Rheumatoide Arthritis - Erfahrungsbericht - Jutta

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Rheumatoide Arthritis - Erfahrungsbericht - Jutta
Jutta, 58 Jahre
„Mein Arzt hat den geschwollenen Finger geröntgt, nichts feststellen können und mir eine Salbe verschrieben. Aber es wurde nicht besser. Im
Gegenteil, mit der Zeit sind auch die Handgelenke angeschwollen.“
Mit etwa 45 Jahren, hatte ich nach einer Erkrankung, die ich mir im Urlaub zugezogen hatte, einen geschwollenen Ringfinger. Zuerst dachte ich, es ist
noch eine Nachwirkung dieser Erkrankung. Damals war die Jagd mein Hobby und ich habe intensiv Tennis gespielt. Das war mit dem geschwollenen
Finger jedoch schwierig. Deswegen bin ich zum Arzt gegangen.
Mein Arzt meinte, dass der Finger verstaucht ist. Er hat ihn geröntgt, nichts feststellen können und mir eine Salbe verschrieben. Aber es wurde nicht
besser. Im Gegenteil, mit der Zeit sind auch die Handgelenke angeschwollen. Mein Arzt hat mich an eine Universitätsklinik überwiesen, da er den
Verdacht auf Borreliose hatte. Das hat sich aber nicht bestätigt.
Ich habe zuerst Kortison bekommen
Die Schmerzen und Beschwerden wurden jedoch immer schlimmer und mein Arzt hat mich deshalb zu einem Rheumatologen überwiesen, der dann
recht schnell die Diagnose „Rheumatoide Arthritis“ gestellt hat. Ich hatte am Anfang bei den Blutwerten gar keinen erhöhten Rheumafaktor. Dieser
Wert erhöhte sich erst später.
Ich habe zuerst Kortison verschrieben bekommen. Das half nicht lange und ich habe dann zusätzlich Methotrexat bekommen. Dies half aber auch
nicht lange und die Dosis wurde immer weiter gesteigert.
Der Arzt hat mir dann eine Behandlung mit einem neuen Medikament, Rituximab, empfohlen. Während der ersten Infusion mit Rituximab ging es
mir sehr schlecht. Die Ärzte hatten versäumt, mir vorab Kortison zu geben, was wohl empfohlen wird. Die Infusion musste abgebrochen werden, weil
ich starke Schmerzen und Blutungen im Hals bekam. Später haben sie die Behandlung wiederholt und mir vorab Kortison gegeben, das hat dann
sehr gut funktioniert. Seitdem bekomme ich zweimal im Jahr diese Infusion. Dazu nehme ich jede Woche Methotrexat und auch jeden Tag Kortison.
Zudem mache ich regelmäßig Krankengymnastik und auch Ergotherapie. Das hilft mir gut.
Infusionen belasten mich seelisch
Die Infusionen belasten mich seelisch ganz schön. Jedes Mal vier bis fünf Stunden in der Arztpraxis zu liegen, mit den anderen Patienten um mich
herum, ist für mich nicht ganz so einfach. Nach der Infusion bin ich immer ganz geschafft. Aber am nächsten Tag habe ich total viel Energie und
könnte die ganze Wohnung umräumen. Ich weiß nicht, was mich da so aufputscht.
Durch die vielen Medikamente hat meine Leber gelitten. Ich versuche, möglichst keine Schmerztabletten einzunehmen und trinke keinen Alkohol,
um meine Leber nicht noch mehr zu schädigen.
Ich lege mir die Medikamente für jede Woche zurecht
Am Anfang war der Umgang mit den vielen Medikamenten gar nicht so einfach. Ich hatte beispielsweise eine Zeitlang auch ein Medikament, das man
kühlen musste. Damals waren wir auf Reisen und mussten uns immer um Eis kümmern, damit wir das Medikament kühlen konnten. Das war schon
aufwendig. Die Medikamente lege ich mir für jede Woche zurecht, sowohl für meinen an Demenz erkrankten Mann als auch für mich. Ich habe auch
alles ganz genau aufgeschrieben: Welche Operation ich wann hatte und welche Medikamente ich einnehme. Damit, falls mir etwas passieren sollte,
die Informationen da sind.
Ich finde es wichtig, die Medikamente regelmäßig und auch in der verschriebenen Dosis zu nehmen und die Arzttermine wahrzunehmen. Da bin ich
konsequent. Aber sonst versuche ich, mich mehr meinem Leben zu widmen als meiner Krankheit.
Jedes Vierteljahr muss ich zur Kontrolluntersuchung. Ich habe eine Freundin, die auch an Rheuma erkrankt ist und auch bei meinem Arzt in
Behandlung ist. Wir fahren immer zusammen zu den Untersuchungen. Auf diese gemeinsame Fahrt freuen wir uns immer.
Mittlerweile kenne ich mich mit Blutwerten ganz gut aus
Mittlerweile kenne ich mich ganz gut aus mit den Blutwerten. Ich habe mir mit der Zeit Wissen darüber angeeignet und das hat mir Spaß gemacht. Als
ich nach 40 Arbeitsjahren in Rente ging, war es mir nach einem Vierteljahr etwas langweilig und ich habe angefangen, mich mit meiner Erkrankung
intensiver zu beschäftigen. Ich habe mir Bücher gekauft und viel gelesen.
Nach jeder Blutentnahme lasse ich mir die Werte geben und führe Buch darüber. Ich habe einen sehr guten Kontakt zu meinem Rheumatologen. Ich
fühle mich bei ihm sehr gut aufgehoben.
Ich habe mittlerweile viele Operationen hinter mir, vor allem an den Händen wurde ich oft operiert. Außerdem am Fuß, am Schienbein und ich habe
ein neues Kniegelenk bekommen. Alle Operationen sind bei mir gut verlaufen. Ich habe immer große Erleichterung danach verspürt. Beispielsweise
waren meine Füße sehr stark geschädigt. Bei jedem Schritt dachte ich, ich laufe auf Glas. Es waren schlimme Schmerzen. Aber nach der Operation
waren die vorbei. Auch meine Knieoperation habe ich wunderbar überstanden.
Die Schübe sind irgendwann weniger geworden
Ich hatte oft Krankheitsschübe. Die Schmerzen waren fast nicht auszuhalten und die Gelenke waren rot und geschwollen. Solche Schübe hatte ich so
ein- bis dreimal im Monat. Ich konnte nicht mal einen Druckknopf öffnen. Ich habe dann Kortison in sehr hohen Dosen verordnet bekommen. Das
hat zwar geholfen, aber ich habe als Nebenwirkung Wassereinlagerungen vor allem im Gesicht gehabt. Das fand ich nicht so gut. Die Schübe wurden
dann irgendwann weniger, vermutlich durch die Medikamenteneinnahme. Ich habe jetzt weniger Schmerzen, aber ich muss die Medikamente
regelmäßig einnehmen. Was ich ganz deutlich spüre, sind Wetterwechsel, besonders wenn Stürme kommen oder starker Regen. Dann habe ich
Schmerzen.
Mein Mann und ich ergänzen uns ganz gut
Mein Mann ist an einer Demenz erkrankt und ich habe aufgrund der Verformungen an den Händen die Pflegestufe 1 und bin auf Hilfe angewiesen.
Wir ergänzen uns eigentlich ganz gut. Mein Mann hilft mir, soweit er kann. Er schält zum Beispiel Kartoffeln, das kann ich nicht mehr so gut. Dafür
übernehme ich das, was er mit dem Kopf nicht mehr kann. Wir haben uns arrangiert. Ich habe mich mit meiner Erkrankung abgefunden und mich in
meinem Leben darauf eingestellt. Ich habe mit meinem Mann viele Reisen unternommen und wir hatten ein tolles Leben, trotz dieser
Behinderungen.
Ich habe großes Glück, dass es in meinem sozialen Umfeld so viele Menschen gibt, die mir helfen. Zuerst konnte ich überhaupt keine Hilfe
annehmen. Ich habe immer alles allein gemacht. Und dann auf einmal jemanden zu bitten, im Restaurant mein Fleisch klein zu schneiden, das
konnte ich lange gar nicht. Heute fällt mir das aber nicht mehr schwer. Dass mich andere unterstützen, ist im Alltag eine riesengroße Sicherheit für
mich. Mein Bruder und Neffe kommen gern zu Hilfe, eine meiner Nachbarinnen bügelt mir die Sachen, die andere bessert mir die Sachen aus. Mit
Hilfe dieser Menschen komme ich mit meiner Krankheit ganz gut zurecht.
Ich finde es wichtig, sich das soziale Umfeld zu erhalten
Wichtig finde ich, dass man sich das soziale Umfeld erhält. Denn wenn man Schmerzen hat, wird man auch leicht mürrisch oder launisch. Und es ist
auch wichtig, die Leute nicht vor den Kopf zu stoßen, wie man das manchmal vor lauter Schmerzen vielleicht machen würde.
Was ich nicht gut leiden kann ist, wenn andere mich damit aufmuntern wollen, dass es anderen Menschen noch schlechter geht. Das kann ich nicht
haben. Ich weiß, dass es anderen schlechter geht als mir, aber ich denke, für jeden Menschen ist das, was er selber empfindet, schlimm genug. Ich
wehre mich auch gegen alle möglichen Tipps und Empfehlungen anderer. Ich will mich damit nicht belasten. Früher habe ich mir das alles angehört,
das mache ich heute nicht mehr. Da bin ich stärker geworden.
Für die Hand habe ich eine Schiene von einer Schmuckdesignerin
Ich bin mit meinem Leben einigermaßen zufrieden, obwohl ich ziemliche Verkrüppelungen an den Händen habe. Es sieht schlimm aus, aber auch
damit habe ich mich abgefunden. An der linken Hand trage ich eine Schiene. Allerdings habe ich keine der üblichen Schienen, sondern habe mir eine
von einer Schmuckdesignerin, die sich darauf spezialisiert hat, anfertigen lassen. Die ist aus Silber und sieht wirklich toll aus. Ich werde oft darauf
angesprochen. Ich trage die Schiene ständig, dadurch ist, denke ich, meine Hand auch gerade geblieben.
Von dieser Schmuckdesignerin habe ich mir auch gleich meine Ketten umändern und mir Magnetverschlüsse anbringen lassen. Dadurch brauche ich
keine Hilfe, wenn ich eine Kette an- oder ablegen möchte. Mit meinen Fingern bin ich mit den normalen Verschlüssen nicht mehr klar gekommen.
Ich habe ziemlich viele Hilfsmittel und ein behindertengerechtes Bad
Ich kann auch keine Knöpfe mehr benutzen oder Reißverschlüsse schließen. Ich trage nur Hosen mit Rundumgummi und lasse mir von der
Schneiderin immer Ösen an die Hose machen, damit kann ich mir dann mit den Daumen die Hosen hochziehen. Ich habe auch Strumpfanzieher,
weil ich die Strümpfe so nicht mehr hochziehen kann.
Ich nutze auch ein besonderes Besteck: Zum Beispiel hat das Messer zum Schneiden einen dickeren Griff. Zum Öffnen von Flaschen und Dosen habe
ich verschiedene Geräte und auch eine Schere mit einem Spezialgriff. Ich habe ziemlich viele solcher Hilfsmittel.
Wir haben unser Bad auch behindertengerecht umgebaut. Ich kam ja nicht mehr in die Badewanne. Dazu haben wir von der Krankenkasse
Zuschüsse bekommen. Mir fällt es auch schwer, Toilettenpapier zu benutzen. Deswegen haben wir uns eine Toilette einbauen lassen, die
automatisch wäscht und föhnt.
Oft hört man, dass behinderte Menschen allein gelassen werden. Ich finde das nicht, sondern eher, dass sehr viel für behinderte Menschen in
unserem Land getan wird. Man muss sich aber ein wenig erkundigen und lesen und Dinge beantragen. Mein Rheumatologe hilft mir dabei sehr. Ich
fühle mich wirklich gut aufgehoben.
Danksagung
Erfahrungsberichte fassen Interviews mit Betroffenen zusammen. Alle Gesprächspartnerinnen und -partner haben der Veröffentlichung zugestimmt.
Ihnen gilt unser herzlicher Dank.
Die Berichte geben einen Einblick in den persönlichen Umgang und das Leben mit einer Erkrankung. Die Aussagen stellen keine Empfehlung des
IQWiG dar.
Hinweis: Um die Anonymität der Interviewten zu wahren, ändern wir ihre Vornamen. Die Fotos zeigen unbeteiligte Personen.
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