Eidgenössisches Departement des Innern EDI Bundesamt für Statistik BFS Medienmitteilung Sperrfrist: 19 29.05.2017, 9:15 Kriminalität und Strafrecht Nr. 2016-0430-D Strafurteile: Minderjährige und Erwachsene Minderjährige Verurteilte weisen im Erwachsenenalter ein höheres Rückfallrisiko auf Neuchâtel, 29.05.2017 (OFS) – Eine Studie zeigt, dass ein Viertel der jugendlichen Straftäterinnen und Straftäter mit Jahrgang 1992 als Erwachsene erneut verurteilt werden. Dabei ist das Wiederverurteilungsrisiko im Erwachsenenalter bei Männern tendenziell höher. Weitere Risikofaktoren sind zahlreiche Vorstrafen im Jugendalter sowie schwere Straftaten im Kindes- und Jugendalter. Dies geht aus einer Analyse des Bundesamts für Statistik (BFS) hervor. Das BFS hat untersucht, wie viele in der Jugendstrafurteilsstatistik erfasste Straftäterinnen und Straftäter später auch in der Strafurteilsstatistik der Erwachsenen auftauchen. Dazu wurde eine Gruppe von 6649 im Jahr 1992 in der Schweiz geborenen minderjährigen Schweizer Staatsangehörigen ausgewählt, die eine Straftat gegen das Strafgesetzbuch (StGB), das Strassenverkehrsgesetz (SVG) oder das Betäubungsmittelgesetz (BetmG) begangen haben. Die Analyse kam zum Schluss, dass 25 Prozent dieser im Jugendalter straffällig gewordenen Personen (1664 Personen) im Alter von 18 bis 23 Jahren von einem Erwachsenengericht erneut verurteilt wurden. Mehr Rückfälle bei Männern Die Männer sind nicht nur bei den verurteilten Jugendlichen übervertreten (73% Jungen und 27% Mädchen), sie begehen auch häufiger nach Erreichen der Volljährigkeit weitere Straftaten. Als Minderjährige verurteilte Jungen weisen ein nahezu viermal so hohes Risiko auf, in der Folge durch die Erwachsenenstrafjustiz verurteilt zu werden, als Mädchen (Rückfallrate im Erwachsenenalter: Männer 31%, Frauen 8%). Je mehr Vorstrafen, desto mehr Rückfälle Je mehr Jugendurteile gegen eine Person ausgesprochen wurden, desto häufiger kommt es zu einer Verurteilung im Erwachsenenalter. Bei den Minderjährigen, die einmal, zweimal, dreimal bzw. viermal Espace de l'Europe 10 CH-2010 Neuchâtel www.statistik.admin.ch Medienmitteilung BFS und häufiger strafrechtlich verurteilt wurden, beträgt die Rückfallrate 20 Prozent, 34 Prozent, 49 Prozent bzw. 64 Prozent. Je schwerer die Straftat, desto wahrscheinlicher ein Rückfall Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass der Rückfall im Erwachsenenalter zum Teil vom Schweregrad der Straftaten im Jugendalter abhängt. Die Wiederverurteilungsrate im Erwachsenenalter beläuft sich bei den Jugendlichen, die ausschliesslich Übertretungen begangen hatten, auf 17 Prozent, und bei Minderjährigen, die ein Vergehen oder Verbrechen begangen hatten, auf 29 Prozent. Handel mit Betäubungsmitteln und Strassenverkehrsdelinquenz erhöhen Rückfallwahrscheinlichkeit Der Rückfall im Erwachsenenalter scheint einen Zusammenhang damit aufzuweisen, dass die Jugendurteile eine Straftat gegen das BetmG oder das SVG zum Gegenstand hatten. In diesem Zusammenhang hat das BFS jedoch festgestellt, dass Diversität (d.h. die Nennung mehrerer Straftaten von unterschiedlicher Natur) die Rückfallwahrscheinlichkeit erhöht. Diversität tritt bei Straftaten gegen das BetmG oder das SVG häufiger auf als bei Straftaten gegen das StGB. Dies könnte erklären, warum sich die Rückfallwahrscheinlichkeit im Fall von Strassenverkehrsdelinquenz oder Handel mit Betäubungsmitteln erhöht. Höhere Rückfallrate im Erwachsenenalter bei Straftaten kurz vor der Volljährigkeit Die Ergebnisse zum Einfluss des Alters sind mit Vorsicht zu behandeln, da nicht alle methodischen Stolpersteine vollends ausgeräumt werden konnten. Allgemein geht aus den Daten hervor, dass Jugendliche, die in den letzten zwei Jahren vor der Volljährigkeit verurteilt wurden, als Erwachsene besonders häufig wiederverurteilt werden. Eine Ausnahme bilden hier die Ergebnisse zum Alter bei der ersten Verurteilung. Hier sind es diejenigen, die in sehr jungen Jahren ein Jugendurteil erhielten, die besonders häufig strafrechtlich in Erscheinung treten, sobald sie das Erwachsenenalter erreicht haben. BUNDESAMT FÜR STATISTIK Medienstelle 2/5 Medienmitteilung BFS Methode Die in der Publikation vorgestellten Analysen sind als Beitrag zu einer weiterführenden Analyse gedacht. Die Studie besteht wie diejenige zum Rückfallverhalten Erwachsener aus zwei Teilen. Im ersten Teil wird die Methode vorgestellt (Kapitel 3). Dieser Grundlagenteil richtet sich an Personen, die sich für die Methodik «hinter den Kulissen» einer Rückfallstudie interessieren. Im zweiten Teil werden die durchgeführten Analysen erläutert und schliesslich die Ergebnisse vorgestellt (Kapitel 4). In diesem leichter verständlichen Teil werden die wichtigsten methodischen Begriffe, die für das Verständnis der Ergebnisse unentbehrlich sind, noch einmal erklärt. Auskunft: Isabel Zoder, BFS, Sektion Kriminalität und Strafrecht, Tel.: +41 58 463 64 59, E-Mail: [email protected] Medienstelle BFS, Tel.: +41 58 463 60 13, E-Mail: [email protected] Online-Angebot: Weiterführende Informationen und Publikationen: www.bfs.admin.ch/news/de/2016-0430 Statistik zählt für Sie. www.statistik-zaehlt.ch Abonnieren des NewsMails des BFS: www.news-stat.admin.ch Diese Medienmitteilung wurde auf der Basis des Verhaltenskodex der europäischen Statistiken geprüft. Er stellt Unabhängigkeit, Integrität und Rechenschaftspflicht der nationalen und gemeinschaftlichen statistischen Stellen sicher. Die privilegierten Zugänge werden kontrolliert und sind unter Embargo. Keiner Stelle wurde ein privilegierter Zugriff auf diese Medienmitteilung gewährt. 3/5 Medienmitteilung BFS Geschlecht der Verurteilten und Rückfall im Erwachsenenalter 100% kein Rückfall 90% Rückfall 80% 70% 69% 60% 92% 50% 40% 30% 20% 31% 10% 0% 8% Männer (N=4885) Frauen (N=1764) Quelle: BFS – Jugendstrafurteilstatistik (JUSUS), Strafurteilsstatistik (SUS) © BFS 2017 Anzahl Jugendurteile und Rückfall im Erwachsenenalter 100% kein Rückfall 90% 80% 70% 60% 66% 80% 36% 51% Rückfall 50% 40% 30% 20% 10% 0% 34% 20% 1 Urteil (N=4961) 2 Urteil (N=1100) 64% 49% 3 Urteil (N=363) 4 Urteil und mehr (N=225) Quelle: BFS – Jugendstrafurteilstatistik (JUSUS), Strafurteilsstatistik (SUS) © BFS 2017 Schwere der Jugendstraftaten und Rückfall im Erwachsenenalter 100% kein Rückfall 90% Rückfall 80% 70% 60% 71% 83% 50% 40% 30% 20% 10% 0% 29% Vergehen oder Verbrechen (N=4386) 17% Übertretung (N=2263) Quelle: BFS – Jugendstrafurteilstatistik (JUSUS), Strafurteilsstatistik (SUS) © BFS 2017 Medienmitteilung BFS Art der Jugendstraftaten und Rückfall im Erwachsenenalter 100% kein Rückfall 90% Rückfall 80% 70% 60% 70% 61% 58% 39% 42% SVG (N=946) BetmG (N=1115) 50% 40% 30% 20% 10% 0% 30% StGB (N=3766) Quelle: BFS – Jugendstrafurteilstatistik (JUSUS), Strafurteilsstatistik (SUS) © BFS 2017 Alter bei der Begehung der Straftat(en) des einzigen Jugendurteils und Rückfall im Erwachsenenalter 100% kein Rückfall 90% Rückfall 80% 70% 60% 50% 84% 83% 78% 16% 17% 22% 40% 30% 20% 10% 0% bis 13 Jahre 14 oder 15 Jahre (N=615) (N=1730) Quelle: BFS – Jugendstrafurteilstatistik (JUSUS), Strafurteilsstatistik (SUS) 16 Jahre und mehr (N=2616) © BFS 2017