7. Übung zur Einführung in die Plasmaphysik Prof. Kaufmann, SS 1999 Lösungen 1. Flußflächengrößen (a) Eindeutigkeit des magnetischen und elektrischen (Strom-) Flusses Der magnetische Fluss BdA und der elektrische Strom I jdA sind durch die Umrandung der durchflossenen Fläche eindeutig festgelegt. Dazu betrachten wir eine geschlossene Kurve K, die zwei verschiedene, sich nicht schneidende Flächen A1 und A1 berandet (Abb. 1 a). Die beiden Flächen beranden damit ein geschlossenes Volumen V . Der magnetische Fluß durch die gesamte Oberfläche beträgt BdA K BdA1 K BdA2 BdV 0 V wobei wir für das Integral über das von den Flächen eingeschlossene Volumen V den Gauss’schen Satz benutzt haben. Wegen B 0 (Nichtexistenz magnetischer Monopole) ist das Integral null. Analoges gilt für den Strom, wenn j d dt 0 gilt, d.h. sich keine Ladung im Innern des Volumens anhäuft. Damit ist K BdA1 K BdA2 Da wir die Richtung der Flächennormalen entgegengesetzt gewählt haben, sind die Flüsse durch beide Flächen bei gleichgerichteten Flächennormalen gleich. Im Fall sich schneidender Flächen können wir eine dritte Fläche A3 wählen, die weder A1 noch A2 schneidet, und wegen A1 A3 und A3 A2 gilt wiederum A1 A2 . a) b) A1 K1 K Ap A2 B, B, j j K2 Abbildung 1: Eindeutigkeit des magnetischen Flusses bzw. des elektrischen Stroms: a) durch verschiedene Flächen A1 A2 gleicher Umrandung K, b) durch verschiedene Flächen, auf deren Umrandung der gleiche Druck herrscht 1 (b) Feld- und Stromlinien liegen in Flächen konstanten Drucks Im idealen MHD-Gleichgewicht sind die magnetische Feldstärke B und die elektrische Stromdichte j jeweils senkrecht zum Druckgradienten p, d. h. sie liegen in Flächen konstanten Druckes p. Wir gehen aus von der MHD Kraftbilanz für den stationären Fall (v̇ 0): p j B Durch Skalarprodukt mit B bzw. j erhalten wir: p B p j j B B j B j 0 0 Damit sind B und p sowie j und p jeweils senkrecht aufeinander. Der Winkel zwischen B und j ist allerdings dadurch nicht festgelegt! (c) Die Feldlinien/Stromlinien spannen Flußröhren auf Die magnetischen Feldlinien bzw. elektrischen Stromlinien spannun Flußröhren auf. Dies wird anhand von Abb. 1 b) veranschaulicht. Wir betrachten den Fluß durch eine Fläche mit Umrandung K1 und verfolgen die K1 schneidenden Feld- bzw. Stromlinien weiter bis sie die Umrandung K2 einer zweite Fläche schneiden. Nun betrachten wir das Volumen, welches von den durch K1 und K2 umrandeten Flächen sowie einer (schlauchförmigen) Fläche A p dazwischen gebildet wird, wobei die Feldlinien jeweils in A p liegen, d.h. die Normale auf A p immer senkrecht zu den Feldlinien ist. Analog zur Betrachtung in (a) folgt, daß die Fluße durch K1 und K2 gleich sein müssen. Das heißt, die magnetischen Feldlinien sowie die elektrischen Stromlinien spannen jeweils “Röhren” mit konstantem Fluß auf. Da Strom- und Feldlinien i.a. nicht parallel sind, aber beide auf Flächen gleichen Drucks liegen, sind die durch magnetische Feldlinien und elektrische Stromlinien gebildeten Flußröhren identisch. Diese Flächen nennt man Flußflächen. Sie können für gegebene Felder eindeutig durch einen Skalar bezeichnet werden. Dies kann der magnetische Fluß , der eingeschlossene Strom I oder auch der kinetische Druck p sein. (d) Flußröhren sind ineinander verschachtelt Flußröhren mit unterschiedlichem Druck sind (zumindest in axialsymmetrischen Konfigurationen) ineinander verschachtelt. Dazu betrachten wir Abb. 2, die sowohl eine lineare Anordnung (a und b, Symmetrie entlang der z-Achse), als auch eine toroidale Anordnung (c und d, Symmetrie im Winkel um die z-Achse) zeigt. Nicht verschachtelte Flußflächen (a und c) kreuzen sich, so daß der Druck an den Schnittpunkten und damit der Druck auf den gesamten beiden Flächen gleich sein muß. Nur verschachtelte Flächen (b und d) sind kreuzungsfrei, so daß die Drücke unterschiedlich sein können (p1 p2 ). Das soll keineswegs heißen, daß Magnetfeldkonfigurationen wie in Abb. 2 a) und c) unmöglich wären. “Magnetische Inseln” wie die in der Abb. gezeigten peripheren geschlossenen Volumina am Rand können sowohl in Vakuum-Magnetfeldern als auch durch Instabilitäten im Plasma erzeugt werden und schließen in diesen separaten Volumina eigene, wiederum in sich verschachtelte Flußflächen ein. Die mit den Kreuzungspunkten (“X-Punkten”) ausgestattete spezielle Flußfläche heißt Separatrix. 2 a) p 1 b) p 2 z z p1 p2 c) d) z z p 2 p 1 p 2 p1 Abbildung 2: Verschachtelung von Flußröhren in axisymmetrischer Geomatrie, a) und b) in linearer, c) und d) in toroidaler Anordnung. Nicht verschachtelte Flußflächen kreuzen sich, so daß p1 p2 (a und c). Nur verschachtelte Flussflächen erlauben p1 p2 (b und d). 2. Grad-Shafranov-Schlüter Gleichung (a) Darstellung der Poloidalfeldkomponenten durch den poloidalen Fluß Zur Darstellung des magnetischen Feldes und der elektrischen Ströme durch den magnetischen Fluß und den Gesamtstrom intoroidaler Geometrie betrachten wir Abb. 3. Es gibt zwei Möglichkeiten, den Torusumfang abzumessen, und zwar wahlweise in toroidaler Richtung (gestrichelte Kurve Kt in Abb. 3 a)) und in poloidaler Richtung (gestrichelte Kurve K p in Abb. 3 b)). Ein und derselbe Ort (z. B. der ausgefüllte Punkt in der Abbildung) kann damit durch zwei verschiedene Flüsse gekennzeichnet werden, erstens den poloidalen Fluß durch das Innere der toroidalen Umrandung Kt und zweitens der toroidale Fluß durch das Innere der poloidalen Umrandung K p . Die Flüsse erhalten ihren Namen dadurch, daß sie einmal durch den poloidalen Anteil des Magnetfeldes und einmal durch den toroidalen Anteil erzeugt werden. In analoger Weise ergeben sich durch die poloidalen und die toroidalen Stromdichten j p und jt der poloidale und toroidale Strom I p und It . Wir betrachten hier nur den poloidalen Fluß p und den poloidalen Strom I p (analoge Resultate ergeben sich für den toroidalen Fluß und den toroidalen Strom). Sei p R z der poloidale magnetische Fluß am Ort R z . Dann ergibt sich für den Fluß am Ort R z z ( z sei infinitesimal klein) der Fluß p Rz z p Rz 2 RBR z da nur der Radialanteil des Magnetfeldes zur Flußänderung durch die senkrechte ZylinderFläche zwischen R z und R z z beiträgt. Analog gilt für den Ort R R z ( R infinitesimal klein) 3 a) b) y z Bt Bp R z Kp x R z R Kt Abbildung 3: Toroidale Feldliniengeometrie, a) x Zeichenebene, b) R z-Ebene p Umgestellt, und für R z R Rz y-Ebene (Symmetrieachse senkrecht zur Rz p x, y RBz R 0 erhalten wir: 1 2 R BR p 1 p 2 R R Bz z (1) (b) Darstellung des Toroidalfeldes durch den poloidalen Strom Der poloidale Stromfluß I p durch eine toroidale Fläche At (berandet durch Kt ) beträgt Ip jdA p 1 j p dA p B dA p 0 1 0 Kp B dK p 2 RB (2) 0 wobei wir den Stokes’schen Satz BdA K BdK verwendet haben. Da der poloidale Strom eine Flußflächengröße ist, ist auch RB eine Flußflächengröße. (c) Ampére’sches Gesetz Wir schreiben das Ampére’sche Gesetz j jR 1 0 Bz R B z 1 j 0 B BR z 0 in Zylinderkoordinaten (R Bz R jz 1 0 RB R R 0 z) BR R 0 wobei alle Ableitungen nach dem toroidalem Winkel wegen der Axialsymmetrie verschwinden. Durch Einsetzen von Gl. 1 ergibt sich für die toroidale Stromdichte j wobei 1 2 0 1 R 2 1 p R R p z2 R der sog. elliptische Differentialoperator ist. 4 1 1 2 0R p (3) Die z-Komponente der Stromdichte ist wegen der Axialsymmetrie allein mit der toroidalen B-Feldkomponente verknüpft: 1 1 RB R 0 R Dies hat die interessante Konsequenz, daß im Vakuum ( jz das Toroidalfeld RB const., und damit jz B R (4) 0) bei axialer Symmetrie für 1 gilt, unabhängig davon, welche Form die Spulen haben, die dieses Feld erzeugen. (d) Radiale Kraftbilanz Die Grad-Shafranov-Schlüter Gleichung ergibt sich aus der radialen Kraftbilanz p j R B R bzw., in Zylinderkoordinaten p j Bz jzB R Beide Seiten der Kraftbilanz lassen sich nun mit Hilfe der Gleichungen 1, 3 und 4 durch den poloidalen Fluß p ausdrücken: p p 1 p R 2 4 1 2 0R RB RB R 1 1 2 0R p p R Mit Hilfe von Gleichung 2 gilt: RB R Ip R 0 2 0 2 Ip p p R Nach Einsetzen in die vorige Gleichung und Dividieren durch Grad-Shafranov-Schlüter Gleichung p 4 2 2 0R p 2 0I pI p p R erhalten wir die (5) Der Strich ( ) an den Flußflächengrößen p und I p bezeichnet die Ableitung nach dem poloidalen Fluß p. In der Literatur wird häufig der poloidale Fluß nicht auf den gesamten Umfang, sondern auf einen Winkel von 1 bezogen ( Ip 2 p 2 ) und die Größe F eingeführt. Die Grad-Shafranov-Schlüter-Gleichung lautet in dieser Form (Ableitung hier nach ) 2 0R p 2 0 FF Gleichung 5 ist eine elliptische partielle Differentialgleichung für den poloidalen Fluß p R z mit zwei frei wählbaren Funktionen, p p und I p p I p p . Die Terme mit p und I pI p sind jedoch in ihrer Rolle nicht vertauschbar, da wegen der toroidalen Symmetrie noch R2 eingeht, welches keine Flußflächengröße ist. 5 Die Funktion p R z beschreibt die Form der Flußflächen in der R z-Ebene. Sie ist aufgrund von Gl. 5 einerseits mit R2 p und I pI p, andererseits wegen Gl. 3 mit der toroidalen Stromdichte j p verknüpft. Dieser Zusammenhang kann in verschiedener Hinsicht interpretiert werden. Zum Beispiel muß bei gegebener Plasmaform und gegebener toroidalen Stromdichte (durch die lokale Leitfähigkeit und die toroidale Umfangsspannung bestimmt) und gegebenem Druckgradienten (durch Plasmaheizung festgelegt) ein poloidaler Strom I p fließen, der, je nach Vorzeichen, das toroidale Magnetfeld anhebt (Paramagnetismus) oder absenkt (Diamagnetismus). Der Fluß erscheint außerdem nur im Differentialoperator, d.h. als Lösung der elliptischen Differentialgleichung. Zu dieser Lösung müssen Randbedingungen angenommen werden, z. B. der Fluß durch eine außerhalb des Plasmas liegenden Umrandungsfläche. Dieser Fluß kann durch äußere Poloidalfelder eingestellt werden, die z. B. durch das Plasma umgebende toroidale Spulen erzeugt werden. Durch die Anordnung dieser Spulen und die Wahl der Spulenströme läßt sich die Form des Plasmas (für jeweils gegebene j bzw. p und I pI p) wählen. 3. Spezielle analytische Gleichgewichte Die Grad-Shafranov-Schlüter Gleichung (Gl. 5) ist wegen der Allgemeinheit von p p und I p p I p p i. a. eine nicht-lineare elliptische Differentialgleichung. Allgemeine Lösungen lassen sich nur numerisch oder durch Entwicklung nach Kleinheitsparametern finden. Für bestimmte p - und I pI p-Profile wurden von Shafranov und Solovjev spezielle exakte analytische Klassen von Lösungen angegeben, die wir im folgenden betrachten. (a) Shafranovs “erstes Beispiel” Der Ansatz für die Flußfunktion R2 2 0 4 2R0 R0 p lautet: p 2 R 2 2 4 z 0 2R2 R20 R4 R40 4 2 2 2R z R40 Für die linke Seite der GSS-Gleichung benötigen wir die Ableitungen p 2 8 z 2 zR2 0 4 R0 p 8 z2 R2 0 4 R0 2 und p R 0 4R3 R40 4R R20 8 2 2 Rz R40 1 p RR R 8 R 0 4 R Damit ist 2 p p z2 R 1 p RR R 81 2 R2 0 4 R0 Da dieser Ausdruck für alle R gleich der rechten Seite der GSS-Gleichung sein muß, verschwindet der poloidale Strom, I p 0. Druckgradient und toroidale Stromdichte betragen p 2 2 1 0 2 4 0 R0 j 4 0 2 1 0 6 R R40 Dem gewählten Ansatz für p entspricht ein konstanter Druckgradient, d.h. bei p 0 an der Begrenzungsfläche des Plasmas ein in das Plasma hin linear mit dem Fluß ansteigender Druck und eine linear mit dem großen Radius anwachsende toroidale Stromdichte. (b) Solovjev-Gleichgewichte Die von Solovjev angegebene Klasse von analytische Lösungen für teren Formparameter: p 0 1 R2 R20 R2 R20 2 2R 2 1 p verfügt über einen wei- R20 z 4 0 Die Ableitungen lauten p 2z z 0 2 4 0 p 2 z2 R2 0 R20 4 0 und p 0 R 4R3 R40 4R R20 2z2 R 1 p RR R 4 0 8 R 0 4 R Einsetzen in die GSS-Gleichung ergibt 2 p 8 0 2 R2 4 0 4 2 R2 2 0 2 0I pI p 0p Dies gilt für alle R, d.h. 1 p 2 2 4 4 0 R0 2 I pI p 0 2 R2 0 0 0 Der Druckgradient hängt für diese spezielle Lösung nicht von p ab, d.h. das Druckprofil steigt mit p linear an, wobei eine Randbedingung gewählt werden muß, um p p eindeutig zu bestimmen. Beispielsweise kann gefordert werden, daß der Druck an einer Begrenzungsfläche des Plasmas mit p 0. A verschwindet, d. h. p A Für die betrachteten Gleichgewichte ist I pI p const. mit den Lösungen Ip 2 p C 2 C 2 0 2 R2 0 0 p Mit der Integrationskonstante C wird der poloidale Strom auf einer Flußfläche vorgegeben, und zwar I p 0 im magnetischen Plasmazentrum. Die toroidale Stromdichte beträgt j 1 0 0 4 R R40 RR20 Abb. 4 zeigt Solovjev-Gleichgewichte für verschiedene Werte von und . Die Konturen sind äquidistant in der Wurzel des normierten poloidalen Flusses, d.h. in der Größe p 0 0 a . Man sieht, daß die freien Konstanten i.w. die Plasmaelongation entlang der z Achse und die Triangularität kontrollieren. Mit steigender Triangularität wird die 7 j j p Ip j p Ip p j p Ip j j Ip p j j p Ip Ip p Ip p Ip Abbildung 4: Solovjev Gleichgewichte für verschiedene Werte von und toroidale Stromdichte in Richtung auf die Symmetrieachse verlagert, was zur besseren MHDStabilität dieser Konfiguration beiträgt. Der Plasmadruck und die poloidale Stromdichte unter Verwendung der o.g. Randbedingungen sind als Funktion des normierten poloidalen Flußes aufgetragen. Die dicke Linie in der Konturdarstellung des poloidalen Flusses markiert die Flußfläche, die als Plasmabegrenzung (p 0) angenommen wurde. Die einfache analytische Darstellung hat allerdings Schwächen: Der Plasmadruck ist nicht frei wählbar (I p müßte sich dann entsprechend einstellen lassen) und die toroidale Stromdichte ist auch außerhalb der Plasmabegrenzung endlich. 8