Behandlungsangebote für psychisch erkrankte Eltern in der Klinik

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Behandlungsangebote für psychisch
erkrankte Eltern in der Klinik für
Psychiatrie und Psychotherapie
Christa Hegmann, Leitung Sozialdienst
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Christa Hegmann, Leitung Sozialdienst Psychiatrie
Rotenburg, 14.11.2012
Übersicht
o - Kurzvorstellung der Klinik und ihrer Behandlungsangebote
o - Psychisch erkrankte Eltern kommen in die Klinik
o - Hilfeplanung – konkrete Beispiele
o - Unsere Kooperation mit der Jugendhilfe
o - Besondere Angebote für Eltern mit Säuglingen
o - Ausblick, Anregungen, Diskussion
Christa Hegmann, Leitung Sozialdienst Psychiatrie
Rotenburg, 14.11.2012
Die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
•... gehört zum Diakoniekrankenhaus in Rotenburg.
•Psychiatrisches Versorgungskrankenhaus für Erwachsene aus den
Landkreisen Verden und Rotenburg (insgesamt ca. 290.000 Einwohner)
5 Stationen mit insgesamt 100 Betten
1 Tagesklinik in ROW und eine Tagesklinik in VER mit insg. 36 Plätzen
Institutsambulanz in ROW
Je nach Krankheitsbild und Erfordernissen kann eine Behandlung
ambulant, teilstationär oder stationär erfolgen.
Stationäre Behandlung in Rotenburg (1)
•Breites Behandlungsspektrum für eine Vielzahl von psychiatrischen
Erkrankungen: Psychosen, Suchterkrankungen, Depressionen, schwere
Angsterkrankungen, Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen
•Patienten kommen zu uns größtenteils auf eigenen Wunsch nach
Einweisung / Anmeldung durch niedergelassene Ärzte.
•Einige kommen als sogenannte „Verlegung“ aus einer anderen Klinik oder
von einer anderen Abteilung im Haus.
•Einige Patienten kommen in einer Notfallsituation entweder freiwillig,
manchmal auch gegen ihren Willen in unsere Klinik mit einem sogenannten
Unterbringungsbeschluss entweder im Rahmen des Betreuungsrechts oder
auf dem Hintergrund des NPsychKG.
Stationäre Behandlung in Rotenburg (2)
•Multiprofessionelle Stationsteams mit Psychologen, Ärzten, Pflegekräften,
Sozialarbeitern, Ergotherapeuten...
•Jeder Patient hat einen Bezugsbehandler, eine Bezugspflegekraft sowie
einen persönlichen Ansprechpartner im Sozialdienst.
•Im Rahmen von berufsgruppenübergreifenden Visiten wird unter Leitung
eines Oberarztes die Behandlungsplanung gemeinsam mit dem Patienten
koordiniert und besprochen.
•Angehörige werden zu Paar- und Familiengesprächen eingeladen, um das
geplante Vorgehen zu besprechen, ihre Sichtweisen einzubeziehen und
falls nötig weitere Hilfen/ Maßnahmen auf den Weg zu bringen.
Teilstationäre Behandlung in der Tagesklinik in
Verden
•Hier werden Patienten tagsüber in der Zeit von 8.30 – bis 16.00 Uhr
behandelt und sind den Rest des Tages, nachts u am WE zu Hause.
•Möglich, wenn vollstationär nicht mehr nötig, die ambulante Behandlung
aber nicht ausreichend ist.
•Voraussetzung: zuverlässige Absprachen müssen möglich sein, ebenfalls
die Bereitschaft zur Mitarbeit in therapeutischen Gruppen.
•Indikationsklärung: Vorgespräch
•Durchschnittliche Behandlungsdauer: 6 Wochen
•18-20 Therapieplätze
Psychisch erkrankte Eltern kommen in die Klinik
– was dann?
•Es findet ein Aufnahmegespräch mit dem diensthabenden Arzt oder der
behandelnden Psychologin statt, dabei wird immer die Lebenssituation
erfragt und ganz speziell nach der Versorgungslage der Kinder.
•Meistens werden die Kinder durch Angehörige und Freunde versorgt.
•Sollten sich Hinweise ergeben, dass Kinder unversorgt sind, wird der
Bereitschaftsdienst des Jugendamtes informiert (kommt sehr selten vor).
•Meist ist die Versorgung und Betreuung kurzfristig geregelt, muss aber
mittelfristig neu geregelt werden, ggf. werden weitere Hilfen benötigt.
•Kinder dürfen ihre Eltern in der Klinik besuchen.
•Angehörige werden, wenn möglich und sinnvoll zum Gespräch eingeladen.
Akutversorgung
•Manchmal ist die Erkrankung oder Krise des Menschen so ausgeprägt,
dass zunächst seine Akutversorgung und Behandlung im Vordergrund
steht und Angehörigengespräche mit dem Patienten gemeinsam noch nicht
möglich sind.
•Dann wird im Einzelfall entschieden, ob die Situation etwas warten kann,
bis sich unser Patient ausreichend stabilisieren konnte oder es wird ein
separates Gespräch mit Angehörigen oder mit möglichen Helfern geführt.
Ängste der Eltern
•Es gibt Berührungsängste von psychisch erkrankten Elternteilen mit
Fachleuten über mögliche Auswirkungen ihrer Erkrankung auf die Kinder zu
sprechen.
•„Ich habe mir den Kindern gegenüber nichts anmerken lassen“...
•Viele haben Angst davor schlechte Eltern zu sein oder ihre Kinder aufgrund
der eigenen Erkrankung sogar zu verlieren.
•Wir versuchen Eltern in ihrer Rolle aktiv zu unterstützen, ihnen die Angst zu
nehmen und werben dafür, ein offenes Gespräch zu führen und ggf.
Unterstützung und Hilfe anzunehmen.
•Wir versuchen noch während der Behandlung Kontakt zu möglichen
Ansprechpartnern herzustellen und Schwellenängste so zu verringern.
Weitere Hilfeplanung – das konkrete Vorgehen
Beispiel A
•Wird im Behandlungsverlauf in der Klinik deutlich, dass weitere Hilfen
indiziert sind, stellen wir Kontakt zu den konkreten Ansprechpartnern her.
•Situationsbeispiel A.: Herr M meldet sich in der Klinik zur
Alkoholentgiftung, er wurde auffällig (u.a. bei der Polizei), da er
angetrunken seine 4 jährige Tochter in den Kindergarten brachte und dabei
bereits 2 mal mit ihr mit dem Rad stürzte. Er ist alleinerziehend, spricht
wenig deutsch, die Tochter wird während des Klinikaufenthaltes von seiner
(betagten) Mutter versorgt. Er hat große Angst vor dem Jugendamt und
möchte so bald wie möglich entlassen werden, um wieder bei seiner
Tochter zu sein. Er trinke doch nur abends mal etwas, wenn die Kleine
schlafe.
Intervention
•Wir sprechen mit Übersetzungshilfe mit Herr M über seine
Alkoholabhängigkeit, er lernt auf der Entgiftungsstation die zuständige
Mitarbeiterin der Fachstelle Sucht kennen.
•Wir vereinbaren ein gemeinsames Gespräch mit dem zuständigen
Mitarbeiter des Jugendamtes, ebenfalls mit Übersetzungshilfe und
motivieren Herrn M eine Entwöhnungsbehandlung anzustreben ohne die,
die weitere Prognose schwierig bleibt. Die Mitarbeiter des Jugendamtes
prüfen den Einsatz einer SpFH.
•Herr M sagt zu, die vereinbarten Termine bei der Fachstelle Sucht
anzunehmen.
•Kritisch bleibt hier der Punkt eines Kontaktabbruches zu den vereinbarten
Stellen nach dem Krankenhausaufenthalt.
Beispiel B
•Eine junge Frau, Mitte 20, leidet an einer Borderlineerkrankung und einer
posttraumatischen Belastungsstörung, sie ist gerade Mutter geworden,
erlebt sehr starke Stimmungseinbrüche, hat Flash Backs und zeitweise
Suizidgedanken, weil sie sich in der neuen Situation überfordert fühlt.
Eine Kollegin des Sozialpsychiatrischen Dienstes stellt den Kontakt zur
Klinik her und in gemeinsamen Gesprächen mit dem Partner sowie der
Patientin selbst, der MA des Jugendamtes, der Rechtsbetreuerin, der
Oberärztin und unserem Sozialdienst planen wir eine teilstationäre
Behandlung und den Einsatz einer Familienhebamme.
•Es finden während und nach der stationären Behandlung weitere
Gespräche mit der Patientin und den verschiedenen Helfern statt. Die
Familienhebamme wird später von einer Tagesmutter ersetzt, die Patientin
stabilisiert sich und bleibt im engen Behandlungskontakt zur Klinik.
Beispiel C
•Eine 28 jährige hochschwangere Mutter kommt aufgrund einer deutlichen
Angsterkrankung in die Klinik, sie verlässt das Haus nicht mehr allein. Zwei
ältere Kinder leben beim Exmann. Mit dem jetzigen Lebenspartner hat sie
bereits ein 13 Monate altes Kind, welches zur Zeit vom Vater versorgt wird.
Die Familie ist dem Jugendamt bekannt und hat Unterstützung durch eine
SpFH, die der Mutter viel abnimmt.
•Im gemeinsamen Hilfeplanungsgespräch besprechen wir die Möglichkeiten
der weiteren Therapie, die auf die Zeit nach der Entbindung verschoben
werden muss. Es nehmen teil, der Lebenspartner, die Patientin, die MA der
SpFH, die zuständige Kollegin des JA, der behandelnde Arzt und die MA
des Sozialdienst der Klinik.
SpFH ist wichtig, soll aber nicht die „Vermeidung“ unterstützen, Therapie
ist wichtig, u.a. mit Blick auf die innerfamiliären Interaktionen...
Beispiel D
•Eine Frau, die an einer Depression erkrankt ist, wird noch in der Tagesklinik
behandelt. Sie hat eine 12 jährige Tochter und lebt allein mit ihr nach
Trennung vom Vater des Kindes. In der Behandlung thematisiert sie von
sich aus Ängste und Überforderungserleben in Bezug auf ihre
Erziehungsverantwortung und wünscht sich ein Beratungsangebot.
•Die Sozialarbeiterin in der TK stellt ihr das Angebot der
Erziehungsberatung vor.
•Nach einem Vorgespräch bekommt sie zeitnahe Unterstützung durch die
Erziehungsberatungsstelle vor Ort und ist darüber sehr entlastet.
Unsere Kooperation mit der Jugendhilfe
•Die Kooperation zwischen Erwachsenenpsychiatrie und dem Jugendamt ist
für uns selbstverständlich und gut erprobt.
•In der Regel streben wir ein persönliches Gespräch zur Absprache weiterer
Hilfen mit allen Beteiligten während der Behandlung an. Die Terminsuche
für solche Gespräche ist oft sehr aufwendig.
•Wir lassen uns von dem betroffenen Patienten von der Schweigepflicht
entbinden und werben für ein offenes Gespräch.
•Sollte ein Patient sich anhaltend weigern, dem Kontakt zum Jugendamt
zuzustimmen, wägen wir ab, ob es sich um eine Kindswohlgefährdung
handelt oder nicht.
Zur Frage der Erziehungsfähigkeit
•Sehr häufig und manchmal „zwischen den Zeilen“ wird die Frage nach der
Erziehungsfähigkeit an uns in der Klinik herangetragen.
•Dazu möchte ich Folgendes zu Bedenken geben:
•Eher eine pädagogische denn eine medizinische Fragestellung, d.h. auch
Arztbriefe helfen nur begrenzt weiter.
•Wir erleben den Patienten getrennt vom familiären Kontext in der Krise.
•Mit Einwilligung des Betroffenen sind wir zu einem fachlichen Austausch
zur Frage der Erziehungskompetenz gern bereit, aber dafür sind wir keine
Spezialisten.
•Im Zweifelsfall braucht es einen Gutachter.
Rollenkonflikt in der therapeutischen Beziehung
•Wenn ein Mensch in die Klinik kommt, hat er den berechtigten Wunsch in
seinem Leiden ernstgenommen und in seiner Situation respektiert zu
werden, dazu gehört, dass man ihm glaubt und versucht empathisch auf
seine Schwierigkeiten einzugehen.
•Darüber entsteht ein therapeutischer Kontakt.
Die Konfrontation mit der eigenen Verantwortung an der Entwicklung der
aktuellen Problemlage und der Perspektivwechsel, was bedeutet meine
Erkrankung eigentlich für die Menschen, die mit mir leben, kann erst im 2.
Schritt vollzogen werden. Ein Behandler kann nicht ab dem ersten Moment
auch Anwalt der Familie oder der Kinder sein.
•In besonders schwerwiegenden Fällen benachrichtigen wir trotzdem früh
das Jugendamt, auf der Beziehungsebene bleibt das zeitweise ein
schwieriger Balanceakt.
Besondere Möglichkeiten für Elternteile mit
Säuglingen / Kleinkindern im ersten Lebensjahr
•Erkrankt eine Frau an einer postpartalen Erkrankung z.B. einer sog.
Wochenbettdepression kann der Säugling mit aufgenommen werden.
•Während bei einer schweren Suchterkrankung oder während einer
psychotischen Krise die gleichzeitige Aufnahme des Kindes nicht sinnvoll
erscheint, gibt es Situationen, in denen Mutter und Kind von einer
gemeinsamen Aufnahme profitieren können.
•Voraussetzung dafür ist ein vorbereitendes Gespräch zwischen den Eltern
und dem zuständigen Oberarzt.
•Eine psychiatrische Akutstation bleibt eine schwierige Umgebung für kleine
Kinder, eine sorgfältige Abwägung der verschiedenen Aspekte ist
notwendig.
•Müttern, die ihre Kinder gar nicht mit versorgen können, von denen sogar
eine potenzielle Gefährdung ausgeht, da sie die aktuelle Situation völlig
verkennen, kann so ein Angebot nicht gemacht werden.
•Ebenfalls treten Probleme auf, wenn die Kinder älter als 12 Monate sind,
eine intensive Betreuung benötigen und einen deutlich größeren
persönlichen Radius beanspruchen.
•Weder personelle noch räumliche Voraussetzungen sind dafür gegeben,
daher sind Kinder dann nicht gut auf der Station aufgehoben und die
Effektivität der Therapie steht in Frage.
•Eine teilstationäre Behandlung oder regelmäßige Beurlaubungen sind dann
ggf. bessere Alternativen.
Es fehlen reguläre Angebote für erkrankte Eltern
mit Kindern
•Es gibt Nischen und die zahlreichen Versuche, besondere Lösungen für
Einzelfälle zu finden, aber keine regulären Angebote für Eltern und Kinder,
die die Situation auffangen, wenn Elternteile stationär behandelt werden
müssen.
•Eine Trennung von Eltern und Kind scheint zur Sicherstellung der
Betreuung (beider) unvermeidbar, stellt aber neben der Tatsache der
Erkrankung eine zusätzliche Belastung dar.
•Diese Problematik gilt nicht nur für Familien mit psychischen
Erkrankungen, sondern ebenfalls bei schweren körperlichen Erkrankungen
wie z.B. Krebs.
Es bleibt eine schwierige Situation
•Das aufklärende, erklärende Gespräch über die Erkrankung des Elternteiles
und die notwendige psychosoziale Begleitung speziell der Kinder
gemeinsam mit ihren Eltern bleibt eine Aufgabe ohne eindeutigen
Ansprechpartner.
•Alle beteiligten Helfer sollten für dieses Defizit sensibilisiert sein und sich
fragen inwieweit sie selbst hilfreich intervenieren können.
Ausblick
Gute Ideen und
Materialien aufgreifen
und einsetzen.
Gute Kooperation lebt
von gegenseitigem
Kennenlernen.
Verbindliche
Absprachen zur
Zusammenarbeit
sichern Kooperation.
Weiterführende Infos zum Thema für
Interessierte, Betroffene, Angehörige...
•Bundesverband der
Angehörigen psychisch Kranker
Familien-Selbsthilfe Psychiatrie
Geschäftsstelle Bonn
•Oppelner Str. 130, 53119 Bonn
0228 71 00 24 00
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Danke fürs Zuhören !
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