikation angenommen (Kloepfer et al., 2009). 4.1 Demographische und klinische Parameter 4.1.1 Stichprobe Insomnie Das „natürliche“ Geschlechtsverhältnis bei Insomnie-Patienten (weiblich : männlich) beträgt etwa 70/30 (Zhang & Wing, 2006). Somit kann die vorliegende Studienpopulation mit einem erhöhten Anteil von Patientinnen als repräsentativ betrachtet werden. Das Altersspektrum wurde auf 40-60 Jahre festgelegt, es beträgt im Mittelwert 46 Jahre und gilt ebenfalls als repräsentativ für das Krankheitsbild. Die Gruppen unterschieden sich nicht bezüglich Schulbildung oder Intelligenz. 93 Diskussion In den durch Fragebögen erhobenen subjektiven Schlafparametern schätzten die Insomnie-Patienten der Literatur entsprechend ihren subjektiv erlebten Schlaf signifikant schlechter ein als die gesunden Kontrollprobanden. Die Beeinträchtigungen der Patienten bezogen sich auf die Schlafqualität der letzten 14 Tage (PSQI, Buysse et al., 1989), die Schlafqualität der im Schlaflabor verbrachten Experimentalnacht (SF-A, Görtelmeyer, 1981) und eine erhöhte Tagesmüdigkeit (ESS, Johns, 1991). 4.1.2 Stichprobe obstruktive Schlafapnoe Mit einem erhöhten Anteil männlicher OSA-Patienten kann die vorliegende Stichprobe als repräsentativ angesehen werden. Männer sind deutlich häufiger von OSA betroffen als Frauen (Pack, 2006). Nach Orth et al. (2000) finden sich insbesondere geschlechtsspezifische Unterschiede in der Anatomie und Funktion der oberen Atemwege der Körperverfettung sowie der respiratorischen Kontrollmechanismen. Die OSA-Patienten sind im Mittelwert 46 Jahre alt und die Kontrollprobanden 47 Jahre. Bezüglich IQ und Schulbildung gab es keine signifikanten Gruppenunterschiede. In den erhobenen subjektiven Schlafparametern, schätzten die OSA-Patienten ihren subjektiven erlebten Schlaf signifikant schlechter ein als die gesunden Kontrollprobanden. Die Beeinträchtigungen bezogen sich auf die Schlafqualität der letzten 14 Tage (PSQI, Buysse et al., 1989), die Schlafqualität der im Schlaflabor verbrachten Experimentalnacht (SF-A, Görtelmeyer, 1981) und eine erhöhte Tagesmüdigkeit (ESS, Johns, 1991), welche bei Patienten mit OSA besonders durch die Atemaussetzer und den daraus resultierenden stark fragmentierten Schlaf hervorgerufen wird. 94 Diskussion 4.2 Polysomnographische Parameter 4.2.1 Stichprobe Insomnie Die polysomnographischen Ableitungen der Nacht im Schlaflabor zeigen spezifische, signifikante Unterschiede zwischen der Gruppe der Insomnie-Patienten und den gesunden Kontrollprobanden, hinsichtlich verschiedener polysomnographischer Variablen, was die Hypothese des beeinträchtigten Schlafs bei Insomnie bestätigt. Bei den Insomnie-Patienten sind signifikante Beeinträchtigungen in der Schlafkontinuität, ausgedrückt durch die Parameter Schlafeffizienz und Schlafzeit, festzustellen. Zudem zeigten die Insomnie-Patienten eine gestörte Schlafarchitektur durch einen signifikant erhöhten Wachanteil, weniger Stadium 2 und einen geringeren Anteil an REM-Schlaf. Eine Verminderung des Tiefschlafanteils (SWS) konnte bei den Insomnie-Patienten nicht festgestellt werden. Die vorliegenden Daten basieren auf einer einzigen Experimentalnacht, ohne eine Adaptationsnacht zur Eingewöhnung an die Bedingungen des Schlaflabors. Dieses Design könnte zu dem relativ schlechten Schlaf der gesunden Kontrollprobanden beigetragen haben, da ein teilweise gestörtes Schlafprofil in der ersten Nacht im Schlaflabor als ein „first-night effect“ bei gesunden Kontrollprobanden beschrieben wurde (Agnew et al., 1966; Browman & Cartwright, 1980). Die Unterschiede in den polysomnographischen Parametern könnten eventuell weiter reduziert werden durch einen „reversed firstnight effect“, der gekennzeichnet ist durch einen besseren Schlaf in einer ersten im Vergleich mit einer zweiten Nacht im Schlaflabor, welcher bei Patienten mit Insomnie gezeigt wurde (Hauri, 1989). Wenn man dieser Argumentationslinie folgt, wären die Unterschiede zwischen Kontrollprobanden in den der Insomnie-Patienten vorliegenden Studie und den möglicherweise gesunden weit stärker ausgeprägt in einer zweiten oder nachfolgenden Nacht im Schlaflabor. 4.2.2 Stichprobe obstruktive Schlafapnoe Die polysomnographischen Ableitungen der OSA-Stichprobe zeigten erwartungsgemäß signifikante Beeinträchtigungen in den Atemparametern bei den OSA-Patienten. Die OSA-Patienten zeigten einen erhöhten Apnoe-Hypopnoe Index, eine erhöhte Anzahl der Apnoen mit und ohne Arousal und eine geringere Sauerstoffsättigung. Zudem konnte bei 95 OSA-Patienten eine signifikant Diskussion beeinträchtigte Schlafkontinuität festgestellt werden. Dies zeigte sich in einem reduzierten Anteil an REM-Dichte und in den registrierten Arousals. Der Literatur entsprechend zeigten die OSA-Patienten einen erhöhten Anteil an Arousal bezogen auf die Schlafperiode (SPT) und Stadium 2, welche den stark fragmentierten Schlaf von OSA-Patienten erklärt. Auch in der OSA-Stichprobe zeigten die gesunden Kontrollprobanden den bereits beschriebenen „first-night-effect“ Argumentation, ist für (Agnew, Folgestudien eine 1966). Berücksichtigt Adapationsnacht im man diese Schlaflabor durchzuführen, damit sich die gesunden Probanden an die Bedingungen gewöhnen können und in der Experimentalnacht ein normales Schlafprofil zeigen. 4.3 Gedächtniskonsolidierung 4.3.1 Stichprobe Insomnie Die vorliegenden Ergebnisse unterstützen unsere initiale Hypothese, dass die schlafassoziierte prozedurale Gedächtniskonsolidierung bei Patienten mit primärer Insomnie signifikant schlechter ist als bei gesunden Kontrollprobanden. Entgegen unserer initialen Hypothese zur deklarativen Gedächtniskonsolidierung, welche anhand dem Visuellen und Verbalen Merkfähigkeitstest (VVM, Schellig & Schächtele, 2001) erfasst wurde, stellten wir im deklarativen Bereich keine signifikanten Gruppenunterschiede fest. Allerdings fanden wir einen Trend (mit mittlerer Effektstärke), welcher eine Beeinträchtigung der deklarativen Gedächtnisformation während des Schlafes in der Insomnie-Gruppe vermuten lässt. Zahlreiche Arbeiten belegen, dass Schlaf eine essentielle Rolle bei der Gedächtniskonsolidierung spielt (Ficca & Salzarulo, 2004; Gais & Born, 2004; Maquet, 2001; Peigneux et al., 2001a; Rauchs et al., 2005; Smith, 2001; Stickgold et al., 2001; Walker & Stickgold, 2004). Weil Schlaf für die Gedächtniskonsolidierung wichtig ist, sollte als Konsequenz gestörter Schlaf eine Beeinträchtigung in der Gedächtnisleistung zeigen. Primäre Insomnie kann als ein Modell von gestörtem Schlaf angesehen werden, weil diese Störung häufig durch reduzierte SWS und eine erhöhten Anteil an Stadium 1 und nächtlichen Wachphasen auftritt (Benca et al., 1992). Die Untersuchungen zu Gedächtnisleistungen bei Insomnie-Patienten zeigen unterschiedliche Ergebnisse 96 Diskussion (Sateia et al., 2000). Die meisten Studien fanden keine Unterschiede oder nur leichte Beeinträchtigungen zwischen Insomnie-Patienten und gesunden Kontrollprobanden. Allerdings wurden in diesen Studien die Enkodierung und der Abruf am selben Tag durchgeführt, und nicht die Effekte einer nächtlichen Gedächtniskonsolidierung untersucht. Bisher konnte nur in zwei Studien gezeigt werden, dass primäre Insomnie mit Beeinträchtigungen in der deklarativen Gedächtniskonsolidierung (Backhaus et al., 2006) und der prozeduralen Gedächtniskonsolidierung (Nissen et al., 2006) assoziiert ist. Vorherige Untersuchungen fanden keine oder nur leichte Unterschiede in den Gedächtnisleistungen bei Patienten mit primärer Insomnie, wenn das Lernen und die Abrufleistungen am selben Tag stattfanden (Sateia et al., 2000). Die vorliegenden Daten sind übereinstimmend mit diesen Ergebnissen, weil die Patienten und Kontrollprobanden vor dem Schlaf keine signifikanten Unterschiede in der Gedächtnisleistung zeigten. Dieses Ergebnis ist wichtig, weil es ausschließt, dass die gefundenen Unterschiede in der nächtlichen Gedächtnisleistung durch eine schlechtere Enkodierung am Abend bei den Insomnie-Patienten hervorgerufen wurden. Hinzuzufügen ist, dass wir keine signifikanten deklarativen Gruppenunterschiede eventuell aufgrund charakteristischer Testmerkmale gefunden haben. In der vorliegenden Studie wurde der Visuelle und Verbale Merkfähigkeitstest (VVM, Schellig & Schächtele, 2001) verwendet. Im Unterschied dazu wurden in anderen Untersuchungen (Backhaus et al., 2006) Wortpaarassoziationsaufgaben verwendet, für welche gezeigt wurde, dass Lernen von NREM-Schlaf (Plihal & Born, 1997) abhängig ist. Mit diesem Wortpaarassoziationslernen wird semantisch abhängige Information gelernt. Außerdem wird gewährleistet, dass in der initialen Abrufphase alle Studienteilnehmer bis zu einem festgelegten Kriterium lernen. Der VVM ist ein standardisiertes Testverfahren zur Erfassung von deklarativem und prozeduralem Lernen (Schellig & Schächtele, 2001). Der VVM ermöglicht die Erfassung von praktischen und alltagsnahen Tätigkeiten, welche innerhalb von 2 Min. behalten werden können. Das Konzept des VVM ist dem Untertest „Logisches Denken“ in der Wechsler Memory Scale (Wechsler, 2000) sehr ähnlich und eventuell ist es eine komplexere Aufgabe als das Wortpaarassoziationslernen. Somit können wir nicht ausschließen, dass deklaratives Lernen, wenn es mit einer Wortpaarliste 97 Diskussion erfasst wird, bei Insomnie-Patienten beeinträchtigt ist, wie es von Backhaus et al. (2006) festgestellt wurde. In zukünftigen Untersuchungen werden verschiedene Modi der Enkodierung und auch Assoziationslevel berücksichtigt, um die schlafassoziierte deklarative Gedächtnisformation bei Insomnie-Patienten noch besser erklären zu können. Die dargestellten Ergebnisse lassen vorläufig die Schlussfolgerung zu, dass die schlafassoziierte Gedächtniskonsolidierung bei Insomnie-Patienten beeinträchtigt ist. Allerdings gilt es einige Limitationen zu berücksichtigen: Die Anzahl der Untersuchten ist relativ klein und die Ergebnisse sollten in einer größeren Stichprobe repliziert werden. Das Studiendesign basierte auf der Evidenz des Nachweises, dass Schlaf die Gedächtniskonsolidierung unterstützt (Stickgold, 2005; Plihal & Born, 1997; Ambrosini & Giuditta, 2001; Peigneux et al., 2001; Walker & Stickgold, 2004; Untersuchungen Stickgold et Wachkontrollstudien, al., 2000). welche Trotzdem Abend-, sollten Morgen- zukünftige und Nacht- schlafdeprivationsperioden enthalten, berücksichtigen, um den direkten Nachweis zu erbringen, dass die gefundenen Unterschiede in der prozeduralen Lernleistung tatsächlich schlafabhängig sind. Die gefundenen Ergebnisse sind vorläufiger Art. Ihre Replikation und Validierung würde eventuell nachweisen, dass Insomnie-Patienten Schwierigkeiten bei Tätigkeiten die prozedurales Lernen erfordern haben, wie z. B. bestimmte körperliche oder feinmotorische Tätigkeiten. Der Mangel an schweren Defiziten lässt vermuten, dass die Gedächtniskonsolidierung - vorausgesetzt, die Gedächtnishypothese trifft zu- nur zum Teil schlafabhängig ist. Eine Anzahl von Fragen, inklusive warum Insomnie-Patienten schlafabhängige Defizite zum Teil während des Tages kompensieren können, oder welche andere Unterformen von Lernen zusätzlich beeinträchtigt sind, können gestellt werden und benötigen weitere Untersuchungen. Eine Trennung zwischen polysomnographischen, subjektiven und Daten auf Verhaltensebene könnte eventuell durch Positron Emission Tomography (PET)Studien zeigen, dass ein signifikant beeinträchtigter Gehirnmetabolismus bei Patienten mit primärer Insomnie vorliegt, sogar in polysomnographisch erfassten ungestörten Schlafphasen (Nofzinger et al., 2004). Denn Bildgebungsstudien 98 Diskussion (Nofzinger et al., 2004) lassen vermuten, dass neuronale Prozesse (z. B. Hyperarousal Prozesse), die nicht durch EEG Ableitungen erfasst werden können, dazu beitragen könnten, dass Verhaltensbeeinträchtigungen, inklusive subjektiv erlebtem nichterholsamen Schlaf, oder beeinträchtigte schlafabhängige Gedächtnisprozesse vorliegen. Ebenso konnten Riemann et al. (2007) nachweisen, dass bei Patienten mit primärer Insomnie reduzierte Gehirnvolumen in Arealen die für Plastizität relevant sind (z. B. Hippocampus) vorliegen. Zukünftige Untersuchungen sollten bildgebende Verfahren im Studiendesign integrieren, um die neuronalen Prozesse der Gedächtniskonsolidierung noch besser zu erfassen. 4.3.2 Stichprobe obstruktive Schlafapnoe Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung liefern zusätzliche Evidenz für die initiale Hypothese, dass bei Patienten mit obstruktiver Schlafapnoe die prozeduralen und deklarativen Gedächtnisprozesse im Vergleich zu gesunden Kontrollprobanden beeinträchtigt sind. Tierexperimentelle Studien und Untersuchungen bei gesunden Probanden zeigen, dass die Konsolidierung prozeduraler und deklarativer Gedächtnisinhalte durch Schlaf begünstigt wird (Wilson & McNaughton, 1994; Maquet, 2001; Plihal & Born, 1997; Walker & Stickgold, 2004). Nach unserem Kenntnisstand wird mit dieser Studie zum ersten Mal systematisch untersucht, ob atmungsbezogene Schlafstörungen mit Beeinträchtigungen in der nächtlichen Gedächtniskonsolidierung assoziiert sind. Die festgestellten Beeinträchtigen in der nächtlichen prozeduralen Gedächtniskonsolidierung bei Patienten mit OSA im Vergleich zu gesunden Kontrollprobanden sind übereinstimmend mit vorhergehenden Studien, welche mittels der Mirror Tracing Task (Plihal & Born, 1997) oder mit anderen prozeduralen motorischen Untersuchungen (Walker et al., 2003) eine schlafabhängige Verbesserung zeigen konnten. Ebenso sind die festgestellten Beeinträchtigungen der nächtlichen deklarativen Gedächtniskonsolidierung bei OSA-Patienten übereinstimmend mit früheren Studienergebnissen (Peigneux et al., 2001a; Ficca & Salzarula, 2004; Goder et al., 2007). Wir stellten, unter Annahme ähnlicher Enkodierungsleistungen, eine signifikante Beeinträchtigung in der nächtlichen verbalen Gedächtniskonsolidierung 99 Diskussion bei Patienten mit OSA im Vergleich zu gesunden Kontrollprobanden fest. Die festgestellten „verbalen Erinnerungsraten“ sind ähnlich zu den von Ellenbogen et al. (2007) gefundenen Wortpaarerinnerungen nach 12 Std. Nachtschlaf im Vergleich zum Abruf nach einer 12 Std. Wachphase am Tag. In der „visuell-deklarativen Erinnerungsrate“ konnte kein signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen festgestellt werden. Während in den meisten vorhergehenden Studien der Zusammenhang von Schlaf und deklarativem Gedächtnis mit Wortpaarlisten (Ellenbogen et al., 2007) untersucht wurde, wurde in der vorliegenden Studie der Visuelle und Verbale Merkfähigkeitstest (VVM) verwendet. Der verwendete VVM erfasst eher praktische und alltäglich relevante Fähigkeiten, ähnlich dem Untertest „logisches Denken“ der Wechsler Memory Scale (Wechsler, 2000). Die gefundenen Ergebnisse bzgl. des deklarativen Gedächtnisses sind konsistent mit dem Konzept von Beeinträchtigungen in der nächtlichen Gedächtniskonsolidierung bei OSA-Patienten. Wachphasen am Dennoch Tag sind zusätzliche (sogenannte Studien zu Wachkontrollstudien) entsprechenden notwendig um nachzuweisen, dass die gefundenen Unterschiede tatsächlich schlafabhängig, und nicht zeitabhängig sind. Zukünftige Studien sollten sowohl Wachkontrolluntersuchungen als auch Wortpaarassoziationslernen beinhalten, um den Zusammenhang zwischen deklarativem Lernen und Schlaf besser zu erklären. Zusammenfassend fanden wir Defizite in der prozeduralen und deklarativen nächtlichen Enkodierungsleistung bei Patienten mit OSA im Vergleich zu gesunden Kontrollprobanden. Diese Ergebnisse sind vereinbar mit der Annahme eines reduzierten synaptischen „Downscaling“, welches nach der Hypothese von Tonini & Cirelli (2006) die dauerhafte Einspeicherung von Gedächtnisspuren in neuronalen Netzwerken unter Wiederherstellung der Fähigkeit, Neues zu lernen, bewirkt. Gestörtes synaptisches Downscaling könnte eine Beeinträchtigung im Abspeichern neu gelernter Gedächtnisinhalte im Schlaf hervorrufen und damit die gefundenen Beeinträchtigungen prozeduraler und deklarativer Gedächtnisleistungen erklären. Obwohl wir die Stichprobe der OSA-Patienten auf Patienten mit mittelschwerer OSA einschränkten, könnten die Langzeitauswirkungen der nächtlichen Hypoxien im Gehirn der Patienten strukturelle Veränderungen hervorgerufen haben. Verschiedene Mechanismen könnten zu neuronalen Dysfunktionen oder strukturellen 100 Diskussion Beeinträchtigungen bei OSA-Patienten beigetragen haben. Präklinische Studien zeigen, dass hypoxische Episoden zu einer Erhöhung neurotoxischer Substanzen (z. B. eine Art reaktiver Sauerstoff) führen, welche zu neuronaler Dysfunktion und schlussendlich zu Gehirnschädigungen führen können (Xu et al., 2004; Kheirandisch et al., 2005). Empfindliche Gehirnregionen, die für deklarative und prozedurale Gedächtniskonsolidierung wichtig sind, z. B. mittlerer Temporallappen, Basalganglien und Neocortex könnten ebenfalls dadurch beeinträchtigt sein (Cervos-Navarro & Diemer, 1991; Dang-Vu et al., 2007). Eine Pilot-Studie zu Patienten mit primärer Insomnie lässt vermuten, dass, zusätzlich zu den neurotoxischen Effekten von Hypoxien, chronisch gestörter Schlaf zu Beeinträchtigungen der Gehirnplastizität und zu reduziertem Gehirnvolumen führen kann, besonders in Arealen, die für Plastizität relevant sind, wie z. B. dem Hippocampus (Riemann et al., 2007). Interessanterweise hat eine höhere Anzahl respiratorischer Ereignisse einen negativen Einfluss auf die Gedächtnisleistung in Bezug auf Apolipoprotein (APOE) Allele ε4; dies lässt eine Interaktion von genetischer Anfälligkeit und OSA auf die Gedächtnisleistung vermuten (O’Hara et al., 2005). Macey und Kollegen verwendeten Diffusion Tensor Imaging (DTI) und fanden verschiedene Gehirnregionen mit vergleichsweise geringer „fractional anisotropy“ (FA) in der weißen Substanz bei Patienten mit schwerer OSA. Sie vermuteten, dass axonale Veränderungen bei OSA durch wiederholte intermittierende Hypoxien und durch begleitende Apnoen hervorgerufen werden. Veränderungen in der weißen Substanz beinhalten Axone, welche Verbindungen zu den Hauptstrukturen innerhalb des Limbischen Systems, Pons, Frontal, Temporal und parietalen Hirnrinde und Regionen des Cerebellums herstellen. Diese Gehirnregionen regulieren Gedächtnisleistungen, Planen und Emotionen (Macey et al., 2008). Reduzierte kortikale N-Acetylaspartat-Metaboliten des Gehirns, die auch nach CPAP-Therapie unverändert blieben, lassen irreversible zerebrale Schädigungen bei schwerer OSA vermuten und unterstützen die pathogenetische Rolle von zerebraler Hypoxie bei diesen Patienten (Tonon et al., 2007). Da wir in dieser Studie keine bildgebenden Untersuchungen durchgeführt haben, können wir in unserer OSA-Stichprobe leichte Hirnläsionen nicht ausschließen. Studien mit bildgebenden Verfahren vor und nach Therapie sind notwendig, um den spezifischen Einfluss von Sauerstoffsättigungen 101 Diskussion und Schlafunterbrechungen auf die Gehirnstruktur und Funktion zu untersuchen und den Grad der Reversibilität dieser Veränderungen unter Behandlung zu erfassen. Der Schlussfolgerung vorausgehend, dass wir Schlaf- und Gedächtniseffekte festgestellt haben, gilt es einige Punkte zu berücksichtigen. Engleman and Joffe (1999) berichteten beeinträchtigte psychomotorische und exekutive Leistungen bei Patienten mit schwerer OSA. In der vorliegenden Stichprobe von Patienten mit mittelschwerer OSA fanden wir keine signifikanten Unterschiede in Alertness, geteilter Aufmerksamkeit und psychomotorischer Verarbeitungsgeschwindigkeit. Das Nichtauffinden von Beeinträchtigungen in der allgemeinen kognitiven Funktion bei unseren Patienten mag aus der strikten Selektierung von mittelschwerer OSA resultieren, zum Teil auch durch das Ausschließen von Patienten mit schweren komorbiden Erkrankungen, welche kognitive Beeinträchtigungen hervorrufen könnten. Zukünftige Studien sollten objektive Messverfahren zum Erfassen von Schläfrigkeit, wie z. B. den Multiplen Schlaf-Latenz-Test (MSLT) anwenden und Wachkontrollphasen beinhalten, um spezifische schlafabhängige Effekte nachweisen zu können. Zusätzlich gilt es zu berücksichtigen, dass in der vorliegenden Studie die gesunden Probanden einen eindeutigen „first-night effect“ (Agnew, 1966) zeigten, welcher charakteristisch einen unterbrochenen NREM-Schlaf, ein Schlafstadium das eventuell kritisch für eine effektive Gedächtniskonsolidierung ist (Plihal & Born, 1997), hervorrufen kann. Zudem fanden wir bei unseren OSA-Patienten kontinuierliche Schlafunterbrechungen, welche einen erhöhten Schlafdruck aufbauen können (Guilleminault, 2001) und Verschiebungen von NREM-Schlaf verwandten Indikatoren für Schlafqualität (mit Ausnahme des Arousal Index) in Richtung dem von gesunden Kontrollprobanden, wie in anderen Studien berichtet (Taumann et al., 2004; 2006). Demzufolge könnten sich größere Defizite in der Gedächtnisbildung bei OSA-Patienten zeigen, wenn man das Untersuchungsdesign mit einer Adaptationsnacht in einer zweiten oder nachfolgenden Nacht im Schlaflabor wählen würde. 102 Diskussion Bemerkenswert ist, dass in der vorliegenden Studie eine beeinträchtigte Gedächtniskonsolidierung bei Patienten mit mittlerer OSA festgestellt werden konnte. Zusätzliche Studien sind notwendig um zu untersuchen, ob Patienten mit schwerer Schlafapnoe noch deutlicher ausgeprägte Beeinträchtigungen in prozeduralem und deklarativem Gedächtnis zeigen. Außerdem sind zusätzliche Studien notwendig um festzustellen, ob Kurz- oder Langzeitbehandlungen, wie z. B. CPAP Therapie, Gedächtnisdefizite bei Patienten mit OSA mildern oder sogar normalisieren. 4.3.3 Zusammenhang zwischen Schlaf und Gedächtnisparametern Entgegen unserer initialen Zusammenhangshypothese stellten wir bei den Gruppen mit Schlafstörungen keine signifikanten Korrelationen zwischen Schlafkennwerten und Parametern der Gedächtniskonsolidierung fest. Exploratorisch durchgeführte Analysen zeigen jedoch eine signifikant positive Korrelation zwischen Verbesserung im dem Schlafparameter prozeduralen Lernen in REM-Dichte der und Stichprobe nächtlicher der gesunden Kontrollprobanden (MT Fehlerzeit). Es wird vermutet, dass rapid eye movements den Ponto-Geniculo-Occipitalen (PGO)-Wellen im REM-Schlaf in Tierexperimenten entsprechen (Peigneux, 2001b). Tierstudien zeigen, dass neuronale Mechanismen, die mit PGO-Wellen in Zusammenhang stehen, zu neuronaler Reorganisation beitragen und Lernprozesse unterstützen (Datta et al., 2004). Des Weiteren konnte in Tierstudien nachgewiesen werden, dass REMs mit Lernen korrelieren und dass nach experimenteller Induktion Gelerntes besser behalten wird, vermutlich über die C3 Region des Hippocampus. Wenn man annimmt, dass PGO-Wellen Plastizitätsprozesse und Gedächtnisformation in Tierstudien hervorbringen (Datta et al., 2004) und REM-Dichte als Mass von phasischen REM-Aktivitäten betrachtet, könnte dies ebenfalls mit Gedächtniskonsolidierung in Zusammenhang stehen. Diese Beobachtung steht ebenfalls in Einklang mit früheren Befunden, die zeigten, dass prozedurales Lernen besonders durch REM-Schlaf gefördert wird (Plihal & Born, 1997). Während in der Stichprobe der gesunden Kontrollprobanden (in beiden Stichproben) prozedurales Lernen positiv mit REM-Dichte korrelierte, zeigte sich 103 Diskussion dieser Effekt nicht bei den Patientengruppen. Dies ist umso erstaunlicher, da in unserer Untersuchung die OSA-Patienten eine signifikant niedrige REM-Dichte zeigten. Eine Replikation dieses Ergebnisses könnte nachweisen, dass neuronale Prozesse, die der Generierung von REMs unterliegen, zu einer Beeinträchtigung der neuronalen Vernetzungen und zu Beeinträchtigungen in der Gedächtnisformation während des Schlafs beitragen. Anhand der berichteten Korrelation zwischen nächtlicher deklarativer Gedächtniskonsolidierung und der Anzahl der REM-Zyklen könnte man zudem vermuten, dass deklaratives Lernen speziell von der NREM- und REMSchlafzykluswiederholung profitiert, welche eine Umwandlung der Gedächtnisspuren von Kurzzeitinformation im Hippocampus in das Langzeitinformation im Neocortex ermöglicht (Hasselmo, 1999). 104 Abspeichern von Diskussion 4.4 Fazit und Ausblick Als Endergebnis dieser Studie gilt es festzustellen, dass die prozedurale Gedächtniskonsolidierung bei Insomnie-Patienten beeinträchtigt zu sein scheint, und dass Defizite im deklarativen Gedächtnis mit mittlerer Effektstärke vorliegen. Zudem konnten wir nachweisen, dass bei Patienten mit obstruktiver Schlafapnoe sowohl die Hippocampusabhängige verbale deklarative Gedächtniskonsolidierung, als auch die prozedurale Gedächtniskonsolidierung signifikant beeinträchtigt ist. Beide Patientengruppen klagen häufig über Gedächtnisprobleme, welche sie ihrem gestörten nächtlichen Schlaf zuschreiben. Wenn man den Blick auf die Rolle des Schlafes bei der Gedächtniskonsolidierung richtet, zeigt diese Studie, dass sowohl primäre Insomnie als auch die obstruktive Schlafapnoe tatsächlich mit kognitiven Beeinträchtigungen einhergehen könnten, die diese Patienten in ihrem alltäglichen Leben beeinträchtigen könnten. Angesichts der hohen Prävalenz von primärer Insomnie mit ca. 5% (Ohayon, 2002) und obstruktiver Schlafapnoe mit ca. 4% (Young et al., 2002), sind unsere Ergebnisse von hoher klinischer Relevanz und benötigen weitere Untersuchungen. Zukünftige Studien sollten bildgebende Verfahren, die emotionale Verfassung der Untersuchten, eine Erfassung nächtlicher Cortisolausschüttung, Wachkontrollbedingungen und deklarative Testmaterialen, bei denen der Nachweis nächtlicher Gedächtniskonsolidierung erbracht wurde und zudem Untersuchungen zu anderen deklarativen (episodisches oder semantisches Gedächtnis) berücksichtigen. 105 Gedächtniskategorien LITERATURVERZEICHNIS 106 Adam K, Tomeny M & Oswald I (1986). Physiological and psychological differences between good and poor sleepers. J Psychiatr Res, 20:301-316. Agnew HW Jr, Webb WB & Williams RL (1966). The first night effect: an EEG study of sleep. Psychophysiology, 2:263-266. Ambrosini MV, Sadile AG, Gironi Carnevale UA, Mattiaccio M & Giuditta A (1988). The sequential hypothesis on sleep function. I. Evidence that the structure of sleep depends on the nature of the previous waking experience. Physiol Behav, 43:325-337. Ambrosini MV & Giuditta A (2001). 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Wann sind Sie während der letzten zwei Wochen gewöhnlich abends zu Bett gegangen? übliche Uhrzeit: Wie lange hat es während der letzten zwei Wochen gewöhnlich gedauert, bis Sie nachts eingeschlafen sind? in Minuten: Wann sind Sie während der letzten zwei Wochen gewöhnlich morgens aufgestanden? übliche Uhrzeit: Wieviele Stunden haben Sie während der letzten zwei Wochen pro Nacht tatsächlich geschlafen? Effektive Schlafzeit (Stunden) pro Nacht: (Das muß nicht mit der Anzahl der Stunden, die Sie im Bett verbracht haben, übereinstimmen.) Kreuzen Sie bitte für jede der folgenden Fragen die für Sie zutreffende Antwort an. Beantworten Sie bitte alle Fragen. 5. Wie oft haben Sie während der letzten zwei Wochen schlecht geschlafen, ... a) ... weil Sie nicht innerhalb von 30 Minuten einschlafen konnten? b) ... weil Sie mitten in der Nacht oder früh morgens aufgewacht sind? 127 Während der letzten zwei Wochen gar nicht Weniger als einmal pro Woche Einmal oder zweimal pro Woche Dreimal oder häufiger pro Woche Während der letzten zwei Wochen gar nicht Weniger als einmal pro Woche Einmal oder zweimal pro Woche Dreimal oder häufiger pro Woche c) d) e) f) h) j) Während der letzten zwei Wochen gar nicht Weniger als einmal pro Woche Einmal oder zweimal pro Woche Dreimal oder häufiger pro Woche Während der letzten zwei Wochen gar nicht Weniger als einmal pro Woche Einmal oder zweimal pro Woche Dreimal oder häufiger pro Woche Während der letzten zwei Wochen gar nicht Weniger als einmal pro Woche Einmal oder zweimal pro Woche Dreimal oder häufiger pro Woche Während der letzten zwei Wochen gar nicht Weniger als einmal pro Woche Einmal oder zweimal pro Woche Dreimal oder häufiger pro Woche Während der letzten zwei Wochen gar nicht Weniger als einmal pro Woche Einmal oder zweimal pro Woche Dreimal oder häufiger pro Woche Während der letzten zwei Wochen gar nicht Weniger als einmal pro Woche Einmal oder zweimal pro Woche Dreimal oder häufiger pro Woche Während der letzten zwei Wochen gar nicht Weniger als einmal pro Woche Einmal oder zweimal pro Woche Dreimal oder häufiger pro Woche ... weil Sie Beschwerden beim Atmen hatten? ... weil Sie husten geschnarcht haben? mußten oder laut ... weil Ihnen zu kalt war? g) i) ... weil Sie aufstehen mußten, um zur Toilette zu gehen? ... weil Ihnen zu warm war? ... weil Sie schlecht geträumt hatten? ... weil Sie Schmerzen hatten? ... aus anderen Gründen? Und wie oft während des letzten Monats konnten Sie aus diesem Grund schlecht schlafen? Bitte beschreiben: 128 Während der letzten zwei Wochen gar nicht Weniger als einmal pro Woche Einmal oder zweimal pro Woche Dreimal oder häufiger pro Woche 6. 7. 8. 9. Wie würden Sie insgesamt die Qualität Ihres Schlafes während der letzten zwei Wochen beurteilen? Wie oft haben Sie während der letzten zwei Wochen Schlafmittel eingenommen (vom Arzt verschriebene oder frei verkäufliche)? Wie oft hatten Sie während der letzten zwei Wochen Schwierigkeiten wachzubleiben, etwa beim Autofahren, beim Essen oder bei gesellschaftlichen Anlässen? Hatten Sie während der letzten zwei Wochen Probleme, mit genügend Schwung die üblichen Alltagsaufgaben zu erledigen? 10. Schlafen Sie allein in Ihrem Zimmer? Sehr gut Ziemlich gut Ziemlich schlecht Sehr schlecht Während der letzten zwei Wochen gar nicht Weniger als einmal pro Woche Einmal oder zweimal pro Woche Dreimal oder häufiger pro Woche Während der letzten zwei Wochen gar nicht Weniger als einmal pro Woche Einmal oder zweimal pro Woche Dreimal oder häufiger pro Woche Keine Probleme Kaum Probleme Etwas Probleme Große Probleme Ja Ja, aber ein Partner/Mitbewohner schläft in einem anderen Zimmer Nein, der Partner schläft im selben Zimmer, aber nicht im selben Bett Nein, der Partner schläft im selben Bett Falls Sie einen Mitbewohner / Partner haben, fragen Sie sie/ihn bitte, ob und wie oft er/sie bei Ihnen folgendes bemerkt hat. a) b) c) Lautes Schnarchen Während der letzten zwei Wochen gar nicht Weniger als einmal pro Woche Einmal oder zweimal pro Woche Dreimal oder häufiger pro Woche Während der letzten zwei Wochen gar nicht Weniger als einmal pro Woche Einmal oder zweimal pro Woche Dreimal oder häufiger pro Woche Während der letzten zwei Wochen gar nicht Weniger als einmal pro Woche Einmal oder zweimal pro Woche Dreimal oder häufiger pro Woche Lange Atempausen während des Schlafes Zucken oder ruckartige Bewegungen der Beine während des Schlafes 129 d) e) Nächtliche Phasen von Verwirrung Desorientierung während des Schlafes oder Oder andere Formen von Unruhe während des Schlafes Während der letzten zwei Wochen gar nicht Weniger als einmal pro Woche Einmal oder zweimal pro Woche Dreimal oder häufiger pro Woche Bitte beschreiben: Machen Sie bitte noch folgende Angaben zu Ihrer Person: Alter: Geschlecht: ____ Jahre Körpergröße: .............. Beruf: weiblich männlich Schüler/Student(in) Arbeiter(in) Hausfrau(mann) 130 Gewicht:................... Rentner(in) selbständig Angestellte(r) arbeitslos/ Abbildung 25. Schlaffragebogen (SF-A). SF-A 1 1 Nach Görtelmeyer, R., 1981 Name: ……………………………………….. Datum: ………………………………………. ausgefüllt um ……………………………Uhr Geschlecht: …………………………………. Beruf: ……………………………………….. Anleitung: Die folgenden Fragen beziehen sich darauf, wie Sie in der letzten Nacht geschlafen haben. Kreuzen Sie bitte die Antworten an, die für Sie am ehesten zutreffen! Gehen Sie bei der Beantwortung der Fragen zügig voran und lassen Sie keine Frage aus! Bitte sofort nach dem Aufwachen morgens ausfüllen! 1. Wann haben Sie sich gestern Abend Beispiel: schlafen gelegt (Licht gelöscht)? 2 2 1 5 Uhr Stunde 2. Wie lange hat es gestern Abend nach dem Lichtlöschen gedauert, bis Sie eingeschlafen waren? 3. Woran hat es Ihrer Meinung nach gelegen, wenn Sie nicht gleich einschlafen konnten? (Mehrfachnennungen möglich) 4. In der Einschlafphase hat man hin und wieder plötzlich deutliche Bildeindrücke. War dies gestern Abend bei Ihnen so? Hatten Sie in der Einschlafphase Muskelzuckungen in den Armen oder Beinen? Hatten Sie gestern Nacht ein Stechen in der Herzgegend oder ein Ziehen im linken Arm verspürt? Sind Sie gestern, nach dem Einschlafen, nachts wieder aufgewacht? 5. 6. 7. 8. Woran hat es Ihrer Meinung nach gelegen, wenn Sie nachts wach wurden? 1 2 3 4 5 6 1 2 3 4 5 1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 3 4 5 1 2 131 Minuten Uhr Stunde Minuten weniger als 5 Minuten 5 bis 10 Minuten 10 bis 20 Minuten 20 bis 30 Minuten 30 Minuten bis 1 Stunde mehr als 1 Stunde persönliche/berufliche Probleme Geräusche im Zimmer oder von draußen Beschäftigung mit Tagesereignissen ungewohnte Schlafumgebung sonstige: ______________________ nein bin nicht sicher ja, sehr deutlich nein leicht stark nein leicht stark nein ja, einmal ja, zweimal ja, dreimal ja, mehr als dreimal persönliche/berufliche Probleme Geräusche im Zimmer oder von draußen (Mehrfachnennungen möglich) 9. 10. 11. 12. 13. 3 ich musste zur Toilette 4 ich hatte geträumt 5 sonstige: ______________________ Falls Sie in der Nacht aufgewacht sind, 1. Aufwachen: Dauer Minuten wie lange waren Sie wach? 2. Aufwachen: Dauer Minuten (Falls Sie keine genauen Angaben 3. Aufwachen: Dauer Minuten machen können, schätzen Sie bitte) 4. Aufwachen: Dauer Minuten Können Sie sich erinnern, ob Sie heute 1 nein, ich kann mich nicht erinnern Nacht geträumt haben? geträumt zu haben 2 ja, ich habe geträumt, kann mich aber nicht an den Trauminhalt erinnern 3 ja, ich habe geträumt und kann mich an den Trauminhalt erinnern Falls Sie sich an Ihre Träume 1 angenehme Gefühle erinnern können: welche Gefühle hatten 2 neutrale Gefühle Sie während des Träumens? 3 unangenehme Gefühle (Mehrfachnennungen möglich) Haben Sie in der letzten Nacht 1 nein geschwitzt? 2 leicht 3 stark Wann sind Sie heute Morgen Beispiel: aufgewacht? 0 6 1 5 Uhr Uhr Stunde 14. 15. 16. 17. 18. 19. Sind Sie heute Morgen geweckt worden (Radio-Wecker, Radio, Personen, etc.) oder wurden Sie von allein wach? Haben Sie heute Morgen Kopfschmerzen? Haben Sie gestern Abend nach dem Abendessen Alkohol (Bier, Wein, Schnaps) getrunken? Haben Sie gestern Abend ein Schlafmittel benutzt? Wenn ja, welches Präparat/ welche Präparate? War der gestrige Tag für Sie sehr anstrengend? Minuten Stunde Minuten 1 2 3 1 2 3 1 2 3 1 2 ich wurde von allein wach ich wurde aus dem Halbschlaf geweckt ich wurde aus dem Tiefschlaf geweckt nein leicht stark nein ja, über den Abend verteilt ja, unmittelbar vor dem Schlafengehen nein ja 1 2 3 nein ein wenig sehr 132 Anleitung: Auf dieser Seite finden Sie einige Wörter, mit denen Sie beschreiben können, wie Sie sich gestern Abend, vor dem Schlafengehen, fühlten, wie Sie heute Nacht geschlafen haben und wie Sie sich heute Morgen fühlen. Kreuzen Sie hinter jedem Wort an, in welchem Ausmaß es für Sie zutrifft! Bitte beantworten Sie zügig und lassen Sie keine Zeile aus! nicht wenig mittel ziemlich 4 4 4 4 4 4 4 sehr 20. Wie haben Sie in der vergangenen Nacht geschlafen? gleichmäßig tief unruhig entspannt ungestört gut ausgiebig 1 1 1 1 1 1 1 2 2 2 2 2 2 2 3 3 3 3 3 3 3 21. Wie fühlten Sie sich gestern vor dem Schlafengehen? sorglos erschöpft schlafbedürftig überfordert ausgeglichen ruhig müde entspannt 1 1 1 1 1 1 1 1 2 2 2 2 2 2 2 2 3 3 3 3 3 3 3 3 4 4 4 4 4 4 4 4 5 5 5 5 5 5 5 5 22. Wie fühlen Sie sich heute Morgen? ausgeglichen dösig tatkräftig munter frisch ausgeschlafen entspannt 1 1 1 1 1 1 1 2 2 2 2 2 2 2 3 3 3 3 3 3 3 4 4 4 4 4 4 4 5 5 5 5 5 5 5 Bitte prüfen Sie, ob Sie alle Feststellungen zutreffend beantwortet haben! 133 5 5 5 5 5 5 5 Abbildung 26. Epworth Sleepiness Scale (ESS). Fragebogen zur Tagesschläfrigkeit (Epworth Sleepiness Scale) Datum: ......................... Die folgende Frage bezieht sich auf Ihr normales Alltagsleben in der letzten Zeit: Für wie wahrscheinlich halten Sie es, daß Sie in einer der folgenden Situationen einnicken oder einschlafen würden, - sich also nicht nur müde fühlen? Auch wenn Sie in der letzten Zeit einige dieser Situationen nicht erlebt haben, versuchen Sie sich trotzdem vorzustellen, wie sich diese Situationen auf Sie ausgewirkt hätten. Benutzen Sie bitte die folgende Skala, um für jede Situation eine möglichst genaue Einschätzung vorzunehmen und kreuzen Sie die entsprechende Zahl an: 0 = würde niemals einnicken 1 = geringe Wahrscheinlichkeit einzunicken 2 = mittlere Wahrscheinlichkeit einzunicken 3 = hohe Wahrscheinlichkeit einzunicken Situation Wahrscheinlichkeit einzunicken Im Sitzen lesend bcde bcde bcde bcde bcde bcde bcde bcde Beim Fernsehen Wenn Sie passiv (als Zuhörer) in der Öffentlichkeit sitzen (z.B. im Theater oder bei einem Vortrag) Als Beifahrer im Auto während einer einstündigen Fahrt ohne Pause Wenn Sie sich am Nachmittag hingelegt haben, um auszuruhen Wenn Sie sitzen und sich mit jemand unterhalten Wenn Sie nach dem Mittagessen (ohne Alkohol) ruhig dasitzen Wenn Sie als Fahrer eines Autos verkehrsbedingt einige Minuten halten müssen Bitte nicht ausfüllen Summe 134 135