SPONET-NR 178635 Wick, J. (1998). Zur Leistungsentwicklung im Biathlon - eine Analyse internationaler und nationaler Tendenzen im Olympiazyklus 1994-1998. Z. Angew. Trainingswiss., 5 (1), 95-115. Biathlon | Leistungsentwicklung | international | Leistungsfaktor | Hochleistungssport | Leistungssport | Olympische Winterspiele 1998 | männlich | weiblich | Geschwindigkeit | Skilanglauf | Schießen | Tendenz | Trainingskonzeption | Trainingsmethode Das erfolgreiche Abschneiden der deutschen Biathletinnen und Biathleten bei den Olympischen Winterspielen 1998 in Nagano wird zum Anlaß genommen, die Entwicklung des Biathlonsports in den letzten Jahren sowohl aus internationaler als auch nationaler Sicht zu beleuchten. Neben der Betrachtung allgemeiner Entwicklungstendenzen werden insbesondere die komplexe Biathlonleistung und die ihr zugrundeliegenden Teilleistungskomponenten Laufgeschwindigkeit, Schießergebnis und Schießzeit untersucht. Daraus ergeben sich Trends der Leistungsentwicklung, die mit den Ergebnissen der Kader des Deutschen Skiverbandes verglichen werden. Das hohe Leistungsniveau der deutschen Sportlerinnen und Sportler basiert auf einer tragfähigen Trainingskonzeption. Ansätze für wissenschaftliche Untersuchungen ergeben sich aus Veränderungen der Leistungsstruktur durch neue Wettkampfformen. Davon beeinflußt wird die Trainingsstruktur in ihrer Gesamtheit. Individuelle trainingsmethodische Lösungen sind ebenso notwendig wie die Forcierung einer effektiven und zielgerichteten Nachwuchsarbeit. Ausblick 1 Zur Entwicklung des Wettkampfsystems im Biathlon Die Wettbewerbe der OWS 1998 fanden in den klassischen Disziplinen Einzel, Sprint und Staffel statt. Darüber hinaus haben sich bei WM und WC im abgelaufenen Olympiazyklus der Team- und Pursuitwettbewerb sowie Rennen mit Massenstart etabliert. Die Integration des besonders attraktiven Pursuitwettkampfes in das Olympiaprogramm ist vorgesehen. Unter der Prämisse, die Dauer der Wettbewerbe zu verkürzen und gleichzeitig ihre Übersichtlichkeit zu verbessern, wird höchstwahrscheinlich das klassische 20-km-Rennen verändert. Stattdessen beträgt die Distanz dann 12 km. Dabei wird wie bisher viermal geschossen, die Schießfehler werden jedoch nicht in Form von Strafminuten auf die Laufzeit aufgeschlagen sondern wie im Sprint als Strafrunden gelaufen. Analog gilt dies für die lange Distanz der Damen. Weitere Variationsmöglichkeiten bieten Paarrennen oder Mixed-Rennen über sehr kurze Distanzen im K.o.-System. Zukünftig wird es notwendig sein, die bisherige Weltcup-Wertung zu überdenken. Die Anzahl der im Weltcup startenden Athleten kann nicht weiter gesteigert werden. Die bisherige Quotenregelung garantiert zwar zahlreichen Ländern die Teilnahme, ist aber nicht konsequent leistungsorientiert. Ein A- und B-Weltcup mit entsprechenden Aufstiegs- und Abstiegsregelungen sind angedacht. Wenn alle zur Zeit in der Diskussion befindlichen Veränderungen tatsächlich das bisherige Wettkampfsystem ergänzen oder ersetzen, dann sind vor allem Fragen der Leistungsstruktur der Sportart Biathlon, des Anforderungsprofiles sowie des Trainingssystems neu zu bestimmen. 2 Zur Trainingskonzeption Das zukünftig veränderte Wettkampfsystem macht Veränderungen im Trainingssystem zwingend notwendig. Zu berücksichtigen sind dabei folgende Aspekte: · Veränderungen in der Leistungsstruktur der Sportart hinsichtlich konditioneller, technisch-koordinativer und taktischer Anforderungen durch neue Disziplinen, · Leistungsentwicklung in allen Teilleistungskomponenten, ohne daß Grenzen sichtbar werden, · Kaderpotential des Verbandes unter Berücksichtigung des individuellen Trainingsalters, · Erarbeitung individueller Lösungen zur Ausschöpfung von Leistungsreserven für trainingsältere Sportler, · Integration von Nachwuchsathleten in bestehende Kaderstämme, · Veränderungen der Wettkampfstrecken mit der Tendenz zu deren Verkürzung, · Veränderung der Proportionen zwischen Lauf- und Schießanforderungen und deren Einfluß auf das Wettkampfresultat, · Veränderungen in der taktischen Wettkampfgestaltung (höhere Risikobereitschaft, stärkerer Kampf "Mann gegen Mann", Teamwettbewerbe), · Zunahme der Anzahl der Weltcupveranstaltungen, · Ausdehnung der Wettkampfperiode von Dezember bis April, ohne darin eingelagerte reine Trainingsabschnitte, · Modifizierung der unmittelbaren Vorbereitung des jährlichen Wettkampfhöhepunktes (UWV), · Einordnung von Einladungswettkämpfen bzw. Wettbewerben außerhalb des Weltcups, · Erhöhung des Einflusses von Material und Ausrüstung auf die Wettkampfleistung. Das Heranführen erfolgreicher Junioren/innen an das Leistungsniveau der trainingsälteren Sportler/innen wird das zentrale Problem für das Erreichen von Weltspitzenleistungen zukünftig sein. Wesentliche Voraussetzung dafür ist ein bereits im Jugend- und Juniorenalter verinnerlichtes Anspruchsniveau, das über dem liegen muß, was gegenwärtig notwendig ist, um im Juniorenalter erfolgreich zu sein. Das frühere Anbinden der leistungsstärksten Junioren/innen an die Nationalmannschaften der Damen/Herren sowie der permanente Leistungsvergleich sollten verstärkt genutzt werden, um einer (notwendigen) höheren Konkurrenzsituation auch für die trainingsälteren Sportler Rechnung zu tragen. Das prinzipielle trainingsmethodische Vorgehen der vergangenen Jahre hat sich im wesentlichen bewährt. Dennoch ist es erforderlich, kritisch zu prüfen, ob grundlegende Erfordernisse (z.B. notwendiger Belastungsumfang für eine Ausdauersportart; Entwicklung des Kraftausdauerniveaus; ausreichendes Training mit reizwirksamen Belastungsintensitäten; aureichende Berücksichtigung der Aspekte des Lerntrainings für die Teildisziplin Schießen) realisiert und neue trainingswissenschaftliche Erkenntnisse in ausreichendem Maße berücksichtigt wurden. Die Forschungsarbeit der kommenden Jahre ist von folgenden Schwerpunkten gekennzeichnet: · Zur wissenschaftlichen Begleitung des Trainingsprozesses gehören alle Aufgaben, die auf die Unterstützung der Athleten und Trainer in der täglichen Trainingspraxis zielen sowie durch Sofortinformation über verschiedene Parameter der konditionellen und technischen Leistungsfähigkeit in der Lauf- und Schießausbildung Aufschluß geben. · Durch umfassende Wettkampfanalysen der WC-Wettbewerbe und der WM/OWS wird das Ziel verfolgt, die Leistungsentwicklung der DSV-Auswahlmannschaften sowie der weltbesten Biathlonnationen zu bestimmen und daraus trainingsmethodische Schlußfolgerungen für die Vorbereitung der OWS 2002 zu ziehen. · Die Durchführung und Auswertung der Leistungsdiagnostik im Bereich des Biathlonschießens hat zum Ziel, die entscheidenden Parameter der Schießtechnik zu diagnostizieren und individuelle Schwerpunkte für die folgende Trainingsperiode zur Verbesserung der Schießtechnik abzuleiten. · Bestehende Leistungsreserven in der Schießleistung und deren Stabilität unter hohen psychophysischen Anforderungen sollen zielgerichtet ausgeschöpft werden. Diese werden insbesondere in der Verbesserung der Anschlagsstabilität sowie des Abzugsverhaltens gesehen. Darüber hinaus ist der Einfluß der psychophysischen Belastung auf die Schießhandlung individuell zu ermitteln. Einen weiteren Schwerpunkt stellt die Erfassung von Zielfehlern im unmittelbaren Handlungsvollzug dar. · Der Aufbau der sportlichen Leistung im Jahresverlauf ist unter den neuen Bedingungen einer häufigeren Wettkampftätigkeit neu zu bestimmen. Schwerpunkte werden dabei die Gestaltung des Trainings zwischen den Wettkämpfen in der Wettkampfperiode (von Dezember bis April) sowie die Gestaltung der unmittelbaren Wettkampfvorbereitung auf den Saisonhöhepunkt (OWS, WM) sein. · Im konditionellen Bereich ist eine Verbesserung des Kraftausdauerniveaus durch den Einsatz spezifischer, semispezifischer und allgemeiner Trainingsmittel notwendig. · Die Objektivierung der Skilauftechnik unter Trainings- und Wettkampfbedingungen soll durch biomechanische Kenngrößen gestützt werden. Hierfür ist momentan noch kein praktikables Lösungsverfahren im Biathlon vorhanden. · Mit Partnern im Verbundsystem (FES) werden Möglichkeiten der Teilzeitanalyse im Training und Wettkampf erörtert. Ebenso soll das Problem der richtigen Auswahl des Skimaterials durch Untersuchungen zum Reibungswiderstand verschiedener Skibeläge und -schliffe und variierender Schneearten einer Lösung zugeführt werden.