Jahrbuch 2004/2005 | Janka, Hans-Thomas, Aloy, Miguel, Mueller Ew ald | Kurze Gammablitze - Neue Modelle erhellen rätselhafte Explosionen Kurze Gammablitze - Neue Modelle erhellen rätselhafte Explosionen Short Gamma-Ray Bursts - New Models Shed Light on Enigmatic Explosions Janka, Hans-Thomas, Aloy, Miguel, Mueller Ew ald Max-Planck-Institut für Astrophysik, Garching Korrespondierender Autor E-Mail: [email protected] Zusammenfassung Mit neuen Computermodellen untersuchen Forscher am Max-Planck-Institut für Astrophysik relativistische Effekte in kosmischen Gammablitzen, um bislang unbeobachtete Eigenschaften von kurzen Blitzen vorherzusagen. Der Sw ift Gamma-Ray Burst Explorer, eine Satellitenmission der NASA, die am 20. November 2004 gestartet w urde, w ird diese Modelle einer Prüfung unterziehen. Summary Researchers at the Max-Planck-Institute for Astrophysics have developed new relativistic models w hich allow predictions of so far unknow n properties of short gamma-ray bursts. Their simulations w ill come under scrutiny by the Sw ift Gamma-Ray Burst Explorer, a NASA mission that w as launched on November 20, 2004. Mit neuen Computermodellen untersuchen Forscher am Max-Planck-Institut für Astrophysik relativistische Effekte in kosmischen Gammablitzen, um bislang unbeobachtete Eigenschaften von kurzen Blitzen vorherzusagen. Der Sw ift Gamma-Ray Burst Explorer, eine Satellitenmission der NASA, die am 20. November 2004 gestartet w urde, w ird diese Modelle einer Prüfung unterziehen. Gammablitze gehören zu den energiereichsten und hellsten Explosionen im Universum. Sie ereignen sich im Schnitt einmal am Tag, sind zw ischen einer tausendstel Sekunde und mehrere hundert Sekunden lang, und w erden in allen Himmelsrichtungen beobachtet. Ihre Gammastrahlung ist energiereicher als sichtbares Licht und kann von Satelliten im Weltraum gemessen w erden. Gammablitze setzen in einer Sekunde eine Energiemenge frei, w ie sie die Sonne in ihrer 10 Milliarden Jahre dauernden Entw icklung produziert. Die mehr als 2700 aufgezeichneten Gammablitze können in zw ei Gruppen eingeteilt w erden. Die so genannten langen Blitze emittieren Gammastrahlung für mehr als zw ei Sekunden, w ährend die kurzen Blitze unter zw ei Sekunden strahlen. Bislang konnten nur die langen Blitze genau beobachtet w erden. Das bei ihnen gefundene „Nachglühen” in Röntgenstrahlung, sichtbarem Licht und Radiostrahlung hat es erlaubt, ihre Entfernung zu bestimmen. Es hat sich bestätigt, dass sie meist aus Milliarden von Lichtjahren entfernten Galaxien stammen. Bis vor kurzem w aren die Quellen dieser Strahlung vollkommen unbekannt. Durch die genauere Beobachtung häuften sich © 2005 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 1/5 Jahrbuch 2004/2005 | Janka, Hans-Thomas, Aloy, Miguel, Mueller Ew ald | Kurze Gammablitze - Neue Modelle erhellen rätselhafte Explosionen allerdings Hinw eise, dass sie bei gew altigen Explosionen sehr schw erer Sterne erzeugt w erden. Eine endgültige Bestätigung dieser Vermutung gelang mit dem Gammablitz vom 29. März 2003, GRB030329, der vom High-Energy Transient Explorer Satelliten HETE aufgezeichnet w urde. Erstmals konnte dieser Blitz zw eifelsfrei mit der außergew öhnlichen Supernova SN 2003dh in zw ei Milliarden Lichtjahre Entfernung in Verbindung gebracht w erden. P ha se n de r Ve rschm e lzung zwe ie r Ne utrone nste rne (von link s obe n na ch re chts unte n). Die Ste rne he ize n sich be im ge ge nse itige n Aufpra ll sta rk a uf und e s e ntste ht e ine W olk e he iße r Ma te rie , die e ine n se hr vie l dichte re n, ze ntra le n Übe rre st um gibt. Die se r k olla bie rt m it hohe r W a hrsche inlichk e it zu e ine m Schwa rze n Loch. Die da rge ste llte Entwick lung da ue rt rund e ine hunde rtste l Se k unde (Bild: R uffe rt und Ja nk a 2001). © MP I für Astrophysik und Unive rsity of Edinburgh Wo aber kommt die gew altige Energie her, die in den Gammablitzen frei w ird? Die am w eitesten verbreitete Theorie besagt, dass die „Maschine” ein rotierendes Schw arzes Loch ist, das sich bildet, w enn der zentrale Kern eines sterbenden Sterns instabil w ird und unter seiner eigenen Schw erkraft in sich zusammenstürzt. Dieses neu entstandene Schw arze Loch verschlingt nun den größten Teil der kollabierenden Sternmaterie und setzt andererseits riesige Energiemengen in Form zw eier „Jets” frei. Diese Gasströme expandieren mit nahezu Lichtgeschw indigkeit in Richtung der Rotationsachse des Sterns. Bevor sie aus der Sternoberfläche ausbrechen, müssen sie sich ihren Weg durch dicke Schichten von Sternmaterie bahnen und w erden dabei in sehr enge Strahlen gebündelt. Tatsächlich bestätigen Beobachtungen nicht nur denUrsprung langer Gammablitze von explodierenden Sternen, sondern liefern auch Hinw eise darauf, dass die Gammastrahlung von eng gebündelten, hochrelativistischen Jets (mit Geschw indigkeiten von über 99,995 Prozent der Lichtgeschw indigkeit) stammt. Rotierende, stellare Schw arze Löcher entstehen aber auch bei anderen kosmischen Ereignissen, z.B. bei der Verschmelzung zw eier Neutronensterne (Abb. 1) oder eines Neutronensterns mit einem Schw arzen Loch. Solche kompakten Objekte umkreisen sich in Doppelsternsystemen Hunderte Millionen Jahre, w obei ihr Bahnabstand durch Gravitationsw ellen-Abstrahlung fortw ährend schrumpft. Nach der unausw eichlichen, finalen Katastrophe bleibt für Sekundenbruchteile ein dicker Ring heißer Materie um das Schw arze Loch (Abb. 2). Schon seit langem argumentieren Theoretiker, dass Gammablitze ausgelöst w erden könnten, w enn diese Materie im Schw arzen Loch verschw indet. Verschmelzende kompakte Sterne gelten als heiße Kandidaten für die Herkunft der immer noch mysteriösen kurzen Gammablitze. © 2005 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 2/5 Jahrbuch 2004/2005 | Janka, Hans-Thomas, Aloy, Miguel, Mueller Ew ald | Kurze Gammablitze - Neue Modelle erhellen rätselhafte Explosionen Ein he iße r, dick e r Ak k re tionstorus um gibt da s rotie re nde Schwa rze Loch, da s sich a us de m dichte n Inne rn de s Übe rre sts e ine r Ne utrone nste rnve rschm e lzung ge bilde t ha t. (Die Abbildung sta m m t a us e ine r a k tue lle n Ve röffe ntlichung von Se tia wa n, R uffe rt, & Ja nk a 2004). © MP I für Astrophysik und Unive rsity of Edinburgh W issenschaftler am Max-Planck-Institut für Astrophysik haben nun mit genaueren Modellen untersucht, w ie die hochrelativistischen polaren Jets durch Energiefreisetzung (z.B. über Elementarteilchenprozesse) in unmittelbarer Nähe eines Schw arzen Lochs entstehen. Die Computersimulationen berücksichtigen die Effekte von Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie. Sie bestätigen, dass kurze Blitze Eigenschaften besitzen sollten, die sich charakteristisch von denen langer Blitze unterscheiden. Weil das Schw arze Loch nicht im Zentrum eines Sterns entsteht, müssen die Jets nicht ihren Weg durch dichte Sternschichten nach außen bahnen. Sie erreichen daher sehr schnell extrem hohe Geschw indigkeiten und w erden dabei durch die dicke Gasscheibe um das Schw arze Loch in enge Strahlen gebündelt (Abb. 3). Sie besitzen Öffnungsw inkel zw ischen 5 und 10 Grad und sind nur w enig w eiter als die Gammajets aus sterbenden Sternen. Die Modelle sagen vorher, dass außerhalb dieser polaren Kegel nur sehr schw ache Gammastrahlung emittiert w ird (Abb. 4). Von rund 100 Doppelsternverschmelzungen sollte deshalb nur einer einen beobachtbaren Gammablitz verursachen, w enn einer der Jets genau auf die Erde gerichtet ist. Kurze Gammablitze können fast genauso hell sein w ie lange Blitze, obw ohl ihre Energie 100-mal geringer ist. © 2005 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 3/5 Jahrbuch 2004/2005 | Janka, Hans-Thomas, Aloy, Miguel, Mueller Ew ald | Kurze Gammablitze - Neue Modelle erhellen rätselhafte Explosionen Ausge schle ude rte s Ga s um da s Schwa rze Loch-Torus Syste m m e hr a ls e ine ha lbe Se k unde na ch Be ginn de r Ene rgie fre ise tzung a m Schwa r.ze n Loch. Die a x ia le n Je ts (he lle , we iße Ge bie te ) ha be n Ge schwindigk e ite n von übe r 99.995 P roze nt de r Lichtge schwindigk e it und e rstre ck e n sich we ite r a ls 150000 Kilom e te r. Die se hochre la tivistische n Ga sström e e rze uge n be i noch größe re n Abstä nde n vom Schwa rze n Loch e ine n Ga m m a blitz. Da s se itlich a bström e nde Ga s ist we se ntlich e ne rgie ä rm e r und la ngsa m e r, e s e rre icht nur Ge schwindigk e ite n von m a x im a l 98 P roze nt de r Lichtge schwindigk e it (rote Ge bie te ). Da s re chte Bild ze igt e ine Ve rgröße rung de r unm itte lba re n Um ge bung de s ze ntra le n Schwa rze n Lochs bis zu e ine m R a dius von rund 400 Kilom e te rn. Ma n sie ht die Je te ntste hung und de n a usge de hnte n Ak k re tionstorus, in de sse n we ißliche n Ge bie te n e ine Ga sdichte von m e hr a ls 1000 Kilogra m m pro Kubik ze ntim e te r he rrscht. © MP I für Astrophysik Bislang w ar es nicht möglich, mit Satelliten detaillierte Messungen an kurzen Gammablitzen vorzunehmen. Es besteht aber Hoffnung, dass die Modellvorhersagen bald überprüft w erden können. Am 20. November 2004 w urde ein neues Instrument in den Erdorbit geschossen, der Sw ift Gamma-Ray Burst Explorer, den die NASA mit internationaler Beteiligung betreiben w ird. Eines seiner Hauptziele ist es, endlich die Geheimnisse der kurzen Gammablitze zu lüften. © 2005 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 4/5 Jahrbuch 2004/2005 | Janka, Hans-Thomas, Aloy, Miguel, Mueller Ew ald | Kurze Gammablitze - Neue Modelle erhellen rätselhafte Explosionen Die Ene rgie de s Je ts für Ma te rie m it Ge schwindigk e ite n von m e hr a ls 99.995 P roze nt de r Lichtge schwindigk e it, wie sie e in fe rne r Be oba chte r von ve rschie de ne n Blick wink e ln re la tiv zur Je ta chse a us m e sse n würde , we nn e r nichts von de r e nge n Bünde lung de s Je ts we iß, sonde rn a nnim m t, da ss die Ex plosion isotrop e rfolgt ist. Die ve rschie de ne n Linie n sind Erge bnisse ve rschie de ne r Mode llre chnunge n. © MP I für Astrophysik © 2005 Max-Planck-Gesellschaft w w w .mpg.de 5/5