Wettbewerbsfähigkeit steigern durch optimierte Materialwirtschaft

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Unternehmensführung
Wettbewerbsfähigkeit steigern durch
optimierte Materialwirtschaft
Teil 2: Anforderungen an eine EDV-Lösung, Maßnahmen zur betrieblichen Umsetzung
Prof. Dr.-Ing. Henrik Passinger*, Dipl.-Wirtsch.-Ing. Christina Siebert**
∑ Materialwirtschaft,
∑ Buchhaltung,
∑ Einkauf,
∑ Akquise [1].
Unerlässliche Voraussetzungen für eine optimierte Materialwirtschaft in einem Unternehmen sind neben angepassten betrieblichen Arbeitsabläufen eine moderne EDV-Hardware
und eine Materialwirtschaftssoftware, die die speziellen Anforderungen des SHK-Betriebes
unterstützt. Das Programm sollte von dem Handwerksbetrieb ohne große EDV Kenntnisse
mit akzeptablem Aufwand bedient werden können.
Nachdem im ersten Teil dieser zweiteiligen Artikelserie (IKZ-HAUSTECHNIK 8/2008,
Seite 60 ff.) eine Methode zur Ermittlung der betrieblichen Ist-Situation aufgezeigt und
notwendige Ziele zur effizienten Materialwirtschaft definiert wurden, zeigt der nachfolgende Beitrag Anforderungen auf, die eine Software für diesen Bereich erfüllen sollte.
Zudem werden die Maßnahmen zur betrieblichen Umsetzung am Beispiel eines untersuchten SHK-Betriebes aus NRW beschrieben.
U
*) Prof. Dr.-Ing. Henrik Passinger,
Fachhochschule Gelsenkirchen
**) Dipl.-Wirtsch.-Ing. Christina
Siebert, Gelsenkirchen
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m zu überprüfen, inwiefern die vorhandene Software das geforderte Soll-Konzept unterstützt, sind zunächst sämtliche bisher nicht
genutzten Module im Detail
mit Daten und Fallbeispie-
len aus dem Unternehmen
zu untersuchen. Dazu ist ein
Vergleich mit dem erforderlichen Leistungskatalog aus
dem Soll-Konzept notwendig.
Ein EDV-System sollte mindestens folgende Aufgabenbereiche abdecken:
Zu dem Bereich Materialwirtschaft zählen die Teilbereiche Lagerverwaltung, Wareneingang, Warenausgang,
Inventur, Disposition und Beschaffung. Die Lagerverwaltung sollte Auskunft geben
können, welche Menge eines
bestimmten Materials zu welcher Zeit und an welcher Stelle
im Betrieb vorhanden ist, um
so ein immer aktuelles Bild
über den Gesamtbestand zu
erhalten. Im Bereich der Disposition sollte das Programm
die Möglichkeit bieten, aus
dem zuvor festgehaltenen Lagerbestand Fehlmengen festzustellen und Bestellvorschläge zu generieren.
In der Buchhaltung sind
die Gebiete Kreditoren-, Debi-
IKZ-Haustechnik · Heft 10 /2008
Unternehmensführung
∂ Bild 1: Ergebnisse der Nutzwertanalyse. Die auf der linken Seite dargstellten
Zahlen zeigen den errechneten Nutzwert der einzelnen Bereiche auf. Je
höher diese Zahl ausfällt, desto besser ist die zu erwartende Optimierung in
dem Bereich.
toren- und Mengenbuchhaltung wichtig. Dabei sollten
neben der eigentlichen Rechnungserstellung offene Forderungen und Verbindlichkeiten gegenübergestellt werden können. Dies hat u. a. den
Vorteil, dass durch ein automatisiertes Mahnungswesen
manuell erstellte Mahnungen
nicht mehr notwendig sind.
Wird der Einkauf über ein
EDV-System abgewickelt, so
können z. B. telefonische und
schriftliche Angebotsanalysen weitgehend entfallen.
Eine Software sollte demnach
für den Einkauf über Funktionen wie Preisvergleich, Preisanfrage, daraus resultierende Bestellungen und eventuell
anfallende Bearbeitung von
Reklamationen/Retouren verfügen.
Zum Bereich Akquise gehören die Aufgaben Kalkula-
tion und Angebotserstellung.
Die Kalkulation sollte Materialverbräuche und Stundensätze bewerten können.
Da Preise nicht für alle Kunden nach den gleichen Konditionen ermittelt werden, ist
eine Funktion für kundenspezifische Zuschlagssätze empfehlenswert. Zusätzlich sollte
die Möglichkeit zur Nachkalkulation gegeben sein. Zwei
aufwendige Arbeitsschritte
können entfallen, wenn die
Software in der Lage ist, ein
Angebot in einen Auftrag und
später in eine Rechnung umzuwandeln.
Ergebnisse des untersuchten
Betriebs
Die EDV-Analyse im untersuchten SHK-Betrieb in NRW
ergab, dass die vorhandene
Standardsoftware bereits alle
wichtigen Unternehmensbereiche abdeckt und somit kei-
ne Alternativsoftware gefunden werden musste. Inwieweit
die durchgängige Verwendung der Standardsoftware
für das Unternehmen nützlich
und wirtschaftlich ist, wurde
anhand einer Nutzwert-Kostenanalyse nachgewiesen.
Hierzu wurden sämtliche
Ziele, die das Unternehmen
erreichen wollte, zusammengestellt, bewertet und mit der
vorhandenen Situation verglichen (Bild 1). Diese Analyse zeigte auf, dass durch
eine Umstellung von manueller Bearbeitung auf eine
EDV-gestützte Bearbeitung
eine deutliche Erhöhung des
Nutzwertes in jedem Bereich
erreicht werden konnte. Das
Unternehmen war damit in
der Lage, mit geringeren Kosten den Nutzen der Unternehmung um mehr als 200 % zu
steigern. Durch die­se Ergebnisse zeigte sich, dass eine
Unternehmensführung
durchgängige Anwendung
von Materialwirtschaftssoftware auch bei kleinen Unternehmen lohnenswert sein
kann. Aufgrund der zu erwartenden Wettbewerbsvorteile hatte sich die Geschäftsführung des SHK-Betriebs aus
NRW entschieden, das SollKonzept umfänglich umzusetzen. Für die Einführung
reicht es aber nicht aus, nur
die Software mit den zusätzlichen Modulen zu implementieren.
Maßnahmen
Für die Umstellung der Produktion mussten zunächst
eine Lagerinventur und einzelne Fahrzeuginventuren
durchgeführt werden, sodass
man als ersten Schritt eine
Übersicht über die vorhandenen Bestände erlangte. Dieser
Bestand wurde dann manuell
in das vorhandene Softwaretool eingepflegt. Im Bereich
der Fahrzeugläger ist im Laufe eines Geschäftsjahres darauf zu achten, was in welcher
Form im Fahrzeug vorhanden
sein muss, um Engpässe im
Bereich Materialwirtschaft zu
vermeiden. Das heißt, dass
Unternehmen sollte, bevor
es das Fahrzeug mit Material bestückt, Verbrauchswerte
bestimmen, um dann eine geeignete Materialmenge festlegen zu können. Dies kann
mitunter ein gesamtes Geschäftsjahr Zeit in Anspruch
nehmen, da gerade in SHKBetrieben kein permanenter
Verbrauch von Material vorliegt, sondern dieser eher periodisch schwankt.
Betriebliche Umsetzung
Das Material, welches für
die täglichen Feininstallationen in dem optimierten Unternehmen notwendig ist,
wird am Tag zuvor von dem
Geschäftsführer eigenständig kommissioniert. Der Monteur muss dann am nächsten Tag lediglich das für ihn
zusammengestellte Material einpacken. Sämtliche Zusatzaufgaben werden in dem
vorliegenden Fall vom Seniorchef übernommen. Ist das
in einem Unternehmen nicht
möglich, sollte man über die
Einstellung einer Teilzeitkraft nachdenken. Diese verur­
sacht objektiv betrachtet weniger Kosten, als die Kosten
die entstehen, wenn ein Monteur bei verharrenden Ablauf­
organisationen im Schnitt
∂ Bild 3: Effiziente Lagerhaltung verspricht nicht nur einen Zeitgewinn durch
weniger Fahrten zum Großhändler, sondern auch einen geringeren Kapitaleinsatz für die Materialwirtschaft.
fünf Wochen pro Jahr unproduktiv arbeitet.
Die Ware, die bei Arbeitsbeginn von Wartungs- und
Reparaturmonteuren
aus
dem Lager benötigt wird,
wird mit einer Entnahmeliste
erfasst (Bild 2). Die Monteure
stellen nicht benötigte Materialien nach Auftragsabschluss
ins Lager zurück. Es wird auf
den Auftragsscheinen festgehalten, welche Mengen wann
und wo eingebaut und wel-
∂ Bild 2: Beispiel einer Materialentnahmeliste. Anhand der Liste können die aus dem Lager entnommenen Materialien
von der Verwaltung mit dem Auftragsschein verglichen und abgestimmt werden. Zudem erfolgt hier die Buchung für den
Lagerbestand.
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che Mengen wieder im Lager eingelagert wurden. Die
Entnahmelisten werden in
der Verwaltung mit den Auftragsscheinen verglichen und
abgestimmt. Zudem erfolgt
hier die Buchung für die abgewickelten Aufträge sowie für
den Lagerbestand. Extra- bzw.
Einzelfahrten zu Lieferanten
sind heute weitgehend nicht
mehr notwendig. Die Monteure wurden dazu angehalten, zunächst telefonisch im
Lager nachzufragen, welche
Materialmengen zur Verfügung stehen. Sind die geforderten Materialien nicht verfügbar werden sie von einem
Dritten – falls das Zeitfenster
es nicht zulässt, die Baustelle
am nächsten Tag fortzusetzen
– vom Lieferanten beschafft
und zur Baustelle gebracht.
Ist man in der Lage, die Baustelle am nächsten Tag oder
zu einem späteren Zeitpunkt
fortzusetzen, und das Material ist nicht im Lager vorhanden, so wird es zu der nächsten Tour beim Lieferanten
bestellt. Einmal pro Woche
wird das Lager mit Material
bestückt. Man ist dazu übergegangen, den Bedarf regelmäßig zu erfassen und entsprechend dem Bedarf aufzustocken.
IKZ-Haustechnik · Heft 10 /2008
Unternehmensführung
Auch die Prozessabläufe
der Verwaltung mussten
verändert werden. Hier war es
nicht ausreichend, lediglich
neue Module der Software
zu verwenden. Solange die
Mitarbeiter der Verwaltung
nicht bereit sind, neue Ansätze
in der Bearbeitungsweise von
Prozessen zuzulassen, ist eine
Umstellung und Optimierung
der Materialwirtschaft nicht
umsetzbar. Das heißt, sei­
tens der Verwaltung wur­
den sämtliche Lieferan­ten­
stammsätze in das EDV–
System eingepflegt. Da in
der heutigen Zeit nahezu
alle
Lieferanten
ihren
Artikelstamm elektronisch
bereitstellen, war es dem
Unternehmen möglich, diese
Artikelstämme über eine
dafür vorgesehene DatanormSchnittstelle in das System
einzuspielen.
Mitarbeiter müssen
mitmachen
Die notwendige Umstellung der gesamten Ablauforganisation muss von jedem
Mitarbeiter gelebt werden. Im
Bereich der Produktion bedeutet dies, dass die Monteure
neue Abläufe verstehen und
akzeptieren müssen. Es reicht
nicht aus, diese nur in Kenntnis zu setzen und die Arbeitsweise nicht weiter zu verfolgen. Nur wenn im Bereich der
Produktion maßgebliche Veränderungen stattfinden, ist es
im Unternehmen möglich, die
Materialwirtschaft zu optimieren. Zur effektiven Umsetzung
einer optimierten Lagerhaltung sollten Motivationsfaktoren für die Beschäftigten gefunden werden, um diesen die
Umstellung nicht nur als notwendig, sondern auch als persönlich günstig zu präsentie-
Heft 10 /2008 · IKZ-Haustechnik
ren. Positiv kann sich z. B. ein
leistungsbezogenes Entgeltsystem auswirken. Das heißt,
ein Monteur, der zukünftig seine Produktivität durch
die Reduzierung eigenständiger Fahrten zu Lieferanten
erhöht, könnte anteilig mit
den eingesparten Kosten zusätzlich entlohnt werden. Alternativ wäre auch ein Freizeitausgleich denkbar.
Fazit
Durch den stetig steigenden
Wettbewerb im Handwerk
können Unternehmen ihre
Arbeitsschwerpunkte nicht
nur im Bereich der Produktion sehen. Wichtig und nachhaltig vorteilhaft im Wettbewerb ist auch eine effiziente
Gestaltung der innerbetrieblichen Organisation unter
Einsatz moderner EDV-Möglichkeiten.
Die Verwendung einer elektronisch abgebildeten Materialwirtschaft stellt den Grundbaustein für eine einheitliche
und strukturierte Leistungserbringung in einem SHKBetrieb dar. Bevor man sich
allerdings der Verwendung
eines Softwaretools zuwendet, sind sämtliche Abläufe
zu reorganisieren, und zwar
so, dass jeder Mitarbeiter die
Notwendigkeit der Reorganisation erkennt und lebt. Wird
auf eine Reorganisation verzichtet, kann eine deutliche
Nutzensteigerung für das Unternehmen nicht erreicht werden.
∂
Literatur:
[1] Grupp, Bruno: Materialwirtschaft mit EDV im Klein- und
Mittelbetrieb, 6. Auflage 2003,
Expert Verlag, ISBN: 3-81692217-1.
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