managementforschung_Weik final MF21 08-10

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Elke Weik:
Die Entstehung organisationaler Sachzwänge.
Eine institutionensoziologische Analyse zum Anstieg der Kaiserschnittrate in Deutschland
Bourdieu; Institutionelle Logiken; Kaiserschnitt; locale; Sachzwang
Zusammenfassung
Der vorliegende Beitrag befasst sich mit der Entstehung organisationaler Sachzwänge und
gibt Empfehlungen zu deren Überwindung. Theoretisch nutzt er Überlegungen aus der Neuen
Institutionensoziologie sowie Bourdieus Kapitalientheorie, um eine Konzeption zu entwerfen,
die das organisationale Geschehen als einen Zusammenhang von institutionellen Logiken,
Praktiken und Ressourcen wiedergibt. Organisationale Akteure treten in diesem Geschehen
als bedeutungsstiftende politische Akteure auf, deren Machtkämpfe sich sowohl auf der
materiellen als auch auf der symbolischen Ebene abspielen. Die Grenze von Organisation und
Umwelt verschwimmt in dem Maße, in dem Akteure gesellschaftliche und kulturelle
Repertoires mobilisieren, um ihre Interessen zu befördern. Die Konzeption wird durch eine
empirische Fallstudie aus dem Gesundheitswesen unterfüttert, die organisationale
Sachzwänge anhand des Anstiegs der Kaiserschnittrate in Deutschland darstellt.
The paper discusses how material constraints evolve and provides some advice as to how they
can be overcome. In theoretical terms, the paper draws on neo-institutionalist sociology as
well as Bourdieu’s theory of capitals. The resulting conception portrays organisational life as
a nexus of institutional logics, practices and resources. Organisational actors play the role of
sense-making political actors who mobilise societal and cultural repertoires in order to
promote their interests. Their struggles take place on the symbolic as well as on the material
level. The theoretical conception is complemented by a case study that presents material
constraints in the health sector in the context of a rising rate for caesarian sections in
Germany.
1
Inhaltsübersicht:
1
2
3
4
5
6
7
8
9
Einleitung
Methode
Die Problemstellung
Ereignisse als Auslöser von Wandel
Theoretischer Analyserahmen
5.1
Theoretischer Ausgangspunkt: Bourdieus Kapitalien- und Feldbegriff
5.2
Felder
5.3
Institutionelle Logiken
5.4
Logiken – Praktiken – Ressourcen
5.5
Organisationale Akteure
5.6
Professionen, Institutionen und Organisationen
Fallstudie: Der Anstieg der Kaiserschnittrate
6.1
Konkurrierende Logiken
6.2
Der Kampf um Bedeutungen
6.3
Akteure und Professionen
6.4
Die Rolle der Medizintechnologie
6.5
Die wechselseitige Verstärkung von Logiken, Praktiken und Ressourcen
Die Entstehung des Sachzwangs
Handlungsempfehlungen
8.1
Institutioneller Wandel in der Theorie
8.2
Problembezogene Handlungsempfehlungen
Abschließende Betrachtung: Organisation und Umwelt
2
1 Einleitung
Umweltverschmutzung,
Ausbeutung
natürlicher
und
menschlicher
Ressourcen,
Massenentlassungen – organisatorische Entscheidungen stehen oft im Konflikt mit dem, was
gesellschaftlich als erstrebenswert und angemessen empfunden wird. Sofern es sich dabei um
eine klare Differenz von Wertvorstellungen – hier das legitime Streben nach
betriebswirtschaftlichem Gewinn, dort der ebenso legitime Schutz anderer Interessen –
handelt, liegt der Fall relativ klar und lässt sich theoretisch im Sinne der Weberschen
Wertrationalität modellieren (wenn auch deshalb praktisch nicht einfacher lösen). Der
theoretisch interessantere Fall ist der jedoch der, in dem selbst die organisationalen Akteure
nicht glücklich über ihre Entscheidung sind, sich jedoch gezwungen sehen, im gegebenen Fall
so zu entscheiden: der klassische Sachzwang.
Der vorliegende Beitrag befasst sich mit der Entstehung organisationaler Sachzwänge.
Exemplarisch möchte ich die Entstehung eines konkreten Sachzwangs anhand einer Fallstudie
aus dem Gesundheitswesen aufzeigen. Die von mir zur Analyse entworfene theoretische
Konzeption basiert auf institutionensoziologischen Überlegungen, genauer auf dem von
Friedland und Alford (1991) eingeführten Konzept der „multiplen institutionellen Logiken“.
Mit der Verbindung von Empirie und Theorie bewege ich mich im Bereich einer „Theorie
mittlerer Reichweite“, in der gewisse Aspekte theoretisch modelliert werden können, andere
jedoch kontingent und damit nur empirisch entscheidbar bleiben. Ich werde auf diese Frage
nochmals am Ende des Beitrags näher eingehen.
Die Idee des „Sachzwangs“ verweist auf einen der Entscheidung äußerlichen Zwang und
damit auf die Umwelt des Entscheiders. Sachzwänge können, müssen aber nicht, aus
Pfadabhängigkeiten (Sydow et al., 2009) entstehen. Ich möchte meine Analyse im Folgenden
jedoch nicht als Analyse der Pfadabhängigkeit präsentieren, sondern, Ackermanns (2003)
Systematik folgend, Aspekte der Macht und sozialen Konstruktion in den Vordergrund
stellen. Dies soll nicht heißen, dass ich die Existenz klassischer Pfadabhängigkeitsprozesse in
meinem empirischen Material verneine, sondern dass mir eine sozialkonstruktivistische
Analyse in diesem Fall gewinnbringender erscheint, vor allem was die Erarbeitung von
Handlungsempfehlungen angeht.
3
Im Folgenden möchte ich meine zunächst meine Methode (Abschnitt 2) und meine
empirische Problemstellung (Abschnitt 3) vorstellen sowie die bisherige Darstellung des
Problems und seiner Ursachen kritisieren (Abschnitt 4). Im Hauptteil werde ich dann den
theoretisch-konzeptionellen Rahmen meiner Analyse aufspannen (Abschnitt 5), bevor ich
mein empirisches Material präsentiere (Abschnitt 6). Weiter werde ich mich der
Beantwortung
der
eingangs
gestellten
Frage
und
daraus
resultierenden
Handlungsempfehlungen widmen (Abschnitt 7 und 8). In einer Schlussbetrachtung (Abschnitt
9) werde ich schließlich Konsequenzen für die Konzeptualisierung von Organisation und
Umwelt herausarbeiten.
2 Methode
Geburt und Gebären gehören zweifelsohne zu den existentiellen Momenten im Leben eines
Menschen.
Ich
habe
mich
deshalb
methodologisch
für
einen
lebensweltlichen
Forschungsansatz (Schütz, 1973) entschieden, der es erlaubt, von mir selbst über einen
Zeitraum von acht Jahren gemachte Erfahrungen und Beobachtungen phänomenologisch
einzubringen. Dies halte ich für wichtig, weil existentielle Geschehnisse im Vergleich zu
anderen einen hohen Anteil von implizitem Wissen aufweisen, der sich in Beschreibungen
wie „das kann man nicht schildern“ oder „das muss man erlebt haben“ niederschlägt. So
bilden drei eigene Schwangerschaften und Geburten im Zeitraum von 1999-2007 den
Ausgangspunkt meiner empirischen Studien 1. In dieser Zeit habe ich zum einen das
notwendige „tacit knowledge“ erworben, das es mir ermöglichte, sehr tiefgreifende Interviews
zu führen (Patton, 2005), zum anderen habe ich in dieser Zeit viele informelle Gespräche mit
anderen Müttern und Geburtshelfern geführt. Ich wurde zudem ausgiebig mit der Art von
Literatur konfrontiert, die werdenden Müttern die institutionellen Logiken vermittelt. Die bei
einer solchen qualitativen Vorgehensweise gebotene Reflexivität des Forschers (Flick, 2007)
hat es mir, so hoffe ich, dennoch ermöglicht, mich von Zeit zu Zeit auch von der Lebenswelt
zu distanzieren und diese analytisch zu reflektieren. Im wissenschaftlichen Teil meiner
Empirie habe ich 2006/07 insgesamt 15 qualitative Interviews mit freien und angestellten
Hebammen sowie mit Gynäkologen geführt. Diese Interviews fokussierten vor allem auf das
1
Die Daten fanden bereits in einem ähnlichen Zusammenhang (Weik, 2009) Verwendung. Dort hatte ich mein
Augenmerk auf die Entstehung und Reproduktion institutioneller Logiken gelegt und gezeigt, welche Rolle
Identität, Vertrauen und Ideologie in diesen Prozessen spielen. Der vorliegende Beitrag greift außerdem auf ein
umfangreicheres Korpus von Sekundärstudien zurück.
4
Verhältnis von Ärzten und Hebammen, die Einschätzung verschiedener Geburtspraktiken,
Fragen des gender sowie des Einsatzes von Technologie in Vorsorge und Geburt. Die dabei
besuchten Einrichtungen umfassten mehrere Hebammenpraxen, eine gynäkologische Praxis,
ein Geburtshaus, ein Krankenhaus und ein Perinatales Zentrum. Diese Daten werden durch
Ergebnisse anderer Studien ergänzt. Dies habe ich zum einen getan, um eine gewisse
Repräsentativität meiner Befunde zu sichern. Zum zweiten decken die Sekundärstudien
Bereiche ab, in denen ich selbst keine Daten erhoben habe. Ich hoffe damit, dem Problem der
Generalisierbarkeit der Befunde, das sich für jede qualitativen Studie stellt, begegnen zu
können. Die dargestellten Ergebnisse sind m.E. repräsentativ für Deutschland; in anderen
europäischen Ländern stellen sich das Ausgangsproblem und die Grundaussagen der Analyse
ähnlich dar. Dennoch treten hier aufgrund nationalkultureller und historischer Unterschiede in
der Wichtung der Ursachen auf, die ich nicht erhoben habe und deshalb nicht diskutieren
kann.
3 Die Problemstellung
Die Kaiserschnittrate in Deutschland steigt stetig. Sie lag 1991 bei 15 % und 2006 bei 29 %
(Statistisches Bundesamt, 2006). Zum Zeitpunkt, zu dem dieser Beitrag verfasst wird, kommt
jedes dritte Kind in Deutschland per Kaiserschnitt zur Welt. Diese Entwicklung ist aus
medizinischer Sicht bedenklich, da der Kaiserschnitt als operativer Eingriff gewisse Risiken
mit sich bringt (Schücking, 2003, Hillemans et al., 2000, Wagner, 2000, Coalition for
Improving Maternity Services, 2007, Berg, 2008). So ist im Vergleich zu normalen Geburten
(d.h. vaginalen Spontangeburten) festzustellen, dass sich die mütterliche Infektionsrate um
den Faktor 50, die mütterliche Sterblichkeitsrate um den Faktor 5-7 erhöht. Hinzu tritt wie bei
jeder Operation die Gefahr von Embolien und Anästhesiefehlern. Doppelt so viele Frauen
müssen nach einem Kaiserschnitt erneut ein Krankenhaus aufsuchen. Insgesamt sind Frauen
nach einem Kaiserschnitt weniger bereit, erneut ein Kind zu bekommen. Für das Baby besteht
die Gefahr, aufgrund einer Fehlbestimmung des Geburtstermins zu früh geboren zu werden.
Fünfmal mehr Kinder werden nach einem Kaiserschnitt intensivmedizinisch betreut, viermal
mehr Kinder leiden unter lebensbedrohlichen Atemstörungen. Auch Bonding und Stillen
werden durch einen Kaiserschnitt tendenziell negativ beeinflusst.
5
Die Höhe der Rate mag auf den ersten Blick überraschen, geht man davon aus, dass sich diese
Entwicklung gerade in allen westlichen Industrieländern, deren Gesundheitsstandard am
höchsten ist, so abzeichnet 2. Die WHO geht von einer „normalen“, d.h. medizinisch
notwendigen, Kaiserschnittrate von 10% in einem Land aus (WHO, 2006). Auch die
geburtshilflichen Entscheidungsträger, d.h. die Gynäkologen und vor allem die Hebammen,
stehen diesem Anstieg meist kritisch gegenüber. Dennoch ist zu erwarten, dass die
Kaiserschnittrate in den nächsten Jahren weiter steigen wird.
TABELLE 1 ETWA HIER EINFÜGEN
Tabelle 1 (nach Lutz/Kolip, 2006) gibt in der Literatur häufig benannte Gründe für den
Anstieg wieder. Meine Interviewpartner betonten vor allem die folgenden Aspekte der
Angst/Sicherheit und medizinischen Machbarkeit, aber auch der juristischen Haftbarkeit
(Hervorhebung von mir):
„Eigentlich traurig, denn das ist aber, glaube ich, die Angst der Frau, sich irgendwie
preiszugeben oder sich so zu geben, wie die Geburt das - nicht verlangt, aber ...
Letztendlich soll man sich ja geben, den Körper arbeiten lassen und versuchen, den Kopf
abzuschalten, damit man nicht so viel denkt und wirklich den Körper arbeiten lässt. Und
ich glaube, das wollen viele nicht und können viele auch nicht mehr.“ (Hebamme)
„Und auf der anderen Seite geht der Trend einfach dahin, ganz sehr medizinisch. Also die
Kaiserschnittrate, wenn man dahin schaut, 20-25%, nach wie vor Einleitungen und diese
vielen Diagnostiken in der Schwangerschaft, die jetzt möglich sind und was man machen
kann, noch früher und noch besser und angeblich wird Sicherheit vermittelt, man kann
alles behandeln und vorbeugen und machen.“ (Hebamme)
„Das hat was mit der Technik aber auch zu tun, mit der Gesellschaft, mit den Medien - da
brauchen wir bloß unsere Models angucken oder die Promis, wie die ihre Kinder auf die
Welt bringen.“ (Hebamme)
„Das ist einfach die Angst, die man hat. Einfach die Angst, wenn was passiert, kann man
es vor niemandem mehr rechtfertigen, warum man diesen Kaiserschnitt nicht gemacht hat.
Und das ist einfach eine Entwicklung in der Gesellschaft, die sehr schwierig ist. Aber wenn
ja Menschen halt die Energie in ein Kind stecken - z. B. ein Einzelkind - und bei diesem
einen geht es schief; wem können Sie das heute noch erklären, warum Sie diese Geburt
spontan versucht haben?“ (Arzt)
2
Das Problem ist nicht auf Deutschland beschränkt, sondern präsentiert sich ähnlich in allen europäischen
Staaten. Der European Perinatal Health Report (Euro-Peristat, 2008) identifiziert den kontinuierlichen Anstieg
der Kaiserschnittraten in Europa als „a long standing cause of concern“. Deutschland liegt dabei in der
Spitzengruppe hinter Italien, Portugal und der Schweiz, die die 30%-Marke bereits überschritten haben.
6
„Denn in Deutschland ist noch nie jemand verurteilt worden für einen gemachten
Kaiserschnitt.“ (Arzt)
Vorschläge zur Senkung der Kaiserschnittrate sind bisher nur wenige gemacht worden.
Krankenkassen haben deutlich gemacht, dass sie einen „Wunschkaiserschnitt“ nicht bezahlen,
da keine medizinische Notwendigkeit für den Eingriff vorliegt. In der Praxis wird diese
Klausel umgangen, indem eine medizinische Notwendigkeit – etwa eine übergroße Angst der
Mutter vor einer normalen Geburt – konstruiert wird. Die SPD bemüht sich im EU-Parlament
– bisher erfolglos – um eine politische Initiative zur Senkung der Kaiserschnittrate (Deutscher
Hebammenverband, 2009b). Der Deutsche Hebammenverband aktiviert die Grünen zur
Unterstützung seiner Forderung nach mehr interventionsfreien Geburten in deutschen
Krankenhäusern (Deutscher Hebammenverband, 2009a). Auch diese Initiative hat jedoch
bisher keine Wirkung gezeitigt.
Die Rat- und Erfolglosigkeit der verschiedenen Interessengruppen scheint mir ein Indiz dafür,
dass die gedanklichen Modelle oder „theories-in-use“ nicht ausreichen, um der Komplexität
des Geschehens gerecht zu werden. Aus diesem Grund möchte ich im Folgenden eine
Konzeption entwerfen, die verschiedene Ebenen des Problems differenzierter betrachtet und
zeigen kann, wo die Ursache des Sachzwangs liegt.
4 Ereignisse als Auslöser von Wandel
In seiner Fallstudie zur digitalen Fotographie führt Munir (2005) aus, dass externe Anstöße
(triggers, jolts) nicht per se zu organisationalem oder institutionellem Wandel führen, sondern
dass diese Anstöße erst innerhalb des Feldes oder der Organisation „theoretisiert“ werden
müssen, um handlungswirksam zu werden. Er wiederspricht damit der evolutionären
Perspektive, die Wandel als sich von selbst vollziehend darstellt, und betont die Rolle von
Akteuren, die auf Ereignisse aufmerksam machen und diese Ereignisse in einer Sprache
beschreiben, die auf die institutionelle Logik des Feldes Bezug nimmt. Erst dieses
„Theoretisieren“ in vertrauten, legitimierten und als wichtig erachteten Kategorien führt dazu,
dass externe Ereignisse „verarbeitet“ werden und wirken können. Umgekehrt kann
Theoretisierung auch dazu genutzt werden, bestimmte Ereignisse nicht wirksam werden zu
lassen. Beispiele dafür finden sich vor allem in der Rhetorik der momentanen Machthaber, die
7
für eine Erhaltung des Status quo eintreten; Maguire und Hardy (2009) sprechen hier von
„defensive institutional work“.
Vor diesem theoretischen Hintergrund möchte ich die in Tabelle 1 aufgeführten Gründe für
den Anstieg der Kaiserschnittrate in gewisser Hinsicht qualifizieren. Ich möchte dabei nicht
bestreiten, dass es sich um Entwicklungen handelt, die man richtigerweise mit dem Anstieg in
Verbindung bringen kann. Jedoch suggeriert eine einfache Präsentation dieser Gründe eine
„objektive“ Ursache-Wirkung-Beziehung, die so nicht stehen bleiben kann. Nimmt man das
sozialkonstruktivistische Erbe der Theorie, mit der ich in diesem Beitrag arbeite, ernst, so
müssen sicher die sozialen Konstruktionsprozesse, ihre Akteure und deren Interessen einer
genaueren Analyse unterzogen werden. Dies wird mein Anliegen auf den nächsten Seiten
sein.
5 Theoretischer Analyserahmen
Schwerpunkte meines theoretischen Analyserahmens bilden die soziale Konstruktion und
symbolische Erfassung von Wirklichkeit (auch der materiellen Wirklichkeit) sowie die
politische Konstitution von organisationalen Akteuren. Diese Aspekte gehören untrennbar
zusammen: soziale Konstruktion ist vornehmlich ein politischer Prozess, ein Machtkampf
(Meyer, 2008), in dem Akteure um Symbole und ihre Interpretationen ringen (Zilber, 2002).
Das vorliegende Modell ist also weniger an der hermeneutischen Seite sozialer Konstruktion
und mehr an den sozio-politischen Implikationen interessiert. Organisationen funktionieren in
diesem Machtkampf als zentrale Definitionseinheit der Moderne (Zucker, 1983) oder als
soziale Ideologien (Jepperson/Meyer, 1991), die die Institutionalisierung bestimmter Ideen
und Praktiken vorantreiben.
5.1 Theoretischer Ausgangspunkt: Bourdieus Kapitalien- und Feldbegriff
Mit seinem umfangreichen sozialtheoretischen Begriffsapparat verfolgt Bourdieu mehrere
Ziele, die für den vorliegenden Beitrag relevant sind. Zum einen ist es ihm wichtig, den
kartesischen Dualismus von Leib und Seele in einer relationalen Sozialtheorie aufzulösen
(Weik, 2010), zum anderen strebt er eine „Ökonomisierung des Sozialen“ an.
8
Grundlegend für die erste Stoßrichtung ist seine These (Bourdieu, 1987), dass es in der
sozialen Welt nichts rein Symbolisches oder rein Materielles gibt. Jede materielle
Eigenschaft, die als solche wahrgenommen wird, muss in symbolischen Kategorien
beschrieben und kommuniziert werden. Eine materielle Ressource wird somit erst wertvoll,
wenn sie als wertvoll erkannt und kategorisiert wird. Umgekehrt bedarf jede symbolische
Eigenschaft eines materiellen Substrats, um Bestand zu haben und weitergegeben werden zu
können. Dieses materielle Substrat wirkt dabei jedoch nicht wie ein neutraler „Container“,
sondern beeinflusst, das, was in ihm festgehalten wird. So hat z.B. Goody (1977) gezeigt,
welche gedanklichen Operationen die Einführung von Schriftlichkeit in Kulturen nach sich
zieht. Bourdieu selbst hat am Konzept des „Habitus“ aufgezeigt, wie symbolische
Unterschiede „verkörperlicht“ und damit außerhalb kognitiver Schemata weitergegeben
werden. Nach seiner Auffassung (Bourdieu, 1987) bedienen sich Institutionen häufig
materiell-physiologischer Unterschiede (z.B. zwischen den Geschlechtern), um symbolische
Differenzen zu kreieren. Nachdem die symbolischen Differenzen kreiert sind, werden sie
objektiviert, indem man sie als natürlich begründet darstellt. Dies dient dazu, die Arbitrarität
der ursprünglichen Auswahl – man hätte ja auch ein anderes biologisches Merkmal wählen
können – zu verschleiern. Diese Verschleierung ist ein wesentliches Charakteristikum von
Institutionen, die auf diese Weise gesellschaftliche Ungleichheiten, die sie selbst herstellen
und perpetuieren, legitimieren. Sie üben auf diese Weise „unobtrusive power“ aus, da für die
Beherrschten die politische (Macht-)Komponente des Prozesses verschwindet und nur noch
„natürlich“ oder „rational“ erscheinende Handlungskomponenten übrig bleiben.
In einer „Ökonomisierung des Sozialen“ bedient sich Bourdieu (Bourdieu, 1992a) des
Kapital-Begriffs, um zu zeigen, dass immaterielle Güter wie Bildung, sprachliche
Ausdrucksfähigkeit, soziale Beziehungen und vieles mehr ebenso wie ökonomisches Kapital
gebraucht werden können, um die Interessen eines Akteurs durchzusetzen oder seinen Status
zu festigen. Es ist wichtig an dieser Stelle festzuhalten, dass es Bourdieu nicht um eine
Reduktion sozialer auf ökonomische Tatbestände geht 3, sondern um eine soziologische
Ausweitung des ökonomischen Begriffsapparates, der nach seiner Auffassung bereits
wesentliche Tatbestände erfasst (Bourdieu, 1992b, Bourdieu, 1990). Er will damit in
politischer Hinsicht solche Felder der Analyse öffnen, die bisher als nicht-ökonomisch und
3
Bourdieu, der ja die neoliberale Wirtschaftstheorie an vielen Stellen angreift, sieht sich vielmehr in der
Tradition von Marcel Mauss, der den Tausch als „totales soziales Phänomen“ auffasst (Diaz-Bone, 2007). Im
Gegensatz zum Neoliberalismus geht es Bourdieu gerade darum zu zeigen, dass jeder Tauschakt sozial und
institutionell voraussetzungsvoll (also nicht nur einer natürlichen Disposition entspringend) sowie von Macht
durchdrungen ist.
9
damit „uneigennützig“ galten, was nach seiner Auffassung dazu beiträgt, die ihnen
zugrundeliegenden Machtstrukturen einer Kritik zu entziehen. Der Kapital-Begriff erweist
sich zum einen aufgrund seiner historischen Komponente, die vor allem in der marxistischen
Tradition betont wird, als nützlich. Ebenso wie das ökonomische Kapital können nämlich
immaterielle Güter akkumuliert werden, und diese Akkumulation kann über Generationen
weitergegeben und strukturell verfestigt werden. Es gilt: „Wer hat, dem wird gegeben“. Zum
anderen ist mit dem Kapital-Begriff die Idee des Tausches verbunden. Dieser Tausch ist, wie
wir später sehen werden, eine der Grundlagen des relationalen Feldbegriffs von Bourdieu. Er
verbindet nicht nur Akteure, die Kapitalien untereinander tauschen können, sondern auch die
verschiedenen Kapitalformen selbst, die gegeneinander getauscht werden können. So tauscht
man z.B. als professioneller Weinjournalist kulturelles und soziales Kapital gegen
ökonomisches in dem Maße, in dem man die eigene Meinung zur Qualität bestimmter Weine
vermarktet (Smith Maguire, 2010). In „Die feinen Unterschiede“ benennt Bourdieu
kulturelles, ökonomisches und soziales Kapital als Kapitalformen; in späteren Werken
kommen andere Formen hinzu. Neben der Menge einer bestimmten Kapitalform ist für den
sozialen Akteur auch immer der Wert dieser Kapitalform im Vergleich zu anderen
Kapitalformen, also sozusagen der „Wechselkurs“, von Bedeutung. Auf gesellschaftlicher
Ebene ist der Streit verschiedener sozialer Gruppen um den jeweils geltenden Wechselkurs
das dominierende Prinzip von Herrschaft (Bourdieu, 1992a). Dabei muss es der herrschenden
Gruppe zur Wahrung des Status quo gelingen, die für sie günstigen Kapitalformen und
Wechselkurse zu legitimieren und durch Institutionen zu stabilisieren. Für den einzelnen
Akteur sind diese dann im Wesentlichen gesetzt und bestimmen seine strategischen Optionen
und seine Position im sozialen Feld.
5.2 Felder
Felder bezeichnen Räume, in denen sich die sozialen Akteure mit ihrem Kapital verorten.
Bourdieu bedient sich hier der räumlichen Metapher, um zu zeigen, wie sich soziale Gruppen
und Klassen bilden, nämlich durch Nähe der Akteure im Feld, die zu häufigen Interaktionen
führt (Bourdieu, 1992b). Felder weisen Strukturen auf, die von den Einzelakteuren zum Teil
nicht wahrgenommen werden, gleichwohl aber deren Handeln beeinflussen.
Der Feldbegriff erlaubt es mir, institutionensoziologische Überlegungen an die Bourdieus
anzuschließen. Als „institutionelles Feld“ oder „organisationales Feld“ ist der Begriff in der
Institutionensoziologie eingeführt und in der neueren Diskussion zu einem zentralen Konzept
10
geworden (etwa Hoffman, 2001) 4. Felder indizieren hier wesentlich die „Konstruktion lokaler
Ordnungen“ (Fligstein, 2001, Lounsbury et al., 2003), die sich meist konfliktuell vollzieht. So
spricht etwa Hoffman (1999) von „arenas of power relations“. Eine solch konfliktuelle
Perspektive öffnet die Analyse für politische Prozesse. Ich schließe mich in diesem Beitrag
der Konzeption von Fligstein (2001) an, der Macht und Bedeutung als grundlegende Elemente
von Feldern ansieht.
Felder kristallisieren sich um Themen (issues), die umstritten sind. Mit dieser analytischen
Festlegung bewegen sich Fligstein und andere weg von der ursprünglichen Definition Scotts
(1991), der Felder aufgrund von Ähnlichkeiten (z.B. der Organisationen, die sie umfassen)
konstruiert. Auch hier steht klar eine konfliktuelle Perspektive im Vordergrund. Felder
bestehen aus Institutionen und sozialen Netzwerken, die in ihnen beständig (re-)produziert
oder vernichtet werden (Lawrence/Phillips, 2004).
5.3 Institutionelle Logiken
Institutionelle Logiken sind Handlungslogiken, die an bestimmte Institutionen gebunden sind.
Sie funktionieren als „organisierende Prinzipien“ (Lounsbury, 2002) innerhalb der Institution,
indem sie Sinn und Legitimität stiften. Verschiedene Institutionen folgen unterschiedlichen
institutionellen Logiken und mitunter lassen sich auch innerhalb derselben Institution
verschiedene Logiken ausmachen, besonders in den Zeiten, in denen die Institution einem
Wandel unterworfen ist. Unterschiedliche Logiken sind im Allgemeinen inkompatibel, in
Analogie zu unterschiedlichen Wertrationalitäten. Empirisch ist jedoch festzustellen, dass
Akteure mit Inkonsistenzen und Inkompatibilitäten institutioneller Logiken meist gut zurecht
kommen und sie in ihren Handlungsentscheidungen ignorieren (Meyer/Hammerschmid,
2006). Erst wenn die Inkompatibilität eine gewisse „Schmerzschwelle“ überschreitet oder aus
politischen Gründen mobilisiert wird, kann sie institutionellen Wandel hervorrufen. Friedland
und Alford (1991) betonen in ihrem Beitrag den kompetitiven und dynamischen Aspekt
multipler institutioneller Logiken. Im Gegensatz zum Isomorphismus-/Konvergenz-Gedanken
der Institutionentheorie der 1980er Jahre sollte mit dem Konzept der institutionellen Logiken
der politische Aspekt von Institutionen wiederbelebt werden. Institutionelle Logiken
4
Allerdings schließen dabei nur wenige Autoren substanziell an Bourdieu an (Ausnahme: Fligstein, Battilana).
Die einzige mir bekannte kritische Auseinandersetzung mit Bourdieu nimmt Friedland (2009) vor, der Bourdieu
vorwirft, die Vielfältigkeit institutioneller Ziele unzulässigerweise auf eine „Einheit von Mitteln, Kapitalien und
Macht“ zu reduzieren und damit der institutionellen Spezifität nicht genügend Rechnung zu tragen. Diese Kritik
ist m.E. gerechtfertigt, führt jedoch für die vorliegene Analyse zu weit.
11
beeinflussen individuelles und organisationales Handeln, indem sie Gruppenidentität stiften,
„Spielregeln“ aufstellen, Handlungen legitimieren oder die Aufmerksamkeit auf bestimmte
Probleme richten (Thornton/Ocasio, 2008).
5.4 Logiken – Praktiken – Ressourcen
Logiken, Praktiken und Ressourcen bilden das Gerüst, innerhalb dessen Akteure in
Organisationen handeln und sich selbst und ihre Handlungen verstehen. Alle drei
Komponenten haben symbolische und materielle Aspekte, die häufig nur analytisch trennbar
sind. Institutionelle Logiken dienen der Sinnstiftung und der Legitimierung organisationalen
Handelns, Praktiken bilden, oft als Routinen, den Kern des Handelns selbst, und Ressourcen
formen den Input, den Akteure zum Handeln brauchen. Zwischen allen dreien besteht ein
rekursiver Zusammenhang (Lawrence/Phillips, 2004, Misangyi et al., 2008). Geht man vom
einfachsten Fall der Reproduktion organisationalen Handelns aus, so ergeben sich folgende
Zusammenhänge (siehe Abbildung 1):
(1)
Ressourcen stützen die Machtposition der dominanten Akteure. Es haben die
Kapitalformen den höchsten Wert, von denen die Akteure am meisten einsetzen.
(2)
Die Akteure bestätigen den Wert der Kapitalform, indem sie sie aktiv suchen und
akkumulieren.
(3)
Die institutionelle Logik bestimmt und legitimiert den Wert der entsprechenden
Kapitalformen.
(4)
Der Wert, der der Kapitalform beigemessen wird, bestätigt die institutionelle Logik.
(5)
Die institutionelle Logik legitimiert die Position und Handlungsmacht der Akteure.
(6)
Die Akteure reproduzieren und verteidigen die institutionelle Logik.
(7)
Die institutionelle Logik lässt die Praktiken und die durch sie notwendig werdende
Inanspruchnahme der Ressourcen als sinnvoll erscheinen.
(8)
Das Funktionieren der Praktiken bestätigt die institutionelle Logik.
(9)
Die Akteure reproduzieren und legitimieren die Praktiken.
(10) Die Praktiken stützen die Machtposition der Akteure.
(11) Die Kapitalformen liefern den Input für die Praktiken.
(12) Indem sich die Praktiken vornehmlich der wertvollsten Kapitalformen bedienen,
bestätigen sie deren Wert.
12
ABBILDUNG 1 ETWA HIER
5.5 Organisationale Akteure
Im Rahmen des bisher Gesagten fällt organisationalen Akteuren zunächst die Rolle der
Interpretation zu. Institutionelle und organisatorische Regeln bedürfen der situativen
Auslegung, was Raum schafft für Kreativität und Variation (Binder, 2007, Zilber, 2007).
Fligstein (2001) spricht von „skilled actors“, die nicht nur Regelbefolger sind, sondern
aufgrund ihres Wissens und ihrer Kompetenz Bedeutungen schaffen können. In Ergänzung
zum konventionellen Verständnis von Interpretation, das sich im wesentlichen auf die
symbolisch-kognitive Tätigkeit bezieht, lenken Hallett und Ventresca (2006) mit dem Begriff
der „inhabited institutions“, Bourdieu folgend, das Augenmerk auf die Art von Interpretation,
die sich durch Handlungen vollzieht. Z.B. kommen Edelman et al. (1999) in einer Studie zur
Auslegung von Gerichtsurteilen zu dem Schluss, dass Organisationen durch die Ausbildung
oder Übernahme von Praktiken (z.B. die Einführung von formellen Beschwerdeverfahren)
regelmäßig neue Gesetze interpretieren, und dass diese Interpretationen dann auf die
Auslegung der Gesetze durch die Gerichte zurückwirken.
In anderer Hinsicht konstituieren Institutionen aber organisationale Akteure überhaupt erst.
Mikrosoziologische Studien verweisen dabei zum einen auf die identitätsstiftende Wirkung
von Institutionen (Glynn, 2008, Patriotta/Lanzara, 2006, Powell/Colyvas, 2008), zum anderen
auf die Wirkung von Institutionen auf sensemaking-Prozesse (Weber/Glynn, 2006). Eine
dritte Autorengruppe betont die ermöglichende und beschränkende Wirkung von Institutionen
auf Akteure und ihre Handlungen (Meyer/Jepperson, 2000, Seo/Creed, 2002) Um als
organisationaler Akteur auftreten zu können, braucht eine Person bestimmte Ressourcen,
Know-how und eine gewisse Legitimation. Umgekehrt werden sich Akteure, wie wir gesehen
haben, bemühen, durch ihre Handlungen die entsprechenden Formen von Ressourcen, Knowhow und Legitimation zu mehren. Auch hier geht es mehr um ein lokales „enactment“ von
Wissen und Legitimation als um deren abstrakte Korrelate. Wie Meyer et al. (1987, S.36)
ausführen:
„Legitimacy is not an abstract principle but an established and elaborated accounting
theory that links situations and structures to collective purposes. Authority is not a
metaphysical concept […] but a functional account of how things properly are to work, and
the legitimacy of this authority is a cognitive and normative cultural account of how the
13
actor promotes general collective ends. Knowledge is not an abstract feature of
consciousness but quintessentially validated content.”
Akteure können mehrere Logiken verinnerlicht haben (Meyer/Hammerschmid, 2006). Im
Falle einer Organisation ist hier in erster Linie an professionelle Logiken (Scott, 2008) zu
denken, die nicht selten mit anderen Logiken – etwa der kapitalistischen – konkurrieren.
Hoffman (2001) gebraucht in diesem Fall gar das Bild von Kommunikationskanälen, die die
Mitglieder derselben Profession miteinander verbinden und damit gleichzeitig die einzelnen
Organisationen „durchlöchern“. Noch weiter in ihrer Auflösung der Organisations-UmweltGrenze gehen Meyer et al. (1987). Nach ihrer Auffassung sind kollektive Akteure nämlich
nicht nur funktionelle oder interessengeleitete Zusammenschlüsse von Einzelakteuren,
sondern verkörpern kulturelle Formen, die ihnen Legitimität verleihen. Dies erklärt die
strukturelle Homogenität kollektiver Akteure in ihren Augen weit besser, als das die
konventionelle Definition kann.
5.6 Professionen, Institutionen und Organisationen
Eine Reihe von institutionalistischen Autoren, allen voran Scott (2008, 2005), verweisen auf
die
zentrale
Bedeutung
von
Professionen
in
modernen
Institutionen
und
Institutionalisierungsprozessen. Nach Scott (2008) agieren Professionen gleichermaßen als
institutionelle (Haupt-)Akteure wie auch als institutionelle Modelle selbst. Gemäß der von
ihm aufgestellten Dreiteilung unterscheidet er idealtypisch drei Arten von Professionen: zum
einen kulturell-kognitive Akteure, die Wissen schaffen und legitimieren, zum zweiten
normative Akteure, die Prinzipien und Vorschriften formulieren, und zum dritten regulative
Akteure, die, meist mit Zustimmung der Regierung, über einen privilegierten Zugang zu
Machtinstrumenten verfügen. Als Gesamtheit steuern Professionen wesentlich die kognitiven
und normativen Überzeugungen, die Institutionalisierungsprozessen zugrunde liegen (Scott,
2005). Oft haben sie die Felder, die sie auf diese Weise kontrollieren, selbst ins Leben gerufen
(DiMaggio, 1991, Illich et al., 1977). Sie verfügen dabei typischerweise über staatliche
Rückendeckung (Scott, 2005, Freidson, 2001).
Empirische Studien zeigen jedoch, dass das Professionenmodell in jüngerer Zeit zunehmend
unter Druck gerät. Dies hängt wesentlich mit drei Entwicklungen zusammen (Freidson, 2001,
Leicht/Fennell, 2008, Scott, 2008, Scott, 2005, Stichweh, 2005): Zum einen führt die
Vergrößerung des Wissenskorpus und die Einführung neuer Technologien zu einer
14
Fragmentierung der einzelnen Professionen. Es entstehen immer mehr „BindestrichProfessionen“. Dies resultiert in einer Zunahme von Konflikten innerhalb der Profession und
in einem Verlust kollektiver Identität. Zum zweiten führt der Anstieg an Zahl, Größe und
Bedeutung von Organisationen innerhalb der Gesellschaft und des Wirtschaftslebens dazu,
dass professionelle Akteure weniger freiberuflich und zunehmend abhängig beschäftigt sind.
Dies setzt die Professionslogik im Sinne Freidsons 5 (2001) unter Druck, weil in
Organisationen eine managementorientierte Logik dominant ist. Zu beobachten ist hier ein
Wandel im professionellen Selbstverständnis von einem Modell des öffentlichen Sachwalters
zu einem technischen Experten, der seine Expertise auf einem (externen oder internen) Markt
feilbietet. Bedeutsam ist dabei vor allem, dass die professionelle Autonomie, die sich sowohl
durch Freiheit des Arbeitens als auch durch Freiheit von externer Überwachung auszeichnet,
durch Standardisierung, Evaluation und Qualitätsnormen angegriffen und ausgehöhlt wird.
Zum dritten, und in engem Anschluss an den vorherigen Punkt, zeichnet sich ein
Legitimationsverlust ab, der auf einer Verringerung der sozialen Distanz zwischen
Gesellschaft und Wissenschaft beruht (Klatetzki, 2005). Wissen, die Machtbasis aller
professionellen Tätigkeit, wird zunehmend auch außerhalb der Professionen generiert,
verbreitet und (vor allem wirtschaftlich) legitimiert.
Die Beziehung zwischen Organisationen und Professionen ist jedoch nicht so konfliktär, wie
dies nach dem oben Gesagten erscheinen mag. Neben dem offensichtlichen Tausch von Lohn
gegen Expertise brauchen Organisationen Professionen auch, um ihren Legitimationsbedarf
zu decken (Ortmann, 2005). Die professionelle Ethik, die Werte wie Gewissenhaftigkeit oder
Uneigennützigkeit umfasst, dient dabei als Garant nicht-ökonomischer Interessen und schafft
dadurch Vertrauen, ohne das die ökonomische Tätigkeit der Organisation nicht oder weniger
effizient ausgeübt werden könnte. Insofern basiert der Status der Professionellen weniger 6 auf
ihrer technischen Problemlösungskapazität als auf der Wertschätzung, die man ihrem Wissen
und ihrer Art des Umgangs mit Wissen entgegenbringt (Klatetzki, 2005).
5
Diese Logik ist idealtypisch charakterisiert durch die Auffassung von Arbeit als Berufung, die einen
intrinsischen Wert hat und der Selbstverwirklichung dient. Adressat ist nicht ein Konsument oder
Vertragspartner, sondern ein Klient (oder Patient). Die Dienstleistung wird autonom erbracht und ist nur einem
transzendenten Wert (z.B. Gerechtigkeit, Gesundheit) verpflichtet. Freidson spricht hier von Professionen als
einer „säkulären Priesterschaft“.
6
Diese Aussage müsste hinsichtlich verschiedener Professionen differenziert werden. So weist Scott (2005)
darauf hin, dass jüngere, d.h. später entstandene, Professionen meist einen höheren Anteil an technisch
orientierter Expertise aufweisen als ältere. Da es sich bei meiner Betrachtung um die medizinische Profession
und damit eine der ältesten handelt, möchte ich diese Differenzierung nicht vornehmen.
15
6 Fallstudie: Der Anstieg der Kaiserschnittrate
6.1 Konkurrierende Logiken
Betrachtet man den Kaiserschnitt als eine mögliche Geburtspraktik, so ist die zugehörige
institutionelle Logik die der Klinikgeburt. Sie ist die dominante Logik im Feld. 98 % aller in
Deutschland geborenen Kinder kommen in einer Klinik zur Welt, und nicht selten kennen
werdende Mütter keine alternativen Formen oder ignorieren sie. So gaben in einer Umfrage
der Zeitschrift „Eltern“ unter 8500 Müttern nur 14% an, überhaupt eine Hausgeburt in
Betracht gezogen zu haben. Geburtshelfer in Kliniken sind Gynäkologen und, ihnen
hierarchisch unterstellt, angestellte Hebammen.
Die Logik der Klinikgeburt findet sich sehr konzise in folgendem Zitat zusammengefasst:
„Und es ist einfach so, das ist der Grundsatz, der für mich gilt: umso länger ich in meinem
Beruf bin, umso mehr weiß ich, was alles sein kann und passieren kann.“ (Arzt)
Man räumt ein, dass eine Geburt ein natürlicher Vorgang und als solcher nicht gefährlich ist,
ist sich jedoch bewusst, dass jederzeit und ohne Vorwarnung eine lebensgefährliche
Bedrohung auftreten kann. Geburten sollten aus diesem Grund immer in einer Klinik
stattfinden. Die Medizintechnik gibt die Gewähr einer Frühwarnung bzw. schnellen Diagnose
und einer Intervention mit geringstmöglichem Risiko. Unter den Klinik-Geburtspraktiken ist
die vaginale Spontangeburt nur eine Möglichkeit unter vielen, wenn auch die von
Geburtshelfern präferierte. Im Gegensatz dazu steht jedoch die Tatsache, dass letztendlich nur
6 % aller in einer Klinik geborenen Kinder völlig ohne medizinisch-technische Intervention
zur Welt kommen (Deutscher Hebammenverband, 2009b).
Der Logik der Klinikgeburt idealtypisch entgegengesetzt ist die Logik der Hausgeburt, die vor
allem von freiberuflichen Hebammen vertreten wird. Diese Hebammen sind entweder auf die
Durchführung von Hausgeburten spezialisiert, in Geburtshäusern zusammengeschlossen oder
arbeiten als Beleghebammen mit einem Krankenhaus zusammen. In dieser Logik wird die
Natürlichkeit des Vorgangs Geburt betont, und eine Schwangere als gesund angesehen, sofern
sie nicht bereits Grunderkrankungen mitbringt. Schwangerschaft, Geburt und Nachsorge
erscheinen als ein ganzheitlicher Prozess, in den die psychologische und soziale Situation der
16
Mutter 7 ebenso einfließt wie ihr körperliches Befinden. Freiberuflich tätige Hebammen legen
großen Wert darauf, die Betreuung möglichst früh in der Schwangerschaft zu beginnen und
über die Geburt hinaus andauern zu lassen, um ein möglichst vollständiges Bild über die Zeit
zu erhalten. Obwohl mögliche pathologische Verläufe zur Sprache kommen – meist auf
Nachfrage der Schwangeren – wird das Normale einer Geburt in den Vordergrund gestellt und
die Frau ermutigt, Vertrauen in sich und ihre Gebärfähigkeit zu entwickeln. Die technische
Überwachung ist auf ein Minimum reduziert, schon allein deshalb, weil bei einer Hausgeburt
das Zuhause der Mutter der Ort ist, an dem sich Vorsorge und die Geburt selbst abspielen.
Aber auch in Geburtshäusern finden sich nur relativ wenig technische Geräte, die auch nur
punktuell zum Einsatz kommen. Dieser minimale Technikeinsatz ist gewünscht und wird
weiter unten noch ausführlicher zur Sprache kommen. Die Hebamme selbst sieht sich
klassischerweise in einer passiven Rolle als Begleiterin oder als Gast, während der
Gebärenden die aktive Rolle zugewiesen wird:
„So wie ich auch eigentlich den Frauen sage, die mit mir zur Beleggeburt gehen: Ich bin
Gast bei eurer Geburt. Ihr habt mich eingeladen, dabei zu sein und von fachlicher Seite
darauf zu gucken, dass alles in Ordnung ist.“ (Freie Hebamme)
„Aber es hat in mir dieses Bewusstsein gemacht: Eine Frau ist dazu da, um Kinder zu
kriegen. Sie braucht einfach nur die Begleitung dazu.“ (Freie Hebamme)
6.2 Der Kampf um Bedeutungen
Dort, wo eine Auseinandersetzung mit der konkurrierenden Logik der Hausgeburt erfolgt,
wird klar, dass sich ein Kampf um Bedeutungen abspielt. Zentral ist hier die Interpretation der
Begriffe „Sicherheit“ und „Selbstbestimmung“.
Die Logik der Klinikgeburt interpretiert „Sicherheit“ im Wesentlichen als bestmögliche
medizinisch-technische Überwachung und, falls notwendig, Intervention. Der Gedanke der
Intervention lässt sich aus dem professionellen Selbstverständnis der Ärzte als aktiv
Eingreifende
verstehen.
Dieser
Eingriff
erfolgt
klassischerweise,
sobald
eine
Gefahrensituation erkennbar wird, nach heutigem Verständnis aber auch schon in Form eines
kontinuierlichen Monitoring der Patientin.
7
Ich beschränke meine Betrachtung hier auf die Mutter, obwohl in vielen Fällen auch der Vater des Kindes oder
andere Familienmitglieder die Entscheidung beeinflussen.
17
Die Logik der Hausgeburt verweist hingegen darauf, dass eine Geburt in einer vertrauten
Umgebung und ohne Intervention es der Natur erlaubt, das zu tun, worauf die Frau
entwicklungsgeschichtlich bestens vorbereitet ist, nämlich Kinder zu gebären 8. Medizinischtechnische
Eingriffe
stören
diesen
natürlichen
Ablauf
und
führen
häufig
zu
Interventionskaskaden, die die Sicherheit von Mutter und Kind eher gefährden als befördern
(Schwarz/Schücking, 2004). Die umfassende, psychosoziale Aspekte einschließende,
Betreuung vor der Geburt erlaubt es, Ängsten und Problemen frühzeitig zu begegnen und der
Schwangeren zu helfen, sie selbst zu bewältigen. Empirische Studien (Braun, 2006, Fisher et
al., 2006) belegen, dass die Begleitung einer Hebamme auf diese Weise tatsächlich das
Erleben und den Ablauf der Geburt positiv beeinflusst. Auch der Geburtsablauf selbst kann
sich zuhause oder im Geburtshaus jenseits organisatorischer Zwänge, wie Schichtwechsel,
Verteilen der Aufmerksamkeit auf mehrere Kreißsäle etc.,
und damit rein an den
Bedürfnissen der Mutter orientiert vollziehen. Der eher passiven Haltung der Hebamme
entspricht auch die Überzeugung, dass Geduld eine der Haupteigenschaften einer
Geburtshelferin sein muss:
„Wir warten einfach ab. Das ist eines der Geheimnisse der Hausgeburt, dass man der
werdenden Mutter und dem Kind einfach die Zeit lässt, die sie beide brauchen.“
(Hebamme, zitiert nach Bierig et al., 1999, S.92)
Und eine langjährige freie Hebamme berichtet von ihrem kurzen Ausflug in den Klinikalltag:
„Während der Geburt gab es keine Ruhe für die Hebamme und für die Mutter nur ein
hektisches Hin und Her. Es kam mir vor wie im Kasperltheater. Außerdem gingen im
Spital die Frauen gar nicht so aus sich heraus. Sie waren recht unsicher und zurückhaltend.
Kein Wort redeten sie mehr, denn es war ihnen alles so fremd mit den vielen Leuten. Ich
glaube, eine Geburt zu Hause ist leichter. Die Maschinen und Apparate in der Klinik
schüchtern die Frauen nur ein, so dass eine Geburt nicht mehr so sein kann, wie sie es von
Natur aus sein müsste.“ (Hebamme, zitiert nach Bierig et al., 1999, S.79f.)
Bezüglich des Kaiserschnitts ist bei diesem Diskurs zu vermerken, dass vor allem die
positiven Sicherheitsaspekte des Eingriffs in das Bewusstsein der Mütter eindringen. So
gaben in einer Studie von Lutz und Kolip (2006) unter 1339 Kaiserschnitt-Gebärenden etwa
die Hälfte an, den Kaiserschnitt aus Angst um die Sicherheit des Kindes gewählt zu haben;
8
Dies bezieht sich nicht auf pathologisch verlaufende Schwangerschaften, bei denen auch Verfechter der
Hausgeburts-Logik zur Klinikgeburt raten würden.
18
13% sahen Mutter und Kind durch diesen Eingriff geschützt. Unter den von denselben
Müttern genannten negativen Aspekten des Kaiserschnitts treten hingegen Morbiditäts- und
Mortalitätsrisiken nicht auf. Dies deckt sich mit Positionen in der öffentlichen
Meinungsbildung, die einen Kaiserschnitt – entgegen der Auffassung der meisten Ärzte
(Berg, 2008, Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, 2006) –
als
Bagatelleingriff bewerten:
„Ein Kaiserschnitt erspart Qualen und birgt weniger Risiken. Er dauert vielleicht 30
Minuten, eine Spontangeburt kann auch mal 24 Stunden dauern. Was da alles passieren
könnte...“ (Feldbusch, 2003, S.116)
„With a scheduled caesarean section, you and your doctor have agreed to a time at which
you will enter the hospital in a fairly calm and leisurely fashion, and he or she will extract
your baby through a small slit at the top of your pubic hair.“ (Iovine, 2007, S.218)
Diese Auffassung deckt sich nicht mit den Erfahrungen von Müttern, die einen Kaiserschnitt
hinter sich haben:
"Ich finde, dass die Frauen besser darüber informiert werden sollten, wie es einem unter
Umständen nach der Entbindung geht. Es sollte wirklich vor Augen geführt werden, dass
der Kaiserschnitt keinesfalls eine schmerzfreie Geburt darstellt! Im Gegenteil, die
Schmerzen treten zu einem Zeitpunkt auf, bei dem man (Frau) sich viel lieber um das Baby
kümmern würde." (Mutter, zitiert nach Lutz/Kolip, 2006, S. 94)
„Man kann vorher informiert werden, soviel es geht, jedoch wie schmerzhaft es nach dem
Kaiserschnitt ist, kann einem keiner vorher sagen. Dagegen sind die Geburtsschmerzen ein
Sonntagsspaziergang gewesen." (Mutter, zitiert nach Lutz/Kolip, 2006, S.139)
Dass auch die Mediziner selbst schnell gewillt sind, ihrer Skepsis bezüglich der Sicherheit
von Hausgeburten nachzugeben, beweist die rasche Aufnahme der Ergebnisse der „Breech
term trial“ Studie (Hannah et al., 2000). In dieser Studie, die in der renommierten Zeitschrift
„Lancet“ veröffentlicht wurde, wurden Morbidität und Mortalität von 2088 Müttern und ihren
Neugeborenen in 121 Kliniken in 26 Ländern erfasst. Auswahlkriterium war, dass die Kinder
in Beckenendlage (engl. breech position) geboren wurden. Die Beckenendlage ist seit vielen
Jahren eine umstrittene Indikation für einen Kaiserschnitt. Obwohl sie, vaginal entbunden,
zweifelsohne höhere Anforderungen an das Geschick und die Erfahrung des Geburtshelfers
stellt, wurde sie bis in das letzte Viertel des 20. Jahrhunderts immer auf diese Weise
entbunden. In neuerer Zeit mehrten sich dann die Stimmen, die auf das erhöhte Risiko
19
hinwiesen, vor allem, wenn junge Ärzte die Geburt leiteten. Daraufhin gingen viele Kliniken
dazu über, die Beckenendlage mit Kaiserschnitt zu entbinden. Die Studie wollte nun
feststellen, ob es Unterschiede bezüglich der Morbidität und Mortalität gab, wenn man
vaginal und durch Kaiserschnitt entbundene Fälle miteinander verglich. Das Ergebnis war,
dass die neonatale Morbidität bei Kaiserschnittentbindungen nur halb so groß war wie bei
Vaginalgeburten. In Folge gaben über drei Viertel der teilnehmenden Kliniken an,
Beckenendlagen nicht mehr vaginal zu entbinden. In vielen anderen Krankenhäusern wurden
ebenfalls entsprechende Richtlinien herausgegeben. Auch ärztliche Institutionen wie das
„American College of Obstetricians and Gynecologists“ begrüßten die Studie und
propagierten ihre Ergebnisse. Glezerman (2006, S.20) beschreibt die Folgen: „Rarely in
medical history have the results of a single research project so profoundly and so ubiquitously
changed medical practice as in the case of this publication.“ Dies ist sicherlich kein Zufall,
bedenkt man, wie gut sich die Ergebnisse in die bereits existierenden Annahmen einfügten.
Fünf Jahre später kritisierten Glezerman und andere (Giuliani et al., 2002, Kotaska, 2004), die
sich die Rohdaten und Analysemethoden genauer angesehen hatten, das wissenschaftliche
Vorgehen der Autoren erheblich. Dies führte dazu, dass die Autoren schließlich einräumten,
dass die meisten Todesfälle, nämlich 43 von 69, nichts mit der Entbindungsmethode zu tun
hatten (Glezerman, 2006). Die Empfehlung, eine Beckenendlage per Kaiserschnitt zu
entbinden, ist jedoch in vielen Institutionen und Organisationen nicht zurückgenommen
worden.
Ein schließlich völlig undiskutierter Aspekt betrifft die Frage, wer das Risiko trägt, oder wie
Wagner formuliert: “If a CS [caesarian section] is done, the woman and her baby take the
risks while if the CS is not done, the doctor takes the risk.” (Wagner, 2000, S.1677)
Bei der „Selbstbestimmung“ geht es im Fall der Hausgeburts-Logik um die Souveränität der
Gebärenden, die als zentrale Akteurin aufgefasst wird und ihre Selbstbestimmung nicht an
einen Arzt oder eine Hebamme abgeben soll. So formuliert eine Hebamme:
„Das prägt für mich auch dieser [von Ärzten geäußerte] Satz: ‚Ich trage die
Verantwortung.‘ Das stimmt nicht. Auch ich trage nicht die Verantwortung, sondern ich
trage Verantwortung für die Untersuchung und die Befunde, die ich erhebe, und für die,
die ich lasse. Aber die Verantwortung für das Kind und für das Leben hat die Frau, und die
kann ich ihr nicht wegnehmen. Unser Ziel ist, das bei der Frau zu belassen.“
20
Auch Mütter, die sich für eine außerklinische Geburt entscheiden, führen die Abwesenheit
von Fremdkontrolle als ein wesentliches Kriterium an:
“Hospitals and [general practitioners] certainly attempt to control birth, but I don’t think
you can. It has been controlled, but ethically, I don’t think that’s right.” (Mutter, zitiert
nach Kornelsen, 2005, S.1499)
Die „Selbstbestimmung“ der Klinikgeburt hingegen definiert sich als Wahlmöglichkeit
zwischen verschiedenen Geburtspraktiken und der Möglichkeit, bewusst und geplant
Schmerzen oder andere unerwünschte Erscheinungen zu minimieren. Die Deutsche
Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V. verweist selbst in ihrer Leitlinie zum
Kaiserschnitt auf das Selbstbestimmungsrecht der Frau (Deutsche Gesellschaft für
Gynäkologie und Geburtshilfe, 2006). Im Zusammenhang damit beschäftigt den öffentlichen
Diskurs seit mehreren Jahren die Frage des sogenannten „Wunschkaiserschnitts“. Obwohl alle
mir bekannten empirischen Studien (Braun, 2006, Lutz/Kolip, 2006, Melender, 2002, Pohl,
2006) auf einen Anteil von nur 2-3% an allen vorgenommenen Kaiserschnitten hindeuten,
nimmt das Phänomen einen erheblichen Anteil in der öffentlichen Diskussion um
Kaiserschnitte ein. Dies ist vermutlich der Tatsache geschuldet, dass es vor allem Prominente
wie Claudia Schiffer und Verona Feldbusch waren, die dieser Praktik zu Ruhm verholfen
haben. Der Kampf um Bedeutungen beginnt hier schon bei der Benennung selbst. Glaubt man
Studien zu den Motiven von (Wunsch-)Kaiserschnitten (Lutz/Kolip, 2006), so würde die
Bezeichnung „Angstkaiserschnitte“ das Phänomen wohl weit besser beschreiben. Obwohl es
durchaus Frauen gibt, die ihre Wahl dieser Praktik rational begründen (z.B. Planbarkeit),
scheint die Mehrheit der Frauen eher von großen Ängsten getrieben. Zum zweiten ist der
Selbstbestimmungs-Diskurs, der die Diskussion auf der Pro-Seite bestimmt, bereits in der
Klinikgeburtslogik verankert. Er ergibt nämlich nur Sinn, wenn man davon ausgeht, dass
Schwangerschaft und Geburt pathologische Zustände sind, bei denen der mündige Patient
eine Therapiewahl treffen kann. Käme eine Gesunde in ein Krankenhaus und würde eine
Gallen-OP verlangen, obwohl ihr nichts fehlt, würde man ihr wohl kaum in diesem
Zusammenhang ein Recht auf Selbstbestimmung zusprechen. Es ist also momentan, ganz im
Sinne der Klinikgeburts-Logik, eine Selbstbestimmung der Kranken, über die gestritten wird,
nicht eine Selbstbestimmung der Gesunden, wie ich sie oben für die Hausgeburts-Logik
dargestellt habe. Aus diesem Grund ist es letztendlich unbedeutend, wie der Streit ausgeht;
jede Lösung wird die Klinikgeburtslogik befördern. Bourdieu würde dies als klassische
Verschleierungstaktik bezeichnen.
21
6.3 Akteure und Professionen
Die dominante Akteursgruppe im Krankenhaus – die Gynäkologen – verfügen vor allem über
kulturelles Kapital in Form einer universitären Ausbildung sowie über soziales Kapital, das
ihnen das hohe Ansehen ihres Berufsstandes bringt. Ihre Zusammenarbeit mit den
angestellten Hebammen ist zwar stark von lokalen Faktoren (z.B. individuellen Charakteren,
Berufserfahrung) geprägt – das haben meine Gesprächspartner immer wieder betont –, folgt
jedoch grundsätzlich den Strukturen, die sich auch in anderen Bereichen des Krankenhauses
finden lassen. So sind Ärzte aufgrund ihrer medizinischen Kompetenz tonangebend (Berg,
2008) und im Kreißsaal auch hierarchisch übergeordnet. Im schlimmsten Fall erscheinen die
angestellten Hebammen als reines „Hilfspersonal“ (RWTH Aachen, 2006). Bei pathologisch
verlaufenden Geburten muss der Arzt die Leitung der Geburt übernehmen. Normal
verlaufende Geburten könnten aus Sicht des Gesetzgebers allein von Hebammen geleitet
werden, jedoch schreiben organisationsinterne Richtlinien in aller Regel die Anwesenheit des
Arztes mindestens in der Endphase der Geburt vor. Auch freie Hebammen, die als
Beleghebammen die Räumlichkeiten des Krankenhauses anmieten, unterstehen der Weisung
des Arztes.
Die Dominanz der Ärzte in der Klinikgeburt führt zu einer Pathologisierung von
Schwangerschaft und Geburt. Dies lässt sich zum einen historisch nachweisen. Als Ärzte zum
Beginn der Neuzeit in das Geburtsgeschehen eingreifen, wird Geburtshilfe zunehmend zu
einer „Chirurgie des Unterleibs“. Die Frau wird allgemein als andersartiges Wesen angesehen,
das regelmäßig an „gesundheitsgemäßen Krankheiten“ leidet (Keyhan-Falsafi et al., 1999,
Metz-Becker, 1999). Zum anderen stellt die medizinische Ausbildung Pathologien in den
Vordergrund, während die Ausbildung der Hebammen die „normale“ Geburt als
Ausgangspunkt nimmt.
„Aber viele Ärzte haben natürlich, wenn sie von der Uni kommen und immer pathologisch
geprägt sind, ein Problem damit, einfach anzunehmen, dass eine Frau, wenn sie ein Kind
kriegt, nicht krank ist. Damit haben sehr, sehr viele ein Problem.” (Arzt)
„Ich sehe den Grund letztlich in der Ausbildung. Die Ärzte sind wie die kleinen
Kriminalisten wirklich ausgebildet zu fahnden und zu suchen, wo läuft was nicht normal.
Es gibt nicht umsonst den Satz: ‚Eine Frau, die gesund ist, ist nicht gesund, sondern die ist
nur nicht richtig genug untersucht.’ Und ich finde, das stimmt. Die suchen. Und eine
22
Hebamme wird grundsätzlich erst mal am Physiologischen ausgebildet, also am normalen
Zustand. Und ich habe ein tiefes Vertrauen darauf, dass zum Großteil Geburt auch normal
geht, denn sonst wären wir ausgestorben.” (Hebamme)
Die
Betonung
medizinisch-naturwissenschaftlicher
Zusammenhänge
im
medizinischen
Geschehen wertet auch die sozial-empathischen Tätigkeiten ab (Küpper, 1997). Dies befördert
wiederum ein Unverständnis gegenüber der Hausgeburtslogik, die genau diese Tätigkeiten in den
Mittelpunkt stellt. Da sie im Krankenhaus insgesamt überwiegend, auf den geburtshilflichen
Stationen ausschließlich, von Frauen ausgeübt werden, ergibt sich hier auch eine
geschlechterspezifische Differenzierung. Dies ist besonders prekär, da viele Frauen – zum Teil
auch Ärztinnen – Geburt gerne als eine rein weibliche Angelegenheit auffassen wollen9.
„Es ist halt einfach natürlicher, wenn Frauen dabei sind bei der Geburt.“ (Ärztin)
„Gerade, ich denke mal, Männer sind da sehr, sehr ‚Jetzt bin ich hier der Arzt und
Hebamme zweite Reihe‘. Frauen in der Geburtshilfe machen das anders, weil die ja auch
wissen, wie es ist. Wenn sie auch selber Kinder gekriegt haben, ist das noch... Sie halten
sich einfach mehr zurück, weil die wissen, dass es nicht so toll ist, wenn man ständig
untersucht wird, wenn ständig die Tür aufgeht, wenn ständig irgendwelche Technik
aufgefahren wird, ohne dass es einen Grund gibt dafür.“ (Ärztin)
In der Tat beginnt die Pathologisierung der Schwangeren aber schon früher, nämlich durch
die in Deutschland zu 95% durch Frauenärzte vorgenommene Schwangerschaftsbegleitung
und –überwachung (Braun, 2006). 75% der Schwangeren nehmen mehr als zehn
Vorsorgeuntersuchungen wahr (Schücking, 2003). Bei zwei Dritteln werden mehr als die
vorgesehenen drei Ultraschalluntersuchungen vorgenommen, 96% werden an ein CTG
angeschlossen, das eigentlich nur bei entsprechender Indikation eingesetzt werden sollte.
Schwarz und Schücking (2004) sprechen von einer „beträchtlichen Über-StandardVersorgung“. Bereits hier wird die werdende Mutter für Pathologien und die Wichtigkeit
technisch-medizinischer Daten (CTG, Blutwerte) sensibilisiert. Da sie selbst diese zentralen
Daten nicht erheben oder interpretieren kann, wird sie auf diese Weise auch zur Statistin im
Geburtsgeschehen, während die Handlungs- und Entscheidungsmacht auf den Arzt übergeht.
9
Diese Auffassung trat noch deutlicher zutage, als ich meine Interviewpartner nach ihrer Einschätzung zur
Anwesenheit von Entbindungspflegern, also männlichen Hebammen, bei der Geburt fragte. Unisono lehnten
alle, selbst die männlichen Ärzte, dieses Ansinnen ab.
23
Gleichzeitig werden Hebammen in dieser Phase marginalisiert. Aufgrund der Art, wie
Leistungen gegenüber der Krankenkasse abgerechnet werden können, bedeutet es einen
Verlust für den Frauenarzt, wenn die Schwangere eine Hebamme zur Vorsorge mit
hinzuzieht. Doch auch abgesehen von diesen ökonomischen Konflikten lassen sich große
Vorbehalte gegenüber Hebammen ausmachen. Eine Interviewpartnerin beschreibt dies
drastisch:
„...es gibt Gynäkologen […], die sagen zu den Frauen wörtlich: ‚Wenn du zur Hebamme
gehst, komme ich ins Gefängnis.‘ Intelligente Frauen, die mir das so wiedergegeben haben,
wo ich sage, das kann nicht sein. Die Ärztin, die das gesagt hat, ist sonst eigentlich eine
ganz vernünftige, und das sagt die wortwörtlich so, und die Frau hat das auch
wahrheitsgemäß wiedergegeben. Nicht etwa ‚wenn was passiert‘, sondern: Wenn du zur
Hebamme gehst, komme ich ins Gefängnis, denn ich habe die Verantwortung dafür‘“.
(Freiberufliche Hebamme)
Der pathologische Grundansatz führt auch dazu, dass eine große Zahl von Frauen – etwa drei
Viertel
–
im
Vorfeld
der
Geburt
als
„risikoschwanger“
eingestuft
werden
(Schwarz/Schücking, 2004). Dies erklärt sich daraus, dass man als Frau kaum vermeiden
kann,
mindestens
einen
im
Mutterpass
aufgeführten
Indikator 10
aufzuweisen.
Interessanterweise scheint die intensive Vorsorge jedoch keine positiven Folgen zu zeitigen.
Evidenzbasierte Studien ziehen den Nutzen vieler populärer Praktiken wie Ultraschall und
CTG in Zweifel (Maris, 2004). Auch statistisch gesehen stagnieren Frühgeburtenrate und
Neugeborenensterblichkeit seit den 1980er Jahren (Schücking, 2003).
6.4 Die Rolle der Medizintechnologie
„Die Geschichte der modernen Medizin kann in wesentlichen Zügen als Geschichte
medizintechnischer Innovationen rekonstruiert werden“, beschreibt Feuerstein (2008, S.161)
das Verhältnis von Schulmedizin und Technik. Diese enge Verquickung führt zu einer
„gedanklichen Kongruenz von apparativem Maximum und medizinischem Optimum“ (2008,
S.162), nicht nur in den Köpfen der Ärzte, sondern auch in denen der Patienten. Gleichzeitig –
teilweise auch deswegen –, so kritisiert er, vollzieht sich die Diffusion der Medizintechnik
ohne Marktrestriktionen und Selektionsdruck, was zu einem Wachstum an therapeutisch
irrelevanter Diagnostik führt.
10
Indikatoren sind u.a.: psychische oder soziale Belastungen, schwere Vorerkrankungen, bestimmte Krankheiten
im Familienkreis, frühere Bluttransfusionen, Alter unter 18 oder über 35 Jahren, Komplikationen bei
vorausgegangenen Entbindungen und post partum, frühere Kaiserschnittgeburten.
24
Auch im Geburtsgeschehen lässt sich eine Vielzahl von Beispielen finden, die zum Entstehen
der Interventionskaskaden, die letztlich im Kaiserschnitt enden, beitragen. So wird das bereits
mehrfach erwähnte CTG 11 routinemäßig in der Vorsorge und vor allem als Dauer-CTG unter
der Geburt eingesetzt. Dies ist in zweierlei Hinsicht problematisch. Zum einen ist die
Erhebung eines Befundes, der falls echt positiv, umgehende Intervention erfordert, sinnlos im
Rahmen einer Vorsorgeuntersuchung, die in 3-4 Wochen Abstand stattfindet (Gnirs, 2001).
Entsprechend wird der Einsatz eines CTG in der Vorsorge nur bei entsprechender Indikation
vorgeschrieben. Dem steht entgegen, dass die Technologie de facto 1999 bei 95,8% aller
Vorsorgeuntersuchungen und 98,8% aller Geburten eingesetzt wurde (Schwarz/Schücking,
2004). Zum zweiten dokumentieren empirische Studien eine Übersensibilität der Technologie,
die dazu führt, dass in zwei Drittel aller Fälle, in denen Alarm gegeben wird, tatsächlich kein
pathologischer Zustand vorliegt (Gnirs, 2001). Dies hängt u.a. damit zusammen, dass der
fetale Blutkreislauf noch so „unausgeglichen“ ist, dass in 95% der Fälle einfache
Kindsbewegungen zu einer Akzeleration führen (Gnirs, 2001). Für eine im Krankenhaus
angestellte Hebamme ist es jedoch riskant, eine Warnung des CTG zu ignorieren; sie wird im
Zweifelsfall lieber einen Arzt heranziehen und eine Intervention einleiten. Das Problem kann
durch organisatorische Arrangements verstärkt werden. So ist es in vielen Krankenhäusern
nicht ungewöhnlich, dass eine Hebamme mehrere Kreißsäle simultan überwacht.
„Sie stellen eine Hebamme auf vier Kreißsäle und die Wochenstation noch dran und die
Schwangeren die eingelagert sind, die CTGs haben müssen, also du zerreißt dich ja auch in
deinen acht Stunden. Ich habe das ja auch erlebt, ich weiß wie das ist, wenn du arbeitest
und hast nicht nur die Gebärenden zu betreuen. Du machst die Aufnahme, du machst die
Vorstellung am Wochenende, du hast acht Schwangere auf der Station, die die CTGs
brauchen dreimal am Tag. Also, so Dinge, und klar brauchst du dann Geräte, um das
anders zu bewerten. Dazu gehört eben die Dauerüberwachung, weil du bist ja auch nicht
ständig an der Frau im Kreißsaal. Wenn du drei Gebärende parallel hast, dann machst du
das CTG lauter, dass du zumindest drüben bisschen hörst, wie sind denn die Herztöne. Und
klar, dass das vielmehr Eingriffe dann fordert, weil du bist an der Frau nicht dran. Du
kannst es nicht einschätzen, letztendlich.“ (Freie Hebamme, früher angestellt)
Dieselbe Hebamme verweist auch auf einen De-skilling-Effekt:
„Ich glaube, der Grundstein ist dann schon zum einen, wie wir damit aufwachsen, mit
Geburt, und zum anderen, wenn du diese Ausbildung machst, auch wie du ausgebildet
wirst. Für mich war das das Normalste und das CTG war das Wichtigste und danach haben
11
Bei der Cardiotokographie (CTG) werden Herzschlagfrequenz des ungeborenen Kindes und Wehentätigkeit
bei der werdenden Mutter aufgezeichnet.
25
wir beurteilt, also diese Werte zu beurteilen und nicht die Frau im ganzen Bild zu sehen,
das ist einfach in der Klinik zu sehr verbreitet, und ich glaube, die könnten das ohne Geräte
gar nicht. Sie brauchen diese Geräte, um die Geburt zu beurteilen. Also dieses Feeling für
die Frau, glaube ich, haben nur noch die ganz alten Kollegen...“ (Freie Hebamme, früher
angestellt)
Und eine Hebamme, die auf 33 Jahre Berufserfahrung zurückblickt, schildert ähnlich:
„Durch die Technik geht vieles manchmal unter. Früher hat man mehr die Frau
angeschaut. Wenn man das von Grund auf lernt, man schaut die Frau an, wie sieht sie aus,
was hat sie für eine Figur. Wir haben alles gelernt: Was hat die für Hände, für Fingernägel,
für Füße. Und wenn ich die Frau angucke, weiß ich beim ersten Blick genau, wie sie
entbindet.“
Sie weisen damit auf ein Problem hin, das Schubert (2008) als „Mythos der Technologie“
bezeichnet, nämlich die lineare Eindeutigkeit von Signal und Symptom. Es wird ignoriert,
dass
die
Wahrnehmung
des
Patienten
medial
vermittelt
erfolgt
und
weiterhin
interpretationsbedürftig ist. Zudem steigt in dem Maße, in dem routinemäßig eine Vielzahl
von Daten erhoben wird, die Komplexität, da diese Daten nun miteinander verknüpft werden.
Entgegen der weitverbreiteten Annahme macht somit der Einsatz von diagnostischer
Technologie einen medizinischen Ablauf nicht sicherer, sondern störungsanfälliger.
In organisatorischer Hinsicht fügt sich die Technologie jedoch gut in bürokratische Abläufe
ein, weil sie eine permanente Dokumentation des Patienten und der Eingriffe ermöglicht
(Schubert, 2008). Dies ist sicher ein weiterer Grund für den häufigen und medizinisch oftmals
unnötigen Einsatz von Technologie während der Schwangerschaft und Geburt.
Schließlich befördert der Einsatz diagnostischer Technik auch die Pathologisierung der
Schwangeren. Ähnlich wie bei genetischen (Präventiv-)Untersuchungen (Feuerstein, 2008)
werden auch hier Gesunde als potentiell Kranke angesehen und in den medizinischen
Kreislauf eingegliedert, bevor Pathologien überhaupt auftreten.
6.5 Die
wechselseitige
Verstärkung
von
Logiken,
Praktiken
und
Ressourcen
Das bisher Gesagte verweist auf mehrere selbstverstärkende Schleifen von Logiken, Praktiken
und Ressourcen. Dazu gehören:
26
•
Ärzte und Krankenhäuser finden sich gefangen in ihren eigenen Suggestionen einer
schmerzfreien und sicheren Geburt, die sie zum Teil aus Überzeugung, zum Teil im
Konkurrenzkampf, propagieren. Wird das Kind dann doch geschädigt geboren, fühlen sich
Mütter sozusagen eines „wesentlichen Vertragsbestandteils“ beraubt und leiten eventuell
rechtliche Schritte ein. Dies wiederum führt zu einer „Defensivmedizin“, die die
Kaiserschnittrate hochtreibt.
•
Ärzte sind professionell sozialisiert, Pathologien zu sehen. Die Geburtsmedizin selbst
verdankt ihre Existenz einer „Chirurgie des Unterleibs“ und einer Pathologisierung der
Schwangeren. Diese pathologische Grundhaltung fördert diagnostische Maßnahmen, die
zu – zum Teil überflüssigen – Interventionskaskaden führen und im Kaiserschnitt
münden.
•
Der
Einsatz
von
Medizintechnik
ist
ein
wesentlicher
Bestandteil
des
Qualitätsverständnisses von Ärzten und Krankenhäusern. Auch dies führt zum Einsatz
überflüssiger Technologie und zu Interventionskaskaden. Umgekehrt erlaubt es der
Einsatz dieser Technik wie auch der Einsatz bestimmter Praktiken – auch des
Kaiserschnitts selbst – jüngerem Personal nicht mehr, Erfahrungen im anderen Umgang
mit Problemsituationen zu machen. Ein De-skilling erfolgt, das dazu führt, dass Ärzte per
Kaiserschnitt entbinden müssen, weil ihnen die Kenntnisse und das Selbstvertrauen
fehlen, bestimmte Schwangere vaginal zu entbinden. Zur selben Zeit werden
organisatorische Abläufe auf den Einsatz von Technik hin optimiert (z.B. personelle
Besetzung des Kreißsaals), so dass jede andere Praktik ineffizient oder gar nicht
durchführbar erscheint.
•
Das naturwissenschaftliche Verständnis, das die Medizin stark prägt, führt zu einer
Abwertung sozial-empathischer Arbeit. Dies zementiert die hierarchisch niedrigere
Stellung
von
„ganzheitlicher“
Hebammen
Sichtweisen
im
Krankenhausbetrieb,
auf
Schwangerschaft
aber
auch
und
Geburt,
die
Abwertung
wie
sie
die
Hausgeburtslogik propagiert.
7 Die Entstehung des Sachzwangs
Das bisher Gesagte sollte ausreichen, um deutlich zu machen, dass auch die in Tabelle 1
gegebenen Gründe nicht als natürliche und unabwendbare Tatsachen gelten können. Hier geht
27
es entweder um Interpretationen, die von bestimmten institutionellen Logiken getragen
werden, z.B. im Falle der ärztlichen Ungeduld oder bei der Frage, ab wann eine Frau aufgrund
ihres Alters als risikoschwanger einzuordnen ist. Oder es handelt sich um Zwänge, die durch
die Entscheidung für bestimmte Praktiken hervorgerufen werden, z.B. die Intervention nach
medikamentöser Geburtseinleitung oder das De-skilling junger Ärzte, die nie gelernt haben
problematische Geburten vaginal zu entbinden. Schließlich lassen sich auch Fälle finden, wo
die Wertigkeit bestimmter Ressourcen entscheidenden Einfluss hat, etwa bei der
zunehmenden Technisierung des Geburtsgeschehens. Die Notwendigkeit eines Kaiserschnitts
ist damit in nur wenigen Fällen (denen mit absoluter Indikation 12) „von selbst“ gegeben.
In Abschnitt 4 habe ich dargelegt, dass externe Anstöße „theoretisiert“ werden müssen, um als
Auslöser für Wandel wirksam zu werden. Gleiches gilt auch Auslöser innerhalb der
Organisation;
bestimmte Dysfunktionalitäten
oder
Inkongruenzen
müssen
zunächst
wahrgenommen und in einen Ursache-Wirkungs-Zusammenhang eingebettet werden, bevor
sie handlungswirksam werden können. Ein Sachzwang unterliegt derselben Anforderung.
Inkongruente oder dysfunktionale Praktiken können über Jahre latent bestehen; ein
Sachzwang entsteht daraus erst in dem Moment, in dem Akteure ihn als solchen konstruieren.
Dies führt uns zurück zur Frage, wo denn nun der Sachzwang entsteht. In dem auf Seite 12
besprochenen einfachsten Modell der vollständigen Reproduktion gibt es keine Sachzwänge,
weil Ressourcen, Praktiken und die zugehörige Logik aufeinander abgestimmt sind und sich
gegenseitig rechtfertigen. Natürlich unterliegen die Akteure bestimmten Zwängen, seien sie
physikalischer oder sozialer Natur, aber diese Zwänge werden als „taken-for-granted“
akzeptiert und nicht als Zwang wahrgenommen. Damit Akteure einen Zwang als Sachzwang
wahrnehmen, müssen Inkonsistenzen jenseits der „Schmerzschwelle“ auftreten.
Im Fall der Kaiserschnittrate lässt sich eine solche Inkonsistenz im Auseinanderdriften von
institutioneller Logik und Geburtspraktik ausmachen. Die Praktik des Kaiserschnitts hat sich
über die Jahrhunderte entwickelt (siehe Abbildung 2). Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts
hinein stellte der Kaiserschnitt ein sicheres Todesurteil für die Mutter dar (Metz-Becker,
2000). Mit verbesserten Techniken zur Bekämpfung der septischen Gefahren, vor allem der
12
Kann das Kind nicht ohne Kaiserschnitt geboren werden, z.B. weil es quer liegt oder die Plazenta den
Geburtskanal blockiert, liegt eine absolute Indikation vor. In allen anderen Fällen spricht man von einer relativen
Indikation. Kaiserschnitte mit einer absoluten Indikation machen nach Braun (2006) heute weniger als 10 % aller
Kaiserschnittentbindungen aus.
28
Entwicklung von Antibiotika, entwickelte sich der Kaiserschnitt zu einer Praktik, die
eingesetzt wurde, um das Leben von Mutter und Kind zu retten. Weitere medizinische
Fortschritte, vor allem in der pränatalen Diagnostik und in der Behandlung Frühgeborener,
senkten das Risiko weiter, und ab den 1970er Jahren beginnen relative Indikationen eine
zunehmend größere Rolle zu spielen (Lutz/Kolip, 2006). Der vorerst letzte Schritt in der
Entwicklung vollzieht sich mit dem sogenannten „Wunschkaiserschnitt“, der eine
schmerzlose und ungefährliche Entbindung suggeriert. Es lässt sich also zeigen, dass sich die
Praktik des Kaiserschnittes qualitativ verändert und damit auch quantitativ eine Zunahme
erfährt.
ABBILDUNG 2 ETWA HIER
Die qualitative Veränderung produziert
jedoch
zunehmend
Spannungen
mit
der
professionellen Logik der Ärzte, die sich zentral als Heiler und Helfer verstehen. Im
extremsten Fall trifft ein Ethos der Lebensrettung auf eine kosmetische Operation – und hier,
so denke ich, ist die Empfindung des Sachzwangs verankert. Es soll dabei nicht bestritten
werden, dass sich auch Schönheitschirurgen als Ärzte sehen, dass nicht jeder Arzt sich in
erster Linie als Heiler und Helfer versteht oder dass Selbstverständnis und Handeln
auseinanderklaffen können. Cum grano salis steht jedoch, so denke ich, das Heilen und
Helfen im Zentrum des professionellen Selbstverständnisses. So formuliert einer meiner
Interviewpartner:
„Da habe ich einfach als Arzt die Pflicht, entgegen der Tatsache, dass ich dort viel mehr
Geld verdiene bei einem Kaiserschnitt, in einer halben Stunde aber schon fertig bin - dafür
bin ich doch nicht Arzt geworden.“
Die vorliegende Analyse kann nur den Entstehungspunkt des Sachzwanges aufzeigen und
erklären, sie kann nicht voraussagen, ob, wann und wie er eventuell aufgelöst wird. Mehrere
Möglichkeiten, die eine Veränderung der professionellen Logik, der Praktik oder beider
beinhalten, sind denkbar. Es bleibt eine empirische Frage, welche von ihnen zum Zug kommt.
29
8 Handlungsempfehlungen
8.1 Institutioneller Wandel in der Theorie
Dieser einfachste Fall eines sich perfekt reproduzierenden Systems, wie es im Abschnitt 5.4
vorgestellt wurde, ist in der Realität nicht vorzufinden. Da es sich um ein Konfliktmodell
handelt, ist davon auszugehen, dass sich Akteure mit anderen Logiken, Praktiken und/oder
Ressourcen immer wieder bemühen, einen Wandel herbeizuführen. Wie aus dem Modell
deutlich werden sollte, genügt es dabei jedoch nicht, nur eine Komponente zu verändern, da
die selbstverstärkenden Schleifen eine hohe Beharrungskraft aufweisen.
Zudem ist die sinnstiftende Funktion der institutionellen Logik nicht zu unterschätzen. Häufig
handelt es sich hier um „taken-for-granted assumptions“, die nicht weiter reflektiert werden.
Der Status quo erscheint somit als „natürlich“ (Bourdieu, 1992c) und nicht veränderbar. Eine
neue Logik, Praktik oder Ressourcenallokation ergibt vor dem unreflektierten Hintergrund der
bestehenden Logik keinen Sinn, ist ineffektiv oder dysfunktional. Wandel erscheint so im
schlimmsten Fall als irrational. Dieser Beharrungseffekt ist umso größer, je unreflektierter die
dominante institutionelle Logik ist. Die Logik ist in der Regel dann unreflektiert, wenn es
keine konkurrierenden Logiken gibt, gegen die sie sich argumentativ-reflektiv verteidigen
müsste, bzw. wenn solche alternativen Logiken keine adäquaten Fürsprecher finden.
Der Wechsel von einer Logik zu einer anderen bzw. eine grundlegende Transformation einer
Logik wird dann wahrscheinlich, wenn die Widersprüche innerhalb der dominanten Logik zu
groß werden. Dies geschieht nach Seo und Creed (2002) etwa dann, wenn sich Legitimität
und Effizienz gegenseitig unterminieren, wenn die Beibehaltung ehemals erfolgreicher
Schemata die Anpassungsfähigkeit der Organisation beschränkt, wenn die Konformität
innerhalb einer institutionellen Ebene zu Widersprüchen auf übergeordneten Ebenen führt
oder wenn einflussreiche Akteure mit anderen Interpretationen auftreten. Somit kann sich
auch innerhalb ein und derselben Logik ein Kampf um Bedeutungen abspielen, in dem
verschiedene Akteursgruppen ihre Interpretation der Logik oder der „guten Praxis“
durchsetzen wollen.
Neue Interpretationen setzen sich dort besonders leicht durch, wo die bisherige Logik in ihrer
Dominanz geschwächt ist (Clemens/Cook, 1999). Dies ist der Fall in heterogenen
Gesellschaften oder Gruppen, die sozial nicht besonders eng miteinander verbunden sind.
30
Umgekehrt sind homogene Gruppen eher auf exogene Auslöser angewiesen. Dabei ist jedoch
zu beachten, dass auch diese exogenen Auslöser, um wirksam zu werden, erst „theoretisiert“
werden müssen. Die Diffusion neuer Interpretationen wird erleichtert, wenn die zugehörigen
Akteure stark vernetzt oder besonders gut sichtbar sind.
Bei all diesen strukturellen Überlegungen ist jedoch nicht zu vergessen, dass sie nur
Wahrscheinlichkeiten oder Voraussetzungen für Wandel konstruieren. Jede noch so
wandlungsträchtige Ausgangssituation bedarf eines Akteurs, der die in ihr enthaltenen
Potenziale realisiert (Thornton/Ocasio, 2008, Zilber, 2002).
8.2 Problembezogene Handlungsempfehlungen
Die Entscheidung in das Geschehen einzugreifen, um die Kaiserschnittrate zu senken, ist eine
politische Entscheidung. Sie unterscheidet sich somit in ihrem Charakter nicht von dem, was
nach Annahmen meiner Konzeption ohnehin inner- und außerhalb der Organisation passiert.
Dennoch kann man davon ausgehen, dass nicht alle möglichen Interventionen gleich effektiv
sind. Aus der Logik des Gesagten empfiehlt es sich, dort anzusetzen, wo bereits Konflikte und
Instabilitäten offen zutage treten. Theoretisch gesprochen handelt es sich dabei um
• Konflikte zwischen oder innerhalb von Akteursgruppen,
• Inkonsistenzen innerhalb bestehender Logiken oder Praktiken,
• Interpretationsvarianten hinsichtlich Logiken, Praktiken oder Ressourcen und /oder
• Dynamiken in der Ressourcenbewertung und -allokation.
Der Eingriff ist umso erfolgversprechender, je mehr Ansatzpunkte gleichzeitig in Angriff
genommen werden. Um eine Entkopplung symbolischer und substantieller Prozesse und
damit Wandel in Form von „Sonntagsreden“ zu verhindern (Misangyi et al., 2008), ist zu
beachten, dass Interventionen alle Ebenen - Logiken, Praktiken und Ressourcen - berühren
müssen. Sachzwänge können hier eine wichtige Rolle spielen, und zwar nicht nur was ihre
Auflösung betrifft. Wie wir gesehen haben, deuten sie auf Inkonsistenzen hin, die für die
Akteure bereits die Wahrnehmungsschwelle überschritten haben. Sie geben somit zum einen
Hinweise auf mögliche Interventionspunkte, zum anderen motivieren sie die Akteure im
Sinne einer Dissonanzreduzierung zum Handeln, ohne dass es vieler weiterer Worte bedürfte.
Im Gegensatz zu der Art, wie Sachzwänge sonst in der Literatur diskutiert werden, kann aus
31
diesen Gründen in manchen Fällen auch eine Schaffung von Sachzwängen, etwa durch
Forcierung der Inkonsistenz, angeraten sein.
Für die Senkung der Kaiserschnittrate sollen hier nur exemplarisch drei Maßnahmen genannt
werden 13. So könnte man etwa den Konflikt zwischen der Klinik- und der Hausgeburtslogik
ausnutzen, um auch Klinikgeburten weniger interventionsträchtig zu machen. Dies könnte
erreicht werden, indem man die professionelle Logik der Hebammen sowie ihre
organisatorisch-hierarchische Position in der Klinik befördert. Hierzu gehört dann auch die
Verbesserung ihrer ökonomischen Ressourcen sowie eine Anhebung des Wertes ihres
kulturellen Kapitals (d.h. der Art von Ausbildung, die Hebammen durchlaufen). Praktisch ist
das nur möglich, wenn bereits die Schwangerenvorsorge in Händen der Hebamme liegt und
damit die Schwangere nicht von Beginn an eine medizinisch-technische Geburtslogik als
selbstverständlich erfährt. Eine andere Maßnahme könnte dem Ausbau und der Intensivierung
von Netzwerken gelten, die Akteure innerhalb des Feldes miteinander verbinden. Hier wäre
darauf zu achten, dass nicht, wie sonst üblich, sich im Feld Nahestehende in Kontakt treten,
sondern weiter entfernt stehende Akteure verbunden werden. Dies wäre nützlich, um
erfolgreiche Kleinlösungen, d.h. auf ein Krankenhaus beschränkte Lösungen, im Feld zu
verbreiten. Eine solche Kleinlösung hat das Perinatalzentrum in Ludwigshafen gefunden,
dessen Chefärztin in Zusammenarbeit mit einem Ärzte-Hebammen-Team wesentlich
strengere Indikationen für Kaiserschnitteingriffe festgelegt hat und damit die Kaiserschnittrate
intern bereits um 7% senken konnte (Filsinger, 2008). Ist die Lösung zunächst auf eine
Organisation beschränkt, bietet sich die Möglichkeit, die Logiken, Praktiken und Ressourcen
lokal
gut
zu
beeinflussen.
Eine
dritte
Maßnahme
beträfe
die
Dynamik
der
Ressourcenbewertung und -allokation. So sind gerade zu dem Zeitpunkt, als dieser Beitrag
verfasst wird (Sommer/Herbst 2010) die Hebammen als Berufsgruppe unter erheblichen
ökonomischen Druck geraten, weil die Versicherer die Prämien für die Berufshaftpflicht
erneut erhöht haben. Die Prämien sind von 179€ im Jahr 1992 auf heute knapp 3700€
gestiegen (Hebammenverband, 2010). Dies ist für eine freie Hebamme, die im Jahr
durchschnittlich 23.300 € Umsatz erzielt, eine erhebliche Belastung. Tatsächlich haben sich
im Sommer 2010 sofort 10% aller Hebammen aus der freien Geburtshilfe zurückgezogen.
Bemerkenswert an der Haftpflichtlage ist vor allem, dass sie daraus resultiert, dass die
Krankenhäuser ungenügende Deckungssummen in ihren Versicherungen aufweisen und die
Hebammen dies ausgleichen müssen. Dieses Problem betrifft auch die angestellten
32
Hebammen, die sich aus organisatorischen Gründen ja oft gezwungen sehen, mehrere
Geburten gleichzeitig zu betreuen. Die Proteste, zu denen der Hebammenverband aufgerufen
hat,
und
die
von
allen
politischen
Fraktionen
unterstützt
werden
(Gesundheitsministerkonferenz, 2010), werden jedoch wenig ausrichten, selbst wenn sie die
Versicherer dazu bewegten, die Prämien wieder zu senken, was unwahrscheinlich ist. Solange
Hebammen den Ärzten ökonomisch nicht (annähernd) gleichgestellt sind, wird sie jede
finanzielle Belastung, die das Geburtsgeschehen mit sich bringt, ungleich härter treffen. Eine
ökonomische
Gleichstellung
wird
jedoch
mittelfristig
nur
dann
erfolgen,
wenn
Hebammenarbeit als gleichwertig angesehen wird, was wiederum voraussetzt, dass ihre
Bedeutung für eine sichere und selbstbestimmte Geburt erkannt und propagiert wird.
9 Abschließende Betrachtung: Organisation und Umwelt
Was sind die Implikationen einer solchen theoretischen Herangehensweise für den
Organisationsbegriff? Bedingt durch die politische Ausrichtung der Konzeption, erscheint die
Organisation zunächst als lokaler Schauplatz der Geschehnisse und Auseinandersetzungen,
mit anderen Worten als Arena. Als Arena ist sie eingebettet in größere Schauplätze, nämlich
organisationale oder institutionelle Felder, die sich um bestimmte Problembereiche gebildet
haben und in denen nun konflingierende Interessen um eine Interpretation streiten. Diese
Interessen und Konfliktlinien sind wesentlich von außen an die Organisation herangetragen,
z.B.
in
Form
bestimmter
professioneller
Identitäten,
öffentlicher
Diskurse
oder
Kapitalbewertungen. So habe ich u.a. aufgezeigt, wie die professionelle Identität von Ärzten
die Präferenz bestimmter Praktiken befördert, wie die Konfliktlinie zwischen Ärzten und
Hebammen historisch gewachsen ist, wie die Entbindung im Krankenhaus im öffentlichen
Diskurs als der Normalfall behandelt wird oder wie die universitäre Ausbildung und das
naturwissenschaftlich-technische
Wissen
der
Ärzte
eine
höhere
gesellschaftliche
Wertschätzung erfährt als Ausbildung und Wissen der Hebammen.
Problematisch an einem solchen Arena-Konzept ist jedoch, dass es der Organisation eine zu
passive Rolle, nämlich letztlich die eines Feldes, zuweist. Wie wir gesehen haben, bilden
Felder topographische Räume, in denen sich die Akteure bewegen und miteinander in
Austausch treten – das Feld selbst tut nichts. Eine Organisation hingegen kann durchaus aktiv
13
Für Beispiele weiterer Einzelmaßnahmen siehe den Bericht der WHO (1996). Diese müssten jedoch dann im
33
in das Geschehen eingreifen; sie ist damit mehr als ein reiner Schauplatz. Da ich in dieser
Analyse die Konzepte Macht und Bedeutung in den Vordergrund gestellt habe, bietet es sich
an, das Arena-Konzept um eine interpretative Komponente zu erweitern. Organisationen
gestalten die Interpretationsprozesse ihrer Akteure, indem sie gewisse Interpretationen positiv
oder negativ sanktionieren, in ihre Organisationskultur(en) aufnehmen und/oder in materiellen
Prozessen zementieren. Im vorliegenden Fall habe ich u.a. ausgeführt, dass meine
Hebammen-Interviewpartnerinnen immer wieder betont haben, wie sehr die konkrete
Arbeitsteilung zwischen Hebammen und Ärzten vom jeweiligen Krankenhaus und seiner
Organisationskultur abhängt. Hier variiert vor allem das Vertrauen in die Kompetenz von
Hebammen und die Anerkennung alternativmedizinischer Verfahren, die Hebammen anbieten
können, sehr stark. Ein Beispiel für das „Zementieren“ in Praktiken ist die o.a.
organisatorische Regel, dass bei jeder Geburt ein Arzt anwesend sein muss, obwohl dies vom
Gesetz her nicht vorgeschrieben wäre.
Damit gelangen wir zu einer Auffassung von Organisation, die ich mit Giddens (1984) als
locale bezeichnen möchte14. Eine locale ist ein Interpretationskontext und formt als solcher
die individuelle Interpretation erheblich. Dasselbe Ereignis kann in zwei verschiedenen
Organisationen unterschiedlich interpretiert werden. Die Einwirkung erfolgt dabei sowohl
diachron (z.B. als Ergebnis einer langen Betriebssozialisation) als auch synchron (z.B. in
Form momentaner Ressourcenverteilungen oder der Legitimation bestimmter Akteure als
„Sprecher“ der Organisation). Das Konzept der locale nimmt damit die Betonung politischer
Prozesse aus dem Arena-Konzept auf und verbindet sie mit der Bedeutungsebene. Es geht
zum einen davon aus, dass Bedeutungen Machtverhältnisse widerspiegeln, weil etablierte
Bedeutungen letztlich die sind, die aus dem „Kampf um Bedeutungen“ als Sieger
hervorgegangen sind (Zilber, 2008, Lounsbury et al., 2003). Zum anderen erlaubt es der
Organisation aber auch, selbst als interpretationsschaffend tätig zu sein. Hier sei etwa auf die
„ideologies of rationality“ (Edelman et al., 1999) verwiesen, die beschreiben, wie
Organisationen aus einer zunächst beliebigen Vielfalt von Lösungen eine auswählen, ihre
Praktiken danach ausrichten, diese Lösung dann von anderen Organisationen übernommen
wird und auf diesem Weg zur einzig „rationalen/rationellen“ Lösung avanciert. Dies ist z.B.
der Fall bei einer Geburt in Beckenendlage, bei der ein Krankenhaus im Schadensfall in
Sinne meiner Konzeption kombiniert und ggfs. ergänzt werden.
14
In der „Constitution of Society“ verwendet Giddens den Begriff leider nicht ganz einheitlich. Seine Definition
im Glossar verweist auf einen rein räumlichen Charakter, den er jedoch in seinen Ausführungen auf den Seiten
117f. und 134ff. deutlich in dem von mir gebrauchten Sinne erweitert.
34
Begründungsnot gerät, wenn diese nicht per Kaiserschnitt entbunden wurde. In einem
ähnlichen Sinn wie Edelman et al. sprachen schon Jepperson und Meyer (1991) von
Organisationen als sozialen Ideologien. Beide Überlegungen unterstützen Zuckers (1983)
These, dass Organisationen die zentralen Definitionseinheiten der Moderne sind.
Wie Ortmann (2005) richtig bemerkt, sind Organisationen aber nicht nur Orte performativer
Sprechakte, sondern können auch deren Autoren sein. Dies führt uns zum dritten Aspekt des
verwendeten Organisationsbegriffs, nämlich dem der Organisation als kollektivem Akteur,
der durch Institutionen geschaffen und legitimiert wird. Als ein solcher Akteur tritt die
Organisation zum Teil mit erheblichem Gewicht auf, zeichnet juristisch verantwortlich für
ihre Handlungen, etc. Das geschlossene Auftreten nach außen erfordert Sanktionierung und
Exklusion bestimmter Praktiken und Einzelakteure nach innen, hat also Machtauswirkungen
in beide Richtungen. Ein klassisches Beispiel hier ist die juristische Verantwortung und
Schadenshaftung des Krankenhauses, die zu erheblichen Verschiebungen in Richtung
Defensivmedizin innerhalb der Organisation geführt haben.
Die drei aufgezeigten Aspekte – Arena, locale, kollektiver Akteur – treten je nach Analyse
unterschiedlich stark in den Vordergrund. Sie zeigen auch in unterschiedlichem Maße, wie
stark die Organisation von externen Kräften „durchlöchert“ ist. Individuelle und soziale
Konstruktionsprozesse, die die Grundlage organisationalen Handelns, organisationaler
Akteure und ihrer Interessen, organisationaler Kultur und Sinnstiftung oder organisationaler
Ressourcenverteilung bilden, sind wesentlich von Einflüssen außerhalb der Organisation
bestimmt. Es wäre aus diesem Grund vielleicht sinnvoller, den Begriff der „Umwelt“, dem
letztendlich ein naturwissenschaftlich-positivistisches Erbe anhaftet, durch den der „Welt“ zu
ersetzen, dessen anthropologische, philosophische und sozialwissenschaftliche Konnotationen
mir besser geeignet erscheinen, die diskutierte Relation zu erfassen. Dennoch löst sich die
Organisation nicht völlig in der Welt auf, sondern behauptet spezifische Charakteristika in
Form der drei beschriebenen Aspekte, deren Erscheinungsformen und Implikationen noch
längst nicht erschöpfend analysiert sind. Ein tröstlicher Gedanke für die Organisationstheorie.
35
Klinische Faktoren
Starke Technisierung des
Geburtsgeschehens im
Kreißsaal
Bei hochempfindlicher Technik besteht die Gefahr, dass schon
geringe Normabweichungen pathologisiert werden. Z.B. liefert
ein CTG eine hohe Anzahl positiver Befunde, von denen aber
nur 15-20 % auch gefährlich sind.
Routinemäßige Verwendung
von Ultraschall in der
pränatalen Diagnostik
Dies führt zu einer vermehrten Diagnose fetaler Erkrankungen,
bei denen aus Sicherheitsgründen dann ein KS vorgenommen
wird. Außerdem wird das Geburtsgewicht geschätzt. Eine
Überschätzung führt zur Diagnose „Makrosomie“ und damit
zum Kaiserschnitt.
Medikamentös eingeleitete Geburten enden häufiger mit einem
KS. Der Grund dafür oft, dass ein Eingriff während der Geburt
den Geburtsverlauf stört und weitere Eingriffe provoziert
(„Interventionskaskaden“).
Die ärztliche Ausbildung ist auf Handeln angelegt, während
Hebammen häufig zur Geduld mahnen. Nicht jede Pause im
Geburtsverlauf markiert eine Störung, nicht jede Störung
erfordert einen Eingriff. Mit steigender KS-Rate sind Ärzte
zudem immer seltener bei unkomplizierten Geburten anwesend.
Vaginale Geburten dauern länger und sind nicht planbar.
Dennoch muss die Notfallmedizin im Hintergrund während der
gesamten Zeit bereitgehalten werden. Dies verursacht v.a.
kleineren Kliniken Probleme. Gleichzeitig wird ein KS um 78
% besser vergütet als eine vaginale Geburt.
Geburtshilfe ist Hochrisikomedizin mit den höchsten Prämien
und teuersten Schadensfällen. Die meisten Haftpflichtfälle
entstehen wegen nicht oder zu spät vorgenommenem KS. Dies
führt zu einer Defensivmedizin.
Schwangere sind im Durchschnitt zunehmend älter. Mit
fortgeschrittenem Alter sind mehr Komplikationen zu erwarten.
Zunehmende Zahl von
medikamentösen
Geburtseinleitungen
Ungeduld
Hoher Personal- und
Kostenaufwand bei vaginalen
Geburten
gesellschaftliche Ursachen
Ursachen seitens der Schwangeren
Rechtliche Aspekte
Alter der Schwangeren
Weniger Kinder pro Frau
Mit sinkender Wahrscheinlichkeit für ein 2. oder 3. Kind stellt
sich das Problem der Geburt nach KS zunehmend weniger.
Mehr chronisch kranke Frauen
als Mütter
Hier wird oft aus Sicherheitsgründen ein KS vorgenommen.
Mehr Reproduktionsmedizin
Statistisch gesehen werden in vitro gezeugte Kinder häufiger
durch KS entbunden; der Grund ist vielleicht ein erhöhtes
Sicherheitsbedürfnis.
Zitat „Die Zeit“ (S. 28): „Nichts bleibt bei der ‚Operation
Nachwuchs’ dem Zufall überlassen... Eine Geschichte zwischen
umfassender Informiertheit und steter Verunsicherung,
zwischen High-tech und der Sehnsucht nach Ursprünglichkeit,
zwischen gehobenen Ansprüchen und gesunkener
Leidenstoleranz.“
Dies fördert den Gedanken der Wahl und der eigenen
Gestaltung eines „schönen Tags“. Prominente unterstützen das
Bild vom „einfachen KS“.
Mütter sind zunehmend weniger bereit, sich während der Geburt
„gehen zu lassen“ und/oder können kein Vertrauensverhältnis
zu den Geburtshelfern aufbauen. Der KS gibt ihnen das Gefühl,
das Geburtsgeschehen unter Kontrolle zu haben.
Schmerz wird als rein negativ wahrgenommen. Positive
Konnotationen „etwas geleistet zu haben“ unterbleiben. Die
Bedeutung von Endorphinen für das Bonding, aber auch die
Tatsache, dass ein KS mit Schmerzen verbunden ist, wird nicht
diskutiert.
Gestiegenes
Sicherheitsbedürfnis
Geburtshilfe als Dienstleistung
wahrgenommen
Angst vor Ausgeliefertsein
Umgang mit Schmerzen
Tabelle 1: Gründe für den Anstieg der Kaiserschnittrate (nach Lutz/Kolip 2006)
36
Logik
7,8
9,10
5,6
Org.
Akteur
Praktiken
3,4
1,2
Ressourcen
11,12
Abbildung 1: Das einfache Modell
37
Wunschkaiserschnitt
Medizinische
Indikation
Lebensrettung
Letztes Mittel
Abbildung 2: Qualitative und quantitative Veränderung der Praktik des Kaiserschnitts
38
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PD Dr. habil. Elke Weik, University of Leicester, School of Management, Leicester LE1
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