Forschung aktuell - Max-Planck

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FORSCHUNG AKTUELL
Sisyphos hatte ein physikalisches Problem. Denn
den Stein, den er unablässig den Berg hinaufrollte, zog die Schwerkraft immer wieder zu Tal.
Der Felsbrocken blieb erst am tiefsten Punkt lie6
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Q UANTENOPTIK
FÜR
MPI S
DES
gen, weil seine Energie dort am kleinsten war.
Physikalisch gesprochen heißt das: Er kommt am
Minimum des Potenzials zur Ruhe, das die
Schwerkraft aufbaut. Das Prinzip wurde der mythischen Figur zum Fluch, doch es hält auch unsere Welt, genauer gesagt die Atome, zusammen.
Denn alle Teilchen zieht es zum tiefsten Punkt
eines Potenzials – auch Elektronen. Die negativ
geladenen Teilchen streben zum Tiefpunkt des
Bindungspotenzials, das die elektrostatische
Kraft des positiv geladen Atomkerns erzeugt.
Da sich die Elektronen sehr schnell bewegen,
stürzen sie aber nicht in den Kern, sondern umschwirren ihn in gebührendem Abstand: Sie sitzen umgeben von einem Potenzialwall in einem
elektrostatischen Tal fest.
Doch die Elektronen können aus dem Tal und
damit ihrem Atom entkommen – was sie zum
Glück für den Fortbestand der Welt nicht oft
tun. Den Ausweg öffnet ihnen die Quantenmechanik: Die erlaubt ihnen, durch den Wall des
Bindungspotenzials zu tunneln. Ein internationales Forscherteam um Ferenc Krausz hat die
V ORLAGEN
Wir müssen einen Berg erklimmen, um ihn zu
überwinden – in der Quantenphysik geht das
auch anders: Objekte können über einen Hügel
gelangen, indem sie ihn einfach durchtunneln,
anstatt mühsam hinüberzuklettern. Ein internationales Forscherteam um Ferenc Krausz vom
Max-Planck-Institut für Quantenoptik hat nun
erstmals Elektronen bei diesem Tunnelprozess
beobachtet. Sie verfolgten, wie Elektronen der
anziehenden Kraft eines Atomkerns entwischen.
Mit ultrakurzen Laserpulsen haben die Wissenschaftler dabei nun diskrete Ionisationsstufen
nachgewiesen, die jeweils einige 100 Attosekunden dauern, also den Bruchteil einer billiardstel Sekunde. Die Ergebnisse tragen entscheidend zu einem tieferen Verständnis bei,
wie sich Elektronen in Atomen und Molekülen
bewegen. (NATURE, 5. April 2007)
NACH
Elektronen beim Tunneln erwischt
G RAFIKEN : C HRISTOPH S CHNEIDER
QUANTENPHYSIK
Ein Berg lässt
sich auf zwei
Wegen überwinden:
In der klassischen
Physik muss man
den Berg besteigen,
um auf die andere
Seite zu gelangen.
In der Quantenphysik geht das auch
anders: Elektronen
etwa können einen
Berg waagerecht
durchqueren –
sie tunneln.
Elektronen dabei nun in flagranti ertappt. Nachdem die Physiker den Elektronen mit einem Laserpuls einen Schubs gegeben hatten und mit
einem andern Laserpuls den Potenzialwall ein
wenig abgesenkt hatten, durchbrachen einige
Elektronen den Potenzialwall. „Unser Ergebnis
bestätigt zum ersten Mal in einer Echtzeitbeobachtung die theoretischen Vorhersagen der
Quantenmechanik“, sagt Ferenc Krausz, Direktor
am Max-Planck-Institut für Quantenoptik und
Leiter des Wissenschaftlerteams.
Den Gesetzen der Quantenmechanik zufolge
kann ein Elektron tunneln, weil es nicht nur Teilchen ist, sondern auch Welle. Daher kann es sich
mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auch dort
aufhalten, wo es nach den Gesetzen der klassischen Physik nicht sein dürfte: zum Beispiel in
einem Potenzialwall oder sogar jenseits davon.
Für makroskopische Objekte wie Felsbrocken ist
die Wahrscheinlichkeit, auf diese Weise über einen Berg zu gelangen, jedoch verschwindend gering. Deshalb hat auch noch niemand einen tunnelnden Felsbrocken beobachtet. Für Teilchen
des Mikrokosmos wie Elektronen stehen die
Chancen dagegen nicht schlecht, sich auf diese
Weise durch Berge, wenn auch elektrostatische,
zu mogeln.
Aber nicht nur Elektronen entkommen tunnelnd der anziehenden Kraft ihres Atomkerns,
auch Alpha-Teilchen lösen sich auf diese Weise
aus radioaktiven Kernen, und Atomkerne tunneln
bei der Fusion ebenso zueinander. Obwohl der
Tunneleffekt in der Natur also nicht selten ist,
konnte ihn noch niemand in Echtzeit beobachten.
Dafür war er bislang schlicht zu schnell. Krausz
und seine Mitarbeiter haben ihn jetzt mithilfe
zweier Lichtpulse live verfolgt: einem Attosekunden-Puls von sehr kurzwelligem Ultraviolett und
einem intensiven Puls aus nur wenigen Wellenzügen roten Laserlichts. Beobachtet haben die Physiker die Flucht des Elektrons nur, weil sie beide
Pulse perfekt synchronisierten.
Kein Instrument kann den Tunnel-Vorgang direkt auflösen. Nachweisen lassen sich nur die Endprodukte, das heißt die Ionen, die übrig bleiben,
wenn ein Elektron aus einem Atom tunnelt. Die
Forscher mussten sich daher eines Tricks bedienen.
Sie verwendeten Neonatome als Untersuchungsobjekte. In diesem Edelgas sind die Elektronen besonders fest gebunden und widersetzen sich den
Bestrebungen des Laserpulses, sie aus dem Atom
zu lösen. Trifft jedoch ein sehr harter ultravioletter Attosekunden-Blitz ein Neon-Atom, regt er
ein Elektron an und befördert es zur Peripherie
des Atoms.
Nun feuern die Forscher einen roten Laserpuls
auf das Atom. In dem Puls folgen ein paar Wellenberge und -täler aufeinander. Das elektrische
Feld des kräftigen roten Laserpulses drückt den
Potenzialwall nach unten, der das Elektron im
Atom festhält. Nun kann das angeregte Elektron
< 400 Attosekunden
Wahrscheinlichkeit für die
Freisetzung
des Elektrons
durch lichtinduziertes
Tunneln
1
0
t1
t2 t3
aus dem Atom tunneln. Die Kraft des roten Pulses
reicht dafür aber nur, wenn Wellenberge des
Lichts über dem Atom liegen. Und besonders
hoch müssen sie auch sein. Das sind sie aber nur
in der Mitte des Pulses. Diese Vorhersage der
Theorie haben die Garchinger Physiker jetzt experimentell bestätigt, indem sie den ultravioletten und den roten Puls zueinander verschoben
haben.
„Mit dem nur 250 Attosekunden dauernden
UV-Puls haben wir ein Elektron zu jedem beliebigen Zeitpunkt innerhalb der roten Laserwelle
mit Attosekundenpräzision an die Peripherie befördert“, erklärt Krausz. Sie fuhren mit der Spitze
des ultravioletten Pulses also über das Wellengebirge des roten Pulses. Gleichzeitig zählten sie die
Atome, aus denen ein Elektron tunnelnd entwischt ist und die so ionisiert wurden. So stellten
sie fest, dass die Elektronen nur tunneln, wenn die
besonders intensiven Wellenberge des roten Pulses
über das vom ultravioletten Puls angeregte Atom
streifen. Zudem haben sie auf diese Weise gemessen, wie lange der Tunnelprozess dauert – nämlich
weniger als 400 Attosekunden.
„Die Experimente gewähren nicht nur zum
ersten Mal einen Einblick in die Dynamik des
Elektronen-Tunnelns“, sagt Krausz: „Wir haben
zudem gezeigt, dass sich die Bewegung von Elektronen in Atomen oder Molekülen mithilfe des
Laserfeld-induzierten Tunnelns in Echtzeit beobachten lässt.“ Auf der Basis dieser Erkenntnis
kontrollieren die Physiker die Bewegung der
Elektronen. „So können wir in Zukunft erforschen, wie sich die Grenzen der Mikroelektronik verschieben lassen“, sagt Krausz. Optische
Elektronik arbeitet nämlich umso effizienter, je
präziser sich das Wechselspiel zwischen Licht
und Elektronen steuern lässt. Auch kompakte
Röntgenlaser können Physiker möglicherweise
entwickeln, wenn sie die elektronischen Prozesse
in Atomen besser beeinflussen können. Mit solchen brillanten Röntgenquellen ließen sich biologische Objekte besser abbilden oder die Strahlentherapie verbessern.
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Zeit
Tunneln in Stufen:
Jedes Mal, wenn
der Wellenberg
eines infraroten
Laserpulses (rote
Welle) auf das
Atom trifft, steigt
die Wahrscheinlichkeit, dass ein
Elektron aus dem
Atom tunnelt
(grüne Kurve, Ausschnitt). Der Schritt
von einer Stufe
zur nächsten dauert nur einige 100
Attosekunden –
so lange, wie die
Elektronen zum
Tunneln brauchen.
@ Kontakt:
PROF. DR.
FERENC KRAUSZ
Max-Planck-Institut
für Quantenoptik,
Garching
Tel.: +49 89
32905-612
Fax: +49 89
32905-649
E-Mail: ferenc.krausz@
mpq.mpg.de
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FORSCHUNG AKTUELL
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STEREOCHEMIE
Auf den Spuren des Florigens
Handschlag der Moleküle
Warum blühen Krokusse im Frühling und Astern im Herbst? Und wieso befinden sich die
Blüten immer an der Sprossspitze und nicht
irgendwo an Blatt und Stängel? Tatsächlich
besitzen Pflanzen molekulare Lichtsensoren in
ihren Blättern, die jahreszeitliche Unterschiede
der Tageslänge messen. Zum richtigen Zeitpunkt, meist im Frühling, senden die Blätter
einen Botenstoff als Signal für die Blütenbildung aus. Die Frage, um welche Substanz es
sich bei diesem Florigen handeln könnte, hat
Generationen von Botanikern beschäftigt. Erste
Fortschritte gab es Ende der 1990er-Jahre sowie 2005. Kontrovers diskutiert wurde die Frage, wie das Florigen in die Sprossspitze gelangt.
Georg Coupland und seine Mitarbeiter vom
Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung
in Köln konnten zeigen, dass das Protein selbst
wandert – und stellten damit eine andere
Publikation in Frage (SCIENCE, 20. April 2007).
Leben ist Teamarbeit im großen
Stil: Im menschlichen Körper
werkeln tausendmal mehr Moleküle Hand in Hand, als Sterne
im Weltall leuchten. Wie Moleküle ihre Kooperationspartner
erkennen hat nun ein internationales Wissenschaftlerteam um
Forscher vom Max-Planck-Institut
für Festkörperforschung beobachtet. Sie verfolgten mit einem Rastertunnelmikroskop, wie sich zwei
chirale Dipeptid-Moleküle zu einem
Dimer verbanden. Solche Moleküle
liegen wie viele Moleküle in unserem
Körper in zwei spiegelbildlichen Formen
vor, die sich wie die rechte und linke Hand
nicht zur Deckung bringen lassen. Damit die
Dipeptide stabile Paare formen und Biomoleküle die Lebensprozesse aufrechterhalten können, müssen sich die Moleküle mit passenden
Formen erkennen. Wie die Forscher nun herausgefunden haben, verändern sie sich dabei
leicht – wie zwei Hände, die sich umeinander
schließen. (ANGEWANDTE CHEMIE, 20. April 2007)
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FÜR
FÜR
PROF. DR.
GEORGE COUPLAND
Max-Planck-Institut
für Züchtungsforschung, Köln
Tel.: +49 221
5062-205
Fax: +49 221
5062-207
E-Mail: coupland@
mpiz-koeln.mpg.de
F ESTKÖRPERFORSCHUNG
@ Kontakt:
F OTO : MPI
Die Existenz des sogenannten Florigens war bereits
1936 von dem Russen Michael Chailakhyan postuliert worden: Die Blütenpracht werde durch einen
hormonellen Stimulus ausgelöst. Unklar war, ob es
sich dabei um ein Eiweiß, eine Nukleinsäure oder
eine andere Substanz handelte. In den 1990er-Jahren grenzten Detlef Weigel und seine Mitarbeiter
am Salk Institute in La Jolla (USA) den lang gesuchten Blütentreiber auf molekularer Ebene ein:
Sie hatten bei der Ackerschmalwand Arabidopsis
thaliana das Gen Flowering Locus T entdeckt, kurz
FT genannt (Kardailsky et al., SCIENCE 1999). Dieses
muss in den Blättern aktiviert werden, damit sich
an den Sprossspitzen Blüten bilden können. Die
Frage blieb, wie FT jene Gene beeinflusst, die
schließlich die Blüten hervorbringen.
Der Durchbruch gelang Weigel und seinem
Team, inzwischen am Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie in Tübingen, sechs Jahre später:
Sie entdeckten, dass FT an ein weiteres Protein
bindet, das FD. Dieses Protein steuert direkt die
Aktivität von Genen, sodass sich Gruppen von
Stammzellen an der Sprossspitze zu Blüten entwickeln. FD wird erst durch Bindung an das FT-Protein aktiv und im Gegensatz zu FT an den Sprossspitzen produziert (Wigge et al., SCIENCE 2005).
Da das FT-Gen nur in den Blättern aktiv ist,
muss das entsprechende Protein, um an FD binden
zu können, irgendwie vom Blatt in die Sprossspitze gelangen. Möglicherweise geht dabei nicht
das FT-Protein selbst auf Wanderschaft, sondern
die entsprechende Boten-RNA. Das zumindest
glaubten Tao Huang, Postdoc an der Schwedischen Universität für Agrarwissenschaften in
Umea, und seine Kollegen, als sie die mRNA von
FT sowohl in den Blättern als auch in der Sprossspitze fanden (Huang et. al., SCIENCE 2005).
Mitte April 2007 zogen die schwedischen
Pflanzenforscher um Ove Nilsson diese Veröffentlichung jedoch wieder zurück, nachdem der
Versuch, die Experimente zu wiederholen, fehlgeschlagen war. SCIENCE veröffentlichte den Widerruf in derselben Ausgabe, in der Georg Coupland
und seine Mitarbeiter ihre jüngsten Ergebnisse
vorstellten: In Zusammenarbeit mit Kollegen vom
Imperial College in London hatten sich die MaxPlanck-Forscher mittels GFP – eines aus einer
Qualle stammenden grün fluoreszierenden Proteins – an die Fersen des FT-Proteins geheftet.
So verfolgten die Wissenschaftler den Weg des
GFP-FT-Komplexes in Arabidopsis vom Blatt bis
zur Pflanzenspitze unter dem Mikroskop und
zeigten, dass das FT-Protein tatsächlich in den
Blättern gebildet wird und danach durch die
gesamte Pflanze bis in den Wuchskegel der
Sprossspitzen wandert, wo es die Blütenbildung
induziert.
Einen weiteren Beleg dafür, dass das FT-Protein
– und nicht die dazugehörige mRNA – wandert,
lieferte ein Versuch mit Arabidopsis-Mutanten,
die kein FT-Protein bilden, da ihnen das entsprechende Gen fehlt. Diese Mutanten wurden
auf normale Arabidopsis-Pflanzen gepfropft. Die
Forscher beobachteten nun, wie das FT-Protein
aus der unteren Pflanze durch die aufgepfropfte,
FT-freie Pflanze hindurchwanderte und schließlich
Blüten gebildet wurden. Trotzdem: Nicht alle Wissenschaftler halten die Beweiskraft der Experimente für ausreichend. Das Schlusskapitel im
Florigen-Krimi lässt also noch auf sich warten. ●
Z ÜCHTUNGSFORSCHUNG
PFLANZENFORSCHUNG
F OTO : MPI
Das FT-Protein
wurde mit einem
grün fluoreszierenden Protein
(GFP) markiert
und im Gefäßsystem eines jungen
ArabidopsisKeimlings unter
dem Mikroskop
beobachtet. So
konnte experimentell nachgewiesen werden,
dass das FT-Protein aus den Blättern bis in die
Sprossspitzen der
Ackerschmalwand wandert.
FORSCHUNG AKTUELL
1027 Moleküle mit nahezu hunderttausend unterschiedlichen Formen machen unseren Körper zu
dem, was er ist. Jedes Molekül trägt eine strukturelle Information. „Diese Informationen entscheiden darüber, welche Moleküle zusammenarbeiten, damit der Körper funktioniert“, sagt Magalí
Lingenfelder, eine der beteiligten Max-PlanckForscherinnen. So vermitteln Biomoleküle den
Befehl, dass unsere Muskeln kontrahieren. Sie
sorgen dafür, dass wir unsere Nahrung effizient
verwerten. Und sie lassen Gedanken entstehen.
Das internationale Forscherteam, in dem Wissenschaftler aus dem Stuttgarter Max-Planck-Institut, vom Fraunhofer Institut für Werkstoffmechanik in Freiburg und dem King‘s College in
London zusammenarbeiteten, hat nun im Detail
verfolgt, wie zwei Diphenylalanin-Moleküle miteinander wechselwirken, während sie sich aneinanderlagern.
Die Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut
für Festkörperforschung schossen mit einem Rastertunnelmikroskop Bildsequenzen von diesem
Prozess. Auf den Filmen ist zu erkennen, dass sich
nur Moleküle gleicher Chiralität, also identischer
Struktur, erkennen. Nur sie schließen sich also bereitwillig zu Paaren und Ketten zusammen. „Auf
diese Weise nutzt die Natur Informationen, die in
der Molekülgestalt stecken, um komplexe Strukturen aufzubauen“, so Magalí Lingenfelder.
Ein wichtiger Teil dieser Information ist in der
Chiralität gespeichert. Der Begriff der Chiralität
Eine Begegnung molekularer Art: Rastertunnelmikroskopie-Aufnahmen zeigen, wie sich
Diphenylalanin-Moleküle aneinanderlagern.
leitet sich vom griechischen Wort für Hand ab
und beschreibt Moleküle, die wie linke und rechte Hände in zwei Formen existieren: der rechtshändigen und der linkshändigen Form. Sie lassen
sich räumlich nicht zur Deckung bringen – im
Bild der Hand gesprochen liegen entweder die
Handflächen beziehungsweise -rücken aufeinander oder die Daumen zeigen in entgegengesetzte Richtungen. Und nur zwei rechte oder
zwei linke Hände greifen beim Handschlag passgenau ineinander. Genauso formen auch nur
zwei Moleküle derselben chiralen Form eine stabile Struktur.
Wenn sich Moleküle der rechtshändigen oder
linkshändigen Form zusammenschließen, sprechen
Chemiker von chiraler Erkennung. „Sie ist für alle
Prozesse in unserem Körper von großer Bedeutung“, sagt Giovanni Costantini, der ebenfalls an
den Arbeiten beteiligt war: „Die laufen nämlich
nur ab, wenn sich rechtshändige oder linkshändige Moleküle untereinander erkennen.“ Wie beim
Händeschütteln reicht es aber nicht, dass sich
zwei Moleküle derselben chiralen Form finden, sie
müssen sich zudem einander anpassen. Auch
Hände greifen schließlich nur ineinander, wenn
sie sich umeinander schließen. Während die
Max-Planck-Wissenschaftler den molekularen
Handschlag beobachteten, haben Theoretiker am
King‘s College in London und am Fraunhofer Institut für Werkstoffmechanik in Freiburg den Prozess rechnerisch modelliert.
„Der Mechanismus chiraler Molekülerkennung
hilft uns, die elementaren Schritte der Evolution
zu verstehen“, so Costantini. Er könne aber auch
dazu beitragen, komplexe künstliche Materialien
mit spezifischen Funktionen zu entwickeln.
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ORSCHUNG
@ Kontakt:
DR. MAGALÍ
LINGENFELDER
Max-Planck-Institut
für Festkörperforschung, Stuttgart
Tel.: +49 711
689-1620
Fax: +49 711
689-1620
E-Mail:
m.lingenfelder@
fkf.mpg.de
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FORSCHUNG AKTUELL
FORSCHUNG AKTUELL
ANTHROPOLGIE
ASTROPHYSIK
Wie lange ist ein Kind ein Kind?
Licht gibt Asteroiden Spin
Eine lange Kindheit hat einen hohen Preis – rein
biologisch: Kinder können sich nicht selbst ernähren, sind auf die Gefahren ihrer Umwelt nicht vorbereitet und fortpflanzen können sie sich auch
nicht. „Dafür können Kinder behütet und angeleitet von Erwachsenen besser lernen“, sagt Tanya
Smith, die am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie an dem Projekt mitgearbeitet
hat. Da moderne Menschen mehr lernen als andere Lebewesen, dauert auch ihre Kindheit länger als
die aller anderen Primaten. Die ausgedehnte Jugend bedeutet auch, dass die Zähne langsamer
wachsen. Und das war auch schon so, kurz nachdem sich der Mensch aus seinen evolutionären
Vorfahren entwickelt hatte.
Das hat das internationale Forscherteam jetzt
am Wachstumsprofil eines Menschen nachgewiesen, der vor 160 000 Jahren im heutigen Djebel
F OTO : PNAS, P ROCEEDINGS
OF THE
N ATIONAL A CADEMY
OF
S CIENCES , USA
Ein virtuelles
Gebiss haben
Wissenschaftler
aus einem
fossilen Kiefer
rekonstruiert.
Im Hintergrund
ist die Maserung des Zahnschmelzes zu
erkennen.
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Irhoud in Marokko lebte. Er war mit acht Jahren
gestorben und auch nicht weiter entwickelt als
ein gleichaltriges Kind unserer Zeit, wie die Wissenschaftler an den fossilen Überresten seiner
Zähne feststellten.
Selbstverständlich ist das nicht: Die Vorgänger
des Homo sapiens, Homo heidelbergensis und
Homo erectus und die noch früheren Australopithecus-Arten, waren mit acht Jahren schon deutlich erwachsener. Ihre Jugend währte nur etwa so
lange wie die von Schimpansen. „Den modernen
Menschen charakterisiert aber ein ganz anderes
Verhalten und eine ganz andere Kultur, die längeres Lernen nötig macht“, sagt Tanya Smith: „Bislang
war jedoch unklar, wann sich das reproduktive Verhalten und die körperliche Entwicklung daran angepasst haben“ – ab wann die Kindheit also so lange dauerte wie beim modernen Menschen.
„Unsere Ergebnisse belegen, dass der Homo sapiens schon sehr früh in seiner Entwicklungsgeschichte die kulturellen und auch biologischen
Charakteristika des heutigen Menschen besaß“,
sagt Smith: „Wenn wir die Entwicklung der Hominiden als Ganzes betrachten, treten diese Eigenschaften aber erst sehr spät auf, nämlich erst im
Homo sapiens.“
Abgelesen haben die Wissenschaftler das biologische Alter des achtjährigen Menschen aus
Djebel Irhoud an seinen Zähnen. Feine Linien
zeichnen den Zahnschmelz wie Jahresringe einen
Baumstamm. Aus ihnen können Wissenschaftler
rekonstruieren, in welchem Alter sich die ersten
Backenzähne aus dem Kiefer geschoben haben.
Dieses Alter gibt wiederum einen sehr guten Orientierungspunkt, wie schnell ein Mensch gewachsen ist. Und das auch noch Millionen von Jahren
nach seinem Tod.
Wie lange ein Zahn gewachsen ist, lässt sich jedoch nur im Inneren des Zahnschmelzes herausfinden, weil nur dort die detaillierte Struktur der
Linien zu erkennen ist. Dort hineinzublicken, ohne
den Zahnschmelz zu zerstören, ist nicht einfach,
aber möglich: Paul Tafforeau, Wissenschaftler an
der European Synchrotron Radiation Facility in
Grenoble, entwickelte dafür eine Methode der
Mikrotomografie. Mit Synchrotron-Röntgenstrahlung löst er sehr feine Strukturen des Zahnschmelzes dreidimensional auf, ohne ihm zu
schaden. Wie der 160 000 Jahre alte Zahnschmelz des marokkanischen Kindes strukturiert
ist, verglich Tanya Smith mit dem Zahnschmelz
heutiger Menschenkinder und dem anderer Menschen-Arten. „Bislang haben uns Fossilien vor
allem verraten, wie Menschen anatomisch gebaut
waren“, sagt Tanya Smith: „Jetzt haben wir daraus
zum ersten Mal auch den Lebenslauf eines Menschen abgelesen.“
●
Dass Sonnenstrahlen einen Stein ins Rollen
bringen, hat auf der Erde noch niemand beobachtet. Im All ist das anders: Dort haben Astronomen aus Europa und den USA – darunter
auch Hermann Boehnhardt vom Max-PlanckInstitut für Sonnensystemforschung – jetzt
erstmals nachgewiesen, dass das Licht der Sonne eine Kraft auf den erdnahen Asteroid 2000
PH5 ausübt. Diese ist zwar sehr schwach, reicht
aber, um den Himmelskörper jedes Jahr um
eine Millisekunde schneller rotieren zu lassen.
Damit haben sie zum ersten Mal den Yarkovsky-O‘Keefe-Radzievskii-Paddack-, kurz YorpEffekt gemessen. Diesen haben Astrophysiker
theoretisch schon länger vorhergesagt.
(SCIENCE EXPRESS, 8. März 2007)
@ Kontakt:
DR. TANYA M. SMITH
Max-Planck-Institut
für evolutionäre Anthropologie, Leipzig
Tel.: +49 341
3550-362
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3550-399
E-Mail:
[email protected]
F OTOS : S TEPHEN C. L OWRY
Vor 160 000 Jahren dauerte die Kindheit schon
genauso lange wie heute. Dies hat nun ein internationales Forscherteam vom Leipziger MaxPlanck-Institut für evolutionäre Anthropologie
und der französischen European Synchrotron
Radiation Facility nachgewiesen. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass die Zähne eines
fossilen Homo sapiens-Kindes nicht weiter entwickelt waren als die eines heutigen Kindes im
selben Alter. Auch das frühe Homo sapiens-Kind
war also noch nicht ausgewachsen. Bei Australopithecus- und frühen Homo-Arten währte
die Kindheit dagegen noch kaum länger als die
von Schimpansen, die in zehn bis zwölf Jahren
erwachsen werden. (PNAS, 19. März 2007)
Asteroiden haben mit einer Kugel meistens nicht
viel Ähnlichkeit. Der Asteroid 2000 PH5 etwa
saust als flacher Felsbrocken durchs All, rund 120
Meter lang wie breit und knapp 60 Meter hoch.
Obendrein verzerren Beulen die Symmetrie des
Himmelskörpers. Und seine Oberfläche besteht
auch noch aus verschiedenen Gesteinen. Das sieht
nicht hübsch aus, macht 2000 PH5 aber – zusammen mit seiner kurzen Rotationsperiode von derzeit etwa zwölf Minuten – zu einem geeigneten
Kandidaten, um den Yorp-Effekt zu messen: ein
Drehmoment, das die Sonne mit ihrem Licht erzeugt und den Asteroiden allmählich schneller rotieren lässt.
Der Effekt beruht darauf, dass ein Körper einen
winzigen Rückstoß erfährt, wenn er Lichtteilchen
abstrahlt. Der Yorp-Effekt ist jedoch nur an kleinen Himmelskörpern zu beobachten, die keine
Kugelgestalt und eine uneinheitliche Oberfläche
besitzen. Zum Beispiel an 2000 PH5. Seine unregelmäßige Gestalt sorgt dafür, dass sich manche
Partien von 2000 PH5 stärker aufheizen als andere – und auch mehr Wärme als infrarotes Licht
wieder abstrahlen. Mit dem sichtbaren Licht ist es
nicht anders: Manche Regionen des kosmischen
Felsens reflektieren es besser als andere. So erfahren manche Regionen auch einen größeren Rück-
stoß als andere. Unterm Strich ergibt sich so ein
Drehmoment, das dem Asteroiden Jahr für Jahr
ein bisschen mehr Spin gibt.
„Das Drehmoment ist allerdings so klein, dass
der Yorp-Effekt bislang noch nicht beobachtet
wurde“, sagt Hermann Boehnhardt. Dem Forscherteam, in dem er mitgearbeitet hat, ist das jetzt
erstmals gelungen. Die Wissenschaftler haben den
Asteroiden über fünf Jahre hinweg immer wieder
mit optischen Teleskopen – darunter das 8,2-Meter Very Large Telescope Array und das 3,5-Meter
New Technology Telescope der Europäischen Südsternwarte in Chile und die 3,5- und 2,2-MeterTeleskope im spanischen Calar Alto – verfolgt. Die
Rotationsgeschwindigkeit berechneten sie aus
dem Takt, in dem 2000 PH5 ihnen mal seine hel-
Der Asteroid 2000 PH5 im Visier, aufgenommen mit
dem 3,5-Meter-Teleskop im spanischen Calar Alto.
Aus den Schwankungen seiner Helligkeit berechnen
die Forscher die Rotationsgeschwindigkeit dieses
Himmelskörpers, die unter dem Einfluss der Sonnenstrahlung stetig wächst.
leren und mal seine dunkleren Seiten zuwandte.
„Die Beschleunigung stimmt ziemlich genau mit
theoretischen Vorhersagen einer anderen Gruppe
überein“, so Boehnhardt.
Demnach rotiert 2000 PH5 jährlich um eine
tausendstel Sekunde schneller. Auf diese Weise
könnte er noch zu einem der am schnellsten rotierenden Asteroiden im Sonnensystem avancieren: Legt sein Spin weiterhin so zu, braucht
2000 PH5 in 35 Millionen Jahren nur noch
etwa 20 Sekunden, um einmal um sich selbst
zu wirbeln.
Statt des Rekords könnte die Beschleunigung
2000 PH5 aber auch ein vorzeitiges Ende bringen
– wenn nämlich der Drall ihn zerreißt. „Möglicherweise lässt der Yorp-Effekt manche Asteroiden so schnell rotieren, dass sie auseinanderbrechen“, sagt Hermann Boehnhardt. Das könnte
auch der Grund sein, warum Astronomen bislang
keinen Asteroiden entdeckt haben, der weniger
als 80 Sekunden für eine Drehung braucht.
●
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ORSCHUNG
@ Kontakt:
DR. HERMANN
BOEHNHARDT
Max-Planck Institut
für Sonnensystemforschung, Katlenburg-Lindau
Tel.: +49 5556
979-545
Fax: +49 5556
979-219
E-Mail: boehnhardt@
mps.mpg.de
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FORSCHUNG AKTUELL
KLIMAFORSCHUNG
Rückkopplung im Treibhaus
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RSCHUNG
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B IOGEOCHEMIE
@ Kontakt:
PROF. DR.
MARTIN HEIMANN
Max-Planck-Institut
für Biogeochemie,
Jena
Tel.: +49 3641
576-350
Fax: +49 3641
576-301
E-Mail:
martin.heimann@
bgc-jena.mpg.de
FOTO: DEUTSCHES ENTOMOLOGISCHES INSTITUT IM ZALF
Messungen also berechnen, wie viel Kohlendioxid
die Senke des südlichen Ozeans aufnimmt. Und
wie sich deren Kapazität im Laufe der letzten 25
Jahre verändert hat.
Eigentlich sollte der südliche Ozean heute mehr
Treibhausgas aufnehmen als zu Beginn der Messungen. Schließlich hat die Kohlendioxid-Konzentration in der Atmosphäre deutlich zugenommen. Stattdessen aber stagnierte die
Aufnahme in den letzten 25 Jahren, wie die
Messungen des Wissenschaftlerteams belegen.
Schuld ist der Klimawandel, der die Winde über
dem südlichen Ozean anfacht. Diese wiederum
verändern die Meeresströmungen. So gelangt
mehr Wasser zur Oberfläche, das bereits mit Kohlenstoff gesättigt ist. Ähnliche Phänomene sind
auch andernorts zu erwarten: „Wir müssen davon
ausgehen, dass solche Rückkopplungen den Klimawandel auch in anderen Teilen der Welt verstärken“, sagt Heimann.
●
Verstreut über
den ganzen Erdball liegen die
Messstationen
(Sterne), in denen
die Wissenschaftler die Kohlendioxid-Konzentrationen der Luft
gemessen haben.
So haben sie ermittelt, wie viel
Treibhausgas der
südliche Ozean
aufnimmt.
FÜR
Abbrennende Wälder, rauchende
Schlote und auch manche Regionen der Weltmeere bezeichnen
Geochemiker als Kohlenstoffquellen. Nimmt ein Wald oder ein
Ozean dagegen mehr Kohlendioxid auf, als er abgibt, sprechen sie
von einer Kohlenstoffsenke. Und
zumindest in die Meere sollte die
Atmosphäre desto mehr Kohlendioxid
drücken, je mehr sie enthält. Der südliche Ozean wurde auf diese Weise von einer Quelle zur Senke: Noch vor einigen
Jahrzehnten setzte er unterm Strich Kohlendioxid frei. Inzwischen nimmt er netto Kohlendioxid
auf, weil dessen Konzentration in der Atmosphäre
so drastisch gestiegen ist. Das ist eine Sache des
chemischen Gleichgewichts und lässt sich im Prinzip auch bei einem Wassersprudler beobachten.
Wenn sich der südliche Ozean weiterhin an
dieses Prinzip hielte, könnte er den zunehmenden
Klimawandel abschwächen. „Doch der Klimawandel sorgt dafür, dass die Meere weniger Kohlendioxid aufnehmen“, sagt Prof. Dr. Martin Heimann,
Direktor am Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena: „So bleibt mehr vom Menschen emittiertes Kohlendioxid in der Atmosphäre, was wiederum den Klimawandel verstärkt.“
Diese positive Rückkopplung hat das internationale Wissenschaftlerteam, in dem unter anderen
auch Forscher von der Universität East Anglia und
des British Antarctic Survey mitarbeiten, jetzt erstmals mit Messungen belegt. Theoretisch vorhergesagt haben Wissenschaftler diesen Effekt schon
länger. Nun haben die Wissenschaftler vom Jenaer
Max-Planck-Institut Messungen von 42 Stationen,
die sich über die gesamte Erde verteilen, ausge-
wertet. Die Messstationen haben teilweise seit
Beginn der 1980er-Jahre die Konzentration des
Treibhausgases in ihrer Umgebung registriert. Wie
stark die Konzentrationen zwischen den einzelnen
Stationen zu- oder abnehmen, hängt unter anderem von den Luftströmungen ab. Aber auch davon,
wie viel Gas die Senken aus der Luft ziehen. Im
Umkehrschluss konnten die Forscher aus ihren
G RAFIK : MPI
Die Ozeane nehmen fast ein Drittel des Kohlendioxids auf, das die Menschheit in die Atmosphäre bläst. Und je mehr Treibhausgas die
Luft belastet, desto mehr sollte sich auch in
den Meeren lösen. Tut es aber nicht. Zumindest
im südlichen Ozean macht sich in den letzten
25 Jahren ein Sättigungseffekt bemerkbar.
Das hat ein internationales Forscherteam unter
der Führung des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie in Jena jetzt erstmals gemessen:
Obwohl die Kohlendioxid-Emmissionen seit
den frühen 1980er-Jahren um 40 Prozent
zugenommen haben, nahm der südliche
Ozean nicht mehr Kohlendioxid auf.
Schuld ist eine Rückkopplung:
Der Klimawandel, den Treibhausgase
zumindest mitverursachen, stört
den Kohlenstoffkreislauf der
Ozeane. (SCIENCE, 17. Mai 2007)
Panorama
FORSCHUNG AKTUELL
AUF EINE NEUE ART VON FLÖHEN sind Forscher
des Radolfzeller Max-Planck-Instituts für Ornithologie an Nestlingen des Kleinen Felsensittichs
gestoßen, der an den Steilküsten Patagoniens
brütet. Dabei handelte es sich um Sandflöhe der
Gattung Hectopsylla, die den Wissenschaftlern durch ihren ungewöhnlichen, für Flöhe bislang einzigartigen Nistplatz auffielen: Sie parasitieren in den Nasenhöhlen und unter den
Zungen der Sittichküken. Hectopsylla narium, so
der Name der neu entdeckten Flöhe, ist mit Tunga
penetrans verwandt, dem Überträger der Tropenkrankheit Tungiasis. Die Weibchen dieser
Sandflohart bohren sich bevorzugt in die Haut
menschlicher Füße, legen dort ihre Eier ab und
verursachen schwere Entzündungen. Die übrigen
22 Sandfloharten kommen vor allem in Südamerika an verschiedenen Säugetieren und Vögeln vor.
DIE ZÜCHTUNG VON ENERGIEPFLANZEN, die
vermehrt Biomasse bilden, fassen Wissenschaftler
des Max-Planck-Instituts für Pflanzenphysiologie
und der Universität Potsdam ins Auge. Es geht
dabei um die Frage, ob und wie sich Pflanzen
dazu bringen lassen, vermehrt Biomasse zu bilden
– also organische Substanz, die dann als Träger
und Lieferant regenerativer Energie dienen kann.
Um zu derart gemästeten Pflanzen zu kommen,
muss deren Stoffwechsel im Detail erforscht werden: Welche ihrer Inhaltsstoffe (Zucker, Säuren
oder Proteine) und welche äußeren Faktoren
(Licht, Wasser und Nährstoffe) beeinflussen das
Wachstum und damit die Produktion von Biomasse? Als Modellorganismus zur Klärung solcher
Zusammenhänge dient den Forschern eine breite
Palette von genetisch gut charakterisierten Linien der Ackerschmalwand Arabidopsis thaliana,
die sich durch große Unterschiede im Wachstum
auszeichnen – Unterschiede, die es nun in Bezug
zu den Inhaltsstoffen der einzelnen Pflanzen zu
setzen gilt, um dann weiter zu Vorhersagen des
Ertrags zu kommen.
DER ÄTNA LIEFERT KATALYSATOREN, die sich
für die großtechnische Herstellung von Nanoröhrchen und Nanofasern aus Kohlenstoff anbieten.
Das entdeckten Forscher des Berliner Fritz-HaberInstituts der Max-Planck-Gesellschaft: Sie pulverisierten zunächst Lavagestein aus dem Ätna und erhitzten es unter einer Wasserstoffatmosphäre auf
700 Grad Celsius, wodurch die in der Lava enthaltenen, fein verteilten Eisenoxide zu elementarem
Eisen reduziert wurden. Dann leiteten die Forscher
über dieses Pulver ein Gasgemisch aus Wasserstoff
und Ethylen – und erhielten winzige Röhrchen und
Fasern aus Kohlenstoff, die sich an den Lavapartikeln abgeschieden hatten. Dieses Verfahren könnte
den Weg zu einer effizienten und kostengünstigen
Herstellung von Kohlenstoff-Nanoröhrchen ebnen.
Denn zum einen wird der vulkanische Katalysator
Eine neue Flohart haben Forscher des Max-PlanckInstituts für Ornithologie entdeckt: Hectopsylla
narium (hier der Kopf in einer elektronenmikroskopischen Aufnahme) lebt in den Nasenhöhlen und unter
den Zungen von Küken des Kleinen Felsensittichs.
vom Ätna in großen Mengen geliefert; zum andern
ist das als eigentlicher Katalysator wirkende Eisen
feinst verteilt an das extrem poröse Lavagestein
gebunden, das damit zugleich als Katalysator und
Träger dient. Und ein weiterer Vorteil des Verfahrens liegt noch darin, dass es ohne nasschemische
Schritte auskommt.
DAS GEHIRN IM TRAUMSCHLAF haben Wissenschaftler des Münchner Max-Planck-Instituts für
Psychiatrie jetzt erstmals mit einem kombinierten
Messverfahren untersucht: Zugleich mit der Registrierung von Hirnströmen mittels Elektroenzephalografie (EEG) setzten sie die bildgebende funktionelle Kernspintomografie ein, um
die Aktivität des Gehirns an schlafenden und
träumenden Probanden aufzuzeichnen. So konnte
beispielsweise genau verfolgt werden, wie das
Gehirn im Schlaf auf akustische Reize – etwa
Klaviermusik – reagiert. Besonders interessante
Befunde lieferten Messungen während des sogenannten REM-Schlafs, also während Traumphasen, die mit raschen Augenbewegungen (engl.:
Rapid Eye Movements) einhergehen: Hier ließen
sich wiederkehrende, kurzzeitige Phasen hoher
Hirnaktivität nachweisen, in denen äußere Reize
vom Gehirn ausgeblendet werden und der Schläfer quasi wehrlos ist; dazwischen aber lagen
Phasen, in denen Außenreize rudimentär wahrgenommen und gelegentlich sogar in das Traumgeschehen einbezogen werden.
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