4 Der Einstieg in die Bilanz Zeitaufwand: 30 Minuten In dieser Lektion gehen wir weiter ins Detail des Jahresabschlusses. Zentrales Thema sind die Grundlagen der Bilanz. Wie Sie im letzten Kapitel gelernt haben, ist die Bilanz ein wichtiger Bestandteil des Jah resabschlusses, wenn nicht sogar der wichtigste. Die Bilanz ist die Gegenüberstellung von Aktiva und Passiva zu einem bestimmten Zeit punkt. Doch wie sieht eine Bilanz genau aus? Ist ihr Aufbau bei allen Unternehmen gleich? In dieser Lektion sehen wir uns die Bilanz ein mal genauer an. Sie erfahren auf den folgenden Seiten, • wer welche Bilanz braucht, • was Größe und Rechtsform eines Unternehmens mit dem Aufbau der Bilanz zu tun haben, • welche Regeln Sie bei der Gliederung einer Bilanz beachten müs sen, • welche Angaben Sie auf der Aktivseite der Bilanz finden und • wie die Passivseite einer Bilanz aufgebaut ist. 4.1 Handels und Steuerbilanz: Wer braucht welche Bilanz? Sie werden immer wieder feststellen, dass zwischen Steuer- und Handelsbilanz unterschieden wird. Den Handels- und Steuerbilanzen liegen unterschiedliche Rechtsnormen zugrunde, es handelt sich aber bei beiden um externe und ordentliche Bilanzen. • Die kleinen und mittleren Unternehmen erstellen meist nur eine Steuerbilanz. • Die Kapitalgesellschaften und große Personengesellschaften müssen neben einer Steuerbilanz auch eine Handelsbilanz aufstellen. 68 Handels und Steuerbilanz: Wer braucht welche Bilanz? 4 Die Handelsbilanz Die Handelsbilanz wird nach handelsrechtlichen Vorschriften erstellt. Die allgemeinen rechtlichen Grundlagen stehen im Handelsgesetzbuch, das für alle Kaufleute gilt. Daneben gibt es noch Sonderregelungen im Aktiengesetz, GmbH-Gesetz, Genossenschaftsgesetz und Publizitätsgesetz. Expertenrat aus der Praxis In den Geschäftsberichten der Unternehmen werden nur die Handelsbi lanzen aufgeführt und erläutert. Die Steuerbilanz Die Steuerbilanzen richten sich nach den Vorschriften des Steuerrechts. Sie sind Grundlage für die Besteuerung durch das Finanzamt. Die Ertragsteuerbilanzen werden jährlich für die Zwecke der Veranlagung zur Einkommen- und Körperschaftsteuer sowie zur Gewerbesteuer erstellt. Die Vermögensteuerbilanzen dagegen dienen nur zur Festlegung der Vermögensteuer. Achtung Wenn in diesem Buch die Rede von Bilanz ist, ist immer die Handels bilanz gemeint – es sei denn, die Steuerbilanz ist ausdrücklich genannt. 69 4 Der Einstieg in die Bilanz 4.2 Bilanzaufbau: Streng nach Rechtsform und Größe Wie Sie die Bilanz darstellen, insbesondere die Reihenfolge und Bezeichnung der auszuweisenden Posten, ist weitgehend gesetzlich vorgegeben. Raum für Kreativität gibt es hier nicht. Ziel ist, ein möglichst einheitliches Bilanzbild der Unternehmen gewährleisten. Der Grundsatz der sogenannten Bilanzklarheit, zu dem wir später noch ausführlicher kommen, fordert, dass der Jahresabschluss klar und übersichtlich aufgestellt werden muss. Was eine klare und übersichtliche Gliederung ist, steht in den Gliederungsvorschriften der Bilanz sowie der G+V. Auch hier spielt die Rechtsform und die Größe eines Unternehmens eine entscheidende Rolle. • Einzelkaufleute und Personenhandelsgesellschaften, die nicht unter das Publizitätsgesetz fallen, müssen keine detaillierte Gliederung einhalten. • Strenger geht es zu bei den Kapitalgesellschaften und voll haftungsbeschränkten sowie bei publizitätspflichtigen Einzelkaufleuten und Personenhandelsgesellschaften. Sie müssen eine konkrete Gliederung vorweisen können. Grundlage für diese strengere Gliederung ist das Gliederungsschema des § 266 HGB. 70 Bilanzaufbau: Streng nach Rechtsform und Größe 4 Bilanzaufbau für Kapitalgesellschaften bis 2009 In den Geschäftsberichten der Kapitalgesellschaften finden Sie im Wesentlichen folgendes Gliederungsschema: Bilanz Aktiva Passiva A. Anlagevermögen I. Immaterielle Vermögensgegenstände 1. Konzessionen, gewerbliche Schutzrechte 2. Geschäfts oder Firmenwert A. Eigenkapital I. Gezeichnetes Kapital II. Kapitalrücklage III. Gewinnrücklagen IV. Gewinn/Verlustvortrag V. Jahresüberschuss/fehlbetrag II. Sachanlagen 1. Grundstücke + Gebäude 2. Maschinen 3. Betriebs und Geschäftsausstattung B. Sonderposten mit Rücklageanteil III. Finanzanlagen 1. Ausleihungen 2. Beteiligungen B. Umlaufvermögen I. Vorräte 1. Roh, Hilfs und Betriebsstoffe 2. Unfertige und fertige Erzeugnisse, Waren C. Rückstellungen D. Verbindlichkeiten 1. Verbindlichkeiten mit einer Laufzeit von mehr als 5 Jahren 2. Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen 3. Sonstige Verbindlichkeiten E. Rechnungsabgrenzungsposten II. Forderungen und sonstige Vermögensgegenstände 1. Forderungen aus Lieferungen und Leistungen 2. Sonstige Vermögensgegen stände III. Wertpapiere IV. Schecks, Kassenbestand, Bundesbank und Postgiroguthaben, Guthaben bei Kreditinstituten C. Rechnungsabgrenzungsposten 71 4 Der Einstieg in die Bilanz Achtung Falle Hüten Sie sich vor Abweichungen vom Schema. Diese kommen nur in Betracht, wenn sie nach den allgemeinen Darstellungsregeln des § 265 HGB zulässig sind oder spezielle Vorschriften diese Möglichkeit aus drücklich einräumen. Ein wichtiger Bilanzierungsgrundsatz neben der Bilanzklarheit ist die sogenannte Bilanzkontinuität: Haben Sie sich einmal für ein Bilanz schema entschieden, müssen Sie es auch beibehalten. So muss die Rei henfolge der Bilanzposten in der Bilanz von Jahr zu Jahr konstant gehalten werden. Bilanzaufbau für Kapitalgesellschaften ab 2010 Durch die Abschaffung der umgekehrten Maßgeblichkeit, wie in Lektion 3.1. beschrieben, wird es in der neuen Handelsbilanz die Bilanzposition auf der Passiva „Sonderposten mit Rücklageanteil“ nicht mehr geben. Neu ist auch, dass die aktiven und passiven latenten Steuern in eigenen Bilanzpositionen ausgewiesen werden. Außerdem gibt es eine neue Bilanzposition: „Aktiver Unterschiedsbetrag aus der Vermögensverrechnung“. An dieser Stelle geht es lediglich um die Gliederung der neuen Handelsbilanz, mehr zu den einzelnen Bilanzpositionen erfahren Sie in den folgenden Kapiteln. Bilanz Aktiva 72 Passiva A. Anlagevermögen A. Eigenkapital B. Umlaufvermögen B. Rückstellungen C. Rechnungsabgrenzungsposten C. Verbindlichkeiten D. Aktive latente Steuern D. Rechnungsabgrenzungsposten E. Aktiver Unterschiedsbetrag aus der Vermögensverrechnung E. Passive Latente Steuern So gliedern Sie die Bilanz 4.3 4 So gliedern Sie die Bilanz Wer sich eine Bilanz ansieht, kann sich ziemlich schnell einen Überblick über die Aktiva und Passiva des Unternehmens verschaffen. Auf der linken Seite der Bilanz steht das Vermögen und auf der rechten Seite das Kapital. Das gehört zur Aktivseite Die Aktivseite der Bilanz gibt genauere Auskunft darüber, welches Vermögen im Unternehmen vorhanden ist. Die Aktiva werden • in Anlagevermögen, • in Umlaufvermögen und • in Rechnungsabgrenzungsposten unterteilt. Das Anlagevermögen und das Umlaufvermögen lassen sich noch weiter untergliedern, um einen besseren Einblick in die Vermögensseite zu erhalten. • Anlagevermögen: Im Anlagevermögen müssen Sie die Vermögensgegenstände ausweisen, die dem eigenen Geschäftsbetrieb dauerhaft dienen sollen (§ 247 Abs. 2 HGB). Das Anlagevermögen setzt sich aus – immateriellen Gegenständen (Patente, Lizenzen), – Sachanlagen (Grundstücke, Gebäude) und – Finanzanlagen (Beteiligungen, Ausleihungen) zusammen. • Umlaufvermögen: Das Umlaufvermögen zeigt dagegen die nur für eine vorübergehende Nutzung bestimmten Vermögensposten. Die Reihenfolge der Posten des Umlaufvermögens folgt schließlich der Dauer, innerhalb derer die Vermögensgegenstände typischerweise in liquide Mittel umgeschlagen werden. Das Umlaufvermögen gliedert sich in – Vorräte, – Forderungen und – flüssige Mittel. 73 4 Der Einstieg in die Bilanz Das gehört zur Passivseite Die Passivseite, die rechte Seite, zeigt, wie viel Eigen- und Fremdkapital dem Unternehmen zur Verfügung steht. Die Passiva gliedern sich • in Eigenkapital, • in Sonderposten mit Rücklageanteil, • in Rückstellungen, • in Verbindlichkeiten und • in Rechnungsabgrenzungsposten. Das Eigenkapital, die Rückstellungen und die Verbindlichkeiten werden noch weiter aufgeteilt, damit sich die Interessierten einen besseren Überblick über die Zusammensetzung dieser Positionen verschaffen können. • Eigenkapital: Je nach Rechtsform wird eine bestimmte Unterteilung des Eigenkapitals verlangt. Bei Kapitalgesellschaften wird folgende Unterteilung verlangt: – Gezeichnetes Kapital, – Kapitalrücklage, – Gewinnrücklagen, – Gewinn- oder Verlustvortrag, – Jahresüberschuss oder -fehlbetrag. 74 • Einzelunternehmen müssen ihr Eigenkapital wie folgt gliedern: – Privateinlagen, – Privatentnahmen, – Gewinne des Unternehmens sowie dessen Verluste. • Das Fremdkapital: Das Fremdkapital besteht im Wesentlichen aus – den Rückstellungen und – den Verbindlichkeiten. So gliedern Sie die Bilanz 4 Expertenrat aus der Praxis So können Sie sich den Unterschied zwischen Verbindlichkeiten und Rückstellungen merken: Verbindlichkeiten sind in ihrer Höhe und ihrer Art nach bekannt, Rückstellungen bilden Sie für unbekannte Positionen. • • Rückstellungen: Bei den Rückstellungen unterscheidet man wiederum Pensionsrückstellungen, die Rückstellungen für Steuern und die sonstigen Rückstellungen. Verbindlichkeiten: Zu den Verbindlichkeiten zählen insbesondere die Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten, die Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen und die sonstigen Verbindlichkeiten. Expertenrat aus der Praxis Die Vermögenswerte sind in der Bilanz nach einer bestimmten Reihen folge angeordnet. Bestimmend ist der Grad, wie schwer sie sich „liqui dieren“, also in Geld umwandeln lassen. Werte, die nur schwer verflüs sigt werden können, wie Grundstücke und Gebäude, stehen auf der Aktivseite ganz oben. Am unteren Ende erscheinen die liquiden Mittel, Kasse und Bankguthaben. Das Kapital wird nach der Fälligkeit ausgewiesen. Das Eigenkapital, das langfristig im Unternehmen bleibt, steht immer an der ersten Position. Kurzfristige Verbindlichkeiten, die schon bald zu zahlen sind, führen Sie am Ende auf. 75 4 Der Einstieg in die Bilanz Auf einen Blick • • • • • • • • 76 Die Bilanz, die Aktiva und Passiva eines Unternehmens darstellt, muss klar und übersichtlich gegliedert werden. Vorgeschrieben ist ein detaillierter Bilanzaufbau nur für Kapitalge sellschaften. Die meisten Einzelunternehmen und Personengesell schaften übernehmen diesen Aufbau ebenfalls. Haben Sie sich einmal für ein Bilanzschema entschieden, muss es auch beibehalten werden. So muss die Reihenfolge der Bilanzpos ten in der Bilanz von Jahr zu Jahr konstant gehalten werden (Grundsatz der Bilanzkontinuität). Zu den Aktiva einer Bilanz gehören das Anlage und das Umlauf vermögen sowie die aktiven Rechnungsabgrenzungsposten. Zu den Passiva einer Bilanz gehören das Eigenkapital, die Sonder posten mit Rücklageanteil, die Rückstellungen, Verbindlichkeiten und die passiven Rechnungsabgrenzungsposten. Den Unterschied zwischen Verbindlichkeiten und Rückstellungen können Sie sich leicht merken: Verbindlichkeiten sind in ihrer Hö he und ihrer Art nach bekannt, Rückstellungen bilden Sie für un bekannte Positionen. Die Vermögenswerte sind in der Bilanz nach dem Grad angeord net, wie schwer sie sich in Geld umwandeln lassen. Werte, die sich nur schwer verflüssigen lassen, stehen auf der Aktivseite ganz oben. Das Kapital wird nach der Fälligkeit ausgewiesen. Langfristiges Eigenkapital steht immer an der ersten Position der Passivseite. Kurzfristige Verbindlichkeiten, die schon bald zu zah len sind, werden am Ende aufgeführt. Trainingsparcours zur Lektion 4 4.4 4 Trainingsparcours zur Lektion 4 Mit diesen Übungen können Sie Ihre frisch erworbenen oder wieder reaktivierten Kenntnisse über den Aufbau von Bilanzen gleich anwenden. Trainingsstation 1 Sie kennen jetzt den Aufbau der Bilanz. Erläutern Sie anhand der Elemente, was sich aus der Bilanz lesen lässt. Trainingsstation 2 Wie wird das Eigenkapital untergliedert • bei Kapitalgesellschaften? • bei Einzelunternehmen? Trainingsstation 3 Nach welcher Regel werden Vermögenswerte in der Bilanz geordnet? Trainingsstation 4 Nennen Sie zwei Bilanzgrundsätze, die die Gliederung der Bilanz betreffen, und erklären Sie kurz deren Inhalt. 77