Aus der Abteilung für Allgemeine Chirurgie, Viszeral-, Thorax

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Aus der Abteilung für Allgemeine Chirurgie, Viszeral-, Thorax-, und Gefäßchirurgie
der Klinik und Poliklinik für Chirurgie,
(Direktor Univ.-Prof. Dr. med. C.-D. Heidecke)
der Universitätsmedizin der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald
Thema:
Parameter der Tumorprogression von humanen Pankreaskarzinomzellen unter
Katecholaminexposition in vitro und therapierbare Effekte von chronischem
Stress auf murine Pankreaskarzinome in vivo
Inaugural-Dissertation
zur
Erlangung des akademischen
Grades
Doktor der Medizin
(Dr. med.)
der
Universitätsmedizin
der
Ernst-Moritz-Arndt-Universität
Greifswald
2016
vorgelegt von: Speerforck, Sven
geb. am: 22.07.1984
in: Itzehoe
ii
Dekan:
1. Gutachter:
2. Gutachter:
Ort, Raum:
Tag der Disputation:
Prof. Dr. rer. nat. Max P. Baur
Prof. Dr. med. Wolfram v. Bernstorff
Prof. Dr. med. Holger Scholz
Greifswald, Universitätsmedizin, Raum O 0.65 /O 0.66
08.08.2016
iii
1 EINLEITUNG
1
1.1 PANKREASKARZINOM
1
1.1.1 EPIDEMIOLOGIE UND INZIDENZ
1
1.1.1.1 Kennzahlen und Bedeutung
1
1.1.1.2 Risikofaktoren
2
1.1.2 TUMORBIOLOGIE
2
1.1.2.1 Die Familie der Matrix-Metalloproteinasen
4
1.1.2.1.1 Matrix-Metalloproteinase-2 (Gelatinase A)
5
1.1.2.1.2 Matrix-Metalloproteinase-9 (Gelatinase B)
6
1.1.2.1.3 Matrix-Metalloproteinase-2 und -9 im Pankreaskarzinom
7
1.1.3 KLINIK
9
1.1.4 DIAGNOSTIK UND STAGING
10
1.1.5 THERAPIE
11
1.1.6 PROGNOSE
12
1.1.7 MAUSMODELLE
13
1.2 STRESS
14
1.2.1 SYMPATHISCH ADRENAL-MEDULLÄRE ACHSE (SAM)
15
1.2.1.1 Struktur und Wirkungen der SAM-Achse
15
1.2.1.2 Transmitter und Rezeptoren
16
1.2.2 STRESS UND NEOPLASIE
19
1.2.2.1 Klinik – Beeinflussen psychologische Faktoren die Entstehung oder Progression
einer Tumorerkrankung?
19
1.2.2.2 Neuroendokrinologische Modulation der Karzinomprogression
20
2 ZIELSTELLUNG DER ARBEIT
26
3 MATERIAL UND METHODEN
27
3.1 IN-VITRO-UNTERSUCHUNGEN
27
3.1.1 ZELLKULTUR
27
3.1.2 GELATINASE-ASSAY
28
3.1.2.1 Testprinzip
28
3.1.2.2 Etablierung der Methode
28
3.1.2.3 Material und Methode
30
iv
3.1.3 MATRIX-METALLOPROTEINASE-2 ELISA
32
3.1.3.1 Testprinzip
32
3.1.3.2 Material und Methode
32
3.1.4 MATRIX-METALLOPROTEINASE-9 ELISA
33
3.1.4.1 Testprinzip
33
3.1.4.2 Material und Methode
34
3.1.5 MIGRATIONS-ASSAY
35
3.1.5.1 Testprinzip
35
3.1.5.2 Material und Methode
36
3.1.6 INVASIONS-ASSAY
38
3.1.6.1 Testprinzip
38
3.1.6.2 Material und Methode
39
3.1.6.2.1 Invasion
39
3.1.6.2.2 Zellquantifizierung
40
3.1.7 BROMDESOXYURIDIN (BRDU)-ASSAY
41
3.1.7.1 Testprinzip
41
3.1.7.2 Material und Methode
42
3.2 IN-VIVO-UNTERSUCHUNGEN
44
3.2.1 GRUNDLAGEN
44
3.2.2 TUMORIMPLANTATION
45
3.2.2.1 Narkose
45
3.2.2.2 Implantationsprotokoll
46
3.2.2.2.1 Vorbereitung der tumorinduzierenden Injektionslösung
46
3.2.2.2.2 Laparotomie und Injektion
46
3.2.3 STRESSMODEL
47
3.2.3.1 Methode und Art des Stressors
47
3.2.3.2 Stressquantifizierung
48
3.2.4 AUSWERTUNG
49
3.2.4.1 Magnetresonanztomographie (MRT)
49
3.2.4.1.1 Untersuchungsprotokoll
49
3.2.4.1.2 Bildauswertung und Volumetrie
50
3.2.4.2 Exploration
52
3.2.5 EXPERIMENTELLER AUFBAU DER TIERVERSUCHE
54
3.2.5.1 Überlebensanalyse
54
3.2.5.2 Tumorprogression im MRT
55
3.2.5.3 Überlebensanalyse mit Propranololtherapie
55
3.2.5.4 Tumorprogression im MRT mit Propranololtherapie
56
v
3.2.6 MATRIX-METALLOPROTEINASE-9 ELISA EX-VIVO PROBEN
56
3.2.6.1 Probengewinnung und Aufbereitung
56
3.2.6.2 Material und Methode
57
3.3 STATISTIK
58
4 ERGEBNISSE
59
4.1 IN-VITRO-UNTERSUCHUNGEN
59
4.1.1 GELATINASE-ASSAY
59
4.1.2 MATRIX-METALLOPROTEINASE-2 ELISA
61
4.1.3 MATRIX-METALLOPROTEINASE-9 ELISA
62
4.1.4 MIGRATIONS-ASSAY
63
4.1.5 INVASIONS-ASSAY
67
4.1.6 BROMDESOXYURIDIN (BRDU)-ASSAY
67
4.2 IN-VIVO-UNTERSUCHUNGEN
69
4.2.1 STRESSVALIDATION
69
4.2.2 ÜBERLEBENSANALYSE
72
4.2.3 TUMORPROGRESSION IM MRT
74
4.2.4 MATRIX-METALLOPROTEINASE-9 ELISA EX-VIVO PROBEN
76
4.2.5 THERAPIE MIT PROPRANOLOL
76
4.2.5.1 Überlebensanalyse mit Propranololtherapie
77
4.2.5.2 Tumorprogression im MRT mit Propranololtherapie
78
5 DISKUSSION
79
5.1 IN VITRO
79
5.2 IN VIVO
82
6 ZUSAMMENFASSUNG
87
7 LITERATURVERZEICHNIS
88
8 ANHANG
105
vi
Verzeichnis der verwendeten Abkürzungen
Ø
Σ
Χ
©
AUC
BrdU
BSA
CIT
CREB
DNA
ECM
ELISA
EMT
FA
FBS
FGF
FoV
HBSS
HNPCC
HPLC
i.p.
ISO
KI
MAC
MAPK
MIPAV
MMP
MO
MPO
MRT
NE
NIH
NN
o.g.
OR
PBS
PDGF
PI
PNS
POD
RNA
ROI
RT
s.c.
SAM
SD
SEM
SNS
SSS
TE
Durchmesser
Standardabweichung einer Zufallsvariablen (Sigma)
Wahrscheinlichkeitsverteilung (Chi)
Patentrechtlich geschützter Markenname
Area Under the Curve
5-Brom-2'-desoxyuridin
Bovines Serumalbumin
Center for Information Technology
cAMP response element-binding protein
Deoxyribonucleic acid
Extracellular-Matrix
Enzyme-linked immunosorbent assay
Epitheliale mesenchymale Transition
Flip-Angle
Fetales bovines Serum
Fibroblast Growth Factor
Field of View
Hank’s Balanced Salt Solution
Hereditäres non-polypöses kolorektales Karzinom
High Performance Liquid Chromatography
Intraperitoneal
Isoproterenol
Konfidenz-Intervall
Minimale Alveoläre Konzentration von Inhalationsanästhetika
Mitogen-Activated Protein Kinase
Medical Image Processing and Visualization
Matrix-Metalloproteinase
Monate
Meerrettichperoxidase
Magnetresonanztomografie
Norepinephrin (Noradrenalin)
National Institutes of Health
Nebenniere
Oben genannt
Odds Ratio
Phosphat Buffered Saline
Platelet derived Growth Factor
Propidiumiodid
Parasympathisches Nervensystem
Peroxidase
Ribonucleic acid
Region of Interest
Raumtemperatur
Subkutan
Sympathisch adrenal-medulläre Achse
Schichtdicke
Standard error of the mean / Standardfehler des Mittelwerts
Sympathisches Nervensystem
Stress Severity Score
Time of Echo
vii
TGF
TR
TV
Transforming Growth Factor
Time of Relaxation
Tumorvolumen
1
1 Einleitung
1.1 Pankreaskarzinom
Das duktale Adenokarzinom ist der mit Abstand häufigste Tumor des Pankreas (90
% aller Pankreastumoren). Weiterhin kommen das benigne mikrozysistische Adenom
(1 %), das potentiell maligne muzinöse Zystadenom (2 %) und das maligne
Azinuszellkarzinom (1 %) regelmäßig vor [1].
Während es bei dem duktalen Adenokarzinom des Pankreas in den letzten Jahren
einige Fortschritte im Verständnis der Molekularbiologie, im Tumor-Staging und in
der Therapie früher Tumorstadien zu verzeichnen gab, bleibt der Fortschritt auf den
Gebieten der Prävention, der Früherkennung und der Therapie fortgeschrittener
Tumorerkrankungen minimal.
Das duktale Pankreaskarzinom ist nach wie vor eine der tödlichsten humanen
Tumorentitäten
und
stellt
den
Arzt
weiterhin
vor
große
interdisziplinäre
Herausforderungen.
1.1.1 Epidemiologie und Inzidenz
1.1.1.1 Kennzahlen und Bedeutung
In
Deutschland
erkrankten
2010
16.080
Menschen
an
einem
Bauchspeicheldrüsenkarzinom (8.020 Männer und 8.060 Frauen), während 15.487
Menschen an den Folgen der Tumorerkrankung starben (7.537 Männer, 7.950
Frauen). Obwohl das Pankreaskarzinom 2010 lediglich 3,2 % (Männer) bzw. 3,6 %
(Frauen) aller Krebserkrankungen in Deutschland abbildete, war es für 6,4 %
(Männer) bzw. 7,9 % (Frauen) aller krebsbedingten Todesfälle verantwortlich und ist
damit die viert häufigste Krebstodesursache beider Geschlechter. Das mittlere
Erkrankungsalter der Männer lag bei 71 Jahren, das der Frauen bei etwa 75. Das
Lebenszeitrisiko der Tumorerkrankung liegt für beide Geschlechter bei etwa 1,6 %.
Die altersstandardisierten Erkrankungs- und Sterberaten sind für Männer und Frauen
etwa gleich hoch (1.1.6). Während diese Raten für Männer seit den 1980er Jahren in
etwa konstant blieben, stieg bei dem weiblichen Geschlecht sowohl die
Neuerkrankungs- als auch die Sterberate leicht an.
Deutschland-Kennzahlen nach Robert-Koch-Institut, Berlin [2].
Einleitung
2
1.1.1.2 Risikofaktoren
Trotz bedeutender Erkenntnisgewinne in der Karzinogenese [3, 4], bleibt die
endgültige Ätiologie dieser speziellen Tumorerkrankung schwer zu fassen.
Die bedeutendsten gesicherten Risikofaktoren stellen ein hohes Lebensalter,
Geschlecht (Männer > Frauen) und das Rauchen dar [5]. Raucher haben
Metaanalysen zufolge ein um 75 % erhöhtes Risiko gegenüber Nichtrauchern, an
einem Pankreaskarzinom zu erkranken (OR 1,74 (0,95 KI 1,61 -1,87)). Erst nach 10
Jahren Rauchabstinenz wird das Risikoniveau eines Nichtrauchers erreicht [6]. Das
Rauchen ist der einzige Risikofaktor mit entsprechender Evidenz kausaler
Zusammenhänge. Das Karzinomrisiko steigt mit der Rauchdosis und verlängerter
Exposition [7]. Während das Risiko für Zigarrenkonsumenten ebenfalls erhöht
scheint (OR 1,6 (0,95 KI 1,2 -2,3)), haben Pfeifen- und Schnupftabakkonsumenten
kein erhöhtes Risiko [8]. Alkoholkonsum wurde als tumorfördernd lange kontrovers
diskutiert, inzwischen gilt der Einfluss als wahrscheinlich [9]. Weitere Risikofaktoren
sind Adipositas, Diabetes Mellitus Typ 2 und die chronische Pankreatitis [5, 10]. Auch
genetische Faktoren spielen eine wichtige Rolle. Das hereditäre Pankreaskarzinom
ist vermutlich für etwa 2 – 3 % der Neuerkrankungen verantwortlich [11]. Eine
positive Familienanamnese führt in etwa zu einer Verdopplung des Risikos und
prädiziert 5 – 10 % der Pankreaskarzinominzidenz. Auch seltenere Syndrome wie die
hereditäre Pankreatitis, das HNPCC, die Ataxia teleangiectatica, das Peutz-Jeghers
Syndrom und der familiäre Brustkrebs beeinflussen das Risiko der Tumorerkrankung
[12–14]. In jüngerer Vergangenheit wurde über ein erhöhtes Karzinomrisiko der
Blutgruppen A, B oder AB verglichen mit der Blutgruppe 0 berichtet [15].
1.1.2 Tumorbiologie
Da bei einer zukunftsweisenden effizienten Bekämpfung der bösartigen Tumoren der
Bauchspeicheldrüse der fundamentalen Kenntnis der sehr komplexen und teilweise
noch unbekannten Tumorbiologie eine entscheidende Rolle zukommt, sollen einige
der wesentlichen Zusammenhänge im Folgenden kurz geschildert werden.
Wie viele andere Krebsentitäten resultiert das duktale Pankreaskarzinom regelmäßig
aus einer Akkumulation verschiedener Mutationen. Als Korrelat dieser über einen
definierten
Zeitraum
akquirierten
Mutationen
von
Onkogenen
und
Tumorsuppressorgenen wurde ein Modell der Karzinogenese von einem normal
Einleitung
3
differenzierten duktalen Drüsenepithel, über intraepitheliale Neoplasien bis hin zum
invasiven Karzinom entwickelt (Abb. 1).
Abb. 1, Karzinogenese des duktalen Pankreaskarzinoms aus [3].
Normales
duktales
Vorläuferstadien
Drüsenepithel
(PanINs)
bis
entartet
zum
über
invasiven
eine
Serie
Karzinom
histologisch
(links
nach
definierter
rechts).
Die
Überexpression von Her-2/neu und die Punktmutationen im K-ras Gen treten relativ früh, die
Inaktivierung des p16 Gens in einem intermediären Stadium und die Inaktivierung von p53,
DPC4 und BRCA2 relativ spät auf [3].
Bekannte Mutationen bieten vielversprechende Ansatzpunkte für das Verständnis
molekularer Zusammenhänge und künftige Therapieoptionen. So lässt sich
beispielsweise in rund 85 % aller duktalen Pankreaskarzinome eine aktivierende
Punktmutation des K-ras Gens und in 95 % aller Karzinome eine inaktivierende,
relativ spät auftretende Mutation des p16 Tumorsuppressor Gens finden [16–18]. Der
gesamte genetische Hintergrund des Pankreaskarzinoms scheint jedoch sehr
heterogen zu sein und individuelle Therapieoptionen erforderlich zu machen [19].
Im Gegensatz zu einem gut charakterisierten genetischen Hintergrund der
Neoplasie, bleiben wesentliche molekulare Mechanismen weiter unvollständig
verstanden. Diese bedingen die besonders aggressive Natur der Tumorprogression.
Unter den extrem vielfältigen molekularen Komponenten der Tumorprogression [20]
fanden unlängst vor allem die Pankreaskarzinomstammzellen (1) und die dichte
Stromaformation während der sog. Desmoplastischen Reaktion (2) Beachtung:
(1) Die 2007 identifizierte Population der Pankreaskarzinomstammzellen (CD 24+,
CD 44+, CD 133+) repräsentiert 1 – 5 % aller Tumorzellen. Sie ist durch
Einleitung
4
uneingeschränkte
Selbsterneuerung
sowie
die
Möglichkeit
erhöhter
Differenzierung (asymmetrische Teilung) und eine Resistenz gegenüber Radiound Chemotherapie gekennzeichnet [21, 22].
(2) Nach der Sekretion von Zytokinen wie TGFβ1, PDGF und FGF kommt es
unter der Tumorprogression zu der sog. Desmoplastischen Reaktion, einem
äußerst komplexen Zusammenspiel zwischen Tumorzellen und Tumorstroma aus
Extrazellulärer Matrix (Kollagen I /
III, Laminin,
Fibronectin
etc.) und
pankreatischen Sternzellen (PSC), Fibroblasten, Endothelzellen, immunreaktiven
Zellen und Adipozyten [23–25]. Dieses Stroma-Mikromilieu ist also keinesfalls nur
als mechanische Barriere zu begreifen, sondern stellt vielmehr ein dynamisches
Kompartiment dar, welches für Tumorformation und –progression, Invasion und
Metastasierung von geradezu herausragender Bedeutung ist [24]. In diesem
Mikromilieu der ständigen stromalen Reorganisation ist die Expression sog.
Matrix-Metalloproteinasen von entscheidender Bedeutung [26–28].
1.1.2.1 Die Familie der Matrix-Metalloproteinasen
Neben den Serinproteasen (beispielsweise Plasminogenaktivatoren, Plasmin,
Cathepsin G, Leukozytenelastase) und den für Metastasierungsprozesse wichtigen
Cysteinproteinasen (Cathepsin B, Cathepsin L) stellen die Matrix-Metalloproteinasen
(MMP) die dritte Hauptklasse der ECM-abbauenden Proteasen dar [29].
Die Familie der Matrix-Metalloproteinasen besteht aus 23 bekannten humanexprimierten
strukturell
verwandten
Enzymen.
Sie
wurden
1962
erstmals
beschrieben [30] und gehören zur Familie der Zink-abhängigen Endopeptidasen.
Matrix-Metalloproteinasen spielen eine wesentliche Rolle in einer Vielzahl von
physiologischen und pathologischen Prozessen wie z.B. Gewebestrukturierung,
Embryogenese und Organentwicklung [31], Entzündungsprozessen und erworbener
Immunität [32], Arthritis und kardiovaskulären Erkrankungen [33, 34] sowie
Malignomen [35].
Der generelle strukturelle Aufbau der Mehrzahl der Enzyme dieser Familie enthält im
Wesentlichen 4 Domänen [35]. Alle MMPs haben eine Signalpeptidsequenz, die bei
Eintritt des Translationsproduktes in das endoplasmatische Retikulum verloren geht
und eine Prodomäne, die über Interaktion einer Thiolgruppe die katalytische Domäne
(Zn2+) inhibieren kann und nach Aktivierung ebenfalls verloren geht. Diese
Aktivierung des Zymogens erfolgt meist intrazellulär durch Furin-ähnliche Proteasen
Einleitung
5
oder extrazellulär durch andere MMPs (-1, -2, -3, -7) oder Serinproteasen wie
Plasmin [36]. Zusätzlich zu den erwähnten Domänen besitzt die Mehrzahl der
Enzyme eine C-terminale Domäne (hemopexin-like region), die über eine
Gelenkregion
mit
dem
katalytischen
Zentrum
verbunden
ist
und
für
die
Komplexbildung der Zymogene mit dem spezifischen Inhibitor zuständig ist. Aufgrund
der destruktiven MMP-Eigenschaften ist leicht zu verstehen, dass die Physiologie
eine Reihe unspezifischer Proteinase-Inhibitoren (α2-Makroglobulin, α1- ProteinaseInhibitor, α1-Chymotrypsin) und spezifischer MMP-Inhibitoren (Tissue Inhibitors of
Metalloproteinases (TIMP) 1-4) bereithält [35]. So ist die finale MMP-Aktivität als
Summe
eines
komplexen
Regelkreises
aus
Gen-Expression,
zellinterner
Kompartimentierung, Zymogenaktivierung und der Interaktion mit Inhibitoren zu
interpretieren. Die Enzyme lassen sich prinzipiell in sekretierte (MMP-1, -2, -3 -7, -8, 9, -10, -11, -12, -13, -19, -20, -21, -22, -27, -28) und membranständige (MMP-14, 15, -16, -17, -23, -24, -25) Proteine unterteilen [35].
Matrix-Metalloproteinasen
degradieren
nicht
nur
Extrazellulär-Matrix
bei
Tumorprogression und Metastasierung [37], sondern nehmen auch entscheidenden
Einfluss auf die Zellbiologie körpereigener und maligner Zellen durch Beeinflussung
verschiedener Signaltransduktionswege [35]:
Im Tumormilieu erleichtern sie beispielsweise die Invasion [37] und die Formation
sog. metastatischer Nischen. Hier herrscht ein komplexes Zusammenspiel mit
inflammatorischen
und
hämatopoetischen
Progenitorzellen
[38].
Weiterhin
orchestrieren sie die tumorbedingte Inflammation (proteolytische Zytokinalteration;
[32]) und regulieren Apoptose und Proliferation (Aktivierung v. TGF-β / Proteolyse
von FASL; [39–41]. Auch sind sie elementare Voraussetzung einer suffizienten
Neoangiogenese (Bioverfügbarkeit von VEGF; [42, 43]) und können sogar durch
lokale Überexpression von MMP-3, -7 und -14 genetische Instabilität und
Tumorformation bedingen [44].
Die MMP-2 und MMP-9 haben zusätzlich zu den o.g. Domänen eine weitere Gelatinbindende Domäne und spielen daher eine besondere Rolle. Sie sollen im Folgenden
genauer erläutert werden.
1.1.2.1.1 Matrix-Metalloproteinase-2 (Gelatinase A)
Die humane MMP-2 wird als 72 kDa schweres Zymogen mit o.g. Peptidstruktur
(1.1.2.1) sezerniert. Sie kann Kollagen IV spalten und scheint eine entscheidende
Einleitung
6
Rolle bei Invasion und Metastasierung durch die Basalmembran zu spielen. Die
spezifische Inhibition des Zymogens kann nur durch Komplexbildung mit TIMP-2
erfolgen. Die aktivierte Form kann über eine nicht-kovalente Bindung an das
katalytische Zentrum im stöchiometrischen Verhältnis von 1:1 von TIMP-1, TIMP-2
und TIMP-3 inhibiert werden [45]. Die MMP-2 ist oftmals im tumorumgebenden
Stroma der invasiven Front überexprimiert und häufig mit Bindegewebszellen wie
Fibroblasten oder Sternzellen, als auch mit Neutrophilen, Makrophagen oder
Monozyten assoziiert [46, 47]. So ist die Bindung von Integrinen durch die
Hemopexin-Domäne
der
MMP-2
eine
essentielle
Voraussetzung
der
mesenchymalen Zellinvasion [48]. Eine Überexpression fand sich in einer Vielzahl
menschlicher Karzinome beispielsweise beim Pankreaskarzinom (1.1.2.1.3), beim
Kolonkarzinom [49], beim Magenkarzinom [50], beim Blasenkarzinom [51], beim
Prostatakarzinom [52], beim Schilddrüsenkarzinom [53], beim Mammakarzinom [55]
und beim ovariellen Karzinom [47]. Auch in jüngerer Zeit wurde in einigen Studien
eine Korrelation von TNM-Stadien und Metastasierungspotential verschiedener
Tumorentitäten mit der MMP-2 Expression nachgewiesen [52, 55, 56].
1.1.2.1.2 Matrix-Metalloproteinase-9 (Gelatinase B)
Hinsichtlich ihrer Regulation und Struktur ist die 92 kDa schwere MMP-9 das
komplexeste Mitglied der Familie der Matrix-Metalloproteinasen. Sie wurde erstmals
vor fast 25 Jahren im Sekret von Alveolarmakrophagen nachgewiesen [57]. Sie ist,
wie die MMP-2, eine Typ IV-Kollagenase und wird in ähnlicher Weise durch den
spezifischen Inhibitor TIMP-2 gehemmt. Sie spielt ebenfalls eine entscheidende Rolle
während der Tumorprogression [58]. Ihre Expressionslokation ist nicht so stark
stromaler Natur (vgl. MMP-2) und variiert je nach Tumorentität (vgl. 1.1.2.1.3). Sie
findet sich häufig am tumor-stromalen Übergang der invasiven Front und ist
regelmäßig mit inflammatorischen Zellen assoziiert [59]. Die MMP-9 Expression
nimmt mit dem Abstand von Tumorzellen ab [51].
Die komplexe Rolle der MMP-9 in der Tumorprogression ist durch eine Vielzahl
tumorbiologischer Mechanismen bedingt, von denen einige im Folgenden kurz
erläutert werden sollen:
In Neoplasien kann das Oberflächenprotein CD44 als eine Art Andock-Molekül für
die MMP-9 fungieren und so proteolytische Aktivität an die Zellmembran binden.
Dieser CD44/Gelatinase B Komplex ist mit Invasion und Angiogenese in vivo
Einleitung
7
verknüpft [60]. Auch das an mutierten Zellen tumorfördernd wirkende TGF-β wird
durch den o.g. Komplex bioaktiviert [40]. Durch die MMP-9 induzierte Proteolyse
seines in der Extrazellulärmatrix gebundenen Bindeproteins (LTBP-1) wird die
Bioaktivität von TGF-ß zusätzlich gesteigert [61]. Auch während der Angiogenese
kommt der MMP-9 durch die Steigerung der Bioverfügbarkeit von VEGF (Angiogener
Switch; [42]) und als elementarer Schritt der Vaskulogenese in vivo [62] eine
herausragende
Bedeutung
proteolytischer
Aktivität
zu.
des
Dufour et
katalytischen
al. berichteten sogar
Zentrums
gänzlich
eine
von
unabhängige
Migrationserleichterung epithelialer Zellen durch die Hemopexin-ähnliche Domäne
des Proteins [63].
Eine zur MMP-2 vergleichbare Überexpression fand sich ebenfalls in einer Vielzahl
von humanen Karzinomen wie zum Beispiel im Pankreaskarzinom (1.1.2.1.3), im
Magenkarzinom [56], im Blasenkarzinom [51], im Schilddrüsenkarzinom [53], im
Prostatakarzinom [64, 65], im ovariellen Karzinom [47], im Brustkarzinom [55] und im
Kolonkarzinom [66]. Unter anderem wurden für das Neuroblastom [67, 68], das
Blasenkarzinom [51], das Schilddrüsenkarzinom [69] und das Prostatakarzinom [65]
signifikante Korrelationen des MMP-9 Expressionsniveaus mit Tumorprogression und
Metastasierungsverhalten
gefunden.
Unlängst
fand
die
MMP-9
zunehmend
Bedeutung als Markerprotein verschiedener Pathologien. Jüngst ließ sich so
beispielsweise ein signifikant erhöhter Serumspiegel in Patienten mit einem
Pankreaskarzinom (1.1.2.1.3), mit einem Kolonkarzinom [70], mit systemischer
Sklerose [71] und mit einem Plattenepithelkarzinom des Ösophagus [72] feststellen.
Auch das Magenkarzinom kann zu einer signifikanten Differenz der Plasmaspiegel
führen [73]. Provatopoulou et al. konnten sogar eine signifikante Korrelation der
plasmatischen MMP-9 Konzentration mit der Aggressivität eines Mammakarzinoms
feststellen [74]. Offersen et al. beobachteten eine signifikante Korrelation der MMP-9
Konzentration im Urin mit reduzierter Prognose des Blasenkarzinoms [75].
1.1.2.1.3 Matrix-Metalloproteinase-2 und -9 im Pankreaskarzinom
Aufgrund der Entität-immanenten Metastasierung mit vaskulärer und perineuraler
Invasion durch die Basalmembran und der desmoplastischen Reaktion spielen die
MMP-2 und -9 beim Pankreaskarzinom eine entscheidende Rolle.
Einleitung
8
Eine Überexpression beider Proteasen wurden u.a. mittels In-situ-Hybridisation und
Zymografie in humanen Pankreaskarzinomen nachgewiesen [76, 77]. Obwohl
zunächst eine Tumorspezifität der MMP-2 [77] vermutet wurde, konnte eine
Expression auch in der chronischen Pankreatitis (64,3 %) und in physiologischem
Gewebe (30,8 %) nachgewiesen werden [76, 78]. In jedem Fall ist sie
tumorcharakterisierender als die MMP-9 und für die desmoplastische Reaktion von
größter Bedeutung.
Das MMP-2-Expressionsniveau wies weiterhin eine negative Korrelation mit dem
Differenzierungsgrad [79] und eine positive Korrelation mit stromalen Bereichen der
desmoplastischen Reaktion auf, während die MMP-9 eher eine Kolokalisation mit
Tumorzellen aufwies [76]. Die venöse Infiltration als Grundlage hepatischer
Metastasierung korreliert im Pankreaskarzinom mit einer lokalen Überexpression von
MMP-2 und -9 [80] und in Nacktmäusen konnte ein signifikanter Einfluss der MMP-2
und
-9
Expression
auf
das
hepatische
Metastasierungsverhalten
von
Pankreaskarzinomzellen beobachtet werden [81].
Die MMP-2-Expression humaner Karzinomzelllinien kann durch TGF-β stimuliert
werden [82, 83] und korreliert mit dem Invasionspotential [28]. Auch die
strahleninduzierte Invasionssteigerung humaner Pankreaskarzinomzelllinien scheint
MMP-2 vermittelt zu sein [84, 85]. Die MMP-2 ist also für die aggressive und
prognostisch ungünstige Natur der desmoplastischen Reaktion des humanen
Pankreaskarzinoms in hohem Maße mitverantwortlich.
Die Bedeutung der MMP-9 für den in Pankreasinseln beobachteten angiogenen
Switch [42] wird durch eine transgen forcierte MMP-9-Expression mit konsequenter
Vaskulogenese in murinen Pankreaskarzinomzellen unterstrichen [86]. Für diesen
angiogenen Switch im Pankreaskarzinom postulierten Bausch et al. sogar eine
VEGF unabhängige und fast gleichrangige Bedeutung der MMP-9 aus neutrophilen
Granulozyten [87]. Auch für eine gesteigerte Invasionsfähigkeit nach Aktivierung
eines EMT-induzierenden Transkriptionsfaktors in humanen Pankreaskarzinomzellen
wurde als hauptsächlicher Mechanismus die vermehrte Expression der MMP-9
verantwortlich gemacht [88]. Eine Inhibition des Hedgehog-Signalweges hat in
Pankreaskarzinomzelllinien eine Reduktion der MMP-9 abhängigen Invasion zur
Folge [89]. Weiterhin wurde eine Studie mit signifikanter Korrelation von
immunhistochemisch
determinierter
MMP-9
Expression
humaner
Pankreaskarzinome (N = 36) mit Lymphknotenbeteiligung und dem Auftreten von
Einleitung
9
Fernmetastasen publiziert [90]. Die MMP-9 ist also in vielfältige, komplexe und
oftmals direkt Tumorzell-assoziierte Mechanismen eingebunden und für die
Tumorprogression von entscheidender Bedeutung.
Die Idee der Matrix-Metalloproteinasen als Tumormarker zur Verbesserung der
äußerst problematischen Früherkennung (vgl. 1.1.4) liegt auf der Hand. So sind die
Matrix-Metalloproteinasen-2 (91,6 % aller Karzinome) und -9 (82,4 % aller
Karzinome) im Pankreassekret signifikant überexprimiert [91, 92]. Signifikante
Konzentrationsunterschiede von MMP-9 im Serum wurden 2002 erstmals in
pankreaskarzinomtragenden Hamstern beobachtet [93]. Nachdem Studien über
signifikante
Serumkonzentrationen
von
MMP-9
und
TIMP-1
bei
humaner
Pankreaskarzinomdetektion und Prognosekorrelation [92, 94] veröffentlicht wurden,
zeigte ein Vergleich von Sensitivität, Spezifität und AUC keine Überlegenheit zu
CA19-9 [95].
Aufgrund ihrer herausragenden Bedeutung erscheint eine therapeutische Inhibition
der MMPs bei gegebener therapeutischer Frustration bei der Behandlung eines
fortgeschrittenen Krankheitsstadiums (vgl. 1.1.5) verlockend. Bis zum heutigen
Zeitpunkt wurden Studien mit Batimastat (BB-94), Marimastat (British Biotech,
Oxford, England), AG3340 (Agouron, New York, USA) und BAY 12-9566 (Bayer,
Leverkusen, Deutschland) durchgeführt. Während Phase-II-Studien einen moderaten
Überlebensvorteil (CA19-9-Selektion des Patientenkollektivs) zeigten [96, 97],
musste eine große Phase-III-Studie (BAY 12-9566) aufgrund eines dramatisch
verschlechterten Gesamtüberlebens (3,74 mo vs. 6,59 mo) unter additionaler
Therapie mit MMP-Inhibitoren abgebrochen werden [98]. Es wurde angemerkt, dass
die Behandlung eines derart fortgeschrittenen Krankheitsstadiums mit MMPInhibitoren nur bedingt möglich sei [99]. Neue Inhibitoren befinden sich in der
Entwicklung [100].
1.1.3 Klinik
Die
Patienten
stellen
sich
je
nach
Tumorstadium
und
Lokalisation
des
Pankreaskarzinoms mit unterschiedlicher und meist unspezifischer Symptomatik vor.
65% der bösartigen Geschwulste manifestieren sich im Pankreaskopf (Abb. 2) und
führen regelmäßig zu einem hochverdächtigem schmerzlosen Obstruktionsikterus
[101].
Ausstrahlende
Rückenschmerzen
können
als
Indikatoren
einer
retroperitonealen Infiltration gewertet werden. Tumormanifestationen im Corpus-
Einleitung
10
oder Caudabereich werden oft erst sehr spät durch unspezifische persistierende
Schmerzen des Abdomens oder Rückens symptomatisch. In seltenen Fällen können
Pankreastumoren auch eine duodenale Obstruktion oder einen gastrointestinalen
Blutabgang bedingen. Zudem sollte bei Erstmanifestation einer akuten Pankreatitis
(in Folge des Obstruktionsikterus) oder eines Diabetes mellitus ein kausales
Tumorgeschehen
abgeklärt
werden.
Systemische
Manifestationen
wie
Appetitlosigkeit, Asthenie und ein signifikanter Gewichtsverlust begleiten die
Tumorprogression regelmäßig.
Abb. 2, duktales Adenokarzinom des Pankreaskopfes.
A: Operationspräparat eines Pankreaskopfkarzinoms (weißer Pfeil) [10].
B: Pankreaskopfkarzinom (weißer Pfeil) in einer koronaren Sequenz mittels Computertomografie.
Der Tumor ummauert die Portalvene und repräsentiert ein weit fortgeschrittenes Tumorstadium
[101].
1.1.4 Diagnostik und Staging
Entscheidendes Instrument der Verdachtsdiagnose Pankreaskarzinom ist zunächst
die anamnestische Evaluation der in 1.1.3 genannten Symptome, da der körperliche
Untersuchungsbefund (evtl. Ikterus, periphere Lymphadenopathie, Hepatomegalie
oder Aszites) und das Routinelabor zunächst oft unauffällig sind. Nach Bestimmung
gastroenterologischer Laborparameter (Amylase, Lipase, alkalische Phosphatase, γGT, Bilirubin, Transaminasen, HB, CA 19-9) kann eine orientierende Sonografie des
Abdomens erfolgen (Metastasierung, Aszites) [10]. Es ist zu beachten, dass die
Bestimmung des unspezifischen Tumormarkers Carbohydrat-Antigens 19-9 lediglich
zur Verlaufsdokumentation, jedoch keinesfalls für ein Screening geeignet ist [20]. Die
erste Methode der Wahl für Diagnose, Tumorstaging und initiale Evaluation der
Resektabilität
stellen
schnittbildgebende
Untersuchungen
wie
die
Einleitung
11
Computertomografie dar [102]. Die Kontrastmittel-CT erlaubt bereits eine valide
Prädiktion der operativen Resektabilität in 80 - 90 % der Fälle [103]. Erscheint der
Pankreastumor in der Schnittbildgebung resektabel, ist keine histologische Abklärung
vor OP erforderlich. Bei zweifelhaften Befunden stellen die Endosonografie, die
retrograde
Cholangiopankreatikografie
Magnetresonanzcholangiopankreatografie
(ERCP)
(MRCP)
auch
oder
aufgrund
die
immanenter
Möglichkeiten zur Probenentnahme und Palliation (Stent) hervorragende Alternativen
dar. Die gleichzeitige Stenose des Ductus Pancreaticus und des Ductus
Choledochus („Double-duct-sign“) gilt bei ERCP und MRCP als pathognomisch für
das Vorliegen eines Pankreaskarzinoms.
Tumorcharakteristik
Stadium
Medianes
Überleben (mo)
Tumor auf Pankreas beschränkt, ≤ 2 cm in größter Dimension
IA
24,1
Tumor auf Pankreas beschränkt, ≥ 2 cm in größter Dimension
IB
20,6
Tumor nicht mehr auf Pankreas beschränkt aber erreicht nicht Truncus
IIA
15,4
Metastasierung in regionale Lymphknoten
IIB
12,7
Tumor erreicht Truncus coeliacus oder A. mesenterica superior
III
10,6
Fernmetastasen
IV
4,5
coeliacus oder A. mesenterica superior
Tabelle
1,
Staging
des
Pankreaskarzinoms
mit
korrelierendem
medianem
Überleben. Modifiziert nach [20].
1.1.5 Therapie
Die Therapie des Pankreaskarzinoms sollte multidisziplinär in Schwerpunktzentren
erfolgen, vor Allem aufgrund der deutlich reduzierten perioperativen Sterblichkeit
[104]. Eine Behandlung in Studien ist wünschenswert. Bei Patienten mit lokal kurabel
resezierbarem Tumorstadium bleibt die Operation Methode der Wahl [105]. Die
Tumorresektion
kann
je
nach
Tumorlokalisation
als
partielle
Pankreatikoduodenektomie, Pankreaslinksresektion, Pankreaskorpusresektion oder
totale Pankreatektomie erfolgen. Hierbei ist auch aus Gründen pathologischer
Beurteilbarkeit auf die minimale Entfernung von 12 – 15 Lymphknoten und tumorfreie
Resektionsränder zu achten. Nach Resektion sollte eine adjuvante Chemotherapie
mit Gemcitabin allein oder mit Gemcitabin in Kombination mit Fluoruracil-basierter
Einleitung
12
Radiochemotherapie erfolgen. Vielversprechende neoadjuvante Therapiekonzepte
werden evaluiert [20, 106].
Die Therapie der lokal fortgeschrittenen Tumorerkrankung (Stadium III, IV) ist nach
derzeitigem
Wissenstand
palliativer
Natur.
Es
zeigte
sich
eine
Prognoseverbesserung unter Radiochemotherapie mit Gemcitabin [107]. Die
Mehrheit der Patienten mit einem Pankreaskarzinom hat bereits Metastasen oder
wird im Laufe ihrer Tumorkarriere Metastasen entwickeln. Auch für diese
Patientenpopulation konnte ein Vorteil durch Chemotherapie mit Gemcitabin
beobachtet werden [107]. Als eine additive Substanz mit kleinem, aber statistisch
signifikantem
Überlebensvorteil
konnte
der
EGFR-Inhibitor
Erlotinib
mit
wirksamkeitsindizierendem Ekzem identifiziert werden [108]. Aufgrund der häufigen
aktivierenden K-ras Mutationen (EGFR-Downstream) der Tumorzellen, einer
enormen Toxizität und des schwachen Überlebensvorteils sollte die additive Gabe
von Erlotinib stets individuell überprüft werden. Aufgrund aktueller Studien erscheint
ebenfalls
die
additive
Gabe
platinbasierter
Chemotherapeutika
oder
von
Fluoropyramidin [20], sowie von nab-Paclitaxel [109] sinnvoll. Bei guten funktionellen
Reserven kann u.U. eine Zweitlinien-Chemotherapie mit moderatem Effekt
angeboten werden. Eine Palliation der Tumorkomplikationen, beispielsweise eine
Entlastung der Cholestase mittels Stent in der ERCP, ist stets in Erwägung zu
ziehen.
Eine zufriedenstellende Standardtherapie des fortgeschrittenen Pankreaskarzinoms
existiert derzeit also in keinerlei Hinsicht.
1.1.6 Prognose
Als
Konsequenz
der
unzureichenden
Therapieoptionen
liegt
die
mittlere
durchschnittliche Wahrscheinlichkeit aller Pankreaskarzinompatienten, 5 Jahre nach
Diagnosestellung noch am Leben zu sein, bei unter 5 %. Das mediane Überleben
nach Tumorstadien ist in Tabelle 1 aufgeführt.
Bösartige Neubildungen der Bauchspeicheldrüse gehören zu den malignen
Erkrankungen, deren Frühsymptome selten und unspezifisch sind. Weniger als 20 %
aller Patienten sind bei Erstdiagnose überhaupt noch potentiell kurabel resezierbar
[20]. Zudem finden sich unter der OP in 70 % der Fälle prognostisch ungünstige
Progressionscharakteristiken
wie
eine
perineurale
Infiltration
und
Lymphknotenmetastasen [10]. Weitere sicher ungünstige Prognoseparameter sind
Einleitung
13
ein hoher Tumorgrad, großes Tumorvolumen, hohe präoperative CA-19-9Serumspiegel, persistierend hohe postoperative CA 19-9 Spiegel, tumorpositive
Resektionsränder und schwere postoperative Komplikationen [20, 110].
Bei lokal fortgeschrittener oder systemischer Erkrankung (Stadium III / IV) ist die
Prognose des medianen Überlebens noch schlechter (vgl. Tabelle 1).
Die relative 5-Jahres-Überlebensrate nach der Diagnose eines Pankreaskarzinoms
lag in Deutschland im Jahr 2010 bei beiden Geschlechtern bei etwa 8% [2]. Die
Diagnose eines Pankreaskarzinoms ist also nach wie vor mit einer äußerst
dramatischen Perspektive verknüpft.
1.1.7 Mausmodelle
In den letzten Jahren wurden einige murine Modelle zum experimentellen Studium
des Pankreaskarzinoms etabliert [111]. Diese Mausmodelle nutzen meist einen
immunkompromittierten Organismus (NOD-SCID / Non-Obese Diabetic Severe
Combined Immunodeficiency). In diesen Modellen lässt sich die Tumorformation/progression humaner Pankreaskarzinomzelllinien subkutan [112, 113] oder orthotop
[114, 115] untersuchen. Da die Auswirkungen eines chronischen Stresserlebens auf
die Tumorprogression nur in einem funktionierenden Immunsystem korrekt
abgebildet
werden
können,
scheinen
syngene
Modelle
für
derartige
Versuchsprotokolle sinnvoll zu sein. So können auch syngen erzeugte murine
Karzinomzelllinien wie Panc02 [116, 117] oder 6606PDA [118] orthotop in den
jeweiligen Organismus injiziert werden. Die Zelllinie 6606PDA wurde von Tuveson et
al.
aus
Mist1-KrasG12D-Knock-In-Mäusen
isoliert.
Mist1
ist
ein
Basistranskriptionsfaktor, der während der Pankreasentstehung zur korrekten
Strukturierung des azinären Drüsengewebes exprimiert wird. Als Konsequenz lässt
sich eine karzinomgenerierende Überexpression von KrasG12D bereits in jüngeren,
undifferenzierteren Zellen beobachten. Die Allel-tragenden Mäuse entwickelten
regelmäßig ein invasives, metastasierendes Pankreaskarzinom und vereinzelt ein
hepatozelluläres
Karzinom.
Zuletzt
wurde
ein
syngenes
Tumormodell
im
immunkompetenten Versuchstier mit adäquater Imitation humaner Progression und
Histologie beschrieben [119].
Einleitung
14
1.2 Stress
Stress beschreibt eine vielschichtige und hochkomplexe Adaptationsreaktion des
Organismus auf externe Einflüsse (Abb. 3A). Da eine Dissertationsschrift einer
allumfassenden
Abhandlung
wichtiger
Mechanismen
und
Facetten
dieses
Phänomens keinesfalls gerecht werden würde, werden im Folgenden nur die für
diese Arbeit relevanten „Stressmechanismen“ (vgl. Abb. 3B) erörtert und aktuelle
Entwicklungen auf dem relevanten Gebiet des neuroendokrinen Einflusses auf
maligne Formation und Progression im Allgemeinen und auf das Pankreaskarzinom
im Speziellen besprochen.
Abb. 3, Stresssyndrom nach Selye (A) und Konvergenzprinzip (B) mod. nach [120].
A: Selye definierte die Stressantwort bereits 1936 als ein generelles Reaktionsmuster unter
erhöhter Belastung, dessen Dynamik sich in 3 Phasen gliedert: Alarmphase mit
Wahrnehmung des Stressors und schneller Adaptation der Körperfunktionen (SAM- /
HPA-Achse, vgl. 1.2.1.1); Widerstandsphase mit Gegenreaktion; Erschöpfungsphase bei
chronischem Stress mit unkontrollierbaren Stresswirkungen. Für die Betrachtung der
Auswirkungen eines Stresserlebens sind vor allem die Phasen des Widerstandes und der
Erschöpfung relevant.
B: Auf Zellebene konvergieren neuronale, hormonelle und physisch/chemische Stresssignale
oft auf die gleichen Signal- und Effektorsysteme mit entsprechenden Proteinkinasen (PK)
und Transkriptionsfaktoren (TF). So kann ein ähnliches Spektrum an Stressreaktionen
leicht realisiert werden. Die in dieser Arbeit untersuchten Parameter dieser vielfältigen
Wechselwirkungen sind mittels roten Rechtecks markiert.
Einleitung
15
1.2.1 Sympathisch adrenal-medulläre Achse (SAM)
Die sympathisch adrenal-medulläre Achse ist für die vorliegende Arbeit bei der
Übermittlung von Stresssignalen von essenzieller Bedeutung und soll im Folgenden
dargestellt werden. Die SAM-Achse besteht aus dem sympathischen Nervensystem
(SNS) und dem Nebennierenmark (NNM) und bildet gemeinsam mit dem
parasympathischen
Nervensystem
(PNS)
und
dem
Darmnervensystem
das
autonome oder vegetative Nervensystem. Dieses Nervensystem innerviert die glatte
Muskulatur aller inneren Organe, das Herz, verschiedene Drüsen und das
lymphatische Gewebe und regelt so wichtigste Körperfunktionen. Unter normalen
Bedingungen überwiegt der trophotrope Parasympathikus („rest and digest“),
während der ergotrope Einfluss des Sympathikus („fight and flight“) bei Belastung
(Stressoren) aktiviert wird [124].
Weitere neuroendokrine Regelkreise der biologischen Stressantwort sind die
Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse
(HPA),
das
Arginin-
Vasopressin-System (AVP), das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS), die
Schilddrüsenachse und die Wachstumshormonachse [120].
1.2.1.1 Struktur und Wirkungen der SAM-Achse
Die
SAM-Achse
dient
einer
schnellen
unmittelbaren
Vermittlung
von
Stressreaktionen. Neuzeitlich relevante psychoemotionale Stressoren dieser Achse
sind beispielsweise alltagstypische Situationen wie Konkurrenz- oder Termindruck,
Mobbing, Verkehrsteilnahme oder andere konfliktbeladene Umstände. So ist auch
eine Aktivierung der SAM-Achse unter perioperativen Umständen nach Erstdiagnose
eines Pankreaskarzinoms anzunehmen. Auch für Nagetiere wie Ratten wurden
ähnliche SAM relevante psychoemotionale Stressoren wie Feindkonfrontation,
Immobilisation, überfüllte Käfige sowie eine neue Umgebung identifiziert [121].
Evolutionsbiologisches Ziel der neuronal meist über Norepinephrin und plasmatisch
hauptsächlich über Adrenalin vermittelten Stressreaktion ist eine global katabole und
ergotrope
Stoffwechsellage
mit
schneller
Bereitstellung
physischer
Reaktionsfähigkeit. Die Struktur der SAM-Achse ist in Abb. 4 veranschaulicht.
Einleitung
16
Abb. 4, Struktur der SAM-Achse nach [120].
Stressoren aktivieren über zentralnervöse Zentren, wie das limbische System oder den
Hypothalamus (sezerniert CRH, Corticotropin releasing hormone), den Locus coeruleus (LC)
und das sympathische Nervensystem, dessen Neuronen nach Umschaltung in Ganglien an
den Synapsen der Zielorgane vor allem Noradrenalin (Norepinephrin) freisetzen. Das
Nebennierenmark stellt entwicklungsgeschichtlich ein Ganglion dar (vom sympathischen
Nervensystem innerviertes Nervengewebe) und sezerniert neben ATP und endogenen
Opioiden (Enkephaline und Dynorphine zur Schmerzbewältigung) unter Stressbedingungen zu
20 % Norepinephrin und zu 80 % Adrenalin direkt in den Blutkreislauf. So ist eine systemische
Distribution
der
Neurotransmitter
(auch
im
Tumormilieu)
gewährleistet.
Je
nach
Stressorenniveau kann die Plasmakonzentration dieser Signalmoleküle bis auf das 10fache
ansteigen [122].
1.2.1.2 Transmitter und Rezeptoren
Die
Effekte
der
SAM-Achse
werden
hauptsächlich
über
die
Monoamine
Norepinephrin und Adrenalin vermittelt. Weitere Vertreter dieser Gruppe mit
vielfältigen zentralnervösen Wirkungen sind Dopamin, das Indolamin Serotonin und
das Imidazolderivat Histamin. Die Biosynthese der Katecholamine erfolgt im Gehirn,
in
den
chromaffinen
Zellen
der Nebennierenrinde
und
im
sympathischen
Nervensystem aus L-Tyrosin. Das L-Tyrosin wird durch die Tyrosinhydroxylase zu L-
Einleitung
DOPA
17
(Dihydroxy-Phenylalanin)
hydroxiliert
und
dann
durch
die
DOPA-
Decarboxylase zu Dopamin weiterentwickelt. Dopamin wird im Folgenden durch die
Dopamin-β-Hydroxylase zu Norepinephrin umgesetzt. Durch Demethylierung mittels
der
Phenylethanolamin-N-Methyltransferase
entsteht
aus
Norepinephrin
das
Adrenalin [120].
Der Abbau der Katecholamine erfolgt über Oxidation zu Aldehyden durch die
Monoaminooxidase (MAO) an der äußeren Mitochondrienmembran oder an der
postsynaptischen Membran sowie durch Methylierung mittels der Catechol-orthomethyltransferase (COMT) an der postsynaptischen Membran [120].
Die Effekte dieser Transmitter werden unter Stressexposition an Endorganen über
spezielle Adrenorezeptoren (α1-2 und β1-3) vermittelt. Während die Wechselwirkung
mit dem α1-Rezeptor über ein heterotrimeres G-Protein (GS) eine Aktivierung der
membranständigen
Phospholipase
C
mit
ansteigendem
intrazellulärem
Inositoltriphosphat (Ca2+-Freisetzung aus dem endoplasmatischen Retikulum) zur
Folge hat, wirken alle genannten β-Rezeptoren über ein aktivierendes heterotrimeres
G-Protein (GS) stimulierend auf die membranständige Adenylatcyclase. Diese
synthetisiert aus ATP zyklisches AMP (cAMP) und anorganisches Diphosphat. Je
nach zytosolischer Konzentration an cAMP wird die Proteinkinase A durch 2 cAMPMoleküle aktiviert und phosphoryliert eine Vielzahl unterschiedlicher Proteine
(Variation
der
Stressantwort
mit
Zelltyp),
unter
anderem
den
wichtigen
Transkriptionsfaktor CREB (cAMP-response element binding protein). Dieser regelt
eine Vielzahl intrazellulärer Prozesse und ist aufgrund seiner vielseitigen
Ansteuerungsmechanismen
wie
Calcium-Calmodulin-abhängige
Kinasen
und
Wachstumsfaktoren über MAP-Kinasen ein weiteres Beispiel für Signalkonvergenz
(vgl. 1.2). Eine Eigentümlichkeit der katecholaminergen Signaltransduktion stellt der
α2-Rezeptor dar. Über ein inhibitorisches G-Protein (Gi) ist er in der Lage, die
Adenylatzyklase (β-Rezeptoren) zu hemmen und so ein negatives Feedback zu
erzeugen. Eine Inhibition dieses Rezeptors erleichtert die katecholaminerge
Signaltransduktion [123].
Einleitung
18
Die ß-Rezeptoren unterscheiden sich vorrangig also nicht durch intrazelluläre
Transduktion, sondern in Molekularstruktur und Rezeptoraffinität (vgl. Tabelle 2)
α < β2
Adrenalin
α >>> β2
Norepinephrin
α1
Adrenalin ≥ Norepinephrin
α2
Adrenalin ≥ Norepinephrin
β1
Adrenalin = Norepinephrin
β2
Adrenalin >>> Norepinephrin
Tabelle 2, Relative Wirksamkeit von Adrenalin und Norepinephrin an α- und βRezeptoren nach [124].
Die gezeigte Affinität der Neurotransmitter ist in physiologischem Kontext nicht konstant,
sondern variiert mit Transmitterkonzentration.
In Kohärenz zum ergotropen „Fight and Flight“-Prinzip (1.2.1) wirkt die SAM-Achse
so (nach [124]) durch:
-
α1-Rezeptoren auf die glatte Gefäßmuskulatur (Kontraktion ↑), das Herz
(Kontraktilität ↑), die glatte Muskulatur des Magen-Darm-Traktes (Motilität ↓),
die Leber (Glykogenolyse ↑);
-
α2-Rezeptoren auf die pankreatischen β-Zellen (Insulin ↓), die Thrombozyten
(Aggregation ↑);
-
β1-Rezeptoren auf das Herz (positiv inotrop, chronotop und dromotrop), die
Niere (Renin ↑), das Fettgewebe (Lipolyse ↑);
-
β2-Rezeptoren auf die glatte Gefäßmuskulatur (Relaxation ↑), die Bronchien
(Dilatation
↑),
die
Leber
(Glykogenolyse
↑),
die
Skelettmuskulatur
(Glykogenolyse ↑);
-
β3-Rezeptoren auf das Fettgewebe (Lipolyse ↑).
In Regulationskreisen des ZNS hat Norepinephrin eine dem Adrenalin übergeordnete
Bedeutung
und
Verhaltensaktivierung
führt
zu
[125].
einer
Vigilanzsteigerung
Beispielsweise
kommt
es
und
allgemeiner
bei
chronischer
Stressexposition zu einer kompensatorischen Verminderung der Rezeptordichte und
einer Norepinephrin-Produktionserschöpfung der Neuronen, was mit depressiver
Symptomatik korrelieren kann [126]. In gesunden Individuen liegt die mittlere
Plasmakonzentration bei etwa 8 (10)-10 mol/l [127].
Einleitung
19
Das in dieser Arbeit verwendete Stimulans zur Stresssimulation in vitro,
Isoproterenol, ist ein Adrenalin-ähnlicher selektiver Agonist am β1- / β2-Rezeptor und
weist im Gegensatz zum Norepinephrin keinerlei Aktivität an α-Rezeptoren auf. Das
Norepinephrin-Derivat Isoproterenol wurde 1943 als Sympathomimetikum von
Boeringer Ingelheim entwickelt und in der Affinität zu β1- / β2-Rezeptoren optimiert.
Diese β-Rezeptoren können durch den unselektiven Betablocker Propranolol ohne
intrinsische
Aktivität
inhibiert
werden.
Propranol
wurde
als
erster
Beta-
Adrenorezeptorblocker in den 1960er Jahren von James Whyte Black entwickelt
(Nobelpreis für Medizin, 1988).
1.2.2 Stress und Neoplasie
Die Idee, dass psychologische Faktoren die Entstehung oder Progression von
Tumorerkrankungen beeinflussen könnten, ist sehr alt. Bereits im Jahre 200 n. Chr.
beobachtete der griechische Arzt und Anatom Galen v. Pergamon, dass
melancholische Frauen eher empfänglich für Knoten in der Brust wären als
„sanguine“ Geschlechtsgenossen [128].
1.2.2.1 Klinik – Beeinflussen psychologische Faktoren die Entstehung oder
Progression einer Tumorerkrankung?
Die epidemiologische Evaluation eines kausalen Zusammenhanges zwischen
psychosozialem Stress und Tumorgenese / Tumorprogression ist äußerst schwierig.
Hinsichtlich
der
Karzinogenese
ist
das
auslösende
Ereignis
einer
tumorinduzierenden Mutation nur schwer nachzuweisen, da ein auslösender Stressor
aufgrund konvergierender Mutationsendpunkte verschiedener Stresseinflüsse und
langer Latenzzeiten oft nicht sicher zugeordnet werden kann. Weiterhin stellen sich
individuelles Erleben und Bewertung eines Stressors stets als subjektive, schwer zu
validierende Parameter dar, die leicht durch andere Parameter, sogenannte
Störfaktoren wie beispielsweise Lebensstil, Umweltfaktoren, Alter und Geschlecht,
überlagert werden können [129]. Dalton et al. hielten mit Hilfe einer umfassenden
Metaanalyse
einen
generellen
Zusammenhang
zwischen
einschneidenden
Lebensereignissen (früher Tod eines Elternteils, Tod des Partners, Scheidung, Tod
eines Kindes, Kriegs- oder Umweltkatastrophen) und einer Tumorgenese für eher
unwahrscheinlich (OR 0,95 – 1,18; [129]). Bei der Betrachtung einzelner
Einleitung
20
Tumorentitäten ergeben sich jedoch höhere Wahrscheinlichkeiten eines kausalen
Zusammenhanges: Brustkarzinome (OR 0,8 - 2,6), Lymphome (OR 1,47 - 2,56) und
Melanome (OR 1,71 - 4,62) [129]. So wurden neben einem Zusammenhang
zwischen beruflichem Stresserleben und der Inzidenz von Ösophaguskarzinomen
[130] einige signifikante Zusammenhänge zwischen psychosozialem Stress und der
Tumorgenese für das relativ gut untersuchte Brustkarzinom berichtet [131–133].
Weitere Metaanalysen und Übersichtsarbeiten beurteilten vorhergehende Studien
eher kritisch und fanden keine eindeutige Assoziation zwischen einschneidenden
Lebensereignissen und dem Risiko für Brustkrebs oder andere Entitäten [134, 135].
Auch für den Zusammenhang von Tumorgenese und Persönlichkeitsmerkmalen gibt
es keine ausreichende Evidenz [136, 137]. Für das Pankreaskarzinom wurden bis
dato keine entsprechenden Zusammenhänge untersucht.
Trotz einiger Berichte über signifikante Zusammenhänge sind die akquirierten Daten
zu inkonsistent und die Auswirkungen psychischer Faktoren auf die Tumorgenese
bisher zu wenig präzise darstellbar, um valide Aussagen hinsichtlich eines Einflusses
psychosozialer Stressoren auf die Karzinogenese zu treffen [120, 138].
Im Kontrast zur Tumorentstehung kann eine
Progressionssteigerung einer
Tumorerkrankung unter dem Einfluss psychosozialer Stressoren verlässlicher
vorhergesagt
werden
[139–141].
Daten
von
Patienten
mit
vorbestehender
Tumorerkrankung zeigen, dass Diagnose und Behandlung einen enormen Stressor
darstellen und dass eine eher depressive Coping-Strategie mit Hoffnungs- und
Hilflosigkeit zu einer beschleunigten Krankheitsprogression mit verschlechterter
Prognose führen kann [128, 140]. In Kohärenz haben Optimismus [142] und sozialer
Rückhalt [143] einen protektiven Effekt mit einhergehender Prognoseverbesserung.
Studien zu einer telebasierten psychologischen Intervention in der Krebsnachsorge
werden
evaluiert
[144].
Neben
einer
Interaktion
mit
stressinduziertem
Gesundheitsverhalten (Rauchen, Insomnie, Alkoholkonsum, Adipositas; [145])
wurden für diese Beobachtungen in der letzten Dekade zunehmend molekulare
Mechanismen identifiziert [138, 140, 146], von denen die relevanten im Folgenden
kurz erläutert werden sollen.
1.2.2.2 Neuroendokrinologische Modulation der Karzinomprogression
Die stressinduzierten Mechanismen mit Beeinflussung der Karzinomprogression sind
extrem vielfältig [140]. So kann Prolaktin unter anderem die Proliferationsfähigkeit
Einleitung
21
von Mammakarzinomen stimulieren [147], während Oxytocin und Dopamin zu einer
Proliferationsinhibition epithelialer Tumoren führen können [148]. Auch für Thyroxin
wurden protektive Effekte bei der Tumorprogression beschrieben [149]. Die
Expression onkogener Viren kann neuroendokrin moduliert werden [150] und es
kommt unter anderem zu einer stressinduzierten Immunsuppression [151]. Obwohl
die oben genannten Mechanismen bei der stressvermittelten Tumorprogression von
großer Bedeutung sind, wird der Fokus im Folgenden auf die für diese Arbeit
relevanten Auswirkungen der Katecholamine gelegt (Abb. 5). Die noch nicht
aufgeführten Glukokortikoide verfügen unter anderem über wichtige synergistische
Katecholamin-Effekte [152] und ihr Expressionsgrad variiert mit einer zirkadianen
Arrhythmie [153].
Während eine kurzfristige Katecholaminfreisetzung dem unter 1.2.1 besprochenem
Prinzip der Ergotropie Rechnung trägt, kann chronischer Stress zu einer
ausdauernden Katecholaminexposition aller Organe mit progressionsfördernden
Veränderungen im Tumormikromilieu führen [138, 146, 154].
Einleitung
22
Abb. 5, Katecholamin-Effekte auf Karzinome (übersetzt aus [138]).
Die zentrale Stressreaktion führt zu einer peripheren Katecholaminfreisetzung aus Nebenniere
und sympathischen Nervenenden. Katecholamine können die Tumorbiologie über eine
Vielzahl unlängst entdeckter Mechanismen beeinflussen. Diese Veränderungen umfassen
eine Alteration genetischer Reparaturmechanismen, ein verstärktes Tumorwachstum,
gesteigerte Zellmigration oder Invasion (MMPs) und eine Erleichterung der Angiogenese
durch
Expressionssteigerung
proangiogener
Wachstumsfaktoren.
Zusammenfassend
schaffen Katecholamine also ein die Tumorprogression begünstigendes Mikromilieu.
Die in Abb. 5 geschilderten Katecholamin-Effekte auf die Tumorprogression haben
ein breites In-vitro-Fundament in der Grundlagenforschung. Hinsichtlich des
Pankreaskarzinoms postulierten Schuller et al. sogar eine zentrale Rolle der
Neurotransmitterrezeptoren im Pankreaskarzinom [155, 156] mit komplexem
autokrinem Regelkreis [157] und möglichen therapeutischen Implikationen [158]. Für
duktale Pankreaskarzinomzelllinien wurde eine Proliferationsregulation über BetaAdrenorezeptoren [159] bei autokriner Katecholaminausschüttung [157] vermutet und
eine Steigerung der Proliferationsaktivität unter adrenerger Stimulation postuliert
[160, 161]. Zhang et al. fanden Hinweise für die Hemmung der Proliferation von
Einleitung
23
Pankreaskarzinomzelllinien durch Propranolol über eine Apoptoseinduktion [162] und
zeigten einen G1/S-Phasen-Arrest im mitotischen Zellzyklus [163]. Auch für
Tumorzellen des Mammakarzinoms ließ sich eine Proliferationssteigerung unter
adrenerger Stimulation nachweisen [122]. Weiterhin führt Norepinephrin zu einer mit
Propranolol inhibierbaren Migrationssteigerung von Colonkarzinomzellen [164].
Mittlerweile gibt es ein gutes Evidenzniveau einer Invasionssteigerung durch eine
Expressionssteigerung von MMP-2 / -9 unter Stimulation mit Isoproterenol oder
Norepinephrin. So zeigten Brustkarzinomzellen eine Phospholipase C vermittelte
Migrationssteigerung unter Stimulation mit Norepinephrin [165]. Für ovarielle und
nasopharyngeale Karzinomzelllinien wurde eine durch Propranolol inhibierbare
Expressionssteigerung von MMP-2 und MMP-9 mit gesteigertem Invasionspotential
unter
Stimulationsbedingungen
nachgewiesen
[166,
167].
Auch
für
Pankreaskarzinomzelllinien wurde eine Norepinephrin-induzierte und mit Propranolol
inhibierbare Invasion mit erhöhten MMP-2 / -9 und VEGF Konzentrationen berichtet
[168, 169]. Die Inhibition dieses Invasionspotentials erfolgt u.a. über den
Transkriptionsfaktor
CREB
Expressionssteigerung
von
[170].
In
MMP-7
Magenkarzinomzelllinien
(über
AP-1
und
konnte
STAT3)
eine
unter
Stimulationsbedingungen beobachtet werden [171]. Auch die Angiogenese scheint
durch
eine
stimulierbare
VEGF-Expression
im
Ovarkarzinom
[172],
im
Nasopharynxkarzinom [167], im Mammakarzinom [173], im malignen Melanom [174,
175] und im Pankreaskarzinom [168] erleichtert zu sein. Weiterhin haben
stressinduzierte Veränderungen der Zellbiologie vermutlich auch ein epigenetisches
Korrelat [176].
Einleitung
Das
relativ
24
konsistente
Bild
der
vorliegenden
In-vitro-Studien
findet
eine
Entsprechung in einigen In-vivo-Modellen. Diese finden sich in Tabelle 3.
Stressor
Organis
Entität
Lokalisation
Effekt auf Tumorwachstum
Referenz
Mamma
subkutan
vermehrtes Wachstum unter
[177]
mus
Fixation
Ratte
Stress
Konfront
Ratte
Mamma
ation
Wasser
Isolation
Ratte
Maus
Mamma
Ehrlich
intravenöse
vermehrte Lungenmetastasierung
Injektion
nach Konfrontation
intravenöse
vermehrte Lungenmetastasierung
Injektion
nach Schwimmstress
intraperitoneal
vermehrtes Wachstum unter
[178]
[179]
[180]
Isolation
Fixation
Maus
Haut
orthotop
vermehrte Inzidenz, Größe und
[181]
Dichte von
Plattenepithelkarzinomen nach
UV-Exposition
Fixation
Maus
Ovar
intraperitoneal
vermehrtes Wachstum unter
[182]
Stress in athymalen
Nacktmäusen,
Angiogenesinhibition durch
Propranolol (subkutan)
Norepi-
Maus
Prostata
Oberschenkel
nephrin
vermehrte
[183]
Lymphknotenmetastasierung nach
Norepinephrininjektion (subkutan)
in athymalen Nacktmäusen,
Inhibition durch Propranolol
(subkutan)
OP
Maus
Ovar
intraperitoneal
vermehrtes Wachstum nach
[184]
Laparotomie in athymalen
Nacktmäusen, Inhibition durch
Propranolol (subkutan)
Sozialer
Maus
Pankreas
subkutan
Stress
vermehrtes Wachstum nach
[156, 185]
sozialem Stress, Inhibition durch
GABA und Celecoxib
Isoprote-
Maus
Pankreas
subkutan
renol
Vermehrtes Tumorwachstum nach
[161]
Isoproterenolinjektion
(intraperitoneal), Inhibition durch
Propranolol (intraperitoneal)
OP
Maus
Colon
Portalvenen- /
Kein Zusammenhang zwischen
Milzinjektion
Häufigkeit von Lebermetastasen
[186]
und Größe des chirurgischen
Traumas
Tabelle 3, relevante in-vivo Studien der Tumorprogression unter chronischem
Stress modifiziert nach [140].
Einleitung
25
Eine israelische Arbeitsgruppe um Ben-Eliyahu konnte zeigen, dass das Rezidiv freie
Überleben nach primärer Tumorresektion eines Mammakarzinom oder eines
malignen Melanoms im Tierversuch durch perioperative Immunstimulation mit CpG-C
(bakterielles und virales DNA-Motiv) und / oder Betarezeptorblockade mit Propranol
signifikant gesteigert wird [187]. Auch für das Pankreaskarzinom gibt es
tierexperimentelle Hinweise einer tumorpräventiven Wirkung von Propranolol [188].
Eine eventuelle klinische Relevanz oben genannter Ergebnisse ist derzeit nicht
ausreichend evaluiert. Nachdem Lutgendorf et al. auch die MMP-9-Expression von
Makrophagen mittels Norepinephrin in vitro steigern konnten, zeigte dieselbe
Arbeitsgruppe eine signifikante Korrelation des MMP-9-Expressionsniveaus der
tumorinternen
Verfassung
CD68+-Makrophagen
der
Patienten.
Die
mit
der
zuvor
MMP-9-Expression
evaluierten
war
bei
psychischen
depressiven
(höchstsignifikant) und bei aktuell oder in den letzten 6 Monaten gestressten
(hochsignifikant) Patienten deutlich erhöht [189]. In der Folge zeigte dieselbe
Arbeitsgruppe, dass die Norepinephrin-Konzentration in humanen ovariellen
Karzinomen nicht nur bei Tumorprogression (hochsignifikant) und abnehmendem
Differenzierungsgrad (höchstsignifikant) zunahm, sondern auch negativ mit dem Maß
an sozialer Unterstützung korrelierte [190].
Auch wenn ein Stresserleben für sich genommen wahrscheinlich kein Malignom
initiiert, so implizieren die vorliegenden In-vitro- und In-vivo-Ergebnisse, gerade vor
dem Hintergrund einer individualisierten Medizin, eine Integration einer individuellen
bio-behavioralen Komponente in neue Therapiekonzepte.
26
2 Zielstellung der Arbeit
Die Diagnose eines Pankreaskarzinoms konfrontiert sowohl den Patienten als auch
den behandelnden Arzt regelhaft mit einer katastrophalen Prognose (1.1.6). Beide
sind also von noch so kleinen therapeutischen Fortschritten abhängig, auch wenn
diese mit einer Vielzahl unerwünschter Arzneimittelwirkungen einhergehen (vgl.
Erlotinib-Therapie; 1.1.5). In der zweiten Hälfte der vergangenen Dekade rückten
zunehmend die Auswirkungen von chronischem Stress auf die Progression von
Tumorerkrankungen in den Fokus der Aufmerksamkeit (1.2.2). Während für einige
Tumorentitäten nachteilige Auswirkungen von chronischem Stress postuliert wurden,
ist ein entsprechender Zusammenhang bei der Progression des oft mit infauster
Prognose
verbundenen
Pankreaskarzinoms
erst
in
jüngerer
Vergangenheit
zunehmend untersucht (1.2.2.2). Stresslimitierende Verfahren wie beispielsweise
Pharmako – oder Psychotherapie mit breiter Evidenzbasis hätten das Potential einer
einfachen, effektiven und bereits evaluierten Therapieoption. Die Stressreaktion
eines Organismus ist ein komplexer und vielschichtiger Adaptationsprozess (1.2).
Diese Arbeit fokussiert daher auf die gut untersuchte und unkompliziert experimentell
zu validierende sympathisch adrenal-medulläre Achse (SAM, 1.2.1). Um die
Auswirkungen chronischen Stresses auf die Progression eines Pankreaskarzinoms
zu untersuchen, umfasst diese Arbeit zwei verschiedene laborexperimentelle
Ansätze.
In
vitro
sollte
das
Migrations-,
Invasions-
und
Proliferationsverhalten
von
Pankreaskarzinomzellen unter Stimulation mit Stresshormonen der SAM-Achse
charakterisiert werden. Weiterhin sollte nicht nur die Expression, sondern auch die
Aktivität einiger der für die Tumorprogression essentiellen Enzyme (MatrixMetalloproteinasen, 1.1.2.1) unter Stimulationsbedingungen untersucht werden. Eine
mögliche Reversibilität dieser Effekte unter Einsatz des klinisch zugelassenen
Pharmakons Propranolol sollte ebenfalls evaluiert werden.
In vivo sollten die Auswirkungen von chronischem Stress auf das Tumorwachstum
und die Mortalitätsprognose in einem immunkompetenten Mausmodell eines neu
etablierten orthotopen Pankreaskarzinoms untersucht werden. Die Tumorprogression
sollte mittels magnetresonanztomografischer Verfahren evaluiert werden. Potentielle
therapeutische Effekte von Propranolol sollten ebenfalls untersucht werden.
27
3 Material und Methoden
3.1 In-vitro-Untersuchungen
3.1.1 Zellkultur
Die humanen Pankreaskarzinomzelllinien Panc-1, MIA PaCa-2, BxPc-3 [191], die
aus einer Metastase isolierte humane Pankreaskarzinomzelllinie Colo-357 [192] und
die murine Zelllinie 6606PDA [118] wurden in dem CO2 Wasser Inkubator „US
Autoflow” (Nuaire, Plymouth, USA) bei 37 °C und 5 % CO2 kultiviert. Als
Kulturmedien wurden RPMI (+ L-Glutamin, Gibco, Carlsbad, USA) für die Zelllinien
Panc-1, MIA PaCa-2, BxPc-3 und Colo-357 oder DMEM (+ Pyruvat/4,5 g/l DGlucose, Gibco, Carlsbad, USA) für die Zelllinie 6606PDA unter Zusatz von 10 %
fetalem Rinderserum (FBS, PAN Biotech GmbH, Aidenbach, Deutschland) und 100
U/ml Penicillin mit 100 µg/ml Streptomycin (PenStrep, Gibco, Carlsbad, USA)
genutzt. Die Kultur erfolgte in gewebekulturbehandelten 10 cm Kulturschalen
(Millipore, Darmstadt, Deutschland). Zur Passage wurden die Zellen nach Waschung
mit 10 ml PBS (PAN Biotech GmbH, Aidenbach, Deutschland) in 1 ml 0,25 %
Trypsin-EDTA-Lösung (Invitrogen, Carlsbad, USA) für 5 min bei 37 °C inkubiert.
Nach Resuspension in 10 ml RPMI-Medium + 10 % fetalen Rinderserum wurde die
Zellsuspension bei 250 g für 5 min zentrifugiert. Der Überstand wurde dekantiert und
die Zellen in 10 ml RPMI-Medium + 10 % fetalen Rinderserum resuspendiert. Das
Teilungsverhältnis betrug je nach Konfluenz 1:4 bis 1:7. Es wurden also 2,5 ml bis
1,4 ml der Zellsuspension in einer neuen 10 cm Kulturschale mit 10 ml RPMIMedium + 10 % fetalen Rinderserum ausgesät. Zellzählungen wurden mit einer
standardisierten Neubauer-Zählkammer (LO – Laboroptik GmbH, Friedrichsdorf,
Deutschland) durchgeführt.
In Voruntersuchungen wurde die Expression von β-2-Adrenorezeptoren in humanen
Pankreaskarzinomzelllinien, in humanen Pankreaskarzinomgeweben ex situ und in
der murinen Zelllinie 6606PDA nachgewiesen [193]. Mykoplasmentests wurden
halbjährlich mit dem Venor Gem-Kit (Biochrom, Berlin, Deutschland) durchgeführt.
Material und Methoden
28
3.1.2 Gelatinase-Assay
3.1.2.1 Testprinzip
Durch
die
Versuchsanordnung
wurde
die
In-vitro-Aktivität
der
Matrix-
Metalloproteinasen-2 und -9 bestimmt. Hierzu wurde fluoreszenzkonjugierte Gelatine
(DQ Gelatine von Schweinehaut; Invitrogen, Carlsbad, USA) genutzt, die sich
molekülspezifisch von o.g. Matrix-Metalloproteinasen (Gelatinase A und B) spalten
ließ. Die nach definiertem Zeitraum t emittierte Fluoreszenz korrelierte mit dem
Aktivitätsgrad der Proteinasen und ließ unter Verwendung einer geeigneten
Positivkontrolle Rückschlüsse auf absolute
sowie relative Änderungen des
Aktivitätsniveaus in Zellkulturüberständen nach Stimulation zu. Für diesen Assay
wurde das EnzChek Experimental Protocol (Invitrogen, Carlsbad, USA) wie folgt
modifiziert.
3.1.2.2 Etablierung der Methode
Um einen zuverlässigen und reproduzierbaren Test mit geeignet hoher Sensitivität
auf der Basis des EnzCheck®-GelatinaseAssayProtokolls (Invitrogen, Carlsbad,
USA) zu entwickeln, galt es zunächst, vorhandene Variablen zu definieren und zu
eliminieren.
Die
sechs
wesentlichen
Einflussfaktoren
(Positivkontrolle,
Stimulationszeit, Anzahl der Zellen, Inkubationsdauer, Menge der Gelatine und
Reaktionsumgebung) sollen im Folgenden kurz dargestellt werden:
Der Erstellung eines validen Testprotokolls ist Wahl und Aktivität der adäquaten
Positivkontrolle elementar immanent. Als solche wurde die vom Hersteller der
Gelatine empfohlene Kollagenase von Clostridium histolyticum (17449, Serva,
Heidelberg,
Deutschland)
genutzt.
Die
Reaktionskinetik
der
eingesetzten
Kollagenase erwies sich als verlässlicher Quantifizierungsparameter (Abb. 6). Bei
der, in zwei Vorversuchen auf 10-4 U/ml und 10-5 U/ml bestimmten Kontrollaktivität,
zeigte sich nach Inkubationszeit t ein in etwa identes Fluoreszenzniveau mit den
genutzten Zellüberständen. Da es sich um eine neu zu etablierende Methode
handelte,
wurde
dieses
gemessene
Fluoreszenzniveau
zusätzlich
mit
Zellkulturüberständen aus MMP-2 und -9 exprimierenden humanen endometrialen
Stromazellen (siehe 3.1.2.3) validiert. Die für die Fluoreszenzmessung optimale
Konzentration
an
aktiven
Matrix-Metalloproteinasen-2
und
-9
in
den
Material und Methoden
29
Zellkulturüberständen wurde unter Berücksichtigung der Stimulationszeit und der
ausplatierten Zellmenge definiert. Um Sensitivität und Spezifität dieses Testes zu
erhöhen, war es wichtig, die unspezifische Fluoreszenz durch Optimierung des
Inkubationszeitraumes
fluoreszenzkonjugierten
nach
Zugabe
Gelatine
zu
einer
definierten
minimieren.
Wählte
Menge
der
man
den
Inkubationszeitraum zu lang, sank die durch unspezifische Spaltung der Gelatine
bedingte Spezifität des Testes gerade unter Berücksichtigung der vorliegenden
niedrigen
Proteinkonzentrationen
im
Zellüberstand
auf
ein
nicht
mehr
aussagekräftiges Niveau herab. Wählte man den Inkubationszeitraum hingegen zu
kurz, nahm folgerichtig die Differenzierbarkeit der einzelnen Proteinkonzentrationen
stark ab. Ähnlich verhielt es sich zu der Menge der genutzten konjugierten Gelatine.
So führte beispielsweise eine höhere Gelatinekonzentration folgerichtig zu einer
verbesserten
Trennungsschärfe
bei
hochsignifikant
differenten
MMP-
Konzentrationen, während die Sensitivität für die Detektion kleinerer Unterschiede
verloren ging. Für eine weitere Minimierung der unspezifischen Fluoreszenz erwies
es sich während der Protokolletablierung als notwendig, eine möglichst serumfreie
Reaktionsumgebung zu schaffen. Eine Versuchsumgebung mit 10 % des fetalen
Rinderserums resultierte in einer erhöhten Ergebnisvarianz, die intrazelluläre
reproduzierbare Expressionsvergleiche gänzlich unmöglich machte (Daten nicht
gezeigt).
Unter Berücksichtigung der genannten Variablen galt es, in diesem Versuchsaufbau
eine reproduzierbare Testumgebung zu schaffen, um eine verlässliche Generierung
valider Daten zu gewährleisten.
Material und Methoden
30
Kollagenase Clostridium hystolyticum
Fluoreszenz
20000
0,1 U / ml
0,01 U / ml
0,001 U / ml
0,0001 U / ml
15000
10000
5000
0
0
50
100
Zyklen a 70 s
Abb. 6, Enzymkinetik der Kollagenase von Clostridium hystolyticum unter
Versuchsbedingungen.
Die Spaltung der fluoreszenzkonjugierten Gelatine resultierte in einem der jeweiligen
Enzymaktivität adäquaten Fluoreszenzniveau. Die Kinetikanalyse erfolgte über 2,33 h in einem
Fluoreszenzmikroplattenleser.
3.1.2.3 Material und Methode
In diesem Assay wurden die etablierten Pankreaskarzinomzelllinien Panc-1, Colo357 und die murine Zelllinie 6606PDA untersucht.
Von der zu untersuchenden Zelllinie wurden 24h vor Versuchsbeginn 20.000 Zellen
pro Loch in einer 96-Lochplatte (Millipore, Massachusetts, USA) bis zur Adhärenz in
RPMI-Medium + 10 % fetalem Rinderserum ausplattiert. Nachfolgend wurden die
Zellen für 12 h in 100 µl serumfreiem DMEM Medium mit 1 µmol Isoproterenol (ISO,
16504, SIGMA, St. Louis, USA), 1 µmol Noradrenalin (Norepinephrin, NE, A7257,
SIGMA, St. Louis, USA) oder 1 µmol ISO + 1 µmol Propranolol (P0884, SIGMA, St.
Louis, USA) bzw. 1 µmol NE + 1 µmol Propranolol erneut inkubiert.
Vor dem Start des eigentlichen Assays wurde durch Verwendung eines titrierten,
dem zu Grunde liegenden Protokoll folgend, 1x Reaktionpuffers (10x - 50 ml von
0.5M Tris-HCl, 1.5 M NaCl, 50 mM CaCl², 2 mM Natriumazid, pH 7,6) jedes Loch
unter Beachtung der erforderlichen Konzentrationen der im Folgenden genannten
Versuchskomponenten auf 200 µl Gesamtvolumen ergänzt:
Material und Methoden
31
Leerprobe
100 µl serumfreies RPMI Medium
Untersuchungsprobe
100 µl serumfreier Zellkulturüberstand + adhärente Zellen
Positivkontrolle
10-5 U/ml finale Konzentration Kollagenase von Clostridium
histolyticum (17449, Serva). Es wurden 263,2 mg (0,76 U/mg)
gelöst in 10 ml Aqua dest. (20 U/ml), danach aliquotiert und bei –
20C° gelagert. Vor Gebrauch wurde dies adäquat in 1x „Reaction
Buffer“ verdünnt
Biologische
Für 12h mit DMEM/F12 Medium + 2,5 % FBS inkubierter
Positivkontrolle
Zellkulturüberstand aus endometrialen Stromazellen (S080820,
S080813B,
S080522;
Universitätsklinik
Dank
und
an
Poliklinik
Dr.
med.
Herbert
für
Frauenheilkunde
Fluhr,
und
Geburtshilfe, Greifswald). Zellkulturen endometrialer Stromazellen
exprimieren die Matrix-Metalloproteinasen-2 und -9 in ihrem
Zellkulturüberstand auf einem konstanten Niveau [194–196],
daher stellt ihr Überstand eine valide biologische Positivkontrolle
dar
MMP-Inhibitor
1
mM
finale
Konzentration
Phenanthrolinmonohydrat
Ligand)
als
des
Komplexbildners
(Phenanthren-Derivat,
unspezifischer
Inhibitor
von
1,10-
zweizähniger
Metalloproteasen
(320056, Sigma, St. Louis, USA). Es wurden 9,9 mg 1,10Phenanthrolin (180,2 g/Mol) in 25 µl Ethanol gelöst (2,2 M) und
adäquat in 1x „Reaction Buffer“ verdünnt
Fluoreszenzkonjugierte
50 µg/ml finale Konzentration der Gelatine („DQ Gelatine from pig
Gelatine
skin, flourescein conjugate“, D12054, Invitrogen, Carlsbad, USA).
Es wurde 1 mg Gelatine in 1 ml Aqua dest. gelöst (1mg/ml) und
adäquat verdünnt in 1x „Reaction Buffer“. Zugabe als letztes
Teilelement unter Verwendung einer Mehrkanalpipette (Bender
Med. Systems, San Diego, USA)
Tabelle 4, Versuchsaufbau des Gelatinase-Assay.
Alle o.g. Versuchskomponenten wurden in mindestens doppelter bzw. drei- bis
achtfacher (Zellkulturüberstände) Kontrolle untersucht. Nach Zugabe der Gelatine lief
die Reaktion für 6h bei Raumtemperatur unter strengstem Lichtschutz ab. Das
resultierende Fluoreszenzniveau wurde in einem Fluoreszenzmikroplattenleser bei
einer Exzitation von 495 nm und einer maximalen Emission von 515 nm quantifiziert.
Alle
angegebenen
Fluoreszenzemissionen
stellen
Differenzen
aus
Untersuchungsprobe und Leerprobe dar. Die statistische Analyse des basalen
Material und Methoden
32
Aktivitätsniveaus erfolgte mittels zweiseitigem-ein-Proben t-Test (hypothetischer
Wert 0), die statistische Analyse unter Stimulationsbedingungen mit einem
zweiseitigen t-Test. Die Graphen fassen 5 unabhängige Versuchsansätze mit 3fachen intraexperimentellen Kontrollen zusammen. Die grafische Darstellung enthält
Plots des Standardfehlers des Mittelwertes.
3.1.3 Matrix-Metalloproteinase-2 ELISA
3.1.3.1 Testprinzip
Zur MMP-2 Proteinquantifizierung im Zellkulturüberstand wurde der „Quantikine
Human/Mouse/Rat MMP-2 (total) Immunoassay” von R&D Systems (DMP200,
Minneapolis, USA) angewandt. Der Assay nutzte die quantitive „Sandwich“-EnzymImmunoassaytechnik.
Die
genutzte
Mikrotiterplatte
wurde
mit
polyklonalen
Antikörpern beschichtet, die sowohl das 72kDa schwere Proenzym für die MMP-2,
als auch dessen aktivierte Form (66kDa) (vgl. 1.1.2.1.1) detektierte. Diese
immobilisierten Antikörper banden das MMP-2 aus Kontrollen und Proben als
Antigen. Nach gründlichem Waschen werden wiederum enzymkonjugierte (hier:
Meerrettichperoxidase, MPO) polyklonale Antikörper gegen MMP-2 hinzugefügt.
Nach erneutem Auswaschen von unspezifisch gebundenem Enzym erfolgte die
Zugabe eines Substrates (hier: Wasserstoffperoxid), dessen Umsatz durch
Farbumschlag (hier: Tetramethylbenzidin) angezeigt wurde und somit proportional
zur gebundenen MMP-2-Menge war. Der Farbumschlag wurde dann unter Zugabe
von Schwefelsäure gestoppt und in einem Mikroplattenleser quantifiziert.
3.1.3.2 Material und Methode
In diesem Assay wurden wiederum die etablierten Pankreaskarzinomzelllinien Panc1 und Colo-357 untersucht. Als eine biologische Positivkontrolle diente wiederum der
Zellkulturüberstand humaner endometrialer Stromazellen (vgl. 3.1.2.3).
Der Gewinn von Zellkulturüberständen erfolgte orientierend am Gelatinase-Assay
(vgl. 3.1.2.3) unter Zusatz von 10 % fetalem Rinderserum. Die Durchführung des
ELISA orientierte sich strikt an dem vorgeschlagenen Protokoll von R&D Systems.
Nach Lösen des lyophilisierten MMP-2 Standards in 1 ml Aqua dest. (100 ng/ml)
wurde
dieser
siebenfach
mit
dem
„Calibrator
Diluent
RD5-32”
in
einer
Material und Methoden
33
Verdünnungsreihe von 50 ng/ml bis 0,78 ng/ml für eine Log-Log-Standardkalkulation
verdünnt. Als Leerprobe fungierte ausschließlich der „Calibrator Diluent RD5-32”.
Nach
Zugabe
von
100
µl
„Assay
Diluent
RD1-74“
in
jedes
Loch
der
antikörperbeschichteten Mikrotiterplatte, wurden entsprechend 50 µl Leerprobe,
Standard, Zellkulturüberstand oder biologische Positivkontrolle hinzugefügt. Nach 2h
Inkubation bei Raumtemperatur auf einem Mikroplattenschüttler bei 500 rpm wurde
jedes Loch mit 4 x 400 µl Waschpuffer gewaschen. Nach Zugabe von 200 µl des
polyklonalen Meerrettichperoxidase-konjugierten Antikörpers gegen die MMP-2
(„MMP2-Conjugate“) erfolgte erneut eine Inkubation für 2h auf dem o.g.
Mikroplattenschüttler. Während jedes Loch erneut mit 4 x 400µl Waschpuffer
gewaschen wurde, ließ sich die Substratlösung aus volumenäquivalenter Mischung
von Wasserstoffperoxid („Color Reagent A“) und Tetramethylbenzidin („Color
Reagent B“) vorbereiten. Nach Zugabe von je 200 µl der vorbereiteten
Substratlösung lief die Reaktion für 30 min bei Raumtemperatur unter Lichtschutz ab.
Nach Ablauf der Zeit erfolgte die Zugabe von 50 µl 1M Schwefelsäure („Stop
Solution“) zum Stopp der Reaktion. Die optische Dichte wurde sofort in einem
Mikroplattenleser bei einer Wellenlänge von 450nm und einer Wellenlängenkorrektur
bei 540 nm bestimmt. Die Interpolation der Standardkurve und die Berechnung
gemessener Konzentrationen erfolgten mit der Software Softmax Pro 4.6 (Molecular
Devices, 2003, Sunnyvale, USA, lizensiert für AG Lerch). Alle gezeigten Messwerte
wurden unter Kalibrierung und berücksichtigter Verdünnung generiert. Der
intraexperimentelle Varianzkoeffizient lag bei 24,4 % - 33,4 %. Die statistische
Analyse des basalen Aktivitätsniveaus erfolgte mittels zweiseitigem-ein-Proben tTest (hypothetischer Wert 0). Der Graph fasst 2 unabhängige Versuchsansätze mit
2-fachen intraexperimentellen Kontrollen zusammen. Die grafische Darstellung
enthält Plots des Standardfehlers des Mittelwertes.
3.1.4 Matrix-Metalloproteinase-9 ELISA
3.1.4.1 Testprinzip
Die MMP-9 Quantifizierung im Zellkulturüberstand erfolgte mit dem „Human MMP-9
ELISA“ von Bender MedSystems (BMS2016/2CE, San Diego, USA). Der Assay
detektiert sowohl die latente (92 kDa) als auch die aktive (83 kDa) Form der
humanen MMP-9. Ähnlich zu den MMP-2 Bestimmungen (vgl. 3.1.3.1) nutzt der
Material und Methoden
34
Assay die sog. quantitive „Sandwich“-Enzym-Immunoassaytechnik, wobei sich
jedoch die konjugierten Enzyme unterscheiden. Die genutzte Mikrotiterplatte wurde
mit polyklonalen Antikörpern gegen MMP-9 beschichtet. Diese immobilisierten
Antikörper banden die MMP-9 aus Kontrollen und Proben als Antigen. Nach
gründlichem Waschen wurden wiederum enzymkonjugierte (hier: Biotin) polyklonale
Antikörper hinzugefügt, welche ebenfalls die MMP-9 als Antigen erkannten und eine
andere Bindungsstelle des Moleküls besetzten („Sandwich“). Nach erneutem
Auswaschen von unspezifisch gebundenem Enzym erfolgt die Zugabe von an
Streptavidin gebundener Meerrettichperoxidase. Das Streptavidinmolekül war in der
Lage, mit je einer seiner vier identischen Untereinheiten eine nichtkovalente Bindung
zu einem Biotinmolekül auszubilden, welche zu den stärksten bekannten Bindungen
dieser
Art
zu
zählen
ist
[197].
Nach
Entfernen
von
ungebundener
Meerrettichperoxidase durch erneute Waschung erfolgte die Zugabe eines
Substrates (hier: Tetramethylbenzidin), dessen Umsatz durch Farbumschlag
angezeigt wurde und somit proportional zur zuvor immobilisierten MMP-9 Menge
war. Der Farbumschlag wurde dann unter Zugabe von Phosphorsäure gestoppt und
in einem Mikroplattenleser quantifiziert.
3.1.4.2 Material und Methode
In diesem Assay wurden ebenfalls die etablierten Pankreaskarzinomzelllinien Panc-1
und Colo-357 untersucht. Als eine biologische Positivkontrolle diente wiederum der
Zellkulturüberstand humaner endometrialer Stromazellen (vgl. 3.1.2.3).
Der Gewinn von Zellkulturüberständen erfolgte orientierend am Gelatinase Assay
(vgl. 3.1.2.3) unter Zusatz von 10 % fetalem Rinderserum. Die Durchführung des
ELISA`s orientierte sich strikt an dem vorgeschlagenen Protokoll von Bender
MedSystems.
Nach Lösen des lyophilisierten MMP-9 Standards in 300 µl Aqua dest. (30 ng/ml)
wurde dieser siebenfach mit dem Reaktionspuffer (1% Tween 20, 10% BSA in PBS)
in einer Verdünnungsreihe von 15 ng/ml bis 0,23 ng/ml für eine 5-ParameterStandardkalkulation
verdünnt.
Als
Leerprobe
Reaktionspuffer. Vor Beginn des Versuchs
fungierte
ausschließlich
der
wurden die Proben aus den
Zellkulturüberständen im Verhältnis von 1:25 mit dem Reaktionspuffer verdünnt.
Nach einem ersten Waschschritt aller Löcher mit 2 x 400 µl Waschpuffer (1% Tween
20 in PBS) wurden 90 µl Reaktionspuffer und 10 µl des verdünnten Zellüberstandes
Material und Methoden
(Gesamtverdünnung
35
1:250)
in
jedem
Loch
der
antikörperbeschichteten
Mikrotiterplatte vermischt. Die Zugabe von 100µl des jeweiligen Standards erfolgte
unverdünnt. Abschließend wurden 50 µl des zuvor 1:100 mit Reaktionspuffer
verdünnten Biotin-Konjugats (Polyklonaler biotinkonjugierter Antikörper gegen MMP9) in jedes Well hinzugefügt. Nach 2h Inkubation bei Raumtemperatur auf einem
Mikroplattenschüttler bei 100 rpm wurde jedes Loch mit 2 x 400 µl Waschpuffer
gewaschen
und
100
µl
des
zuvor
1:200
verdünnten
Streptavidin-
Meerrettichperoxidase Konjugats hinzugefügt. Dann erfolgte erneut eine Inkubation
bei Raumtemperatur für 1h auf dem o.g. Mikroplattenschüttler bei 100 rpm. Nach
einem Waschschritt mit 2 x 400µl Waschpuffer wurden 100 µl der Substratlösung
(Tetramethylbenzidin) in jedes Loch gegeben. Die Substratreaktion lief bis zu einer
optischen Dichte von 0,65 des 15 ng/ml Standards bei 620nm (4 Minuten
Bestimmungsintervall) und wurde dann unter Zugabe von 100 µl 1M Phosphorsäure
gestoppt. Die optischen Dichten wurden sofort in einem Mikroplattenleser bei einer
Wellenlänge von 450 nm bestimmt. Die Interpolation der Standardkurve und die
Berechnung gemessener Konzentrationen erfolgte mit der Software Softmax Pro 4.6.
Alle
gezeigten
Messwerte
wurden
unter
Kalibrierung
und
berücksichtigter
Verdünnung generiert. Der intraexperimentelle Varianzkoeffizient lag bei 16,35 %
(Panc-1)
–
57,69
%
(Colo-357).
Die
statistische
Analyse
des
basalen
Aktivitätsniveaus erfolgte mittels zweiseitigem-ein-Proben t-Test (hypothetischer
Wert 0), die statistische Analyse unter Stimulationsbedingungen mit einem
zweiseitigen t-Test. Die Graphen fassen 3 unabhängige Versuchsansätze mit 2fachen intraexperimentellen Kontrollen zusammen. Die grafische Darstellung enthält
Plots des Standardfehlers des Mittelwertes.
3.1.5 Migrations-Assay
3.1.5.1 Testprinzip
Der Migrations-Assay (auch „In-vitro-Wounding-“ oder „Scratch-Assay“) diente der
Beurteilung der Migrationsfähigkeit einer Zellkultur unter definierten Bedingungen.
Zunächst wurde die Proliferationsfähigkeit einer konfluenten Zellkultur durch Einsatz
eines zytotoxischen Antibiotikums (hier: Mitomycin-C) bei noch intakter Zellintegrität
inhibiert. Folgend fügte man der adhärenten Zellschicht eine kontrollierte und
reproduzierbare Läsion („Scratch“) zu. Die Migrationsfähigkeit einzelner Zellverbände
Material und Methoden
in
diese
Läsion
wurde
36
unter
verschiedenen
Versuchsbedingungen
(hier:
Stimulationsansätze) in genormten Zeitintervallen (hier: 12h) unter einem Mikroskop
beobachtet und quantifiziert.
3.1.5.2 Material und Methode
In diesem Assay wurde das Migrationsverhalten der Zelllinien Panc-1, Colo-357 und
MIA PaCa-2 (vgl. [168]) unter Stimulation mit Isoproterenol (ISO, 16504, SIGMA, St.
Louis, USA), Noradrenalin (NE, A7257, SIGMA, St. Louis, USA) und Propranolol
(P0884, SIGMA, St. Louis, USA) untersucht.
Zunächst wurde jedes Loch einer 12-Lochplatte (Millipore, Massachusetts, USA) mit
einem Gravurgerät in 4 äquivalente horizontale Zonen unterteilt (Abb. 7A). 24h vor
Versuchsbeginn wurden 200.000 Zellen / Loch der zu untersuchenden Zelllinie in 2
ml RPMI-Medium + 10 % fetalem Rinderserum bis zur konfluenten Adhärenz
ausplatiert. Die Proliferation der Tumorzellen wurde durch 2h Inkubation der Zellen in
500 µl 10 µg/ml Mitomycin-C (M4287, SIGMA, St. Louis, USA) bei 37° C inhibiert.
Das zytotoxische Antibiotikum Mitomycin-C interkalierte zwischen zwei Strängen der
DNA, in dessen Folge die DNA-Stränge kovalent miteinander verbunden wurden. So
wurde eine Dissoziation der DNA-Stränge erschwert und eine Replikation war nicht
mehr möglich. 5 Minuten vor Ende der Inkubationszeit wurden zwei senkrechte,
möglichst parallele Läsionen mit einer 200µl Pipettenspitze in der Zellkultur gesetzt.
Die Zellen wurden dann mit 2 ml PBS (GIBCO, Carlsbad, USA) vorsichtig
gewaschen und für 48h mit 1µM Isoproterenol, 1 µM Noradrenalin oder 1µM
Isoproterenol + 1µM Propranolol in RPMI-Medium + 10 % fetalem Rinderserum
inkubiert. In einem 12h-Intervall wurde ein mikroskopisches Foto von zuvor
definierter Stelle der Läsion (grafisch markiert durch horizontale Zonennummerierung
und vertikale Läsionen, vgl. Abb. 7A) akquiriert und das Stimulans erneuert. Um eine
quantifizierende Beurteilung der Migrationsfront sicher zu stellen, wurde diese auf
jedem Foto bei identer Vergrößerung durch schwarze Pixel (RGB) in PhotoPaint12
(Corel, Ottawa, Kanada) markiert (Abb. 7B). Der prozentuale Anteil der schwarzen
Pixel an der Gesamtpixelzahl wurde mittels eines Histogramms errechnet und diente
als ein repräsentativer, numerisch quantifizierbarer Parameter für das jeweilige
Fortschreiten der Migrationsfront. Diese Evaluationstechnik war Grundlage der in
Abb. 20 gezeigten statistischen Aufbereitung.
Material und Methoden
37
Abb. 7, Objektivierung und Evaluation des Migrations-Assay.
A: Zur reproduzierbaren Identifizierung des fotografierten Läsionsbereichs genutzte Skizze
(im Uhrzeigersinn um 90° verdreht). Die Markierung der horizontalen Linien (1-3) erfolgte
mittels Gravurgerät vor Beginn des Assays, die zwei senkrechten, welligen Linien
symbolisieren die zwei gesetzten Läsionen. Die Lokalisation des 0h Fotos wurde markiert
und zu den folgenden Zeitpunkten wieder aufgesucht.
B: Evaluation der Migrationsfront mit Photo Paint 12. Die Migrationsfront wurde nach
abgebildetem Schema mit schwarzen Pixeln belegt. Die schwarzen Pfeile im Histogramm
weisen auf den entsprechenden Spitzenwert schwarzer Pixel (760018 Pixel) in
ausreichender Entfernung zur restlichen Farbkomposition (*) des Bildes hin. Da das
gezeigte Bild insgesamt 1.420.032 Pixel (grauer Pfeil) enthält, ergibt sich ein Anteil der
Migrationsfront von 53,5 %.
Der durchgeführte Migrations-Assay diente einer ersten Orientierung zur Evaluation
der Zellmobilität unter Stimulationsbedingungen. Alle gezeigten Statistiken basieren
auf der relativen Zunahme der Migrationsfront in Richtung der artifiziellen Läsion
innerhalb von 48 h von einem als 0 definierten Läsionsdurchmesser aus. Die relative
Angabe der Progression der Zellfront (nach (X h Wert – 0 h Wert) / (100 – 0 h Wert))
erschien sinnvoll, da die Manipulation der Zellkultur mit einer 200 µl Pipettenspitze in
einem nicht genau reproduzierbaren Läsionsdurchmesser resultiert. So verzerren
absolute Daten eine eventuelle Migrationsbeschleunigung. Auf eine SignifikanzTestung der akquirierten Daten wurde bewusst verzichtet, da ein Scratch-Assay
dieser Art aufgrund methodisch immanenter Variabilität und Bias-Behaftung nach
Meinung des Autors, lediglich einen verlässlichen, aber nur ersten visualisierten
Hinweis auf etwaige Mobilitätsveränderungen unter Stimulationsbedingungen geben
sollte. Eine genauere Beschreibung dieser Eigenschaften auf Signifikanzniveau,
Material und Methoden
38
kann dann durch den Einsatz validerer und besser reproduzierbarer Methoden
erreicht werden (vgl. 3.1.6.2 und 1.1.1). Nach Meinung des Autors suggeriert hier die
Angabe eines Signifikanz-Niveaus eine nicht zutreffende Methodenvalidität.
3.1.6 Invasions-Assay
3.1.6.1 Testprinzip
In einem klassischen Invasionsassay [198, 199] wurde die poröse Membran eines
Zellkultureinsatzes zunächst mit definierter Menge eines biologischen Materials (z.B.
Matrigel, Kollagen 1) beschichtet. Diese Materialschicht diente der Simulation
verschiedener biologischer Barrierensysteme (z.B. Basalmembran) und unterteilte
den Versuchsaufbau in ein oberes und unteres Kompartiment. Nach der Migration
(„Invasion“) der in das obere Kompartiment ausgesäten Tumorzellen durch die
artifizielle Barriere hafteten diese an der Unterseite des Zellkultureinsatzes (Abb. 8).
Nach einem bestimmten Zeitintervall konnte der prozentuale Anteil der invadierten
Zellen lichtmikroskopisch oder unter Benutzung anderer Methoden quantifiziert
werden. Da das Durchbrechen der Basalmembran für die Progression einer
Tumorerkrankung von entscheidender Bedeutung ist (vgl. 1.1.2), war es wichtig
diesen Schritt der Tumoretablierung unter verschiedenen Versuchsbedingungen zu
untersuchen.
Abb. 8, Skizze des Invasions-Assays aus [200].
Die Membraneinsätze wurden mit Matrigel (grau) beschichtet. Anschließend wurden die
Tumorzellen in das obere Kompartiment ausgesät und die invadierten Zellen nach 48h unter
Trypsination der Membranunterseite quantifiziert.
Material und Methoden
39
3.1.6.2 Material und Methode
3.1.6.2.1 Invasion
Um das Invasionsverhalten durch eine Basalmembran unter Stimulation zu
simulieren, wurde ein Matrigelinvasionsassay [201] mit der Pankreaskarzinomzelllinie
Colo-357 durchgeführt. Die Zelllinien wurden 24h vor Versuchsbeginn mit PBS
gewaschen und in serumfreiem RPMI Medium erneut inkubiert. So sollte eine
möglichst deutliche Migrationsreaktion auf den genutzten Rinderserum-Gradienten
zwischen oberem und unterem Versuchskompartiment erreicht werden. Die
Zellkultureinsätze mit einer Porengröße von 8 µm aus Polycarbonat für 12Lochplatten (140656, NUNC, Schwerte, Deutschland) wurden am Tag vor
Versuchsbeginn nach Waschen mit serumfreiem RPMI Medium mit 200 µl in PBS zu
200 µg/ml verdünntem Matrigel (“Growth Factor Reduced BD Matrigel Matrix,
Basement Membrane” , BD Bioscience, New Jersey, USA) bei streng eingehaltenen
4 °C auf Eis beschichtet und für 1h bei 37 °C inkubiert. Matrigel ist ein gelatinöses
Proteingemisch, welches aus murinen Engelbreth-Holm-Swarm (EHS) Sarkomen
gewonnen wird und aufgrund seines Reichtums an Laminin und Kollagen IV oft zu
Studien der Invasionsfähigkeit von Krebszellen an der Basalmembran genutzt wurde
[201]. Nach Abnahme des unpolymerisierten Matrigels, wurde erneut vorsichtig mit
serumfreiem RPMI Medium gewaschen und die polymerisierte Matrigelschicht über
Nacht bei Raumtemperatur getrocknet. Folgend wurden 200.000 Tumorzellen /
Zellkultureinsatz in 500µl RPMI-Medium unter Zusatz von 1 % fetalem Rinderserum
und 1 µM Isoproterenol oder 1 µM ISO + 1 µM Propranolol auf die polymerisierte
Matrigelschicht in das obere Kompartiment ausgesät. Das untere Kompartiment
wurde für die ersten 2h mit 600 µl serumfreiem RPMI Medium (um zunächst eine
gewisse Adhärenz zu ermöglichen) und folgend mit 600µl Medium unter Zusatz von
10% fetalem Rinderserum angefüllt. Die Zellen wurden so für 48h inkubiert, wobei
das Stimulans enthaltende RPMI Medium + 1 % fetales Rinderserum des oberen
Kompartiments alle 24h erneuert wurde. Nach vorsichtigem Waschen der
Zellkultureinsätze mit PBS, wurden deren Unterseiten in 500 µl 0,125 % TrypsinEDTA (Invitrogen, Carlsbad, USA) in neuen Löchern für 7 min bei 37 °C inkubiert, so
dass die invadierten Zellen an der Unterseite des Einsatzes im Trypsin gelöst werden
konnten. Adhärente Zellen auf dem Boden des Zellkulturkompartimentes im unteren
Kompartiment wurden aufgrund schlechter Reproduzierbarkeit verworfen. Die
Material und Methoden
40
trypsinierte Zellsuspension wurde bei 2000g für 2 Minuten zentrifugiert, der
Überstand dekantiert und das erhaltene Zellpellet bei -80 °C eingefroren.
3.1.6.2.2 Zellquantifizierung
Für eine objektive und reproduzierbare Quantifizierung der invadierten Zellen wurde
der DNA-basierte Ansatz des CyQuant NF Cell Proliferation Assay Kit (C35006,
Invitrogen, Carlsbad, USA) genutzt. Dieser Ansatz basiert auf einem mit der DNA
interkalierenden Fluoreszenzfarbstoff und setzt eine proportionale Beziehung der
durch das Fluoreszenzniveau repräsentierten DNA-Menge und der absoluten
Zellzahl voraus. Es ist zu beachten, dass erst Fluoreszenz emittiert wird, wenn es
aufgrund der DNA-Interkalation zu einer Änderung der Proteinkonformation
gekommen ist.
Die zu quantifizierenden Zellpellets wurden in 100 µl HBSS (Invitrogen, Carlsbad,
USA) resuspendiert und je 50 µl der Zellsuspension in einem Loch einer 96Lochplatte zur Doppelbestimmung analysiert. Nach Zugabe von 50 µl des zuvor
1:250 in HBSS verdünnten interkalierenden Fluorochroms („Color Dye Reagent A“),
wurde die Mikrotiterplatte für 45 min bei 37 °C in Dunkelheit inkubiert. Anschließend
wurde das konstante Fluoreszenzniveau als Korrespondenz zur absoluten Zellmenge
der Proben in einem Fluoreszenzmikroplattenauslesegerät bei einer Exzitation von
485 nm und einer maximalen Emission von 530 nm quantifiziert. Um diese
Quantifizierung der Zellen verlässlich
zu gestalten, wurden entsprechende
Verdünnungsreihen der zu untersuchenden Zelllinie von 105 Zellen / 100µl bis 1563
Zellen / 100µl hergestellt. Diese dienten im geschilderten Verfahren der Kalkulation
der Standardkurve und ermöglichten so die Ermittlung absoluter Zellzahlen aus den
gemessenen Fluoreszenzwerten (Abb. 9). Die Berechnungen aus der Interpolation
der Standardkurve erfolgten mit der Software Softmax Pro 4.6.
Material und Methoden
41
Abb. 9, Standardkurve von Colo-357 zur Quantifizierung invadierter Zellen.
Eine zur Zellquantifizierung genutzte lineare Standardkurveninterpolation der Zelllinie Colo-357 in
Softmax Pro 4.6. Die Abszisse zeigt die Anzahl der Zellen, die Ordinate die gemessene
Fluoreszenzemission. Pearson-Korrelation r² = 0,993.
Die statistische Analyse unter Stimulationsbedingungen
erfolgte mit einem
zweiseitigen t-Test. Der Graph fasst 3 unabhängige Versuchsansätze mit 3-fachen
intraexperimentellen Kontrollen zusammen. Die grafische Darstellung enthält Plots
der Standardabweichung.
3.1.7 Bromdesoxyuridin (BrdU)-Assay
3.1.7.1 Testprinzip
Um
das
Proliferationsverhalten
Stimulationsbedingungen
zu
der
untersuchen,
Pankreaskarzinomzelllinien
wurde
ein
unter
Pyrimidinanalogon
inkorporierender Ansatz mit kolorimetrischer Quantifizierung unter Benutzung des
„Cell Proliferation ELISA, BrdU (colorimetric)“ von ROCHE (11647229001, Berlin,
Deutschland) gewählt.
Während die Tumorzellen mit 5-Brom-2'-desoxyuridin (BrdU) inkubiert wurden, wurde
dieses bei Neusynthese von DNA anstelle des Desoxythymidins (Abkömmling der
Pyrimidin-Nukleobase
Thymin)
in
die
Doppelhelix-Struktur
inkorporiert.
Ein
verlässliches Ergebnis dieses Versuches setzt ein proportionales Verhältnis der
Material und Methoden
42
inkorporierten BrdU-Menge zur Menge an neusynthetisierter DNA voraus. Bei der
anschließenden Fixierung der Zellen wurde ebenfalls die DNA denaturiert, um sie
den nun genutzten monoklonalen Antikörpern (Maus) gegen BrdU leichter zugänglich
zu machen. Diese BrdU-spezifischen Antikörper waren Peroxidase-konjugiert,
welche
nach
entsprechend
gründlicher
Waschung
das
Substrat
(Tetramethylbenzidin) umsetzten. Die aus dieser Reaktion resultierende Änderung
der optischen Dichte war der Menge neusynthetisierter DNA äquivalent und konnte in
einem Mikroplattenlesegerät quantifiziert werden. Der Test korrelierte in Sensitivität
und
Spezifität
laut
Herstellerangaben
eng
mit
dem
[3H]-Thymidin-
Inkorporationsprinzip, stellte aber eine ungefährlichere, nicht radioaktive Alternative
dar.
3.1.7.2 Material und Methode
In obig erklärtem Versuchsaufbau wurden die Pankreaskarzinomzelllinien Panc-1,
Colo-357, MIA PaCa-2, BxPc-3 und die murine Zelllinie 6606PDA auf Änderung ihres
Proliferationsverhaltens unter Stimulation mit 1 µmol Isoproterenol, 1 µmol
Noradrenalin oder 1 µmol ISO + 1 µmol Propranolol bzw. 1 µmol NE + 1 µmol
Propranolol untersucht.
12 h vor Versuchsbeginn wurden zunächst 10.000 Zellen / Loch in RPMI-Medium +
10 % fetales Rinderserum auf einer 96-Lochplatte bis zur Adhärenz ausplatiert. Dann
wurde jedes Loch der adhärenten, nicht konfluenten Tumorzellen zunächst mit 100µl
serumfreiem RPMI-Medium, das jeweilige Stimulans enthaltend, für 12 h inkubiert.
Nach Ablauf der Zeit wurde das Stimulans in 90 µl / Loch erneuert und unter Zugabe
von 10 µl der zuvor 1:100 mit Zellkulturmedium verdünnten BrdU-Lösung (10mM)
wurde eine finale BrdU-Konzentration im einzelnen Loch von 10 µM für ein weiteres
12 h Inkubationsintervall erreicht.
Zu Versuchsbeginn wurde der Zellüberstand dekantiert und die adhärenten Zellen für
30 min bei Raumtemperatur unter Zugabe von 200 µl /Well „FixDenat-Solution“
fixiert. Der lyophilisierte Peroxidase-konjugierte BrdU-spezifische Antikörper wurde in
1,1 ml Aqua dest. rekonstituiert und vor Gebrauch 1:100 in „Antibody-Dilution
Solution“ verdünnt. Nach Zugabe von 100 µl / Loch der verdünnten Antikörperlösung
wurde die Platte bei Raumtemperatur für 90 min inkubiert. Nach dreimaliger
Waschung jedes Lochs mit 300 µl PBS wurden 100 µl der Substratlösung
(Tetramethylbenzidin) in jedes Loch hinzugefügt. Diese durch Änderung der
Material und Methoden
43
optischen Dichte angezeigte Substratumsatzreaktion war der neusynthetisierten
DNA-Menge proportional. Die Farbumschlagsreaktion wurde nicht gestoppt und in
einem Mikroplattenleser bei 370 nm und einer Referenzwellenlänge von 492 nm alle
5 Minuten erfasst. Die optimale (maximale Trennschärfe) Umsatzzeit lag je nach
Zelllinie bei 10 - 20 Minuten. Für jede Zelllinie wurden Leerproben (unspezifische
Bindung von BrdU ohne Zellkörper) und Hintergrundkontrollen (unspezifische
Bindung des Peroxidase-konjugierten Antikörpers an Zellstrukturen ohne BrdUInkubation) angefertigt.
Die mit der Software Softmax Pro 4.6 ermittelten Dichtewerte wurden jeweils als
relative Änderung ihrer versuchsinternen Kontrolle erfasst. Die statistische Analyse
unter Stimulationsbedingungen erfolgte mit einem zweiseitigen gepaarten t-Test. Die
statistische Analyse erfolgte hier im sog. gepaarten t-Test, da identische
Versuchsansätze mit geringfügig unterschiedlicher Inkubationszeit in die statistische
Analyse einflossen. Die Graphen fassen 2 (Zelllinie BxPc-3) – 5 (Zelllinie 6606PDA)
unabhängige
Versuchsansätze
mit
3-fachen
intraexperimentellen
Kontrollen
zusammen. Die grafische Darstellung enthält Plots des Standardfehlers des
Mittelwertes.
Material und Methoden
44
3.2 In-vivo-Untersuchungen
Alle Tierversuche wurden aufgrund des sehr arbeits- und zeitintensiven Designs
gemeinsam mit Florian Seubert durchgeführt.
3.2.1 Grundlagen
Alle Tierversuche wurden in speziell ausgestatteten Räumen der BioTechnikum
Greifswald GmbH (Walther-Rathenau-Str. 49a, 17489 Greifswald; Geschäftsführer
Dr. Wolfgang Blank) unter Kooperation mit Mitarbeitern der Abteilung für
Versuchstierkunde (verantwortet durch Frau Prof. Klöting) durchgeführt und vom
Landesministerium
für
Ernährung,
Landwirtschaft,
Forsten
und
Fischerei
Mecklenburg-Vorpommern genehmigt (LALLF M-V TSD/7221.3-1.1-056/06). Die
antragsgerechte Durchführung der Tierversuche wurde durch den verantwortlichen
Antragssteller Dr. med. L. I. Partecke engmaschig begleitet und beaufsichtigt.
Für die Experimente wurden ausschließlich männliche C57BL/6N Mäuse von Charles
River (Bad Sulzfeld, Deutschland) genutzt. Alle Mäuse waren zu Versuchsbeginn
zwischen 6-8 Wochen alt und wogen 19 – 23 g. Der Gewichtsverlauf wurde durch
wöchentliches Wiegen dokumentiert.
Zur
Akklimatisierung
und
Etablierung
einer
käfigeigenen
Sozialstruktur
(beispielsweise zur Reduktion von Verbiss) wurden die Mäuse direkt nach Ankunft in
entsprechende Versuchsgruppen randomisiert und für mindestens 14 d unter
definierten Bedingungen (Raumtemperatur 21 °C, relative Luftfeuchtigkeit 50 % – 60
% und Hell / Dunkel Rhythmus von 12 h/12 h) in pathogenarmer Umgebung
gehalten. Maximal wurden 7 Tiere in einem Käfig gehalten.
Alle Tiere wurden mit Futter und filtriertem Wasser ad libitum versorgt. Zur Fütterung
wurde artgerechtes Spezialfutter für Mäusezucht verwendet: V1126-00 ssniff M-Z
(ssniV Spezialdiäten GmbH, Soest, Deutschland), zusammengesetzt aus Rohprotein
22,1 %, Rohfett 4,5 %, Rohfaser 3,9 %, Rohasche 6,7 %, Calcium 1%, Phosphor 0,7
% und Natrium 0,25 %. Als Zusatzstoffe waren die Vitamine A, C, D3, E und Kuper(II)-sulfat Pentahydrat enthalten.
Material und Methoden
45
3.2.2 Tumorimplantation
Um eine valide Beurteilung des Stresseinflusses auf die Tumorprogression zu
gewährleisten,
wurde
unter
adäquater
Anästhesie
ein
murines
orthotopes
Adenokarzinom des Pankreaskopfes bei voller Immunkompetenz implantiert.
3.2.2.1 Narkose
Um die nötige Laparotomie mit anschließender Tumorimplantation schmerzfrei,
sicher und reproduzierbar durchzuführen, bedurfte es einer zuverlässigen,
bewusstseinsmanipulierenden und muskelrelaxierenden Analgesie. Es wurde eine
intraperitoneale Injektionsnarkose mit 87 mg / kg Ketamin (Ketanest S©, Pfizer,
Berlin, Deutschland) und 13 mg / kg Xylazinhydrochlorid (Rompun©, Bayer,
Leverkusen, Deutschland) in isotonischer 0,9 % NaCl-Lösung durchgeführt. Das
absolute intraperitoneale Injektionsvolumen betrug 250 µl.
Das
Cyclohexanderivat
dissoziatives
Ketamin
Anästhetikum
mit
wurde
aufgrund
seiner
Herz-Kreislaufstimulation
Eigenschaften
als
ausgewählt.
Die
Wirkmechanismen des Ketamins sind teilweise unklar und sehr vielfältig. Neben
einer leicht agonistischen Wirkung an Opioid- und Gamma-AminobuttersäureRezeptoren (GABA), entfaltet es vor allem eine antagonistische Wirkung am NMethyl-D-Aspartat-Rezeptor (NMDA) und führt so unter anderem zu einer Hemmung
der NMDA-abhängigen Acetylcholinfreisetzung, bei erschwerter Rückresorption von
Katecholaminen wie Noradrenalin und Dopamin am synaptischen Spalt. So
gewährleistet es eine adäquate Hypnose und Analgesie unter weitgehend intakten
Schutzreflexen und findet aufgrund seiner relativ einfachen Handhabung vor Allem in
der Notfallmedizin Anwendung [202].
Das Xylazinhydrochlorid ist ein in der Veterinärmedizin weit verbreiteter zentraler und
peripherer α-2-Adrenorezeptor-Agonist. So wirkt es stark sedierend mit ausgeprägter
Hypnose und sorgt neben einer leichten zentralen Muskelrelaxation für eine je nach
Tierart unterschiedlich ausgeprägte Analgesie [203].
Material und Methoden
46
3.2.2.2 Implantationsprotokoll
3.2.2.2.1 Vorbereitung der tumorinduzierenden Injektionslösung
Für die Implantation wurde eine subkonfluente 6606PDA Zellpopulation einer 10 cm
Zellkulturschale (BD Bioscience, New Jersey, USA) genutzt. Diese wurde zweimal
mit PBS gewaschen, anschließend mit 0,25 % Trypsin-EDTA-Lösung geerntet, in
serumfreiem DMEM resuspendiert, mittels Tryphanblau auf Viabilität (> 95 %)
überprüft und gezählt (vgl. 3.1.1).
Zur Herstellung der tumorinduzierenden Injektionslösung wurden 1,6 x 10 6
Tumorzellen in 80 µl PBS und 80 µl MatrigelTM (BD Bioscience, New Jersey, USA)
bei 4 °C resuspendiert. Während der Resuspension ist unter allen Umständen auf ein
luftblasenfreies Vorgehen bei gleichmäßiger Durchmischung zu achten.
Das genutzte Matrigel (vgl. 3.1.6.2.1) ist auf Eis (4 °C) flüssig und polymerisiert nach
Injektion in den Pankreaskopf (ab 10 °C) zu einer biologisch aktiven BasalmembranMatrix. Diese Matrix beinhaltet die zur Anheftung epithelialer Tumorzellen nötigen
Molekularstrukturen
Initialstadiums
und
der
gewährleistet
Tumorprogression
die
nötige
und
Integrität
vermeidet
während
eine
des
artifizielle
Tumordissemination [204].
3.2.2.2.2 Laparotomie und Injektion
Die zu injizierende Maus wurde narkotisiert (siehe 3.2.2.1) und in Rückenlage mittels
Klebestreifen fixiert. Nach Durchführung einer ca. 1,5 cm langen rechts betonten
Oberbauchlaparotomie
wurde
der
Pankreaskopf
unter
Verschiebung
des
Dünndarmes und Preluxation mittels eines sterilen Wattetupfers dargestellt.
Für die nun folgende Injektion der Tumorzellen wurde ein gekühlter fein skalierter
elektrischer Mikroinjektor (Hamilton Syringe, Reno, USA) mit einer 27 Gauge
(Außendurchmesser nach ISO/DIN 9626 von 0,40 mm) Kanüle genutzt. Je
Versuchstier wurden nach Infiltration des Pankreaskopfes 2 x 105 Tumorzellen in 20
µl der vorbereiteten Injektionslösung (3.2.2.2.1) langsam injiziert (Abb. 10). Aus einer
vorbereiteten Tumorsuspension wurden maximal sieben Tiere injiziert. Um eine
artifizielle peritoneale Tumordissemination zu vermeiden, wurde der Injektionskanal
nach Herausziehen der Kanüle für ca. 30 s mittels eines sterilen Wattetupfers
komprimiert. Nach Reposition des Pankreas und Darmes wurden Peritoneum und
Material und Methoden
47
Haut in einer einschichtigen und resorbierbaren Naht (4/0, Catgut, Markneukirchen,
Deutschland) vernäht. Eine adäquate Analgesie erfolgte vor Narkose-Ende mit 0,1
mg / kg Buprenorphin subkutan.
Abb. 10, Injektion muriner 6606PDA Zellen in den Pankreaskopf.
Gezeigt ist die Injektion der vorbereiteten Tumorsuspension in den bereits dargestellten Pankreaskopf
(Pfeil) unter Verschiebung des Darmes in einer laparotomierten C57BL/6N Maus.
3.2.3 Stressmodel
72 h nach der Tumorinduktion wurden die Mäuse der Stressgruppe regelmäßigem
chronischem Stress exponiert und die Auswirkungen auf den individuellen
Organismus quantifiziert.
3.2.3.1 Methode und Art des Stressors
Unter der Prämisse, eine konstante und objektiv reproduzierbare Stressumgebung
ohne Adaptionsmöglichkeit (chronisch) zu schaffen, wurde ein an Balb-c Mäusen
etabliertes Stressmodel [121] mit akustischer und räumlicher Komponente gewählt
und entsprechend modifiziert.
Die akustische Komponente lieferte ein ultrahohe Frequenzen emittierender Apparat
zur
Schädlingsbekämpfung
(75616,
Isotronic,
Horb,
Deutschland).
Die
Frequenzemission (15,5 KHz – 19,5 KHz) und Lautstärkeregelung (0 dB – 35 dB)
erfolgte zur Adaptionsverringerung randomisiert.
Um räumlichen Stress zu simulieren, wurden die Mäuse der Stressgruppe in 50 ml
Polypropylen-Röhrchen (BD Bioscience, New Jersey, USA) verbracht. Diese waren
Material und Methoden
48
mit ausreichend Löchern versehen, sodass eine problemlose Ventilation und
Wärmeabgabe gewährleistet waren. Der Schwanz wurde zu keiner Zeit eingeklemmt
und konnte frei bewegt werden.
Die Stressoren wurden täglich in zwei Sitzungen von 2 h appliziert (8 – 10 Uhr und
16 – 18 Uhr). Zwischen den Sitzungen hatten alle Versuchstiere Futter- und
Wasserzugang ad libitum.
Um akustische, visuelle oder olfaktorische Stressoren auszuschließen, wurden die
Kontrolltiere in einem separaten Raum untergebracht.
3.2.3.2 Stressquantifizierung
Als entscheidender Parameter zur Stressevaluation wurde das Tierverhalten mit dem
von Kiank et al. 2005 etablierten Stress Severity Score (SSS) nach entsprechender
Modifizierung beurteilt. Im Wesentlichen maß der „Score“ die 5 verschiedenen
Parameter Urin (1-6), Kot (1-6 / Verdopplung bei Diarrhö), Beschaffenheit des Fells
(1-2 / 1 bei nassem Fell), Lethargie (1-6) und Muskeltonus (1-3) mit der in Klammern
angegebenen
gewichteten
Zahlwertskala
konnten
interindividuelle
Summenbildung
zur
Intensitätsabschätzung.
Unterschiede
des
Durch
Stresserlebens
zuverlässig dokumentiert und ein konstantes Stressniveau über Kontrollniveau
sichergestellt werden (Abb. 23). Das Scoring der Maus erfolgte nach Entnahme aus
den genutzten Röhrchen während einer 2 minütigen Beobachtungsperiode im
eigenen Käfig. Die Entsprechungen der Zahlenwerte einzelner Parameter können
dem Dokumentationsprotokoll (Anhang I) entnommen werden. Die statistische
Analyse des „Stress Severity Score“ unter Stressbedingungen erfolgte mittels
zweiseitigen Mann Whitney Test. Die grafische Darstellung enthält Plots der
Standardabweichung (Abb. 23).
Weiterhin untersuchte unsere Arbeitsgruppe zur Stressverifizierung unter den in
3.2.3.1 genannten Versuchsbedingungen das Serum-Kortisol mittels ELISAVerfahren [193], das Expressionsniveau der Tyrosinhydroxylase im Westernblot als
Parameter der Katecholaminausschüttung [193], die Expression verschiedener
Zytokine
als
Maß
der
stressbedingten
Immunsuppression
[193]
und
den
transversalen Durchmesser der Glandula adrenalis in koronarer Bildebene im MRT
(vgl.
Abb.
12).
Die
statistische
Analyse
der
Nebennierenvolumina
unter
Stressbedingungen erfolgte mit einem zweiseitigen t-Test. Die grafische Darstellung
enthält Plots der Standardabweichung (Abb. 24).
Material und Methoden
49
3.2.4 Auswertung
Im Folgenden wird der Prozess der Datenakquise mittels Magnetresonanztomografie
und chirurgischer Exploration geschildert.
3.2.4.1 Magnetresonanztomographie (MRT)
Die MRT stellt eine valide (3.2.4.1.2), sicher reproduzierbare und objektive Methode
zur morphologischen Beurteilung pankreatischer Prozesse auf einem Zeitstrahl dar
[205, 206]. So können Versuchstierzahlen signifikant reduziert und valide
wissenschaftliche Daten gewonnen werden. Für eine sichere und nachvollziehbare
Beurteilung einer eventuellen Tumorprogression im Verlauf ist die MRT die aktuelle
Methode der Wahl.
3.2.4.1.1 Untersuchungsprotokoll
Um den Fortschritt der Tumorprogression zuverlässig zu beurteilen und eventuelle
Differenzen in Stresserleben und Kontrollumgebung zu detektieren, wurden die
operierten Tiere zu vorab definierten Messzeitpunkten (0) unter Verwendung
spezieller Transportkäfige in den Vorraum des genutzten Hochfeld-Kleintier-MRT
(ClinScan, 7.0 Tesla, 290 mTesla / m Gradientenfeldstärke, Bruker, Karlsruhe,
Deutschland) verbracht.
Jedes Tier wurde in einer eigens vom Bauhof der Universität Greifswald
angefertigten atmosphärisch isolierten Kunststoff-Box mit Gaseinleitung narkotisiert.
Die Gaseinleitung von 3 % Isofluran© (Baxter, Unterschleißheim, Deutschland) im O2Gemisch erfolgte bei 3 l / min bis zur tiefen Bewusstlosigkeit des Versuchstieres.
Isofluran gehört zu den halogenierten Ethern und ist mit einer relativ schnellen
Anflutungszeit (MAC 1,2 %; vgl. N2O „Lachgas“ MAC 105 %), einem Katecholaminsensibilisierenden negativ inotropen Effekt (vgl. Bradykardie unter halogenierten
Kohlenwasserstoffen wie Halothan) und fast fehlender renaler und hepatischer
Toxizität (vgl. „Halothanhepatitis“) das Anästhetikum der Wahl [202].
Falls Blutentnahmen der Tiere vorgesehen waren (0) wurde jetzt retrobulbär mit
zuvor mittig zerbrochenen heparinisierten Mikrokapillarpipetten (Marienfeld-Superior,
Lauda-Königshofen, Deutschland) punktiert und das Blut in Serumröhrchen (BD
Vacutainer SST II Advance, Greiner bio-one, Kremsmünster, Österreich) bei 4 °C bis
Material und Methoden
50
zur Zentrifugierung (10 min, 3500 rpm) gesammelt. Der Serumüberstand wurde bei 20 °C gelagert.
Anschließend wurden die Mäuse in Bauchlage unter ständiger Anästhesie (1 % - 1,5
% Isofluran© in O2, 1 l / min – 1,5 l / min) in einer Ganzkörper-Maus Spule (Bruker)
gescannt. Um die Vitalfunktionen und das Wohlergehen der Tiere während der
Untersuchung zu überwachen, wurden EKG, Atemfrequenz und Temperatur
abgeleitet. Zur Vermeidung von Bewegungsartefakten erfolgte eine Respirationsausgelöste Sequenzakquise.
Die Akquisitionszeit der Aufnahmen betrug 20 min – 25 min. Nach 2
Lokalisationssequenzen, die der Orientierung im Versuchstier und der Lokalisation in
X, Y und Z Ebene dienten, wurde ein FoV („Field of View“) definiert, welches den
kranialen Teil der unteren Extremität, das komplette Abdomen und den kaudalen Teil
beider Lungenflügel umfasste. Es folgte die hochauflösende Akquise T2 gewichteter
Bildserien in Koronar- und Transversal-Ebene (Koronar: TR („Time of Relaxation“):
ca. 1200 ms; TE („Time of Echo“): 41.0 ms; FA („Flip-Angle“): 180°; FoV („Field of
view“): 42 mm x 42 mm; Matrix: 240 x 320; 24 Schichten, Schichtdicke: 0,7 mm,
Akquisitionszeit: ca. 15 min; Transversal: TR: ca. 1250 ms; TE: 41.0 ms; FA: 180°;
FoV: 40 mm x 40 mm; Matrix: 240 x 320; 24 Schichten, Schichtdicke: 0,7 mm,
Akquisitionszeit: ca. 10 min).
3.2.4.1.2 Bildauswertung und Volumetrie
Zur
Auswertung
der
akquirierten
MRT-Sequenzen
und
für
eine
valide
Tumorvolumetrie wurden CIT (Center for Information Technology) und NIH (National
Institutes of Health) entwickelte Algorithmen der Software MIPAV (Medical Image
Processing and Visualization, 4.0.3, CIT / NIH, 2008) genutzt [207].
Der Tumor wurde zwecks Volumetrie mittels sog. Interessenregionen („Regions of
Interest / ROI“) in jeder transversalen Schicht markiert (Abb. 11A). Um die
Kompatibilität der genutzten Volumetrie Algorithmen mit dem genutzten MRT-System
zu verifizieren, wurde neben adäquater Literatur [208] ein Phantom mit definiertem
Volumen unter Verwendung der in 3.2.4.1.1 beschriebenen Sequenzen untersucht
(Abb. 11B). So konnte die Akquise valider Volumetriedaten gewährleistet werden.
Material und Methoden
51
Abb. 11, Tumorvolumetrie und Ergebnisvalidierung mittels MRT-Phantom.
A: In jeder Schicht der transversalen Sequenz, die Tumoranteile zeigte, wurden diese mittels
einer Region of Interest (ROI) markiert (rechts). Die oberen Bilder zeigen exemplarisch einen
Tumorausläufer (hier: kranial, Schicht 19 / 34, Schichtdicke 0,7 mm), während unten die
Schicht des größten transversalen Tumordurchmessers gezeigt ist (Schicht 15 / 34,
Schichtdicke 0,7 mm). Alle markierten ROIs ergeben durch Interpolation der Flächen mittels
Software (basierend auf einer kubischen Parabelfunktion mit geeigneten Koeffizienten (aix3 +
bix2 +cix + d)) das gesuchte Volumen (aus Versuchsreihe III, Maus III / 5, 28 d post
Tumorinduktion, Tumorvolumen 199,45 mm3, max. Tumor-Ø 7,13 mm).
B: Als MRT-Phantom zur Volumenvalidation wurde ein mit 1000 mm 3 (kalibrierte Pipette) Aqua
dest. gefülltes konisches 1,5 ml Röhrchen (Eppendorf, Deutschland) genutzt. Das Markieren
mit ROIs erfolgte wie in A beschrieben. Oben : Koronarschnitt (Schicht 9 / 14, SD 0,7 mm).
Unten : Transversalschnitt (35 / 45, SD 0,7 mm).
Die Interpolation der ROI-Daten von einer Transversalsequenz und zwei Koronarsequenzen
ergab eine mittlere Abweichung von 1,8 % von dem zu erwarteten Volumen bei einem
errechneten Mittelwert aller Ebenen von 982 mm 3 (σ + / - 27,2 mm3). Eine Rangliste nach
Wilcoxon (p = 0,5) ergab keinen signifikanten Unterschied zu einem hypothetischen Wert von
1000 mm3.
Die Größenbestimmung der Glandulae adrenales als Aktivitätsparameter der
sympathisch-adrenal-medullären-Achse
maximalen
Durchmesser
(Abb.
12).
[182]
Vor
erfolgte
dem
durch
Erfassung
Hintergrund
einer
ihrer
kleinen
Versuchstieranzahl N und den aus der relativ kleinen Größe der Glandulae (mittlerer
Ø 1,8 mm) resultierenden schwierigen Beurteilungsbedingungen (bei Schichtdicke
0,7 mm) müssen diese methodenimmanenten Limitationen bei der Einordnung der
Ergebnisse berücksichtigt werden. Die akquirierten Ergebnisse sollten nur in
Zusammenschau mit anderen Stressparametern interpretiert werden (vgl. 3.2.3.2,
Material und Methoden
52
4.2.1). Aufgrund der beschriebenen Größenverhältnisse ist unter Verwendung des
geschilderten Systems eine valide Volumetrie nicht trivial. Die schichtweise
Erfassung des maximalen Organdurchmessers erfolgte durch 2 Untersucher und die
intra-individuell erfassten Daten gingen als arithmetisches Mittel in die statistische
Analyse ein.
Abb. 12, MRT-Bildgebung der Glandulae adrenales und Diameterbestimmung.
Gezeigt sind die Nebennieren (weißer Pfeil) in koronarer Ebene der MRT-Untersuchung (links).
Das adrenale Gewebe ist morphologisch klar abgrenzbar und wurde mittels Messung des
maximalen Diameters quantifiziert (rechts) (aus Versuchsreihe III, Maus III/5, 28 d post
Tumorinduktion, Schicht 18 (koronar), max. Ø NN 1,77 mm (σ +/- 0,078)).
3.2.4.2 Exploration
Nach der Untersuchung im Magnetresonanztomografen wurden die narkotisierten
Mäuse je nach Versuchsplanung (0) in ihre ursprünglichen Käfige verbracht, bzw.
durch zervikale Dislokation getötet und der folgenden Exploration zugänglich
gemacht.
Für eine reproduzierbare und untersucherunabhängige Sektion, wurde der Situs
einem stringenten Protokoll folgend exploriert (Anhang II).
Zunächst wurde der abdominale Situs des in dorsaler Lage fixierten Körpers in Uförmiger Schnittführung eröffnet und fotodokumentiert (Abb. 13A). Falls notwendig,
wurden nun Aorta oder Vesica urinaria zur Probengewinnung punktiert.
Material und Methoden
53
Um das Hypoxie-sensitive Gewebe der Glandulae adrenales für eine Quantifizierung
der Tyrosinhydroxylase im Westernblot zu nutzen, wurden die Drüsen zunächst
entfernt und in 1,5 ml Röhrchen (Eppendorf, Hamburg, Deutschland) in flüssigem N2
Schock gefroren und im Anschluss bei – 80 °C gelagert.
Der Tumor wurde unter Erhaltung des Pankreas / Milz Paketes aus der Kurvatur des
Duodenums
präpariert,
wobei
eventuelle
Infiltrationen
anderer
Organe
Berücksichtigung fanden (gemeinsame Präparation). Das Tumorpaket wurde in PBS
gewaschen und fotodokumentiert (Abb. 13B).
Abb. 13, Situsübersicht und Tumorpräparation.
A: Gezeigt ist die Fotodokumentation eines explorationstypischen Situs abdominalis einer
C57BL/6N
Maus
14
d
nach
Tumorimplantation
(duktales
Adenokarzinom
des
Pankreaskopfes, schwarzer Pfeil; Corpus pancreaticus, grauer Pfeil; Milz, weißer Pfeil;
Duodenum, schwarzer Stern; Leber, grauer Stern; Vesica urinaria, weißer Stern).
B: Fotodokumentation (cm) des aus dem Situs präparierten Tumorpaketes (duktales
Adenokarzinom des Pankreaskopfes, schwarzer Pfeil; Corpus pancreaticus, grauer Pfeil;
Milz, weißer Pfeil).
Aus Versuchsreihe III, Maus I/1, Tumorvolumen 238,90 mm3.
Das Tumorgewebe wurde isoliert und mittels elektronischer Schiebelehre in 3
Ebenen vermessen ((L)änge, (W)eite und (H)öhe). Das manuell bestimmte
Tumorvolumen wurde mit einer etablierten Formel für ellipsoide Tumoren (V = L x W
x H x (/6)) errechnet. Dies diente als Grundlage einer Arbeit, die die Validität einer
MR-basierten Bildgebung in dem genutzten Tumormodell analysiert [209]. Je nach
Endpunktanalyse (0) wurde das Tumorgewebe im Anschluss aufgeteilt (Fixierung in
Paraformaldehyd oder Einbettung in Tissue-Tek O.C.T.Compound für Histologie /
Immunhistochemie; Verbringung in 15 ml Röhrchen (Falcon BD, New Jersey, USA),
Schock-Gefrierung in flüssigem Stickstoff und Lagerung bei – 80 °C für ELISAProteinanalysen (MMP-9, VEGF) oder mRNA-Quantifizierungen).
Material und Methoden
54
Der übrige Situs wurde gründlich makroskopisch auf eventuelle Tumorherde
untersucht.
Bei Verdacht
erfolgte
eine
Probenentnahme
mit
histologischer
Aufarbeitung und Diagnostik. Besonderheiten wurden dokumentiert.
3.2.5 Experimenteller Aufbau der Tierversuche
Bei den beschriebenen Tierversuchen handelt es sich um eine für diese
Dissertationsschrift relevante Auswahl von Versuchen und deren Parameter.
3.2.5.1 Überlebensanalyse
Um die Auswirkungen eines chronischen Stresserlebens auf die Prognose eines
murinen
orthotopen
duktalen
Adenokarzinoms
des
Pankreas
in
unserem
Tumormodell zu untersuchen, wurde eine Überlebenskurve von 40 C57BL/6NMäusen unter Induktion von chronischem Stress angefertigt.
Die Mäuse wurden nach Ankunft in 2 verschiedene Versuchsgruppen randomisiert
(Stressgruppe N = 20, Kontrollgruppe N = 20). Tumorinduktion und StressApplikation
erfolgten
wie
bereits
beschrieben
(3.2.2;
3.2.3).
Auszulesende
Versuchsendpunkte waren Tod oder prämortales Tumor-Stadium (signifikante
Verhaltensänderung
Perforation
bei
abdominaler
sehr
starken
Tumorschmerzen
Wandstrukturen).
Auf
eine
oder
kanzerogene
MR-basierte
Evaluation
(Narkose, additionaler Stress) wurde zu Gunsten der Datenvalidität verzichtet. Auf
eine Sektion oder Probenentnahme wurde aufgrund des nicht klar definierbaren
Todeszeitpunktes
(12
h
Supervisionsintervalle)
ebenfalls
verzichtet.
Die
Überlebensraten wurden nach Kaplan-Meier geschätzt (Abb. 25). Hierbei definiert
das Ereignis (Tod) das Beobachtungsintervall. Für jedes erreichte Zeitintervall wird
die bedingte Wahrscheinlichkeit berechnet, dass das Tier dieses überlebt. Die
Gesamtwahrscheinlichkeit, einen bestimmten Zeitpunkt zu überleben, wird als
Produkt der entsprechenden bedingten Wahrscheinlichkeiten ausgedrückt. Eine
statistische Analyse erfolgte ergänzend mit dem Log-rank (Mantel-Cox) Test (χ2 =
6,66) und dem Gehan-Breslow-Wilcoxon Test (p = 0,0189, χ2 = 5,51).
Um einen Zusammenhang der intervallskalierten Parameter „Überleben“ und „Stress
Severity Score“ zu untersuchen erfolgte eine lineare Korrelationsanalyse mittels
Korrelationskoeffizienten nach Bravais und Pearson (Abb. 26). Der Graph zeigt einen
XY-Plot.
Material und Methoden
55
3.2.5.2 Tumorprogression im MRT
Zur Beurteilung der Tumorprogression unter dem Einfluss von chronischem Stress
wurden N = 30 C57BL/6N-Mäuse (3.2.1) in 6 Gruppen zu 5 Tieren randomisiert, in
Stress- und Kontrollgruppe aufgeteilt und wie beschrieben operiert (3.2.2) und
stressexponiert (3.2.3). Serum- und Tumorproben wurden wie in 3.2.4.2 beschrieben
für weitere Analysen gewonnen.
Die Versuchsevaluation erfolgte intervallartig nach 21 d und 35 d mittels MRT und
Exploration. Am letzten Explorationstag wurden die Tumorvolumina ausschließlich
mittels Schieblehre und Formel erfasst.
Hauptauslesekriterien für diese Dissertationsschrift waren SSS-Validität, adrenaler
Diameter und Tumorprogression im Zeitstrahl und im Vergleich zwischen Kontrollund
Stressgruppe.
Die
statistische
Analyse
der
Tumorvolumina
unter
Stressbedingungen erfolgte mit einem zweiseitigen t-Test. Die grafische Darstellung
enthält Plots der Standardabweichung.
3.2.5.3 Überlebensanalyse mit Propranololtherapie
In diesem Versuchsprotokoll wurde die Prognose der tumortragenden C57BL/6NMäuse
unter
Therapie
mit
dem
unspezifischen
Beta-Adrenorezeptorblocker
Propranolol untersucht. Es wurden Überlebenskurven von 72 randomisierten
Versuchstieren in 4 Gruppen mit je 4 Käfigen angefertigt. Eine (-) PropranololGruppe (N = 18) und eine zu therapierende (+) Propranolol-Gruppe (N = 18) wurden
jeweils unter Kontroll- oder Stressbedingungen gehalten. Tumorinduktion und StressApplikation erfolgten wie beschrieben (3.2.2; 3.2.3). Die medikamentöse Behandlung
setzte am ersten Tag post OP ein. Sie wurde per os in Leitungswasser durchgeführt.
Es sollte eine Menge Propranolol (P0884, SIGMA, St. Louis, USA) von 30 – 60 mg /
kg / Tag verabreicht werden. Hierzu wurden 0,5 g / l in 500 ml Leitungswasser gelöst.
Der Flaschenwechsel erfolgte alle 72 h. Um eine sensorische Detektion des
Medikaments mit Vermeidung der Flüssigkeitsaufnahme zu verhindern, wurde das
Wasser aller Gruppen mit 2,5 g Saccharose (S8501, SIGMA, St. Louis, USA) pro 100
ml Leitungswasser gesüßt. Die Propranolol-Applikation (orale Aufnahme und
Resorption) wurde durch Wiegen der Flaschen, Herzfrequenzmessung und
Propranolol-Bestimmung
im
Serum
überwacht
[193].
Auszulesende
Versuchsendpunkte waren Tod oder prämortales Tumor-Stadium. Auf eine MR-
Material und Methoden
56
basierte Evaluation (Narkose, additionaler Stress) wurde zu Gunsten der
Datenvalidität verzichtet. Auf eine Sektion oder Probenentnahme wurde aufgrund
des nicht klar definierbaren Todeszeitpunktes (12 h Supervisionsintervalle) ebenfalls
verzichtet. Die Überlebensraten wurden erneut nach Kaplan-Meier geschätzt (Abb.
30). Für jede vergleichende Analyse der Überlebenskurven der 4 Versuchsgruppen
erfolgte eine weiterführende statistische Analyse:
-
Überlebenskurve (-) Propranolol: Log-rank (Mantel-Cox) Test (χ2 = 17,91) und
Gehan-Breslow-Wilcoxon Test (p = 0,0001, χ2 = 15,03).
-
Überlebenskurve (+) Propranolol: Log-rank (Mantel-Cox) Test (χ2 = 2,28) und
Gehan-Breslow-Wilcoxon Test (p = 0,172, χ2 = 1,87).
-
Überlebenskurve Stressgruppe: Log-rank (Mantel-Cox) Test (χ2 = 7,63) und
Gehan-Breslow-Wilcoxon Test (p = 0,0287, χ2 = 4,78).
-
Überlebenskurve Kontrollgruppe: Log-rank (Mantel-Cox) Test (χ2 = 0,28).
3.2.5.4 Tumorprogression im MRT mit Propranololtherapie
In diesem Versuchsprotokoll wurden unter anderem die Auswirkungen einer
Propranolol-Therapie
auf
die
Tumorprogression
unter
Kontroll-
und
Stressbedingungen untersucht. Eine (-) Propranolol-Gruppe (N = 8) und eine zu
therapierende (+) Propranolol-Gruppe (N = 8) wurden jeweils unter Kontroll- oder
Stressbedingungen gehalten. Tumorimplantation, Medikation und Stressorapplikation
erfolgten wie beschrieben (3.2.2, 3.2.3 und 3.2.5.3). Zu bestimmende Messgrößen
waren u. a. das MR-basierte Tumorvolumen (21 d und 35 d post Induktion) und der
MR-basierte maximaler Durchmesser der Glandulae adrenales. Die statistische
Analyse
der
Tumorvolumina
unter
Stressbedingungen
erfolgte
mit
einem
zweiseitigen t-Test. Die grafische Darstellung enthält Plots der Standardabweichung.
3.2.6 Matrix-Metalloproteinase-9 ELISA Ex-vivo Proben
3.2.6.1 Probengewinnung und Aufbereitung
Neben Verwendung einer lokalisierenden Immunhistologie im Tumorgewebe [193],
wurde die Expression der MMP-9 im Tumorlysat sowie in murinen Seren untersucht
(Tumorprogressionsuntersuchungen ohne Therapiearm). Um den MMP-9 Gehalt der
Material und Methoden
57
Seren mit nicht tumortragenden Kontrolltieren zu vergleichen, wurden Gewichts- und
Alters-äquivalente C57BL/6N Mäuse selektiert.
Die Gewinnung der Proben erfolgte wie beschrieben (3.2.4.1.1, 3.2.4.2).
Das bei – 80 °C gelagerte Tumorgewebe wurde gelöst und quantifiziert [193].
Aufgrund einer mehrtägigen Havarie des laboreigenen – 80 °C Gefrierschrankes
konnte bedauerlicherweise nur ein kleiner Teil der entnommenen Proben auf die
Konzentration der Matrix-Metalloproteinase-9 untersucht werden. Aufgrund bereits
erfolgter immunhistochemischer Verifizierung [193] und der belastungsintensiven
Natur der Experimente, waren in den Augen des Autors jedoch keine additionalen
Tierversuche zur Überprüfung eines Einzelnen Parameters zu verantworten.
Um das MMP-9-Expressionsniveau der murinen Karzinomzelllinie 6606PDA zu
analysieren wurden ebenfalls gewonnene Zellkulturüberstände (3.1.2.3) untersucht.
3.2.6.2 Material und Methode
Die MMP-9 Konzentration wurde mit dem „Quantikine Mouse MMP-9 (total)
Immunoassay” von R&D Systems (MMPT90, Minneapolis, USA) untersucht. Das
Prinzip des Assays entspricht dem unter 3.1.3.1 beschriebenen Versuchsaufbau. Im
Gegensatz zu erwähntem Protokoll wurden lediglich mausspezifische polyklonale
Antikörper gegen die MMP-9 verwendet, die sowohl die aktive, als auch die latente
und die Inhibitor („Tissue inhibitor of metalloproteinase“ / TIMP) - gebundene
Proteinkonformationen detektieren können.
Nach Lösen des lyophilisierten MMP-9 Standards in 2 ml „Calibrator Diluent RD5-10“
(5 ng/ml) wurde dieser sechsfach mit selbiger Lösung in einer Verdünnungsreihe von
2,5 ng/ml bis 0,078 ng/ml für eine 4-Parameter Standardkalkulation verdünnt. Als
Leerprobe fungierte ausschließlich der „Calibrator Diluent RD5-10”. Nach Zugabe
von 50 µl „Assay Diluent RD1-34“ in jedes Loch der antikörperbeschichteten
Mikrotiterplatte, wurden entsprechend 50 µl Leerprobe, Standard, versuchsinterne
Positivkontrolle, Tumorlysat (100 µg / ml Protein) oder Serum (zuvor 1 : 50 mit
„Calibrator Diluent RD5-10“ verdünnt) hinzugefügt. Nach 2h Inkubation bei
Raumtemperatur wurde jedes Loch mit 4 x 400 µl Waschpuffer gewaschen. Nach
Zugabe von 100 µl des polyklonalen Meerrettichperoxidase-konjugierten Antikörpers
gegen die murine MMP-9 („MMP9 Conjugate“) erfolgte erneut eine Inkubation bei
Raumtemperatur für 2h. Während jedes Loch erneut mit 4 x 400µl Waschpuffer
gewaschen wurde, ließ sich die Substratlösung aus volumenäquivalenter Mischung
Material und Methoden
58
von Wasserstoffperoxid („Color Reagent A“) und Tetramethylbenzidin („Color
Reagent B“) vorbereiten. Nach Zugabe von je 100 µl der vorbereiteten
Substratlösung lief die Reaktion für 30 min bei Raumtemperatur unter Lichtschutz ab.
Nach Ablauf der Zeit erfolgte die Zugabe von 100 µl verdünnter Salzsäure („Stop
Solution“) zum Stop der Reaktion. Die optische Dichte wurde sofort in einem
Mikroplattenleser bei einer Wellenlänge von 450nm und einer Wellenlängenkorrektur
bei 540 nm bestimmt. Die Interpolation der Standardkurve und die Berechnung
gemessener Konzentrationen erfolgten mit der Software Softmax Pro 4.6. Die
statistische Analyse der MMP-9 Konzentrationen erfolgte mit einem zweiseitigen tTest. Die grafische Darstellung enthält Plots des Standardfehlers des Mittelwertes.
3.3 Statistik
Die statistische Analyse aller experimentell gewonnenen Daten und deren grafische
Aufbereitung erfolgten, sofern nicht anders gekennzeichnet, mit der Statistiksoftware
Graph Pad Prism 5.0 (Graph Pad Software, Inc., San Diego, Kalifornien, USA, 2007).
Alle
gezeigten
Ergebnisse
resultieren
aus
mindestens
zweifacher
Versuchsdurchführung und wurden auf Signifikanzniveau (p < 0,05) überprüft.
Voraussetzung für eine Anwendung eines t-Test (parametrische Verteilung in
Gaußverteilung) war u.a. eine nicht signifikante (p > 0,05) Differenz der Varianzen im
F-Test. Die genaue Anzahl der Versuchswiederholungen bzw. die Anzahl der
Versuchstiere N, die Anzahl versuchsinterner Kontrollen und die genutzten
statistischen Tests sind an entsprechender Stelle im Material – und Methodenteil
angegeben.
59
4 Ergebnisse
4.1 In-vitro-Untersuchungen
4.1.1 Gelatinase-Assay
Zunächst wurde untersucht, ob die untersuchten Zelllinien über eine Grundaktivität
an Gelatinase verfügten. Hierbei zeigte sich für die Zelllinien Panc1 (p < 0,001) und
Colo-357 (p < 0,001) ein höchstsignifikant nachweisbares Aktivitätsniveau (Abb. 14).
Die murine Zelllinie 6606PDA wies keine sicher detektierbare Gelatinasenaktivität im
Zellkulturüberstand auf (Daten nicht gezeigt).
Fluoreszenzniveau
Gelatinasenaktivität
***
3400
3200
***
1500
***
1000
500
be
rs
tä
nd
e
1
Pa
nc
ES
C
-Ü
C
ol
o35
7
0
Abb. 14, mittlere Gelatinasenaktivität im Zellüberstand.
Gezeigt ist eine hochsignifikante Gelatinasenaktivität über Leerprobenniveau. Die als biologische
Positivkontrolle fungierenden Zellüberstände der endometrialen Stromazellen (ESC), wiesen eine
in etwa doppelt so hohe Enzymaktivität auf (vgl. 3.1.2.3).
Die Zelllinie Colo-357 wies eine signifikant (p < 0,05) erhöhte Gelatinasenaktivität
unter Stimulation mit Isoproterenol auf, welche sich hochsignifikant (p < 0,01) durch
den β-Blocker Propranolol, sowie durch 1,10-Phenanthrolin inhibieren ließ (Abb.
15A). Panc1 zeigte unter Stimulation mit Norepinephrin eine signifikante (p < 0,05)
Zunahme der Gelatinasenaktivität, welche sich hochsignifikant (p < 0,01) durch 1,10Phenanthrolin inhibieren ließ (Abb. 15B).
Ergebnisse
60
Abb. 15, Gelatinasenaktivität unter Stimulationsbedingungen von Colo-357 und
Panc1.
A: Colo-357 zeigte nach 12h Stimulation mit Isoproterenol eine signifikant gesteigerte Aktivität
der Matrix-Metalloproteinasen-2 und -9, welche durch den Betablocker Propranolol, sowie
durch den komplexbildenden Metallo-Proteinasen Inhibitor Phenanthrolin hochsignifikant
reduziert wurde.
B: Das Aktivitätsniveau der Gelatinasen im Zellkulturüberstand der Panc1-Zelllinie konnte durch
Norepinephrin signifikant gesteigert werden. Phenanthrolin hatte erneut einen inhibierenden
Effekt.
Ergebnisse
61
4.1.2 Matrix-Metalloproteinase-2 ELISA
Der Zellkulturüberstand der Zelllinien Colo-357 (p < 0,001) und Panc1 (p < 0,01)
enthielt eine geringe, aber reproduzierbar detektierbare Menge der MatrixMetalloproteinase-2 (Abb. 16).
MMP-2 Basalsekretion
**
50
40
15
10
5
**
Pa
nc
ol
o35
C
ES
C
**
7
0
1
MMP2 Konz. ng/ml
60
Abb. 16, MMP-2 Basalsekretion in den Zellkulturüberstand von Colo-357 und Panc1.
Colo-357 und Panc1 zeigten eine geringe Expression von MMP-2 in den Zellkulturüberstand bei
0,2-1,5 ng/ml, die sich jedoch hochsignifikant über Leerprobenniveau detektieren ließ. Die
wiederum
als
biologische
Positivkontrolle
genutzten
Zellüberstände
der
endometrialen
Stromazellen (ESC) (vgl. 3.1.2.3), wiesen eine hochsignifikante (p < 0,01) Enzymexpression im
Bereich von 60 ng / ml auf.
Ergebnisse
62
4.1.3 Matrix-Metalloproteinase-9 ELISA
Alle
untersuchten
Zelllinien
wiesen
ein
hochsignifikantes
(p
<
0,01)
Expressionsniveau von MMP-9 im Zellkulturüberstand auf (Abb. 17).
MMP-9 Basalsekretion
MMP-9 Konz. ng/ml
60
**
*
**
40
20
ES
C
7
ol
o35
C
Pa
nc
1
0
Abb.
17,
basale
MMP-9
Sekretion
der
untersuchten
Zelllinien
in
den
Zellkulturüberstand.
Im Vergleich zur Expression der MMP-2 (4.1.2) ließ sich für die MMP-9 eine deutliche Sekretion in den
Zellkulturüberstand aller untersuchten Zellkulturen feststellen. Die biologische Positivkontrolle, der
ESC-Zell-Überstand (vgl. 3.1.2.3) wies eine, verglichen mit ihrem MMP-2-Gehalt (4.1.2), leicht
niedrigere Konzentration an MMP-9 auf.
Bei hoher intraexperimenteller Varianz (vgl. 3.1.4.2) ließ sich für die Expression der
MMP-9 in den Zellkulturüberstand keine signifikante Expressionssteigerung oder hemmung unter katecholaminergen Stimulationsbedingungen finden (Abb. 18).
Ergebnisse
63
Abb. 18, MMP-9 Konzentration im Zellkulturüberstand von Colo-357 und Panc1
unter Stimulationsbedingungen.
A: Nach 12h Stimulation mit Isoproterenol zeigte Colo-357 eine gesteigerte Expression der
Matrix-Metalloproteinase-9 in den Zellkulturüberstand. Ein Einfluss des Betablockers
Propranolol fand sich ebenfalls. Allerdings waren diese Ergebnisse statistisch nicht
signifikant (p = 0,16).
B: Unter Stimulation mit Norepinephrin fand sich für Panc1 ein deutlicher, wenngleich nicht
signifikanter (p = 0,14) Anstieg der Expression der MMP-9 in den Überstand.
4.1.4 Migrations-Assay
Es zeigte sich für Colo-357 eine deutliche Zunahme der Zellmobilität unter
Stimulation mit Isoproterenol, welche erneut durch den Betablocker Propranolol
inhibiert werden konnte (Abb. 19 und Abb. 20A).
Ergebnisse
64
Abb. 19, Migrations-Assay von Colo-357 über 48 h.
Colo-357 zeigte unter Stimulation mit Isoproterenol eine deutlich beschleunigte Migration in die
Läsion. Zu beachten sind insbesondere die Migration einzelner Zellverbände nach 12 h, sowie eine
deutlich verschmälerte Läsion ab 24 h Stimulationszeit. Das Migrationsverhalten der Tumorzellen
konnte durch Zugabe von Propranolol normalisiert, das heißt inhibiert werden.
Ergebnisse
65
Für MIA PaCa-02 zeigte sich unter Isoproterenolstimulation eine mit Propranolol
inhibierbare beschleunigte Migration der Zellfront, besonders in den letzten 12 h
(Abb. 20B). Für Panc1 konnten keine Auswirkungen der Stimulanzien auf die
Zellmobilität erfasst werden. Im Vergleich mit Colo-357 und MIA PaCa-2 zeigt sich
jedoch eine deutlich schnellere Basalmigration der Tumorzellen (Abb. 20C).
Versuchsansätze mit Norepinephrin
erbrachten
für Panc-1 ebenfalls
messbaren Effekte des Stimulans auf die Zellmigration (Daten nicht gezeigt).
keine
Ergebnisse
66
Abb. 20, relative Entwicklung der Migrationsfront von Colo-357, MIA PaCa-2 und Panc1 über 48 h.
A: Die obere Grafik zeigt das Migrationsverhalten von Colo-357 in einer non-linearen Regression (Ein-Phasenmodell, 2 Freiheitsgrade) der relativen Migration in die gesetzte
Läsion. Bei 0 h beginnend, zeigt sich ein deutlicher Migrationsvorteil unter Stimulation mit Isoproterenol, der unter Zusatz des Betablockers Propranolol verschwand. Die
untere Grafik zeigt das mittlere relative Fortschreiten der Migrationsfront nach 36 h.
B: Die obere Grafik zeigt das Migrationsverhalten von MIA PaCa-2 in einer non-linearen Regression der relativen Migration in die gesetzte Läsion. Der Trend einer
erleichterten Zellmobilität unter Isoproterenolstimulation ist in den ersten 24 h des Assays schwach ausgeprägt, während die zweiten 24 h einen klaren Migrationsvorteil
der Tumorzellen dokumentieren. Dieser ließ sich durch Zugabe von Propranolol inhibieren. Die untere Grafik zeigt das mittlere relative Fortschreiten der Migrationsfront
nach 24 h.
C: Die obere Grafik zeigt das Migrationsverhalten von Panc1 in einer non-linearen Regression der relativen Migration in die gesetzte Läsion. Sie zeigt keine Beeinflussung
des Migrationsverhaltens durch Isoproterenol oder Propranolol. Der Vergleich mit Colo-357 und MIA PaCa-2 zeigt eine eminent schnellere Migration von Panc1. Die
untere Grafik zeigt das mittlere relative Fortschreiten der Migrationsfront nach 36 h.
Ergebnisse
67
4.1.5 Invasions-Assay
Die Zelllinie Colo-357 zeigte unter Stimulation mit Isoproterenol ein signifikant (p <
0,05)
gesteigertes
Invasionspotential
durch
die
Matrigel-beschichteten
Membraneinsätze. Diese stimulationsbedingte Invasion konnte durch den Einsatz
des Betablockers Propranolol signifikant (p < 0,05) verringert werden (Abb. 21).
Abb. 21, Invasion von Colo-357 unter Stimulationsbedingungen nach 48 h.
Nach 48 h Stimulation mit Isoproterenol waren 7,29 % +/- 2,27 (Mittelwert +/- σ) der
ausgesäten Colo-357 Zellen (200.000) durch die beschichteten Membraneinsätze
invadiert. Diese signifikant vermehrte Invasion konnte durch den Betablocker Propranolol
auf Kontrollniveau reduziert werden.
4.1.6 Bromdesoxyuridin (BrdU)-Assay
Alle untersuchten Pankreaskarzinomzelllinien wiesen unter Katecholamineinfluss
eine veränderte Neusynthese von DNA auf. Diese wurde durch die Inkorporation des
Pyrimidinanalogons 5-Brom-2'-desoxyuridin (BrdU) während der Neusynthese
quantifiziert.
Bei
Colo-357
wurde
die
DNA-Synthese
durch
Isoproterenol
höchstsignifikant (p < 0,001) gesteigert und konnte durch den Betablocker
Propranolol höchstsignifikant (p < 0,001) reduziert werden (Abb. 22A). Die
Neusynthese von DNA der murinen Pankreaskarzinomzelllinie 6606PDA ließ sich
nicht so deutlich (1,2 x), aber hochsignifikant (p < 0,01) durch Isoproterenol steigern.
Der Effekt des Isoproterenol ließ sich wiederum durch den Betablocker Propranolol
hochsignifikant (p < 0,01) inhibieren (Abb. 22B). Die DNA-Neusynthese der übrigen
untersuchten Pankreaskarzinomzelllinien Panc1 (p < 0,001), MIA PaCa-2 (p < 0,01),
Ergebnisse
68
BxPc-3 (p < 0,05) ließ sich durch Norepinephrin auf signifikantem Niveau steigern
(Abb. 22C).
Abb. 22, DNA-Neusynthese unter BrdU-Inkorporation von Colo-357, Panc1, MIA
PaCA-2, BxPc-3 und 6606PDA nach 24 h Stimulation. Gezeigt ist ein Vielfaches der
DNA-Synthese unter Stimulationsbedingungen im Vergleich zu Kontrollen.
A: Colo-357 zeigte unter Stimulation mit Isoproterenol eine etwa 1,4 fach so produktive DNASynthese, die durch Propranolol auf das etwa 1,1-Fache reduziert werden konnte.
B: 6606PDA zeigte unter Stimulation mit Isoproterenol eine etwa 1,1 fach so produktive
DNA-Synthese, die durch Propranolol auf eine 0,7 fache DNA-Synthese reduziert werden
konnte.
C: Die übrigen untersuchten Pankreaskarzinomzelllinien zeigten unter Stimulation mit
Norepinephrin eine ca. 1,6 fach (Panc1), bzw. eine ca. 1,5 fach (MIA PaCa-2, BxPc-3) so
produktive DNA-Synthese.
Ergebnisse
69
4.2 In-vivo-Untersuchungen
Die gewonnenen Daten aus den in 0 beschriebenen Untersuchungen werden im
Folgenden themenbasiert dargestellt.
4.2.1 Stressvalidation
Um ein chronisches Stresslevel sicher zu dokumentieren wurden verschiedene
Stressparameter definiert und überprüft.
So ließ sich eine signifikante Expressionssteigerung der Tyrosinhydroxylase unter
Stressbedingungen als Maß der durchschnittlichen Katecholaminproduktion des
adrenalen Gewebes im Western-Blot nachweisen [193]. Eine Cortisol-Bestimmung in
murinen Seren mittels ELISA zeigte signifikant erhöhte Serumspiegel unter
Stressbedingungen [193] und es fand sich eine stressinduzierte Immunsuppression
mit signifikant verminderter Expression von IL-10, IL-6, MCP-1 und IFN-γ nach
Splenozytenstimulation [193]. Weiterhin wurden ein Stress Severity Score unter
Kontrollbedingungen und der maximale Diameter der Glandulae adrenales erfasst.
Der Stress Severity Score wurde wie beschrieben (3.2.3.2) dokumentiert und gegen
nicht gestresste Tiere unter Kontrollbedingungen validiert. Es zeigte sich ein
erwartungsgemäß deutlicher Unterschied der Verhaltensbewertung (Abb. 23).
Ergebnisse
70
Abb. 23, Scoreverteilung des Stress Severity Score.
A: Verteilung unter Kontroll- und Stressbedingungen. Gezeigt ist der über 7 Tage evaluierte SSS
an je 6 C67BL/6 Mäusen unter Stress- oder Kontrollbedingungen. Das arithmetische Mittel der
gestressten Tiere nach 7 Tagen (16,29, σ +/- 1,42) unterschied sich höchstsignifikant (p <
0,001) von dem dokumentierten Mittelwert der Kontrolltiere (3,65, σ +/- 0,89).
N = 6 Tiere
B: Gezeigt ist das arithmetische Mittel des SSS je eines Tieres mit 14-tägigen Intervallen im
Zeitverlauf. Es zeigt sich eine relativ homogene Verteilung der Werte. Eine eventuelle
Adaptation im Zeitstrahl ist nicht erkennbar.
Repräsentativ. Aus Tumorprogressionsuntersuchungen. N = 13 Tiere, je 14 SSS-Werte
Der maximale Diameter der Glandulae adrenales wurde wie beschrieben (3.2.4.1.2)
in den Versuchsreihen zur Erfassung der Tumorprogression erfasst und ausgewertet
(Abb. 24).
Ergebnisse
71
Abb. 24, maximaler adrenaler Diameter zu verschiedenen Zeitpunkten im Verlauf.
A: 14 d nach Tumorinduktion ergab sich ein arithmetisches Mittel von 1,71 mm (σ +/- 0,03)
für die Kontrollgruppe und ein Mittelwert von 1,96 mm (σ +/- 0,07) für die Stressgruppe.
Der Unterschied der adrenalen Diameter war signifikant (p = 0,012).
B: 21 d nach Tumorinduktion fand sich in einer anderen Versuchsreihe ähnlich zu B ein
arithmetisches Mittel von 1,48 mm (σ +/- 0,09) für die Kontrollgruppe und ein Mittelwert
von 1,93 mm (σ +/- 0,04) für die Stressgruppe. Der Unterschied der adrenalen Diameter
war hochsignifikant (p = 0,002).
C: Auch 28 d nach Tumorinduktion war ein signifikanter (p = 0,015) Unterschied der
Diameter detektierbar. Es ergab sich ein arithmetisches Mittel von 1,54 mm (σ +/- 0,09)
für die Kontrollgruppe, ein Mittelwert von 1,90 mm (σ +/- 0,07) für die Stressgruppe.
D: In einer durchgeführten Versuchsreihe ließ sich 35 d nach Tumorinduktion ein
signifikanter (p = 0,040) Unterschied der NN-Diameter messen. Es ergab sich ein
arithmetisches Mittel von 1,55 mm (σ +/- 0,11) für die Kontrollgruppe, ein Mittelwert von
1,75 mm (σ +/- 0,15) für die Stressgruppe.
N = 5 Tiere
Ergebnisse
72
4.2.2 Überlebensanalyse
Um die Nullhypothese, dass ein chronisches Stresserleben keine Auswirkungen auf
die Überlebenswahrscheinlichkeit eines Organismus mit einem orthotopen duktalen
Pankreasadenokarzinom hat, entweder zu verwerfen oder zu verifizieren, wurde eine
Kaplan-Meier Überlebenskurve wie beschrieben (3.2.5.1) durchgeführt. Es zeigte
sich
eine
hochsignifikante
chronischem
Stress
bei
Verschlechterung
einer
im
Median
der
um
Karzinom-Prognose
18
%
relativ
unter
reduzierten
Lebenserwartung (Abb. 25).
Vergleichbare Versuchsergebnisse konnten reproduziert werden (4.2.5).
% Überlebenswahrscheinlichkeit
Überlebenskurve nach Kaplan-Meier
100
Kontrolle
Stress
75
50
25
0
0
20
40
60
Tage
Abb.
25,
Überlebenskomparation
nach
Kaplan-Meier
unter
Kontroll-
und
Stressbedingungen.
Der Vergleich der Überlebenszeitwahrscheinlichkeiten nach Tumorimplantation ergab eine
hochsignifikante
(p
=
0,0099)
Verschlechterung
der
Prognose
unter
chronischen
Stressbedingungen. Das mediane Überleben der Kontrollgruppe lag bei 50,0 d, das der
gestressten Tiere bei 41,0 d (Ratio 1,22, 0,95-KI (0,682 – 1,76).
N = 2 Versuchsgruppen mit je 20 Tieren
Eine lineare Korrelationsanalyse der Parameter „Überleben“ und „Stress Severity
Score“ zeigte eine schwache, aber signifikante negative Korrelation (Abb. 26). Das
Ergebnisse
73
individuelle Stressempfinden hat also in dem Modell einen direkten negativen
Einfluss auf die Prognose der Tumorerkrankung.
Korrelation von "Überleben" und "Stress Severity Score"
60
Überleben d
50
40
30
20
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
Stress Severity Score
Abb. 26, Korrelation der Parameter „Überleben“ und „Stress Severity Score“ mit
linearer Regression.
Aufgetragen ist das arithmetische Mittel des SSS der ersten 30 d (Abszisse) gegen die
Überlebenszeit
in
Tagen
(Ordinate)
aller
Tiere
der
Überlebensanalyse.
Eine
lineare
Korrelationsanalyse ergab eine schwache, aber signifikante (p = 0,043) negative Korrelation (r = 0,457, 0,95-KI (-0,748 zu – 0,018)) der Parameter. Zur Visualisierung eines linearen
Zusammenhanges erfolgte eine lineare Regression (r2 = 0,21) der ausgewerteten Daten.
N = 20 Tiere
Ergebnisse
74
4.2.3 Tumorprogression im MRT
Unter Exposition von chronischem Stress war eine signifikant (p = 0,0417)
beschleunigte Tumorprogredienz nach 35 d zu beobachten (Abb. 27B, Abb. 28B).
Vergleichbare Versuchsergebnisse konnten reproduziert werden (4.2.5).
Abb. 27, murine Tumorlast unter Kontroll- und Stressbedingungen nach 21 d (A)
und 35 d (B).
A: Nach 21 d ist kein signifikanter (p= 0,71) Unterschied des Tumorvolumens detektierbar. Das
arithmetische Mittel der Kontrolltiere lag bei 540,6 mm 3 (σ +/- 219,9), das der gestressten Tiere
bei 590,6 mm3 (σ +/- 197,6).
B: Nach 35 d zeigte sich ein im Mittel signifikant (p = 0,0417) erhöhtes Tumorvolumen nach der
chronischen Stressor-Exposition. Das arithmetische Mittel der Kontrolltiere lag bei 918,3 mm 3
(σ +/- 193,4), das der gestressten Tiere bei 1415,0 mm 3 (σ +/- 415,5).
N = 5 Tiere
Während die Tumoren der Kontrolltiere zwischen Tag 21 und Tag 35 um den Faktor
1,70
wuchsen,
zeigte
sich
unter
Stressbedingungen
eine
mittlere
Volumenprogression um den Faktor 2,40 in den letzten 14 d. Die Effekte eines
chronischen Stresserlebens traten in dem genutzten Tiermodell also erst im Verlauf
der Tumorerkrankung zu Tage. In der MRT-Bildgebung und nach der Exploration der
Mäuse ergab sich kein Anhalt für Metastasierungsprozesse im genutzten
Tumormodell.
Abb. 28 zeigt das korrelierende Bild der Tumorerkrankung unter Stressbedingungen
im Magnetresonanztomografen.
Ergebnisse
75
Abb. 28, MRT-Bildgebung der murinen Tumorprogression unter Kontroll- (A) und
Stressbedingungen (B).
A: Links: Gezeigt ist ein duktales orthotopes Adenokarzinom des Pankreaskopfes (weißer Pfeil)
bei maximalem Tumordurchmesser (koronar, Schicht 10 / 24). Mitte: Der Tumor im Verlauf
nach dorsal (koronar, Schicht 12 / 24). Rechts: Das Pankreaskarzinom bei maximalem
Durchmesser in transversaler Ebene (Schicht 17 / 34).
35 d post Tumorinduktion, Tumorvolumen 617,11 mm3.
B: Links: Gezeigt ist wiederum das implantierte Adenokarzinom des Pankreaskopfes (weißer
Pfeil) bei maximalem Tumordurchmesser in identischer Schicht (koronar, Schicht 10 / 24).
Auffällig sind eine unruhigere Tumormorphologie mit blumenkohlartiger Struktur (identische
Explorationseindrücke) und eine überdurchschnittlich große Tumornekrose (schwarzer Stern)
als Korrelat einer unzureichenden Nährstoffversorgung bei gesteigerter Proliferationsaktivität.
Im Gegensatz zum Tumorvolumen konnte ein kausaler Zusammenhang zwischen
Stresserleben und Tumornekrose jedoch nicht signifikant verifiziert werden Mitte: Der Tumor
im Verlauf nach dorsal (koronar, Schicht 12 / 24). Rechts: Das Pankreaskarzinom bei
maximalem Durchmesser in transversaler Ebene (Schicht 17 / 34).
35 d post Tumorinduktion, Tumorvolumen 1279,59 mm3.
Ergebnisse
76
4.2.4 Matrix-Metalloproteinase-9 ELISA Ex-vivo Proben
Die zu untersuchenden Proben wurden wie beschrieben (3.2.6.1) aufbereitet und auf
die Konzentration der Matrix-Metalloproteinase-9 untersucht (Abb. 29).
Abb. 29, Konzentration der MMP-9 in Serum (A) und Tumorlysat (B) unter Kontrollbzw. Stressbedingungen.
A: Die Serumkonzentration der MMP-9 war bei tumortragenden Tieren hochsignifikant
(Kontrolle, p = 0,0085) bzw. signifikant (Stress, p = 0,036) im Vergleich zu nicht
tumortragenden Tieren erhöht. Weiterhin ließ sich eine deutliche, aber nicht signifikante (p
= 0,16) Expressionssteigerung der Matrix-Metalloproteinase in das Serum unter
Stressbedingungen detektieren. 21 d nach Tumorinduktion waren noch keine signifikanten
Zusammenhänge zu dokumentieren (Daten nicht gezeigt).
B: Der MMP-9 Gehalt des Tumorlysates zeigte sich unter Stressbedingungen ebenfalls
erhöht, jedoch nicht signifikant (p = 0,35).
N = 5 Tiere
Untersuchungen der In-vitro-Zellkulturüberstände von 6606PDA erbrachten kein
detektierbares Expressionsniveau der murinen MMP-9 (Daten nicht gezeigt).
4.2.5 Therapie mit Propranolol
In dem genutzten Tumormodell wurde schließlich die therapeutische Option des
nicht-selektiven Beta-Adrenorezeptorblockers Propranolol evaluiert. Hierzu wurden
Prognose und Verlauf der Tumorerkrankung bei Kontroll- bzw. Stressbedingungen
unter Therapie untersucht.
Ergebnisse
77
4.2.5.1 Überlebensanalyse mit Propranololtherapie
Bei Tieren mit chronischer Stressexposition zeigte sich ein hochsignifikanter
Überlebensvorteil unter Therapie mit Propranolol (Abb. 30).
Abb. 30, Überlebensanalyse unter Propranolol-Therapie.
A: Der Vergleich der Überlebenszeitwahrscheinlichkeiten nach Tumorimplantation und ohne
Propranololtherapie ergab eine höchstsignifikante (p < 0,0001) Verschlechterung der Prognose
unter chronischen Stressbedingungen. Das Ergebnis aus Abb. 25 wurde reproduziert. Das
mediane Überleben der Kontrollgruppe lag bei 66,0 d, das der gestressten Tiere bei 52,0 d (Ratio
0,79, 0,95-KI (0,268 – 1,308).
B: Unter Propranololtherapie ergab die Überlebenszeitanalyse der tumortragenden Tiere keine
signifikante (p = 0,137) Verschlechterung der Prognose bei chronischen Stressbedingungen. Das
mediane Überleben der Kontrollgruppe lag bei 65,0 d, das der gestressten Tiere bei 59,0 d (Ratio
0,91, 0,95-KI (0,387 – 1,428).
C: Verglich
man
die
Überlebenszeitanalyse
der
tumortragenden
Tiere
unter
chronischer
Stressexposition, ergab sich eine hochsignifikante (p = 0,0058) Verbesserung der Prognose unter
Propranololtherapie. Das mediane Überleben der mit Propranolol therapierten Versuchstiere lag
bei 59,0 d, das der nicht therapierten Tiere bei 52,0 d (Ratio 0,88, 0,95-KI (0,361 – 1,402).
D: Bei
einem
Vergleich
der
Überlebenswahrscheinlichkeiten
der
Versuchstiere
unter
Kontrollbedingungen, ergab sich keine signifikante (p = 0,59) Veränderung der Prognose unter
Propranololtherapie. Das mediane Überleben der mit Propranolol therapierten Versuchstiere lag
bei 65,0 d, das der nicht therapierten Tiere bei 66,0 d (Ratio 1,02, 0,95-KI (0,495 – 1,536).
N = 4 Versuchsgruppen mit je 18 Tieren
Ergebnisse
78
4.2.5.2 Tumorprogression im MRT mit Propranololtherapie
Eine Therapie mit dem Beta-Adrenorezeptorblocker Propranolol verringerte die
Tumorlast in dem genutzten Mausmodell hochsignifikant (Abb. 31).
Abb. 31, murine Tumorlast unter Propranololtherapie nach 21 d (A) und 35 d (B).
A: Bereits 21 d nach Tumorinduktion zeigte sich eine signifikante (p = 0,029) Verringerung des
Tumorvolumens unter Propranololtherapie. Das arithmetische Mittel des Tumorvolumens der
gestressten Tiere ohne Therapie lag bei 319,0 mm 3 (σ +/- 148,3), das der gestressten Tiere
unter Propranololtherapie bei 146,3 mm 3 (σ +/- 109,0). Für Versuchstiere ohne Therapie
zeigte sich nach 21 d ein deutlicher (vgl. Abb. 27 A), aber noch nicht signifikanter (p = 0,08)
Einfluss des chronischen Stresserlebnisses auf die Tumorvolumina.
B: Die Reduktion des Tumorvolumens unter Propranololtherapie war nach 35 d bei einem
arithmetischen Mittel des Tumorvolumens von 798,8 mm3 (σ +/- 319,3) der nicht therapierten
Tiere und 247,1 mm 3 (σ +/- 162,1) der therapierten Tiere hochsignifikant (p = 0,009). Das
mittlere Tumorvolumen der stressexponierten nicht therapierten Versuchstiere war auch im
Vergleich zur unbehandelten Kontrollgruppe (348,4 mm 3 (σ +/- 170,5) signifikant (p = 0,024)
erhöht (vgl. Abb. 27 B).
N = 8 Tiere
79
5 Diskussion
Die dargestellten Ergebnisse geben vielfältige Hinweise auf eine erleichterte
Tumorprogression des Pankreaskarzinoms in vitro und in vivo unter chronischen
Stressbedingungen: Katecholamine stimulierten die Gelatinase-Aktivität, Migration,
Invasion
und
Proliferation
humaner
Pankreaskarzinomzellen.
In
einem
immunkompetenten Mausmodell eines Pankreaskarzinoms führte chronischer Stress
zu einer erhöhten Tumorlast und einer verschlechterten Überlebensprognose. Diese
Effekte waren zumindest partiell durch eine β-Rezeptorblockade reversibel. Die
Reduktion von Stresseffekten bei Patienten mit einem Pankreaskarzinom könnte also
zukünftig ein adjuvantes Therapieprinzip darstellen.
5.1 In vitro
Unter Zellkulturbedingungen zeigten sich nach Stimulation mit Katecholaminen
Veränderungen
mehrerer
Parameter
zur
möglichen
Charakterisierung
einer
Tumorprogression. So waren die Gelatinasenaktivität, die Fähigkeit zur Migration und
Invasion sowie die Proliferationsaktivität signifikant gesteigert.
Für Tumorprogression und Metastasen-Biologie stellt die potentielle Degradation
einer Basalmembran durch sogenannte Gelatinasen (hier MMP-2, MMP-9) eine
entscheidende Fähigkeit dar [37]. Auch wenn eine enzymgebundene Quantifizierung
der Matrix-Metalloproteinasen-2 und -9 im Zellkulturüberstand keine signifikanten
Unterschiede nach Stimulation aufwies, zeigte sich eine signifikant gesteigerte
Gelatinasenaktivität in den zuvor mit Katecholaminen behandelten Zellüberständen
und adhärenten Zellen, die versuchsweise durch Propranolol inhibiert werden
konnte. Da die MMP-2 überwiegend membranständig und im Tumorstroma
expremiert wird [47, 76], war eine sehr geringe, aber verlässlich nachweisbare
Enzymkonzentration im Zellkulturüberstand im Vergleich zur MMP-9 und zu einer
biologischen Positivkontrolle zu erwarten. Für die MMP-9 ließ sich im Gegensatz
hierzu eine auf biologischem Kontrollniveau detektierbare Enzymexpression im
Zellkulturüberstand nachweisen. Die deutlich gesteigerte Enzymfreisetzung in den
Zellkulturüberstand
nach
Signifikanzniveau.
Die
Aktivitätserhöhung
lässt
Katecholaminexposition
für
sich
die
vor
erreichte
Tumorprogression
dem
jedoch
potentiell
Hintergrund
der
kein
relevante
komplexen
Regulationsmechanismen der Matrix-Metalloproteinasen verstehen [35]. Diese
Diskussion
80
werden von einer reinen Enzymquantifizierung nicht erfasst. Weiterhin ist zu
berücksichtigen, dass auch die adhärenten Tumorzellen und nicht lediglich der
Zellkulturüberstand in die Enzymaktivitätsmessung einbezogen wurden. Daten
anderer Arbeitsgruppen lassen bei ausreichender Versuchsgröße eine leichte
Sekretionssteigerung in den Zellkulturüberstand nach Stimulation mit Norepinephrin
vermuten [168].
Neben dem Aktivitätsgrad der MMP-2 / -9 ist für die Tumorprogression die
komplexere Invasionsfähigkeit der Karzinomzellen relevant [198]. Für Tumorentitäten
des Ovars [166], des Kolons [164] und der Mamma [165] ist ein erhöhtes Migrations
– und Invasionspotential unter Katecholamineinfluss beschrieben worden. Die
vorliegende Untersuchung der Zellmigration ohne und mit Kollagenbarriere erbrachte
Hinweise
auf
eine
gesteigerte
Zellmotilität
der
untersuchten
Pankreaskarzinomzelllinien unter Stimulationsbedingungen mit Katecholaminen.
Während ein sogenannter Migrations-Assay aufgrund immanent eingeschränkter
Reliabilität und Validität der Ergebnisse als orientierender und Hypothesengenerierender Versuchsansatz gelten sollte, ließen sich die hier beobachteten
Migrationsveränderungen in einem Invasionsassay mit valider Zellquantifizierung
verifizieren. Bei Hinweisen auf eine grundsätzlich gesteigerte Migrationsfähigkeit
einiger Pankreaskarzinomzelllinien unter Stimulation mit Katecholaminen schien
auch die Invasionsfähigkeit durch eine Kollagenmatrix erhöht zu sein. Diese unter
Katecholamin-Exposition gesteigerte Invasionsbewegung kann eine biologisch
relevante Kombination von gesteigerter Migrationsfähigkeit und Gelatinasenaktivität
simulieren und repräsentiert so einen wichtigen zu Grunde liegenden Mechanismus
einer vereinfachten Tumorprogression [199]. Dieser Effekt schien ebenfalls durch
Propranolol
inhibierbar
zu
sein.
Neben
dem
Kolonkarzinom
[164],
dem
Mammakarzinom [165], dem Ovarialkarzinom [166] und dem Nasopharynxkarzinom
[167] gibt es auch für das Pankreaskarzinom Hinweise auf eine Katecholamininduzierte Steigerung des Invasionspotentials [169, 170].
Auch die Proliferationsaktivität ist ein wichtiger Parameter der Tumorprogression.
Während Katecholamine die Proliferation nicht mutierter Zellen, wie Keratinozyten,
zu inhibieren scheinen und so zu Wundheilungsstörungen unter chronischem Stress
führen
können
[210],
scheint
CREB
(vgl.
1.2.1.2)
ein
entscheidender
Transkriptionsfaktor der Tumorzellproliferation und Apoptoseinhibition zu sein [211].
So kann eine Aktivierung des β2-Rezeptors an Zelllinien des Magenkarzinoms unter
Diskussion
81
Nikotinstimulation die Proliferationsrate steigern [212]. Auch für Zellen des oralen
Plattenepithelkarzinoms [213] und des Mammakarzinoms [122] wurde eine
Proliferationssteigerung unter adrenerger Stimulation beschrieben. Sastry et al.
beobachteten eine durch Adrenalin aktivierte cAMP abhängige Proteinkinase, die
Karzinomzellen durch BAD-Phosphorylation vor Apoptose schützen kann [214].
Hinweise der vorliegenden Arbeit auf eine vermehrte DNA-Produktion von
Pankreaskarzinomzellen unter Stimulation mit Katecholaminen legen eine relevante
Steigerung der Proliferationsaktivität nahe. Auch diese schien, zumindest partiell,
durch
den
Betablocker
Propranolol
reversibel
zu
sein.
Durchgeführte
Zellzyklusanalysen bestätigten eine Steigerung der Proliferationsaktivität unter
Norepinephrin-Exposition [160]. Weiterhin wurde ein G1/S-Phasen-Arrest im
mitotischen Zellzyklus [163] und eine Apoptoseinduktion durch Propranolol [162]
postuliert. In diesen Arbeiten kamen jedoch im Vergleich mit der vorliegenden Arbeit
deutlich höhere Konzentrationen der Katecholamine (100 fach) zum Einsatz. Auch
wenn lokale Transmitterkonzentrationen deutlich höher liegen können, sollten die
physiologisch sehr niedrigen Transmitterkonzentration im Blutplasma gesunder
Menschen (vgl. 1.2.1.2) bei der Diskussion der biologischen Relevanz dieser
Ergebnisse beachtet werden. Weiterhin ist auch das Rezeptorprofil der eingesetzten
Substanzen zu bedenken. Das nicht selten zur Stimulation von β-2 Rezeptoren
verwendete Noradrenalin [162, 163, 167, 168] weist transmitterimmanent eine
lediglich schwache Bindung zum adrenergen β-2 Rezeptor auf [124]. Da eine
Blockade der Effekte von Norepinephrin durch das β-1 und β-2 rezeptorspezifische
Propranolol unter physiologischen Bedingungen lediglich den β-1 Rezeptor betreffen
dürfte, sollten unspezifische Effekte bei einer möglichen Überdosierung der
Stimulanzien berücksichtigt werden. Effekte einer therapeutischen Betablockade
wurden in dieser Arbeit konzeptionell nur an dem reinen β-Agonisten Isoproterenol
untersucht.
Die
Untersuchungen
fokussierten
auf
messbare
und
für
die
Tumorprogression relevante Veränderungen der Tumorbiologie nach β-adrenergerStimulation. Untersuchungen der Signaltransduktion berichten über eine zu Grunde
liegende β-2-Rezeptor transduktive Aktivierung des P38/MAPK-Weges [169] und
eine inhibierende Wirkung des Propranolol über CREB Transkriptionsfaktoren [170].
Die Ergebnisse legen vielfache und nachteilige Auswirkungen von Katecholaminen
auf humane Pankreaskarzinomzellen unter Zellkulturbedingungen hinsichtlich der
Tumorprogression nahe und konnten auch mit niedrigeren Konzentrationen
Diskussion
82
vermutete Effekte teilweise reproduzieren. Diese Effekte konnten wiedeholt durch
eine unspezifische β-Blockade vermieden werden. Auch für die murine Zelllinie
6606PDA
[118]
konnte
eine
Proliferationssteigerung
unter
β-Stimulation
nachgewiesen werden. Die biologische Relevanz dieser Ergebnisse wurde in einem
immunkompetenten Mausmodell nach orthotoper Tumorimplantation evaluiert.
5.2 In vivo
Chronischer Stress hat fatale Auswirkungen auf den menschlichen [120, 215] und
murinen [121] Organismus und es wurden vielfältige negative Veränderungen der
Tumorbiologie unter chronischem Stress beschrieben [140]. Eine Tumorprogression
unter Stresseinfluss wurde in tierexperimentellen Arbeiten für verschiedene
Tumorentitäten untersucht (Tabelle 3). Auch für das Pankreaskarzinom sind in vivo
Untersuchungen zu den Auswirkungen von chronischem Stress auf die Tumorzellen
erfolgt. So wurden eine beschleunigte Tumorprogression im Tiermodell für humane
Pankreaskarzinomzelllinien
unter
Stressbedingungen
[156,
185]
oder
unter
Isoproterenolstimulation [161] berichtet. Erweiternd zu einer Volumetrie mittels
Schiebelehre nach Situs-Exploration erlauben die erhobenen Daten der vorliegenden
Untersuchung zusätzlich eine höchststandardisierte, valide und intervallbasierte
Erfassung
der
Tumorprogression
magnetresonanztomografischer
Bildgebung.
Überlebensanalysen zusätzlich auf
mittels
Sie
deuten
hochauflösender
mittels
aufwendiger
eine hohe prognostische Relevanz der
beschleunigten Tumorprogredienz hin. Weiterhin ist zu bemerken, dass das genutzte
syngene Tumormodell im Gegensatz zu den oben genannten Untersuchungen über
einen immunkompetenten Organismus mit orthotoper Tumorlokalisation verfügt
[209]. Vor dem Hintergrund der vielschichtigen und elementaren Implikationen der
Tumorimmunologie
[216,
217]
und
der
stromalen
Besonderheiten
des
Pankreaskarzinoms [24] können so komplexere und realistischere Auswirkungen
einer chronischen Stressexposition auf die Tumorprogression in einem voll
funktionsfähigen biologischen Organismus untersucht werden. Die Ergebnisse des
vorliegenden syngenen und orthotopen murinen Tumormodells zeigen nachhaltig
negative
Auswirkungen
einer
chronischen
Stressexposition
auf
die
Tumorentwicklung in einem immunologisch voll funktionsfähigen biologischen
System. Das Stressniveau der einzelnen Tiere konnte zuverlässig erfasst werden.
Bei der Erfassung der maximalen Nebennierendiameter zeigte sich eine signifikante
Diskussion
83
Organvergrößerung, die wahrscheinlich auf eine durch chronischen Stress induzierte
Hypertrophie der Glukokortikoid-produzierenden Rinde zurückzuführen war [218].
Eine chronische Stressbelastung lag also in einem biologisch relevanten Ausmaß
vor. Eine Abnahme dieses Effektes im Zeitstrahl kann als Korrelat eines
organspezifischen dauerstimulationsbedingten Erschöpfungszustandes gedeutet
werden [121, 193].
Daten zu der prognostischen Relevanz einer gesteigerten Tumorprogression unter
chronischen Stressbedingungen in den genutzten Tiermodellen sind bis dato kaum
vorhanden. Die Überlebensdauer der tumortragenden Tiere in der vorliegenden
Arbeit war unter chronischer Stressexposition signifikant reduziert und das Ausmaß
der
Stressauswirkungen
auf
einzelne
Tiere
korrelierte
positiv
mit
einer
Verschlechterung der Prognose der betreffenden Tiere. Die Tumorprogression,
magnetresonanztomografisch erfasst als Entwicklung des Tumorvolumens, war unter
Stressexposition beschleunigt. Diese Beschleunigung nahm 3 Wochen nach
Tumorimplantation noch einmal zu.
Diese fatalen prognoselimitierenden Folgen einer chronischen Stressexposition bei
vorhandener
Tumorerkrankung
wurden
vermutlich
vor
allem
über
β-2-
Adrenorezeptoren vermittelt [138, 173, 219, 220]. Als elementare Funktion im
„Downstream“
des
β-2-Adrenorezeptors
wurde
in
diesem
Kontext
die
Phosphorylierung der Transkriptionsfaktoren GATA1, CREB und ATF durch die
cAMP-abhängige Proteinkinase A identifiziert [221]. Auch eine β-2-Adrenorezeptor
vermittelte Inflammation mittels Prostaglandin E2 scheint von großer Bedeutung für
Parameter der Tumorprogression zu sein [235]. Für das humane Pankreaskarzinom
wurde
sogar
ein
Katecholaminproduktion
Adrenorezeptor
autokriner
Regelkreis
beschrieben
vermittelten
[157].
Auswirkungen
mit
einer
Aufgrund
der
auf
die
tumorzelleigenen
ungünstigen
Tumorbiologie
β-2unter
Stressbedingungen in vivo lag der Versuch einer therapeutischen Tertiärprävention
mit dem unselektiven Beta-Adrenorezeptor-Blocker Propranolol nahe. Mögliche
therapeutische Effekte des Propranolols in diesem Kontext wurden in vitro unter
Zellkulturbedingungen umfangreich untersucht [166, 168, 170]. Auch veröffentlichte
in vivo Studien an anderen Tumorentitäten fanden stresspräventive Effekte von
Propranolol [182–184]. Diese Untersuchungen erfolgten allerdings an Tiermodellen
an nicht orthotopen Xenotransplantaten und das Propranolol wurde in hoher
Dosierung subkutan appliziert. Übertragungen der Ergebnisse dieser Modelle auf
Diskussion
84
vollständig immunkompetente biologische Organismen unter einer realdosierten
oralen Medikamentenapplikation von Propranolol sind daher nur eingeschränkt
möglich. Auch für das Pankreaskarzinom wurden konzeptionell ähnliche Studien
veröffentlicht. So berichten Lin et al. von einem vermehrten Tumorwachstum in
einem
subkutanen
Pankreaskarzinomxenotransplantat
immuninkompetenter
Nacktmäuse nach intraperitonealer Isoproterenolinjektion [161]. Auch hier wurden
wirksame tertiärpräventive Effekte von Propranolol beschrieben. Neben den
Limitationen
des
genutzten
Modells
(Isoproterenol
als
Stresssimulation,
immuninkompetenter Organismus, nicht orthotopes Tumormodell, Volumetrie mittels
Schiebelehre) ist bei der Interpretation der Studie zu beachten, dass Propranolol
gemeinsam
mit
Versuchsanordnung
Isoproterenol
galten
die
intraperitoneal
injiziert
Prinzipien
bekannten
der
wurde.
In
Biodynamik
dieser
und
Bioverfügbarkeit des Pharmakons nicht [222]. Die Evaluation einer realistischen
therapeutischen Option und die Überprüfung einer möglichen Antagonisierung der
Auswirkungen von Isoproterenol im Tumormilieu waren so kaum möglich. Weiterhin
berichteten Al-Wadei et al. sogar von einem primärpräventiven Effekt von
Propranolol bei der Tumorgenese eines Pankreaskarzinoms in einem Hamstermodell
mit Ethanol-induzierter Pankreatitis [188]. In der vorliegenden Arbeit konnten die
beschriebenen Stresseffekte auf die Tumorprogression und die Prognose der Tiere
durch einfache orale Administration des Betablockers Propranolol deutlich reduziert
werden. Während die Mäuse nach Tumorimplantation ohne Stressexposition mit
oder ohne orale Propranololgabe im Mittel etwa 65 Tage lebten, starben Tiere ohne
Propranololtherapie unter Stressbedingungen im Mittel nach etwa 52 Tagen. Unter
Propranololtherapie verlängerte sich das mittlere Überleben der tumortragenden
Tiere unter Stressbedingungen auf etwa 59 Tage. Auch die Tumorprogression ließ
sich durch Propranolol nach 35 Tagen volumetrisch auf ein Kontrollniveau
reduzieren.
Die Quantifizierung der murinen MMP-9 im Serum der Mäuse zeigte für
tumortragende Tiere eine signifikant erhöhte MMP-9-Serumspiegelkonzentration.
Diese Befunde entsprechen Untersuchungen an Humanseren [70, 94] und sind ein
wichtiges Indiz für die Beurteilung der klinischen Relevanz des genutzten
Tumormodells. Interessanterweise ließ sich nach Tumorimplantation der murinen
6606PDA-Zellen in einen lebenden Organismus sowohl im Tumorgewebe als auch
im Serum eine Erhöhung der MMP-9-Expression nachweisen, während ein Nachweis
Diskussion
85
im Zellkulturüberstand zuvor nicht gelang. Dies ist ein weiteres Indiz für die
Notwendigkeit der Untersuchung tumorbiologischer Zusammenhänge an möglichst
realistischen biologischen Modellen. Eine nicht statistisch signifikante Erhöhung der
murinen
MMP-9
Konzentration
im
Serum
und
im
Tumorgewebe
unter
Stressbedingungen ist am ehesten mit kleiner Fallzahl und hoher Varianz zu erklären
(vgl. 3.2.6). Unter anderem könnte die unter Stressbedingungen verschlechterte
Prognose der tumortragenden Tiere und die beschleunigte Tumorprogression durch
einen
erhöhten
MMP-9-Serumspiegel
Ausdruck
finden.
Für
das
humane
Pankreaskarzinom [90] und andere Entitäten wie das Mammakarzinom [74], sowie
das Blasenkarzinom [75] finden sich Berichte einer Korrelation der MMP-9Konzentration in Tumorgewebe, Serum oder Urin mit einer verschlechterten
Prognose der Patienten und mit einer beschleunigten Tumorprogression.
Die
vorliegenden
Ergebnisse
der
Zellkultur-Untersuchungen
an
humanen
Pankreaskarzinomzelllinien unter Stimulation mit Katecholaminen sind daher
offenbar auch für einen immunkompetenten, tumortragenden Organismus relevant.
Mit einer diagnosebegleitenden Psychotherapie oder Propranololgabe sind prima
facie 2 hypothetische therapeutische Optionen für die Humanmedizin zu diskutieren.
Küchler et al. fanden nach 10-Jahren einen signifikanten Überlebensvorteil bei
Patienten mit gastrointestinalen Tumoren, die während des stationären Aufenthaltes
eine Psychotherapie erhielten [223]. Andere Autoren beurteilen die überwiegende
Mehrzahl der Studien zu einer psychischen Intervention in der Karzinomtherapie als
methodisch zu beanstanden oder fanden keinen signifikanten Überlebensvorteil nach
der Diagnose eines Karzinoms [224–226]. Daher rückte die simple Administration
des weit verbreiteten und gut untersuchten unspezifischen Betablockers Propranolol
[222] als mögliche therapeutische Option zunehmend in den Fokus. Eine große (N =
2221) Fall-Kontrollstudie erbrachte 2004 eine signifikante Risiko-Reduktion für das
Auftreten eines Prostatakarzinoms unter oraler Betablockertherapie [227]. Eine
französische Kohortenstudie an kardiovaskulären Patienten (N = 893) über 10 Jahre
zeigte eine signifikante relative Risikoreduktion unter oraler Betablockertherapie von
49 % für das Auftreten eines Karzinoms [228]. Eine große populationsbasierte FallKontroll-Studie zeigte bis dato jedoch keine Risikoänderung für das Auftreten eines
invasiven Mammakarzinoms bei Frauen zwischen 65 und 79 Jahren [229] oder
anderen Karzinomen [230] unter antihypertensiver Therapie. Es ist jedoch zu
Diskussion
86
beachten, dass die erwähnten Studien nicht zwischen kardioselektiven (nur β1
Rezeptor) und unselektiven Betablockern unterschieden. Weiterhin wurde lediglich
die Tumorinzidenz (primärpräventiver Ansatz) untersucht. Für die Beurteilung einer
eventuellen
Modulation
der
humanen
Karzinomprogression
durch
eine
Betablockertherapie (tertiärpräventiver Ansatz) findet sich in den letzten Jahren eine
zunehmend evidente Grundlage in Form retrospektiver Überlebensanalysen. Eine
dänische populationsbasierte Kohortenstudie (N= 4179) fand hierzu ein verbessertes
Überleben unter Betablockertherapie bei Auftreten eines malignen Melanoms [231]
und eine retrospektive amerikanische Fall-Kontrollstudie (N= 248) zeigte einen
deutlichen Überlebensvorteil von Ovarialkarzinom-Patientinnen mit fortgeführter
antihypertensiver
Betablockertherapie
nach
erhaltener
Tumorresektion
und
Chemotherapie [232]. Zuletzt fanden Watkins et al. in einer retrospektiven
multizentrischen Überlebensanalyse (N= 1425) von Patientinnen mit einem ovariellen
Karzinom ein fast doppelt so langes Überleben unter der Therapie mit non-selektiven
Beta-Adrenozeptor-Antagonisten im Vergleich zur Therapie mit kardioselektiven
Beta-Adrenozeptor-Antagonisten [236]. Vor diesem Hintergrund erscheinen weitere
Studien-Initiativen einer tertiärpräventiven Betablocker-Therapie auch für andere
Tumorentitäten sinnvoll [139, 233, 234]. Die Autoren einer umfangreichen
Übersichtsarbeit um Maya Horowitz halten diesbezüglich die stressintensive
perioperative Periode für entscheidend [237].
87
6 Zusammenfassung
Das Pankreaskarzinom ist die zehnthäufigste (Männer) bzw. neunthäufigste (Frauen)
Tumorerkrankung in Deutschland. Aufgrund der häufig fatalen Prognose ist es
gleichzeitig die vierthäufigste Krebstodesursache in Deutschland. 5 Jahre nach
Diagnosestellung sind im Mittel nur noch weniger als 8 % der Betroffenen am Leben.
Bei regelhaft fehlenden Frühsymptomen erfolgt die Diagnosestellung häufig in bereits
fortgeschrittenen Tumorstadien mit stark begrenzten therapeutischen Möglichkeiten.
Da vielfältige Wechselwirkungen von chronischem Stress und beschleunigter
Tumorprogression bekannt sind, könnte Stress die äußerst limitierte Prognose des
Pankreaskarzinoms noch zusätzlich verschlechtern.
Hierzu untersuchte die vorliegende Arbeit den Einfluss von Katecholaminen auf
progressionsfördernde
Veränderungen
der
Tumorzellbiologie
von
Pankreaskarzinomzelllinien in vitro. Untersucht wurden die Expression von MMP-2/9, das Migrations- und Invasionsverhalten der Tumorzellen sowie die Auswirkungen
von Katecholaminen auf das Proliferationsverhalten. Um eine mögliche Relevanz
dieser Befunde in vivo zu überprüfen wurde die Tumorprogression unter chronischer
Stressexposition
Tumormodell
in
an
einem
syngenen,
C57BL/6N
Mäusen
orthotopen
mittels
und
immunkompetenten
Überlebensanalysen
und
magnetresonanztomografischer Bildgebung untersucht. Schließlich wurde mit
Propranolol in vitro und in vivo eine mögliche therapeutische Option evaluiert.
Es
ergaben
sich
vielfältige
Hinweise
für
eine
durch
Stress
erleichterte
Tumorprogression des Pankreaskarzinoms in vivo und in vitro. Katecholamine
stimulieren die Gelatinase-Aktivität, Migration, Invasion und Proliferation humaner
Pankreaskarzinomzellen. Chronischer Stress führt in einem immunkompetenten
Mausmodell zu erhöhter Tumorlast und verschlechterter Überlebensprognose. Diese
Effekte sind zumindest partiell durch eine β-Rezeptorblockade mit Propranolol
reversibel.
Die vorliegende Untersuchung beschreibt fatale Auswirkungen von chronischem
Stress auf die Tumorprogression. Auf Hinweise zu primär- und tertiärpräventiven
Effekten von Betablockern bei malignen Grunderkrankungen des Menschen könnten
bald adjuvante perioperative Studien mit einer Propranololgabe nach Tumorresektion
folgen.
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8 Anhang
Maus – Nr.:
Stress Severity Score
Uhrzeit:
Stresssitzung Nr:
Stresstag:
Untersucher:
Urin:
Kein Urin
0 Punkte
Nasses Areal um die Urethra
1 Punkt
Nasses Areal um das ventrale Fell
2 Punkte
Nasses ventrales Fell
3 Punkte
Zusätzliche nasse dorsale Fellanteile
4 Punkte
Nasser Körper
5 Punkte
Komplett Nasses Tier
6 Punkte
____
Stuhl:
Kein Stuhl
0 Punkte
1–5
Stuhlhäufchen
1 Punkt
6 – 10
Stuhlhäufchen
2 Punkte
11 – 15
Stuhlhäufchen
3 Punkte
16 – 20
Stuhlhäufchen
4 Punkte
21 – 25
Stuhlhäufchen
5 Punkte
> 25
Stuhlhäufchen
6 Punkte ____
Zeigt sich Durchfall wird der Wert der Defäkation verdoppelt.
Beschaffenheit des Fells:
Normales Fell
0 Punkte
Dorsales Fell zerzaust
1 Punkt
Das Fell des ganzen Tieres stark zerzaust
2Punkte
____
Bei nassem Fell wird dem Tier 1 Punkt gegeben.
Lethargie:
Normale Aktivität
0 Punkte
Leicht erhöhte explorative Aktivität
1 Punkt
erhöhte explorative Aktivität, kurze Putz-Intervalle
2 Punkte
Mehr als 10 Putz-Intervalle in den ersten 2 Min.
3 Punkte
Putzen nur selten unterbrochen in den ersten 2 Min.
4 Punkte
Verminderte explorative Aktivität, selten Putz–Intervalle
5 Punkte
Lethargie, keine Aktivität
6 Punkte ____
Muskeltonus:
Normaler Muskeltonus
0 Punkte
Leicht reduzierter Muskeltonus mit zeitweisem (Sekunden)
Plötzliches Fallenlassen des Schwanzes
1 Punkt
Reduzierter Muskeltonus mit längeren Intervallen mit
Hinterherziehen des Schwanzes und „Watschelgang“
2 Punkte
Erheblich reduzierter Muskeltonus mit einem konstanten
Hinterherziehen des Schwanzes und „Watschelgang“ während der
ersten 5 Minuten nach zurücksetzen der Maus in den Käfig
3 Punkte ____
Score:
____
Anhang I, Dokumentationsprotokoll der Stresssitzungen.
Unter den Identifikationsmerkmalen finden sich die 5 evaluierten Stressparameter mit deskriptiver Legende
der numerischen Skalen. Als Modifikationen zu Kiank et al. wurde die Skala des Parameters
„Fellbeschaffenheit“ auf 2 reduziert (lediglich grobe Differenzierbarkeit bei nassem Fell möglich / falsch
positive
Werte)
und
das
Beobachtungsintervall
auf
Groomingverhalten kann nach 2 min sicher beurteilt werden).
2
Minuten
reduziert
(Effizienzsteigerung
/
Anhang
106
Anhang II, Explorationsprotokoll.
Gezeigt ist eine Übersichtsgrafik des zur Explorations-Dokumentation genutzten Protokolls. Neben Mausidentifikationsparametern wurden Tumorgröße
(Schieblehre, 2 Ebenen) und Lokalisation, Organpathologien (Leber, Lunge, Lymphknoten, Peritoneum) und Besonderheiten (u.a. Tumorform, Aszites, Ileus,
Milzgröße) erfasst und skizziert. Die Dokumentation der Befunde diente auch einem subjektiven Vergleich mit der Magnetresonanz-basierten Bildgebung.
Für ein exploratives Staging wurden die einzelnen Tumorscores (T, M, P, N) multipliziert.
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