T HEMEN / AK T EURE / WISSEN / DIALOG / T IT EL / SERVICE CSR 2013: Welche Herausforderungen kommen auf Unternehmen zu? Was kommt im nächsten Jahr auf die CSR-Verantwortlichen in Unternehmen zu? CSR MAGAZIN hat drei Wissenschaftler um ihre Einschätzung gebeten. VON STEFAN SCHALTEGGER Besser geht es kaum: Ein Produkt am Puls der Zeit. Eines, das designverliebte Kunden begeistert und gleichzeitig allen Anforderungen an ökologische und soziale Kriterien entspricht. Es ist recycelbar und über die gesamte Wertschöpfungskette nachhaltig und zu fairen Bedingungen hergestellt, transportiert aber kein altbackenes Öko-Image. Eines, das jeder braucht und alle haben wollen. Es verändert den Markt, motiviert die Gesellschaft zu nachhaltigem Verhalten und sichert dem Hersteller Gewinn. Ein Produkt, das die Welt verbessert und alle glücklich macht – das perfekte Nachhaltigkeitsprodukt. Ein unerreichbarer Anspruch oder Managementherausforderung 2013? 6 Ich möchte die These aufstellen, dass selbst, wenn die Vision des perfekt nachhaltigen Produkts derzeit unerreichbar ist, Unternehmen dennoch gefordert sind, Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln, die Nachhaltigkeitsansprüchen möglichst weit gerecht werden. Nachhaltige Produkte sind keine Mode, sondern liegen im Langzeittrend. Immer mehr Konsumentinnen und Konsumenten sind bereit, bisherige Anbieter zu wechseln oder beispielsweise Geld für Milch ohne Gentechnik oder Kleidung ohne Kinderarbeit auszugeben. Das Wachstum im Bio-LebensmittelSektor und zahlreiche Umfragen zu Verbraucherwünschen belegen dies. Und dennoch gibt es nachhaltigere Produkte, die sich am Markt nicht durchsetzen. Statt dann – ganz einfach und bequem – die Schuld auf Verbrauche- CSR MAGAZIN No. 04/2012 Fotos: Fotolia © jannoon028; © Thomas Jansa Bietet mein Unternehmen das perfekt nachhaltige Produkt an? rinnen und Verbraucher zu schieben, ist die unternehmerische Ambition, die die Gestaltung konventioneller Trendprodukte treibt, auch für nachhaltige Angebote gefragt. Mangelnde Nachfrage kann unterschiedlichste Ursachen haben, vom Preis über das Design bis hin zum Marketing. Denn auch für nachhaltige Produkte gilt: Sie müssen die Kernkriterien erfüllen, die Kunden bei der Kaufentscheidung anlegen, wie z. B. Preis, Design, Nutzwert, Qualität, Image oder Verfügbarkeit. Nachhaltigkeit kann nie der alleinige Kaufgrund sein. Sonst wäre Verzicht nachhaltiger bzw. das Produkt müsste gar nicht nachgefragt werden. Es stecken also andere Grundbedürfnisse hinter einem Kauf und diese müssen vom Anbieter auf nachhaltige Weise mindestens so gut abgedeckt werden wie für konventionelle Produkte. Um mit – oder durch – Nachhaltigkeit ein nahezu perfektes Gestaltungsangebot aus Produkt-Dienstleistungskombinationen zu kreieren, sind die Bedürfnisse des Marktes genau zu analysieren und ein optimales Timing für die Einführung zu finden. Die erfolgreiche Umsetzung bedarf Expertinnen und Experten. Dabei zeigt das Corporate-SustainabilityBarometer, dass die Unternehmenspraxis häufig einen Mangel an geeignetem Know-how konstatiert. Insbesondere Interdisziplinarität und Persönlichkeitskompetenzen sind gefragt, wenn es darum geht, Nachhaltigkeit als Querschnittsaufgabe in einer Organisation, ihren Lieferketten und für ein nachhaltiges Produktdesign einzuführen. Diese Weiterbildungsherausforderung betrifft dabei nicht nur Mitarbeitende der CSR-Abteilung, sondern, aufgrund der Querschnittsfunktion des Nachhaltigkeitsmanagements, alle Abteilungen. Ohne ein ausreichendes Nachhaltigkeits-Know-hows in allen Abteilungen versanden selbst die brillantesten Ansätze in Umsetzungsschwierigkeiten. Das perfekte nachhaltige Produkt wächst auf einem Nährboden interdepartementaler Zusammenarbeit. „CSR wird sich etablierten Unternehmensfunktionen angleichen.“ VON ALEXANDER BRINK UND MORITZ DELBRÜCK Das Thema CSR entwickelt sich auch 2013 weiter: Die gesamtwirtschaftliche Lage wird schwieriger und erhöht den Wettbewerbsdruck. Einzelnen Unternehmen wird es gelingen, CSR so weit in Kerngeschäft und Geschäftsprozess zu integrieren, dass dies einen strategischen Wettbewerbsvorteil verschafft. Andere werden unter dem entstehenden Kostendruck ihr philanthropisches Engagement neu sortieren und CSR MAGAZIN No. 04/2012 sich dabei auf solche Engagements fokussieren müssen, die nachweislich besonders wirkungsvoll sind, d. h. tatsächlich Verbesserungen auslösen. CSR wird sich weiter professionalisieren und etablierten Unternehmensfunktionen angleichen. Mit verschärften Reporting-Vorschriften, ob durch Gesetzgeber oder GRI 4, Förderprogrammen in den Mittelstand hinein und dem Aufbau von CSR-Abteilungen sogar in der Versicherungsbranche ist CSR endgültig im Mainstream angekommen. Im deutschen Mittelstand z. B. wird das Thema als „unternehmerische Verantwortung“ gerade neu entdeckt. Vorbehalte einzelner KMUs gegenüber CSR dürften damit abnehmen. Verstärkt wird dies durch den Einsatz professionellerer Methoden und Technologien für die Umsetzung. So wird die CSR-Leistung von Unternehmen u. a. nach Branche, Eigentümer- und Kundenstruktur, Betätigungsfeld und insbesondere auch Wirkungsmessung von Aktivitäten unterschieden werden müssen. In einem positiven Entwicklungsszenario wird damit auch die öffentliche Debatte endlich sachlicher und differenzierter. Für die Vertiefung von CSR im Kerngeschäft sind insbesondere die Methoden moderner Marktforschung und sektorübergreifende Kooperation von Relevanz. Sie werden für Materialitätsberechnungen, Neuprodukt-Entwicklung und Cause-MarketingKampagnen eingesetzt und quantifizieren die Einsatzmöglichkeiten von CSR. Bislang sind viele Unternehmen hier noch an der Oberfläche statistischer Auswertungsmöglichkeiten geblieben. Auch die CSR-Kommunikation wird sich künftig höheren Effizienz- und Legitimitätsanforderungen stellen müssen und intern wie extern kritischer hinterfragt werden. Beim Medium ist eine zunehmende Vermischung von Print zu Online zu erwarten, z. B. über interaktive digitale Nachhaltigkeitsberichte. Die zunehmende „Messen/Zählen/Wiegen“-Haltung wird auch das CSR-Gesamtkonzept von Unternehmen verändern. So werden 2013 erste deutsche Großkonzerne ihre Planungen und Prozesse auf Shared-Value-Konzepte umstellen und der deutschen CSR-Szene damit wichtige Impulse geben. Im Ergebnis wird diese Kennzahlenorientierung die interne Akzeptanz von CSR im Unternehmen stärken, weil CSR zur normalen Unternehmensfunktion wird und sich denselben Anforderungen stellen muss wie andere Abteilungen. CSR wird also weiter an Relevanz und Dynamik gewinnen. Bleibt zu hoffen, dass das Momentum genutzt wird, das Thema professionell, verständlich und kritisch aufzubereiten. Prof. Dr. Stefan Schaltegger > ist Professor für Nachhaltigkeitsmanagement an der Leuphana Universität Lüneburg und Leiter des Centre for Sustainability Management. Prof. Dr. Dr. Alexander Brink > ist Professor für Wirtschafts- und Unternehmensethik an der Universität Bayreuth und Partner der concern GmbH. Moritz Delbrück > ist Geschäftsführender Partner der Beratungsgesellschaft concern GmbH, Köln. 7