у 'f Johannes Rau К Berg-Karabach in der Geschichte Aserbaidschans und die Aggression Armeniens gegen Aserbaidschan Geschichtliche Studien und Betrachtungen ru; r P r 021dontmin IV \ К i f А В X A N A S I Verlag Dr. Koster Berlin Schriftenreihe Politikwissenschaft Bd. 16 Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet iiber http://dnb.ddb.de abrufbar. Das Manuskript w urde aus dem Russischen ins Deutsche ubersetzt. 1. Auflage Januar 2009 C opyright 2009 b y Verlag Dr. Koster 10179 Berlin Verla g Dr. Koster Rungestr. 22-24 10179 Berlin Tel.: 030/ 76403224 Fax: 030/ 76403227 e-m ail: info@ verlag-koester.de www.verlag-koester.de ISBN 9 7 8 - 3 - 8 9 5 7 4 - 6 9 5 - 6 Den unschuldieen Ovfern des Berg-Karabach-Konfliktes zwischen Armenien und Aserbaidschan sewidmet 19. Inhaltsverzeichnis D er T raktat (Staatsvertrag) vom 14.5.1805 zw ischen dem Russischen Reich und dem K hanat K arabach................................................................................................................................272 20. Schlussbetrachtung.............................................................................................................................. 282 1. E in le itu n g .................................................................................................................................................. 6 2. Zur G esch ich te K aukasisch-A lbaniens, des B eyliks G jandscha (G anca)-K arabach, des K hanats K arabach und d e r M eliktiim er von K arabach bis zum Ende des 18. Ja h rh u n d erts............................................................................................................................................. 16 3. 4. Die A rm enische K irche im K am p f m it der K irche von K au k asisch -A lb an ien ..................49 A nhang ......................................................................................................................................................... 292 1. C hronologie der w ich tig sten E reig n isse (1711 -2 0 0 8 ) .............................................................. 292 2. Die H errscher des K hanats Irew an (E riw a n )............................................................................... 322 3. W ichtige D okum ente beziiglich der R echtslage von B erg-K arabach................................... 325 3.1 K opie des T raktats (S taatsv ertrag es) v o m 14.05.1805 in russischer S p ra c h e ...................325 3.2 A usziige aus der A nlage zu m A b k o m m en betreffend die G esetze und G ebrauche des 3.3 A uszug aus der V erfassu n g d er U d S S R 1936.............................................................................331 Die historischen und kulturellen D enkm aler K aukasisch-A lbaniens (bis Ende des 18. L andkrieges (H aager L a n d k rie g s o rd n u n g ).................................................................................331 Ja h rh u n d e rts)....................................................................................................................................... 66 5. Zum Problem der A bstam m ung der A rm enier und ihrer territorialen Z e rstre u u n g ......... 81 6. D er S afaw iden- (K isilbasch-) Staat in der ersten H alfte des 18. Jahrhunderts im K am p f 3.4 A usziige aus der V erfassu n g der U dS S R 1 9 7 7 ........................................................................... 331 3.5 A usziige aus der Satzung d e r V ereinten N atio n en ..................................................................... 332 m it den K hanaten von N o rd -A serb aid sch an ............................................................................. 105 3.6 7. Ausziige aus der U N O -K onvention u b er die Verhiitung und B estrafung des Die R ussisch-P ersischen K riege urn den S iidkaukasus und die Rolle des K hanats V olkerm ordes vom 9 .1 2 .1 9 4 8 .........................................................................................................334 K arabach bei d e r E ntw icklung der aserbaidschanischen S taatlichkeit............................. 1 16 8. Schirwan und das K hanat Schirw an bei der E ntw icklung der aserbaidschanischen 3.7 U N -R esolutionen zu dem B e rg -K a ra b a c h -K o n flik t................................................................. 334 3.8 K SZ E /O SZ E -D okum ente zu dem B erg-K arabach-K onflikt................................................... 345 3.9 Resolution 1416 (2005) d e r P arlam entarischen V ersam m lung des E uroparates...............363 4. T abellen S taatlich k eit........................................................................................................................................134 9. Der Vorstofi R usslands in den K aukasus und die M assenum siedlung der A rm enier in den Siidkaukasus im 19. und 20. Ja h rh u n d e rt......................................................................... 145 10. Die w iderstreitenden Interessen der europaischen M achte in der zw eiten H alfte des 19. - Beginn des 20. Jahrhunderts und die arm enische F ra g e................................................... 163 11. 12. Z ur G eschichte von K arabach nach dem Z erfall des zaristischen R usslands und bis zum Jahre 1923........................................................................................................................................... 190 13. Die S chaffung des A utonom en G ebiets B erg-K arabach (N K A O ) innerhalb der A serbaidschanischen SSR und die V ersuche der A nderune seines Status in der UdSSR vor der P erestro jk a........................................................................................................................... 203 14. Tabelle 3: D aten zur sozialen E ntw ick lu n g d es A utonom en G ebiets Berg-K arabach , der A ser­ baidschanischen SSR, d e r A rm enischen SSR und der UdSSR im V erg leich ..........369 Tabelle 4: Die M ilitarausgaben d er G U S -S taaten 2 0 0 5 -2 0 0 8 .......................................................... 370 Tabelle 5: Index der globalen W ettb ew erb sfah ig k eit nach W E F -V e rsio n .................................... 371 T abelle 6 :ln flatio n und W achstum des B1P in d e r G U S ................................................................... 372 5. Karten und F o to s................................................................................................................................... 373 5 .1 Ergebnisse der arm enischen A g re ssio n ..........................................................................................373 5.2 Das M onum ent m it d er A n sch rift „1 5 0 Ja h re der U m siedlung“ in A gdara (M ardakert), 5.3 Das M onum ent zu r arm en isch en U m sied lu n g in A gdara (M ardakert) im Jahre 19 8 7 .3 7 4 Die V erscharfung des K onfliktes um Berg-K arabach w ahrend der „P erestrojka" und des N iedergangs d e r U d S S R .................................................................................................................213 15. Tabelle 2: B evolkerung der R egion Eriw an 1 8 2 9 -1 9 1 6 .....................................................................368 Der Beginn des arm enisch-aserbaidschanischen K onfliktes odcr die V orgeschichte des Kampfes urn B e rg -K a ra b a c h ........................................................................................................ 184 Die E skalation des B erg-K arabach-K onfliktes zw ischen d er Republik A rm enien und der ................................................................................................................................................368 Tabelle 1: D ie B evolkerung d e r R egion K arabach 1831-1916......................................................... 368 1978 ........................................................................................................................................................ 374 L iteratu rv erzeich n is....................................................................................................................................... 375 Republik A serb aid sch an ................................................................................................................ 224 16. Volkerrecht: das Prinzip d e r territorialen Integritat und d e r U nverletzlichkeit der 17. 1st die Lage ausw eglos? Z u den M oglichkeiten ihrer friedlichen L d su n g ....................... 247 18. Z u den A nnaherungsw egen der Positionen der K onfliktparteien uber m ogliche G renzen im V ergleich m it dem Prinzip der S elbstbestim m ung der V o lk e r................... 237 K o m prom isse.....................................................................................................................................262 5 1. Einleitung „Alle Geschichtsschaffenden sehert sich als Spieler in einem weltweiten Schachspiel der Geschichte. In Wirklichkeit sind sie nur Figuren, wenngleich van geschichtlicher Dimension. “ Tleu K. Alimow Der Zerfall der UdSSR wurde von einer ganzen Reihe regionaler Konflikte a u f deren ehemaligem Territorium begleitet. Die nunmehr autonomen Republiken des Transkaukasus (Siidkaukasus) Georgien, Aserbaidschan und Arm enien1 bemiihen sich bis heute um die Uberwindung der Folgen dieser Konflikte und in vielen Fallen der ausweglosen Situationen, in die diese schon iiber ein Jahrzehnt andauernden Konflikte gefuhrt haben. Objektiv betrachtet existieren praktisch alle heutigen Lander in Grenzen, die nicht nur in der ethnischen Geschichte, sondem auch in starkem MaBe im politischen Willen begrundet sind. Die nihilistische Haltung der Politiker zur ethnischen und national gewachsenen Geschichte ist als echte Zeitbombe zu sehen, die friiher oder spater explodieren wird - fur diese Nihilisten fast immer unerwartet. Diese (Imperialisten, International isten, Globalisten, ,,M ulti-Kulturalisten“ und andere) haben noch immer das Ziel der Vereinigung und Standardisierung von alien und allem verfolgt. Und diesem Ziel werden immer real existierende Ethnien und Nationen entgegenstehen. Die Vielfalt der Kulturen und Lebensweisen ist eine gottliche Erfindung. Naturlich ist angesichts der Geschichte des Russischen Reiches und der Sowjetunion die Vielzahl der regionalen Konflikte, von denen der Niedergang der sowjetischen GroBmacht begleitet war, nicht verwunderlich. Das wirklich Erstaunliche ist, dass es nicht noch mehr Konflikte gegeben hat. Die Entstehung dieser Konflikte, ihre Dauer und ,,Ausweglosigkeit“ erklart sich zum Teil aus der Jahrhunderte dauernden Kriegfuhrung, in deren V erlauf das Russische Imperium 1 Die in der sowjetischen und postsowjetischen Literatur als Transkaukasus bekannte Region wird in der westlichen Literatur eher als Siidkaukasus angegeben. Ich benutze beide Begriffe fur die Bezeichnung dieser Region in meinen Publikationen. 6 entstand und aus der totalitaren Macht, die die territoriale Einheit der Sowjetunion aufrecht erhielt und ihr Territorium ausweitete. Wenngleich die territorialen Konflikte im Siidkaukasus Ende der Achtziger und Anfang der Neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts vorwiegend politisch-ethnische und territoriale Ziige trugen, so ist doch ihre tiefe geschichtliche Verwurzelung nicht so leicht zu ubersehen. Insbesondere trifft dies auf den Konflikt zwischen der Republik Armenien und der Republik Aserbaidschan zu falschlicherweise oft nur als ,,Berg-Karabach-Konflikt“ bezeichnet. Aber die Schwierigkeiten bei der friedlichen Losung dieses Konfliktes bestehen auch darin, dass der breiten Weltoffentlichkeit - im Gegensatz zu den wenigen kompetenten Experten - die historischen Grundlagen des Konfliktes fast ganzlich unbekannt sind.2 Die dem Leser vorliegenden geschichtlichen Studien werden, so hoffi der Autor, einige aufgezeigte Informationsdefizite reduzieren und zu einer objektiveren Einstellung sowohl zum Kern des Konflikts als auch zu den legitimen Interessen der an ihm beteiligten Parteien beitragen. Die zahlreichen in der vorliegenden Arbeit verwendeten geschichtlichen Fakten und Dokumente geben dem Leser die Moglichkeit, nachzudenken iiber die Ubereinstimmung der heute gemeinhin gangigen und von bestimmten Kraften immer noch verbreiteten Vorstellungen bezuglich der Quellen, Initiatoren und Hauptopfer dieses Konfliktes und der nachfolgenden armenischen Aggression gegen Aserbaidschan. Ein weiteres Ziel des Autors ist die Untersuchung des tatsachlichen Herganges der Ereignisse vor dem Konflikt und der Besetzung der aserbaidschanischen Territorien wahrend des anhaltenden Konfliktes. Die rekonstruierte Reihenfolge der wirklichen Ereignisse und Handlungen ist ein wirksameres Gegenmittel gegen die nicht adaquaten und zuweilen auch schlicht unwahren politischen Deklarationen, ideologischen Skizzen und pseudotheoretischen Konstruktionen. Der Autor ist tiberzeugt, dass es im 21. Jahrhundert moglich ist, bei d er Vorherrschaft der Vem unft iiber die Emotionen und Instinkte, ausschlieBlich eine politische Friedenslosung dieses und anderer ahnlicher Konflikte zu erreichen. Verhandlungen, bei denen eine Partei nicht au f eine solche Beilegung des Konfliktes abzielt, haben 2 Vgl.: Gottfried Hannes, Rezension des Buches von Thomas Engelke iiber Berg-Karabach in: Osteuropa, 2000, N 2, S. 228. 7 keine Erfolgschancen, obwohl auch in diesem Fall die Kontakte zwischen den Verhandlungspartnem nicht abbrechen sollten. Die Fortsetzung des Konfliktes zwischen Armenien und Aserbaidschan kann - auch wenn er im konservierten (,,eingefrorenen“) Unlosbarkeitszustand ist - nicht nur zur Destabilisierung von Aserbaidschan und Armenien, sondem auch der gesamten Region und zu neuen Kriegshandlungen fuhren. Inzwischen ist - vemiinftiger guter Wille bei alien beteiligten Parteien vorausgesetzt - eine Vielzahl von Varianten der friedlichen Losung dieses Konfliktes moglich. Die vorliegende ist die erste von mehreren geplanten Arbeiten iiber die Geschichte der Khanate von Aserbaidschan und ihrer Schicksale vom Ende des 18. Jahrhunderts bis zur ersten Halfte des 19. Jahrhunderts. Inwieweit es dem Autor gelungen ist, seine Absicht in der ersten Arbeit zu realisieren sei dem Urteil des Lesers anheim gestellt. Der Autor wunscht dem Leser, dass ihm die Lektiire dieses Textes genau so viel Spa/3 macht und er genau so viele Uberraschungen erlebt wie der Autor beim Schreiben des Textes. Als Optimist hoffe ich, dass diese Studien von der Expertengemeinschaft und der lesenden Offentlichkeit unerschrocken gelobt, getadelt und kritisiert - und moglicherweise auch (der Traum jedes Verfassers) - zitiert werden. Anlasse dafiir gibt es mehr als genug. Die Sache ist die, dass diese Studien auch eine bewusste, wie ich hoffe, haltbare Provokation enthalten, die einen selbst und den Leser aufriitteln und dazu veranlassen soil, die iiblichen Stereotypen aufzugeben. Einige Wiederholungen, die bei dem abrisshaften Charakter der Arbeit unausweichlich sind, moge der Leser dem Autor verzeihen. Uber die strukturellen Besonderheiten der Arbeit: Bei der Zusammenstellung werden Quellen herangezogen, die dem Autor bezuglich der Interessen Armeniens und Aserbaidschans als neutral erschienen sind, wie auch offensichtlich oder nicht offensichtlich tendenziose Quellen, die die Interessen einer Konfliktpartei zum Ausdruck bringen. Dies betrifft auch andere Unterlagen wie Skizzen, Tabellen (aserbaidschanische, armenische, russische, franzosische, deutsche u.a.) usw. Ihre Gegenuberstellung gibt erganzende, hinlanglich objektive Informationen, die sich von den Textinformationen unterscheiden, nicht nur uber den Charakter des Konfliktes zwischen Aserbaidschan und Armenien, sondem auch iiber Aserbaidschan und Berg-Karabach selbst. Die handschriftlichen Quellen und anderen Texte in tiirkischer, aserbaidschanischer und persischer Sprache wurden mit Hilfe von Ubersetzem verwendet. Die zahlreichen recht langen Abschweifiingen und stellenweise auBerst ausfiihrlichen Abhandlungen diirften nach Meinung des Autors nicht nur den sachverstandigen Leser iiberzeugen, sondem auch dem weniger vorbereiteten Leser eine Vorstellung iiber den historischen, politischen und kulturellen Hintergrund der beschriebenen Ereignisse geben, was dem Leser ein besseres Verstandnis der engen Einbindung der aserbaidschanischen Staatsgebilde der Neuzeit und der jungsten Geschichte in die Weltgeschichte und die eigentlichen Geschehnisse innerhalb und auBerhalb von deren Grenzen erlauben diirfte. Diese Arbeit zieht haufig historische und politische Dokumente und unterschiedliche Quellen des 20. (vor der sowjetischen Periode) und des 19. Jahrhunderts heran. Sie ermoglichen in beachtlichem Umfang die Loslosung von der sowjetisch-kommunistischen Darstellung der Ereignisse des untersuchten Zeitraums und deren grob einseitiger Interpretation.3 Der umfangreiche chronologische Teil der Arbeit erlaubt, wenn auch in verkiirzter Form, diese Ereignisse aufzuzeigen, die in dieser Arbeit aufgrund ihres Umfangs nicht gesondert betrachtet werden konnten, obwohl das Wissen darum fur das Verstandnis des historischen Zusammenhangs und der Tendenz der Bewegung der Geschichte unverzichtbar ist. 3 Die Hauptsache ist, dass in den Ausfuhrungen keine offensichtlichen Widerspriiche zu den wissenschaftlich erharteten (verifizierten und zu verifizierenden) Fakten enthalten sind. Zur Interpretation dieser Fakten ist jeder ehrliche Forscher von seinem Standpunkt aus berechtigt und verpflichtet. Ein Beispiel: Wenn die Geschichte Russlands bei Karamsin in einem bestimmten Licht dargestellt wird, bei Solowjow in einem anderen, bei Kljutschewskij wieder in einem anderen, bei den Historikem der sowjetischen Periode nochmals in einem anderen, und bei den Historikem der postsowjetischen Periode wiederum in einem anderen, von welcher universellen Interpretation zuverlassiger historischer Fakten kann man dann sprechen? Wir konnen im Prinzip nur auf einem bestehen - auf der Wahrheit der durch Dokumente erharteten Fakten. A lles andere muss als Wahrhaftigkeit oder Unwahrheit oder als Irrtum interpretiert werden. Und die Wahrhaftigkeit ist bekanntlich, genauso w ie auch die Unwahrheit - im Gegensatz zur objektiven Wahrheit - bei jedem individual. 9 Eine grundlegende Eigenschaft historischer W erke ist die unvermeidliche stilistische Zweideutigkeit, die sich entweder in der Subjektivitat widerspruchlicher Aussagen ausdriickt, oder aber in der gegensatzlichen Bewertung dieser Aussagen. Deshalb enthalten fast alle haltbaren geschichtlichen Arbeiten Elemente des Paradoxen. Die detaillierte Chronologie tragt dazu bei, diese zu reduzieren. Und das Fehlen einer Chronologie verleiht einer historischen Arbeit den Charakter eines willkiirlichen Urteils. Damit dem Leser nicht die eigene unvermeidlich subjektive Meinung des Autors ,,aufgedrtickt“ wird, werden an vielen Stellen Dokumente, Augenzeugenberichte, Ausziige aus Briefen und Memoiren u.a. ohne ausffihrliche Kommentare zitiert, was dazu beitragen kann, die unvermeidlichen Anschuldigungen der Parteilichkeit, denen der Autor wahrend seiner Vortrage bereits mehrfach begegnet ist4, zu entkraften. Es ist auch die Biografie der Zeugen zu berucksichtigen. Dabei, wie sich die direkte Reaktion auf eine Konfliktsituation bei einem Menschen bildet, der in einer Professorenfamilie aufgewachsen ist, und bei einem Menschen, der durch jugendliche Austragungen von Hofstreitigkeiten gepragt wurde, gibt es groBe Unterschiede. Der in dieser Arbeit angefuhrte Wortlaut des Traktates von 1805 sowie die Liste der Herrscher von Irewan sind eine direkte ,,Lektion“ in Geschichtsfalschung. Die Aufnahme der Teile „1st die Lage ausweglos? Zu den Moglichkeiten ihrer friedlichen Losung“ und die „Bilanz ziehenden Anmerkungen zu moglichen Kompromissen in den Verhandlungen zwischen Armenien und Aserbaidschan“ in die ,,Studien“ entspringt der festen Uberzeugung des Autors dariiber, dass in der gegenwartigen Situation im Siidkaukasus auch ein ,,schlechter“ Frieden (W affenstillstand) besser ist als ein ,,guter“ Krieg (groBe bewaffnete Auseinandersetzung) und dass das Verhandlungspotential bei der Suche nach einer friedlichen Losung des Problems fiir eine Kompromiss-Annaherung der Konfliktparteien noch langst nicht ausgeschopft ist - weder in seinen moglichen Formen, noch dem Inhalt nach. 4 Bekanntlich gibt es fur alles zwei Standpunkte: den eigenen und einen falschen! Weshalb soli ich dem Leser meinen eigenen Standpunkt aufdrangen? Moge er dieses Buch lesen und uber die Korrektur seines Standpunktes nachdenken. 10 Die Dokumente der UNO und die zeitgenossischen volkerrechtlichen Fragmente werden hauptsachlich zur korrekten Bewertung des Problems der Besetzung des Territoriums eines Nachbarstaates, der Rechte der Zivilbevolkerung wahrend bewaffneter Konflikte vor und seit Entstehung der UNO angefuhrt. Das wiederholte Erinnem an einige Ereignisse, Daten und Schicksale historischer Personlichkeiten in den verschiedenen Studien, aus verschiedenen Griinden und gestutzt au f verschiedene QueJlen, tragt nach Erachten des Autors zur Steigerung der Objektivitat der Einstellung bei ihrer Betrachtung und Interpretation bei. Aus jedem historischen Ereignis konnen unendlich viele Lektionen gelemt werden - oder keine! Wie kompliziert hinsichtlich der Informationen ist jedes historische Ereignis im Unterschied zu einem Naturereignis. Historische Ereignisse diirfen nicht ,,einseitig“ ausgelegt werden. Die Vielschichtigkeit ihrer Deutungen ist in ihrer Natur als nicht naturwissenschaftlichem Phanomen begriindet. Die Ideologen ziehen den Schluss, die Geschichte sei nur die Summe der verschiedenen Standpunkte und Erklarungsmethoden.5 Meine Schlussfolgerung aus diesem Umstand: in der faktischen Geschichtswissenschaft spielt eine zuverlassige Faktologie eine viel groBere Rolle als bei den Naturwissenschaften. Daraus erklart sich die Konzentration auf die Fakten in der vorliegenden Studie. Die Transkription der Namen und geographischen Bezeichnungen ist in den verschiedenen Quellen sehr unterschiedlich, und ich musste die mir am besten erscheinenden wahlen oder Varianten zitieren. Die hinlanglich weitschweifigen Erlauterungen zu einigen Namen und geographischen Bezeichnungen sind durch die notwendigen Gegeniiberstellungen der armenischen und der anderen Interpretationen dieser Namen, geographischen Bezeichnungen und deren Geschichte, wie sie sich nach den vorhandenen Dokumenten tatsachlich entwickelt haben, bedingt. Ein eindriickliches Beispiel dafiir sind 5 Fur die Ideologen ist die Vergangenheit keineswegs nicht voraussagbar. Ganz im Gegenteil - sie ist sogar sehr voraussagbar, aber veranderbar. Fiir die Ideologen ist die Vergangenheit ein sehr plastisches, sozusagen bewegliches, sogar flussiges Medium. Und sie nimmt bekanntlich, wenn man sie in ein geschliffenes Glas gieBt, die Form des Glases an, und in eine Amphore gegossen nimmt sie deren Form an. Deshalb sind wir keine Ideologen! 11 die drei Bezeichnungen des Flusses Bortschala6 in den verschiedenen Gebieten, die er durchfliefit. Einige Worte zu den methodologischen Voraussetzungen fur die Entstehung dieses Textes. Der Autor geht davon aus, dass die Teilung der sogenannten Naturwissenschaften in einen beobachtend-experimentellen und einen theoretischen Teil m it einigen Korrekturen auch auf die sogenannten Gesellschaftswissenschaften anwendbar ist. Und hier ist ein Teil der wissenschaftlichen Tatigkeit, der eher beobachtend-experimentell ist, den man als ,,Forschung“ bestimmen kann, als Tatigkeit, die die faktologische Basis fur die weitere ,,Lehre“ und Schaffung von Theorien zur Verfiigung stellt. Der vorliegende Text ist, wie der Autor hofft, eine Einheit aus ,,Forschung“ und ,,Lehre“ . Das historische Wissen wird nicht zufallig standig uberholt: jede Epoche stellt der vorausgehenden neue Fragen. Und eine Epoche kann nicht nur hundert, sondem auch 20 oder selbst fiinfzehn Jahre umfassen. Die Sicht des Konfliktes zwischen der Republik Armenien und der Republik Aserbaidschan im Jahre 1994 und seine Sicht in 2008 sind grundlegend verschieden: Die Sicht basiert in 2008 auf Informationen, die dem Beobachter 1994 nicht zuganglich waren. Hat man es mit ideologischen Mythen oder mit auf ideologischen Grundlagen beruhenden, fest verteidigten Hypothesen zu tun, die im Widerspruch zu den bekannten fundamentalen Fakten stehen, bekommt man die Uberzeugung, dass man auf offene, unerklarliche Klappen des menschlichen Unterbewusstseins gestoBen ist. Diese Mythen sind trotz ihrer Attraktivitat fur die interessierten Parteien genau so gefahrlich wie angeregter Kernbrennstoff. Der gesunde M enschenverstand ist bei ihnen, gelinde gesagt, in Mitleidenschaft gezogen und es finden sich immer Radikale, die bereit sind, diese Mythen immer und immer wieder zu verwenden. Es gibt auch einen objektiven Grund fur die Langlebigkeit dieser Mythen: a u f einem bestimmten Entwicklungsniveau jeder Wissenschaft, auch der Geschichtswissenschaft, konnen aus den vorhandenen, erlangten, offentlichen oder unverfelschten Fakten streng 6 Die Bortschala ist ein rechter Nebenfluss des Flusses Chram, der zunachst in den Fluss Kura miindet. Am Oberlauf heisst die Bortschala Bambak, nach seiner Wendung nach Norden wird der Bambak Debeda genannt, und nach dem Zusammenfluss mit dem Fluss Kamenka, der die Lorinische Steppe bewassert, erhalt die Debeda den Namen Bortschala. 12 logisch beliebige, auch einander diametral entgegengesetzte Schliisse gezogen werden. Diese Studien flihren viele Beispiele fur auf diese Weise erlangte Schlussfolgerungen an. Die einzige Medizin gegen diese N ot ist die weitere Aufdeckung der historischen Fakten und das Liiften der Decke der Geheimniskramerei, der Fleuchelei, der iibertriebenen „political correctness" oder der direkten Falschung der bereits bekannten Fakten. In diesen Studien baue ich auch auf den menschlichen Wesenszug, der das ewige Schweigen iiber irgendetwas oder das teilweise Verschweigen einer Sache ganzlich unmoglich macht. Man kann die ,,Schweigenden“ oder die ,,Verschweigenden“ dabei ertappen, woriiber sie sich ungewollt verplappern; man kann bemerken, woriiber und weshalb sie schweigen; man kann sich einigermaBen genau ausrechnen, was sie veranlasst, gerade so zu sein u. a. Viele Falle dieses Verschweigens gelangen iiber die ,,Offnung“ bisher verschlossener staatlicher oder privater Archive plotzlich in den Besitz der wissenschaftlichen Offentlichkeit, auch wenn sie sich nicht immer zur Veroffentlichung ,,eignen“.7 In den Disputen (nicht wissenschaftlichen Abhandlungen, wohlgemerkt) um die Konflikte wird nicht selten die Methode der Diskreditierung der Quelle angewandt. Vom Standpunkt dieser Auffassung (nicht Logik, wohlgemerkt) aus, ist eine Information nicht iiberzeugend zu widerlegen, sondern es ist danach zu streben, die Informationsquelle zu diskreditieren. Als ,,schlecht“ konnen dabei beliebige Quellen verleumdet werden: sowjetische, aserbaidschanische, von Vertretem der ,,falschen“ historischen Schule erstellte, vor einer bestimmten Zeit ans Licht gekommene und so weiter und so fort. 7 Man kann sich vorstellen, welche Gefuhle fur viele bekannte Namen der russischen Kultur die Offnung und Veroffentlichung des Privatarchivs von Jakob Samuilowitsch Agranow (1893-1937) hervorgerufen hatte. Und welche auBerst interessanten Daten sich im Istanbuler Archiv (eigentlich eine Sammlung vieler Archive) befinden, die von Ernst Schneeberger in Form von Makulatur gekauft und in die Schweiz gesandt wurden. Weder in der aserbaidschanischen noch viel weniger in der armenischen Literatur fand ich zu dem in diesem Buch behandelten Thema Hinweise auf dieses Archiv. Ich fand auch im ,,Tbilisser“ Archiv des georgischen Zweigs der Familie Florenskie keine Hinweise und Verweise darauf. Dies betrifft auch das Archiv der hettitischen Konige, die in Chattusas-Bogaske in der Nordturkei aufbewahrt werden. Vgl.: Stefan Sigerist. Schweizer in Agypten, Triest und Bulgarien. Selbstverlag Stefan Sigerist. Schaffhausen 2007. 13 Eine solche Einstellung trifft man leider auch haufig beim Studium des Konfliktes zwischen Armenien und Aserbaidschan an.8 Und sie beeintrachtigen sogar stark das Bemiihen um Unparteilichkeit. Viele Jahrzehnte dauerte die Periode der starken ideologisch bedingten Luge in der gesamten sowjetischen Geschichtsschreibung und insbesondere beziiglich des Siidlichen Kaukasus an. Und das ,,Abtragen“ dieser unvorstellbaren Berge der gewissenhaften Irrtiimer, die durch den begrenzten Zugang zu den Quellen bedingt sind und durch glatte Liigen, deren Ursache im politischen Engagement liegt, wird viele Jahre dauem. Der Grofiteil des Textes dieser Studien wurde vor fast zwei Jahren geschrieben. Dass seit dem Schreiben bis zur Veroffentlichung so viel Zeit vergangen ist, kiimmert den nicht unter Zeitdruck stehenden Autor nicht. Wenn vom Zeitpunkt der Begeisterung iiber eine fertige Oberzeugung bis zu ihrem offentlichen Erscheinen hinlanglich viel Zeit verstrichen ist, beginnt man bereits mit anderen Gedanken zu leben, andere Quellen zu erkunden, andere Menschen zu treffen und die eigene Eignung, das bereits Geschaffene objektiv zu bewerten, wachst und damit auch die Moglichkeit der Selbstkritik. Diese Zeit der eigenen ,,Entfremdung“ von einem bereits geschriebenen beliebigen Werk, erweist sich haufig als sehr niitzlich, wenngleich auch nicht sehr angenehm - wie die meiste wirksame Medizin. Einer der am weitesten verbreiteten Fehler beim Studium der Geschichte und Kultur ist die Annahme, dass die M enschen, die Tausende von Jahren vor uns gelebt haben, oder selbst zweihundert oder hundert Jahre, genauso dachten wie wir. Um diese Menschen zu verstehen, muss man ihre Handlungen und die Umstande untersuchen, in denen sie lebten. Denn auch wenn man sich in einen konkreten Historiker hineinversetzen muss, denkt doch keiner so, wie dieser konkrete Historiker, sondem jeder denkt a u f die ihm eigene Weise. Wie viel mehr trifft das dann auf andere Epochen und Kulturen zu! Ich folge der Aristotelischen Tradition, jed e Forschung “mit einer Geschichte des Problems” einzuleiten oder zu begleiten. Aber nicht nur das: M an muss den “Lebenszyklus” der Ereignisse beschreiben, ihre historischen “Vorfahren” (die gibt es fast immer), ihre “direkten 8 Bei einer intemationalen Konferenz 2007 machte mich beispielsweise ein armenischer Experte darauf aufmerksam, dass ich Karten benutze, die in Archiven in Baku aufbewahrt werden! 14 Anstifter” und die wichtigsten Vertreter des Zyklus kennenlemen, die auf das Epizentrum und die Peripherie hinweisen. Die Forderungen, der Autor miisse ethische und asthetische Bewertungen vermeiden und stets vollig unvoreingenommen bleiben, teile ich aufgrund ihrer Unerfullbarkeit nicht. Aber die eigene Voreingenommenheit erkenne ich an und bin bemiiht, sie nach meinem schwachen Vermogen zu begrenzen. Eine grofie Bedeutung bei jed er historischen Forschung hat die Beriicksichtigung der Einschatzungen von Zeitgenossen: sie ermoglichen es dem Autor, eine eigene Optik des “heimlichen Betrachters” zu konstruieren und nebenbei auch die W ahmehmung der Leser „vorzuformen". Kraft des letzteren Umstandes habe ich mich bemiiht, diese Einschatzungen nicht zu missbrauchen. Mich interessiert an der Vergangenheit hauptsachlich das, was heute und morgen fur uns lehrreich sein kann. Und natiirlich ist da auch die Neugier, zur Erweiterung der eigenen Lebenserfahrung einen Blick au f die Generationen der Vergangenheit zu werfen. Je mehr wir iiber eine konkrete Geschichtsepoche wissen, desto einzigartiger und unwiederholbarer ist sie. Und desto schwieriger ist es, aus diesem „epochalen Wissen“ allgemein gtiltige Schliisse zu ziehen. Das darf bei geschichtlichen Vergleichen nicht vergessen werden. Faktische Fehler bei einer Kritik beziiglich faktischer Fehler ermuntern mich genauso wie Druckfehler in einem Artikel iiber Druckfehler. Autoren sind bei Fragen, die die Defizite der eigenen Werke betreffen, immer parteilich und oft „blind". Der ungerechtfertigte Anspruch der Kritiker erscheint ihnen iibertrieben und nur was guten Gewissens geschrieben ist, kann im Prinzip das Bessere sein, was in der Vergangenheit geschaffen wurde. Dabei vergessen diese Autoren, dass das Bessere heute, selbst wenn es auch tatsachlich besser ist, nicht etwas Vollkommenes, nicht zu Verbessemdes bedeutet. Ich betone hiermit, dass ich nicht zu diesen Autoren gehore! Nach Fertigstellung dieser Studien kamen die Kollegen, die diese als M anuskript gelesen hatten, fast einstimmig zu dem Schluss, dieses W erk sei sowohl als Nachschlagewerk als auch als Leitfaden zum Studium des Problems fur Anfanger geeignet. Der Autor hat keine Einwande gegen diese Auffassung. 15 2. Zur Geschichte Kaukasisch-Albaniens, des Beyliks Gjandscha (Ganca)-Karabach, des Khanats Kara­ bach und der Meliktumer von Karabach bis zum Ende des 18. Jahrhunderts9 „Der Grojiteil der geschriebenen Geschichte wurde von den Siegern zusammengestellt. “ Je. Schachanow Die Vorfahren der aserbaidschanisch-ffirkischen Stamme sind zahlreich. Genannt seien nur die Kimmerer (Kimmerier), die Skythen (die aus den Vorbergen des GroBen Kaukasus in dessen ostlichen Teil kamen) und die Saken (aus Zentralasien). 627 v. Chr. starb der letzte groBe assyrische Konig Assurbanipal, und es entstand der neue Staat Medien. ,,Medien“ wurde das historische Gebiet im nordwestlichen Teil der heutigen iranischen Hochebene genannt.10 Von den 70er 9 Vgl.: zu den altesten Zeugnissen der Geschichte Aserbaidschans: Abriss 3. Die historischen und kulturellen Denkmaler von Kaukasisch-Albanien und des Nordlichen Aserbaidschan des Mittelalters. Die allgem eine Geschichte Kaukasisch-Albaniens vor dem Einfall der Araber wird im Werk des franzosischen Forschers Constant gut beleuchtet. Vgl.: Constant Antoine. L'Azerbaidjan. Paris 2002, Editions Karthala. Chapitre 2. De L’Albanie du Caucase a la conquete arabe, S. 39-68; Trewer K.W. Otscherki po istorii i kulture Kawkasskoj Albanii IV w. do n.e. - VII w.n.e. (Studien uber Geschichte und Kultur von Kaukasisch-Albanien, 4. Jh. v. Chr.-7. Jh. n.Chr.) Moskau - Leningrad 1959; „Istorija Iranskogo gosudarstwa i kultury. К 2500letiju Iranskogo gosudarstwa" (Geschichte des iranischen Staates und der iranischen Kultur. Zur 2500-Jahrfeier des iranischen Staates), Moskau, 1970; Iljas Babaew. Kogda natschali tschekanit monety w drewnem Aserbajdschane? (Wann begann die Pragung von Geld im alten Aserbaidschan?) In: IRS Nasledie, Nr. 1, 2007, S. 4-6. 10 Bis zum Kaspischen Meer drang Medien nicht vor, da es davon durch die Stamme der Kaduseer, Amarden u. a. abgeschnitten war. Das Land teilte sich in das eigentliche Medien oder GroB-Medien und Antropatene (Aser­ baidschan). Die Bewohner, die Arier, zerfielen nach Herodot in sechs Stamme. Die wichtigsten Beweisquellen uber Medien sind die Chroniken der Assyrer und Inschriften der babylonischen Konige (Nabonids). W ichtige Aufschlusse uber Medien geben die antiken Klassiker (Herodot, ,,Istorija“, L., 1972; Strabon, “Geografija“, М., 1964; Die ersten zuverlassigen Berichte iiber Medien datieren aus dem 9. Jahrhundert v. Chr. Der assyrische Konig Rammanirari III. erwahnt in seinen Inschriften unter den Urvolkem die Madai (Einwohner Mediens). Bei den Griechen wurde Medien oft mit dem Namen 16 Jahren des 7. bis zur Mitte des 6. Jahrhunderts v. Chr. war Medien ein Konigreich mit der Hauptstadt Ekbatan. Seine Blutezeit erreichte dieser Staat unter Herrscher Kiaksar. In den Jahren 550-549 v. Chr. vermochte der Staat der M eder nach der Besiegung durch den persischen Herrscher Kyros II. im letzten Viertel des 4. Jahrhunderts v. Chr. wieder zu erstarken, jedoch wurde das Gebiet 331 v. Chr. von Alexander dem GroBen erobert. Einer der groBten Fuhrer der Meder, Atropates, gab der Uberlieferung zufolge der Region, die sich bis zum Kaspischen Meer erstreckt, den Namen, der bis zum heutigen Aserbaidschan viele Veranderungen durchlaufen hat (griech. Atropatene, arm. Atrapatakan, neupersisch Adarbayjan). Diesem Atropates gelang es nach dem Tod Alexanders des GroBen, einen unabhangigen Staat zu griinden, dessen Staatsreligion der Zoroastrismus war. Von 65 bis 36 v. Chr. war ein groBer Teil des heutigen Territoriums der Republik Aserbaidschan, einschlieBlich Kaukasisch-Albanien von den Romem besetzt.11 In der Antike wurde das Kaspische M eer auch als Albanisches Meer bezeichnet und man vermutete (Hekataios), dass es mit dem nordlichen Ozean oder (Alexander d. Gr.) dem Asowschen Meer 12 verbunden ist. Im 3. und 4. Jahrhundert n. Chr. kam Nord-Aserbaidschan, einschlieBlich dem Kaukasisch-Albanien, unter die Herrschaft der Achaemenider. In dieser Periode entstanden zahlreiche befestigte Stadte: Scham chor13, Schemacha, Barda, Gjandscha (Ganca), Ardabil, Baku14 u.a. Ab dem 4. Jahrhundert n. Chr. beginnt in KaukasischPersien bezeichnet. Mit der Eroberung durch die Romer (Ende des 1. Jahr­ hundert v. Chr.) existiert Atropatene Medien nur als geographische Bezeichnung. " Die interessantesten Berichte uber die Fruhgeschichte von Antropatene (Aserbaidschan) und Persien finden sich in „Eranische Alterthumskunde“, Leipzig 1873; E. Noldeke. Aufsatze zur Persischen Geschichte, Leipzig 1887 und J. Winkler. Zur medischen und altpersischen Geschichte. In: „Lfntersuchungen“, 1889 zitiert. 12 Vgl.: Lexikon der Antike. Bibliographisches Institut, Leipzig 1987, S. 287. 13 Danach Anneno, dann Annenfeld. Stadt und Bahnhof in der Aserbaidschani­ schen Republik, in der Nahe der Stadt Gjandscha gelegen. Der Schamchor ist ein rechter Nebenfluss der Kura. 14 Der Name Baku ixler Rakn-ie-kammt ixochiitwahrscheinlich aus dem per­ sischen ,,badkube“, dararf ist* dass die hiesigen starken Nortlwestwinde ^cit langem bekannf' sind. Die Stadt oder ! I P R E Z iD E N T X i T A B X A N A S i ]7 Albanien die Verbreitung des Christentums, Vom 4. bis zum 6. Jahrhundert n. Chr. erschienen im Gebiet von Nord-Aserbaidschan die Hunnen, die Hasaren und andere Stamme aus Zentralasien und der Eurasischen Steppe.15 Als im 12. Jahrhundert die Byzantiner in die Region kamen, siedelten die kaukasischen Albaner in die Berggebiete der heutigen Region Berg-Karabach von Aserbaidschan um und grundeten unter der Herrschaft des Dschewanschir (638-670) in der Folge dort einen christlichen Staat, dessen wichtigste Festung Girdiman war. Nach den arabischen Eroberungen Ende des 7. Jahrhunderts wurde Nord-Aserbaidschan in eine groBe Provinz mit dem Nam en Aserbaidschan eingegliedert, die drei Emirate umfasste: Schirwan, M ughan und Arran (das ehemalige Kaukasisch-Albanien). Die iiberwaltigende Mehrzahl der Bewohner dieser Region wurde islamisiert. Eine Ausnahme bildeten einige Dorfer oder Gebiete, die von Albanem, sogenannten „tatosprachigen Juden“, Christen, Zoroastristen und Manichaem bewohnt wurden. Vom 8.-9. Jahrhundert sind vereinzelt Aufstande gegen die arabische Herrschaft zu verzeichnen, unter denen der bekannteste der Aufstand unter Fiihrung des Babek (816-837) ist. Es entstanden auch viele sektiererische Bewegungen, die den klassischen arabischen Islam an die ortlichen Anforderungen und Bedingungen ,,angepasst“ hatten. Im eine groBe Siedlung existierte hier bereits bei den Sassaniden. Ab dem 8. Jahrhundert herrschten hier die Araber, dann die Khane von Schirwan, nach ihnen die Safawiden. 1723 ergab sich Baku nach langer Belagerung dem russischen Admiral Matjuschkin und wurde dem Russischen Reich angeschlossen, kam jedoch 1735 erneut an den Safawiden-Staat und wurde von Khanen regiert, den Schiitzlingen des Kadscharen-Staates, der den Safawiden-Staat 1736 abloste. 1796 war die Stadt unter der Herrschaft des russischen Grafen Subow, und Gusein-Kuli-Khan von Baku legte einen Eid auf die staatliche Zugehorigkeit zu Russland ab, ging jedoch spater erneut an den Kadscharenstaat. A ls nach der Angliederung des Fiirstentums KartliKachetien im Jahre 1806 bei Baku russische Truppen auftauchten, erklarte sich der Khan zum Schein zur Aufgabe der Stadt am 8. Februar 1806 bereit. Bei der Ubergabezeremonie wurde der russische Oberbefehlshaber Furst Zizianow hinterhaltig ermordet, enthauptet, und sein Haupt wurde dem Schah des Kadscharenstaates ubersandt. Die Stadt ergab sich den russischen Truppen am 3. Oktober 1806 und wurde nach der Flucht des Khans Verwaltungszentrum des Russischen Imperiums und im Jahre 1859 Gouvemementshauptstadt. 15 Vgl.: z.B. L.H. Gumilev, Drevnije turki (Uralte Tiirken). Sankt Petersburg, SEKEO ,,KristaH“, Moskau AST 2002. 18 9.-10. Jahrhundert zerfiel Nord-Aserbaidschan in zahlreiche Staatengebilde, die formal einem Kalifat unterstanden, jedoch faktisch autonom waren. Die Schirwanschahs regierten aus der Hauptstadt Schemacha das Land zwischen Derbent und Kura, ihre Vasallen waren die Herrscher von Gabala oder Gebele, Scheki oder Scheka und Karabach. Ab 1027 bis 1382 regierte in Schirwan die Dynastie der Kesraniden. Diese Dynastie musste sich in den einzelnen Geschichtsabschnitten sowohl der Alanen, die von Norden einfielen, als auch der Turkmenen-Oghusen, die von Osten eingefallen waren, und der Rusen, die die Kiiste des Kaspischen Meeres ausgeraubt hatten, erwehren. Im V erlauf dieser territorialen Auseinandersetzungen wurde Schirwan stark verkleinert. Nach der Eroberung von Tabris durch die Seldschuken im Jahre 1054 begann die rasche Erstarkung ihres kulturellen Einflusses auf die Bevolkerung des Territoriums der heutigen Republik Aserbaidschan. In den groBen Stadten und in den anderen wichtigen Orten wurden die Dialekte der iranischen Sprache zunehmend vom Aserbaidschanisch-Turkischen verdrangt. Aber die persische (iranische) Sprache, die beim einfachen Volk in Vergessenheit geriet, blieb nach wie vor die Sprache der herrschenden Oberschichten und der Dichter, beispielsweise bei Nisami. Im 13.-14. Jahrhundert kam die Region unter die Herrschaft der Dynastie der Hulagiden, die bis 1385 herrschten, als sie von den turkischen Einheiten des Timur vertrieben wurden. Unter der Fiihrung des Herrschers der Kisilbasch, Schah Ismail I. (1487-1524), begann ein neuer Eroberungsfeidzug der Kisilbasch aus Gilan. Im Jahre 1501 eroberten die Kisilbasch Tabris, und gegen 1514 herrschten sie iiber die riesigen Territorien von den Grenzen des Osmanischen Reiches bis nach Afghanistan. In der zweiten Halfte des 16. Jahrhunderts fiel Nord-Aserbaidschan erneut unter die Herrschaft des Osmanischen Reiches, bis sich die Kisilbasch in den Jahren 1603-1607 Schirwan wieder zuriickholten. Bis zum Zerfall des Safawidischen Reiches 1722 gehorte Aserbaidschan zu diesem Imperium. Der erste persische Herrscher w ar Luksch Kerim-Khan Sent. Unter Peter dem GroBen untemahm Russland in den Jahren 1722-1723 einen Feldzug an die Westkiiste des Kaspischen M eeres, war aber schon nach einigen 19 Jahren (1728-1734) unter dem Ansturm des Osmanischen Reiches16 und des Safawiden-Staates, zwischen denen die halbautonomen ortlichen Khane lavierten, zum Riickzug gezwungen. Im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts wurden 11 nordaserbaidschanische Khanate russisches Hoheitsgebiet. Nach dem Krieg zwischen Russland und Persien in den Jahren 1804-1813 fielen die nordaserbaidschanischen Khanate Gjandscha (Ganca), Karabach, Schirwan, Kuba, Derbent, Scheka und Baku an Russland. Nach dem Russisch-Persischen (Kadscharischen) Krieg von 1826-1828 folgten die Khanate Lenkoran, Talysch, Nachitschewan und Eriwan. Der Vertrag von Turkmantschai zwischen Russland und dem Kadscharenstaat von 1828 zog die Grenze zwischen diesen Staaten entlang des Flusses Araxes (Aras) und machte die Aserbaidschaner wieder zu einem geteilten Volk. M it dem Ziel der Schaffung einer christlichen ,,Pufferzone“ im siidlichen Kaukasus forderte die russische Regierung organisatorisch und fmanziell die planmaBige Umsiedlung der Armenier aus dem Osmanischen Reich und dem Kadscharenstaat (Persien) in das Land nordlich und nordostlich des Araxes. Zur planmafiigen Umsiedlung kam auch eine beachtliche spontane, unvorhergesehene Umsiedlung der Armenier aus diesem und anderen Landern in das Russische Reich. Gegen 1846 wurden im Transkaukasus bereits iiber 200.000 Armenier gezahlt, und gegen 1915 waren es hier schon rund 1,7 M illionen.17 Russland starkte seine Macht im Transkaukasus zunachst durch eine M ilitarverwaltung, danach durch Umgestaltungen in Zivilverwaltungen und durch Einbeziehung der moslemischen Aristokratie (der Khane, Beys u.a.) in das bestehende Machtsystem. 1846 wurde die moslemische Aristokratie rechtlich dem russischen Adel gleichgestellt. In den Jahren 1864-1871 wurden im gesamten Territorium von Nord-Aserbaidschan auch einige Einschrankungen fur die Bauem 16 Der Vorlaufer der modemen Republik Tiirkei war das 600-jahrige Osmanische Reich. Gegriindet im 13. Jahrhundert und mit seiner Bliitezeit im 16. Jahrhundert unter Suleiman I. dem GroBen, umfasste es europaische und afrikanische Lander sow ie Lander des Nahen Ostens. Im Jahre 1923 wurde nach dem Sieg der nationalen Befreiungsbewegung (1918-1923) unter der Fuhrung von Mustafa Kemal die Republik Tiirkei ausgerufen. 17 Vgl.: Imranli Kamala. Tschjomaja sudba tschjom ogo sada (Das schwarze Schicksal des schwarzen Gartens). Ladamir, Moskau, 2006. 20 aufgehoben. Ab 1872 floss auslandisches Kapital in die Region durch die VerauBerung von staatlichem Land au f Apscheron und die Erteilung von Konzessionen fur die hiesige Olforderung. Bereits 1898 wurde hier die Halfte der Olfordermenge der gesamten Welt gefordert. D er Bau einer Eisenbahnlinie vom Kaspischen Meer iiber Tiflis bis zum Schwarzen Meer im Jahre 1883 und die Schaffung eines stabilen Telefonnetzes im Transkaukasus machten Baku zum wichtigsten Bindeglied Russlands zwischen Europa und Asien. Die Stadt entwickelte sich rasch zu einer multinationalen Metropole mit vielen europaischen Ziigen. Die rasche Industrialisierung, die relativ starke Konkurrenz der Kapitalstrome neben den raschen demographischen Veranderungen, hauptsachlich durch den verstarkten Zustrom der armenischen Bevolkerung aus dem Gouvernement Tiflis, dem Osmanischen Reich nach Baku und andere GroBstadte, flihrten zu einer erhohten Politisierung der Bevolkerung und zu gestiegenen Spannungen in den Beziehungen zwischen den Ethnien. Die W iderspruche trugen sowohl politischen (Handlungen der zaristischen Verwaltung) als auch okonomischen Charakter (verstarkte Konkurrenz seitens des aggressiven armenischen Handelskapitals). Diese Spannungen flihrten bisweilen auch zu bewaffneten ZusammenstdBen recht groBen Ausmafles (1905-1906). Neben den russischen sozialdemokratischen Kreisen entstand (1904) auch die aserbaidschanische Partei (eher eine linkslastige nationale Bewegung) ,,Hummet“ (Energie). Daraus gingen M amm ed Amin Rasulzade und andere Regierende der Demokratischen Republik Aserbsidschan (DAR, 1918-1820), sowie 18 N. Narimanow, der zu dieser Zeit nicht die Mehrheit hatte, hervor. 18 Narimanow Nariman Kerbalaji Nadschaf ogly (1870-1925) war Politiker und Schriftsteller. 1917 Vorsitzender des Komitees ,,Hummet“. 1920 Vorsitzender des aserbaidschanischen Revolutionskomitees, Vorsitzender des Sowjets der Volkskommissare (SNK) der Aserbaidschanischen SSR. Ab 1922 Vorsitzen­ der des Unionssowjets der Transkaukasischen Sozialistischen Foderativen Sowjetrepublik (ZSFSR). D ie Griinde fur seinen plotzlichen Tod in Moskau sind bis jetzt dunkel und unerklart. Seine wichtigsten literarischen Werke sind der Roman „Bahadur i Sona“ (Bahadur und Sona) (1896), die historische Tragodie ,,Nadirschah“ (Nadirschach) (1899), Stiicke, literaturkritische Artikel. 21 1911 wurde die nationaldemokratische Partei „Mussawat" (Gleichheit) gegriindet.19 Diese Partei griindete unter der Fiihrung von Mammed Amin Rasulzade am 28. Mai 1918 die Demokratische Republik A ser­ baidschan (DRA), in der sie Regierungspartei war, bis Ende April 1920 von den Infanteristen der 11. Roten Armee in Aserbaidschan die Herrschaft der Bolschewiken errichtet wurde. Am 5. Juli 1921 wurde unter Garantie seitens der Ttirkei gemaB den Artikeln des M oskauer Abkommens20 die Schaffung der Autonomie von Berg-Karabach beschlossen; am 7. Juli 1923 wurde dieser Beschluss durch bolschewistisches Parteidekret bestatigt. Ab dem 12. Marz 1922 gehorte Aserbaidschan neben Armenien und Georgien zuerst zur Foderativen Union Transkaukasien und ab dem 13. Dezember 1922 zur Foderativen Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken Transkaukasiens, die am 30. Dezember 1922 auch den Unionsvertrag unterzeichnete. Nachitschewan erhielt die Autonomie nach dem Beschluss vom 31. Dezember 1923 auf der Basis des Dekrets vom 9. Februar 1924. Erst nach Auflosung der Transkaukasischen Sozi­ alistischen Foderation (1936) wurde Aserbaidschan eine Unionsrepublik in der Sowjetunion, die Sozialistische Sowjetrepublik Aser­ baidschan. Entscheidende Veranderungen nahm die bolschewistische Herrschaft in Aserbaidschan von der zweiten Halfte der zwanziger Jahre bis zur ersten Halfte der dreiBiger Jahre des 20. Jahrhunderts vor. Das waren: die Massenenteignung von Land; die Umstellung auf das lateinische Alphabet (1927), der A ngriff auf den Islam und die mit ihm verbundenen Traditionen und Institute (1925-1928); die Zwangskollektivierung (ab 1929) und die mit der Industrialisierung 14 ,,Mussawat“ (Gleichheit) ist eine politische Partei in Aserbaidschan. Im September 1918 kam die Partei in der Demokratischen Republik Aserbaidschan (DRA) an die Regierung. Sie regierte bis zur Okkupation des Landes durch die Rote Armee im April 1920. 20 Vgl.: Ilgar Mammadow und Tofik Mussajew. Armjano-aserbajdschanskij konflikt. Istorija. Prawo. Posrednitschestwo. (Der armenisch-aserbaidschanische Konflikt. Geschichte. Recht. Vermittlung.) Tula, Grif i K. 2006. Kapitel 1, Abschnitt 9 „Nagomyj Karabach w sostawe Aserbajdschanskoj Demokratitscheskoj Respublike (Berg-Karabach innerhalb der Demokratischen Republik Aserbaidschan) (1918-1920); Kapitel 2, Abschnitt 2.2 „Nagornyj Karabach w sostawe Aserbajdschanskoj SSR“ (Berg-Karabach innerhalb der Aserbaidschanische SSR). 22 verbundene Umsiedlung von Menschen in groBem MaBstab. In der zweiten Halfte der 30er Jahre des 20. Jahrhunderts fiel fast die gesamte nationale politische und kulturelle Elite Aserbaidschans der stalinistischen Repression zum Opfer. Im Zweiten W eltkrieg keimte die Hoffnung auf Wiederherstellung der Einheit des geteilten aserbaidschanischen Volkes wieder auf. Sowjetische Truppen riickten in den Nordiran ein (August 1941) und es wurde ein „Iranisches Aserbaidschan" proklamiert (D. Gasanly), das sich bis zum Abzug der sowjetischen Truppen (April 1946) hielt.21 Nach dem Krieg wurden in Aserbaidschan viele wichtige Industrieprojekte (Sumgait, Ali Bairamli, Mingetschaur u.a.) realisiert, wahrend die Bedeutung der aserbaidschanischen Erdolforderung fur die UdSSR im Vergleich zu den Fordermengen in den anderen Regionen der Union abnahm. V or 1988 war Aserbaidschan eine der bliihendsten Republiken der UdSSR. Jedoch entstanden durch die Gebietsanspriiche der Armenier seit dieser Zeit immer groBere innere ethnische und soziale Spannungen in der Republik. Diese waren einer der wichtigsten Katalysatoren flir das Erstarken der nationalen Bewegung der Aserbaidschaner. Das Ergebnis war die Entstehung der Nationalen Front Aserbaidschans (am 23. Juli 1989), die am 23. September 1989, am Tag der Proklamation der Souveranitat von Aserbaidschan, aus dem Untergrund kam. In den Jahren 1988 und 1990 gab es an vielen Orten der Republik Unruhen und ZusammenstoBe (im Februar 1988 in Sumgait, im November 1988 in Gjandscha, im Januar 1990 in Baku), denen antiaserbaidschanische Pogrome in Armenien vorausgingen.22 Gewaltige Fliichtlingsstrome gingen aus Armenien nach Aser­ baidschan und aus Aserbaidschan nach Armenien. Die groBte Spannung wegen der Blockade seitens Armeniens entstand im Winter 21 Vgl.: das hervorragende Werk des aserbaidschanischen Professors Dschamil Gasanli „SSSR-Iran: Aserbaidschanskij krisis i natschalo cholodnoj wojny. UdSSR-Iran Die aserbaidschanische Krise und der Beginn des Kalten Krieges, 1941-1946“. Moskau, „Geroi otetschestwa“, 2006, Kapitel VII „Obrasowanie nazionalnogo prawitelstwa". 22 Vgl.: Samuel A. Weems. „Secrets o f a „Christian" terrorist state Armenia. The armenian great deception series - volume 1. St. John Press (Shortened Version), 2007, Chapter six: What Kind o f Christians Are the Armenians. Who Claim to be the First Christian State? Armenian Terrorist Activities. 23 1989/90 in Nachitschewan, einem an den Iran grenzenden aser­ baidschanischen Territorium. Im Januar 1990 marschierten die Truppen der Sowjetarmee in Baku ein, wobei Zivilisten umkamen (rund 170 Tote). Der Parteifuhrer A. Wesirow wurde durch Ajas Mutalibow abgelost, der im Mai 1990 zum Prasidenten von Aserbaidschan gewahlt wurde. Am 6. Februar 1991 wurde die offizielle Bezeichnung des Landes „Republik Aserbaidschan“. Am 30. August 1991 proklamierte A ser­ baidschan seine Unabhangigkeit. Dieser Entschluss wurde vom Parlament am 18. Oktober 1991 bestatigt. Am 21. Dezember 1991 trat Aserbaidschan der Gemeinschaft Unabhangiger Staaten (GUS) bei. Die Eskalation des Konfliktes um Berg-Karabach und der Zerfall der UdSSR trugen zum Riicktritt von A. Mutalibow*’ am 6. Marz 1992 bei, nachdem der Staatsrat, in dem die Nationale Front Aserbaidschans (NFA) eine entscheidende Rolle spielte, die Republik proklamiert hatte. Der Versuch M utalibows (am 14. Mai 1992) wieder an die Macht zurtickzukehren, wurde durch Massendemonstrationen, organisiert von der Nationalen Front, vereitelt. Deren Vorsitzender A. Eltschibei24 wurde (am 7. Juni 1992) zum Prasidenten der Republik gewahlt. Unter ihm trat Aserbaidschan aus der GUS aus und schlug den politischen Kurs der starkeren Orientierung iiber die Tiirkei zum Westen hin ein. Jedoch bewegten sich im Juni 1993 militarische Einheiten unter Fuhrung von Suret Guseinow25, nachdem sie Gjandscha eingenommen 23 Mutalibow, Ajas Nijasi ogli (geb. 1938), Staatsmann und Politikcr. Ab 1982 stellvertretender Vorsitzender des Ministerrats der SSR Aserbaidschan, 19891990 Vorsitzender des Ministerrats der SSR Aserbaidschan. 1990-1991 Erster Sekretar des ZK der KP Aserbaidschans. 1990-1992 Erster President von Aserbaidschan. Nach seinem erzwungenen Riicktritt wurde gegen ihn ein Strafprozess angestrengt, der noch anhangig ist. Er lebt seit 1992 in Moskau, wo er Zweiter Vorsitzender der Aserbaidschanischen Sozialdemokratischen Partei ist 24 Eltschibei, Abulfas, bekannter aserbaidschanischer Politiker und Staatsmann, Vorsitzender der allnationalen Volksbewegung NFA (Volksfront Aser­ baidschan, gegriindet 1988), Zweiter President der Republik Aserbaidschan (1992-1993). Er starb am 22. August 2000 in einem Krankenhaus in der Tiirkei. “5 Guseinow, Suret, Oberst der aserbaidschanischen Armee, Anflihrer des Aufstands in Gjandscha (am 10. Juni 1993), Regierungschef von Aser­ baidschan (von Juni 1993 bis Oktober 1994). Nach Unruhen in Gjandscha (1994) flieht Guseinow nach Moskau. Im Marz 1997, nach seiner Festnahme 24 hatten, au f Baku zu. President Eltschibei lud Heidar Alijew zur Rettung der Republik vor dem Biirgerkrieg, der schlimmsten Katastrophe fur jeden Staat, ein und floh aus der Hauptstadt.26 Am 24. Juni 1993 wurden ihm die entscheidenden Regierungsvollmachten in der Republik iibergeben. Am 3. Oktober 1993 wurde Heidar Alijew zum Prasidenten gewahlt. Davor war Aserbaidschan (am 24. September 1993) em eut der GUS beigetreten, jedoch unter der Bedingung der Nichtstationierung der Streitkrafte dieser Organisation auf ihrem Territorium und der Nichteinmischung in ihre Energiepolitik. Im Mai 1994 schloss Aserbaidschan einen Waffenstillstand mit Armenien, das rund 20% seines Territoriums besetzt hatte und begann sich a u f die okonomische Entwicklung des Landes zu konzentrieren, wofiir viele giinstige Voraussetzungen vorlagen: eine des Lesens und Schreibens kundige und arbeitswillige Bevolkerung, die reichsten naturlichen Ressourcen, eine vorteilhafte geographische Lage und eine pragmatisch orientierte Fuhrungsspitze und Elite. Im Oktober 1994 und Marz 1995 wurden Putschversuche gegen President H. Alijew niedergeschlagen.27 im Gebiet Tula lieferte ihn Russland an die Republik Aserbaidschan aus. Zur Auslieferung trug ein Skandal bei, der mit illegalen Waffenlieferungen Russlands (darunter auch Raketen, die Atomsprengkopfe tragen konnen) nach Armenien verbunden war. 2fi Alijew, Heidar Alijewitsch (Ali Rsa ogly), 1923-2003, Allnationaler Fiihrer des aserbaidschanischen Volkes und dritter President von Aserbaidschan, 1993-2003. Held der Sozialistischen Arbeit (1979, 1983). 1964-1967 Stellvertretender Vorsitzender des KGB, 1967-1969 Vorsitzender des KGB beim Ministerrat der Aserbaidschanischen SSR. Von 1969 Erster Sekretar des ZK der KP Aserbaidschans. 1976-1982 Kandidat des Politburos, 1982-1987 Mitglied des Politburos des ZK der KPdSU. 1982-1987 Erster Stellvertreten­ der Vorsitzender des Ministerrates der UdSSR. Ab 1991 Vorsitzender des Obersten Medschlis der Autonomen Republik Nachitschewan. Juni-Oktober 1993 Vorsitzender des Obersten Sowjets von Aserbaidschan. Besonders schwierig waren die ersten Regierungsjahre von President Heidar Alijew. Einzelheiten Vgl.: Johannes Rau. Der Nagorny-Karabach-Konflikt (19882002), Berlin, Verlag Dr. Koster 2003, 3.3. Die Lage Aserbaidschans, S. 57- 76 . 27 Einer dieser Versuche war der ortliche Putsch von Oberst Alikram Humbetow, der fur die Umverteilung der Vollmachten und der Finanzen zwischen Baku und den Regionen eintrat. Mitte Juli 1993 erklarte er die Griindung einer „autonomen Republik Talysch-Mughan“ und stellte entlang der Chaussee nach Baku, von den Aufstandischen ,,Verteidigungslinie“ genannt, alte Waffen auf. Diesem Ereignis maB man in Baku nicht allzuviel 25 Danach blieb Aserbaidschan politisch stabil und entwickelte sich wirtschaftlich aufwarts. Seit 2003, unter dem neuen Prasidenten Ilham Alijew, der unter Beibehaltung eines starken Rechtsstaates marktwirtschaftliche Prinzipien der wirtschaftlichen Entwicklung unterstiitzte, wurde diese Entwicklungslinie der Republik A ser­ baidschan nur gestarkt, wie auch ihre Bedeutung in der internationalen Energiepolitik. Die riesigen Ol- und Gasreserven des Landes, die unbestrittenen Erfolge bei ihrer ErschlieBung, beim Transport und der Verarbeitung und die giinstige geographische Lage der Republik m achten Aserbaidschan fur die Europaische Union und die USA zum begehrten Partner bei der Sicherstellung der internationalen Energieversorgung. In nicht geringem Umfang verstarkte sich im Zusammenhang mit diesen Prozessen in den letzten Jahren auch die Aktivitat der Republik in Richtung einer gerechten Losung des Problems der von den Armeniem besetzten aserbaidschanischen Territorien. Karabach - dessen bergiger Teil und dessen Ebene schon immer wirtschaftlich, sozial, kulturell, administrativ und politisch miteinander verbunden waren - liegt zwischen dem Kleinen Kaukasus, den Fliissen Kura und Aras und ist eines der Gebiete von Aserbaidschan - „...ein Land, das von aserbaidschanischen Tiirken besiedelt ist, einem Volk, das die Region besiedelt hat, die sich von den Nordhangen der Kaukasusberge entlang dem Kaspischen Meer bis zur Iranischen Hochebene erstreckt“.28 In den Jahrhunderten der Antike und des friihen Mittelalters gehorte Karabach zu einem Staat, der vom 4. Jahrhundert v. Chr. bis zum 8. Jahrhundert als Kaukasisch-Albanien bekannt war, dessen Territorium sich von den Bergen des Kaukasus im Norden bis zum Aufmerksamkeit bei und nach zwei Monaten wurde der „Putsch" von Truppen des KGB aus Baku niedergeschlagen. Im Folgenden wurde der Oberst, nach der Flucht nach Lenkoran und einer Reihe von Zwischenfallen gefasst und zu lebenslanger Haft verurteilt. 2005 wurde er aus der Haft entlassen und ihm wurde die Staatsangehorigekit entzogen. Den OMON-Aufstand im Marz 1995 und die Attentatsversuche auf Prasidenten Heidar Alijew konnen wir hier nur erwahnen. Einzelheiten Vgl.: in: Johannes Rau. Der Nagomy-Karabach-Konflikt (1988-2002). Berlin, Verlag Dr. Koster, 2003, Seiten 74-76. 28 V g l: Swietochowski Tadeusz. Russia and Azerbaijan: A Borderland in Transition. New York. Columbia University Press 1995, p. 1. 26 Fluss Araxes im Siiden erstreckte und von Iberien im Westen bis zum Kaspischen Meer im Osten. Die Bevolkerung Albaniens bestand aus tiirkisch sprechenden, kaukasisch sprechenden und anderssprachigen Stammen. Im ersten Jahrhundert n. Chr. kam das heutige Gebiet von Berg-Karabach zur Provinz Arzach-Orchistena (nach Autoren der Antike) oder Karabach, und die Provinz selbst gehorte zu KaukasischAlbanien.24 Als unabhangiges Staatsgebilde bestand Kaukasisch-Albanien vom 3. Jahrhundert n. Chr. bis zum 10. Jh. n. Chr. Die Hauptstadte waren in den verschiedenen Zeiten Kabalaka und Partaw (Barda). Das Land wurde von den Basilen, Gargaren, Hunnen, Kaspier, Uthier, Hasaren und anderen Volkern besiedelt. Ab dem 4. Jahrhundert befand sich Kaukasisch-Albanien unter der Herrschaft des Sassanidenreiches,30 und ab dem 8. Jahrhundert der Araber. Ab dem 10. Jahrhundert gehort ein groBer Teil von Kaukasisch-Albanien zu Schirwan, dem aser­ baidschanischen Staatsgebilde.31 Die friiheste Erwahnung des albanischen Wortes ,,Arzach“ (moglicherweise von ,,er sak“ ) Findet sich in der Awesta.32 Im 4.-5. 29 Vgl.: Schnirelman B. Byt alanami: intellektualy i politika na Sewernom Kawkase w XX weke. (Das Leben von Alanen: die Intellektuellen und die Politik im Nordkaukasus im 20. Jahrhundert) Moskau 2006. Zum Terminus (Toponym) ARZACH. Das Udinische ,,arzi“ bedeutet ,,sesshaft“, „Mcnschen. die eine sesshafte Lebensweise haben“, und das udinische ,,arzesun“ bedeutet «sitzen, sich setzen». Arzach ist aus der Wurzel „арци“ und der Pluralform ach“, die charakteristisch fur kaukasische Sprachen ist, gebildet. In Dagestan, Tschetschenien und Aserbaidschan gibt es viele Toponyme, die die Formanten -ach, -ich, -uch, -och und -ech haben: Urkarach, Tschirach, Chindach, Botlich, Anzuch, Katech u. a. Naheres Vgl.: Sadi Nuriew, Rauf Gusejnow. Neskolko slow о familijach i imenach armjan (Einige Worter zu den armenischen Familien und Namen), In: IRS (Nasledie), Moskau 6/2006, S. 50-51. 30 D ie Sassaniden, die Dynastie der Schahs in den Jahren 224-651. Der Griinder war Ardaschir I. Der Sassanidenstaat wurde im 7. Jahrhundert von den Arabern erobert. Die wichtigsten Schahs nach Ardaschir waren: Schapur I., Schapur II., Kowad I., Chosrow I. Anuschirwan, Chosrow II. Parwis. 31 Vgl.: Dasxuranci M. History o f the Caucasian Albanians, London 1961. 32 D ie ,,Awesta“ ist ein alter religioser Uberrest; im Zoroastrismus eine Sammlung heiliger Bucher. Die „Awesta" entstand offenbar in der ersten Halfte des ersten Jahrtausends vor unserer Zeitrechnung. Der Text der ,,Awesta“ wurde unter den Sassaniden (3. - 7. Jh.) kodifiziert und enthalt eine Zusammenstellung religioser und juristischer Vorschriften, Gebetsgesange, 27 Jahrhundert n. Chr. erfolgt die Christianisierung der Bevdlkerung Kaukasisch-Albaniens, die einige Jahrhunderte andauert. Im Jahre 313 wurde das Christentum in Albanien zur Staatsreligion erklart. M it dem Einfall der Araber ab dem Beginn des 8. Jahrhunderts wurde der Islam die vorherrschende Religion in der gesamten Region. Ein GroBteil der Albaner wurde islamisiert und von den Tiirken assimiliert, die auch den Islam angenommen hatten, und der Teil der Albaner und einiger anderer Stamme, die in Arzach lebten, blieb beim Christentum.33 Nach dem Zerfall Kaukasisch-Albaniens im 9.-10. Jahrhundert n. Chr. wurde sein Territorium von Vasallen der Schirwanschahs kontrolliert. Im 11. Jahrhundert wurden die niederen Steppenteile des nordostlichen Teils von Kaukasisch-Albanien rasch von den Tiirken-Oghusen besiedelt. W ahrend der Mongolenherrschaft (der Herrschaft der Hulaguiden34) in der Region trat die Bezeichnung ,,Karabach“ (aserbaidschanisch „Schwarzer Garten“ oder „GroBer Garten“) fur die Bewohner, die Albaner des bergigen Teils der Region, auf. Im 15.-16. Jahrhundert wurde die Region in Meliktumer aufgeteilt, die von den ortlichen Herrschem, den Meliks, regiert wurden35 und beachtliche administrative und religiose Autonomie von der Safawidischen Hymnen auf die Zoroastrischen Gottheitheiten mit vielen mythologischen Elementen. 33 Vgl. Einzelheiten im Kapitel „Die Armenische Kirche im Kampf mit der Kirche von Kaukasisch-Albanien“. 34 Die Hulaguiden, die Mongolendynastie der ilchanen, die von 1256 bis Mitte des 14. Jh. in einem Staat herrschte, der das heutige Gebiet des Iran, einen GroBteil des modemen Afghanistan, von Turkmenien, des Irak, des ostlichen Teils von Kleinasien einschlieBt. Der Griinder Chulagu-Khan (1256-1265) ist ein Enkel Tschingis-Khans. Aus dieser Dynastie ist Gasan-Khan am bekanntesten. 15 Ein Melik oder Malik (arab.) ist ein Herrscher (iiber ein Land, ein Territorium), ein Herrscher, ein Obmann. Unter persischer Herrschaft wurden haufig sogar die landlichen Obmanner im Transkaukasus als ,,Melik“ bezeichnet. Und erst am Anfang der russischen Herrschaft in den entsprechenden Regionen wurden die Meliks den Agas, Khanen und Beys gleichgestellt, vorbehaltlos anerkannt als Personen eines privilegierten Standes, die das Recht auf dauerhafte Nutzung des Landes hatten. Den Bauem, die sich im Gebiet der Meliks niedergelassen hatten, wurde das Recht der dauerhaften Nutzung des Bodens zuerkannt, auf Grund des mjulkadarischen Rechts. Spater, nach der Beseitigung der Meliktumer, stellten diese Bauem den Korpus der staatlichen ,,Posjaljan“, d.h. sie unterstanden nicht der Leibeigenschaft. 28 Dynastie36 und etwas spater, von den von ihnen emannten regionalen Herrschem, der Beylerbeys, erhielten. Der erste Beylerbey von Gjandscha-Karabach war Schahwerdi, ein Sultan aus dem Geschlecht der Sijad-oglu des aserbaidschanischen Stammes der Kadschar, den in den 40er Jahren des 16. Jahrhunderts Schah Tachmasp I. zum Stellvertreter emannte.37 Die nominale Herrschaft des Gjandscha-Karabachischen Beylerbeys erstreckte sich iiber ein riesiges Gebiet - von den Grenzen Georgiens im Gebiet der Briicke ,,Synyk-Kerpju“ (das heutige „Krasny M ost“) bis zur Chudaferinischen Briicke iiber den Aras. Die Nachfahren von Sultan Schahwerdi waren die Beylerbeys von Gjandscha-Karabach mit den Titeln eines Khans vor 1736, als Nadir Schah das eigentliche Karabach Sijad-oglu entzog und ihm nur Gjandscha mit dem Umland lieB, das er und seine Erben bis 1804 regierten.38 Der Safawiden-Staat horte 1736 nach zweihundert Jahren offiziell auf zu bestehen. Es entstand ein neues Reich, zu dem das Gebiet vom Schwarzen M eer bis nach Indien gehorte. Der Griinder dieses Imperiums war Nadir Schah aus dem aserbaidschanischen Stamm der Afscharen. Schon wahrend des Bestehens des Safawiden-Staates hatte Nadir Khan ein wichtiges Am t inne. Er war Heerfuhrer und errang viele Siege iiber die Feinde der Safawiden. Gerade Nadir Khan, der noch Safawidischer Feldherr gewesen war, forderte von Russland die Aufgabe der Transkaspischen Gebiete. Im Marz 1736 erklarte Nadir 36 Die Dynastie der Safawiden 1502-1736 wurde von Ismail 1. begriindet, dem Nachfahr des Griinders des Ordens der Sefewien, nach dem die Dynastie benannt ist. Die Sefewien (Sefewijen) sind ein sufischer Derwisch-Orden, der von Scheich Sefi ad-din Ischak (1252-1334) begriindet wurde. Ende des 15 Jhs. erhoben sich die Nachfahren der Sefewien unter der Fiihrung von Ismail I. gegen den Staat der Tiirken-Oghusen von Ak-Kojunlu (Aq-Qoyunlu) und bildeten den Staat der Safawiden. Die wichtigsten Vertreter waren Ismail I., (1502-1524, Tachmasp 1.(1524-1576), Abbas 1.(1587-1629). 37 Vgl.: Istoritscheskaja geografija Aserbajdschana. (Historische Geographie Aserbaidschans) Baku 1987, S. 114—116; Rachjani A. Aserbajdschan: granizy i administratiwnoe delenie w X V I-X V II wekach. (Aserbaidschan: Grenzen und administrative Teilung im 11.-17. Jahrhundert) In: Istoritscheskaja geografija (Historische Geographie), S. 123; Istorija armanskogo naroda (Geschichte des armenischen V o lk e s), Eriwan 1980, S. 189; Vgl.: Sbornik statej po istorii Aserbajdschana, (Sammlung von Artikeln zur Geschichte Aserbaidschans) Ausg. 1, Baku 1949, S. 250; Mirsa Adugesalbek. Karabachname. Baku 1950, S. 47. 29 Khan auf dem Gurultaj in Soguwuschan (Mughan), dass der Safawidisehe Schah Abbas III. noch ein Kind und nicht zur Fiihrung des Staates geeignet sei. Nachdem Nadir-Khan sich bereit erklart hatte, Schah zu werden, entstand ein Staat unter der Fiihrung eines Aserbaidschaners. Durch seine gezielten Erweiterungen wurde dieser Staat rasch zu einem Imperium. A u f den Gurultaj stellte Nadir Schah Afschar drei Bedingungen fur seine Regierung: 1). Verzicht auf Unterstutzung der Safawiden; 2). Einfuhrung des Treueeids auf Nadir Schah und seine Nachkommen; 3). Abwendung vom Schiismus. Nach dem Plan Nadir Schahs sollte die schiitische und die sunnitische Geistlichkeit daran arbeiten, dass ein W eg zur Vereinigung von Schiismus und Sunnismus gefunden werden konnte und damit die jahrhundertelange Teilung des Islam, die jahrhundertelange Opposition seiner beiden Stromungen, einer Opposition, die von Feinden des Islam ausgenutzt wurde, liberwunden werden konnte.39 Nadir Schah wurde auch durch die Reform des Staatsapparates beruhmt, der wesentlich reduziert wurde. Selbst das Amt des Obersten Wesirs wurde abgeschafft.40 Die nach seiner Ermordung (1747), deren Umstande bis heute nicht ganz geklart sind, entstandenen inneren Unruhen flihrten zur Schwachung des Landes. Mit der Schwachung der Zentralmacht ging eine Starkung der Macht der M ehrheit der faktisch autonom gewordenen aserbaidschanischen Khane und Sultane NordAserbaidschans einher. Die unumschrankt herrschenden Khane stiitzten sich au f ihre Vasallen: die Beys, die Meliks und die anderen kleinen Feudalfursten sowie a u f eine Streitmacht, die aus Moaphern und Nukern bestand, die fur die Aufrechterhaltung der Ordnung im Land verantwortlich waren. Die Grundbevolkerung der Khanate bestand aus Bauem, die in mehrere Kategorien einzuteilen waren.41 Die zahlenmaBig groBte Gruppe von Bauem stellten die sogenannten „Rajaten". Sie hatten eigene W irtschaften und Inventar und waren gleichzeitig ihrem Khan, 39 Vgl.: Einzelheiten Amir Ejwas. Prawiteli-reformatory Aserbajdschana. (Die Reformherrscher Aserbaidschans) In: YOL. Nautschno-populjarnyj schumal, 2, 2008, S. 77-78. 40 Vgl.: YOL, 2008, N2, S. 77-78. 41 Lewiatow W.N. Otscherki is istorii Aserbajdschana XVII] weka. (Abrisse aus der Geschichte Aserbaidschans im 18. Jahrhundert). Baku 1946. 30 dem Beschiitzer, durch diverse Abgaben in Form von Arbeit, Naturalien und Geld verpflichtet. Eine arme Gruppe der Landbevolkerung bildeten die ,,Randschbary“, die Landarbeiter, die keine eigene Wirtschaft und kein eigenes Inventar hatten und verpflichtet waren, fur ihren Herrscher zu arbeiten. In der besten Lage befanden sich dann, abgesehen von den unabhangigen Handwerkem, Kaufleuten und „freischaffenden" Kiinstlem, die nomadisierenden Viehziichter, die auch Landwirtschaft betrieben. Die nord-aserbaidschanischen Khanate waren nicht gleich stark und unterteilten sich „...in Khanate mit unumschrankter Herrschaft und abhangige Khanate, davon Erstere in starke und schwache“ 42 Kaukasisch-Albanien war das fruheste Staatsgebilde auf dem Territorium von Nord-Aserbaidschan (nicht zu verwechseln mit dem Begriff Aserbaidschan, der sowohl Nord- als auch Siid-Aserbaidschan umfasst, das nach dem Vertrag von Gulistan (1813) und den Vertragen von Turkmantschai zwischen Russland und dem Iran an letzteren fiel). Die Sprache der Mehrheit der Bevolkerung von Kaukasisch-Albanien gehdrte der nord-ostlichen Gruppe der kaukasischen Sprachen an 43 In Kaukasisch-Albanien entstanden ein eigenes Alphabet und eine ungewohnliche Kultur. Die albanischen christlichen Kulturdenkmaler unterscheiden sich deutlich von den armenischen.44 Mit dem Niedergang der albanischen Staatlichkeit und Kultur wurden viele Kulturdenkmaler ,,armenisiert“. Eine Reihe von 42'0pisanie oblastej aserbajdschanskich w Persii i ich polititscheskoe sostojanic, sdelannoe prebywajuschim pri ego wysotschetswe zarc kartlinskom Iraklii Timurasowitsch polkownikom i kawalerom Burnaschewym w Tiflise w 1786 g.“ (Beschreibung der aserbaidschanischen Gebiete in Persien und ihre politische Lage, verfasst von dem dort unter seiner Hoheit Konig Iraklij Timurasowitsch von Kartali-Kachetien verbleibenden Oberst und Ordensritter Burnaschow im Jahre 1786), S.2. 41 Viele der 26 Stamme, die sich in Kaukasisch-Albanien angesiedelt hatten, waren tiirkischsprachige. 44 Der bekannte russische Kulturforscher P.D. Baranowskij, der auf die Verbindung in der Architektur zwischen der Alten Rus und dem Kaukasus, Byzanz und den Balkanslawen hingewiesen hatte, machte hervorragende Entdeckungen im Gebiet des ehemaligen Kaukasisch-Albanien in der Republik Aserbaidschan. Im Dorf Lekit entdeckte er eine alte Basilikakirche, und im D orf Kum eine Rundkirche des V.-VII. Jahrhunderts. Vgl.: Новый мир, 2006, 12, S. 150. Aus dem Artikel von Wladimir Desjatnikow. 31 Stammen, die Kaukasisch-Albanien bewohnten, gilt als V orlaufer der heutigen Aserbaidschaner.45 Berg-Karabach (Arzach - Er-saka) war eine der wichtigsten Provinzen von Kaukasisch-Albanien. Zur Geschichte dieser Region und ihrer angesiedelten Stamme und zu deren politischen, m ateriellen und geistigen Kultur haben in den letzten Jahrzehnten die aserbaidschanischen Forscher Farida Mamedowa und Sija Bunijatov einen herausragenden Beitrag geleistet.46 Bekannte Herrscher von Berg-Karabach (Arzach) waren Abkommlinge aus dem Geschlecht der Arschakiden (6. Jahrhundert) und der Michraniden (8. Jahr­ hundert). Arzach war in verschiedenen Quellen unter verschiedenen Namen bekannt: als Orchestan bei den Autoren der Antike im ersten Jahrhundert vor Christi Geburt; als Arzach in den albanischen und armenischen Quellen; als Karabach in den georgischen und iranischen (persischen) Quellen. In den Werken der arabischen Autoren (Gelehrten und Reisenden) des Mittelalters wie Jakubi, al-Kufi, al-Istarchi, Mukaddasi und Jakut Chamawi wird betont, dass die Bewohner Nord-Aserbaidschans, einschlieBlich derer, die in Berg-Karabach wohnten, ,,aranisch“ sprachen, d.h. in einer der in Kaukasisch-Albanien verbreiteten Sprachen. Das Gebiet zwischen den Fliissen Kura und Araxes (Aras) wurde au f Bestehen des Historikers aus Kaukasus-Albanien, Moisej Kalankajtuklu, ,,Arran“ genannt.47 Dieser albanische Name wurde im 14. Jahrhundert durch das Wort ,,Karabach“ ersetzt. Rund 1200 Jahre lang (vom 4. Jahrhundert v. Chr. bis zum 8. Jahrhundert n. Chr.) gehorte Karabach zu Kaukasisch-Albanien. Nach dem Niedergang des albanischen Staates gehorte Karabach im 10. 45 Einer der Stamme von Kaukasisch-Albanien waren die Udinen, die das Christentum angenommen hatten, und die in den Werken der antiken griechischen Autoren erwahnt wurden. Ihre Nachfahren (uber 6000) leben auch heute noch im Ort Nij bei der Stadt Gabala im Norden der Republik Aserbaidschan. 46 Vgl.: z.B.: Mamedowa F., Ursachen und Folgen des Karabach - Problems. Eine historische Untersuchung. In: Krisenherd Kaukasus (U w e Halbach / Andreas Kappeler - HRSG.), Baden-Baden, Nomos Verl.-Ges., 1995. Bunijatow S. М.: Aserbajdschan w VII- IX wekach (Aserbaidschan im 7.-9. Jahrhundert.) Baku 1999 u.a. 47 Vgl.: Gadschiew G. Karabach w Srednewekowje (Karabach im Mittelalter) in IRS, Moskau, 2-3 (14-15), S. 20. 32 Jahrhundert zum Sadschiden-Staat48, im 11.-12. Jahrhundert zum Salariden-Staat und im 12. Jahrhundert zum Scheddadiden-Staat. Alle diese Staatsgebilde befanden sich zum groBen Teil auf aserbaidschanischem Territorium. Zur wesentlichen Schwachung und zum endgultigen Zerfall des albanischen Staates fuhrte der erstarkende Einfluss der Turken und Seldschuken, der sich im V erlauf von uber einem Jahrhundert intensivierte49 Im ersten Viertel des 12. Jahr­ hunderts war Karabach integraler Bestandteil des aserbaidschanischen Staates der Eldegisiden-Atabeys. Im Jahre 1136 ernannte der Seldschuken-Sultan Masud den Atabey Schamsatdin Eldegisid zum Regenten von Arran (Karabach). Im 12. und 13. Jahrhundert erfolgt im Bergteil von Karabach unter der Herrschaft der albanischen Konige der Aufstieg des Furstentums Chatschen, das nach Meinung des bekannten Experten I. Orbeli, „Teil des alten Albaniens“ war.50 Ab dem 15. Jahrhundert trugen die Herrscher von Karabach den Titel ,,Melik“ („Herrscher"). Bemerkenswert ist der Umstand, dass es Melikttimer zunachst nur in Berg-Karabach gab. Spater traten sie auch im Khanat Scheki (Scheka) auf.51 Und hier waren die Meliks in der Regel Nachkommen der Khane von Karabach. In Briefen an die russischen Zaren nannten sich die Meliks von Karabach „Erben der albanischen (nicht der armenischen - I. R.) Arschakiden11. Die albanischen Fursten trugen den Namen ,,M elik“ im Unterschied zu den armenischen Titeln ,,Ter“ , „Nacharar" u.a. Albanische Meliks arm enischer Abstammung wurden in den bis heute zuganglichen Quellen vom Autor nicht entdeckt. Und in der Periode vom 16. bis 48 Die Sadschiden, eine arabischer Herrscherdynastie in Siid-Aserbaidschan von 879-929; Die Salariden: aserbaidschanische Herrscherdynastie vom I0 .-II. Jahrhundert; die Schaddadiden: aserbaidschanische Herrscherdynastie von Gjanscha, Arran und anderen Gebieten Aserbaidschans 951-1199. 49 Turken-Seldschucken, benannt nach dem Dynastiegriinder. Die Seldschucken (10. -1 1 . Jh) waren ein Zw eig des Stammes der Tiirken-Oghusen. Im II. Jahrhundert eroberten sie nicht nur Kaukasus-Albanien, sondern auch einen Teil Zentralasiens, Iran, Irak, Kleinasien, Georgien und andere Territorien. Unter Melik -Schah (1073 - 1092) erreichten sie den Gipfel ihrer Macht. 50 Vgl.: Orbeli I.A. Gasan Dschalil - knjas Chatschenskij. (Gasan Dschalil, Fiirst von Chatschen), In: Istoritscheskie trudy. Eriwan 1963, S. 146. 51 Heute ist Scheki eine Stadt im Norden der Republik Aserbaidschan. Die Meliktiimer waren kleine autonome Besitztumer, der Titel ,,Melik“ wurde dem Namen des Herrschers eines Territoriums hinzugefugt. 33 zum 20. Jahrhundert wurden Karabach, Irewan,52 Gjandscha und Sangesur53 in den zahlreichen historischen, politischen und ethnographischen Quellen ausschlieBlich als tatarische (aserbaidschanische, eine Bezeichnung fur aserbaidschanisch vor der Oktoberrevolution in Russland) Gebiete anerkannt, in denen auch armenische Bevolkerung wohnte. Das von Oganes Schachtachtun, der sich ,,Schretz“ (Opferprister) nennt, erstellte Verzeichnis der eriwanischen Khane, auf das sich auch armenische Forscher beziehen, kann als Bestatigung des oben Gesagten gelten. Unter alien Herrschem des Khanats Eriwan von 1410 bis 1827 gab es keinen einzigen Herrscher (Khan) armenischer Abstammung (Im Anhang ist die Liste dieser Herrscher angegeben worden).54 Unter Gasan Dschalal (1215-1261), einem Nachfahren der albanischen Dynastie der Michraniden, begann die W iederemeuerung Albaniens und es wurde die Gjandschasar-Kathedrale erbaut, die er, nach einer Inschrift, „Kronungskathedrale Albaniens“ fur „mein albanisches Volk“ nannte. Die Kathedrale wurde au f W unsch des Patriarchen der autonomen Albanischen Apostolischen Kirche gebaut. Im 15. Jahrhundert gehorte Karabach zum aserbaidschanischen Staat Garagojunlu und danach Aggojunlu. Das Geschlecht des Gasan Dschalal (die Dschalaladdin) erhielt vom Herrscher Dschachanschah von Garagojunlu den Titel Melik. Danach wurde die politische weltliche Macht durch das Geschlecht der Dschalaladdin abgelost, und die Vertreter dieses Geschlechts wurden die geistlichen Fiihrer des Landes - die Patriarchen und die Katholikos der Albanischen Autokephalen Orthodoxen Kirche vor 1836. Das Geschlecht der Dschalaladdin zerfiel in ffinf Zweige, und in der Folge entstanden fiinf Vasallen-M eliktiimer (Kleinfurstentumer): Disag, Waranda, Chatschin, Dschilaberd und Gulistan. Die albanischen Ftirsten trugen den Titel M elik, im Unterschied zu den 5~ Irewan-Khan griindete im 16. Jahrhundert die Festung Irewan-gala. Das siidliche Grenzgebiet zum Iran entlang dem Araxes (Aras) mit Verwaltungszentrum im Ort Gerjusa. 1912 waren von einer Gesamtbevolkerung von 214.000 60% Aserbaidschaner, 39,1% Armenier und weniger als ein Prozent Russen, hauptsachlich ,,Sektierer“, die von der Orthodoxen Kirche abgefallen waren. 54 Armjanskaja Sowjetskaja Enziklopedija (Armenische Sowjetenzyklopadie), Eriwan 1977, Bd. 3, S. 571. 34 armenischen Titeln Ischchan, Ter u.a. Keine einzige Familie der Meliks von Karabach geht zuriick auf armenische Geschlechter.55 Das vom Khanat Karabach (Garabach) seit Beginn des 16. Jahrhunderts eroberte Territorium wurde in eine administrativterritoriale Einheit des Safawiden-Staate, in das Beylik Gjandscha (Ganca)-Karabach56, mit dem Zentrum in Gjandscha eingegliedert. Dieses Beylik umfasste Land vom Aras im Siiden bis zur sogenannten „Roten Briicke" (Gyrmysy Korpti) - einem Ort an der heutigen aserbaidschanisch-georgischen Grenze und zur Kura im Norden, vom Zusammenfluss von Kura und Aras im Osten bis einschlieBlich zu den ostlichen Massiven des Kleinen Kaukasus in Westen. Das Beylik Gjandscha (Ganca)-Karabach befand sich wahrend der Regierungsperiode der Safawiden bis 1737 in Erbfolge der Vertreter des Geschlechts der Sijad-oglu aus dem ttirkischen Stamm der 55 Vgl.: Mamedow Farid. Istina о Karabachskoj probleme (Die Wahrheit iiber das Karabach-Problem.) In: „Aserbajdschan i Aserbajdschanzy“ (Aser­ baidschan und die Aserbaidschaner), 2001, N 7 - 8, S. 23-24. 56 Beylik ist die Bezeichnung einer Safawidischen oder einer osmanischen Verwaltungseinheit. Beylerbey oder Beglerbey bedeutet „Herr der Herren", der Titel der Stellvertreter des Sultans oder Schahs in den Provinzen. Mitte des 17. Jahrhunderts gab es im Osmanischen Reich 22 Beyliks, die von Beylerbey verwaltet wurden. Beylerbeyi ist auch eine Ortschaft am Bosporus bei Skutari mit einem Park und Ruinen des Herrscherpalastes. Bey, Khan, Beylerbey, Kajmakam, erster Minister des Schahs, Schah - das ist die Hierarchie der feudalen Beamtenschaft in Persien. Der Beylerbey (Beglerbek) ist auch der Bey der Beys, der Stellvertreter des Sultans oder Schahs in den Provinzen. Im persischen Staat waren das in der Regel die Grenzprovinzen. In der Tiirkei bedeutete Beg oder Bey (in den ostlichen Gebieten) Herr, Herrscher und nicht selten Fiirst. Das Wort wurde den Eigennamen nachgestellt, beispielsweise Ulug-Bey, Birdi-Bey. In der Tiirkei wurde der Titel ,,Bey“ auch den Herrschem von Gebieten gegeben, den .Solirien der Paschas, den auslandischen Gesandten, den Ahnherren eines nomadisierenden Stammes u.a. In Persien trugen den Titel ,,Bey“ die Staatsdiener, insbesondere das Militar. Im Kaukasus bezeichnete der Titel ,,Beg“ (Bey) in der Zeit der russischen Eroberungen einen adligen Gutsbesitzer. Damit belohnte der Khan seine Dienste zusammen mit dem Recht, iiber die Giiter zu herrschen. Im tiirkischsprachigen Zentralasien wurde ,,Beg“ zu ,,Bij“ und bezeichnete sowohl die im Volk angesehenen Menschen, in der Regel Richter, als auch die hoheren Verwaltungsbeamten (insbesondere in den Khanaten Buchara und Chiwa). Uberall in Zentralasien wurde die Bezeichnung ,,Bij“ herausragenden Dienern und dem Khan verliehen. Vgl.: Enziklopeditscheskij slowar F. A. Brokgausa i I. A. Efrona (Enzyklopadisches Worterbuch von F.A. Brockhaus und I. A. Efron), St.-Petersburg, 1902, Bd. 1-2. 35 Gadscharen (Kadscharen). Nach den Mitteilungen ,,Karabachnam e“ , in denen die Geschichte des Khanats Karabach beschrieben wird, auBerten auf dem im Jahre 1736 in Mugan einberufenen Gurultaj die Khane und Meliks von Gjandscha-Karabach ihr Missfallen iiber die Politik von Schah Nadir.57 Letzterer trifft den Beschluss zur Abschaffung der Khane aus dem Geschlecht Sijad-oglu, beschneidet planmaBig ihre Vollmachten, entzieht ihnen die Mahals Gasach (Kasach) und Bortschala58 und unterstellt dieses Land dem Herrscher (Wali) von Georgien. Damit nicht genug, erlasst Nadir Schah den Befehl zur Umsiedlung der in Karabach lebenden turkischen Stamme der Dschawanschiren, Otusiki und Kjabirli in den Rayon von Serascha in der Provinz Chorasan. Nach dem Tod Nadir Schahs und dem Beginn langer innerer Unruhen in Persien wurden Sijad-oglu in Gjandscha zu ortlichen halbautonomen Khanen, die in ihren Handen nur den Rayon Gjandscha behielten. Der letzte von ihnen, Dschawad-Khan, fiel wahrend der Erstiirmung der Festung Gjandscha durch General und Fiirst Zizianow am 3. Januar 1804. In ,,Karabachname“ heiBt es, Nadir Schah habe, nachdem er die Kontrolle iiber Karabach, Gjandscha, Tiflis und Irewan (Eriwan) erlangt habe, Erkundigungen iiber dort lebende tiichtige und fahige Menschen eingeholt und diese zum Wehrdienst herangezogen, nachdem er ihnen Rang und Namen gegeben hatte. Einer von ihnen war Panah-Bey aus dem Stamme der Dschawanschiren. Panah-Bey, der sich im Krieg mit dem Osmanischen Reich ausgezeichnet hatte, stand dem Schah nahe. Aber Neidem, denen das Wohlwollen Nadir Schahs gegeniiber Panah-Bey nicht passte, gelang die Zerstorung ihrer Beziehung, und 1743 kehrte Panah-Bey, dem Dienst von Nadir Schah 57 Imranli Kamala. Tschjomaja sudba tschjom ogo sada (Das schwarze Schicksal des Schwarzen Gartens) Ladamir, Moskau, 2006, S. 5. 58 Borschaly ist eine Stadt und ein Rayon in Georgien im Tal der Fliisse Chram und Alget, rechte Nebenfliisse der Kura. Im Jahre 1911 wohnten im Rayon bei einer Gesamtbevolkerung von 164000 36,9% Armenier, 29,5% Aserbaidschaner, 16,6% Griechen, 7,3% Russen, 6,5% Georgier und 1,9% Deutsche. Die Bortschala ist ein rechter Nebenfluss des Chram (Kura-Tal), der im Dschadurskij Gebirgspass in der heutigen Republik Armenien entspringt. Vgl.: Enziklopeditscheskij slowar F. A. Brokgausa i I. A. Efrona (Enzyklopadisches Worterbuch von F.A. Brockhaus und I. A. Efron), St.Petersburg, 1902, Bd. 1-2. 36 entflohen, nach Karabach zuriick. Ab dieser Zeit beginnt auch die Geschichte des eigentlichen Khanats Karabach. Nadir Schah sandte dem Beylerbey von Aserbaidschan, den Herrschem von Gjandscha, von Tiflis und von Schirwan Befehle zur Ergreifung von Panah-Bey, aber deren Anordnungen wurden nicht ausgefuhrt. AuBer dem Khanat Gjandscha schuf Panah-Bey auf dem Land des Beyliks Karabach gegen 1747 das von Dschawad-Khan unabhangige Khanat Karabach. Die nach dem Tod von Nadir aus der Vertreibung nach Chorsan zuriickkehrenden Stamme der Dschawanschiren, Otusiki und Kjabirli um sich scharend, beginnt Panah-Bey einen eigenen Staat/Khanat zu schaffen. Die von der immer starker werdenden Macht Panah-Khans bedrohten Khane von Schirwan und Scheki beginnen GegenmaBnahmen zu suchen. Panah erbaut seinerseits 1748 im Mahal Kjabirli die Festung Bajat. Die wiederholten Angriffe der Khane von Schirwan und Scheki auf diese Festung waren nicht erfolgreich, was alle angrenzenden Khane veranlasste, noch mehr au f Panah zu zahlen. Nachdem Nadir Schah seinen Neffen Aligulu-Khan, bekannt unter dem Namen Adil-Schah, auf den Thron gebracht hat, ernennt er Amirslan-Khan zum Beylerbey von Aserbaidschan. Amirslan-Khan sucht in Gestalt des erstarkten Panah-Bey einen Verbiindeten, trifft sich mit ihm und fordert ihn auf, zusammen mit Adil-Schah zu handeln. Panah stimmt zu und im Jahre 1748 verleiht ihm der Schah in einem Fjarman (Erlass) ein Khanat. Die Festung Bajat wird Verwaltungszentrum des Khanats Karabach. Nachdem Panah-Khan die Bedrohung seitens der Khanate Scheki und Schirwan beseitigt hatte, plante er, sich die albanischen christlichen Meliktiimer zu unterwerfen, von denen es zu diesem Zeitpunkt immer noch fiinf gab. Die Zwistigkeiten zwischen den Meliks ausnutzend, zog er den M elik Schachnasar II. au f seine Seite. Dieser Melik war unzufrieden damit, dass iiber Waranda sein Bruder, Melik Owsep, herrschte. Sein Unwille war so groB, dass er diesen Herrscher von W aranda totete. Dieses Verbrechen rief die vier anderen Meliks von Karabach au f den Plan. Der Melik von Gulistan, Owsep Melik-Begljar, der Melik von Tscheliberd, Allachgulu-Sultan M elik-Israel, der Melik von Chatschyn, Allachwerdi, und der Melik von Disag, Esai, schlossen sich Melik Awan an, um Melik 37 Schachnasar II. zu stiirzen, was zu inneren Unruhen fuhrte.59 Es bestanden auch andere Zwistigkeiten zwischen den M eliks, die insbesondere dadurch hervorgerufen worden waren, dass sie sich nach dem Tod von Melik Awan von Disag nicht einen Hauptmelik wahlen konnten. Alle diese Umstande beriicksichtigte auch Panah-Khan. Die Namen dieser Meliktumer zeugen unzweifelhaft von ihrer albanischen Abstammung und haben mit Armenien nichts zu tun. Nach seinem Sieg bei Ballygaja iiber das Meliktum Chatschyn und dessen Unterwerfung setzte er den dortigen Melik ab und berief seinen eigenen, Melik Mirsu. Danach lieB er die Festung Schachbulag bauen, wohin er 1752 seine Hauptstadt fiir 4 Jahre verlegte. Jetzt waren zwei der fiinf Meliktumer von Karabach - Waranda und Chatschyn - auf der Seite von Panah-Khan. Die restlichen drei M eliktumer waren Gjulustan, Dschilabert und Disag. Die immer neuen Nachrichten iiber die wachsende Macht Panah-Khans und die sich mehrenden Berichte iiber seine Starke erwiesen sich als eine fiir den Khan von Karabach positive Einwirkung auf die umliegenden aserbaidschanischen Khanate. Die Khane von Scheki, Gjandscha, Eriwan, Nachtschywan (Nachitschewan), Tabris und Garadag (Karadag) senden Gesandte mit Briefen zu Panah und auBem den Wunsch, sich mit ihm freundschaftlich zu verbiinden. Diese Wtinsche unterstrichen sie mit kostbaren territorialen Geschenken: Vom Khan von Garadag erhielt er Mechri sowie die Mahals Gjuna und Tschuldur, vom Khan von Nachtschywan die Mahals Tatjew und Sisian, vom Beylerbey von Tabris erhielt er Mahal Gafan, vom Khan von Irewan das Land am Ufer des Terter, von den Wohnorten in der Siedlung Uschadschyg der Bauemgemeinden Kolanly bis zu den Grenzen von Gjojdscha. Ab 1755 begann die erfolgreiche W iederherstellung der zentralen Macht durch die Bestrebungen von Muchammedhasan Gadschar (Kadschar) und Fatali-Khan Afschar in Siid-Aserbaidschan. Panah-Khan beschloss den Bau der neuen uneinnehmbaren Festung Schuscha.60 Bereits 1756 wurden alle Rajaten (steuerpflichtigen Bewohner), die in 59 Raffi. Die Kleinfurstentiimer Chamsi ( 1 6 0 0 - 1827), Nairi, Eriwan, 1991, S. 48 - 49. 60 Qarabagnameler. 1 kitab. Baki, Yazici, 1989, seh. 34, 113, 114, 116, 117-120; 2 kitab. Baki, Yazici, 1991, s. 15,22-24, 212, 213, 214. Verwendung mit Hilfe eines Ubersetzers. 38 Schachbulag wohnten, in die neue Festung iibergesiedelt.61 Die geographische Lage der drei Panah-Khan feindlich gesonnenen Melik­ tumer von Karabach war so, dass es fiir sie schwierig war, sich zu vereinigen und gemeinsam gegen den Khan von Karabach vorzugehen; Disag war geographisch durch die Festung Schuscha sowie die Meliktumer Chatschyn und Waranda von seinen Verbiindeten getrennt. Nur die Meliktumer Gtilistan und Dschiljaberd, die eine gemeinsame Grenze hatten, konnten ihre Krafte vereinen. Auch die Meliks, die erkannt hatten, dass sie aus eigener Kraft Panah-Khan nicht bezwingen wurden, begannen machtige Verbiindete zu suchen. Sie nutzten den Feldzug des Fatali-Khan Afschar von Urmia nach Nord-Aserbaidschan. Fatali-Khan, der Siid-Aserbaidschan erobert hatte, wollte auch das Khanat Karabach erobem und untemahm einen Feldzug zur Eroberung von Schuscha. Der Melik von Giilistan, Owsjep, und der Melik von Tschiljaberda, Awan, wurden seine Verbiindete. Aber Fatali-Khan erlitt eine Niederlage durch Panah-Khan und die beiden Meliks flohen nach Gjandscha. Diese beiden Meliks hatten verwandtschaftliche Bande zu Schahwerdi-Khan. Die Mutter des M eliks von Giilistan Owsep, Gamjarsoltan, war die Tochter des Bruders von Schahwerdi-Khan, MamedKhan. Spater versohnten sich diese Meliks unter Vermittlung des Khans von Gjandscha scheinbar mit Panah-Khan und kehrten in ihre M eliktumer zuriick, fuhrten jedoch insgeheim den Kampf gegen Panah-Khan fort. Dieses Mai wandten sie sich an Katharina die GroBe, sich auf deren Plane zur Schaffung eines neuen albanischen Staates stiitzend, und auf die Unterstiitzung des albanischen Katholikos von Gjandschasar (Gancasar). Panah-Khan starb zwischen 1761 und 1763 und wurde in Agdam beigesetzt. Kerim-Khan, der nach dem Sieg iiber Fatali-Khan Afschar Herrscher des gesamten Landes, ausgenommen Chorosan, geworden war, rief Ibrahim, den Sohn von Panah-Khan, zu sich und ernannte ihn zum Khan von Karabach. Nach dem Tod von Kerim-Khan im Jahre 1779 in Schiras wurde das Land in ,,Wirren“ geworfen. Der K am pf der verschiedenen Anwarter auf den Herrscherthron fuhrte zum Aufstieg von Alimurad-Khan, der Isfahan eingenommen 61 Raffi. D ie Kleinfiirstentiimer Chamsi (1600 - 1827), Nairi, Eriwan, 1991, S. 49 - 50. 39 hatte. G egen 1784 konnte sich Alimurad-Khan einen groBen Teil der G ebiete des Irans unterwerfen, m it Ausnahme der Randprovinzen, u n ter denen auch das K hanat von Nord-Aserbaidschan war. Sein ein zig er em sthafter K onkurrent w ar Agamahammad-Khan von A strabad. A lim urad-K han ging davon aus, dass er seine M acht iiber den Iran nur starken konne, indem er sich der guten Beziehung der russischen R egierung zu ihm versicherte. Im Jahre 1784 sandte Alimurad-Khan seinen Gesandten zu G eneralleutnant Potjom kin an die Kaukasuslinie mit einem Brief, der das G esuch um seine A nerkennung als Schah und ein Gesuch um H ilfe gegen die Osm anen enthielt. Daffir wollte er ein fur Russland sehr vorteilhaftes H andelsabkom m en abschlieBen und zugunsten R usslands a u f die Transkaspischen Provinzen Derbent, Baku, Giljan, M asandaran und Astrabad verzichten, die in seiner Zeit von Peter I. erobert w orden waren. AuBerdem verzichtete er auf die Khanate K arabach, K aradag, N achitschew an und Erewan. Fiirst Potjom kin erhielt von Zarin Katharina strengsten Befehl, diese V orschlage anzunehm en, die Russland grofie Vorteile, erhebliche Landgew inne und die M oglichkeit des ungehinderten H andels bis nach Indien verhieBen. Danach schickte Potjomkin den F eldherren T om arra nach Isfahan zusammen mit dem Gesandten A lim urad-K han. ' Eine Reihe von Instruktionen, die Tomarra von P otjom kin gegeben worden waren, betrafen die Meliks von Karabach. In der zw eiten Instruktion wurde Alimurad-Khan vorgeschlagen: „Erstens. E r m oge anerkennen, dass uns Derbent und die anderen Orte gehoren, die w ir brauchen und deren Angliederung wir beschlossen haben. Z w eitens. Er moge m it uns einen klaren und ausffihrlichen Staatsvertrag schlieBen, in dem die genauen Grenzen des persischen R eiches festgesetzt sind. Drittens. Das Land von Konig Iraklion moge entsprechend unserem Vorschlag durch Grenzen genau festgelegt w erden. V iertens. Das arm enische Gebiet moge in seiner Unabhangigkeit w iederhergestellt w erden.63 Fiinftens. Es moge iiber das Land, das 62 V gl.: P.G .Butkow . Materialy dlja nowoj istorii Kawkasa s 1722 po 1803 god, tschast 1, (M aterialien ftir eine neue Geschichte des Kaukasus von 1722 bis 1803), T eil 1. St. Petersburg., 1869, Bd. II S. 148-150. 63 Istorija arm janskogo naroda. (Geschichte des armenischen Volkes) H istorisches Institut der AN der Armenischen SSR, „Ajpetrat", Eriwan, 1951, T. 1, S. 267 und „Armjanskaja biografija VII weka“ (Armenische Biographie 40 zur Schaffung des Gebiets oder des Konigreichs Albanien bestimmt ist, ein klarer Beschluss erfolgen. Sechstens. Es moge ein gesonderter Handelsvertrag geschlossen werden, woriiber man im Vorfeld nachdenken miisse. Siebtens. Dieser Khan moge mit uns ein Verteidigungsbiindnis gegen die Ottomanische Pforte schlieBen“ .64 Was das armenische Gebiet oder das Staatsgebilde sein sollte, geht aus dem Plan des armenischen Erzbischofs Iosif Argutinskij hervor, der im Jahre 1783 erstellt und im unmittelbaren Zusammenhang mit den Verhandlungen mit Potjomkin von ihm aufgezeichnet wurde. In dieser Zeit wurde viel iiber die ,,Zukunft“ gesprochen. Nach diesem Plan wurde die Schaffung eines armenischen Staates im Gebiet Ararat mit der Hauptstadt W agarschapat oder Ani vorgeschlagen. Dieser Staat sollte Land gegen W esten und Siidwesten des Dwin auf tiirkischer Seite umfassen. 1783 teilte Fiirst Grigorij Aleksandrowitsch Potjomkin, die Situation in den aserbaidschanischen Khanaten beschreibend, Katharina der GroBen mit: „...jetzt ist die Zeit gekommen, den schon lange von Ihrer Kaiserlichen Hoheit vorgeschlagenen Plan iiber die Schaffung eines Albanischen Reiches“ zu verwirklichen.65 Spater schlug Potjomkin vor, das Khanat Gjandscha mit dem Konigreich Kartli-Kachetien zu vereinigen, und aus den restlichen Gebieten, die von Persien abgetreten wurden, einen armenischen und einen albanischen Staat zu schaffen, um dadurch das christliche Element in der Region zu starken. Tamarra fuhr im Januar 1785 mit dem Gesandten Muchamed-Khan von Mosdok nach Georgien, erhielt jedoch unterwegs Nachricht vom Tod des Alimurad-Khan und kehrte nach Tiflis zuriick, und den Planen der dem Khan von Karabach feindlich gesinnten Meliks war des 7. Jahrhunderts). Unter „armenisches Gebiet" verstand man das Territorium der fiinf albanischen Meliktumer. 64 Vgl.: A.R. loannisjan. Rossija i armjanskoe oswoboditelnoe dwischenie w 80ch godach XVIII stoletija. (Russland und die armenische Befreiungsbewegung in den 80er Jahre des 18. Jahrhunderts) Eriwan 1947, S. 16. Zentraljnyj Woenno-istoritscheskij archiv (ZWIA) (Zentrales Militarhistorisches Archiv), f. 52, d. 25, Bl. 9-12. Weiteres Zitieren in der Form: lonannisjan, S. 65 Vgl.: Archiw Wneschnej Politiki Rossijskoj Imperii (Archiv der AuBenpolitik des Russischen Imperiums (AWPRI), f. 5, op. 5/1, 1779-1783, d. 591, T. 1., Bl. 224. 41 der Erfolg wiederum nicht vergonnt (siehe weiter iiber die entsprechenden Bestrebungen der M eliks unter der Fiihrung von I. Ori Ende des 17. bis Anfang des 18. Jahrhunderts). Uber den albanischen Staat und seine ,,Pradestination“ ist in den Tagebiichem von A.W. Chrapowizkij, der iiber zehn Jahre Staatssekretar unter Katharina der GroBen war, nachzulesen. 1787 schrieb er, er habe „... den Geheimplan von Potjomkin, Fiirst von Taurien, dass unter Ausnutzung der persischen Ungeregeltheiten Baku und Derbent eingenommen werden sollten und Albanien nach dem Anschluss von Giljan als zukiinftiges Vermachtnis des Groflfursten Konstantin Pavlowitsch genannt werden sollte“66 gefunden und gelesen. Bereits im 17. und in der ersten Halfte des 18. Jahrhunderts, als Karabach zum Schlachtfeld zwischen dem Safawiden-Staat und der Osmanischen Tiirkei wurde, begannen die albanischen Meliks sowohl in Russland als auch in den anderen europaischen Landem nach Moglichkeiten des Schutzes ihrer Bevolkerung zu suchen. W ie bereits erwahnt, besuchte Israel Ori (1691 - 1711, der Sohn eines Meliks von Karabach), Deutschland, Italien, Frankreich und Russland, wo er von den europaischen M achten Unterstiitzung gegen die osmanische und die persische Unterdriickung zu bekommen suchte.67 Durch seinen friihen Tod konnte Ori das Vorhaben nicht zu Ende flihren. Der Khan von Karabach, Ibrahim-Khalil-Khan (Ibrahim-Khan), erhielt offensichtlich Kenntnis von den Planen der opponierenden Meliks und blieb nicht untatig. Er begann mit einem seiner aktivsten Gegner, Melik Dschilabert M edschlum. Der Khan versprach M isael-Bey, dem Sohn von AllachwerdiJusbaschi aus Gjuljatag in Dschilabert, ihn nach seinem Wunsch zum Melik zu emennen, wenn er M edschlum beseitigen wiirde. Aber schlieBlich entdeckte Melik M edschlum diese Verschworung und lieB Misael-Bey toten; er wollte dessen gesam te Familie ausloschen, aber der jiingste Bruder von M isael-Bey, Rustam-Bey, versammelte alle 66 Ioanissjan, S. 129-130; Pamjatnye sapiski A.W.Chrapowizkogo. Tschtenija w Imperatorskom obschtschestwe istorii i drewnostej rossijskich pri Moskowskom uniwersitete, (Erinnerungen A.W. Chrapowizkijs. Vorlesungen in der Zarengesellschaft fur Geschichte und Altertum der Russen an der Moskauer Universitat) 1862, Buch 2, S.37. 67 Vgl.: Istorija armanskogo naroda (D ie Geschichte des armenischen Volkes) Eriwan 1980, S. 163-170 42 und floh zu Ibrahim-Khan. SchlieBlich widerstanden den Verbiindeten des Khans mit den Meliks von Waranda, Chatschyn und den Katholikos des Klosters Erek Mankunk die Meliks von Gulistan, Dschilabert und die Katholikos von Gjandschasar und Karabach.68 Ibrahim-Khan nutzte die Umstande, die von den oppositionellen Meliks selbst geschaffen worden waren. Er wusste, dass der Katholikos von Erek Mankunk, Israel, der sich in Gjandscha niedergelassen hatte, Katholikos von Gjandschasar werden wollte, wo zu der Zeit Owanes saB - einer der wichtigsten Gegner des Khans von Karabach. Jedoch hatte Owanes einen Gegenspieler nicht nur in Israel, sondem auch in seinem eigenen Bruder. Dieser Bruder, AllachguluBey, trug Ibrahim-Khan zu, dass gemeinsam mit dem Katholikos von Gjandschasar und Karabach, Owanes, die Meliks neue Botschaften an die russische Zarin geschickt hatten mit der Bitte, die Russen mogen die Herrschaft iiber ihr Land iibemehmen. Ibrahim-Khan, der iiber diese Information verfiigte, die ihm durch Vermittlung von Allachgulu-Bey vom Katholikos Israel iiberbracht worden war, handelte entschlossen. Er lud den Melik von Dschilabert Medschlum, den Melik von Gjulustan Abow und den Melik von Disag Bachtam unter dem Vorwand der Besprechung dringender Angelegenheiten ein und setzte sie in der Festung Schuscha test; Melik Bachtam iiberstellte er den persischen Behorden als politischen Verbrecher, der das Eindringen der Russen in den Kadscharen (Gadscharen)-Staat gefordert hatte. Danach ergriffen Ibrahim-Khans Leute Katholikos Owanes, und er starb 1786 im Gefangnis von Schuscha. Die Meliks Meschum und Abow flohen aus der Festung, und an ihrer Stelle ernannte Ibrahim-Khan neue Meliks. Katholikos Israel erhielt fur die erwiesenen Dienste von IbrahimKhan den Thron des Katholikos von Albanien. Zu seinem Aufenthaltsort wurde das Kloster Amaras bestimmt, denn im Kloster Gjandschasar residierte zu dieser Zeit Bischof Sargis, ein Bruder des verstorbenen Katholikos Owanes. 1787 begann ein neuer Russisch-Tiirkischer Krieg und General Burnaschow69 erhielt von Potjomkin den Befehl, die Truppen aus den 6S Raffi, Die Kleinfurstentiimer Chamsi (1600-1827), Nairi, Eriwan. 1991, S.67- 68 . 64 Burnaschow Stepan Danilowitsch diente auch unter dem georgischen Konig Iraklion Tejmurosowitsch, Autor von „Opisanie oblastej aserbajdschanskich 43 ehemaligen persischen Provinzen nach Russland abzuziehen.70 Die Meliks Medschlum und Abow, die immer noch auf die Hilfe Russlands hofften, machten sich zusammen mit den russischen Truppen nach Tiflis auf. Dort wandten sie sich mit einem Brief an G eneral-A nschef Tekellij, in dem sie alle ihre erlittene Not schilderten, beginnend m it dem Tag, an dem sie - den Versprechen von Generalleutnant Potjomkin erlegen - ihr Schicksal in die Hande Russlands gelegt hatten und Krieg gegen Ibrahim-Khan begannen. Sie ersuchten erneut die Zarin um Schutz und versuchten, sich eine Reihe von Bedingungen auszuhandeln. Es waren insbesondere folgende Bedingungen: „1. Fur ihre Befreiung von dem Joch der Barbaren ihnen tatsachliche Untersffitzung des Heeres, wenn auch in geringer Zahl zu gewahren, denn sie konnen durch Biindelung ihrer Streitkrafte mit dem russischen Heer, allein durch ihren dort furchteinfloBenden Namen, die Streitkrafte der Perser iiberwinden und die Herrschaft des Khans von Schuscha beenden. Dafur baten sie unterwiirfigst um W iederherstellung der Oberherrschafit des georgischen Konigssohns David, des Enkels von Konig Iraklion iiber sie, oder eines anderen nach Konnen und Verdienst Geeigneten. 2. Wenn die genannte Gnade sie nicht erhalten konnen, so erinnem sie an die Bitten, die von ihren Vorfahren an Imperator Peter den GroBen vorgebracht wurden, und sich griindend auf dem ihren Bitten erzeigten Wohlwollen des Imperators, und bitten untertanigst um Uberfuhrung und Ubersiedlung in die Umgebung von Derbent, an der Kiiste des Kaspischen Meers, und iiber die Bestatigung des Besitzes der von ihnen besiedelten Orte, die den Meliks und ihren Erben ihr voiles Recht a u f ihre Untertanen gibt“.71 Die Meliks legten Konig Iraklion nahe, die Krafte zu bundeln und die Macht von Ibrahim-Khan zu vemichten. Iraklion sagte anfanglich seine Unterstiitzung zu. Ibrahim-Khan schlug ihm jedoch vor, die Meliks Medschlum und Abow zu ergreifen und sie in seine Hand zu w Persii ets. (Beschreibung der aserbaidschanischen Gebiete in Persien usw.) (Kursk, 1793) und „Opisanie gorskich narodov (Beschreibung der Bergvolker) (Kursk 1794). 70 Vgl.: P.G. Butkow, Teil 2, S. 195. 71 Raffi, Die Kleinfurstentiimer Chamsi (1600-1827), Nairi, Eriwan, 1991, S. 81-82. 44 geben im Austausch gegen die Ruckkehr von 3.000 tiirkischen Familien, die frtiher georgische Untertanen waren, aber von Bortschala nach Karabach gezogen waren und in der Umgebung der Festung Askeran wohnten. Iraklion beschloss, das Angebot anzunehmen und die Gaste, die bei ihm Zuflucht genommen hatten, festzusetzen. Die Meliks, die das erfuhren, flohen von Tiflis nach Gjandscha. Dschawad-Khan aus Gjandscha nahm sie bereitwillig auf, gab ihnen in Gjandscha eine Ehrenresidenz und die fur den Aufenthalt notigen Mittel. Ibrahim-Khan ersuchte Dschawad-Khan wiederholt um Auslieferung der Meliks, aber Dschawad-Khan schlug ihm dieses Gesuch stets ab. 1788 verlieBen auBerdem 500 Familien aus Giilistan, Untertanen von Melik Abow, ihre Heimat und ubersiedelten nach Gjandscha. Dschawad-Khan wies ihnen einen Wohnplatz in Schamkir zu. Gleichzeitig verlieBen rund tausend Familien der Untertanen von Melik Medschlum Tschiljaberd und zogen ebenfalls nach Gjandscha. Dschawad-Khan siedelte sie in Schamschaddil an. Nachdem beide Meliks nach Gjandscha iibersiedelt waren, holte Medschlum seinen Onkel, Bischof Sargis im Jahre 1791 nach Gjandscha. Mit ihm kam auch Bagdasar, der Sohn Daniel-Beys, des Bruders des verstorbenen Katholikos Owanes und Sargis, der spater die wichtigste albanische Geistlichkeit in Gjandscha wurde.72 Nach einigen Jahren zog Melik Abow zusammen mit seinen Untertanen von Gjandscha nach Bolnisi, wo er sich sodann mit den georgischen Konigen tiberwarf und dort nicht bleiben konnte. 1795 verlieB Melik Abow Bolnisi und kehrte nach seiner Versohnung mit Ibrahim-Khan nach Karabach zuriick, wo er sich in seiner Heimat Giilistan niederIieB. Um das Jahr 1760, als Ibrahim-Khan von Karabach seinen Vater Panah-Khan abloste, wurde Owanes auf den Thron von Gjandschasar durch die Bemiihungen des Meliks von Dschilaberd Atam erhoben, und die Albaner in Gjandscha fiihrten Bischof Israel zum Thron des Katholikos (zweites albanisches Katholikat) des Klosters Erek Mankunk. Experten wissen, dass sich die kirchlichen Fragen jener Zeit und der Charakter ihrer Losung in vielem als entscheidend fiir das Schicksal des albanischen Volks des Siidkaukasus erwiesen. 72 Raffi, Die Kleinfurstentiimer Chamsi ( 1 6 0 0 - 1827), Nairi, Eriwan, 1991, S. 83-88. 45 Die Sicherheitsprobleme von Karabach und sein weiteres Schicksal wurden in Russland ab dem 18. Jahrhundert unter Katharina der GroBen erneut einer lebhaften Prufung unterzogen. Dies ist aus dem oben genannten Plan von Fiirst G.A. Potjomkin ersichtlich.73 Unter Ausnutzung der giinstigen politischen und historischen Lage beabsichtigte die russische Regierung die Schaffung eines albanischen Konigreiches, das Moskau unterstehen sollte. Fur die groBe Befreiungsaktion in Karabach wurde A. W. Suworow vorgesehen74, dessen Frau in ihrer Abstammung eine Reihe von Vorfahren aus dem Karabach-Adel hatte. Bei den Planen von Suworow ging es nicht nur um das Territorium von Karabach, sondem auch um das Land um Eriwan, das zum Khanat Irewan gehorte.75 Im Jahre 1795 leistete das Khanat Karabach den kadscharischen Eroberem erbitterten Widerstand. Bereits im 18. Jahrhundert hatte man begonnen, die Moglichkeiten von Biindnisbeziehungen zwischen dem Khanat Karabach und Russland zu sondieren. Ein groBes Verdienst bei den Bemiihungen in dieser Richtung kom mt dem aserbaidschanischen Dichter, Gelehrten und Staatsmann Molla Panah W agif (,,Wissender“, 1717-1797) zu.76 Nach den offiziellen russischen Daten im Jahr 1810, d.h. bereits nach Abschluss des Staatsvertrages iiber die Eingliederung des 73 Potjomkin Grigori Aleksandrowitsch (1739-1791), Staatsmann und Heerflihrer, Generalfeldmarschall, einer der Teilnehmer an der Palastrevolution 1762, Giinstling und engster Mitarbeiter von Zarin Katharina der GroBen. Unterstiitzte die Eroberung der nordlichen Schwarzmeerkuste, leitete den Bau der Schwarzmeerflotte. Nach der Eroberung der Krim erhielt er den Titel „Swetleischij Knjas Tawritscheskij“ (Fiirst von Taurien). Feldmarschall der russischen Armee im Russisch-Tiirkischen Krieg von 1787-1791. Vgl.: Chranowskij A.P In: Tschtenija w imperatorskom obschtschestwe istorii drewnostej rossijskich pri Moskowskom Uniwersitete. (Vortragsreihe in der zaristischen Gesellschaft der Geschichte des russischen Altertums an der Universitat Moskau) Buch 2, Moskau 1872, S. 37. 74 Suworow, Aleksandr Wassiliewitsch (1730-1800), Graf Suworow-Rymnikski (1789), Fiirst Suworow-Italijskij (1799) und Generalissimus (1799). Wahrend der Russisch-Tiirkischen Kriege (1768-1774 und 1787-1791). In diesen Kriegen errang er Siege bei Kosludscha (1774), Kinburn (1787), Fokschan (1789) und Rymnik (1789) und eroberte im Sturm die Festung Ismail (1790). 75 Vgl.: Istorija armjanskogo naroda (Die Geschichte des armenischen Volkes). Eriwan 1951, S. 266; Istorija armjanskogo naroda (Die Geschichte des armenischen Volkes) Eriwan 1980, S. 171 ff. 76 A ls Dichter war Molla Panah W agif beriihmt fur seine weltliche hedonistische Liebeslyrik und seine philosophischen Gedichte. 46 Khanats in Russland, befanden sich im Khanat Karabach bis zu 12.000 Familien, darunter 9500 aserbaidschanische und nur 2500 armenische.77 Urkunden von 1823 zeugen davon, dass es im Khanat Karabach eine Stadt Schuscha gab und rund 600 Dorfer (davon 450 aserbaidschanische und rund 150 armenische), in denen rund 90000 Menschen wohnten, davon in Schuscha rund 1048 aserbaidschanische Familien und 474 armenische, und in den Dorfem jeweils 12902 und 4331 Familien.78 Fiir die objektive Betrachtung des Problems ist es wichtig zu betonen, dass die sogenannte „armenische" Bevolkerung der Meliktiimer iiberwiegend aus christlich-monophysitischen Albanem bestand, die in den offiziellen Urkunden aufgrund ihres christlichen Glaubens zu den Armeniem gezahlt wurden. Das wussten auch die Experten des Zaren. Insbesondere W. Welitschko schrieb dazu: „eine Ausnahme bilden die falschlich Armenier genannten Bewohner von Karabag (Albanien oder Agwanien), die sich zum armenischgeorgischen Glauben bekennen, jedoch von den Bergstammen und den tiirkischen Stammen abstam men...»79 Genau davon schrieb auch der armenische Autor B. Ischchanjan, der die These aufstellte, dass „die Armenier, die in Berg-Karabach leben, zu den Ureinwohnern gehoren, den Nachfahren der alten Albaner..., und zum Teil zu den Fluchtlingen aus dem Osmanischen Reich und dem Safawiden-Staat, fiir die das aserbaidschanische Land eine Zuflucht vor den Nachstellungen und Verfolgungen" wurde.80 Die historischen Daten ermoglichen die These, dass Karabach (Arzach) integraler Bestandteil dieser Staatsgebilde war, die sich auf dem Territorium der heutigen Republik Aserbaidschan befanden. Das 77 Vgl.: Akty, sobrannye Kawkasskoj archeografitscheskoj komisseju (Akten zusammengestellt von der kaukasischen archeographischen Kommission) Herausgegeben unter der Redaktion des Vorsitzenden der DSS-Kommission A. D. Bersche. Tiflis: Tipografija glawnogo uprawlenija namestnika Kawkasskogo 1870 (Archiv der Hauptverwaltung des Kaukasischen Statthalters). Dokument 37, S. 38-39. 78 Beschreibung der Provinz Karabach, verfasst 1823 von Staatsrat Mogilewskij und Oberst Jermolow. Tiflis 1866. 79 Vgl.: Welitschko Wasilij. Kawkas: russkoe delo i meschplemennye woprosy (Der Kaukaus: Die russische Sache und Fragen der zwischenstammlichen Beziehungen, Faksimile-Ausgabe), Baku Elm, 1990. 1990, S. 154. 80 Zit. nach: Igrar Alijew. agomyj Karabach: Istorija. Fakty. Sobytija. (BergKarabach: Geschichte. Fakten. Ereignisse). Baku, Elm 1989, S. 73-74. 47 Khanat Karabach war eines der wichtigsten der aserbaidschanischen Staatgebilde im 18. Jahrhundert.81 Arzach-Chatschen-Karabach hat nie zu irgendeinem armenischen Staat oder anderem arm enischen Staatsgebilde gehort und konnte nicht dazugehoren, weil die armenischen Staaten oder Staatsgebilde sich auBerhalb der G renzen des Siidkaukasus bildeten und bestanden.82 Aus den Arbeiten von Armeniem selbst ist bekannt, dass die Umsiedlung der Arm enier aus ihrer geschichtlichen Heimat in den Balkan und nach Kleinasien im 8. Jahrhundert vor Christus erfolgte, und das Erscheinen einer beachtlichen Anzahl von ihnen im Kaukasus fallt in das erste Drittel des 19. Jahrhunderts.83 Die zusatzlichen Argumente zugunsten dieser These werden in den folgenden Teilen dieser Studien erortert. 81 Vgl.: Mamedowa Farida: Ursachen und Folgen des Karabach- Problems. Eine historische Untersuchung. In: Krisenherd Kaukasus. Uwe Halbach/ Andreas Kappeler (Hrsg.). - 1. Aufl. Baden-Baden, Nomos Verl. - Ges., 1995, S. 110-127. 82 Der letzte (von Byzanz) halbunabhangige armenische Staat der Bagratiden bestand von 886 bis 1045 im Nahen Osten. Aus der Konigsdynastie der Bagratiden (Bagratuni) am bekanntesten sind: Aschot I., Sambat I., Aschot II. der Eiserne, Aschot III. der Gnadige, Gagik I. 83 Vgl.: Adonz N. Armenija// Nowyj enziklopeditscheskij slowar BrokgausaEfrona, (Neues enzyklopadisches Worterbuch Brockhaus-Efron) Bd. 3. St.Petersburg 1912.; Istorija armjanskogo naroda (Die Geschichte des armeni­ schen Volkes). Eriwan, 1980, S. 7; Abegjan M. Istorija drewnearmjanskoj literatury (Die Geschichte der altarmenischen Literatur). Eriwan, 1975, S. 12; Kapanzjan G.A. Istoriko-lingwistitscheskie raboty. К natschalnoj istorii armjan. Drewnjaja malaja Asija. (Historisch-linguistische Arbeiten. Zur Entstehungsgeschichte der Armenier. Das Kleinasien der Antike. Eriwan, 1956. 48 3. Die Armenische Kirche im Kampf mit der Kirche von Kaukasisch-Albanien ,, Aristoteles behauptete, den machtigen Gottern sei nur eines nicht gegeben: die Macht, die Vergangen­ heit zu andern. Aber einige „Historiker “ andern die Vergangenheit nach Belieben und mehrfach, indem sie sie jed es M ai in das Korsett bestimmter politischer Interessen oder ideologischer Skizzen pres sen. “ Weijngold, Jurij Julianowitsch Das Christentum wurde bei den Armeniern erstmals in den Jahren vierzig - fiinfzig n. Chr. schriftlich erwahnt. Der Uberlieferung nach wurde das Christentum von Konig Abgar Uchomo (Ukkama)84 als erstem hoherem Vertreter des Edessischen Reiches85 angenommen, und nach seiner Einladung hatten Anhanger des Apostels Thomas bei den Armeniem des Edessischen Konigreichs zu predigen begonnen. Die armenische Geschichtsschreibung geht davon aus, dass das Christentum von den Arm eniern im Jahre 302 angenommen wurde. Eine herausragende Rolle dabei spielte die Predigttatigkeit Gregors des Erleuchters. Das Christentum verbreitete sich unter den Armeniern unter dem starken Einfluss von Predigern aus Syrien. Um 260 wird bereits der arm enische Bischof Meruschan erwahnt. Und schon nach ihm begannen die Prediger von Kleinarmenien und Kappadokien zu wirken, an deren Spitze Gregor der Erleuchter aus 84 Die Nachfahren des Griinders des Edessischen Konigreichs trugen den Ehrentitel Abgar (d.h. „der Machtige"). Der Uberlieferung nach stand Abgar Uchomo (Ukkama), d.h. „der Schwarze“, der in den Jahren 13-50 n. Chr. regierte, im Briefwechsel mit Jesus Christus; auf seine Bitte sandte ihm Christus sein eigenes „nicht von Menschenhand geschaffenes“ Bild, von dem viele spatere Kopien gemacht wurden. Die Erzahlung daruber findet sich in der syrischen Handschrift „Doktrina Addaei“ (Erstdruck 1876 durch Georg Philipsom in London). Der Grund fur die Bekehrung war eine schwere Erkrankung Uchomos. Genau unter diesem Abgar hatte der Apostel Thomas den Thaddaus nach Edessa gesandt, einen seiner 70 Junger, der zur Heilung des Konigs und zur Verbreitung des Christentums beitrug. 85 Das Edessen-Konigreich wurde im Jahre 137 v. Chr. gegriindet und wurde auch Orroenskisches oder Osroenskisches Konigreich, friiher Antiochien genannt. 49 dem Geschlecht der Arschakiden stand. Die Taufe der A rm enier erfolgte in den Jahren 29 - 30. Es gibt Mitteilungen iiber Fakten der Verfolgung der armenischen Christen im Jahre 312.86 Am wahrscheinlichsten ist jedoch, dass das Christentum von den Armeniem als offizielle Religion im Jahre 314 angenommen wurde, d.h. nachdem Kaiser Konstantin I. im Toleranzedikt von M ailand im Jahre 313 endgiiltig das Christentum in die Reihe der vom Reich anerkannten Religionen aufnahm.87 Zunachst breitete sich das Christentum bei den Armeniem recht langsam aus - bis Bischof Mesrob 403 das armenische Alphabet schuf und Patriarch Isaak die Bibel aus dem Griechischen ins Armenische iibersetzte. Im Jahre 430 revidierten Mesrob und Isaak die Liturgie und stellten eine Reihe neuer Gebete zusammen, und damit war der Prozess der Entstehung der armenischen christlichen Kirche praktisch abgeschlossen. Vor dem Konzil von Chalcedon im Jahre 451 war die armenische Kirche Hand in Hand mit der christlichen (byzantinischen) Ostkirche gegangen. Aber die Beschltisse des Konzils von Chalcedon wurden von ihr nicht angenommen. A uf Grund dieser Meinungsverschiedenheiten begannen die Armenier ihre Kirche als autonome Kirche zu betrachten und nannten sie nach Gregor dem Erleuchter Gregorianisch. Im 5. Jahrhundert wurde die Armenische Kirche sowohl von Byzanz als auch von der Kirche Roms unabhangig. Bereits ab dem 6. Jahrhundert war die Armenische Kirche monophysitisch, d.h. glaubte, dass die beiden Naturen Jesu Christi - die menschliche und die gottliche Natur - in ihm in einem einzigen gottlich-menschlichen W esen vereinigt seien. Im Jahre 551 trennt sich die albanische Kirche von der Kirche von Byzanz und erklart ihre Autokephalie. Im Unterschied zur armenischen monophysitischen Kirche teilte die albanische Kirche genau wie die gregorianische das Dogma des Diophysitismus, d.h. die 86 Vgl.: Jewsewij Kesarijskij, Z.erkownaja istorija (Kirchengeschichte) Buch 9, S. 8. 87 Konstantin I. der GroBe (um 285-337), romischer Kaiser ab dem Jahr 306. Unterstiitzte die christliche Kirche, wobei er auch heidnische Kulte beibehielt, darunter auch den Geburtskult der Flavier. 324-330 griindete er die Stadt Konstantinopel an der Statte der Stadt Byzanz. 50 Anerkennung der gleichzeitigen Existenz der menschlichen und der gottlichen Natur in Christus. Um den Einfluss des Byzantinischen Reiches abzuwenden, iiberftihrte das Kalifat - als Vorwand die Denunziationen der Vertreter der Armenischen Apostolischen Kirche nutzend - die Albanische christliche Kirche in den Monophysitismus und unterstellte sie der monophysitischen armenischen gregorianischen Kirche. Wie dies geschah, mit welchen Methoden und durch wen das erreicht wurde, erklart die sehr aufschlussreiche These aus dem Werk des bekannten russischen Kaukasusexperten W. Welitschko: „Der Armenische Katholikos Ilija nutzte die Situation - die Ausbreitung des Islam - und teilte dem arabischen Kalifen Abd al-Malik mit, die albanischen Christen planten vermutlich einen Aufstand gegen die Araber. Der Kalif, der keine weiteren Recherchen anstellte, befahl die Aufnahme der albanischen Christen in die Armenische Apostolische Kirche.“88 So begann der Prozess der sogenannten ,,De-Ethnisierung“ der Albaner von Karabach, ein Prozess, der im Verlauf der Jahrhunderte zum Verlust der Identitat der Albaner gefiihrt hat. Jedoch blieb die Albanische christliche Kirche auch danach, wie noch aufgezeigt werden wird, viele Jahrhunderte relativ selbststandig, bis Karabach russisches Gebiet wurde. Und schlieBIich wurde 1837 das Albanische Patriarchat im Russischen Imperium aufgelost und sein Vermogen an die Arme­ nische Apostolische Kirche ubertragen. In den Jahren 1909-1910 wurden die Reste und die zahlreichen urkundlichen Spuren der Albanischen christlichen Kirche vernichtet. Der Heilige Synod des Russischen Imperiums erlaubte dem armenischen Synod in Etschmiadsin84 die Vernichtung des Archivmaterials einer Reihe 88 Welitschko, W.L. Kawkas (Der Kaukasus), Sankt Petersburg 1904, S. 65-66; Bunijatow, S. M. Aserbajdschan w VII-IX wekach - Aserbaidschan im 7.-9. Jahrhundert). Baku 1999, zweites Kapitel. 84 Etschmiadsin (bis 1945 Wagarschapat) ist das Zentrum der Armenischen Apostolischen Kirche (AAK) und die Residenz des Katholikos. Seine Hauptkathedrale wurde im Jahre 303 erbaut und danach mehrfach umgestaltet und verschonert. Zwei andere hier bekannte Kirchen (Ripsime und Gajane) wurden in der ersten Halfte des 7. Jahrhunderts n. Chr. erbaut. Bei Etschmiadsin befinden sich die Ruinen einer anderen Kathedrale der AAK, Swartnoz, erbaut in 20 Jahren (641-661 n. Chr.). Vgl.: Rossijskij enziklopeditscheskij slowar (Russisches enzyklopadisches Worterbuch). Moskau 2002, Bd. 2, S. 1861. Dem Autor ist die erstaunliche Ahnlichkeit des 51 albanischer Eparchien. Viele Forscher sind davon iiberzeugt, dass es dieser Beschluss des Heiligen Synod Russlands war, der zum endgiiltigen Verschwinden der noch verbliebenen Dokumente der Albanischen christlichen Kirche beigetragen hat.90 Von Anfang an war die Armenische Apostolische Kirche (AAK) einerseits einer der Hauptfaktoren beim Zusamm enschluss der Armenier und trennte andererseits die Armenier von alien anderen Christen. Die Apostolische und die Gregorianische Armenische Kirche sind nach den Aposteln Thaddaus und Bartholomaus, die als erste die Lehre Christi in den von Armeniem besiedelten Gebieten gepredigt haben und hier den Martyrertod erlitten haben, und dem Griinder der AAK Gregor dem Erleuchteten, dem ersten Katholikos von Armenien, dem ersten religiosen Oberhaupt aller Armenier, benannt. Eine Zeitlang gait sie in Rom als ketzerisch. Aufgrund der Gefahr, von der romischen Kirche absorbiert zu werden, wurde 1441 der Katholikosthron von Kilikien91 nach Etschmiadsin verlegt, das in der Namens „Etschmiadsin" mit dem turkischen Ausdruck „Utsch muedsin" („Drei Muezzine") aufgefallen. Die Wurzeln dieser Ahnlichkeit erfordem eine zusatzliche Erforschung. Vgl.: Dschamal S.: Karabach w administratiwno-polititscheskoj sisteme Rossijskoj imperii w XlX-natschale XX wekow (Karabach im administrativpolitischen System des Russischen Reiches 19,-Anfang 20. Jahrhundert). In: IRS, Moskau, Nr. 2-3, 2005; Gejuschew, R.B. Christianstwo w Kawkasskoj Albanii (Das Christentum in Kaukasisch-AIbanien.) - Baku, 1984; Mamedow, D.M.: Kawkasskaja Albanija (Kaukasisch-AIbanien). - Baku, 1993; Esai Chasan-Dschaljaljan, Kratkaja istorija strany Albanskoj (1702-1722) (Kurze Geschichte des Landes Albanien von 1702-1722), Baku, Elm, 1989. Kilikien war im Altertum das siidostliche Gebiet von Kleinasien, das aufgrund seiner Fruchtbarkeit frtih griechische Siedler angezogen hatte. Zur Zeit der feindlichen Auseinandersetzungen mit den Selewkiden war Kilikien eine echte Holle von Seeraubem und Piraten. In dieser Zeit entstand die griechische Redensart: „drei der schlimmsten Worter mit К sind Kappadokier, Kreter und Kilikier“. Im ersten Jahrhundert v. Chr. wurden die Kilikischen Piraten so stark, dass sie Ostia, den Hafen von Rom, besetzten, die dort befindlichen Schiffe verbrannten und den Anlieferungsweg fur Getreide aus Sizilien und Agypten nach Rom versperrten. Ihre Vertreibung gelang erst Pompeji. Einmal wurde Kilikien von Zizero regiert, der in seinen Briefen dieses Land gut beschrieben hat. In der Epoche des Niedergangs von Byzanz ging Kilikien an die Armenier, die es mithilfe der Templer einige Zeit lang vor den Muselmanen schutzten. Vgl.: Neumann. Zur Landeskunde und Geschichte Kilikiens. In: Jahrbucher fur Philologie, Berlin 1883. 52 Nahe von Eriwan gelegen ist. Seit dieser Zeit hat ihre Bedeutung in der armenischen Geschichte besonders zugenommen. Etschmiadsin wird die politisch fuhrende Kraft aller Armenier, die in viele Lander zerstreut sind und keinen eigenen Staat haben. Die armenischen Katholikoi waren schon immer die einzigen Vertreter des gesamten armenischen Volkes, unabhangig davon, in welchen Gebieten seine einzelnen Mitglieder lebten, unter den Regierungen verschiedener Staaten. Seit dem Fall von Konstantinopel (1453) begannen die osma­ nischen Sultane die Lander zu erobem, die den Safawiden unterstanden, in denen auch Arm enier lebten. Sultan Selim stiefi an der Spitze eines riesigen Heers bis nach Tabris vor, schlug Schah Ismail und nahm das Land des Schahs bis Erzurum im Norden und Urmien im Suden (1514) ein. Schah Tachmasp versuchte das Verlorene zuriickzugewinnen, wurde jedoch von Sultan Suleiman I. (1533-1555) vemichtend geschlagen. Durch die militarischen Auseinandersetzungen zwischen dem Osmanischen Reich und dem Safawidischen Imperium, die Jahrzehnte andauerten und in den Gebieten stattfanden, wo traditionell ein GroBteil der armenischen Bevolkerung lebte, wurden diese Orte endgiiltig zerstort. So wurde die gesamte Flache des zukiinftigen Khanats Eriwan aufgrund einer zerstorten Landwirtschaft und von Hunger und Epidemien zu einer Zone andauernden Elends. Sultan Murad III. siedelte 1580 bis zu 60.000 Moslems und Armenier aus diesem Gebiet in andere Gebiete um, so dass dieses Land fast unbevolkert war. Schah Abbas fuhrte 1605 zwangsweise noch zehntausende Familien islamischen und christlichen Glaubens aus dem Araxes-Tal heran und siedelte sie in verschiedenen Teilen des Safawidischen Reiches an. Wenn man davon ausgeht, dass damals die ,,Familien“ groB waren (10 und mehr Menschen), so stehen „zehntausende Familien" (N. Adonz) fiir hunderttausende Menschen. Die Armenischen Katholikoi erwiesen der leidenden Glaubensgemeinschaft angemessene Hilfe und vertrauten meist auf die Hilfe und Einmischung der christlichen Staaten Europas gegen die Musulmanen der Tiirkei oder Persien. Die Idee der Befreiung der christlichen Armenier und anderen Christen aus der Herrschaft der M oslems unter Hilfe der christlichen europaischen Machte kam Katholikos Sefan V. (1541-1556) zu. Als Mensch mit herausragender 53 Bildung, der in jungen Jahren in Europa gewesen war, wandte er sich 1547 personlich an den Westen und versuchte iiber den Papst die Aufmerksamkeit der europaischen Machte auf die schwere Lage der Christen zu lenken. Sein Nachfolger, Michail Sewastijskij (15561570), sandte mit dem gleichen Ziel eine Sondergesandtschaft nach Europa, an deren Spitze Abgar Tokatskij stand, der durch die Geschichte des Buchdrucks bei den Armeniem bekannt ist. Unter Katholikos Jakow (1655-1680), einem der herausragendsten armenischen Patriarchen, fand in Etschmiadsin (1678) ein geheimes Treffen statt, an dem 6 Bischofe und 6 weltliche Personlichkeiten teilnahmen. A uf dieser Versammlung wurde beschlossen, eine Sonderabordnung unter der Leitung eines Katholikos nach Europa zu entsenden. Sie sollte sich um Hilfe fur die Armenier und andere Christen und ihre Befreiung bemiihen. Der Katholikos starb in Konstantinopel; seine Begleiter kehrten zuruck, m it Ausnahme des albanischen Meliks Ori, der den Weg nach Europa fortsetzte. Ori stammte aus Karabach und w ar albanischer Christ, der von Meliks abstammte. Er fuhr nach Frankreich und trat in den Wehrdienst ein. Es war eine Zeit, in der Ludw ig XIV., der zusammen mit dem Papst die Idee einer heiligen Allianz der Christen gegen das Osmanische Reich hegte, bereitwillig die M itteilungen iiber die oppositionellen Gesinnungen der osmanischen Armenier und der anderen Christen aufnahm. Von Frankreich ging Ori in den Dienst des Rheinischen Kurfursten Johann-W ilhelm iiber, um auch ihn ftir die Lage der Christen in der moslemischen Umgebung zu interessieren. A uf Anraten dieses Kurfursten begann Ori Kontakte zum russischen Zaren zu suchen, und zu versuchen, seine Unterstiitzung zu bekommen. Bevor er nach Russland reiste, kehrte Ori nach Karabach zuriick und arrangierte ein Geheimtreffen mit den Meliks in Gansasar und in Angelakot. Mit Beglaubigungsschreiben von ihnen reiste er als bevollmachtigter Vertreter der M eliktiimer nach Russland. Zu dieser Zeit waren von den Christen des Siidlichen Kaukasus in Russland die Kaufleute, die Armenier, am bekanntesten. So wurde 1660 von armenischen Handlem dem M oskauer Zaren ein iiberaus wertvolles Geschenk iiberreicht: ein Thron (hoher Tisch ftir die Orthodoxe Kirche), der mit Diamanten, Rubinen und Saphiren, Perlen, ostlichem Tiirkis und turkischer Finift (Emaille) verziert war. Ori erhielt eine personliche Audienz bei Peter dem GroBen und erlauterte 54 ihm seinen Handlungsplan fur die Zukunft. Der Zar nahm ihn freundlich auf, nahm ihn im Rang eines Obersten in russische Dienste und kommandierte ihn nach Persien ab zum „Nutzen des Zaren“. Ori starb jedoch au f dem Riickweg in Astrachan, was dem ganzen Plan der Meliks einen Riickschlag versetzte. Der georgische Konig Wachtang und die albanischen Meliks riefen ihre Truppen zusammen und warteten auf die Ankunft der russischen Tmppen. Aber Peter I. kam nur bis Derbent und lieB dadurch seine Verbiindeten angesichts der Bedrohung der Zerstorung durch die Truppen des Safawidischen Schahs in einer verzweifelten Lage. Parallel zu den oben geschilderten Ereignissen liefen wichtige religiose und organisatorische Prozesse in der Albanischen Christlichen und der Armenischen Apostolischen Kirche ab. Zwischen 1651 und 167542 griindete die Albanische Christliche Kirche in der Person des Simeon von Chotaraschen das Kloster Erek Mankunk, der Katholikos dieses Klosters wurde. Das altere Kloster Gjandschasar befand sich im Meliktum Chatschyn, und das neu errichtete Kloster Erek Mankunk im Meliktum Tschiljaberd. Nach dem Tod von Eremi 1700 und Semion 1701 wird Esai 1702 albanischer Katholikos in Gjandschasar, und Nerses in Tschiljaberd. Nach Esais Tod 1728 wird Nerses albanischer Katholikos. Nach dem Tod von Nerses 1763 wird Israel, der Sohn der Schwester von Nerses, mit Unterstiitzung von Schahwerdi-Khan von Gjandscha und anderen Meliks, die sich zu dieser Zeit in Gjandscha befanden, zum albanischen Katholikos gesalbt. Dies fuhrte zu Konfrontationen zwischen Katholikos Owanes in Gjandschasar und von Israel in Gjandscha. In ,,Dschambr“, dem Gedenkbuch, dessen Verfasser Simeon Erewanzi43 ist, wird darauf hingewiesen, Israel habe sich nicht unterstellt, weil er sich, wie auch andere albanische Katholikoi, fur einen kirchlichen Hierarchen gehalten habe, unabhangig von dem von Eriwan und diesem gleichgestellt. In seinem B rief an den georgischen Konig Iraklij II. erklart Israel seine Rechte damit, dass die Christen von Karabach und von Gjandscha nicht Armenier, sondern Albaner 42 Die Daten bei Raffi und Simeon Erewanzi, dem armenischen Katholikos (1763-1780) unterscheiden sich. w S. Erewanzi, Dschambr, Isdatelstwo Wostotschnoj literatury (Verlag der ostlichen Literatur), Moskau, 1958. 55 sind, d.h. eine andere Ethnie, die mit der armenischen (Hai-) Ethnie nichts gemeinsam hat. Ein anderer, sehr bemerkenswerter Aspekt von ,,Dschambr“ besteht in der Bestatigung durch Simeon Erewanzi der Tatsache, dass die Armenier nach Karabach in verschiedenen Zeiten iibergesiedelt sind. In den 1790-er Jahren zogen aufgrund der langjahrigen Diirre, gefolgt von Missemten, Hunger und Epidemien, viele Bewohner Karabachs in andere Gebiete. Unter ihnen war auch die albanische Bevolkerung des Meliktums Giilistan, die den M eliks-Beylerbeys unterstand, und des Meliktums Waranda, die dem M elik der Schachnasaren unterstand. Die Untertanen von M elik Medschlum, der in Gjandscha gestorben war, lieBen sich dort auch nieder, die Bewohner von Chatschen und Disag blieben teilweise an ihren Orten, und ein Teil iibersiedelte in andere Lander. A u f Befehl des russischen Zaren Paul I. erhielt der Melik von Dschumschud, Melik-Schachnasar, vom georgischen Konig Georgij den Ort Lori94 in seinen damaligen Grenzen und einen Teil von Bortschala, wo er sich auch m it seinen Untertanen niederlieB. Der Melik von Firuddin, Melik-Begljar, erhielt den restlichen Teil von Bortschala und den Ort Adschi-gale. Und Melik Abow (der Onkel von Melik Firuddin) erhielt Bolnisi. In der Folge erwarben die genannten Meliks noch weiteres Land entsprechend der stetig wachsenden Anzahl ihrer Untertanen. Wahrend der Umsiedlung der albanischen Bevolkerung von Karabach nach Georgien befanden sich die albanischen Katholikoi von Karabach an verschiedenen Orten. Zwei von ihnen blieben in Karabach: die Residenz von Katholikos Israel befand sich im Kloster Amaras, die Residenz von Katholikos Simon dem Jungeren im Kloster Erek Mankunk. Der dritte albanische Katholikos, Sargis ChasanDschalal, befand sich auBerhalb Karabachs, in der Stadt Gjandscha (Ganca). In diesem Jahr (1798), als die Meliks mit ihren Untertanen nach Georgien tibersiedelten, zog Katholikos Sargis Chasan-Dschalal mit seinen Leuten von Gjandscha nach Tiflis. 94 Lori - Stadt und Festung im Ujesd Aleksandropol des Gouvernements Eriwan. das damals eine wichtige Rolle in Kaukasisch-Albanien spielte. Ihre Ruinen waren bis zum Ende des 19. Jahrhunderts am linken Ufer des Flusses Kamenka erhalten. 56 Die wichtigste armenische Eparchie in Georgien war zu dieser Zeit Erzbischof - spater (1831-1842) Katholikos - Owanes, der die hochste geistliche Autoritat von Etschmiadsin war. Zu dieser Zeit gab es in Georgien drei armenisch-gregorianische Eparchien: 1. Etschmiadsin, 2. Achpat und 3. Sanain.95 Zwei dieser Kloster (Achpat und Sanain) waren albanische Kloster, die auf dem Territorium des historischen Kaukasisch-Albanien gegriindet worden waren.96 Die Ankunft von Katholikos Sargis in Tiflis rief den Unwillen von Owanes hervor. Sargis wollte geistlicher Hirte aller in Georgien lebenden albanischen Ubersiedler aus Karabach werden. Das wollten auch die Fliichtlinge selbst. Die Albaner, wie Raffi richtig bemerkte, waren gewohnt „unabhangig von Etschmiadsin zu leben, ihre eigene geistliche Leitung zu haben, deren Rolle im Lauf der Jahrhunderte das Katholikat Agwanka“ erfullt hatte.97 Konig Georg von Georgien schlug dem Etschmiadsinischen Katholikos Gukas vor, Katholikos Sargis zum Pastor der karabachischen Fliichtlinge, der Albaner, zu bestimmen. Gukas lehnte den Vorschlag Georgiens ab. Da erklarte der georgische Konig, er wiirde, wenn sein Vorschlag nicht ausgefuhrt wiirde, keinem einzigen Vertreter von Etschmiadsin erlauben, die Grenze zu Georgien zu iiberqueren und von den dort ansassigen Armeniem Kirchensteuem einzuholen, und Gukas war gezwungen, den Albaner Sargis zum Abt des Achpat-Klosters und gleichzeitig zum Pastor der karabachischen Fliichtlinge, der Albaner, zu ernennen.98 Sargis wahlte gerade dieses Kloster, weil es seit seiner Entstehung albanisch war und von Rechts wegen von einem Albaner geleitet werden sollte. Die „Albanische Frage“ war offenbar gelost, aber der armenische Erzbischof Owanes mischte sich weiterhin in die Belange der albanischen Glaubensgemeinschaft ein. Das geht aus der Antwort hervor, die von I.B. Gudowitsch am 11. Marz 1807 auf die Beschwerde des albanischen Katholikos Sargis iiber unrechtmaBige Einmischungen des Armeniers Owanes in die Angelegenheiten des 95 Vgl.: AKAK. Tiflis, 1866, Bd. l,D o k . 661, S. 539. 96 Vgl.: Moisej Kagankatwazi: Istorija Agwan (Die Geschichte der Agwanen) St.-Petersburg, 1861, S. 363. 97 Vgl.: Raffi, Die Kleinfurstentiimer Chamsi (1600 - 1827), Nairi, Eriwan, 1991 ,S. 126. 98 V gl.: Raffi, Die Kleinfurstentiimer Chamsi (1600 - 1827), Nairi, Eriwan, 1991, S. 127. 57 albanischen Achpad-Klosters gegeben wurde. In seiner A ntw ort w irft der Oberbefehlshaber der russischen Streitkrafte im Kaukasus S argis vor, dass „Erzbischof Ioanes (Owanes - J.R.), der von Patriarch D aniil als der armenischen Geistlichkeit in Georgien Vorstehender eingesetzt worden war, auch als solcher von S.K.H.(Seiner Kaiserlichen H oheit J.R.) bestatigt worden ist, deshalb miisst auch Ihr ihm in allem als Untergebener Ehre erweisen, und ich kann aufgrund dieser hochsten Anordnung Eure Bitte nicht erfullen, nicht unter seiner Leitung stehen zu miissen. A ber von m einer Seite aus, der ich wunsche, im m ir anvertrauten kaiserlichen Land in alien Angelegenheiten einen ordentlichen V erlauf zu sehen, bitte ich Eure Eminenz, alle Forderungen des Erzbischofs Ioanes zu erfullen“." Der albanische Katholikos Israel, der zu dieser Zeit im Kloster Amaras in Karabach war, teilte in seinem Schreiben an Gudowitsch vom 19. August 1806 m it:“ Das Gebiet Agwan fiel ihm (d.h. Grigoris, Katholikos von Albanien - J.R.) in die Eparchie zu, zu seiner (d.h. Grigoris- J.R.) besonderen kompletten personlichen Verfiigung, welches Recht fur dieses Kloster bis zum heutigen Tag besteht, und die friiheren Patriarchen von Ararat hatten nichts damit zu tun und waren nie davon beruhrt, sondem es war immer in der vollen Verfiigung vom Amarrischen (Amarassischen - J.R.) Patriarchen abhangig, was vollig unbestreitbar ist und wofiir die Eparchie im Kloster mehrere Schenkungsurkunden hat, die ihr von den vorigen autokratischen Personlichkeiten verliehen wurden; und aufgrund dieses Rechts und auf Bitten der Elisawetpolischen Gemeinde (von Albanern - J.R.) bin ich zu Euch gekommen zwecks der seitherigen Verwendung, denn es ist nun schon iiber 40 Jahre, dass ich mich in diesem Kloster und dieser Eparchie im Rang des Patriarchen befinde. Aber nun wurde ich au f Anordnung der Obrigkeit entlassen, weil angeblich das dortige Volk au f Vorschlag des verstorbenen Oberbefehlshabers von Georgien Fiirst Zizianow dem Tiflisser Erzbischof Ioann (Owanes - J.R.) unterstellt werden soli; aber mir ist nicht bekannt, aufgrund welchen Rechts oder aus welchen Griinden dies getan wurde, sei es nur deshalb, weil Elisawetpol vom russischen Heer eingenommen wurde, und auch Karabach sich freiwillig ergeben hat 99 Vgl.: Prisoedinenie Wostotschnoj Armenii к Rossii (Der Anschluss Ostarmeniens an Russland). Urkundensammlung, Bd. 1 (1801-1813). Verlag „AN Armjanskoj SSR“, Eriwan, 1972, Dok.343, S. 401. 58 und alle gleichermaBen an Georgien angeschlossen sind unter der Herrschaft von S.K.H., folglich auch kein Anlass zur Krankung des genannten Klosters Amarr bestand, das zu keiner Zeit und von keinem autokratischen Herrscher je so gekrankt wurde“ .l<)0 Aber Gudo­ w itsch101 bevorzugte erneut ohne jegliche vemunftige rechtliche Grundlagen (siehe dessen Antwort an Israel102) Owanes „in Anerkennung des Eifers und der Loyalitat“, die dem hochsten mssischen Thron von Owanes zuteil geworden waren. Hier sei angemerkt, dass es nicht nur in Georgien zwei albanische Eparchien gab, sondem auch das Konsistorium Astrachan bereits friiher unter der Jurisdiktion des albanischen Katholikats Ganschasar stand und erst 1768 durch eine Urkunde von Katharina der GroBen vom 30. Juli unter Etschmiadsin kam .103 Wie zu dieser Zeit die Beziehung der Armenier und der Albaner im Konsistorium Astrachan zueinander war, ware noch zu erforschen. i(wVgl.: AKAK, Bd. Nr. Dok.149, S. 79-80. 101Gudowitsch, (wan W assiliewitsch (1741-1820), Graf (1797), Generalfeldmarschall (1807). Hatte eine europaische Bildung (studierte an den Universitaten Leipzig, Konigsberg und anderen deutschen Universitaten). Im Russisch-Osmanischen Krieg 1787-1791 nahm er Chadschibej ein (14.9.1789), zwang er die Festung Kilija zur Kapitulation und erstiirmte Anapu (22.6.1791). Danach wurde er zum kaukasichen Generalgouverneur ernannt und konnte mit harten MaBnahmen die Ausbreitung der Pest vcrhindern. Schamchal von Dagestan und der Khan von Derbent schlossen sich selbst Russland an nach der ,,Aufklarungsarbeit“ Gudowitschs. Danach wurde er von Paul 1. in den Grafenstand erhoben. Von 1800 bis 1806 war er in Ungnade gefallen und aus dem Dienst entlassen. Wahrend des russischosmanischen Krieges 1806-1812 war er Oberbefehlshaber der Truppen in Georgien und Dagestan, vertrieb aus Derbent den aufstandichen Khan, nahm Baku ein, unterwarf das Khanat Scheki und einen Teil des Lesginen-Landes und besiegte die turkischen Truppen am FIuss Arpatschaj (18.6.1807), wofiir er den Rang des Generalfeldmarschalls erhielt. Seine Bemiihungen, Achalkalaki (1807) und Eriwan (1808) einzunehmen, waren nicht erfolgreich. Ab 1810 Mitglied des Staatsrates. 1814 wurde nach der Einnahme von Paris sein Bruder, Graf A. Gudowitsch. damals Kommandeur des Ulanenbataillons, weithin bekannt durch seine Lieder, die den franzosischen Weinhandler Louis Chavron besingen. A u f A. Gudowitsch geht auch die in ganz Russland bekannte Redensart “Trockne das Kristall! - Trink aus!“ zuriick. H,2Vgl.: Prisoedinenie Wostotschnoj Armenii Rossii (Der Anschluss Ostarmeniens an Russland) Dok. 323, S. 388. l01Vgl.: G.A. Esow, Natschalo snoschenij Etschmiadsinskogo patriarschego prestola s russkim prawitelstwom (Der Beginn der Beziehungen des Etschmiadsiner Patriarchenthrones zur russischen Regierung).Tiflis, 1901, S. 5-7. 59 Im Jahre 1808 starb der albanische Katholikos Israel. Sein T od g a b dem armenischen Erzbischof Owanes den gewiinschten A nlass z u r schon lange von ihm geplanten Auflosung des A lb an isch en Katholikats. Er konnte sich auch auf eine ihm bereits friiher g e g e b en e entsprechende Zusage des Fiirsten Gudowitsch stiitzen. In e in e m Bericht von Owanes steht: „E.D. (Eure Durchlaucht - J.R .) B ei Riickkehr aus Eriwan mit dem russischen Heer und bei der N achricht iiber den Tod des Titular-Patriarchs Israel Agwanskij beliebten Sie z u versprechen, dass Ihr bei G. I. (Gosudar Imperator - J.R.) ansuchen wiirdet, au f W unsch unseres verstorbenen Patriarchen Daniil die Armenier (eigentlich geht es hier um A lbaner - J.R.), die in den in dieser Region neu erworbenen Gebieten leben in meine Eparchie einzugliedem, damit sich meine M acht au f kaiserlichen bestatigten Befehl sich auch auf sie erstrecken moge. Weshalb ich mir auch zu bitten erlaube, die sehr gnadige Zusage E.D. zu verwirklichen. U nd damit bin ich Euch bis ins Grab zu Dank verpflichtet...".104 Erfolgreich war auch die Eingabe des Etschmiadsinischen Patriarchats an die russische Regierung um Unterstellung der in Russland lebenden Armenier-Gregorianer. Dieser W unsch wurde im Jahre 1810 erfullt und ab dieser Zeit beginnt die Geschichte der Schaffung des zukiinftigen Etschmiadsiner Armenisch-Gregorianischen Synod. Gleichzeitig hatte es die russische Regierung nicht eilig, die Absicht der armenischen kirchlichen Hierarchen zu verwirklichen und liefi sich Bedenkzeit. Nach dem Tod von Israel sandte Sargis, der Erzbischof von Achpat den W ardapet (Gelehrten) Bagdasar, seinen Neffen, nach Karabach. Als im Kloster Gjandschasar alles in Ordnung gebracht war, verlieB Katholikos Sargis Georgien und siedelte 1812 vom Kloster Achpat nach Karabach iiber, wo er sich mit Hilfe des Karabachischen Mechdigulu-Khan (des Sohnes von Ibrahim-Khan) als vollig unabhangig vom Etschmiadsinischen albanischen Katholi­ kos erklarte. Dagegen protestierte das Etschmiadsinische Katholikat. Nach drei Jahren Streit zwang die „geistliche Leitung von Etschmia­ dsin mit Unterstiitzung der russischen Behorden", Sargis 1815 auf den Titel Katholikos zu verzichten und den Titel Metropolit anzunehmen. l04Vgl.: AKAK, Bd.3, Dok. 152, S. 81. 60 Nach dem Tod von Sargis 1828 folgte diesem Bagdasar, sein Neffe, ebenfalls im Stand des M etropoliten.'05 Aber auch der Stand des Metropoliten hatte eine gewisse Freiheit und es erhebt sich die Frage, weshalb Russland das albanische Katholikat nicht sofort aufgehoben hat. Vermutlich war man nicht ganz davon iiberzeugt, dass man die Dienste der Albaner nicht noch einmal brauchen wiirde. Andererseits gab man der armenischgregorianischen Kirche zu verstehen, dass fiir die vollige Abschaffung des albanischen Katholikats die armenischen Hierarchen sich noch befleiBigen miissten, die russischen Interessen im Kaukasus im Lichte des ,,Erwerbs“ weiterer tiirkischer und persischer Gebiete zu fordern. Die ,,freundschaftlichen“ Beziehungen der russischen Regierung zur armenischen Geistlichkeit unter Erzbischof'06 Nerses waren zu Beginn des neuen Krieges mit dem Kadscharenstaat im Jahre 1826 besonders eng. Der Erzbischof „bemiihte sich nach Kraften, seinen Eifer unter Beweis zu stellen: er ermahnte das armenische Volk, machte sich daran, zuverlassige Informationen iiber den Feind zu liefern, u. a.“.107 Dieser ,,Eifer“ trug nach Beendigung dieses Krieges im Jahre 1828 auch die gewiinschten Friichte. Der Vertrag von Turkmantschai 1828 zwischen Russland und dem Kadscharenstaat (Persien) enthielt Artikel 15, der die Moglichkeit der Umsiedlung der Arm enier in die Russland angegliederten aser­ baidschanischen Khanate Eriwan und Nachitschewan gab, die im gleichen Jahr aufgelost wurden, und an deren Stelle das Gebiet Armenien gegriindet wurde. Die Umsiedlung von rund 40.000 Armeniern war ein groBes Geschenk an Erzbischof Nerses, dessen Glaubensgemeinschaft sich rasch vergroBerte. Nerses, der schon 1808 beim Zar die Verfiigung erw irkt hatte, dass „alle armenischen Geistlichen Albaniens und Gansasars vom Obersten Rat des HI. Etschmiadsiner und Ararater Thrones abhangig sein miissen“ wurde durch Zarenreskript vom 25. Januar 1828 mit dem Orden des HI. 105V gl.: Raffi, Die Kleinfurstentumer Chamsi (1600-1827), Nairi, Eriwan, 1991,S. 154-155. l06Erzbischof ist ein geistlicher Name und Ehrentitel, Altester Bischof, Autseher iiber mehrere Eparchien. 107Vgl.: AKAK, Tiflis, 1878, Bd. MP, Dok. 436, S. 486. 61 Alexander Newskii fiir Verdienste um Russland, „insbesondere im 1OB jetzigen Krieg mit den Persianem“ ausgezeichnet. GemaB dem Vertrag von Andrianopol, der nach Ende des K rie g e s mit dem Osmanischen Reich 1829 geschlossen wurde, vergroB erte sich die Glaubensgemeinschaft von Nerses noch um rund 9 0 .0 0 0 Menschen, mit denen auch zwei armenische Bischofe, die groB en Einfluss au f das Volk hatten, unter die russische H errschaft k am en. Und am 11. Marz 1836 wurde die „Verfugung uber die L eitung d e r armenisch-gregorianischen Kirche“ erlassen. Die weitere B ezeichnung der Albaner als gregorianische Armenier wurde erst nach d er Annahme dieser Verfugung moglich, wie auch die Bezeichnung selbst erst 1836 auftrat. Im gleichen Jahr forderte auch die russische Regierung von der Armenischen Kirche, sie moge der arm enischen Glaubenslehre ebenfalls die Bezeichnung Kirche geben. Erst dann erschien in der veroffentlichten „Verfugung" der A usdruck „Armenisch-Gregorianische Kirche“. Die Griinde der nachfolgenden Unterstutzung der arm enischen Geistlichkeit auf Grund einer immer starkeren Beschneidung der Rechte der albanischen Geistlichkeit beschrieb 67 Jahre spater relativ iiberzeugend der geschaftsfuhrende Prokuror des Etschm iadsinischen armenisch-gregorianischen Synod, Frenkel. In seinem Bericht vom 22.4.1903, geschrieben in Zusammenhang mit der Aktivierung der Tatigkeit der armenischen Opposition in Russland schrieb er: „Leider erhielten die Armenier, - schreibt er - als vor 70 Jahren, im Zusammenhang mit der Verscharfung der ostlichen Frage, der von Zar Nikolaus I. ausgesprochene Gedanke iiber die bevorstehende Teilung „des kranken M annes“ (des Osmanischen Reiches - J.R.) entstand, sofort groBe Bedeutung und es wurden Hoffnungen auf sie gesetzt, die vollig unberechtigt sind. Unsere Gesandten bei der Ottomanischen Pforte, und zusammen mit ihnen auch das AuBenministerium, legten der Regierung des Zaren den Gedanken nahe, es sei von groBter Bedeutung, sich fiir die Interessen der russischen Politik die Unterstutzung der tiirkischen Armenier zu sichem;... Dieser grundlegend falsche Gedanke brachte eine ganze Reihe von Zugestandnissen und eine Milde seitens unserer Regierung hervor, die auch als l08Vgl.: G. A. Esow: Snoschenija Petra W elikogo s armjanskim narodom, C. CXXIX-CXXX. (D ie Beziehungen Peters des GroBen zum armenischen Volk von 79-80) 62 Prazedenzfall fiir zukiinfitige Ansuchen (Unterstreichung von mir J.R.) der armenischen Katholikoi zur Schaffung einer fiir sie personlich und fur ihre Glaubensgemeinschaft exklusiven Situation, die durch die Verfugung von 1836 geregelt wurde, dienten.l09“ Nach Annahme dieser Verfugung entfaltete sich unter der Leitung des Etschmiadsiner Patriarchats unbeschrankt die Politik der Assimilation des albanischen Volkes durch die Armenier kraft der Tatsache des gleichen Glaubens. Es begann die Herausgabe von Biichem mit umgeschriebener armenischer Geschichte, in denen uralbanische Gebiete zu armenischen erklart wurden und das albanische Volk dem armenischen zugerechnet wurde, obwohl diese Deutung vollig an der W ahrheit vorbeigeht. Die elementare Tatsache der Zugehorigkeit der albanischen Sprache zur nachisch-dagestanischen ibero-kasachischen Sprachfamilie und das Vorhandensein von 52 Phonemen in ihrem Alphabet, obgleich die armenische ein separater Zweig der indoeuropaischen Sprachfamilie ist und ihr Alphabet 36 Buchstaben enthalt, dient als unwiderlegbares Zeugnis der ernsthaften und tiefen Unterschiede zwischen den Albanern und den Armeniem. Schon 1867 konnten in den meisten landlichen Kirchengemeinden der Eparchie Karabach die Mehrzahl der Laien weder armenisch lesen noch schreiben, und viele auch nicht sprechen.110 Zahlreiche Fakten, die unwiderlegbar von der Politik dcr assimilierenden ,,Umwandlung“ der Albaner zu Armenier zeugen, werden im Werk von K. Imranli „Das schwarze Schicksal des Schwarzen Gartens" angefiihrt.111 Wir reflektieren hier nur die Meinung des bekannten russischen Denkers, Theologen, Mathematikers und Ingenieurs Pawel Florenskij, des Sohnes einer Albanerin aus dem Geschlecht der M elik-Begljarows, der Meliks von Gulistan, die aktiv an den Beziehungen der Albaner zu Russland beteiligt waren. In seinem B rief vom 20. September 1916 an seine Familie schrieb er: „Die Karabachischen Armenier sind eigentlich keine 104Vgl.: RGIA, f. 821. op. 7, d. 96, T. 3, Bl. 203ob-204. ll(lVgl.: Raffi, Die Kleinfurstentiimer Chamsi (1600-1827), Nairi, Eriwan, 1991, S. 158-159. 111 Vgl.: Imranli Kamala: Tschjomaja sudba tschjornogo sada (Das schwarze Schicksal des Schwarzen Gartens) Nautschno-issledowatelskij zentr ,,LADAM IR“ (wissenschaftliches Forschungszentrum ,,LADAM1R“), Moskau 2006. 63 Armenier, sondem ein besonderer Stamm der Udiner... im A lte r tu m nannten sie sich Albaner, und die Arm enier nennen sie A c h a w a n e r (Agawaner - J.R.)...“ ." 2 Florenskij berichtet, seine M utter h ab e n ic h t armenisch sprechen oder etwas uber Armenien und die A rm e n ie r lesen wollen oder - selbst nicht aus Neugier - in eine a rm e n isc h e Kirche gehen wollen. Die Last einer negativen h isto risc h e n Erinnerung hielt diese Albanerin vom ehm er Herkunft davon ab, d ie s zu tun. Viele Forscher verweisen auf die Unvermeidbarkeit der re a le n Trennung der armenischen Kirche vom Staat, wie sie in der R e p u b lik Armenien, obwohl sie sich auch fur einen demokratischen Staat halt, nicht gegeben ist. Ein iiberaus groBer Einfluss der Kirche a u f die 112Vgl.: P. Florenskij: Detjam moim, Wospominanja proschlych dnej, Genealogitscheskie issledowanija. Is Solowezkich pisem. Saweschtschanie. (Meinen Kindern, Erinnerungen an vergangene Tage, G enealogische Forschungen. Aus den Solowezker Briefen. Vermachtnis.), Moskau, 1992, S. 376. Andere heute interessante Werke von Florenskij: Florenskij, Pawel: swjaschtsch. Sobranie sotschinenij, Statji i issledowanija po istorii i filo so fii iskusstwa i archeologii. (HI. Sammlung von Aufsatzen, Artikeln und Untersuchungen zur Geschichte und Philosophie von Kunst und Archaologie) М., 2000, S. 190-259; Florenskij, P.A.: Ikonostas (Die Ikonenwand) М., 1995, S. 64, 166. Sein Hauptwerk ist „Stolp i utwerdschdenie istiny. Opyt prawoslawnoj teodizei“ (Die Saule und Stiitze der Wahrheit. Erfahrung einer orthodoxen Theodicae.) Das durch seine geistliche Ausdruckskraft herrliche Werk von Pawel Aleksandrowitsch Florenskij, das klar auf seine kaukasischalbanische Abstammung hinweist, ist im Gemalde von M Nesterow ,,Philosophen“ wiedergegeben, auf dem Florenskij und der andere herausragende russische Philosoph S.N. Bulgakow abgebildet sind. Vgl.: A.A. Rusakowa: „Michail Nesterow". Leningrad, Verlag ,,Awrora“ 1990. 111. 81, 82. A uf der Postkarte mit dem Bild von M.W. Nesterow „Widenie otroku Warfolomeju“ (Dem Knaben Bartholomaus erschienenes Gespenst) schrieb Olga, die Schwester von Pawel Florenskij: „Lieber Pawel, ich sende Dir Dein Portrat. Ljusja und ich sagten gleich, dass das Dir unheimlich ahnlich sieht und kauften es“. Vgl.: Nowyj schumal, N ew York 2007, Dezember, S. 142. Der Familienname der Schwester von Olga, Melik-Begljarowa Elisaweta Pawlowna zeugt von ihren albanischen Vorfahren. Eine der Schwestem von Pawel Florenskij, Florenskaja Elisaweta Aleksandrowna (1886-1967) heiratete Georgij Georgiewitsch Koniew (Koniaschwili), ein Mitglied des Wissenschaftsrates der Menschewiki-Regierung von Noe Schordanija. Sie lebte ihr ganzes Leben lang in Tiflis und wurde die Ahnherrin des georgischen Zweigs der Nachkommen der Familie Florenskij. Sie war es auch, die das Tiflisser Familienarchiv der Familie Florenskij unterhielt. Vgl.: Nowyj schumal, N ew York, 2007, S. 123. Artikel: Pawel Florenskij: Jahr 1908. 64 staatliche Politik hat noch nie gute Friichte getragen - zu unterschiedlich sind die kirchlichen und die staatlichen Aufgaben.113 113Vgl.: W eems Samuel. Armenia. Secrets o f a „Christian" Terrorist State. Dallas, St. John Press, 2002, pp. 10, 44, 46. 65 4. Die historischen und kulturellen Denkmaler K a u kasisch-Albaniens (bis Ende des 18. Jahrhunderts) ,, Es gibt keine Opposition, keine Feindschaft, k e in e n Konflikt der Kulturen. Das widerspricht dem B e g r if f „Kultur" selbst. In ihrer gegenseitigen B eeinflussung bereichern die Kulturen einander. “ Elke F isch e r Die friihesten Zeugnisse der Besiedelung von N ord-A serbaidschan haben ein ,,Alter“ von iiber 200 000 Jahren (materielle Spuren in Chanlar, Baku, Kedabek und anderen Orten). Abbildungen des Jungsteinzeitalters und spaterer prahistorischer Zeitalter (K upfersteinzeit u.a.) wurden in G obustan"4 (Kreidezeichnungen), bei M ingentschaur, Chodschala u.a. Orten entdeckt. Die Abbildungen zeigen Menschen bei der Jagd, beim Fischen, beim Viehhiiten. Es w urden auch Spuren davon gefunden, dass die damaligen Bewohner N ordAserbaidschans das Kupfer kannten - den wichtigsten Zeugen des Beginns der Bronzezeit. In der Antike und im 6. Jahrhundert v. Chr. gab es auf dem G ebiet von Aserbaidschan einen Staat, der von griechischen Q uellen Kaukasisch-AIbanien und von arabischen Quellen Arran genannt wird.lls Die Einbindung von Nord-Aserbaidschan in das entstandene ll4Einige Abbildungen, genauso w ie auch die Ablagerungen auf den Felsen geben nach Meinung des Autors dieser Studie, der sie gesehen hat. die Moglichkeit zu vermuten, dass ein Wasserweg der alten Zivilisation des Umlandes des Kaspischen Meeres mit dem Russischen Norden bestanden hat. einerseits, und mit dem nord-ostlichen Teil des Schwarzmeerbeckens und des Beckens des Asowschen Meeres andererseits. Vgl.: auch Zeichnungen 5. 8. 9 in: S.N. Rustemow. Die Steinzeichnungen von Gobustan, Baku -“Kooperazija‘\ Buch 1 (in aserb. Spr.). 115Vgl.: Mamedowa Farida: Polititscheskaja istorija i istoritscheskaja geografija Kawkasskoj Albanii. (Politische Geschichte und historische Geographie Kaukasisch-Albaniens.) Baku, Elm 1986. Der bekannte georgische Historiker und Archaologe Bakradse Dmitrij Sacharowitsch (1826-1890) beschrieb in seinem klassischen Werk „Kawkas w drewnich pamjatnikach christianstwa" (Der Kaukasus in alten Denkmalern des Christentums), Tiflis 1875) 321 christliche Denkmaler im Kaukasus, von denen viele albanisch waren. Das umfangreiche Material, das er in den letzten 15 Jahren bis zu seinem Tod gesammelt hat, ist nicht veroffentlicht und nur Archivaren zuganglich. Die ersten funf Bande wurden von der Kaukasischen Archeographischen 66 Reich der Achaemenider116 (bis 330 v. Chr.) war dem Erscheinen von Objekten und Denkmalern der antiken Kultur auf seinem Territorium nicht forderlich. Wahrend im Stiden bereits der Staat Medien existierte, formte sich im nordlichen Teil des Landes, in KaukasischAIbanien, ein Verband von Stammen, Albanem, die im 1. Jahrhundert v. Chr. Widerstand leisteten gegen die romischen Eroberungsversuche von Nord-Aserbaidschan. Die Bildung eines albanischen Staates auf der Basis der Vereinigung von 26 Stammen forcierte den Entwicklungsprozess einer ortlichen Kultur. Jedoch ist die albanische materielle Kultur dieser Periode relativ wenig erforscht, aufgrund des Umstandes, dass viele Statten von Festungen, groBen Siedlungen, Klostem und Stadten, die von den antiken Autoren iiberliefert sind, noch nicht entdeckt wurden. Emsthafte archaologische Ausgrabungen sind an vielen, wenn auch nicht den meisten Orten, noch nicht durchgefuhrt worden aus politischen, fmanziellen, organisatorischen und nicht zuletzt informatorischen Griinden. Es gibt seltene Ausnahmen, und eine davon ist die Stadt Kabala (Kabalakau bei den antiken Autoren), die um das 1. Jahrhundert v. Chr. Hauptstadt von Albanien war. Ihre Uberreste in Form der starken Festungsmauem sind um den Ort Tschuchur-Kabala, Kutkaschenskij Rayon (heute Gabala oder Kabala), erhalten. Kabala ist das meist erforschte stadtebauliche Denkmal KaukasischAlbaniens. Die Ruinen dieser einmal beriihmten Stadt sind noch langst nicht ausreichend erforscht. Im 1. Jahrhundert v. Chr. wurde Kabala die Hauptstadt Albaniens und blieb es bis zum 5. Jahrhundert, als die Kommission herausgegeben unter der Tatigkeit von Dmitrij Sacharowitsch selbst, der alle georgischen Urkunden ins Russische iibersetzte, die von diesem Organ herausgegeben wurden. Bekanntlich wurde Bakradse zum korrespondierenden Mitglied der Akademie der Wissenschaften des Zaren gewahlt. Kurz vor seinem Tod schrieb er fur die Archaologische Kommission des Zaren einen ausfuhrlichen Bericht (rund 100 Seiten!) in russischer Sprache iiber die Erhaltung der wertvollsten alten christlichen Denkmaler im Kaukasus. Dieser Bericht ist noch nicht studiert worden. ll6Die Achemeniden sind eine altpersische Konigsdynastie (558-330 v. Chr.). Der Begrunder ist Kyros II. Seine Blutezeit erreichte der Staat der Achemeniden unter Darius I, als er die meisten Lander des Nahen und Mittleren Ostens umfasste. Der Staat der Achemeniden horte auf zu existieren aufgrund seiner Eroberung durch Alexander der GroBen. Die wichtigsten Personlichkeiten der Achemenidendynastie sind Kyros II., Darius I., Xerxes I. und Ataxerxes III. 67 Hauptstadt nach Barda verlegt wurde. Nach den Daten a rc h a o lo gischer Ausgrabungen war Kabala eine groBe Stadt, die ein V e rte id igungssystem, eine stattliche Zahl groBer Gebaude und ein e n twickeltes Infrastruktursystem einschlieBlich Wasserleitungen hatte. Bekannt ist die Georgskirche (9. Jahrhundert) im Kloster T a tew , die wahrend des Erdbebens 1931 stark beschadigt wurde. V or d e r Vereinigung in einen Stammesverband im 4.- 3. Jh. v. Chr. hatten d ie albanischen Stamme unterschiedlicher Sprachen ganz eigene A rten von dekorativem Kunsthandwerk geschaffen, vertreten durch graues Steingut aus dem Ort Kasachbeijl, Kasachskij Rayon, toneme Stem pel aus der Stadt Kasach, bemerkenswerte Typen von Topferw are, Glyptik (Gravurkunst bei Edelsteinen oder Halbedelsteinen) und kunstlerisch bearbeitete Metallerzeugnisse, die in M ingentschaur, Berg-Karabach und anderen Gebieten gefunden wurden. Nach der Vereinigung der Stamme fand die sogenannte jalojlutepische Kultur (3.-1. Jahrhundert v. Chr.) auf dem Gebiet von Kaukasisch-Albanien in den Steppen und im Vorgebirge von Aserbaidschan weite Verbreitung. Ihre kiinstlerischen Traditionen entwickelten sich in der Kultur der Grablegung in bauchigen Kriigen (2. Jh. v. Chr.-2. Jh. n. Chr.), die im gesamten Gebiet der Lander in der Periode der Bildung des Staates Kaukasisch-Albanien vorherrschend war. Die dominierende Art des Kunsthandwerks war vom 6. Jh. v. Chr.-4. Jahrhundert n. Chr. die Keramik. Die alten albani­ schen Meister des Topferhandwerks schufen GefaBe in Gestalt von Tieren und kommunizierende GefaBe, machten TrinkgefaBe, Vasen und viele andere Erzeugnisse. Hier kann auf Ausgrabungen im Agdschabedinskij Rayon und in der Milsker Steppe vervviesen werden. Eine bedeutende Entwicklung in Kaukasisch-Albanien in den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung erfuhr die Herstellung von Erzeugnissen aus Glas, die in groBer Zahl in Chanesly und im Ismaillinskij Rayon entdeckt wurden. GroBes Interesse fand die 1946 in der Ortschaft Chanysly, Schemachanskij Rayon, gefundene monumentale Statue (letzte Jahrhunderte des 1. Jahrtausends v. Chr.) aus ortlichem Kalkstein. Der in M ingentschaur entdeckte menschliche M iniaturkopf aus Bernstein gibt eine Vorstellung vom alt-albanischen Bildhauerportrat des 1.-2. Jahrhunderts n. C hr.117 W ahrend der Zeit des Bestehens von Kaukasisch-Albanien wurden viele historischen Stadte Aserbaidschans gegriindet: Gjandscha (Ganca), Kabala, Barda, Bajlakan, Baku u.a. Uber Barda, Bajlakan und Gjandscha fiihrten die wichtigsten KarawanenstraBen jener Zeit. Mit der Ausbreitung des Christentums bauen die Baumeister Kaukasisch-Albaniens Kirchenkomplexe, unter denen die interessantesten, wie gesagt, die Rundkirche im D orf Lekit und die Basilika im Ort Kum sind. Diese beiden Denkmaler, die um das 6. Jahrhundert datieren, befinden sich unweit von einander im nordwestlichen Teil des heutigen Aserbaidschans, der im friihen M ittelalter das geographische Zentrum Kaukasisch-Albaniens war. Die neue Hauptstadt Kaukasisch-Albaniens Barda wurde in vielen Quellen als „Hiesiges Baghdad" bezeichnet. Nach Berichten von Reisenden und Historikem gab es in der Stadt viele bertihmte architektonische Anlagen: Moscheen, Karawansereien, Badehauser, Markte, die aus besonderem Pflasterstein in Verbindung mit gebranntem Ziegel erbaut wurden. Barda gilt als Zentrum der friihesten mittelalterlichen Architekturschule auf dem Gebiet des modernen Aserbaidschan. Ein bemerkenswertes Muster dieser Schule war das Minarett von Schamchor des 12. Jahrhunderts. Es war aus gebranntem Ziegel mit turkisfarbener Glasur. Das Minarett hatte eine Hohe von 60 Metern und dem minimale Durchmesser fur diese Hohe von 2,5 Metern. Besondere kunstlerische Bedeutung hat das Mauso­ leum in Barda und im Ort Karabalgar. Das Mausoleum in Barda wurde von Baumeister Achmed ibn Eijub Nachitschiwani im Jahre 1322 erbaut. Es ist ein zylindrischer, aus Ziegeln erbauter Turm mit zwei reich dekorierten Portalen. Das komplizierte geometrische Bild der Verkleidung entsteht durch die Komposition aus einem einfachen, den Hintergrund schaffenden, und einem glasierten Ziegel, die die vielfach wiederholte Inschrift ,,Allah“ bilden. W eltweit bekannt wurden die wunderbaren, sehr gut erhaltenen Kacheln des groBen, an der StraBe gelegenen Chanega-Komplexes am 117Vgl.: Istorija iskusstwa narodow SSSR (Geschichte der Kiinste der Volker der UdSSR Volker) Bd. 1 „Isobrasitelnoe iskusstwo" (Bildende Kunst), Moskau 1971, S. 218-222. 68 69 Fluss Pirsagat, der hochstwahrscheinlich die reichen K araw anenfuhrer bediente. Uber einige architektonischen W erke von N ord-A serbaidschan schrieb das Mitglied der Akademie der Wissenschafiten der U dS S R A. W. Alpatow: „Eine so entwickelte Kunst der Form, eine so klassisch e Vollendung der Komposition und die Perfektion der Ausfiihrung ist in diesen Jahren nicht in der Architektur Mitteleuropas anzutreffen. A us dem nachitschewaner Mausoleum weht die Ewigkeit wie aus den besten Werken... der Literatur des Ostens von der Art des ... Poem s ,,Schahname“ von Firdausi (10.-11. Jahrhundert) oder von „Lejla und Medschnun“ von Nisami (12. Jahrhundert)".118 Unter den historischen Stadten Aserbaidschans, in denen nicht nur einzelne Denkmaler der Architektur und des Kunsthandwerks erhalten sind, sondern auch eine interessante Planungsstruktur vorherrschte, sind unter anderem Schuscha und Scheki zu nennen. Unter den anderen Stadten von Nord-Aserbaidschan jener Z eit hob sich Scheki klar hervor durch seine Architektur und sein stilistisches Ensemble. Das ist mit dem Umstand zu erklaren, dass die Stadt auch gleichzeitig neu gebaut wurde. Scheki (spater Nucha, dann w ieder Scheki) ist eine Stadt, die von alters her beruhmt war fiir die Seidenweberei. Gelegen an den Hangen des GroBen Kaukasus ertrinkt die Stadt auf dem Hintergrund der schneeweiBen Bergspitzen im Griinen. Ihre wichtigsten Bauwerke wurden nach der Uberschwemmung 1772 gebaut, die fast die gesamte Altstadt vemichtete. Trotz dieser Katastrophe erholte sich Scheki, das an der Trasse der bekannten Handelswege gelegen war und ein althergebrachtes Zentrum der Seiden- und Handwerksproduktion war, rasch. Die Stadt ist mit ein- bis zweistockigen Gehoften bebaut und ist von den sie umgebenden Hiigeln aus gut zu sehen: schone Ziegel118V gl.: Alpatow, M. W.: Wseobschtschaja istorija iskusstw - Allgemeine Kunstgeschichte) Bd. 1., Moskau, 1948, S. 249. Nisami Gjandschewi Abu Muhammed Ilja ibn Jusuf (1141-ca. 1209), groBer aserbaidschanischer Dichter und Denker. Sein Hauptwerk ,,Funfer“ (,,Chamse“) besteht aus 5 Gedichten: „Sehatzkammer der Geheimnisse" (zwischen 1173 und 1180). „Chosrow und Schirin“ (1181), „Leila und Medschun“ (1188), „Sieben Schonheiten“ (1197) und ,,Iskander-name“ (um 1203), in dem eine einzigartige soziale Utopie geschaffen und das Bild des idealen Herrschers gezeichnet wurde. Erhalten ist auch ein Teil des lyrischen Diwans, einer Sammlung von Gedichten des Dichters. 70 dacher auf dem Hintergrund des Gruns von Garten bilden ein farbenreiches Mosaik ihres Panoramas. Ihre Originalitat erhalt die Stadt auch von dem beim Bau von alters her verwendeten besonderen Flussstein in Verbindung mit Ziegel. Ein naturliches Ordnungselement der architektonischen Planungsstruktur der Stadt ist der Fluss Gurdschana-tschaj, der die Stadt ,,klassisch“ in zwei Teile teilt - einen nordlichen, hoher gelegenen, und einen siidlichen, der in der Ebene liegt. Der altere und der hohere Teil der Stadt Juchary basch enthalt die Schekinsker Festung mit dem darin gelegenen Palast der Schekiner Khane und der HaupthandelsstraBe, entlang derer die Karawansereien und die Laden der Handwerker standen, von denen viele bis heute erhalten sind. Um die HandelsstraBe herum konzentrieren sich die Wohngebiete, die Mechelle, die noch die alten Namen tragen: Gilejli, Gyrytschi, Gullar. Beruhmt war Scheki auch fur die Gilejli-Moschee, die nicht mehr erhalten ist. Und der Palast der Schekiner Khane nimmt eine besondere Stellung unter den Khan-Palasten ein, die zu jener Zeit in Baku, Schuscha, Kuba, Gjandscha und anderen Stadten gebaut wurden. Nach dem Aufenthalt in diesen Gebieten schrieb der Freund von Alexander S. Puschkin, General N. N. Rajewskij 1826 an seine Verwandten: „Ich befinde mich in einem Lager, zwei Tagesmarsche von Nucha, der Hauptstadt des Khanats Scheki... Das Land, durch das ich reise, ist wunderschon, unser Lager steht in einem Wald von Granatapfelbaumen, Tamarisken und morgenlandischen Platanen. ... Nucha ist wunderbar, es ist Bachtschisaraj auf hochstem Niveau. Darin gibt es 14000 Einwohner, 3000 Hauser und eine malerische Lage am FuBe der Dagestaner Berge... Dort gibt es einen Palast der fruheren Khane dieses Gebietes, der sehr schon ist und von dem der Palast von Bachtschisaraj nur eine schwache Vorstellung gibt...“ il4 "9VgI.: Bretanizkij, L. S.: Dworez schekinskich chanow (Der Palast der Khane von Scheki) In: Architektura Aserbaidschana. Baku 1952, S. 344. Rajewskij N.N. (Junior). Enger Freund von A. S. Puschkin seit der Schulzeit und wahrend des Militardienstes von Rajewskij im Kaukasus. Nicht zu verwechseln mit Rajewskij N.N. (Senior) (1771-1829), Infanteriegeneral (1813), Teilnehmer an den Kriegen gegen die Tiirkei, Schweden und Frankreich. 71 Diese sehr starke Begeisterung des viel gereisten Generals R a je w sk ij bedarf einiger Erlauterungen. Dieser Palast und seine Umgebung sind eine Synthese d er b e s te n Errungenschaften der damaligen aserbaidschanischen Kunst a u f d e m Gebiet der Architektur, der W andmalerei und des d ek o rativ en Kunsthandwerks. Im Inneren des Palastes der Schekiner K hane sin d von groBtem Interesse die W andmalereien, die gleichzeitig m it d e m Bau des Palastes ausgeflihrt, jedoch in der Folge mehrmals e m e u e rt wurden, vor dem Beginn des 20. Jahrhunderts von bekannten M e istem (Usta Gambar, M. Dschafar u.a.). Der Khan-Palast von Scheki ist ein seltenes Beispiel ftir die Verbindung des Volksschaffens m it der Tradition der hofischen mittelalterlichen Architektur Aserbaidschans. In Scheki ist ein ungewohnliches Gebaude: das Haus der Fam ilie Schekichanowyj. AuBerst interessant sind die W andmalereien dieses Hauses. Besonders interessant ist eine Figurenkomposition einer Familie unter dem ersten Rang. Forscher vermuten, dass sie die unsterblichen Helden des Gedichtes Nisami darstellt. Besonders augenfallig unter ihnen ist die Abbildung des legendaren Farchad, der den Berg Bisitun zerteilte. Nach den Motiven des Ornaments, der Komposition und der Ausfuhrungstechnik haben die W andmalereien des Flauses der Schekichanowyj Parallelen in vielen Denkmalem von Scheki und anderen Stadten Aserbaidschans. Ihrer Thematik nach sind sie jedoch ein einzigartiger Ausdruck des dekorativen Kunsthand­ werks. Schuscha wurde im 18. Jahrhundert als Hauptstadt des Khanats Karabach gegriindet und fast gleichzeitig von Panah-Khan, dem Herrscher von Karabach erbaut; ihr endgultiges Erscheinungsbild erhielt sie gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Die Stadt liegt auf einer breiten Hochebene mit stark zerkliiftetem Relief. Von drei Seiten ist die Hochebene, deren hochster Punkt rund 1600 Meter iiber dem Meeresspiegel liegt, umgeben von hohen, zum Flussbett hin abfallenden Hangen, was die Stadt, in den Worten von Augenzeugen. komplett unzuganglich machte. Mit der malerischen Lage hoch in den Bergen, auf einem bewaldeten unzuganglichen Plateau, mit der allfalligen Verwendung von Natursteinen beim Bau, mit denen auch die StraBen der Stadt befestigt waren, mit ihrer interessanten Architek­ tur und tippigen Begriinung rief die Stadt Bewunderung und oft Begeisterung bei den Reisenden hervor, die dort waren. Eine ganze 72 Reihe von Zeichnungen und Notizen hat iiber Schuscha der Maler W. Wereschtschagin hinterlassen. Er schrieb zum Beispiel: „Ihre Hauser sind gerade, schon, hoch und m it zahlreichen wunderbaren Fenstem geschmiickt. Die Stadt ist aus Stein erbaut, der aus den steilen Felsen stammt, auf denen sie gelegen ist. Die StraBen sind uberall mit breiten Platten befestigt, die Dacher sind aus Schindeln - wie die euro­ paischen".120 Die eigenwillige Planungsstruktur der Stadt mit dem unregelmaBigen, komplexen und malerischen StraBennetz ist direkt von der Natur und dem Relief dieses Ortes diktiert. Die Trassierung der StraBen erfolgte nach einem Relief, das den natiirlichen Abfluss des Regenwassers von den StraBen und Platzen der Stadt gewahrleistete. Alle Bauten hatten ein nur Schuscha eigenes architektonisches Aussehen. In Schuscha fand man viele Muster der urspriinglichen Wohnarchitektur. So waren die Wohnhauser der Bruder Mechmandarow und das Wohnhaus auf der StraBe von Fisuli Einfamilienhauser des wohlhabendsten Teils der Bevolkerung. Bei ihrer architektonischen Ausstattung wurden Loggien, Balkone und riesige Fenster mit Vitrage - ,,Schebeke“ - eingesetzt. Besondere Aufmerksamkeit gait in diesen Einfamilienhausern der Gestaltung des Interieurs. Die Verwendung von Wandmalereien, farbiger Vitrage und Teppichen gaben dem Ort ein prunkvolles und lebensfrohes Aussehen und schufen die besondere Atmosphare eines W ohnhauses des Ostens, wie W. Wereschtschagin geistreich bemerkt. Die Badehauser, die es in der Regel in alien wichtigen Ortschaften gab, waren Gebaude, die in einige untereinander verbundene einzelne Gebaudeteile (Abteilungen fur Auskleiden, Waschen u.a.) unterteilt waren, in der Regel durch Kuppeln iiberdacht. In Orten mit sehr heiBem Klima wurden die Badegebaude zur Beibehaltung des Temperaturregimes ohne zusatzlichen Energieverbrauch in die Erde versenkt und erschienen dem europaischen Betrachter von auBen auBerst extravagant, sogar phantastisch, als Kuppeln, die direkt auf der Erde standen. l20Wereschtschagin, Wassilij W assiljewitsch (1842-1904) - russischer Schlachtenmaler, den ,,Peredwischniki“ nahestehend. In den Kriegsbildern des vielgereisten Kunstlers sind Kriegshandlungen im Kaukasus, auf dem Balkan, in Zentralasien und im Vaterlandischen Krieg Russlands 1812 ausgedriickt. Starb 1904 wahrend des Russisch-Japanischen Krieges bei der Explosion des Panzerschiffs ,,Petropawlowsk“. 73 Die Badehauser waren in Nord-Aserbaidschan wie auch im A lte n Griechenland und im Alten Rom nicht nur ein Ort fiir die R ein ig u n g des Korpers, sondem auch ein Ort der Erholung, des ungezw ungenen Umgangs mit vertrauenswiirdigen M enschen und neuen Bekanntschaften zwischen ihnen. In vielen Fallen dienten die Badehauser und ihre einzelnen Raum e auch als Orte fiir die zeremonielle Waschung. Das alles erklart, weshalb die einzelnen Auskleideraume vieler Badehauser in Hyxa, Schemacha, Baku u.a. Stadten reich dekoriert waren, unter groBztigiger V erw endung kunstvoller Eleganz. Mit der Eroberung Kaukasisch-Albaniens im 7. Jahrhundert durch die Araber und der Verbreitung des Islams zeigen sich neue Arten von Gebauden: Moscheen, Medressen, Badehauser, iiberdachte M arkte, Karawansereien u.a. Der Einfall der Truppen des Kalifats bereitete dem geeinten Albanischen Staat ein Ende, aber M itte des 9. Jahr­ hunderts bildeten sich auf seinem Gebiet halbautonome Fiirstentumer, die wahrend des ganzen M ittelalters eine eigenstandige albanische Kultur bewahrten und entwickelten. Die Vorfahren der heutigen Aserbaidschaner, die Albaner, hatten bereits im 4. Jh. das Schrifttum und schufen eine Literatur. Das bei archaologischen Ausgrabungen entdeckte Geschirr und Erzeugnisse aus Metall und Keramik zeugen von der Bliite des Handwerks und des Kunstgewerbes. Am deutlichsten von alien kulturellen Errungenschaften von KaukasischAIbanien sind, kraft eines relativ guten Erhaltungszustandes im Vergleich zu anderen Kulturdenkmalem, die Denkmaler der Architektur, die biirgerlichen und die sakralen Bauwerke. Es ist allgemein bekannt, dass sich in diesen Denkmalern nicht nur die materielle, sondem auch die geistliche Kunst des Volkes widerspiegelt. Die geographische Lage und die Naturschatze KaukasischAlbaniens haben auslandische Eroberer von jeher angezogen. Fiir den Schutz der Grenzen des Staates wurden starke Verteidigungsbauwerke errichtet, haufig in ganze Systeme verbunden. Das wichtigste war das Transkaspische Festungssystem, das aus den Verteidigungsbauten von Derbent, Giltschaj und Beschbarmak bestand, die in die Geschichte eingingen, ebenso wie die kaspischen oder albanischen Tore, die Tore von Tschora. Die Ruinen zahlreicher Festungen und Zitadellen, die in Nachitschewan, Kedabek, Sakatal und in anderen Teilen von Aser74 baidschan erhalten sind, zeugen von dem hohen Entwicklungsstand der Baukunst. Der am haufigsten vertretene und kiinstlerisch wertvollste Teil des architektonischen Erbes von Kaukasisch-AIbanien ist die sakrale Baukunst. In die sakralen Bauwerke flossen die besten Ideen fiir die raumliche Komposition ein und die kiihnsten strukturellen Losungen sowie das groBe handwerkliche Konnen der albanischen Baumeister. Nach Zeugnissen historischer Quellen und archaologischen Ausgra­ bungen wurden in der Antike in Albanien Feuertempel und der Mitra und der Mondgottin Selene geweihte Tempel gebaut. Uberreste von heidnischen Sakralbauten wurden bei archaologischen Ausgrabungen in einer kleinen Stadt bei Mingjatschewir, im Ort Bojuk-Emili des Gabalinskij Rayons und anderen Orten entdeckt. Von besonderem Interesse sind die bei Ausgrabungen in der ersten Hauptstadt Albaniens, Kabala, gefundenen offentlichen und sakralen Bauwerke, die das gesellschaftliche Zentrum der Stadt bildeten. Ab dem 4. Jahrhundert nach der Annahme des Christentums als Staatsreligion begann die Errichtung von Kirchen und danach von Klosterkomplexen, zu denen neben sakralen Bauwerken auch gesellschaft­ liche Bauwerke und W ohngebaude gehorten. Die groBten Denkmaler des 4. -7. Jahrhunderts sind die Kumsker Basilika (5. Jh.) und die Basilika von Agoglantschaj (6. Jh.), die Rundkirchen in Lekit (5. Jh.) und Mamruk (4.-5. Jahrhundert), der Klosterkomplex Eddikilse (6.-7. Jh.) und andere. Ein besonderes historisches Kleinod ist die Kirche im Ort Kisch, Schekinskij Rayon, die im 5. Jahrhundert an dem Ort erbaut wurde, wo der Apostel Elisa die Grundlage fur die alteste Kirche nicht nur Kaukasisch-Albaniens, sondern auch des gesamten Kaukasus legte. Das 4.-7. Jahrhundert ist gekennzeichnet durch das Aufkommen und die Bildung der Grundtypen der christlichen Architektur. In der Anfangsperiode sind Kirchen und dreischiffige Basiliken121, in der gesamten vorderasiatischen Region weit verbreitet. Daneben werden Rundkirchen errichtet - eine fiir die albanische Baukunst spezifische Komposition, die schon in der Antike (Kirche in der Ortschaft BojukEmili) entstanden war. Im Entwicklungsprozess der albanischen 121Das S ch iff ist ein langlicher Raum im Inneren eines Kirchengebaudes (gewohnlich einer Basilika), begrenzt von einer oder beiden Seiten. 75 122 Rundkirchen entstand der Tetrakoncha-Typ mit Rundgang (L ekit), den sich in der Folgezeit in der Architektur die benachbarten christlichen Volker aneigneten. Im 4.-7. Jahrhundert erlebt die albanische Architektur eine Blutezeit. In dieser Zeit wird der G rund gelegt, auf dem die weitere Entwicklung basiert. Nach A nschluss Kaukasisch-Albaniens an das Arabische Kalifat begann der Prozess der schrittweisen Islamisierung seiner Bevolkerung. In einem Teil seines Gebietes jedoch, insbesondere in den Bergregionen, blieb das Christentum noch lange die vorherrschende Religion, was zahlreiche Denkmaler in Karabach, Scheki, Kadabek, Kasach und anderen Orten belegen. Die christliche und die islamische Baukunst glichen sich in dieser Zeit der engen gegenseitigen Beeinflussung einander an, was nicht nur durch die jahrhundertelange gemeinsame architektonische Bautradition bedingt war, sondern auch durch die erhalten gebliebene ethnische, wirtschaftliche und politische Gemeinsamkeit. Und aus dieser Entwicklungsphase der aserbaidschanischen Architektur sind nicht nur einzelne Gebaudetypen der vorislamischen Periode erhalten. sondern auch viele Methoden der Bautechnik. Im 11.-13. Jahrhundert war die groBte Bliite der Kultur und Kunst der Staaten im Gebiet von Nord-Aserbaidschan zu verzeichnen. Die hiesigen Stadte, die sich an den wichtigsten intemationalen Karawanen-HandelsstraBen in der Region befinden, waren weit iiber die Grenzen ihres Landes hinaus beruhmt. A uf den lebhaften KarawanenstraBen Derbent-Schaberan-Schemacha-Gjandscha (Ganca) und Baku-Schamchor-Tiflis-Ani-Trapesund und anderen wurden Gjandscher Seide, Brokat- und Wollstoffe aus Tabris, kunstvoll gepragte Metall- und Kunstschmiedeerzeugnisse Nachitschewaner Meister, Glas- und SteingutgefaBe aus Gjandscha, Schaberan und Bajlakan tran sp o rter! Bemerkenswert ist, dass es im M ittelalter in Nord-Aserbaidschan mehrere Architekturschulen gab. Die friiheste Arranische Architekturl22Tetrakoncha ist in der friihchristlichen und mittelalterlichen Baukunst der Tvp einer Zentralkirche mit 4-blattrigem Grundriss: an den quadratischen Innenraum schliefien sich 4 Apsiden an. Bei diesen handelt es sich urn einen Gebaudevorsprung mit halbrundem, polygonalem oder rechtwinkligem Grundriss, von einer Halbkuppel bedeckt oder mit einem Halbgewolbe abgeschlossen. In christlichen Kirchen erfullt die Apsis die Rolle eines Altarvorsprungs. 76 schule entwickelte sich in den Stadten Barda, Schamchor, Bajlakan und Gjandscha. Im 10. und 11. Jahrhundert wird die sogenannte Schirwano-Apscheronskaja Architekturschule gegriindet; im 12. Jahr­ hundert breitet sich das schopferische architektonische Potential der Einwohner Aserbaidschans in den Siiden aus, und ab dem 14. Jahrhundert steht an erster Stelle die Schule von Tabris. Die mittelalterlichen Bauwerke von Aserbaidschan bekamen groBe Anerkennung von Spezialisten und Beriihmtheit unter den Liebhabem monumentaler Kunst. Sie wurden zur Arbeit in die Staaten Zentralasiens und des Nahen Ostens herangezogen.123 Im Zusammenhang mit dem allgemeinen Umfang der Staatlichkeit, Okonomie und Kultur von Aserbaidschan ab dem 11. Jahrhundert beginnt in den erstarkenden albanischen Fiirstentumern ein neuer Aufschwung der Architektur, der seinen Hohepunkt vom 12. bis 13. Jahrhundert erreicht. Ein besonders groBes AusmaB und hohes Niveau des handwerklichen Konnens erreicht die Architektur des albanischen Furstentums Chatschen. In dieser Periode wurden auch so beriihmte Klosteranlagen wie Chotawank (Kelbadschar Rayon), Gandsasar, Gjutawank und Chatrawank (Karabach), Chamschiwank (Kedabekskij Rayon), Kysylbank (Nachitschiwan) und andere erbaut. Die albanische sakrale und weltliche Architektur entwickelte sich vor dem 17. Jahrhundert. Diese Errungenschaften von KaukasischAIbanien sind unverzichtbarer Teil des architektonischen Erbes von Aserbaidschan. Die Geschichte Aserbaidschans im 17.-18. Jahrhundert ist charaktcrisiert durch bewaffnete ZusammenstoBe des Safawiden-Staates und des Osmanischen Reiches. Auch die inneren Unruhen der ortlichen Staatsgebilde wirkten sich negativ au f die Entwicklung der materiellen und geistlichen Kultur der Region aus. Die Geschichte dieser Periode ist auch gekennzeichnet von der Forcierung der gegenseitigen Beziehungen zwischen Nord-Aserbaidschan und dem Russischen Reich. Die Entstehung und Entwicklung der kleinen aserbaidschanischen Khanat-Staaten trug bei zur Entstehung neuer Stadte, Festungen und Siedlungen und zur Starkung der bereits bestehenden. Mit diesen Prozessen stehen das Handwerk und Kunsthandwerk, die Inten123Vgl.: Gijasi Dsch.: W daljokich i bliskich krajach (In fernen und nahen Gebieten) Baku 1985 (in aserb. Spr.). 77 sivierung des intemen und des intemationalen Handels sow ie des Transithandels iiber die Khanate in Verbindung. In der zweiten H alfte des 18. Jahrhunderts stellten die haufigen Einfalle der Eroberer, die Rivalitaten der Khane und die oppositionellen Bewegungen einiger Meliks die Baumeister vor die Aufgabe der Befestigung der Stadte, Festungen und Ortschaften. So wurden Panahabad (Schuscha) und Scheki (Nucha) befestigt, erscheinen groBe Anlagen in Schem acha (dort lebten bereits in der ersten Halfte des 17. Jahrhunderts bis zu 50.000 Menschen), Baku, Gjandscha, Nachitschewan, Kuba. Es wurden Verteidigungsanlagen gebaut: die Festungen von Schuscha und Scheki, die Verteidigungsturme der Sakatalsko-Belokanskaja Zone, die Khanzitadelle in Fit-Dag und die Festung Askeran. Die Wohnhauser der Sakatalsko-Belokanskaja Zone waren in der Regel voneinander entfemt, da sie in der Nahe der Verteidigungsturm e gebaut wurden, die nicht nebeneinander standen. Begeistert vom damaligen Gjandscha, schrieb der franzosische Abbe Philippe Aurel, dass die Kysylbaschen ftir diese Provinz nur den Namen „Blumenbeet des Imperiums“ hatten. Die Basare und Markte, die in der Stadtmitte liegen, hielt Aurelius fur die schonsten und herrlichsten von alien, die er im Osten gesehen hatte. Das Zentrum des architektonischen Komplexes der Vorstadt von Gjandscha war die beriihmte Dschuma-Moschee. Die kennzeichnendsten Wohngebaude von Gjandscha jener Zeit waren die Kuppelhauser, in denen der Ausschmiickung des Interieurs, insbesondere den dekorativen Wandmalereien, den Kuppeldachern und den Friesgurteln groBe Aufmerksamkeit gewidmet wurde. Eine bedeutende Anlage des 18. Jahrhunderts war auch der Palast der Khane von Baku, der sich durch die Originalitat der planerischen und architektonischen Losungen auszeichnete. Von architektonischem Interesse sind die kleinen achtflachigen Mausoleen in Schemacha auf dem Friedhof von Eddigjumbes (Mausoleum von Gadschi-Khan), in Agdam das Mausoleum PanahKhans, das Mausoleum auf dem Friedhof von Kara-Agatsch u.a. Eines der bedeutendsten Baudenkmaler des 18. Jahrhunderts ist das Mausoleum Imamsade auf dem Friedhof von Nachitschewan. Im 18. Jahrhundert spielte im Leben der Region die Herstellung von Seiden-. Baumwoll- und Wollstoffen eine wichtige Rolle. Allein in Schemacha wurden beispielsweise rund 1500 Websffihle betrieben. Das Sortiment 78 der Seidenstoffe von Schemacha war recht umfangreich. Nach literarischen Dokumenten vom Anfang des 19. Jahrhunderts zu urteilen, wurden hier einige Sorten Seidenstoffe, wie Darai, Taft (fester, glanzender Seidenstoff mit Leinwandbindung mit feinen Querrippen), Kamcha, die sich in der Herstellungs- und Farbungstechnik voneinander unterschieden, hergestellt. Die hohe Qualitat erlaubte ihre Ausfuhr in den Nahen und M ittleren Osten, nach Kleinasien und nach Russland. Uber die Qualitat der Baumwollstoffe jener Zeit kann man nach dem Hemd des Muhammed-Bey Dschawanschira, des Herrschers von Karabach urteilen, das im Staatlichen Museum der Aserbaidschanischen Literatur namens Nisami aufbewahrt wird. Zu den herausragenden Mustern des Kunsthandwerks gehort auch die in Tambumaht 124 ausgefuhrte Miitze des Khans von Karabach.125 Fur ihre Teppicherzeugnisse sowohl fur den inlandischen Bedarf als auch ftir den Export waren im 18. Jahrhundert viele Regionen und Stadte Nord-Aserbaidschans beriihmt: Karabach, Kuba, Kasach, Ardabil, Baku, Schemacha, Gjandscha u.a. Zu den besten erhaltenen Mustern gehoren kardierte Teppiche aus den Dorfern Surachan und Chila (Bakinskij Rayon), ein kardierter Teppich aus Kasach und besonders interessant nach seinem Sujet ein unkardierter Teppich aus Berg-Karabach. In vielen Museen der Welt (St. Petersburg, Bern, Moskau u.a.), ebenso wie auch in den Museen von Baku werden Zeugnisse des hohen Niveaus der kiinstlerischen Verarbeitung von Metall, insbesondere Buntmetall, in Nord-Aserbaidschan (in Schema­ cha, Gjandscha, Tabris, Karabach u.a.) aufbewahrt. Eines der Zentren des Kunsthandwerks und des feinen Handworks war das bei den Experten weithin bekannte Stadtchen Lagitsch. Besonders beriihmt war es fur die ganz besondere Pragung von Geschirr und Waffen. Erzeugnisse mit dieser Pragung waren nicht nur im gesamten Transkaukasus, sondern auch in Siidrufiland sehr begehrt. Und in architektonischer Hinsicht war Lagitsch vollig einzigartig: das hohe W ohlstandsniveau, die komplette urspriingliche l24Tambur - Art des Strickens oder Stickens in Schlingen. l25Vgl.: Istorija iskusstwa narodow SSSR (Geschichte der Kiinste der UdSSR Volker), Bd. 4, „Isobrasitelnoe iskusstwo“, Moskau 1976, S. 409. 79 Pflasterung von StraBen und Platzen trug zur besonderen S auberkeit und Ordentlichkeit des Stadtchens b ei.126 Ist eine solche Bliite der Baukunst, des H andw erks und des Kunstgewerbes moglich ohne das entsprechende W issen in den verschiedensten Bereichen der m enschlichen Tatigkeit und des technischen Konnens, die sich auf das entsprechende W issen stiitzen? Die Frage ist rhetorisch. Nicht nur der aserbaidschanische D ichter jener Zeit Molla W agif war ein ,,W issender“, sondem auch die wissenschaftlich-technische, kiinstlerische Elite der dam aligen Gemeinschaft und der qualifizierteste Teil der H andw erkerschaft waren es. l26Vgl.: A rif Mustafaew. Proiswodstwo ognestrelnogo oruschija w Aserbaidschane (Die Herstellung von Feuerwaffen in Aserbaidschan). In: IRS N:asledie, 1/2008, S. 36. Weiter in dieser Abhandlung benutzte Arbeiten: Musta­ faew Arif. Tradizionnoe kowrodelie w Karabache. (Traditionelle Teppichherstellung in Karabach) IRS. Nasledie. 2007. Karabach. Wremja sobirat kamni. S.32-35; Gadschiewa Ulwija. Aserbaidschan - edinstwennyj nasledie etnokultumogo bogatstwa Karabacha (Aserbaidschan das einzige Erbe des ethnokulturellen Reichtums von Karabach, a.a.O., S. 36-39; Gadschiew Gasym. Srednewekowye pamjatniki Karabacha - Denkmaler des Mittelalters in Kara­ bach, a.a.O., S. 40-41. 80 5. Zum Problem der Abstammung der Armenier und ihrer territorialen Zerstreuung „Nicht die Beschwertheit der Politiker mit moralischen Eisenketten, sondem der Umstand, dass ihre gesellschaftlichen Taten durch den Nutzen fiir die Partei, den Staat und die Politik selbst bedingt sind. Das sin d der Charakter und die Motivation ihrer Tatigkeit. Ausnahmen sind selten. “ Michail Korol In den vergangenen Jahrhunderten verbanden viele Armenier ihre alte Geschichte mit Erzahlungen, die sich auf das Alte Testament beziehen. Nach dieser Variante der Geschichte war das Land der Armenier das Zentrum der antiken Welt, dem vier groBe Strome (Euphrat, Tigris, Kura und Araxes) entsprangen. Nach der Sintflut, die in der Bibel beschrieben ist und vor der nach dem heiligen Buch der Christen nur das Bergmassiv Ararat verschont blieb, wurde dieses Land die zweite Wiege der Menschheit. Dieser bergige Ort wird in den Keilschriften der Assyrer Land Urartu genannt. Nach der ,,biblischen“ Hypothese ist der Ahnherr der Armenier Gajk, der Sohn des in der Bibel erwahnten Togarma, infolge dessen sie sich Gajkaner (Haikaner) nennen, und Armenien auch Gajastan (A jastan).127 Uber die „Konigreiche Ararat“ heiBt es beim Propheten Jeremia: „Richtet auf das Banner au f Erden, blast die Posaune unter den Volkern! Heiligt die Volker zum Kam pf gegen die Stadt Babel! Ruft wider sie die Konigreiche Ararat, Minni und Aschkenas! Sammelt Kriegsleute gegen sie, bringet Rosse herauf, zahlreich wie Heuschrecken".128 Im zweiten Buch der Konige wird ebenfalls vom ,,Land“ Ararat gesprochen: „Und als er anbetete im Haus seines Gottes Nisroch, l27Altes Testament, Erstes Buch Mose. Genesis, Кар. 10, Vers 3. Hier wird Togarma Fogarma genannt. In der deutschen Bibel: Die Bibel nach der Ubersetzung Martin Luthers, Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart 1985, S. 11 heiBt er Togarma. In: Lexikon zur Bibel, herausgegeben von Fritz Rienecker, R. Brockhaus Verlag 1992, S. 1404 heiBt er Thogarma. S. auch S. 107, dieser Ausgabe, Artikel „Ararat11 l2><Prophet Jeremia 51, 27. Aschkenasi ist auch heute ein bekannter Familienname in Georgien. 81 erschlugen ihn mit dem Schwert seine Sohne A dram m elech und Sarezer und sie entkamen ins Land Ararat. Und sein Sohn A sarhaddon wurde Konig an seiner statt.“ 129 Erwahnt wird Urartu, auch Land der Chaldaer, nach dem N am en des Hauptgottes Chaldi. Die Bezeichnung Urartu oder A jrarat w ar auch Herodot als Bezeichnung eines Volkes bekannt. Der Staat U rartu fiel unter der Ankunft der Kimmerer, begleitet von der groBen Volkerwanderung bis zum 7. Jahrhundert v. Chr. Danach zogen die Kimmerer unter dem Ansturm der sie zuriickdrangenden Saken in den Westen an das Ufer der Donau. Herodot halt die A rm enier fur Umsiedler aus Phrygien.130 Und Ewdoks (408 - 355 v. Chr.) glaubte, „die Armenier sind eine Sippe aus Phrygien und der Sprache nach ihnen sehr ahnlich“ . Viele Gelehrte der Antike glaubten, dass die Armenier von phrygischen Stammen abstammen, die in Thrakien lebten.131 Die bei Strabon (Geographie, Buch 11., S. 503) erhaltene Sage iiber die Abstammung der Arm enier aus der thessalischen Stadt Armenion erklart sich damit, dass aus Thrakien ein Teil der Arm enier nach Thessalien vertrieben wurden. Die Ansichten der klassischen Autoren werden gestiitzt durch die Analyse der armenischen Sprache, die im Grunde ihres Wesens nicht kaukasisch, sondem indoeuropaisch ist. Einer der Nachkommen des oben genannten Gajka war Aram, der sein Land territorial stark erweiterte. Von Aram oder von Armenak, dem Sohn Gajkas, leiten viele armenische Historiker die Bezeichnung m 2. Chronik 19, 37 In den assyrischen Quellen findet sich der Name des Gottes Nisroch nicht. Nach den assyrischen Quellen wurde jedoch der assyrische Konig Sennachir tatsachlich von seinem Sohn 681 v. Chr. ermordet und nach ihm regierte Assyrien tatsachlich ziemlich lange (681-669 v. Chr.) dessen Sohn Assardan. „Land Ararat" wurde in der Antike der Staat Urartu genannt. l30Phrygien, antikes Land im nordwestlichen Teil Kleinasiens. Im 10.-8. Jahrhundert v. Chr. war es ein Konigreich mit der Hauptstadt Gordion. 131Thrakien, ein historisches Gebiet im Siiden der Balkanhalbinsel zwischen dem A g a isc h e n , Schwarzen und Marmarameer. Bei jungsten Ausgrabungen im siidostlichen Bulgarien fanden Archaologen in einem alten Grab in der Nahe des Dorfes Dopolschana (290 km von Sofia), eine goldene Maske. die vor 2400 Jahren hergestellt wurde, die als ein Indiz fur die Theorie der ,,thrakischen“ Abstammung der Vorfahren der Armenier gesehen werden kann, nach dem Artikel: Frakija-Frigija-Blischnij Wostok (ThrakienPhrygien-Naher Osten). Vgl.: Wedomosti. Nedelja, 20.7.2007, S. 15. 82 132 Armenien ab, obschon die Griechen und die Romer diesem Namen entweder phrygische Abstam m ung zuschreiben oder ihn vom Namen des Thessaliez Arminij, des Begleiters Jasons beim Feldzug der Argonauten, ableiten. Die Vorstellungen iiber die so alte und sogar von der Bibel erwahnte Geschichte des armenischen Volkes konnen ihre Vertreter natiirlich nicht gleichgiiltig lassen. Und einige von ihnen beginnen, ihr Volk als besonders vornehmes, fiir hohe Ziele erwahltes Volk mit besonderen Rechten zu sehen. Einige armenische Historiker sprechen direkt von der Abstam­ mung der Armenier von den Urartem, um sich die Geschichte von Urartu anzueignen, wie dies von anderen armenischen Historikern auch in Bezug auf Kaukasisch-AIbanien getan wird. Jedoch neue Daten iiber die Friihgeschichte von Urartu entziehen der These uber die urartaische Abstammung der Armenier endgiiltig den Boden. Der bekannte osterreichische Experte auf diesem Gebiet, E. Feigl, kam nach dem Studium der Steinzeichnungen von Ostanatolien, die vom 15. Jh. v. Chr. datieren, zu dem Schluss, dass sie ein Zeugnis der alten Verbindung zwischen der Bevolkerung von Ostanatolien und den Volkern von Innerasien darstellen. Insbesondere bemerkenswert sind die Verbindungen zum Altaigebiet, der Wiege der Turkvolker. „Es bestand eine starke kulturelle Einheit in der Zone, die vom Kaukasus im Norden, dem Urmia-See im Osten, Nordsyrien im Siiden und der Region um Malatii-Elasig gesaumt wird“ . 133 Alle diese Kulturen hatten eine gemeinsame hurritische Abstammung. Sie gehorten zur Kulturgruppe, deren Sprache den Sprachen der Volker der ural-altaiischen Sprachfamilie nahe steht. Linguisten vermuten, dass die Hurriter aus Zentralasien kamen und die kulturell-zivilisatorischen Voraussetzungen schufen, auf Grundlage derer das Konigreich Urartu entstand. Die Urartaer selbst zogen auch nach Anatolien aus Zentralasien. Die urartische Sprache war weder semitischer noch indo-europaischer Herkunft. Sie war eine asiatische Sprache, verwandt mit der hurritischen Sprache. Heute ist unter den Experten eindeutig bekannt, dass l32Vgl.: Enziklopedija Granat i K., 1910, Bd. 3, S. 523. 1J3Vgl.: Mammadow I., Musaew T. Armjano-aserbaidschanskij konflikt. Istorija, prawo, posrednitschestwo (Der armenisch-aserbaidschanische Konflikt. Ge­ schichte, Recht, Vermittlung). Tula, Verlag Grif i K. 2006, S. 10. 83 es keinerlei historische Verbindung zwischen der hurritischen o d er urartischen und der indo-europaischen armenischen Sprache g a b .134 Die armenische Sprache gehort zum phrygisch-thrakischen Z w eig der indoeuropaischen Sprachen. Die Hypothese ihrer Zugehorigkeit zu den iranischen Sprachen kann nicht aufrechterhalten werden. D ie Existenz persischer Wurzeln in der armenischen Sprache und die Ahnlichkeit vieler Namen sind mit einfacher Entlehnung zu erklaren. Die Verwandtschaft der armenischen Wurzeln mit griechischen, slawischen und germanischen zeugt klar von ihrer gem einsam en Abstammung. Namen wie Afsarjan -(pers. Afsar - Kranz, Krone). Arschakjan - (pers. Arschak - Mann, mutig), Asarjan - (pers. A sar Feuer), Ajasjan - (pers. Ajas - Zephir, laues Luftchen), A sadjan (pers. Asad - edelmiitig, frei), Kagramanjan - (pers. Gachram an Bezwinger, Held), Kalantarjan - (pers. Galandar - heimatloser, sich von der Welt befreit habender, reisender Derwisch), Chosrowjan (pers. Chosrow - gutes Geriicht), Schirinjan - (pers. Schirin - suB), Babajan - (pers. Baba - Vater, Heiliger Vater), Babadschanjan (pers. Baba und Dschan - Seele, gnadig, Babachanjan - (Baba und Khan - Herrscher), Bagraman (pers. Bachram - siegreich), Bachadurjan - (pers. Bachadur - Held, Recke), Garibjan - (pers. Garibe - nicht hiesieger), Dawljatjan - (pers. Dawljat - Gliick, Reichtum), Dostjan - (pers. Dost, Dust - Freund), Nasarjan - (pers. Nasar - Gnade), Tawekkjuljan - (pers. Tauakkal - auf Gott vertrauend) u.a. sind hochstwahrscheinlich persischer Abstamm ung.1"' 134Vgl.: Feigl Erich. A Myth o f Terror, Armenian Extremism: Its Causes and Its Historical Context. Salzburg - Freilassing: Edition Zeitgeschichte 1986. pp. 9-11, 28. Der Leser sei darauf hingewiesen, dass diese Untersuchung von Feigl viele Jahre vor der Verscharfung des Konfliktes zwischen Armenien und Aserbaidschan gemacht wurde. Uns ist ein Gedicht iiber den Jager Kessi iiberliefert, das urspriinglich in der alten hurritischen Sprache niedergeschreiben ist. Sie wird im Archiv der Hettiterkonige in Chattusas-Bogaske im Norden der Tiirkei aufbewahrt. Die weltweit bekannten russischen Gelehrten I.M. Djakonow und S.A.Starostin haben nachgewiesen, dass die hurritische Sprache mit den modemen nordostkaukasischen Sprachen verwandt ist. Vgl.: Alise Mouton. Reves Hittites- Contribution a une histoire et une anthropologie du reve en Anatolie ancienne.-Leiden: Brill, 2007. Der Verfasser dieser Monographic, A. Mouton, lehrt hettitische Sprache an der Universitat StraBburg. l35Vgl.: Gukasjan W. Udino-aserbaidschansko-russkij slowar (Udinisch-aserbaidschanisch-russisches Worterbuch) Baku, 1974; Bojs М.: Soroastrism. Werowanija i obytschai. (Zoroastrismus. Glaube und Brauche) Ubersetzung 84 Das Konigreich Urartu entstand im 9. Jahrhundert v. Chr. in den Gebieten des siidlichen, ostlichen und nordlichen Ufers des Van-Sees, die danach erweitert wurden. Anfang des 7. Jahrhunderts v. Chr. zerfiel dieses Konigreich, und sein Land ging an den Staat Medien und danach an den Achemenidischen Staat. In der dreisprachigen (altpersisch, babylonisch und elamitisch) Bechustinskij-Inschrift des altpersischen Konigs Darius I. (in den Jahren 521 (Thronbesteigung) - 484 v. Chr.), des machtigsten Herrschers des Staates der Achemeniden, wird fiir die Bezeichnung des Kerns des Territoriums des Konigreichs Urartu die Bezeichnung ,,Uraschtu“ (eine Dialektform von Urartu) und ,,Armina“ verwendet.136 Die letztere Bezeichnung verbinden Experten mit dem Land Arma, das sich siid-ostlich des Van-Sees befand, und von dieser Bezeichnung kann die Bezeichnung „Armenien" ihren Anfang nehmen. Darius I. zahlt Armenien in der Bechustinskij-Inschrift zu einer seiner Satrapien. So erhielten die Gebiete im Norden Mesopotamiens und siidlich des Van-Sees die doppelte Bezeichnung ,,Armina-Armenien“. Und ,,Armina“ und ,,Armenien“ sind in den altgriechischen Quellen rein geographische Begriffe, die zu jener Zeit keinerlei Verbindung zur Ethnie der ,,Armenier“ hatten und die Gebiete bezeichneten, die sich jenseits des Sudkaukasus befanden.137 aus dem Englischen, Moskau 1987; Nuriew Sadi, Gusejnow Rauf: О familijach i imenach armjan (Uber die Nach- und Vornamen der Armenier) In: IRS Nasledie, 2006, N6, S. 50-51. l16Die Inschriften wurden vom Englander Henry Kreswik Rawlinson entziffert, der 1837 genaue Kopien der Inschriften machte und sie im Jahre 1846 in „Royal Asiatic Society" veroffentlichte. Der Inhalt der Inschriften ist eine Beschreibung der Schwierigkeiten, die er bei seinem Herrschaftsantritt uberwinden musste. Nach dem Brauch aller persischen Konige ab Kyros ist diese Beschreibung in drei Sprachen erstellt: Persisch, Medisch und Assyrisch. A uf den Inschriften befindet sich ein riesiges Basrelief, das Darius auf dem Thron darstellt und vor ihm 9 Figuren von Gefangenen, verbunden durch eine gemeinsame Kette, die um ihren Hals gelegt ist. Diese Gefangenen symbolisieren Aufstandische, darunter auch armenische, die Darius schlug und verurteiite. AuBer diesen Inschriften von Darius I. sind noch eine pechlewische (altpersische) und eine griechische Inschrift bekannt, die auf Erlass von Ardeschir, Babekan und anderen Konigen aus der Sassanidendynastie angefertigt wurden. n7Vgl.: auch Columbia Encyclopedia. N ew York, Columbia University Press, 5th ed., 1993, p. 149 85 Hochstwahrscheinlich zogen die Armenier von dort aus iiber Phrygien aus Siidosteuropa in den Staat Urartu. Die Selbstbezeichnung der Armenier ,,Hai“ geht zuriick auf einen ihrer gleichnam igen mythischen Vorfahren, und die auch als Armenien bekannte R egion ist nicht der Ort ihrer Abstammung. Forschungen von Feigl lassen den Schluss zu, dass die Armenier aus den Balkan zogen und sich in kleinen Grupen ostlich des Euphrat niederlieBen. Diese U m siedlung fand erst im 6. Jahrhundert v. Chr. statt. Sie haben w eder eine linguistische noch eine ethnische Verbindung zur hurritisch-urartischen Familie. Andererseits geben die letzten archaologischen und historischen Entdeckungen, die im Nordwesten der Tiirkei, im Sudkaukasus und in Westsibirien gemacht wurden, eine Vielzahl von Argum enten zugunsten dessen, dass in prahistorischen Zeiten bereits eine V erbindung zwischen Ostanatolien und den Kulturzentren der Steppen Aserbaidschans und Sibiriens bestand, ebenso wie auch den Gebirgsregionen des Altai, der urspriinglichen Heimat der Turkvolker. Heute ist weltweit bekannt, dass die albanische Ethnie m it ihrer Sprache, ihrem physischen Typ und ihrer Religion, in der Periode des 138 friihen Mittelalters die endgiiltigen Ziige erworben hat. Die Hai, wie sich die Armenier selbst nennen, sind weder eine autochthone Bevolkerung des Siidkaukasus noch Ostanatoliens, das von alters her von Proto-Tiirken besiedelt ist.134 Die erste wirklich nationale Dynastie war die armenische Dynastie der christlichen Arschakiden. Uber die armenischen Konige der Periode der Arschakiden (nach den Tigraniden) und den K am pf um den armenischen Thron berichtet S. Tacitus (um 55-120), der dem romischen Heerfiihrer Worte in den Mund gelegt hat, die die „Flexibilitat" der romischen Politik charakterisieren: „Jegliche fremde Greueltat (gemeint ist die verbrecherische Besetzung des armenischen Throns durch den iberischen Prinzen Radamist - J.R.) m uss mit Freude aufgenommen werden; man m uss sogar die Samen des Hasses streuen; wie oft die romischen Herrscher unter dem Mantelchen der l3HVgl.: George de Melleville. Armjanskaja tragedija 1915 goda (Die armenische Tragodie von 1915). Baku, Elm 1990, S. 15-16. l34Vgl.: Justin MacCarthy, Caroline MacCarthy: Tjurki i armjane: Rukowodstwo po armjanskomu woprosu. (Tiirken und Armenier: eine Handleitung zur armenischen Frage), Baku, Asemeschr 1996, S. 13. 86 Grofiziigigkeit irgend jem and dieses Armenien fur das Anzetteln von Aufstanden unter den Barbaren iiberlieBen. Moge Radamist die Fruchte seines verabscheuenswiirdigen und verachtenswerten Verbrechens emten, denn das wird uns bald mehr zugute kommen, als wenn er die Macht mit Ruhm erreicht hatte.“ I40 Armenien in diesen Grenzen hat sich fast nie oder nur kurzzeitig (einige Jahrzehnte lang) als ganzer Staat, unter einer einzigen zentralen Regierung befunden. Gleichzeitig kann man relativ iiberzeugt von einer Vielzahl kleiner Herrscherdynastien armenischer Abstammung sprechen, deren Herrscher an der Spitze der kleinen Staatsgebilde standen, die einige Zeit die praktische Unabhangigkeit errungen hatten. Das sind beispielsweise die Bagratiden- (Bagratuni)141 Dynastie, die Isaw rier-Dynastie142, die Makedonische Dynastie143, die Herrscher des Kilikischen Konigreichs; die Sachariden-Dynastie (Dolgoruki) u.a.144 l4(lTas., Ann., XII, 48. Die echte Bezeichnung der „Annalen" ist „Ab excessu divi Augusti“ („Geschichte nach dem Tod des gottlichen Augustus") 141 Die Bagratiden sind eine armenische Dynastie (886-1045). Bekannte Vertreter: Aschot I., Sambat I., Aschot II., der Eiserne. Aschot III. der Giitige und Gagik I. Nach armenischen Uberlieferungen nahm an der Belagerung Jerusalems als Verbundeter Nowuchodonosors der armenische Konig Gajk II teil. Unter den Gefangenen, die er mit sich wegfuhrte, war die Gelehrtenfamilie von Schambat, dessen Sohn Bogorat hiefi. Durch Intelligcnz und Schlaue gelang es seinen Nachfahren, den Bagratiden, (im 9. Jahrhundert), die hochste Macht auch in Georgien zu ergreifen, wo die Dynastie mit der Zeit den Namen Bagrationy erhielt. l4T)ie Isawrier-Dynastie (genauer die Syrische Dynastie), cine Dynastie byzantinischer Kaiser (717-802). Der Begriinder dcr Dynastie ist der Ubersiedler aus Syrien Leo III., den man falschlicherweise zur Sippe der Isawrier im siidlichen Teil von Kleinasien zahlte. l4’Die Makedonier-Dynastie, eine Dynastie byzantinischer Kaiser (867 - 1056). Begrundet von Wassilij I. aus der Fema (militarischer Verwaltungsbezirk) in Makedonien (daher auch der Name). Bekannte Vertreter sind Leo VI., Konstantin VII., Wassilij II. l44A uf die Abstammung von Fiirst Dolgorukij gehen auch die Fiirsten armenischer Abstammung Begtabegowy zuriick, die zuerst in der Stadt Ani lebten und nach der Eroberung dieser Stadt durch die Perser nach Georgien iibersiedelten, wo im 17. Jahrhundert Konig Teimuras 1. die Begtagegowye in den Stand der Tawade (Fiirsten) erhob und dem Altesten von ihnen den Erbtitel Lediwanbeg (kaiserlicher Berater) verlieh. Furst Solomon Iwanowitsch Begtabegow starb im Range des Generalmajors der Russischen Armee am 6. Mai 1860. A ls herausragender Artilleriekommandant tat er sich wahrend des GroBen Kaukasuskrieges hervor. Davor hatte er gegen die 87 Um 189 v. Chr. beginnt die Bildung des unabhangig gew ordenen Staates, der den Namen GroBarmenien erhalten und seine Bliite im 1. Jahrhundert v. Chr. unter Konig Tigran II. erreicht hat. Sich von der Provinz Aserbaidschan im Osten und Norden bis zum E uphrat im Siiden erstreckend, hatte dieses GroBarmenien (Armenia m aior) eine Flache von 220.000 Quadratkilometem und war in 150 Provinzen, 190 Kreise und 620 kleine Kreise unterteilt. Jedoch erobert bereits 66 v. Chr. der romische Feldherr Gnei Pompei (106-48 v. Chr.) im V erlau f des Krieges gegen Midridat VI. das armenische Konigreich und entzieht ihm die Staatshoheit, die es iiber 30 Jahre lang hatte. Die romische Herrschaft dauerte hier bis zum 4. Jahrhundert n. Chr. an. Vom 1. Jahrhundert v. Chr. bis zum 4. Jahrhundert w urde das Konigreich mehrfach zwischen Rom, dem Sassanidenreich und Byzanz aufgeteilt. Unter Kaiser Justinian I. (483-565) w urde das Territorium dieses nun schon Vasallen- Konigreichs au f 138.000 Quadratkilometer reduziert. Im Jahre 390 wurde das Konigreich emeut zwischen Rom und dem Sassanidenreich aufgeteilt und faktisch von ihnen und nicht von den armenischen Konigen regiert. Nach vielen Jahrhunderten des Kampfes war dieses Puffer-Konigreich zwischen den groBen Imperien schlieBlich zwischen Persien und Byzanz aufgeteilt. Unter Kleinarmenien (Armenia minor) verstand m an das historische Gebiet am O berlauf des Euphrat. Kleinarmenien gehorte zum Hetitischen Staat, danach zum Alten Persien, und von 302 bis Ende des 2. Jahrhunderts v. Chr. war es ein halbautonomes armenisches Fiirstentum mit der Hauptstadt Ani-Kamach. Ab der byzantini­ schen Periode beginnt die intensive Zerstreuung der Armenier in die ganze Welt. Einige Forscher halten die Bevolkerung Kleinarmeniens fiir die Ahnherren der Armenier, was im Widerspruch sowohl zur Hypothese Herodots als auch zu m odem en wissenschaftlichen Daten steht. Nachdem das Territorium von Kleinarmenien anfanglich unter der Herrschaft des Pontinischen Staates und danach des Romischen Lesginer von Dschar und Belokan gekampft. Vgl.: Wasiljew M.P.: Wisantija i araby. Polititscheskie otnoschenija za wremja Amorijskoj dinastii (Byzanz und die Araber. Die politischen Beziehungen wahrend der Amorier-Dynastie. St. Petersburg., 1900; Derselbe: Polititscheskie otnoschenija sa wremja Makedonskoj dinastii (Die politischen Beziehungen wahrend der Makedonier-Dynastie. St. Petersburg., 1902. Reichs stand, wurde es Ende des 1. Jahrhunderts n. Chr. GroBarme­ nien angeschlossen. Die Araber, die im 7. Jahrhundert einen groBen Teil der Gebiete, in denen es auch eine armenische Bevolkerung gab, erobert hatten, indem sie geschickt die Streitigkeiten der vielen feudalen Herrscher armenischer Abstammung ausnutzten, vermochten sie in ihre Machtstrukturen einzubinden.145 Dieser Umstand der relativen Loyalitat der fuhrenden armenischen Kreise gegeniiber den arabischen Herren machte sich einer der Bagratiden Aschot I. (885-890) fiir die Schaffung eines Vasallen-Fiirstentums mit der Hauptstadt in der Stadt Ani zu Nutze. Dieses Konigreich blieb bis zur Eroberung durch Byzanz im Jahre 1045 bestehen. Ab 1080 untemahm Bagratid Ruben Versuche der Schaffung eines neuen, von Byzanz unabhangigen Armenier-Staates in Kilikien. 1198/99 festigte sich dieses neue Konigreich der Armenier unter Lewon (1187-98) und blieb m it Unterstiitzung der Kreuzfahrer bis 1375 bestehen. Danach war es den agyptischen Mamelukken unterstellt146 und wurde danach in das Osmanische Reich eingegliedert. Hier wurde ab 1461 den Armeniern der Status einer autonomen Gemeinde unter nationalreligiosen Vorzeichen gegeben (Millet-i-sadiga). Konkludierend kann festgestellt werden, dass armenische Staatsgebilde im Altertum und im frtihen Mittelalter nicht auf dem Territorium des Siidkaukasus bestanden, sondern im Gebiet des VanSees, im Territorium ostlich des Euphrats und spater an der nordostlichen Kiiste des Mittelmeers. Die Schicksale der Arm enier im Siidkaukasus und den umliegenden Regionen im M ittelalter und vor der Etschmiadsinischen Periode konnen am Beispiel der Geschichte der bereits genannten Sacharidendynastie (der Dolgoruki) verfolgt werden. Zentrum des gesellschaftlichen armenischen Lebens unter den Dolgoruki war Ani. 141In den armenischen Literaturdenkmalem des 5.-7. Jahrhunderts werden bis zu 50 Fiirstenterritorien gezahlt. Die armenischen Feudalherren wurden Nacharar und Ter genannt, das alteste Mitglied einer Sippe wurde Nachapet und Tanuter (d.h. Oberhaupt der Familie, der Sippe) genannt. I4(Mameluk: hier Mitglied der vom 13. bis 16. Jahrhundert herrschenden agyptischen Dynastie. Andere Bedeutungen sind Leibwachter eines ostlichen Herrschers, Tagelohner eines islamischen Feldherm und zuweilen einfach Knecht. 89 Die Seldschuken verkauften Ani an die Scheddadiden, die m it d e n armenischen Bagratiden durch verwandtschaftliche Bande verbunden waren (1072). Als ihre Gegner traten die georgischen Bagrationen auf, die sich fiir die rechtmaBigen Erben der arm enischen B agratiden hielten. Nach wiederholten Versuchen, den M oslems Ani zu entreiBen, erreichten die Georgier im Jahre 1174 ihr Ziel. Die Arm enier zeigten ebenfalls eine deutliche Neigung zur Annahme der georgischen als wie sie annahmen - weniger harte Herrschaft, im Vergleich zur musulmanischen. Die Vereinigung der christlichen Krafte diente auch als Grundlage fur die erfolgreiche Vertreibung der M oslems aus Ani. Die georgische Armee wurde von den arm enischen Fiirsten, den Briidern Sacharija und Iwan Dolgoruki angefiihrt. In kurzer Zeit eroberten sie alle Besitztiimer der armenischen Bagratiden von Erzurum bis Sjunik (sudostlicher Teil des heutigen Armenien) zuriick. Konigin Tomara unterstellte 1191 das eroberte Land der Herrschaft der Bruder Dolgoruki, die alle Privilegien der praktischen Autonomie genossen. Deshalb nannten sich Sacharija und seine Nachfolger selten Konige von Armenien. Konkurrenten von Dolgoruki waren lange Zeit die Fiirsten Orbeljany. Zuerst waren sie im W ettstreit mit ihnen iiber die Beherrschung der zuriickeroberten Gebiete, mussten diese jedoch, nachdem sie das Vertrauen des georgischen Thrones verloren hatten, ihren Konkurrenten iiberlassen. Um sich vor den Verfolgungen der georgischen Bagratiden (Bagrationen)147 zu retten, floh Fiirst Elikum Orbeljan ins persische Aserbaidschan und erhielt nach einiger Zeit (um 1186) die Herrschaft in Sjunik. Das Sjunik-Konigreich blieb bis 1166 bestehen, und die Orbeljans erhielten einen Teil des Gebietes dieses Konigreichs in dessen westlichem Teil. Aber nach und nach dehnten die Orbeljans ihren Einfluss au f das gesamte Gebiet des friiheren Konigreichs aus. Angrenzend an Sjunik befand sich das Fiirstentum Chatschen, und diese beiden Staats- und Verwaltungsgebilde konnten den Einfall der Mongolen iiberstehen. Unter den Dolgorukis kam iiber den gesamten Sudkaukasus und das persische Aserbaidschan eine schreckliche Not. Zuerst zog Choresm-Schah Dschelalad-din der von Dschingis-Khan geschlagen worden war, mit einem verheerenden Uberfall auf Nord- und SiidAserbaidschan nach Kleinasien, kehrte jedoch, nachdem er dort auf heftigen Widerstand gestoBen war, zuriick und kam 1231 in den Bergen Kurdistans um. Danach fiel das riesige Heer Dschingis-Khans im siidlichen Transkaukasus und in Persien ein und bei der Teilung des Imperiums der Khane gerieten Persien und dem Transkaukasus zu Chulagu (G ulagu)148, dessen Nachkommen Ilchane genannt wurden. Ihre Herrschaft endete im zweiten Viertel des 14. Jahrhunderts. Unter der Mongolenherrschaft hatten die Fiirsten armenischer Abstammung, ebenso wie alle Christen allgemein, beachtliche Freiheit. M it dem Niedergang der Mongolen wurden auch die Fiirstendynastien armenischer Abstammung fast spurlos vom Orkan der Invasion von Tamerlan zerstort. In Persien erstand die DschelairenDynastie (1336-1411), die sich fast den gesamten Transkaukasus unterwarf. Aber 1378 wurden die Dschelairen von den Oghusenstammen der Qara Qoyunlu („Schwarze Hammel“ ) und der AqQoyunlu („WeiBe Hammel“) gestiirzt. der armenischen Dynastie der Bagratiden (Bagrationen) wurden einige ihrer Mitglieder imeretische, kartalische und kachetische Konige. Ein imeretischer Konig, Michail (gest. 1329), dessen Nachfahren in Imeretien bis zum Anschluss an Russland 1810 herrschten, gilt als Ahnherr der imeretischen Konige sowie der Fiirsten Bagrationow-Imeretski und Bagrationow-Dawydowy. Letztere wurden durch Erlass des russischen Zaren vom 6. Dezember 1850 mit der Fiirstenwiirde ausgezeichnet. Die Abstammung der meisten Fiirsten von Georgien geht gut aus dem siebten Teil von „Obschij rossijskij gerbownik“ (Allgem eines russisches Wappenbuch) hervor, das am 4. Oktober 1803 von Zar Alexander I. bestatigt wurde, worauf ich auch den wissensdurstigen Leser verweise. l4SDer persische Historiker Raschid-ad-din (1247-1318) schrieb die „Istorija mongolow" (Geschichte der Mongolen) mit den Worten der Mongolen, die mit Chulagu (Gulagu)-Khan 1235 nach Persien zogen. In diesem Werk wird auch das Volk der „Ujschun (,,Ujsyn“) genannt: die Armee von Gulagu (Gulagu) zog iiber das Semiretschje 1253-1254, als beim Fluss Tschu auf den Bergen die Ujschunen lebten, von denen ein Teil mit Chulagu wegzog und nach Nordpersien kam. Dies betrifft auch das Volk der ,,Dschalairen“. Die Dschalairen-Dynastie regierte sogar einmal in Nordpersien und eine zeitlang in Baghdad (um 1253 -1370). Vgl.: Muchamedschan Tynaschpiew. Materialy к istorii kirgis-kasachskogo naroda (Materialien zur Geschichte des kirgisisch-kasachischen Volkes). Taschkent 1925. I47A u s 90 91 Tamerlan vertrieb den Aserbaidschaner K ara-Jusuf und d e n Anfiihrer der Tiirken-Oghusen Qara-Qoyunlu aus dem Kaukasus, a b e r nach dem Tod des ersteren (1405) nahm der zweite fast alle seine friiheren Besitztiimer wieder ein. Die Tiirken-Oghusen des Schw arzen Hammel herrschten bis 1469, als die M acht an den Stamm des W eiBen Hammel iiberging. In der Schlacht bei Scharur (1502) schlug d er Safawidische Schah Ismail die Tiirken-Oghusen und nahm ganz N ordAserbaidschan ein (vgl. die Studie iiber die Geschichte von Aserbaidschan und Karabach). Die Anspriiche des Osmanischen Reiches, des Safawiden-Staates (Persiens), und danach auch des Russischen Imperiums flihrten zur wiederholten Umverteilung der Gebiete, in denen auch eine armenische Bevolkerung lebte.149 Seit 1763 strebte das Russische Reich die intemationale Anerkennung seiner besonderen Rechte beim Schutz der christlichen Arm enier an, wobei es offen die neuen Gebiete auf Kosten seiner alten Gegner, des Osmanischen Reiches und des Kadscharenstaates, anvisierte. Ein gutes Beispiel ftir Fiirsten arm enischer Abstammung, die keine eigenen Lander/Staaten hatten, sind die Fiirsten Bejbutowy.150 Ihre Ahnentafel beginnt mit Aschchar-Bek, einem Armenier und Melik von Tiflis (Statthalter) unter dem georgischen Konig Tejmuras II. Aschchar-Bek w ar der Sohn von M elik-Aga, der bei der Taufe den Namen Wassilij erhalten hatte. Letzterer begleitete den minderjahrigen Konigssohn Iraklij zum H o f des Kysylbasch-Schahs Nadir, nahm am Feldzug nach Indien teil und erhielt fur Tapferkeit vom per­ sischen Schah den Diamantensabel und den Rang eines Min-Baschi. (,,Oberst“) am Kysylbasch-Hof. W ahrend der Regierung von Iraklij war Wassilij (M elik-Aga) Bejbutow tiflisser Melik und hinterlieB zwei l4)Vgl.: zum Beispiel: E. Lehmann. Materialien zur alteren Geschichte Armeniens und Messopotamiens. In: Abhandlungen der Koniglichen Gesellschaft der Wissenschaften von Gottingen. Band 9, Berlin 1907; Adonz W.: Armenija w epochu Justiniana; polititscheskoje sostojanie Armenii na osnowe nachararskogo stroja (Armenien in der justinianischen Epoche; der politische Zustand Armeniens auf der Grundlage der Gesellschaftsordnung der Nachararen). St. Petersburg 1908; Gelzer F. Abriss der byzantinischen Kaisergeschichte. Krumbacher, Miinchen 1987. A uf einem intemationalen Kongress widersprach mir ein amerikanischer Teilnehmer emsthaft dahingehend, dass nachdem im Kaukasus die armenischen Dynastien und die armenischen Fiirsten waren, dort dann auch armenische Staatsgebilde sein miissten. 92 Sohne: Iwan Wassiljewitsch und Iosif Wassiljewitsch. Ersterer war Melik von Tiflis und M is-Karbasch am Hofe von Konig Iraklij; der zweite, Iosif, erhielt nach dem Tod von Iwan auch den Titel kaiserlicher Mis-Karbasch. Nach dem Anschluss von Georgien an Russland erhielt er den Titel „Berater bei Hofe“ . Ftir den Sieg iiber die unter Hussein-Kulikhan aus dem Khanat Eriwan nach Georgien eingefallenen Truppen erhielt Bejbutow von Zar Alexander Pawlowitsch den Rang des Obersten zuerkannt. Vier seiner Sohne waren Militars, die hohe militarische Range und Wurden in der russischen Armee innehatten. So wurde Fiirst Wassilij Beybutow von A.P. Ermolow als begabter M ensch und Kenner der Gegend zum Adjutanten berufen. Er begleitete Ermolow a u f vielen Feldztigen und diplomatischen Missionen. Fur erfolgreiche militarische Tatigkeit bei Achalkalaki und Achalzich in Dagestan gegen Imam Schamil u.a. erhielt er viele militarische Auszeichnungen und administrative Positionen. Besonders zeichnete er sich am 24. Juli 1854 aus, als er in der Schlacht bei Kurjuk-Dara die 60.000-kopfige osmanische Armee vemichtend schlug. Buybutow selbst hatte nur 18.000 Soldaten und 64 Geschtitze. Er hatte sich ein Jahr davor (1853) auch in der Schlacht bei Bojandur (Gouvernem ent Eriwan, 10 Kilometer von Aleksandropol) hervorgetan, als er eine Abteilung des Fiirsten Orbeliana vor den zahlenmaBig weit iiberlegenen osmanischen Streitkraften rettete, und in der siegreichen Schlacht bei BaschKadyklar, Karrskaja Oblast am Fluss M awrjak-tschaj.151 Er regierte den Kaukasischen Kraj, wurde 1857 zum Infanteriegeneral befordert und 1858 zum Mitglied des russischen Staatsrates. Wassilij Bejbutow regierte auch acht Jahre die Armenische Oblast als Verwaltungseinheit des Russischen Imperiums, die voriibergehend auf dem Gebiet der ehemaligen Khanate Eriwan und Nachitschewan geschaffen worden w ar.152 151Vgl.: Bogdaniwitsch S.: Wostotschnaja woina 1853-1856 (Der Ostkrieg 1853-1856), St. Petersburg 1872,T. 1, S. 67, 122. l52Ein anderes Beispiel eines ahnlichen Geschlechts ist das alte Geschlecht der Lasarjanen, Umsiedler aus Isfahan. Der bekannteste von ihnen war Owanes Lasarjan, der in Russland Iwan Lasarew wurde und 1774 der Titel Graf verliehen bekam. Auch als hervorragender Diplomat erfullte er auf Befehl der russischen Regierung sehr diffizile Aktionen, die an Spionage grenzten. Ein gutes Andenken verschaffte er sich damit, dass er den Bau des Instituts fur ostliche Sprachen finanzierte, das bis heute in Moskau existiert... Vgl.: AiF 93 Der russische VorstoB in den Siidkaukasus im Laufe der drei Jahrzehnte des Krieges gegen das Osmanische Reich und den Kadscharenstaat erfolgte durch die Annexion der K hanate des ostlichen Transkaukasus Larabal und Lori (Vertrag von Giilistan von 1813)153, der westlichen transkaukasischen Khanate Eriw an und Nachitschewan (Vertrag von Turkmantschai von 1828), sowie der Paschaliken Achalkalaki und Achalzich (Vertrag von Andrianapolis von 1829 ) und anderer Gebiete. A uf der Grundlage von Zusatzen zu den genannten Vertragen in den Jahren 1828-29 wurden allein in die oben genannten zuriickeroberten Territorien 130.000 Armenier umgesiedelt. Wenn 1827 im ehemaligen Khanat Eriwan 20.000 Armenier lebten, so waren es Ende des 19. Jahrhunderts mindestens 700.000. Im gesamten Siidkaukasus wurden 1897 nach dem Glaubensbekenntnis 1218081 Armenier gezahlt und 1173096 nach der Sprache. Bei diesen 44985 „christlichen Armeniern", die der armenischen Sprache nicht machtig waren, handelte es sich um kaukasische Albaner, die statistisch als Armenier galten. Im Schuschenskij Okrug im Gouvemement Elisawetpol machten die Christen 1897 53% der Bevolkerung aus. Wie viele davon ,,Armenier“ waren, die der armenischen Sprache nicht machtig waren, ist in der Statistik nicht ausgedriickt.154 (Argumenty i fakty), N 1, 2008. A uf der Ausstellung „Islamische Handschrift aus Moskauer Sammlungen“, die 2004 im Staatlichen Historischen Museum (Moskau) stattfand, wurde auch das Werk des Theologen, Philosophen Sufi Abu Chamid al-Gasal „Die Renaissance der Wissenschaften iiber den Glauben" ausgestellt. Das letzte Datum, das diese Handschrift begleitet, ist der 25. Marz 1939 mit dem Vermerk: „Dem Raum fur Ostwissenschafien der Staatlichen Historischen Bibliothek als Geschenk von der Bibliothek des Instituts des Ostens namens Narimanow am Eroffnungstag des Raumes." Vgl.: Nesawisimaja gaseta, 1.9.2004, S .8. Der Vertrag, der Aserbaidschan in zwei Teile teilte, in Nord- und Siidaserbaidschan, wurde am 12. Oktober 1813 unterzeichnet. Der Staat anerkannte und bestatigte die Sicherung der gesamten Khanate Karabach (Garabach), Gjandscha, Scheki, Schemacha, Derbent, Guba und Baku und Ostgeorgiens, sow ie eines Teils des Khanats Lenkoran fiir das Russische Reich. Die Fragen iiber den Status des Khanates Lenkoran wurden zum Grund fur die Auseinandersetzung zwischen dem Russischen Reich und dem Kadscharenstaat. Vgl.: Mamedowa I.M. О pritschinach posdnej ratifikazii Gjuljustanskogo dogowora (Uber die Griinde der spaten Ratifizierung des Vertrags von Giilistan.) In: Woprosy istorii, 2008, № 4, S. 155-158. 134Vgl.: Ewfron und Brockhaus , Bd. 1, S. 597, Anmerkung. 94 Im Jahre 1828 wurden durch ein Dekret des Zaren Nikolai I. die aserbaidschanischen Khanate Eriwan und Nachitschewan aufgelost und durch ein anderes Dekret des Zaren ein bis dahin nicht existierendes politisches Gebilde „Armjanskaja oblast“ (Armenisches Gebiet) aus den aserbaidschanischen Bezirken (Ujesdi) Eriwan und Nachitschewan um den Kreis (okrug) Ordubad geschaffen. 1840 wurde die Armjanskaja oblast aufgelost. Stattdessen wurden Gouvernements eingerichtet: Eriwan, Nachitschewan und der Kreis Ordubad. AbschlieBend kann festgestellt werden, dass wahrend sich die Anzahl der Aserbaidschaner im Gouvemement Eriwan von 1829 bis 1916 um das 4,5-fache erhoht hat, die Zahl der Armenier in der gleichen Periode um das 8-fache gestiegen ist. Und infolge dessen verlief die VergroBerung der Bevolkerungsdichte der Armenier auf Kosten der Verringerung der Bevolkerungsdichte der Aser­ baidschaner. A. Ionisjan schreibt, „ein Viertel der Bevolkerung der Stadt Eriwan wurde von den Armeniern gestellt, und die Aser­ baidschaner machten die M ehrheit aus“.i55 Die iibergesiedelten Arm enier nahmen nicht nur Land in Anspruch, sondern erreichten 1836 in Verfolgung ihrer weitreichenden Ziele die Auflosung der Albanischen Apostolischen Autokephalen Kirche, die in Berg-Karabach aktiv war, und des albanischen christlichen Patriarchats sowie die Riickfdhrung der Albanischen Kirche in das Bistum der Armenischen Kirche mit Ubertragung des gesamten Vermogens (Unterstreichung von mir - R. J.).i56 durch die russischen Behorden. Spater vernichtete die Armenisch-Gregorianische Kirche mit Zustimmung des Russischen Synods in einigen alten Archiven auch das Archiv der Albanischen Kirche, wobei sie sorgfaltig Muster der albanischen Literatur vertuschte. Die gleiche Arbeit verrichtete die armenische Geistlichkeit mit den albanischen sakralen christlichen Denkmalern. Im Unterschied zum echten Volkermord wurden hier zielgerichtet nicht die M enschen selbst, sondem ihr historisches l55Abgar Ionisjan. Armjano-russkie otnoschenija w ХУШ stoletii (Die armenisch-russischen Beziehungen im 18. Jahrhundert), Band 2, Teil 1. Eriwan 1964, S. 23. '%Vgl.: die ausffihrlichere Darlegung „Armjanskaja zerkow i zerkow kawkasskoj Albanii (D ie Armenische Kirche und die Kirche KaukasischAlbaniens)“. 95 Gedachtnis, ihre geistliche Kultur und ihre m ateriellen Schatze e in e s aufgrund seiner Einzigartigkeit einm aligen V olkes und d e sse n Literatursprache vemichtet. Ohne Staatlichkeit und kirchliche A utonom ie w urden die w estlichen Gebiete des ehemaligen Albaniens in der Region K arabach vom 9. bis Anfang 20. Jahrhundert w eiterhin m it arm enischer Bevolkerung besiedelt, wobei sich zunehm end der Prozess der Gregorianisierung und Arm enisierung der ortlichen albanischen Bevolkerung verstarkte. Nichtsdestotrotz konnte ein Teil der A lbaner seine Identitat bewahren. Das sind die Udiner, die bis heute im Ogusskij Rayon und im Gabalinskij Rayon von A serbaidschan leben.157 Nach dem Erfolg Russlands im Russisch-Tiirkischen K rieg von 1877-1878 entstand gleichzeitig in Russland und im O sm anischen Reich eine armenische Nationalbewegung und auf intem ationaler Ebene die „armenische Frage".158 Die Einnahme der Stadte Kars, Ardagan, Batumi, Erzurum, Bajased und Alaschkert durch russische Truppen gab den Arm eniem die Hoffnung au f die Vereinigung mit den ostanatolischen Arm eniem der fmheren Gebiete der Tiirkei und den siidkaukasischen Arm eniem in Russland. Paragraph 16 des Vertrages von San Stefano (1877) sah russische Sicherheitsgarantien fiir die Armenier der ostlichen Provinzen des Osmanischen Reiches vor. Die russische Politik war von Peter dem GroBen bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts relativ widerspruchlich. Die Handels- und Wirtschaftsbeziehungen und die Finanzbeziehungen zwischen Russland und den armenischen Geschaftsleuten waren bereits unter Zar Alexej Michajlowitsch recht beachtlich, und unter Peter I. hatten sie den Charakter politischer Beziehungen erlangt. Unter ihm beginnt die geplante Besiedelung von Teilen der Kuste des Kaspischen Meeres mit Armeniem. Unter Katharina II. begannen nach dem Vertrag von Kutschuk-Kajnardschij die Arm enier in Massen aus dem 157Vgl.: Mamedowa, F.: Polititscheskaja istorija i istorija geografija Kawkasskoj Albanii (Politische Geschichte und historische Geographie KaukasischAlbaniens..., S. 238-239; Mamedowa Farida. Istina о Karabachskoj Probleme. (Die Wahrheit uber das Karabach-Problem), S. 29 . Naheres dazu Vgl.: Aufsatz „Kurzer Uberblick iiber die armenisch-tiirkischen Beziehungen im 19.-20. Jahrhundert im Licht der Weltpolitik jener Zeit und der territorialen Ansprilche der Armenier". 96 Osmanischen Reich au f die Krim zu emigrieren und dort zunachst Landwirtschaft zu treiben. Zar Paul I. gab seinen armenischen Untertanen mit Urkunde von 1799 einige Privilegien und Rechte, die von Alexander I. im Jahre 1812 bestatigt wurden. Wahrend der Kriege Russlands mit dem Kadscharenstaat (Persien) im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts erwiesen unter Leitung von Erzbischof Nerses (spater Katholikos Nerses V.) die Arm enier Russland groBe Dienste. Dazu wurden besondere Reserven zusammengestellt, die in den ersten Reihen der Russen kampften. Nach dem Vertrag von Turkmantschai von 1828 wurden 40.000 Arm enier allein aus dem Kadscharenstaat (Persien) nach Russland umgesiedelt. Gleiches geschah auch nach dem Frieden von Andrianopol m it dem Osmanischen Reich (1829), als 90.000 „osmanische" Arm enier nach Russland emigrierten. Und bis zum Krieg zwischen Russland und dem Osmanischen Reich von 1877-1878 hatten die Armenier die Unterstutzung der russischen Regierung. Jedoch blieb in diesem Krieg die gewiinschte Einwirkung der „russischen" Armenier au f die „osmanischen" Armenier und die erwartete antiosmanische Aktivitat der letzteren aus. Um 1882 begann die Russifizierung der armenischen Bevolkerung des Russischen Imperiums. Die RussifizierungsmaBnahmen waren recht streng und wurden von den Armeniem auBerst feindselig aufgenommen. 1885 schloss der Oberbefehlshaber im Sudkaukasus Dondukow-Korsakow rund 500 Schulen von armenischen Kirchengemeinden, in seinen Augen „Herde der nationalen Erziehung". Eine neue Welle von SchlieBungen armenischer Schulen folgte im Januar 1896. Als Anlass bezichtigte man die Armenier der Schaffung revolutionarer Organisationen, separatistischer Bestrebungen und des „aktiven" Mitgefuhls fur die Armenier im Osmanischen Reich, die dort einer zunehmenden Unterdriickung unterworfen waren. Der Teil des kirchlichen Vermogens, der fur die Unterhaltung der Gemeindeschulen vorgesehen war, fiel an den Staat. Die Armenier wurden aus leitenden Positionen entfernt, ihre sozialen und Bildungseinrichtungen wurden geschlossen, fast die gesamte armenische Presse war verboten. Und 1903 kam eine Verordnung heraus, nach der das gesamte Vermogen der Armenischen Kirche an den Staat fallen sollte (die Verordnung wurde am 1. August 1905 aufgehoben). Die Arm enier antworteten mit stiirmischen Protesten, die angefuhrt wurden von der Partei Daschnakzutjun, die ihre 97 Aktivitat aus dem Osmanischen Reich nach Russland verlegte. D ie Proteste nahmen sowohl passive (Boykott) als auch aktive Form en an, bis hin zum Terror und hatten ein solches AusmaB, dass die Regierung des Zaren beschloss zu ihrer Neutralisierung auch die Feindseligkeit der moslemischen Bevolkerung gegeniiber den arm enischen Christen zu nutzen. A uf dem intemationalen Berliner Kongress (1878) wurde die Verordnung des Vertrages von San Stefano (1877), hauptsachlich unter dem Druck Englands, faktisch aufgehoben: Die europaischen Machte befiirchteten ein ubermaBiges Erstarken Russlands in dieser Region. Der nachfolgende Abzug der russischen Truppen aus den bereits eroberten osmanischen Territorien brachte nicht nur einen neuen Strom armenischer Um siedler im Transkaukasus hervor, sondern fiihrte auch zur betrachtlichen Radikalisierung der politischen Bewegung der enttauschten Armenier. Eine Folge dieser Radikali­ sierung der politischen Stimmung der Arm enier im Osmanischen Reich war die Griindung der Foderation Armenischer Revolutionare (Daschnakzutjun) im auslandischen Feindesland des letzten Krieges, dem Osmanischen Reich, im Russischen Imperium. Sie wurde 1890 in Tiflis gegriindet mit dem offiziellen Ziel der Selbstverteidigung und Emanzipation der Armenier. Viele Jahre intemationaler Forderungen nach Reform der Lage der armenischen Bevolkerung des Osmanischen Reiches und der Zuerkennung der administrativ-kulturellen Autonomie fmchteten langsam und unbefriedigend und waren von der weiteren Radikali­ sierung der politischen Organisationen der Armenier begleitet. Die erneute blutige Niederschlagung der gesteigerten politischen Aktivitat der Armenier fiihrte zu zahlreichen Opfem beim armenischen Volk in den Jahren 1894-1896 und zur Massendeportation von Armeniem wahrend des Ersten Weltkrieges. Die diplomatischen Schritte der europaischen Machte zum Schutz der Interessen der Armenier des Osmanischen Reiches wurden dort nicht seiten als beleidigende und emiedrigende Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Reiches aufgenommen. So bereits nach dem Vertrag von Paris 1856, der den Armeniem des Osmanischen Reiches unter dem ,,Schutz“ der europaischen Machte, eine Zentral­ regierung verschaffte und sich die Beziehungen der Osmanen insgesamt zu den Armeniem wesentlich abkiihlten. Noch mehr abgektihlt wurden diese Beziehungen unter Sultan Abdul-Hamid II.159 Der Berliner Vertrag von 1878 bestatigte in seinem Paragraph 61 den 16. Artikel des Vertrages von San Stefano uber die Schaffung einer besonderen armenischen Provinz in der Karskaja Oblast im Osmanischen Reich, was von der Mehrheit der osmanischen Elite als Emiedrigung aufgenommen wurde, die von der englisch-ttirkischen Konvention vom 4. Juni 1878 noch verstarkt wurde, nach der Kleinasien ein Protektorat Englands wurde. Seit dieser Zeit erhob sich die „armenische Frage" im Osmanischen Reich in ihrer ganzen Bedeutung. Die Osmanen begannen radikale Methoden zur Losung dieser ,,Frage“ zu suchen. Der erste Schritt der radikalen Losungen war die Schaffung der Gamidie-Kavallerie, die ausschlieBlich aus Kurden bestand, die seit jeher den Armeniem auBerst feindselig gegeniiberstanden. Ziel dieser MaBnahme war die Vertreibung der Armenier aus den fiinf Vilayets, wo sie zu jener Zeit die Mehrheit ausmachten (Bitlis, Musch, Bajaset und Diarbekir) und die Auflosung von Provinzen mit kompakter armenischer Bevolkerung. Seit dieser Zeit begann die kurdische Kavallerie, mit geheimer Unterstiitzung der osmanischen Administration, die ihr gestellte Aufgabe zu losen: die gewaltsame Vertreibung der Arm enier aus den genannten Vilayets. Vielerorts wurde diese „Vertreibung" von schrecklichen Verbrechen begleitet.160 lwAbdul-Hamid 11. bestieg den Thron am 31. August 1876 in einer schweren Zeit des Reiches. Der Staatsbankrott 1875 schnitt die Moglichkeit der Kreditierung ab; in Bulgarien und Herzegowina begannen revolutionare Unruhen, Serbien und Montenegro traten mit Unterstiitzung Russlands in den offenen bewaffneten Widerstand gegen das Osmanische Reich, das praktisch ohne Verbiindete dastand. Die erste staatliche MaBnahme des neuen Sultans war die Proklamierung der Gleichberechtigung aller ihm unterstehenden Reiehe, darunter auch der Armenier, (Erlass vom 23. Dezember 1876). Russland, das die Schwache des Osmanischen Reiches ausnutzte, erklarte diesem am 24. April 1877 den Krieg, der mit der Entstehung der unabhangigen Staaten Rumanien, Serbien und Bulgarien, wesenlichen Kontributionen zu den Militarausgaben Russlands und der Eroberung der Gebiete Serbien und Montenegro fur Russland endete. Der Berliner Kongress vom 13. Juli 1878 kostete dem Sultan unter anderem den Verlust von Bosnien an die Osterreicher, Zypem an die Englander, ein Sechstel von Thessalien an die Griechen. Alle diese Verluste mussten zur Erhohung der inneren Spannung im Reich fiihren. l60Vgl.: deren Beschreibung in Granat i K, 1910, Band 3, S.530-531. 99 Nun waren die Hoffnungen der Arm enier w ieder a u f den Transkaukasus gerichtet, wohin eine neue W elle arm enischer Fluchtlinge stromte und ihre politische Aktivitat iibertragen w urde. Jedoch auch die Regierung des Zaren war nicht geneigt, das Streben der Armenier nach einer irgendwie gearteten Autonomie zu begriiBen: Die Tatigkeit der mildtatigen und kulturellen arm enischen O rganisationen wurde eingeschrankt, nationale revolutionare G ruppen w urden verfolgt. M it der Zeit ging es so weit, dass das Vermogen der A rm eni­ schen Kirche an den Staat fiel. Arm enische Radikale erw iderten in dem ihnen eigenen Geist: Terror gegenuber den zaristischen Beamten, Geiselnahme, vereinzelt kleine Putsche u.a. Von 1905-1907 gab es blutige ZusammenstoBe der A rm enier mit den Aserbaidschanem auf dem Territorium von Nord-Aserbaidschan, insbesondere in BergKarabach. Schon diese Vorkommnisse lieBen bei vielen Politikem Zweifel an den M oglichkeiten der Schaffung eines armenischen Staatsgebildes im Siidkaukasus, das friedlich mit seinen nichtarmenischen Nachbam zusammenleben wiirde, aufkommen. Nach der Schaffung der Republik Armenien (28.5.1918) a u f Initiative von Daschnakzutjun, was fiir das armenische Volk ein historisches Ereignis war, und das durch viele bewaffnete Konflikte der jungen Republik mit den aserbaidschanischen, georgischen und tiirkischen Nachbam wegen ihrer territorialen Anspriiche auf Sangesur, Karabach, Nachitschewan. Bortschaly und andere Gebiete getrubt wurde. Am 29. November 1920 festigte sich in der Republik Armenien die Bolschewistische M acht16', die den ,,Ostvertrag“ (16.3.1921) mit der Tiirkei abschloss. Darin verzichtet Sowjetmssland a u f Kars, das Araratgebiet und andere Gebiete und es wurde eine verbindliche Grenzziehung beschlossen. Im Oktober 1921 wurde dieser Vertrag von alien transkaukasi­ schen Republiken ratifiziert. Paragraph 3 des Vertrages bestimmte die Autonomie Nachitschewans unter aserbaidschanischem Protektorat. wahrend Sangesur an die Republik Armenien ging. Am 7. Juli 1923 wurde per Dekret das „Autonome Gebiet Berg-Karabach“ innerhalb der Republik Aserbaidschan geschaffen. Von 1922 bis 1936 bildete Armenien zusammen mit Georgien und Aserbaidschan die Transkaukasische Federative Sozialistische Sowjetrepublik (SSFSR), nach 161Die gegen die Bolschewiki opponierende Regierung des sogenannten „BergArmenien“ hielt sich in Sangesur bis Juli 1921. 100 deren Zerschlagung Armenien Unionsrepublik wurde. Die DreiBiger Jahre in Armenien waren, wie uberall in der UdSSR, Jahre der Zwangskollektivierung, erschreckenden Repressalien gegen das armenische Kleinbtirgertum und die nationale Intelligenz und der Industrialisierung auf Kosten einer verarmenden Landwirtschafit. 1954 erfolgte die Teilrehabilitierung der unterdruckten Armenier. Und das in nicht geringem Um fang auf der Gmndlage der Bemiihungen des damaligen Handelsministers Anastas Mikojan. Armenien wurde fur die Riickkehr der Arm enier aus der Diaspora geoffnet, was ein bis dahin nie dagewesener Schritt der kommunistischen Machthaber war. Ich erlaube mir ausfiihrliche Zitate aus der Arbeit des beruhmten aserbaidschanischen Historikers Dschamil Gasanly „Aserbaidschanskij krisis i natschalo Cholodnoj W ojny 1941-1946 (Die aser­ baidschanische Krise und der Beginn des Kalten Krieges. 19411946)“, Moskau, „Geroi otetschestwa“, 2006, der Einleitung und aus seinem Artikel „Neobosnowannye pretensii armjan na Karabach w sowjetskoe wremja (Die unbegrtindeten Anspriiche der Armenier auf Karabach in der sowjetischen Zeit“) in IRS, Nasledie. Meschdunarodnyj aserbaidschanskij schumal, N6, 2006, S. 24-28. „Im November 1945 gab das Politburo des ZK der WKP(b) die Erlaubnis auf Repatriierung der im Ausland lebenden Armenier nach Sowjet-Armenien, und am 2. Dezember wurde der entsprechende Beschluss des Rates der Volkskommissare der UdSSR in der Presse veroffentlicht. Dieser Schritt w ar bedingt durch das Streben der russischen Regierung, die Gebietsanspruche I. Stalins gegenuber der Tiirkei zu begriinden, der rund 360.000 - 400.000 Armenier nach Armenien umgesiedelt hatte und danach der ganzen Welt erklaren wollte, dass die Arm enier zwar in ihre Heimat zuriickgekehrt waren, aber nirgendwo wohnen konnten. Die Anspriiche der UdSSR bezuglich der ostlichen Gebiete der Tiirkei wurden von W. Molotow in Moskau bei den Verhandlungen mit dem tiirkischen Botschafter S. Sarper am 7. und 18. Juni 1945 geauBert. Eilends wurde die Flache des Gebietes vermessen, das die UdSSR der Tiirkei wegnehmen wollte. Es wurden entsprechende Karten erstellt und es wurde an der Aufteilung dieser Gebiete zwischen Armenien und Georgien gearbeitet." Der Lowenanteil des Gebietes von 26.000 qkm sollte an Armenien gehen. Die Uber101 zeugung des Kremls, neue Gebiete zu erhalten, war so groB, dass selbst ein Sekretar (ein Arm enier) des Karrskij G ebietskom itees d er Kommunistischen Partei Arm eniens em annt wurde. D ie Unnachgiebigkeit der Tiirkei und die Unterstutzung ihrer neuen Verbiindeten im Westen m achten jedoch die Plane der M achthaber in Moskau und Eriwan zunichte. Die Ereignisse des gleichen Jahres in Sud-Aserbaidschan und die W ahrscheinlichkeit seines Anschlusses an das sowjetische Aserbaidschan gaben dem sowjetischen Arm enien neue Eloffnungen auf die territoriale Erweiterung, nun bereits au f Kosten von Aserbaidschan. „Am 28. Novem ber iibergab der Sekretar des ZK der WKP(b) G. M alenkow dem Fiihrer von Aserbaidschan M. Dsch. Bagirow einen Brief des arm enischen Fiihrers Arutjunow zur Kenntnisnahme, der insbesondere schrieb:“ ...Der Anschluss BergKarabachs an Armenien wiirde seiner Entwicklung sehr forderlich sein und wurde die W irtschaft verbessem.... Davon und von dem Wunsch der Bevolkerung von Berg-Karabach ausgehend, legen das Zentralkomitee und der Sownarkom (Volkskommisariat) von Armenien dem ZK der W KP (b) und der Unionsregierung die Frage des Anschlusses des Gebietes Berg-Karabach der Aserbaidschani­ schen SSR an die Armenische SSR als Karabachskaja Oblast zur Erorterung vor." Wir weisen darauf hin, dass sich auch im Falle eines hypothetischen Anschlusses des Gebietes Berg-Karabach Armenien eine „Reserve41 auch fur die weiteren territorialen Anspriiche offen hielt: bekanntlich ist Karabach nicht nur Berg-Karabach, sondem auch das Flachland. Und die von Am tjunow geplante Bezeichnung „Kara­ bachskaja Oblast“ weist klar auf die M oglichkeit weiterer territorialer Anspriiche hin. Am 10. Dezember 1945 sandte M. Dsch. Bagirow eine Antwort an G. Malenkow, in der er iiber Berg-Karabach als historisches aserbaidschanisches Gebiet schrieb, a u f dem viele Jahrhunderte lang aserbaidschanische Staatsgebilde bestanden und auf dem die Armenier, eine zugewanderte Ethnie, eine ungewohnliche Aggressivitat gegeniiber der angestamm ten Bevolkerung an den Tag legten. Beziiglich der Verbesserung der „Leitung der Wirtschaft" von BergKarabach merkte M. Dsch. Bagirow an, Aserbaidschan leiste „eine riesige Arbeit beziiglich der wirtschaftlich-politischen und kulturellen Entwicklung der Region Berg-Karabach" und nannte dafur viele 102 konkrete Beispiele. Gleichzeitig bestand der Fiihrer von Aser­ baidschan darauf, „...dass bei der Priifung der Frage iiber den NKAOAnschluss an die Armenische SSR auch die Frage des Anschlusses der Rayone Asisbekowskij, Wedinskij und Karabaglarskij der Armeni­ schen SSR, die an die Republik Aserbaidschan angrenzen und bevorzugt von Aserbaidschanern besiedelt sind, an die Aserbaidschanische SSR zu erortem ist". Der Anschluss von Berg-Karabach an die Armenische SSR gelang zu diesem Zeitpunkt nicht, aber im Zusammenhang mit der Ubersiedlung auslandischer Arm enier nach Sowjet-Armenien wurde beschlossen, mit Unterstutzung Armeniens und mit Zustimmung Moskaus, 100.000 Aserbaidschaner aus ihren Heimatorten in Armenien in die Aserbaidschanische SSR zu deportieren (Beschluss 4083 des Ministerrats der UdSSR vom 23. Dezember 1947, unterzeichnet von Stalin). Ab diesem Zeitpunkt begann der Prozess der Bildung einer monoethnischen Bevolkerung auf dem Territorium der Armenischen SSR, der nach dem Zerfall der UdSSR und der Griindung der Republik Armenien erfolgreich abgeschlossen wurde. Nach dem Beschluss iiber die Umsiedlung der Armenier aus der Diaspora in die Armenische SSR konnte Armenien ein „Zentrum" der armenischen Welt werden, der gesamten armenischen weltweit verstreuten Diaspora. Mit der Festigung dieses „Zentrums" war die schreckliche Tragodie des armenischen Volkes von 1915 allmahlich in der internationalen Diplomatie kein Tabu mehr, und es wurden immer deutlicher die territorialen Anspriiche der Armenier artikuliert. Zum Katalysator fur diese Anspriiche wurde wahrend der Zeit der Perestrojka Gorbatschows der K am pf der armenischen Gemeinde von Berg-Karabach, zuerst fur den Anschluss an die Republik Armenien und danach fiir die Unabhangigkeit. Dieser Streit eskaliert nach der 1994 erfolgten Besetzung von rund 20% des aserbaidschanischen Territoriums durch die Arm enier und einem befristeten Waffenstillstand zum Krieg. Am 23. August 1990 proklamierte das Parlament von Armenien die Republik zu einem souveranen Staat und benannte sie in Republik Armenien um. Im Referendum von 21. September 1991 stimmten 99,3 der Abstimmenden fiir den Austritt der Republik Armenien aus der UdSSR. Armenien blieb jedoch eines der aktivsten Mitglieder der GUS und erlaubte Russland im Marz 1995 die Errichtung einer Militarbasis in Gjumri, an der tiirkischen Grenze. Mit 103 der Annahme einer neuen Verfassung im Juli 1995 ging A rm enien zum Modell der M arktwirtschaft iiber, festigte die Grundlagen des Rechtsstaates und die demokratischen Prinzipien der Innenpolitik. 6. Der Safawiden- (Kisilbasch-) Staat in der ersten Halfte des 18. Jahrhunderts im Kampf mit den Khanaten von Nord-Aserbaidschan „In der Rede des Menschen ist nicht die objektive Wahrheit wichtig; nicht sie wird angestrebt, sondem die Moglichkeit der Einflussnahme a u f den M en­ schen. “ Rafik Abdrachmanow Zu Beginn des 18. Jahrhunderts erfuhr der Safawidische Staat, dessen Herrschaft die aserbaidschanischen Beyliks und die Khanate unterstanden, den wirtschaftlichen und politischen Zerfall. Der Niedergang von Handel und Gewerbe war bedingt durch die abnehmende Bedeutung der KarawanenstraBen iiber Land und des europaisch-asiatischen Transithandels in Folge der ErschlieBung des Seewegs nach Indien um Afrika im 17. Jahrhundert durch die Europaer, der bereits an der Schwelle des 15. und 16. Jahrhunderts eroffnet worden war. Je mehr sich die Kassen der Schahs leerten, desto schwerer wurden die Abgaben, die auch die aserbaidschanischen Beyliks, Meliktiimer, Khanate und die anderen nachfeudalen halbstaatlichen Gebilde zu entrichten hatten. Besonders schwierig wurde die wirtschaftliche Lage dieser aserbaidschanischen Gebilde unter Schah Hussein (1694-1722), einem sehr schwachen Herrscher, der ganz unter dem Einfluss der schiitischen Geistlichkeit und einer habsuchtigen Hofclique stand. Von 1698-1701 wurden die Steuern so radikal erhoht, dass die meisten Ortschaften unabhangig von ihrem Umfang und der Anzahl der Bewohner bis zu je 30 Tum an162 zahlen mussten, und durch die Steuern entstand wirkliche Armut. Erhoht wurden die Steuern auch fur die nomadisierenden aserbaidschanischen Stamme und erstmals wurden der christlichen Geistlichkeit Steuern auferlegt, die unter den vorherigen Schahs Privilegien hatte.163 lwEin Tuman war damals eine persische Wahrungseinheit (ein Goldstiick im Wert von zehn Rubel). lwZur Steuerpolitik von Schah in Aserbaidschan Vgl.: Histoire d'Aghovanie „Collection d'historienc Armeniens“, traduits par M. Brosset, t.II, SPb., 1876, p. 203-205 (weiter als „Collection...“ bezeichnet); „Schurnal Wolynskogo".E. S. Sewakin: Aserbaidschan w natschale XVIII weka (Aserbaidschan Anfang des 18. Jahrhunderts) „Iswestija obschtschestwa obsledowanija i 104 105 Der Steuerdruck war von einem religiosen Druck begleitet. Schah Hussein nahm die grausame Verfolgung der Sunniten w ieder auf, die in Nord-Aserbaidschan (Scheki, Schemacha, Derbent und anderen Regionen und Orten) zahlreich waren. Es kam so weit, dass die Sunniten fur vogelfrei erklart, die sunnitische Geistlichkeit verboten, sunnitische Mullahs zum Tod verurteilt und sunnitische M oscheen entweiht oder zerstort wurden. Die Folge der Verstarkung der staatlichen Abgaben und der religiosen Intoleranz war eine ganze Periode von Aufstanden gegen die M acht des Schahs. Einer der ersten Aufstande ereignete sich in Siid-Aserbaidschan, in der Gegend von Soudschbulak, wo sich die aserbaidschanischen Nomadenstamme ,,Terekeme“ erhoben.164 1711 begann eine aufstandische Bewegung in Dagestan, die rasch Nord-Aserbaidschan ergriff. An der Spitze der Bewegungen stand, wie zu erwarten war, ein V ertreter der sunnitischen Geistlichkeit, Hadschi Dawud, der sowohl in Schirwan als auch in Scheki viele Anhanger hatte. Einige Urkunden lassen den Schluss zu, dass Dawud unter starkem osmanischem Einfluss stand. Weitere Anfiihrer dieser Aufstande wurden Tschulak-Surchaj-Khan, Achmed-Khan-Uzmij von Kajtag und Ali-Sultan von Elisui. Ersterer hatte kurz vor den Aufstanden ein gesondertes Khanat in KasiKumych gegriindet (friiher, vor 1640, war Kasi-Kumuch Herrschaftsgebiet eines Schamchals), der zweite wirkte hauptsachlich in Dagestan und der Dritte hatte Einfluss auch auf die Dscharo-Belakansker sogenannten freien Vereinigungen (,,Dschamaaty“). 1711 fielen die Truppen des Hodscha Dawud in das Khanat Kuba ein, belagerten und eroberten die Festung Chudat, die Residenz der ausgelieferten Safawidischen Regierung von Sultan Achmed-Khan von Kuba, wobei der Khan selbst getotet wurde. 1712 zogen SurchajKhan von Kasi-Kumych und Hodscha Dawud nach Schemacha und eroberten es m it Hilfe der ortlichen Sunniten. Schweres Leid wurde dabei dem schiitischen Adel und den dort befindlichen russischen Kaufleuten zugefijgt (letzteren wahrscheinlich durch Aufhetzung seitens der osmanischen Regierung).165 Gleichzeitig nahmen Ali-Sultan Ilisujskij und die DscharoBelikanzy die Gebiete Scheki, Kabala, Kasach, Segam und Schamchor bis zur Umgebung von Gjandscha ein. 1717 nahmen die aser­ baidschanischen Nomadenstamme der Muganer Steppe den vom Safawidischen Schah gesandten Herrscher (Khan) nicht an und wahlten an seiner statt einen Fiihrer aus den eigenen Reihen. Die Aufstande nahmen so bedrohliche AusmaBe an, dass der Schah zu ihrer Niederschlagung groBe Truppenverbande entsandte, denen es gelang, Schemacha einzunehmen. Surchaj-Khan und Hadschi Dawud fuhrten den Krieg in den Bergen weiter fort und bedrohten Schemacha, bis sie 1719 besiegt wurden. Hodscha Dawud wurde ergriffen und in Derbent gefangen gesetzt.166 Einer der Griinde fiir die Niederlage war, dass der sunnitische Fanatismus der Anffihrer der Bewegungen die Aserbaidschaner abstieB, die mehrheitlich (auBer in den Gebieten Scheki, Schemacha und Kuba) Schiiten blieben. Die Hilflosigkeit der Schah-Regierung unter Hussein-Schah war so groB, dass sie zu Beginn des Aufstands der Afghanen in Persien Hodscha Dawud aus der Gefangenschaft entiieB und den Khanen von Dagestan groBe Subventionen gab in dem Versuch, sich nun im Kampf gegen die Afghanen au f diese zu stiitzen. Unter Ausnutzug dieses Umstandes erklarten Hodscha Dawud, Surchaj-Khan und andere Khane von Dagestan dem Schah und dem Schiismus erneut den Krieg. Sie nahmen die Stadt Schabiran ein, eroberten Schemacha, veranstalteten dort ein Massenblutbad unter dem schiitischen Adel und dem Kaufmannsstand, unternahmen einen Feldzug nach SudAserbaidschan und nahmen die Stadt Ardabil ein. Gegen 1722 war Schirwan fast ganzlich von den Aufstandischen besetzt. Das Osmanische Reich, das an der Schwachung Persiens interessiert war, untersttitzte nach Kraften die Khane von Dagestan und Hadschi Dawud. 1723 marschierten die Truppen des Osmanischen Reiches nach Georgien und danach nach Nord-Aserbaidschan. Diese Ereignisse veranlassten die russische Regierung, sich in die kaukasischen Angelegenheiten einzumischen: Eine Militarexpansion isutschenija Aserbaidschana“, №8, Ausg. 4, Baku, 1929), S. 12 (Nachfolgend als „Schumal A. Wolynskogo“ bezeichnet). l64Collection..., t.II, p. 206. I65E s wurden - nach einer Reihe von Hinweisen - bis zu 300 russische Kaufleute ermordet, denen Waren im Wert von 400 Tuman (4 Millionen Rubel Silber). damals ein riesiger Betrag, geraubt wurden. Die Hinweise iiber die Kaufleute kamen aller Wahrscheinlichkeit nach von osmanischen Spionen. '“’Vgl.: Butkow P.G.: Materialy dlja nowoj istorii Kawkasa s 1722 po 1803 godu (Materialien fiir eine neue Geschichte des Kaukasus von 1722 bis 1803). Teil I. St. Petersburg., 1869, S. 3; Collection..., Bd. П, S. 214 ff. 106 107 des Osmanischen Reiches in die transkaukasischen Lander und eine Besetzung der kaspischen Hafen durch das Osmanische R eich wiirde der weiteren Entwicklung der Handelsbeziehungen zwischen Aserbaidschan und Russland groBen Schaden zufiigen. Z u A nfang des 18. Jahrhunderts wurden aus Aserbaidschan und im Transit iiber Aser­ baidschan Seiden-, Woll- und Baumwollstoffe, Teppiche, Schals, bearbeitete Schaffelle, Fayencegeschirr, Rohseide, Baumwolle, Saffian167, Tabak, Reis, Trockenfriichte und Kaffee nach Russland ausgefiihrt. Von Russland wurden nach Aserbaidschan eingefiihrt: hollandische, englische und russische Tuche, gefarbte Leinwand, Stoffe16*, Spitze, Nadeln, Schreibpapier, Glas, Felle und selbst Waren, deren Ausfuhr aus Russland verboten war: Stahl, M etalleinfassungen fur Heiligenbilder aus Buntmetallen, Honig, Zinn, Schweinefleisch u.a. Peter I. nutzte als Vorwand fur die Bewegungen der russischen Truppen in den Kaukasus den Tod der russischen Kaufleute, die in Schemacha ermordet worden waren, sowie den Schutz der Christen im Kaukasus.169 Aber das eigentliche Ausrticken konnte erst 1722 nach Beendigung des Krieges mit Schweden beginnen. Tatkraftige Unterstiitzung fur die russische Offensive bekam der Zar von W achtang VI. von Kartli und den Christen (Albanern und Armeniem, insbesondere dem Kaufmannsstand), die in Karabach, Sangesur und Nachitschewan lebten. 1722 erhoben sie sich unter dem Anfuhrer Dawid-Bek zunachst gegen Persien, danach (ab 1724) gegen das eindringende Osmanische Reich bis 1730, als dieser Aufstand, der 12 Jahre gedauert hatte, von den osmanischen Tmppen niedergeschlagen w urde.170 Die russischen Truppen kamen zu der Zeit in die Transkaspischen Gebiete, als auBerhalb Persiens der Krieg der Schah-Regierung gegen die aufstandischen Kurden und Afghanen tobte. Der Anfuhrer der l67Saffian - feines, weiches, gewohnlich farbig mit Pflanzen gegerbtes Leder aus Hammel- und Schaffell. Wird fur den Bezug von Mobeln, fur Schuhe und Galanteriewaren u.a. verwendet lftSS to f f - dekoratives, glattgestrichenes Tuch mit komplizierter Stoffzeichnung. Der Hauptgrund fur die Expansion Peters war jedoch die Seide - seinerzeit die wichtigste strategische Ware aufgrund ihrer sanitaren Funktion: es gab damals kein besseres Mittel gegen Flohe und Lause, die Seidenbekleidung nicht ,,ausstehen“ konnten. l70Vgl.: David-beg. - Collection..., t. II, p. 221-254 108 aufstandischen Afghanen, Mahmud, die Unordnung in Persien ausnutzend, nahm im Herbst 1722 nach siebenmonatiger Belagerung die safawidische Hauptstadt Isfahan ein, sturzte Schah Hussein Safawid vom Thron, setzte ihn gefangen und erstieg selbst den SchahThron. Deshalb hielt es Peter I. ftir notwendig, mitzuteilen, dass Russland nach der Okkupation des Transkaspischen Gebiets nicht Krieg gegen Persien fiihren wiirde, sondern nur „die Aufstandischen bestrafen“ (Hadschi Daud und Surchaj-Khan von Kasikum) und den ,,rechtmaBigen“ Anwarter auf den Schah-Thron Tachmasp II. unter­ stutzen wolle, den Sohn des von den Afghanen abgesetzten und gefangen gehaltenen Schah Hussein. Im Herbst 1722 besetzten russische Truppen Derbent und im Sommer 1723 Baku. Am 12. September 1723 wurde zwischen Russ­ land und dem Botschafter von Tachmasp II., der in den transkaspi­ schen Gebieten von Ismail-Bek gefangen gehalten wurde, das Petersburger Abkommen geschlossen, nach dem Russland Tachmasp II. seine Unterstiitzung im K am pf gegen die Afghanen zusagte, wofiir es im Gegenzug den Kiistengiirtel Dagestans und Nord-Aserbaidschans, sowie Giljan und Masanderan erhalten sollte, d.h. die gesamte West- und Sudkuste des Kaspischen Meeres. Jedoch anerkannte der wankelmiitige Tachmasp II. unter dem Druck einflussreicher Hoflinge und einer turkischen Lobby das Petersburger Abkommen nicht an. Danach zogerte Peter I. mit weiteren Kriegs­ handlungen und die Tiirkei, von Frankreich unterstiitzt, entsandte Truppen nach Georgien und in das nordaserbaidschanische Gebiet. 1723-1728 leisteten die Meliks von Karabach unter Dawid-bek den Truppen von Tachmasp II. den starksten Widerstand. In einer Reihe von erbitterten Kampfen schlugen sie die Verbande des Schahs und erklarten daruber hinaus das gesamte Gebiet der Meliktiimer von Karabach zum autonomen Furstentum. Tachmasp II. ernannte voriibergehend Dawid-bek zum Fiirsten und verlieh ihm das Miinzrecht. Aber 1728 zerstorten Truppen des osmanischen Sultans das Meliktum von Dawid-bek. 1724 wurde unter Einflussnahme der franzosischen Regierung zwischen Russland und dem Osmanischen Reich der Friede von Konstantinopel geschlossen, nach dem das Osmanische Reich die Herrschaft Russlands iiber alle im Petersburger Abkommen 1723 aufgefiihrten Gebiete anerkannte. Gleichzeitig wurden nach dem 109 Abkommen die restlichen Teile von Nord-Aserbaidschan, O stgeorgien und groBe Teile Persiens an das Osmanische Reich abgetreten. Die Anerkennung von Tachmasp II. als Schah des Safawiden-Staates durch beide Machte wurde von der Erfiillung durch ihn der Bedingungen des Vertrages von Konstantinopel 1724 abhangig gemacht. Die formal Vasallen des Osmanischen Reiches gewordenen Surchaj-Khan von Kasi-Kumuch und Hodscha Dawud, der vom Osmanischen Reich in den Rang des Khans von Schirwan erhoben worden war, veriibten Einfalle in das an Russland iibergegangene Territorium. Durch die Uberwindung der Zentrifugalkrafte im Safawiden-Staat und die Bestatigung seiner Staatlichkeit in den 30-er Jahren des 18. Jahrhunderts durch Nadir-Schach gelang es letzterem dem Osmanischen Reich eine Reihe von Niederlagen zuzufugen und erneut auch das gesamte Safawidische Reich einschlieBlich des Gebietes von Nord-Aserbaidschan zu beherrschen. Gegen Ende der 20er Jahre des 18. Jahrhunderts profilierte sich Heerfuhrer N adir171 aus einer Sippe der Kysylbasch, eines Nomadenstammes der Afscharen abstammend, im Safawidischen Reich durch herausragende militarische Erfolge. Unter seiner Leitung wurden die Afghanen aus dem Land vertrieben und die Osmanen erlitten zahlreiche Niederlagen. 1730 wurden die osmanischen Truppen aus dem gesamten Siidaserbaidschan ver­ trieben. Russland hatte es nun mit dem erstarkten Safawiden-Staat zu tun. Gleichzeitig verschlechterten sich die Beziehungen Russlands 171 Dies schrieb iiber ihn der bekannte kasachische Denker und Historiker Schakarim Kudajberdiew: “Wahrend der Regierungszeit von As-Tauke. als die Kasachen am Amu-Darja lebten, brachte der tiirkische Stamm Aschkol (Afschar), der frtiher den Persern unterstellt war, aus seinen Reihen einen starken Mann namens Nadirschah hervor, der ganz Persien zu erobem wusste. Aus Angst vor ihm ziehen die Kasachen erneut weiter, nun bereits zu den Ufern des Syr-Darja“. Vgl.: Schakarim Kudajberdiew. Rodoslownaja (Stammbaum). In: Kasachi (Die Kasachen), Band 3. Genealogija. Redakzionno-isdatelski zentr ,,IDK-TIPO“, Almaty 1998, S. 210. Uber die Art der „Srednego schusa kanly“: (Kanly (Kangly) - bedeutet „arba". d.h.. wer einen Arba fahrt. Die friihere Bezeichnung ,,enli“ bedeutet Abkommlinge aus einem Zw eig der Uiguren. Sie waren ein starkes und kluges Geschlecht. Die osmanischen Tiirken in Stambul sind ebenfalls Nachfahren der Kanly" Vgl.: a.a.O., S. 224. Viele dieser interessanten Angaben von Kudajberdiew halten der Kritik auf der Grundlage zeitgenossischer historischer Daten nicht stand. 110 zum Osmanischen Reich. Die Regierung von Zarin Anna (1693-1740, Zarin ab 1730), die sich ein Militarbundnis mit dem Safawiden-Staat gegen das Osmanische Reich sichem wollte, verzichtete zugunsten des Safawiden-Staates auf Giljan und Masanderan (1732), und gemaB dem Vertrag von Gjandscha 1735 trat man dem Safawiden-Staat die Herrschaft iiber Nord-Aserbaidschan und Dagestan ab mit der Bedingung, dass der Safawiden-Staat das Militarbundnis mit Russland aufrecht erhalten und nicht einen Separatfrieden mit dem Osmanischen Reich schlieBen wiirde. Wahrend dessen nahm N adir 1734 Schemacha ein, besiegte in Dagestan Suraj-Khan von Kasi-Kumych, den er auch in die Flucht schlug, der in Schirwan seit 1728 als Statthalter des Osmanischen Reiches geherrscht hatte, unterw arf einen Teil Dagestans und eroberte 1735 Gjandscha. Der Vertrag von Gjandscha desselben (1735) Jahres verletzte Nadir: 1736 schlossen Bevollmachtigte Nadirs in Erzurum einen Vertrag mit dem Osmanischen Reich, das dem Reich NadirSchahs (dieser Staat entstand an der Stelle des Safawiden-Staates nach Gurultaj 1736) alle Gebiete zuriickgab, die gemaB dem Vertrag von 1724 an ihn gefallen waren. Der gesamte ostliche Transkaukasus und ein Teil Ostgeorgiens fielen erneut unter die Herrschaft Persiens. Noch im Jahre 1732 setzte Nadir den Safawidischen Schah Tachmasp II. zugunsten seines Sohnes Abbas III. vom Thron ab. Nach dem Ende des siegreichen Krieges gegen das Osmanische Reich beschloss Nadir den Titel Schah anzunehmen, nachdem er sich cine „VolkswahT geschaffen hatte. Im Marz 1736 berief Nadir auf dem Territorium von Nord-Aserbaidschan, in der Muganer Steppe, in der Nahe des Zusammenflusses von Kura und Araxes, einen Gurultaj (Versammlung) des feudalen Adels, der moslemischen Geistlichkeit, sowie von Altesten der Stadte und sogar einigen Vorstehern von Stadtvierteln und Dorfern, insgesamt iiber 20.000 Menschen aus dem gesamten Staat und seinen Untergebieten, darunter auch der nordaserbaidschanischen Territorien. A uf diesen Kurultaj wurde auch der Etschmiadsiner Patriarch-Katholikos Abraam Kretazi eingeladen, der eine farbenreiche Schilderung des Kurultajs gibt. Die Versammelten wurden in Gruppen eingeteilt, damit sich die Vertreter jedes Gebietes zusammen versammeln konnten. Danach wurde ihnen der „Erlass des groBen Khans“ (Nadirs) offenbart: Nadir gab vor, dass er selbst „iiberanstrengt und miide geworden sei und nicht mehr weiter in Krieg fuhren kann“ und forderte die Versammelten auf, aus ihrer Mitte einen zuverlassigen Schah zu wahlen. Die Teilnehm er dieses von Nadir gut vorbereiteten Gurultaj, die teils mit Geschenken gekauft und teils mit ihren friiheren ,,Sunden“ eingeschiichtert w orden waren und einander nicht trauten, beschlossen keinen anderen zum Kandidaten zu bestimmen als Nasir, der an der Versammlung nicht direkt teilnahm. Mit dem gefassten Beschluss erschienen die M itglieder des Gurultajs auch zur festgesetzten Zeit „und sogar friiher, aus Angst sich zu verspaten“ in Nadirs Hauptquartier. Letzterer lie/3 sich, die Komodie der angeblichen W eigerung zu Ende spielend, schlieBlich bewegen und erklarte sich zur Ubemahme des Schah-Throns bereit. Dabei verpflichteten sich die Teilnehmer des Gurultajs zu Folgendem: zur Zustim mung zu einer Union von Schiiten und Sunniten zur Versohnung mit den Sunniten; zur Schaffung einer neuen Kompromiss-Staatsreligion; den neuen Schah von jeder feindseligen Handlung oder Verschworung gegen ihn zu unterrichten; Nadir nicht daran zu hindem , seine Gegner hinzurichten u.a.172 1736 wurde Nadir als Schah eingesetzt. Die Dynastie der Safawiden wurde abgesetzt und an ihrer Stelle wurde die Afscharen-Dynastie bestatigt. Zum Oberbefehlshaber (Sipachsalar) im Transkaukasus wurde NadirSchahs Bruder Ibrahim-Khan ernannt. Die Beliebtheit Nadirs im Staat erklarte sich aus seinen Erfolgen bei der Befreiung des Landes von der Besetzung durch die Afghanen und der Osmanen. A uf die breite Unterstiitzung eines Befreiungskrieges unter Leitung Nadirs durch die Bevolkerung des Landes weist der Zeitgenosse Nadirs, Scheich Muhammed-AIi-Chasin in seiner Autobiographie hin. In Bezug auf Nord-Aserbaidschan und den restlichen Transkaukasus, auf Kurdistan, Afghanistan. Turkmenistan und die usbekischen Khanate erwies sich Nadir als auBerst unersattlicher, grausamer Eroberer. Die Wiederherstellung der Herrschaft des Imperiums im Transkaukasus unter Nadir-Schah (1736-1747) erwies sich, trotz des militarischen Talents des neuen Schahs, als nicht dauerhaft. Nadir musste wiederholt Aufstande in Nord-Aserbaidschan und Dagestan niederschlagen. 1738 erhoben sich erfolgreich die Dscharo-Belakanl72Mon histoire et celle de Nadir, ehah de Perse, par Abraham de Crete, catholicos. - Collection..., v. II, p. 280ff. 112 sker freien Vereinigungen, die „Dschamaaty" (bereits im 16. Jahr­ hundert im Nordwesten von Nord-Aserbaidschan gegriindet). Im K am pf mit den Dschamaaten wurde die persische Armee in der Schlacht bei Kach im Herbst 1738 vemichtend geschlagen. Dabei fiel auch der Oberbefehlshaber im Transkaukasus selbst, Ibrahim-Khan, der Bruder Nadir Schahs.173 Von den Aufstanden in Nord-Aserbaidschan und anderen Teilen des Landes muss ein Aufstand 1738 und ein besonders groBer im Jahre 1743 erwahnt werden. Eine direkte Voraussetzung fiir die Aufstande 1743 war paradoxerweise mit der reichen Kriegsbeute Nadir Schahs nach dem erfolgreichen Indienfeldzug (1738) verbunden. Der Schah befreite nach dem Indienfeldzug alle Untertanen drei Jahre lang von der Zahlung von Abgaben, schaffte aber danach selbst dieses Privileg wieder ab, und 1743 wurde mit der Eintreibung der Abgaben fur die vergangenen drei Jahre begonnen. AuBerdem wurde der Umfang der Abgaben drastisch erhoht. Die Eintreibung der Abgaben bei nicht zahlungswilligen Schuldnem war von Misshandlungen und Folterungen, dem Abschneiden von Nase und Ohren und dem Ausstechen der Augen u.a. begleitet. Das Ergebnis waren Auf­ stande in diversen Teilen von Persien 1743. Im Herbst 1743 brach ein Aufstand in Schirwan aus. Nach den Worten von Muhammed-Kasim beteiligten sich an diesem Aufstand, den der ortliche Adel initiiert hatte, bereitwillig „das einfache Volk und der РбЬеГ.174 Die Aufstandischen nahmen die Stadt Schabiran ein, danach Ak-su, die von Nadir-Schah gegriindete neue Hauptstadt Schirwans. Den Aufstandischen schloss sich auch der Teil der Kysylbasch-Truppen an, der aus aserbaidschanischen Nomadenstammen (Muganly - Bewohner der Muganer Steppe) bestand. Die Aufstandischen wurden jedoch in der Schlacht bei Bagischach geschlagen, die Stadt Ak-su wurde von den Truppen des Schahs ’Muhammed-Kasim (in anderen Quellen Muhammed-Ali Chasin genannt - I. R.). Tarich-i alem araj-i Nadiri. - Institut fur Ostwissenschaft der Akademie der Wissenschaften der UdSSR, Handschriftenabteilung, дело 430 (in persiseher Sprache), Bd. 2, Blatt 6-a ff, Blatt 173z-1786 (nachfolgend genannt Muhammed-Kasim, Bd., Blatt); Scheich Muhammed-Ali Chasin in: Mirsa Muhammed Mechdi-Khan Asterabadskij. Tarich-i Naridi. Teheran, 1846, S. 167, 251-252 (Institut fur Ostwissenschaft der Akademie der Wissenschaften der UdSSR). l74Muhammed-Kasim, Bd. 3, Blatt 130a. 113 zuriickerobert und ausgepltindert. Der Aufstand in Schirw an w u rd e vom Statthalter des Schahs, M uhammed-Ali-Khan m it auB erordentlicher Harte niedergeschlagen.175 Im gleichen Jahr gab es auch in Siid-Aserbaidschan A ufstande, die ebenfalls von den Truppen des Schahs niedergeschlagen w u rd en .176 1744 wurde durch die Truppen des Schahs mit Unterstiitzung der georgischen Freunde, Tejmuras von Kartli und seinem Sohn Iraklij von Kachetien im Transkaukasus die gefahrliche Bew egung des selbstemannten Safi-Mirsa, eines angeblichen Sohnes von Schah Hussein, niedergeschlagen. In der Landwehr Safi-M irsas w aren viele gewohnliche Aserbaidschaner und Georgier, die besonders unzufrieden mit den Abgaben ftir den Schah waren. Im gleichen Jahr kam Nadir Schah in den Transkaukasus und pliinderte und verwtistete Nord-Aserbaidschan und Dagestan noch einmal. Bei diesem Uberfall belagerte Nadir Schah erfolglos die Festung „Gelersen ve gorersen“, in der die Aufstandischen des Kreises Scheki mit ihrem Anfuhrer (Hadschi Tscheljabi-Effendi), einem Abkommling der alten ortlichen Khandynastie, U nterschlupf gefunden hatten. 1744 war in Nord-Aserbaidschan ein Jahr schrecklichen Zerfalls. Der Transit- und der Binnenhandel sanken praktisch a u f Null, die Stadte leerten sich. Schemacha, das in der ersten Halfte des 17. Jahrhunderts bis zu 50.000 Einwohner hatte, war nun fast menschenleer. Aber am meisten litt die landliche Bevolkerung. Und mit den folgenden Strichen skizziert Abraam Kretazi 1736 das Leben eines nordaserbaidschanischen Dorfes: “ Ich kam im tatarischen (d.h. aserbaidschanischen - J.R.) D orf Chynzorek (Chynsyrak) an, das Kurtschi-Bek Pisianskij gehort, gelegen zwischen groBen, sehr hohen Felsenbergen... in schwindelnder Hohe waren in die Felsen Grotten oder Hohlen gegraben, in denen die Familien wohnten, die sich dort niedergelassen hatten.... mittels Ledergiirteln kamen sie herab und gingen sie hinauf; die Frauen hielten ihre Kinder auf den Riicken gebunden, und dort hatten sie auch GefaBe mit Wasser und andere notige Dinge. Nach oben gingen sie auf die gleiche Weise: der Giirtel wurde mit einem Seil hochgezogen, so dass kein Auslander Zugang zu ihnen hatte. Ihre Hauser (in den Orten im Tal - J.R.) waren von den 175A.a.O., Band 3, Blatt 100a-1046. l76A.a.O., Bd. 3, Blatt 130a. 114 Osmanen und von Raubern, von Kurden und Karatschorlu zersto rt..."177 Von alien Einwohnern dieses Dorfes blieb nur ein Drittel unverletzt. 1747 starb N adir Schah nach einem Putsch am Hof. In Chorosan und im gesamten Transkaukasus und in NordAserbaidschan begann eine neue historische Epoche. l77„Collection...“, T. 11, S. 315. 115 7. Die Russisch-Persischen Kriege um den Sudkaukasus und die Rolle des Khanats Karabach bei der E n tw ick­ lung der aserbaidschanischen Staatlichkeit „Nur wenige Gltickliche sind zufrieden u n d glucklich mit dem, was sie haben. “ B ogom olow A. S. Wahrend der (aserbaidschanischen) K ysylbasch-D ynastie der 178 Safawiden (1501-1736) waren die aserbaidschanischen G ebiete in vier Beyliks aufgeteilt: Schirwan, Karabach oder Gjandscha (Ganca), Tschuchursaad oder Eriwan, Aserbaidschan oder T a b ris.179 Die Regenten der Beyliks waren die Statthalter des Safawidischen Schahs. Unter der Schachwerdendynastie (ab 1737) trugen die R egenten der Beyliks den Titel ,,Khan“ . Nach dem gewaltsamen Tod (1747) von Schah Nadir Afschar180 und der nachfolgenden Schwachung der Zentralmacht im Staat entstanden a u f aserbaidschanischem Gebiet 20 Khanate und andere halbautonomen Gebilde. Zum Beylik Gjandscha (Ganca)-Karabach gehorte ein groBes Gebiet zwischen den Fliissen Kura und Araxes, auf dem sich viele Ortschaften befanden - die Festungen: Kasach, Schamschadil, Lori, Pumbak u.a. In der zweiten Halfte des 18. Jahrhunderts gab es in den aser­ baidschanischen Territorien folgende Staatsgebilde. Am Nordhang der Hauptkette des Kaukasus waren weiterhin die Khanate Kuba und Derbent (1765 vereinigt). A uf der Halbinsel Apscheron entstand das ntiDer Begriinder der Dynastie der Schahs der Safawiden (1502-1736) war Ismail I., der Nachfahr des Griinders des sufitischen Derwischordens der Sefewie, nach der die Dynastie genannt ist. Ismail I. griindete im Verlauf des erfolgreichen Aufstandes gegen den Staat der Tiirken-Oghusen Ak-Kojunlu den Staat der Safawiden. Die wichtigsten Vertreter der Dynastie: Ismail 1 (1502-1524), Tachmasp I. (1524-1576) und Abbas 1. (1587-1629). l7,Vgl.: Rachmann A.A. Aserbajdschan w konze ХУ1 i w Х У 11 weke (15901700 gody) (Aserbaidschan Ende des 16. und im 17. Jahrhundert (15901700), Baku 1981, S. 87-89. Beyliks sind autonome Staatsgebilde, die von Beys (Fiirsten) regiert werden. l80Schah Nadir Afschar (1688-1747), Iranischer Schah seit 1736. Kam an die Macht nach dem Ende des von ihm angefuhrten Kampfes zur Vertreibung der Afghaner und Osmanen aus dem Iran. Eroberte groBe Gebiete in Iran. Zentralasien und im Transkaukasus. 116 kleine schwache Khanat Baku. Im Gebiet von Schemacha bildete sich erneut das Khanat Schirwan. Die westlichen Nachbam von Schirwan waren die kleinen Sultanate Kutkaschen und Aresch. Im Bereich der Stadt Scheki (oder Nucha) hatte sich ein Nachkomme der alten ortlichen Khandynastie, Hadschi Tscheljabi, schon unter Nadir-Schah Afschar erhoben und sich in der Festung „Gelersen ve gorersen“ verschanzt und sich 1749, nachdem er den ortlichen Melik, einen Verbtindeten der Zentralmacht, beseitigt hatte, zum Khan von Scheki ausgerufen. W eiter westlich lag das Sultanat Elisujskoe und die Union der sechs sogenannten Dscharo-Belakansker freien Vereinigungen (Dschamaaty). Siidlich der Kura lag das Khanat Gjandscha mit der Khan-Dynastie der Sijad-oglu vom aserbaidschanischen Nomadenstamm der Kadscharen sowie das Khanat Karabach. Im Marz 1803 zogen russische Truppen, angefuhrt von Generalmajor Guljakow nach Dscharo-Belokany. Ziel des Feldzuges war die “ Bandigung“ der Vereinigungen, deren Bevolkerung hautlg rauberische Einfalle nach Kachetien veriibten. Am 15. Januar 1804 wurde Guljakow bei der Verfolgung der dscharo-belokansker Einheiten getotet und seine Truppen zogen sich zuriick. Aber auch die Dscharobelokaner erlitten so schwere Verluste, dass sie unverziiglich einen Unterhandler zu Fiirst Orbeliani, dem Nachfolger Guljakows, schicktcn. Am 3. April 1804 kamen Delegierte der Dscharo-Belokanskie nach Tiflis, die Russland ewigen Gehorsam versprachen und eine jahrliche Abgabe in Form von 220 Pfund Seide. Endgultig wurden diese Dschamaaty 1830 an das russische Imperium angeschlossen, zunachst als Militarbezirk des Tiflisser Gouvemements, der spater in Sakatalskij okrug umbenannt wurde. Das Khanat Karabach wurde in dieser Zeit eines der politisch bedeutendsten und flachenmaBig groBten Khanate Aserbaidschans. Der Griinder des Khanats Karabach war Panah A li-bek Dschewanschir, ein Oberhaupt in Erbfolge des aserbaidschanischen Nomadenstamms Dschewanschirs (1747-1763) - einer der herausragendsten Staatsmanner des aserbaidschanischen Volkes im 18. Jahrhundert.181 m Vgl.: Petruschewskij I. R. Aserbaidschanskie khanstwa i wosniknowenie russkoj orientaziju. (Die Khanate Aserbaidschans und das Entstehen der Orientierung nach Russland) Mitteilungen der Akademie der Wissenschaften Aserbaidschans. Gesellschaftswissenschaften. Ausgabe 11. 1946, 5, S. 100. 117 Ein GroBteil der Bevolkerung des Khanats bestand aus a se rb a id sc h a ­ nischen Stammen Dschewanschirs, Kjabirli u.a. In den g e b irg ig en Teilen Karabachs entstanden, wie bereits erwahnt, ffinf M eliktixm er: Chatschen, Waranda, Talisch oder Giilistan, Disak und D scharabert. Regiert wurden sie von M eliks albanischer (kursiv-J.R.) A b sta m ­ m ung.'82 Diese Meliks kamen nach den inneren U nm hen und d e r gewaltsamen Einmischung von Panah Ali-Khan in die U nion m it dem Melik von Waranda in die vollige Abhangigkeit des K hanes von Karabach und fuhrten offiziell keine autonome Politik aufierhalb d er Meliktiimer. Einige Meliks suchten immer w ieder die U nabhangigkeit zu erlangen, und Panah Ali-Khan versetzte w ahrend seiner ,,erzieherischen“ Feldziige diese widerspenstigen M eliks in den Ausgangszustand. Zum Khanat Karabach gehorten auch die aser­ baidschanischen Nomadenstamme der M ilsker und der K arabacher Steppe und ein GroBteil von Sangesur. Panah Ali-Khan fiihrte bis zu 20.000 bewaffnete Kampfer vor und erkannte nom inal sogar die oberste Macht der Kadscharen nicht an. Zwischen der Sangesur-Kette und dem Fluss Araxes lag das Khanat Nachitschewan, mit einer Khandynastie aus Nachfahren der Fiihrer des aserbaidschanischen Halbnomadenstammes der Kengerli.183 In der Muganer Steppe lagen das Sultanat Rudbar und das Gebiet Saljan'84, zum Khanat Kuba gehorend. Siidlich der Kuramiindung lag das Khanat Talysch mit seinem Zentrum in Lengerkunan (jetzt Lenkoran). In der zweiten Halfte des 18. Jahrhunderts verstarkte sich der Einfluss von Ostgeorgien, eines Verbiindeten Russlands. Im Nord-ostlichen Teil Aserbaidschans erstarkte das Khanat Kuba. In der Reihe der iibrigen Khane Aserbaidschans profilierte sich neben Panah Ali-Khan von Karabach die Figur von Fath Ali-Khan (sprich: Fatali) von Kuba (1758-1789). Ein entschiedener Verbiindeter der Union mit l82Vgl.: loannisjan A. R. Rossija i armjanskoe oswoboditelnoe dwischenie w 80ch godach XVIII stoletiju. (Russland und die armenische Befreiungsbewegung in den 80er Jahre des 18. Jahrhunderts) Eriwan 1947, S. 16. 1 Den letzten Khan von Nachitschewan erwahnt zustimmend A. Solschenyzin in „Rasmyschlenija nad Fewralskoj rewoljuziej“ (Gedanken zur Februarrevolution) in „Rossijskaja gaseta“, 27.2.2007, S. 9. l84Bei Saljan befand sich an der Kura-Mundung und war beriihmt flir sein Fischund Meereshandwerk. Dieses Handwerk war besonders niitzlich im Frtihjahr. wenn der gratenlose Fisch die Kura und den Araxes hinaufschwamm. 118 Russland und Ostgeorgien, konnte Fath Ali-Khan unter seiner Herrschaft den ostlichen Teil Aserbaidschans vereinigen. Das Khanat Kuba, das im letzten Viertel des 17. Jahrhunderts entstanden war, war nicht groB. Das Heer von Kuba und Saljan umfasste nur 860 M enschen.185 Im Khanat Kuba (ohne Saljan) wurden Mitte des 18. Jahrhunderts etwas iiber 100 Ortschaften mit 30.000 Einwohnem gezahlt. Fath Ali-Khan (1758 - 1789) schloss das Khanat Derbent an (1765) und unterwarf das Khanat Baku.186 1767 eroberte er im Bundnis mit Hussein-Khan von Scheki das Khanat Schirwan. Erfolg war Fath Ali-Khan nicht beschieden. Gegen ihn bildete sich ein Bundnis aserbaidschanischer und dagestaner Khane, die durch das Erstarken seiner Herrschaft eingeschiichtert waren. Sie schlugen Fath Ali-Khan in der Schlacht au f dem Gawduschaer Feld (1774) und vertrieben ihn aus dem Khanat; nur mit Hilfe mssischer Truppen (unter dem Oberbefehl von General M edem )187, die von Katharina II. entsandt worden waren, konnte er seine Herrschaftsgebiete wieder zuriickerobem (1775). Gegen Ende der 80er Jahre des 18. Jahrhunderts erobert Fatali-Khan die Kiiste des Kaspischen Meeres von Derbant bis Ardebil188; der Einfluss des Khanats Kuba erstreckte ,S5„Taskirat-al-muluk: anonyme Gedenkschrift iiber die Administration des Safawidischen Irans, zusammengestellt um 1725“. Hrsg. W. Minorskij, Cambridge, 1943, Blatt 113a (persischer Text), S. 102 (englischer Text). I86„ 1765 nahm ich die Stadt Derbant ein und fugte noch das Khanat zu mcinem Besitztum hinzu, dann eroberte ich Schamacha, legte dem Khan von Baku Abgaben auf und so brachte ich fast ganz Schirwan in meinc Abhangigkeit, wobci ich die Wirren ausnutzte, die in Persien nach dem Tod von Schah Nadir aufbrachen". Vgl.: „Noweischie geografitscheskie i istoritscheskie iswestija о Kawkase" (Neueste geographische und historischc Nachrichtcn iiber den Kaukasus), zusammengestellt und erganzt von S. Bronewskij. St. Petersburg 1823, S. 377-378. IH/Zum Grafen- und Baronsgeschlecht Medemow Vgl.: Enziklopeditscheskij slowar. (Enzyklopadisches Worterbuch) Hrsg. F.A. Brockhaus und I. A. Efron, St. Petersburg, 1897 Bd. 21. lxf<Ardebil (Erdebil) ist eine Stadt im nordostlichen Teil der persischen Provinz Aserbajdschan am Fluss Karasu. Wurde bekannter, als es Residcnz des Prinzen Abbas Mirsa war. Damals wurde die Stadt unter Leitung des franzosischen Generals Gardann nach europaischen Normen befestigt und zum Bollwerk im Kampf gegen die Russen gemacht. Im Russisch-Persischen Krieg 1826-1828 wurde die Stadt von den Russen eingenommen, aber im Frieden von Turkmentschai wieder an Persien zuruckgegeben. Die einzigartige Bibliothek von Ardebil wurde, genau wie auch viele Kulturdenkmaler (Vasen u.a.) nach Petersburg gebracht. Vgl.: auch Nestor, 119 sich au f einen Teil Dagestans, Giljans und sogar Tabris. Jed o ch hatte die Erweiterung des Khanats K uba keine feste G rundlage in der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes und konnte sich nicht halten. Nach dem Tod Fatali-Khans nahm die M acht des K hanats K ubaDerbent territorial stark ab, obwohl darin auch ein relativer W irtschaftsaufschwung zu verzeichnen war: 1796 w urden im K hanat Kuba (ohne Derbent, Saljan und die anderen Besitztiimer) bereits 252 Dorfer und bis zu 60.000 Bewohner gezahlt. Die auBenpolitische Orientierung zum Russischen Reich, die Fatali-Khan von K uba und Ibrahim Khalil-Khan von Karabach angenommen hatten, erw ies sich unter diesen Bedingungen als strategisch richtig und trug zur Festigung dieser Khanate und ihrer Entwicklung bei. Im V erlauf des Kampfes um die Starkung der M acht des Khans von Karabach spielten die W ahl der Residenz des K hans und der Hauptstadt des Khanats eine groBe Rolle. Unter Panah A li-K han erhielt zunachst die wieder aufgebaute (1748) Festung Bajat den Status der Residenz. Danach war die Festung Askeran und die Festung Schah-Bulak Residenz. Und schlieBlich wurde die wieder auferbaute Festung (1751) Panahabad, die spater Stadt wurde, H auptstadt von Schuscha. Nach der Rtickeroberung der neuen Hauptstadt begann Panah Ali-Khan die anderen aserbaidschanischen Khanate um sich zu scharen. Das entsprach keinesfalls der regionalen Politik des Staates der Kadscharen, und 1752 fiel der Anwarter au f den Schah-Thron und bekannte Heerfuhrer Muhammed Gasan-Khan K adschar189 in das Khanat Karabach ein. Aber sein Feldzug war nicht erfolgreich, sowohl aufgrund des starken W iderstandes, den er hier antraf, als auch deshalb, weil sich im Staat der K am pf um den Thron verscharft hatte. Gasan-Khan Kadschar lieB das Khanat Karabach in Ruhe und kehrte eilends in die Hauptstadt zuriick. Aber der Friede fiir die Bevolkerung von Karabach hielt nicht lange an, und bereits nach sieben Jahren drang 1759 die 30.000 Mann starke persische Armee unter Fatali-Khan Afschar, eines der bekanntesten Heerfuhrers Nadir-Schahs, in die Gebiete des Khanats Karabach ein. Fatali-Khan gelang die Besetzung aller siidlichen Regionen Nord-Aserbaidschans und einiger Gebiete des Khanats Karabach. Jedoch siegten bei der entscheidenden Schlacht um Schuscha und Umgebung die Streitkrafte von Panah Ali-Khan. Diese Niederlage und der eintretende Winter zwangen Fatali-Khan, mit Panah Ali-Khan einen W affenstillstand zu schlieBen.190 Dieser Feldzug und sein Ausgang demonstrierten alien Khanaten und dem Kadscharenstaat selbst die wachsende Macht und den zunehmenden Einfluss des Khanats Karabach. Panah Ali-Khan gelang selbst im Biindnis mit dem neuen Herrscher von Persien Kerim-Khan Send die Vemichtung seines Feindes Fatali-Khan. Jedoch verbrachte Panah Ali-Khan seine letzten Jahre infolge der Hinterlist des persischen Schahs als Gefangener in Schiras, das in der zweiten Halfte des 18. Jahrhunderts Hauptstadt des Kadscharenstaates geworden war. Er ist in der kleinen Ortschaft Imaret bei der Stadt Agdam begraben. Das Khanat Karabach blieb jedoch ein souveraner autonomer Staat. Unter der Leitung von Ibrahim Khalil-Khan (1763-1806), des Sohnes Panah Ali-Khans, wurde es gegen Ende des 18,-Anfang 19. Jahrhunderts.141 eines der machtigsten aserbaidschanischen Staatsgebilde. Der Transkaukasus spielte in der Zeit der Russisch-Osmanischen Kriege in der zweiten Halfte des 18. Jahrhunderts eine aufierst wichtige Rolle. Deshalb stieBen die Versuche der Kadscharenherrscher192 und der osmanischen Sultane, die territorialen Eroberungen im Transkaukasus zu erneuern, bei der russischen Regierung auf Widerstand. In dieser Lage orientierten sich einige Khane verstarkt nach Russland. Wahrend des Russisch-Osmanischen Krieges 1768-1774 sandte der osmanische Sultan den aserbaidschanischen und dagestanischen Khanen einen 2007, N11 Mironow B.N. Rossija i sapad w XVIII - natschale XX wekow: soziologitscheskie obrasy i istoritscheskaja realnost.“ (Russland und der Westen vom 18.-Anfang 20. Jahrhundert: soziologische Studien und die historische Realitat) l89Die Dynastie der Kadscharen-Schahs herrschte von 1796 bis 1925. Der turkischsprachige Stamm der Kadscharen, dessen Mehrheit Moslems (Schiiten) waren, besiedelte viele Provinzen und Stadte von Aserbaidschan (in Karabach, Urmija, Tabris, Karadag u.a.). l40Vgl.: Mirsa Adugesal-bek. Karabachname. Baku 1950, S. 70. 1‘,i Vgl.: Petruschewskij I. P. Otscherki po istorii feodalnych otnoschenij w Aserbajdschane i Armenii w XVI-X1X wekach. (Studie zur Geschichte der Feudalbeziehungen in Aserbaidschan und Armenien im 17. - 19. Jahrhundert.) Leningrad 1949, S. 137. l4:Der Titel ,,Schahinschah“ erschien spater unter Mohammed Resa Pahlewi. 1934 begann sich Persien nach einem Erlass von Resa-Schah Pahlewi „Schahin-Schah-Staat Iran“ zu nennen. 120 121 B rief und entsandte Spione, um diese zum Aufstand gegen Russland anzustacheln, hatte jedoch keinen Erfolg. Der gleiche M isserfolg w ar dem Versuch des Sultans Abdul-Gamid I.193 auch wahrend des Russisch-Osmanischen Krieges 1787-1791 beschieden. Fatali-Khan von Kuba lehnte nicht nur den Vorschlag des osmanischen Emissars, sich gegen Russland zu wenden und in das Konigreich KartliKachanta Uberzugehen, sondem erwies Iraklij II.194 Hilfe gegen die Osmanen, ersetzte den Firman des Sultans durch die russische Regierung und bat sie, das Khanat Kuba unter den Schutz Russlands zu nehmen. Schon 1783 hatte sich der Khan von Karabach mit einer ahnlichen Bitte an Petersburg gewandt, und Anfang der 90er Jahre, im Zusammenhang mit einem drohenden persischen Angriff, taten dies auch die Khane von Kuba, Baku, Talysch, Schirwan, Scheki und Derbent. Gegen Ende 1794 erstarkte Schah Agamuchammad-Khan (17811797), vom Stamm der K adscharen195 beachtlich und wuchs die potentielle Gefahr eines Angriffs von Stiden fur die aserbaidschani­ schen Khanate. Nachdem er seine Konkurrenten im K am pf um die Beherrschung des Staates uberwunden hatte, stellte er sich als nachste Aufgabe die W iederherstellung der Zentralm acht und in den Khanaten, die sich vom Imperium getrennt hatten. Um 1795 besetzte l93Abdul-Hamid 1.: 27. Sultan, bestieg den Thron zum Zeitpunkt der groBten Schwache des Osmanischen Reiches. Die entfemten Provinzen des Imperiums, Syrien, Agypten u.a. erkannten kaum die Macht des Sultans an. Der russische Heerftihrer Rumjanzew stand mit seinen Truppen an der Donau. Nach dem Frieden von Kutschuk-Kajnardscha vom 21. Juli 1774 erhielt Russland Kabarda, Kertsch, Asow und andere Gebiete, den freien Zugang zum Schwarzen Meer sow ie die Schutzmacht iiber Moldawien und die Walachei. Den Krimtataren wurde die Unabhangigkeit von Osmanischen Reich gegeben, aber 1783 schloss Russland sich die Krim an. Der Krieg von 1787 -1791 endete mit der Vemichtung der osmanischen Flotte und der Einnahme von Otschakow am 17. Dezember 1788, und kaum ein halbes Jahr spater starb der Sultan (7. April 1788). |94Iraklij II. (1720-1798), Konig von Kachetien seit 1744, des Konigreichs Kartli-Kachetien ab 1762, bemiihte sich um Vereinigung der georgischen Besitztiimer, richtete ein stehendes Heer ein und schloss mit Russland 1783 das Abkommen von Georgien. 195Kadscharen: tiirkisch-aserbaidschanische Stamme, die im 18. Jahrhundert im Iran auftauchen und die sich in Karabach und Astrobad ansiedelten. Die Kadscharen von Astrobad (oder Gorgan) waren der Beginn der gleichnamigen Dynastie der persischen Schahs, zu der auch Fath-Ali-Schah gehorte. 122 er alle stidaserbaidschanischen Khanate. Nachdem er auf das linke Ufer des Flusses Araxes (Aras) iibergesetzt hatte, sandte er seinen Bruder Aligulu-Khan mit Truppen gegen Eriwan (Irewan). Als schwieriger erwies sich die Unterwerfung der anderen nordaserbaidschanischen Khanate. Ibrahim-Khan sandte, nachdem er die Forderung Agamahammad-Khans erhalten hatte, er miisse eine Geisel schicken, eine Gesandtschaft nach Russland mit der Bitte um Hilfe und zerstorte, nachdem er eine positive Antwort erhalten hatte, die historische Briicke von Chudafera iiber den Araxes und versammelte 15-20.000 Mann zum Widerstand gegen die Truppen des Schahs. Es wurden Kontakte zur russischen Armee im Nordkaukasus gelegt und Angebote zur Zusammenarbeit unterbreitet. A uf Initiative Ibrahim-Khans entstand eine gegen den KadscharenSchah gerichtete Koalition der Aserbaidschaner (Karabach, Irewan, Talysch). Alle Meliks, auBer dem Medschlum von Tschiljaberd, kampften auf der Seite Ibrahim-Khans. A uf der Grundlage der guten Beziehungen mit dem georgischen Konig Iraklij II. konnte Ibrahim Khalil-Khan auch ihn als Verbundeten im Kam pf gegen Kadschar gewinnen. Als Sondergesandter zu Fragen dieser Verbindung wurde Molla Panah W agif nach Tiflis gesandt.196 Diese Handlungen des Khans von Karabach und der anderen aserbaidschanischen Khane veranlassten den Herrscher Aga Muhammed-Khan zu neuen Drohungen gegen diese Khanate. Die Drohungen zeigten Wirkung, und alle aserbaidschanischen Khane erklarten ihre Unterwerfung unter Persien. N ur der Khan von Karabach war bereit, die Souveranitat und Autonomie seines Khanats durch bewaffneten Kampf zu verteidigen.197 Dieser ,,Ungehorsam“ war fiir den Schah nicht zu tolerieren, und er begann einen Feldzug gegen Karabach. Die erste Offensive schlug der Khan von Karabach 1794 im Bundnis mit dem Konig von KartliKachetien Iraklij II. zuriick.198 A ber ein Jahr spater (1795) unternahm Aga M uhammed-Khan, nachdem er die Briicke von Chudafera hastig l%Vgl.: Mustafa Dsch. M. Sewernye chanstwa Aserbajdschana i Rossii (konez XVIII- natschalo XIX wekow) (D ie nordlichen Khanate von Aserbaidschan und Russland (Ende 18.-Anfang 19. Jahrhundert), Baku 1989, S. 73. 197Vgl.: Potto W. A. Kawkasskaja wojna (Der Kaukasuskrieg). Т. 1, Stawropol 1994, S. 259. l4xDie georgischen Einheiten fuhrte Aleksandr, der Sohn des Zaren Iraklij II., in den Kampf. 123 wieder aufgebaut hatte, den zweiten Versuch der ,,Bandigung“ des Khanats Karabach. Mit einer Arm ee von 85.000 M ann, die von franzosischen Offizieren angefuhrt wurde, bewegte er sich a u f Karabach zu. Schuscha, das von 15.000 Karabachem verteidigt wurde, wurde belagert, konnte aber in der Schlacht, die 33 Tage dauerte, standhalten.199 Nachdem der Schah auf starke Verteidigungsanlagen gestoBen war, beschloss er keine Zeit zu vergeuden und unterbreitete Ibrahim-Khan einen Verhandlungsvorschlag. A ber der Khan zog es vor, den W iderstand fortzusetzen, und diese Entscheidung verschaffte ihm mit der Zeit eine Atempause. Gleichzeitig wurde fast ganz Nord-Aserbaidschan schrecklich verwiistet: die Truppen des Schahs verbannten Dorfer und fiihrten Menschen in die Sklaverei weg. Die Bewohner flohen a u f die Berge und in die W alder. In diesem Jahr wurden die Felder nicht bestellt und im nachsten Jahr konnte man fast kein Getreide emten; die Bauem ernahrten sich von Aas, W urzeln und Eicheln. Die Pest trat auf. Schemacha und Ak-Su wurden verwiistet. Die nordaserbaidschanischen Khane waren gezwungen, sich als Vasallen des Schahs zu sehen. Die beiden auf der Seite von Agamuhammed-Khan stehenden Herrscher, Khan Dschawad von Gjandscha und Melik Meschlum von Tschiljaberd, rieten - um ihren Misserfolg bei der Belagerung von Schuscha zu relativieren - zum A ngriff auf Tiflis. Danach bewegten sich die Truppen von Agamuhammed-Khan nach Ostgeorgien und besetzten am 12. September 1795 Tiflis, raubten die Stadt aus und verwiisteten sie und brannten sie praktisch vollig nieder.200 Im Winter zogen die Schah-Truppen in die M uganer Steppe ab und Iagerten sich dort entlang des Flusses Aras mit dem Ziel, im Friihjahr ihre Kriegshandlungen wieder aufzunehm en.20' Als Agamuhammed-Khan vor Mugan stand und ein Teil seines Heeres Schirwan besetzt hielt, machte Russland bereits (ca. im November 1795) Plane fiir eine militarische Operation, die die folgenden Schritte beinhaltete. Die Kriegshandlungen wurden von drei Seiten erfolgen: 1) die Kaspische Flottille sollte in Richtung Baku und Ktiste von Talysch operieren; 2) die Truppen aus Georgien wurden l9,Vgl.: Potto W. A. Utwerschdenie russkogo wladytschestwa na Kawkase (Die Bestatigung der russischen Herrschaft im Kaukasus). T .l Tiflis 1904, S. 241. 200Vgl.: P.G.Butkow, T. 2, S.336-337. 201 Vgl.: P.G.Butkow, T.2, S. 339-341. 124 nach Gjandscha und Karabach geschickt;202 3) die russischen Haupttruppen sollten von Kisljar aus operieren iiber Derbent und Baku bis zur Miindung von Aras und Kura.203 In der Militaraktion gegen Agamuhammed-Khan deckten sich die Ziele der russischen Regierung mit denen, die bereits 1784, unter Alimurad-Khan formuliert worden waren.204 Ermutigt durch das Nahen der russischen Truppen stimmte der Konig von KartliKachetien, Iraklij II., einem gemeinsamen Vorgehen mit IbrahimKhan von Karabach und der Bestrafung des Dschawad-Khans von Gjandscha und des Meliks M edium von Tschilabert zu: gerade sie waren Wegbereiter fur den verheerenden Feldzug AgamuhammedKhans nach Tiflis gewesen. Nach ihrem Einfall in Gjandscha belagerten ihn die Verbiindeten lange. SchlieBlich ergab sich Dschawad-Khan und es wurde Frieden geschlossen, und Melik M edschlum wurde getotet.205 Im Februar 1796 musste Agamuhammed-Khan iibereilt aus NordAserbaidschan abziehen. In seinem Reich war eine neue innere Fehde entbrannt und es gab einen Aufstand in Chorosan, und Russland sandte im Mai den ,,Durchlauchtigsten“ Fiirsten, General Subow, P.A. auf einen Feldzug.206 Noch vor dem Eintritt der Sommerhitze kamen 2(LDas Khanat Irewan und die anderen an das Osmanische Reich grenzenden Gebiete wurden bewusst nicht Ziel dieses Feldzuges: Russland wollte die Osmanan nicht provozieren. 20’Vgl.: P.G.Butkow, T. 2, S. 360-361. 2"4Vgl.: A.a.O., S. 365. ■0?Vgl.: Qarabagnameler, I kitab, seh. 124; 2 kitab, seh. 132. Ilier sei angemerkt. dass wahrend der Zeit der so verhassten tiirkischen Suzeriine die oppositionellen albanischen Meliks und die Albaner wohl alle Rechte hatten, die auch die anderen Bewohner der aserbaidschanischen Beyliks und Khanate hatten. Niemand mischte sich in ihre kirchlichen Angelegenheiten ein, als Fthnie wurden sie geschiitzt angesichts des bekannten Zusammcnlebens mit den Tiirken-Muselmanen. [tin vollig anderes Schicksal erwartete die Albaner nach der Unterwerfung der arabischen Khanate unter Russland. 2llf’Platon Aleksandrowitsch Subow (1767-1822), russischer Staatsmann, Durchlauchtigster Fiirst (1796), Generaladjutant (1792), Infanteriegeneral (1800). Ab 1789 Giinstling der Zarin Katharina II., ab 1792 taurischer Generalgouverneur und Generalfeldzeugmeister. Teilnehmer an den Verhand­ lungen iiber die 3. Teilung des Staates Polen-Litauen (1795). Kommandierte 1796 die Schwarzmeerflotte. Befurwortete die Ubertragung des Thrones an GroBfurst Aleksandr Pawlowitsch unter Umgehung von Paul I. und war an einer Verschworung mit dem Ziel des Sturzes des letzteren (1801) beteiligt, 1801-1802 Mitglied des Nepremennyj Sowjet (Rat des Zaren). 125 die russischen Truppen bis Schirwan. Derbent hatte sich d en russischen Truppen unter dem D ruck der stadtischen B evolkerung ergeben. Die Einwohner Bakus nahmen die Proklam ation Subow s erfreut auf und iiberlieBen die Stadt freiwillig seinen Truppen. D ie Khane von Baku, Scheki und Gjandscha unterwarfen sich Russland. In Schirwan wurde der Verbiindete des Kadscharenstaates M ustafaKhan von den ortlichen Beys abgesetzt und von seinem Vetter, einem Verbiindeten Russlands, Kasim-Khan ersetzt. Ibrahim Khalil-K han von Karabach sandte, um einen Einfall in sein Khanat zu verhindem , seinen Sohn mit teuren Geschenken zu Subow und bat darum, Zarin Katharina II. seiner Zuverlassigkeit zu versichem . Subow bereitete den Anschluss Nord-Aserbaidschans bis zum Araxes (Aras) im Siiden vor. Dieses Mai waren die Russen jedoch nicht lange in den Gebieten Nord-Aserbaidschans. Im Novem ber 1796 starb Katharina II., und der neue Zar Paul 1. zog sich aus der aktiven Politik in den Landem des Transkaukasus zuriick und konzentrierte seine ganze Aufmerksamkeit auf europaische Angelegenheiten. Anfang 1797 wurden General G raf Subow und seine Truppen auf Befehl vom 4. Dezember 1796 nach Russland abgezogen. Agamuhammad-Khan nahm die russischen Ereignisse als Geschenk des Schicksals und belagerte im Friihjahr 1797 erneut die Hauptstadt des Khanats Karabach, Schuscha. Seine Absicht war, nach der Vernichtung des Karabacher Khans Ibrahim einen groBen Feldzug in das Konigreich Kartli-Kachetien zu untemehmen und die Bewohner der Khanate Schemacha, Scheki, Saljan und Talysch sowie des Konigreichs Kartli-Kachetien und anderer in seine Erbguter in Masandaran und Astrabad hineinzutreiben. Das vom Hunger und der Pest geschwachte Land konnte nicht lange Widerstand leisten. Nach harten Kampfen, der Anwendung einer Kriegslist und der Tauschung seitens der Oberbefehlshaber des Schahs fiel Schuscha. In dem Massaker, das die Schah-Truppen in der Stadt veranstalteten, kam auch Molla Panah W agif („der W issende“), Oberwesir des Khanats. Gelehrter und der begnadetste unter den damaligen aserbaidschani­ schen Dichtern, um. Aber auch Schah Agamuhammed-Khan selbst wurde im Mai 1797 in Schuscha von einigen Vertrauten getotet, die um ihr Leben furchteten.207 207V gl.: Ahmed-bek Dschewanschir. О polititscheskom suschtschestwowanii Karabachskogo chanstwa s 1747 po 1805 g. (Ober die politische Existens des 126 Wahrend der Belagerung von Schuscha gelang Ibrahim KhalilKhan mit einer kleinen Abteilung ein erfolgreicher Ausfall, bei der die gesamte Bedienung der Artillerie des Gegners vemichtet wurde. Jedoch gelang es den Truppen des Schahs, den Rtickweg in die Festung abzuschneiden. Mit unglaublicher Anstrengung gelang es dem Khan und seiner kleinen Abteilung, sich quer durch die Reihen des Feindes nach Dschara und Tali durchzuschlagen. In das zerstorte Schuscha konnte er erst nach drei Monaten zurtickkehren. Der neue Herrscher des Imperiums Fatali (Fath-Ali)-Khan (1797-1834), Neffe von Agamuhammed-Schah versuchte auf Ibrahim Khalil-Khan uber die Bruderdiplomatie einzuwirken, was ihm auch gelang.208 Nach der Ermordung von Agamuhammed-Khan in Schuscha forderte dessen Neffe Fatali-Schah, bekannt unter dem Namen BabaKhan, indem er Kuriere zu Ibrahim-Khan schickte, von diesem die Herausgabe der sterblichen Uberreste seines Onkels und auBerte den Wunsch, Ibrahim-Khan moge sich ihm unterstellen. Ibrahim-Khan sandte unter Beriicksichtigung der schwierigen Lage seines Landes und der Feindseligkeit der oppositionellen Khane, den Leichnam von Agamuhammed-Khan mit den hochsten Ehrenerzeugungen nach Teheran. Fatali-Schah war zufriedengestellt und schlug Ibrahim-Khan vor, sich verwandtschaftlich zu verbinden. Zwischen der Tochter Ibrahim-Khans Agabajim-aga und Fatali-Schah wurde die Ehe geschlossen. AuBerdem gab der Schah Ibrahim-Khan das Recht zum Steuereinzug nicht nur vom Khanat Karabach, sondern auch von Karadag. So erhielt der Khan von Karabach eine langjahrige Atempause, wobei er gleichzeitig verstand, mit welchem Endziel Fatali-Khan ihn begunstigte. Im Khanat Schirwan wurde Mustafa (Mustafaj)-Khan wieder eingesetzt. Zuerst zeigte Fatali-Khan keine groBe Aktivitat im Transkaukasus. Anfang des 19. Jahrhunderts wurden die Politik und die militarische Aktivitat Russlands im Kaukasus stark aktiviert. Die Khanats Karabach von 1747 bis 1805), Schuscha, 1901, S. 1-30; Potto W.A.. Kawkasskaja wojna (Der Kaukasuskrieg)..., S. 270. Aga-Muhammed wurde von zwei seiner nahestehenden Diener umgcbracht, denen er am Vorabend erklart hatte, dass sie ihm heute - wegen des Freitags-Feiertages - noch dienen konnten, und morgen wiirde er sie exekutieren. Vgl.: P. G. Butkow, T.2, S.427, 430-431. 20*Vgl.: Bersche A. Fatali-Schach i ego deti. (Der Schah und seine Kinder) Russkaja starina, 1886, Bd. 50, S. 553. 127 grundlegenden Bemiihungen waren zunachst auf das K onigreich Kartli-Kachetien ausgerichtet und spater in Richtung der aserbaidschanischen Khanate. Das Konigreich Kartli-Kachetien w urde am 12. September 1801 durch M anifest Alexanders I. an Russland angeschlossen. Als Grundlage dieses M anifestes diente ein anderes Manifest, das vom Vorganger Alexanders, Paul, am 22. Dezember 1800 unterzeichnet, jedoch aufgrund seines Todes am 12. M arz 1801 nicht umgesetzt worden war. General Zizianow (seit 1802 Oberbefehlshaber der russischen Armee in Tiflis) unterwarf sich 1803 das autonome Gebiet DscharoBelakanskij (bestand aus sechs ,,Dschaamaty“, die sich zu autonomen Territorien vereinigt hatten) und 1804 das Khanat Gjandscha (Ganca) (die gleichnamige Hauptstadt des Khanats wurde am 3. Januar 1804 eingenommen).209 Es war offensichtlich, dass auch das Khanat Karabach nicht vor einem russischen Angriff sicher sein konnte. Deshalb erwies Ibrahim Khalil-Khan Dschawad-Khan von Gjandscha angemessene Hilfe und versteckte die beiden Sohne des Khans in Schuscha. Dschawad-Khan rettete diese Hilfe nicht, und Ibrahim Khalil-Khan selbst war vor eine tragische Wahl gestellt. Die strategisch wichtige Lage von Karabach, seine natiirlichen Reichtiimer und der militarische R uf seines Khans uberzeugten Zizianow davon, mit Ibrahim Khalil-Khan eine Politik von Zuckerbrot und Peitsche zu beginnen. In recht unverbliimtem, an Grobheit grenzendem Ton legte Zizianow dem Khan von Karabach nahe, sich Russland zu unterstellen.210 Zizianow scheute sich nicht, sowohl mit Einschiichterung als auch mit „moralischem Druck“ (Ajdyn Aslanow) zu kalkulieren. Davon zeugt klar sein Brief vom 8. Januar 1804 an den karabachischen Khan Ibrahim Khalil-Khan: „Ich bin sehr erstaunt. dass ich mich mit den beriihmten und unbesiegbaren russischen Truppen seit uber einem Monat hier (in Gjandscha -R.J.) befinde, und dass bereits 6 Tage vergangen sind nach der Erstiirmung und Einnahme der Festung aufgrund der Hartnackigkeit und Gewalttatigkeit des Dschewad-Khan von Gjandscha, der mit seinem Sohn Hussein20,Vgl.: Archiwnyj sbornik: „Akty Kawkasskoj archeografitscheskoj komissii" (AKAK) (Akten der kaukasischen archographischen Kommission.) Band 2. Tiflis 1868, Dokument 1387, S. 685. 2l0Vgl.: А КАК, Bd. 2, Dokument 1387, S. 303. 128 Kuli-aga gefallen ist, und mit 1500 Mann russischer Infanterie, und Ihr, die Ihr in so naher Nachbarschaft sind, und den starksten Schutz suchen mtisstet, mir keinen WillkommensgruB schickt... Ich weiB, dass wahrend ich vor Gjandscha stand, Ihr wie Espenlaub gezittert habt und gleichsam nicht geantwortet habt; ich weiB, dass vor meiner Ankunft bei Gjandscha Ihr als angstlicher Hase und listiger Fuchs ... es nicht wagtet in dem Stil zu reden, wie jetzt, da Ihr mich in der Feme wahnt. Aber glaubt mir, dass auch die Truppen von Gjandscha ausreichen, um Euch zu vernichten: glaubt mir, dass die Uneinnehmbarkeit Eurer Festung fiir die Russen ein Leichtes sein wird: Ihr werdet das zu seiner Zeit sehen, - wie auch Dschewad-Khan sagte, solange er das Land plagte. Ich kann mein Wort halten. Hat man schon auf der Welt gehort, dass eine Miicke mit einem Adler Verhandlungen gefuhrt hat; dem Starken ist es zu eigen, zu befehlen, und der Schwache ist dazu geboren, dass er dem Starken untergeben ist.... Ich rufe Euch auf, Euch zu unterstellen und - wenn Ihr in Frieden leben wollt - das von mir in diesem Brief Geforderte zu erfullen“ .2" Die wiederholten Einfalle der kadscharischen Tippen in Karabach zwangen Ibrahim Khalil-Khan, nach langen Uberlegungen die Forderung Zizianows anzunehmen und sich mit ihm am Ufer des Kjuraktschaj zu treffen und sein Khanat ohne bewaffneten Widerstand an Russland auszuliefern. A uf den Einfall der Truppen von Agamuhammed-Khan 1797 in die nordaserbaidschanischen Khanate folgte eine dreijahrige Diirre und schwere Missernte, was zu groRcm Hunger in der Bevolkerung fuhrte. Karabach war verwiistet und ein grofier Teil der Bevolkerung war auf der Suche nach etwas Essbarcm gezwungen, ins Konigreich Kartli-Kachetien, Gjandscha, Irewan, Scheki, Schirwan, Karadag und andere Orte zu gehen.21" Zunachst gab der Kadscharenstaat Ibrahim-Khan iiber die Ehe der Tochter des Khans mit dem Kandscharen-Schah einen unerwarteten Ausweg aus dieser schweren Lage. Andererseits verstarkte sich die russische Expansion nach NordAserbaidschan. Die Besetzung von Gjandscha durch die Russen, der Tod Dschawad-Khans und seines Sohnes wahrend der Erstiirmung von Gjandscha und der Drohbrief von Fiirst Zizianow zeugten von 21' AKAK, Bd 2, Dokument 1436, S. 703 2l2Vgl.: Qarabagnameler, 1 kitab, seh. 129; 2 kitab, seh. 34. 129 einer wachsenden neuen todlichen Bedrohung sowohl ftir den Khan und seine Familie selbst als auch fur sein Khanat. Angesichts dei veranderten Situation in Nord-Aserbaidschan und im Konigreick Kartli-Kachetien erkannte Ibrahim Khalil-Khan klar, dass er unmoglich siegen konnte, w enn er allein gegen die Kadscharen oder Russland kampfte. Erst uber ein Jahr spater schickte Ibrahim-Khan schlieBlich seiner Gesandten zu Zizianow m it dem Ausdruck der Unterwerfiing, una Zizianow ubertrug dem M ajor des 17. Jagerbataillons, Lisanewitsch D. T .' J die Organisation der Unterzeichnung des „Abkommens". Zur Unterzeichnung dieses ,,Abkom m ens“ zwischen dem Khanat Kara­ bach und dem Russischen Reich kam Ibrahim Khalil-Khan selbst mit seinem Neffen nach Elisawetpol (dem umbenannten Gjandscha), und hinterlieB in Schuscha bis zu seiner Ruckkehr seinen altesten Sohn. Nach Abschluss des ,,Abkom m ens“ (Text des Abkommens siehe Anhang) im Lager am Fluss Kjuraktschaj in der Nahe von Elisawetpol kehrte der Khan bereits m it russischen Truppen nach Schuscha zuriick. Der 1804 beginnende Krieg zwischen dem Russischen Reich und dem Kadscharenstaat stellte den Khan vor die Notwendigkeit einer schwierigen und schnellen Wahl: ,,Raum“ zum Lavieren blieb nicht. Beide benachbarten M achte, der Kadscharenstaat und Russland, schickten sich an, sich das Khanat Karabach einzuverleiben. Als kluger Politiker, der das Khanat schon 43 Jahre regiert hatte, traf Ibrahim Khalil-Khan, in A nbetracht der schwierigen Umstande, die richtige Entscheidung und w ahlte das kleinere Ubel.214 A uf der Grundlage des Vertrags vom 15. Mai 1805 schloss sich das Khanat Karabach als erstes aserbaidschanisches Khanat, das nicht erobert w urde215, Russland an. Lisanewitsch, Dmitrij Tichonowitsch: Generalleutnant (1778-1825). Diente sich hoch bis zum Generalleutnant und wurde 1824 zum Befehlshaber iiber die Truppen im Kaukasus ernannt. Einen Tag nach der bekannten Schlacht bei Gersel-aul (bei Aksaj), wo die Gebirgslandwehr vemichtend geschlagen wurde, wurde Lisanewitsch von den unversohnlichen Kampfem todlich verwundet. Vgl.: Segal I. Elisawetpolskaja gubernija (Das Gouvernement Elisawetpol). In: Kawkasskij westnik, 1902, 3. Vgl.: Abkommen zwischen dem Khan von Karabach und dem Russischen Reich iiber den Anschluss des Khanats Karabach an die Russische Herrschaft 130 Am 10. September 1806 wurde dieser Vertrag durch Erlass des russischen Zaren Alexander I. bestatigt, und 1813 wurde das „Abkommen iiber ewigen Frieden und Freundschaft“ (Friede von Giilistan) zwischen dem Russischen Reich und dem Kadscharenstaat international anerkannt. A uf der Grundlage aller dieser Urkunden gelang es dem Khanat Karabach 17 Jahre lang (bis 1822 ) wenigstens seine innere Autonomie zu bewahren. 1822 wurde das Khanat Karabach aufgelost und in eine Provinz Russlands unter Militarregierung umgewandelt. Da der Vertrag am Ufer des Flusses Kjuraktschaj in Karabach unterzeichnet worden war, ging er auch als Vertrag von Kjuraktschaj (,,tschaj“ bedeutet auf aserbaidschanisch ,,Fluss“ oder ,,Wasser“ ) in die Geschichte ein. Unterzeichnet wurde er auf russischer Seite von Pawel Zizianow und auf karabachischer Seite von Ibrahim-Khan, der hier Khan von Karabach und Schuscha hieB. Bis 1822 wurde Karabach von Mechtigulu-Khan regiert, dem Sohn Ibrahim Khalil-Khans, als Vasalle des Zaren, danach bis 1918, vor der Schaffung der Demokratischen Republik Aserbaidschan, regierten Karabach verschiedene Personen aserbaidschanischer Nationality, die von den zaristischen Behorden ernannt wurden. Bei den jetzigen Auseinandersetzungen iiber das Schicksal von Berg-Karabach zeigt die aufmerksame Lektiire dieses Vertrages jedem unvoreingenommenen Leser, dass darin die Rede ist von einem aserbaidschanischen Staatsgebilde ostlichen Typs, das die Notwendig­ keit des Anschlusses an Russland anerkennt. In der friedlichen politischen und gerechten Beilegung des Karabach-Konfliktes kann die Beriicksichtigung dieses Umstandes nur forderlich sein. Im Friihjahr 1806 fiel die kadscharische Armee mit 20.000 Mann erneut in Karabach ein. Ibrahim Khalil-Khan kampfte auf russischer Seite und stellte gegen die Kadscharen 1.000 Reiter. Damals war er der einzige aserbaidschanische Khan, der im Bundnis mit Russland dem Kadscharenstaat W iderstand leistete.216 Und trotz dieses ganz offensichtlich loyalen Verhaltens Ibrahim Khalil-Khans gegenuber vom 14. Mai 1805. In „Bolschaja Sowjetskaja Enziklopedija (GroBe Sowjetenzyklopadie). Chefredakteur O. J. Schmidt. Moskau 1939, Bd. 41, S. 17 heisst es, dass das Khanat Karabach 1913 an Russland angeschlossen wurde, was nur vom Standpunkt des intemationalen Vertragsrechts wahr ist. 2l6Potto W.A.. „Utwerschdenie russkogo wladytschestwa na Kawkase (Die Festigung der russischen Herrschaft im Kaukasus). T. 1-4, Tiflis 1901 - 1908, Band 2, S. 6. 131 Russland waren seine letzten Tage voller Tragik und ungerechter Schicksalsschlage. Als sich 1806 die Kadscharenarm ee Schuscha naherte, wurde Ibrahim Khalil-Khan zusam m en mit seiner Fam ilie verraten, von Major Lisanewitsch festgenommen und hingerichtet. Nur ein Sohn des Khans, M edingulu-aga, konnte der V erhaftung entkommen und sich retten. Im Erlass von Zar Alexander I. wurde die Hinrichtung des Khans von Karabach als „tragischer Fall“ bezeichI 7 net. 22 Jahre spater wurde das Khanat Karabach aufgelost und an seiner Stelle die Provinz Karabach gegriindet. Und dennoch blieb die Autonomie des Khanats Karabach im Laufe dieser Jahrzehnte bestehen, w enn auch in geschwachter Form, fiir die Elite des Khanats in alien inneren Angelegenheiten eine Realitat, deren Grundlagen Ibrahim Khalil-Khan gelegt hatte. W ahrend des russischkadscharischen Krieges 1826-1828 leistete die Kavallerie von Karabach, nach dem Zeugnis von General Ermolow A .P.218, einen nicht geringen Beitrag zum russischen Sieg.219 Die Geschichte des Kampfes der Beyliks von Karabach und des Khanats Karabach spielt in der Entwicklung der Staatlichkeit von Aserbaidschan eine wichtige Rolle. Diese Rolle, ihre innen- und auBenpolitische Bedeutung fiir Aserbaidschan wird heute in der Weltoffentlichkeit und den intemationalen Organisationen unzureichend berticksichtigt. 2l7Vgl.: „Die zweihundertjahrige Tragodie Karabachs, oder die Folgen des Vertrages von Kuraktschaj“. In: Serkalo, 15.2.2005; Zeitung „Aserbajdschan11, 8.11.1989. 2l8Ermolow Aleksej Petrowitsch (1777-1861), russischer Heerftihrer und Staatsmann, General der Infanterie und Artillerie. Mit 15 im Kapitansrang in den Militardienst eingetreten (1792) und Teilnehmer an der polnischen “Versohnung” 1794. 1798 wurde er wegen eines Briefes an Kachowskij. seinen Schwager, mit einer scharfen Meinung uber die Leitung in der Festung Petropawlowsk gefangen gehalten und nach Kostroma in die Verbannung geschickt, spater begnadigt und in den Feldzugen von 1813 war er sogar Generalinspektor der Artillerie aller auslandischen Armeen. 1815 wurde er zum Oberbefehlshaber im Kaukasus emannt und blieb es bis 1827. als er aufgrund voji Meinungsverschiedenheiten mit Paskewitsch seinen Posten verlieB. Es ist bemerkenswert, dass er im Kaukasus, wohin er faktisch verbannt wurde, bei den ihm zur Verfugung gestellten unzureichenden Mitteln und bei der geringen Anzahl Truppen, hier herausragende Siege der russischen Armee organisieren konnte. Im Kaukasus wurde Ermolow jedoch vor groBen Unannehmlichkeiten in Verbindung mit der Sache der Dekabristen Alexander Sergeewitsch Gribojedows bewahrt. Aleksej Petrowitsch starb 1861 in Moskau. Das Grab dieses Helden der russischen kolonialen Siege ist hier nicht erhalten. Es steht schlecht um die Sache des historischen Andenkens in Russland. 2l9Vgl.: Halibejli Ibrahim H.M. Rossija i Aserbajdschan w perwoj treti XIX weka (Russland und Aserbaidschan im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts (aus der militarisch-politischen Geschichte), Moskau 1969, S. 106. 132 133 8. Schirwan und das Khanat Schirwan bei der Entwicklung der aserbaidschanischen Staatlichkeit „In der Jugend eines Staates werden dessen mili­ tarische Qualitaten besonders hoch geschatzt. “ F. Bacon Schirwan ist ein Gebiet des transkaspischen Transkaukasus zwischen Georgien im Westen, dem Kaspischen Meer im Osten und dem linken Ufer des Unterlaufs der Kura im Siidwesten (mit den Stadten Schemacha, Nucha (Scheki), Kuba, Baku, zeitw eise auch Derbent). Zu Zeiten der Griechen und Romer war es der nordostliche Teil Kaukasisch-Albaniens (die Armenier nannten es Agwan); im arabischen Mittelalter war es der nordostliche Teil von Arran. Die Kura trennte Schirwan vom siidwestlichen, oder Kem-Arran, gelegen zwischen dem rechten Ufer der Kura und dem Fluss Araxes. Die Hauptstadt von Kern-Arran war Gjandscha (Ganca), noch friiher Barda, das dann verodete. Nach der Angliederung an Russland kam das Gebiet von Schirwan zum Gouvemement Baku, und Kem-Arran wurde zum Gouvemement Elisawetpol. 1918-1920 entstand auf dem Territorium dieser Gouvem ements und des ehemaligen Khanats Nachitschewan die Republik Aserbaidschan. Die souverane Republik Aserbaidschan liegt weitgehend auf dem Territorium Kaukasisch-Albaniens - dem historischen Land des aserbaidschanischen Volkes, umfasst jedoch langst nicht alle historischen aserbaidschanischen Lander (von Derbend im Norden bis Chamadan im Siiden, vom Kaspischen Meer im Osten bis Kleinasien im W esten).220 Im 6. Jahrhundert, als Aserbaidschan sich innerhalb des Sassanidenstaates befand, wurden vier Statthalterschaften oder „Kusty" (,,Seiten“) geschaffen. Der nordliche ,,Kust“ wurde „Aserbaidschani­ scher" genannt und zu ihm gehorten alle historischen Lander Aserbaidschans.221 A uf den Wanden des alten Derbent ist folgende Inschrift zu sehen (Kopie des Textes siehe Anhange), die in der 220Vgl.: Achmedowa Firdowsija. О toponime „Aserbajdschan11 (Uber das Toponym „Aserbaidschan11. In: IRS Nasledie, N1 2007, S. 26. 22lVgl.: Kasumowa S. Ju. Aserbajdschan w III. VII. Wekach (Aserbaidschan im 3.-7. Jahrhundert. Baku, 1992, S. 43 134 (mittelalterlichen persischen) Pahlawi-Schrift geschrieben ist: „Barsadisch, amargar (Finanzinspektor) Adurbadagana“.222 Der arabische Autor des 10. Jahrhunderts Ibn Chaukal bezeichnet das Gebiet am Meer von Derbend im Norden bis Gilan im Siiden auf der '“ Vgl.: Pachomow E.A. Pechlewijskije nadpisi Derbenda// Iswestija Obschtschestwa obsledowanija i isutschenija Aserbajdschana (Die PahlawiInschriften von Derbend//Nachrichten der Gesellschaft fur die Erforschung und das Studium Aserbaidschans) Ausgabe V, N8, Baku, 1929; Njuberg G.S. Materialy po istolkowaniju pechlewijskich nadpisej Derbenda (Materialien zur Auslegung der Pahlawi-Inschriften// A.a.O., Kasumowa S. Ju. Srednepersidskaja grafika Kawkasskoj Albanii) Die mittelpersische Schrift Kaukasisch-Albaniens), Baku, 1994. Derbent liegt auf einem Auslaufer des Tabasaran-Gebirges und bildet den Abschluss des schmalen Kiistenstreifens, der als „Tor (oder Flaschenhals) von Derbent11 bekannt ist. Dieser ist der einzige geeignete naturliche Durchgangsweg vom Kaukasusvorland zum Transkaukasus. Schon die Autoren des Altertums erwahnten die „Albanischen Pforten11 (Pylae albanicae) an der Westkiiste des Kaspischen Meeres. Das Wort „Derbent11 ist persisch („der11 bedeutet Tiire, „bend11 bedeutet Schranke, Hindernis), bei den Arabern heisst Derbent „Bab-ul-abwab11 (d.h. Tor der Tore) oder ,,Bab-ul-chadit“ (eisernes Tor), manchmal auch „Seril-ul-dagab" (goldener Thron); der tiirkische Name ist „Temir-kapysi11 (eisernes Tor), der georgische „Dsgwis kari11 (Meerestor). Alle diese Namen weisen klar auf die strategischen Funktionen des Ortes und der Stadt hin. Die Griindung der Stadt Ende des 5. oder Anfang des 6. Jahrhunderts wird mit groBer Wahrscheinlichkeit dem persischen Schah Kubad aus der Dynastie der Sassaniden zugeschrieben. Die endgiiltige Errichtung der Mauern und Zitadellen erfolgte unter seinem Sohn Chosrow I. Anu-Schirwan (Nuschurwan der Gerechte), der von 530 bis 578 herrschte. Die Stadt wurde bis zu ihrer Besetzung durch Russland, groBtenteils von aserbaidschanischen (zum Beispiel von Kuba) oder persischen Schahs beherrscht. Periodisch fiel sie in die Uande der Hasaren, der Araber, der Osmanen u.a. Die Russen fuhrten erstmals auf staatlicher Ebene Verhandlungen iiber Derbent unter Zar Fjodor Iwanowitsch (1557-1598) mit dem Safawidischen Schah Emir-Gamse, der Derbent gegen ein Biindnis gegen die Osmanen abtreten wollte, aber die Verhandlungen brachten nicht die von den Seiten gewiinschten Resultate. 1722 wurde Derbent wahrend des Feldzuges in den Safawiden-Staat von Peter I. eingenommen. Eine Russische Garnison befand sich hier bis 1736, als alle Transkaspischen Besitztiimer, die von Peter I. erobert worden waren, an den aserbaidschanischen Safawiden-Staat unter der Regentschaft von Nadir-Schah Afschar zuriickgegeben wurden. 1760 wurde Dagestan vom Khan von Kuba, Fatali-Khan annektiert, und nach dessen Tod ging die Stadt an seinen Bruder Scheich-Ali, der bis 1796 iiber sie herrschte, als die aserbaidschanische Herrschaft iiber die Stadt durch die Einnahme von Derbent durch den russischen Heerfuhrer Subow beendet wurde. Die endgiiltige Angliederung Derbents an Russland erfolgte gemaB dem Vertrag von Giilistan zwischen Russland und dem Kadscharenstaat 1813. 135 von ihm erstellten Karte von K aspien „Aserbaidschan". Bekannt ist, dass beide Teile Aserbaidschans (Norden und Siiden) mehrmals in der Geschichte ganz oder teilweise zu einem Staat gehorten. Zu diesen Staaten gehoren das von den V orfahren der Aserbaidschaner errichtete M anichaer-Konigreich, die Staaten der Atabeken, der Hulagiden, der Aq-Qoyunlu, und das bedeutendste in dieser Reihe ist das Safawidische Reich, zu dem die historischen aserbaidschanischen Lander ganz gehorten.223 Aus arabischen Quellen des 9.-10. Jahrhunderts ist bekannt, dass Schirwan bereits vor der arabischen Eroberung, in der Sassanidenzeit,224 seine eigenen Herrscher (Schirwan-Schahs) hatte. die als Vasallen von den persischen H osroen abhangig waren, aber gleichzeitig mit den Hosroen verw andt waren. Diese Schirwan-Schahs iibten zeitweise den Zoroastrism us und zeitweise das Christentum aus. Die Araber, die Schirwan im 7. Jahrhundert eingenommen hatten. errichteten im Khanat dessen alte Dynastie, die sich verpflichtete, Tribut zu zahlen. Im Land lagen arabische Garnisonen, ein Teil der ortlichen Bewohner gingen zum Islam uber. Unter dem AbbasChalifen Charun ar-Raschid Ende des 8. Jahrhunderts war die Regierung Schirwans und Siid-Aserbaidschans in der Hand eines arabischen Statthalters konzentriert, der in Barda residierte. Ein solcher Statthalter des Kalifen w ar ab 798 Jasid ibn-Masjad (gest. 801). Sein Geschlecht begriindete in Schirwan die arabische Erbdynastie der Schirwan-Schahs, der sogenannten Masjadiden, die bis zur Offensive der Seldschuken-Epoche, d.h. bis 1067 bestand. In der iiber zweihundertjahrigen Herrschaft der arabischen Dynastie gelang es ihren Vertretern, sich m it vielen Vertretem der friiheren ortlichen Dynastie verwandtschaftlich zu verbinden. Zuweilen ging in inneren ZusammenstoBen die Macht an die Schwager der M asjadidendynastie, und der vernichtende Feldzug der ,,Rusen“ im Jahre 944 nach Barda ereignete sich gerade unter einem solchen „unanfechtbaren Nachkom men des Bechram-Gur“ (Ausdruck des Historikers des 10. Jahrhunderts, Masud).225 Der Feldzug der ,,Rusen“ war bedingt durch die zahlreichen rauberischen Bestrebungen. Der damalige materielle Wohlstand von Schirwan kann zahlenmaBig auf 1 Million Dircheme (rund 250.000 Goldrubel) jahrlicher Tributzahlung an den aserbaidschanischen Herrscher im Jahre 953 geschatzt werden (dariiber berichtete der Historiker ibn-Chaukal). In dieser Million war auch der Tribut des Vasallentums Schirwan Scheki (Nucha) enthalten. Haupteinnahmequellen von Schirwan waren: Seidenzucht mit Zentrum in der Stadt Schemacha, Olforderung bei Baku zu militarischen Zwecken („griechisches Feuer") und der lebhafte Transithandel iiber Schirwan. Als die Turken-Seldschuken das friihere Asia eroberten, unterwarf sich ihnen auch Schirwan, und dort trat die Dynastie der Kesraniden auf. Diese Schirwanschahs existierten iiber 300 Jahre und iiberlebten als Vasallen - die Epoche der groBen Seldschuken-(Tiirken-Oghusen-) Sultane, und ihre Nachfahren, die „Atabeken", iiberlebten nach ihrer Epoche die Mongolensultane, die Nachfahren Dschingis-Khans und der mongolischen Heerftihrer und hielten sich bis zur Zeit Timur Tamerlans (1336-1405). Die Schirwanschahs der Kesraniden-Dynastie trugen alle altnationalistische persische Namen (Firibors, Manutscherch, Afridun, Echsitan, Gerschasp, Kejkobad u.a.). Sie zeichneten sich durch ihre Bemiihungen um die persische Literatur und Kultur aus, die in der Seldschukenepoche ihr goldenes Zeitalter erlebte. Die hochste Entwicklung unter der Dynastie der Kesraniden erreichte Schirwan im 12. Jahrhundert. Zu dieser Zeit ging die Periode der ersten machtigen Seldschukensultane zu Ende, und im Trans­ kaukasus erlangte das Schirwan benachbarte Konigreich Georgien zunehmend Einfluss. Vom Konig aus der Dynastie der Bagratiden David II. dem Erneuerer (1089-1 125) bis zur beriihmten georgischen Konigin Tamara (1184-1207) wuchs die Kraft und der Einfluss dieses Konigreichs stctig an. Schahinschah226 Manutschechr (um 1120-1149) war mit David II. verschwagert. “ 'V gl.: Gusejnow R.A., Werdiewa Ch. Ju. Istorija Aserbajdschana (Geschichte Aserbaidschans). Baku, 2000. D ie Sassaniden waren eine persische Schah-Dynastie von 224-651. Ihr Begriinder war Ardaschir I. Im 7. Jahrhundert wurde das Reich von Sassaniden von den Arabem erobert. " ’ I-ine ausfuhrlichere Beschreibung des Feldzuges der ,,Rusen“ gibt der arabische Historiker (10.-11. Jahrhundert) ibn-Miskawejch. Die einzige russische Ubersetzung seines Werkes gehort A. Jakubowskij und befindet sich im „Wisantijskij westnik“ (Byzantinischer Bote), 1926, Bd. 24. 226Schahinschah bedeutet Schah der Schahs, offizieller Titel des Herrschers von ganz Persien. 136 137 An seinem H of und am H of seines Sohnes Echsitan I. (um 11491194) lebte ein ganzer Kreis groBer aserbaidschanischer Dichter, die 227 in persischer Sprache schopferisch tatig waren : der groBe Poet und beriihmte Panegirist Chaqani Schirwani, ein Dichter von W eltruf, Scheich Nisami Gjandschawi u.a. Unter ihnen wurden ungewohnliche architektonische Bauwerke in ihren Hauptstadten Gjandscha, Schemacha und Baku geschaffen. Nisami weihte Echsitan I. das unsterbliche romantische Gedicht „Leila und M edschnun“ . Chaqani besang den Sieg Echsitans I. liber die Hasaren, die von Derbent nach Schirwan eingedrungen waren. In den Beziehungen von Schirwan zu dem aggressiven benachbarten aserbaidschanischen Atabek Kysyl-Arslan (1186-1191) leistete Georgien offenbar keine Unterstiitzung, und Echsitan I. musste seine Residenz aus Schemacha ans M eer, nach Baku, verlegen. Und erst nach dem Tod des bertihmten Atabeks kam Schemacha an Schirwanschah zuriick. Panegirist Chakani auBerte sich iiber diese Ereignisse und ihre Folgen sehr diplomatisch: Atabek Kysyl-Arslan ,,schmiickte“ Schemacha und Schirwan-Schah Echsitan I. ,,schmtickte“ Baku. Die mongolische Besetzung von Schirwan unter Feribors (gest. nach 1244) verwtistete das Land und fiihrte zur Zunahme der turkischen Bevolkerung darin. Die Mongolen errichteten in Schirwan eine Vasallen-Autonomie unter der Herrschaft der Kesraniden, denen sie einen jahrlichen Tribut von rund 85.000 Goldrubeln auferlegten. Seit dieser Geschichtsperiode wurde die politische und wirtschaftliche Lage Schirwans schwieriger, weil im 13. und 14. Jahrhundert sowohl die Goldene Horde, die auch die Rus beherrschten, als auch die M ongolen-Hulagiden, deren Hauptstadt sich in Tabris befand sowie deren Vasallen, die aserbaidschanischen Dschelariden, um sie kampften. Eine lange Zeit war Schirwan von den aserbaidschanischen Herrschern abhangig, und die Goldene Horde fiel regelmaBig mit Raubztigen in das Land ein. In Schemacha fielen die Sohne des Batyj Berke in 1260, Usbek in 1318, Dschanibek in 1356 u.a. ein und nahmen es ein. Das Land und die Dynastie waren erschopft, der letzte 227Die persische Sprache war viele Jahrhunderte lang die Literatursprache fur die riesige Region von Stambul bis Delhi. Die Dichter in den Staaten der Grofimogule, von A q - Q o y u n lu und von Qara-Qoyunlu schrieben in persischer Sprache: die Dichter von Aserbaidschan waren keine Ausnahme. 138 Kesranid Chuscheng Kawus (um 1372-1382) wurde von den eigenen aufstandischen Untertanen getotet. Danach ging die Macht in Schirwan an einen entfemten Verwandten der Dynastie, Scheich Ibrahim, iiber, der bis dahin bescheiden in Scheki gelebt hatte. Seine Vorfahren hatten einmal iiber Derbent geherrscht und aus diesem Grund wurde die Dynastie Derbenter genannt.228 Der neu gewahlte Schirwanschah Scheich Ibrahim (1382-1417) hatte auch mit einem neuen Einfall der grausamen Horde zu kampfen - sowohl mit dem Mitglied der Goldenen Horde Tochtamysch als auch mit dem mittelasiatischen Eroberer Timur. Zudem verlief der Kampf zwischen Tochtamysch und Timur gerade auf dem Gebiet von Schirwan auBergewohnlich intensiv, was dem Land noch weiteren Schaden zufugte. Nach dem Tod von Timur (1405) hatte Schirwan 10 Jahre lang noch keine Ruhe - weder vor der Goldenen Horde (Khan Schadibek) noch vor den Tiirken-Oghusen Qara Qoyunlu (Schwarze Hammel). Der Fiihrer der Turkmenen Kara-Jusuf, der Schirwan-Schah Ibrahim 1413 an der Kura schlug, raubte die Staatskasse von Schirwan bis auf den Grund aus, bis zur letzten teuren Geratschaft. Erst nach dem Tod Kara-Jusufs (1420) begann fur Schirwan eine fast hundertjahrige Zeit der friedlichen Entwicklung unter der langjahrigen Regentschaft der beiden Schirwanschahs Khalil-Ullacha I. (1417-1462) und seines Sohnes Farruch-Jasara (1462-1501). Die Bevolkerung von Schirwan w ar im 15. Jahrhundert mehrheitlich tiirkischsprachig und fur diese Zeit hochkultiviert. Der W iener Gesandte Ambr. Kontarini konstatierte einen sehr groBen Kontrast zwischen den kultivierten Schirwanen und den Bewohnern des ,,riickstandigen“ christlichen Georgiens. Kontarini fand, dass ”sSchirwan-Dynastien: 1) die besondere Dynastie der ,,Schirwan-Schahs“ in der Sassanidenzeit als Vasallenbesitztum der Hosroen bis zum Jahr 798; 2) ab 798 die Dynastic der arabischen Statthalter der Masididen (Autonomic 8611067); 3) die dritte Dynastie entstand nach der kurzzeitigen Vereinigung Schirwans mit Georgien und bestand von 1106 bis 1382. Die ersten Vertreter dieser Dynastie sind Manitschohr (Manucher) und Ahsitan (Exitan); 4) nach der Absetzung der dritten Dynastie wurde von deren eigenen Untertanen Ibrahim Derbentskij zum Herrscher gekront, der die vierte Dynastie der Schirwanschahs (1382-1550) griindete. Die Vertreter dieser Dynastie waren die spateren Vasallen Timurs, die Timuriden, Dschalairen, Turkmenen QaraQoyunlus und Aq-Qoyunlus und des Safawiden-Staates. Im Jahre 1550 wurde Schirwan von den Truppen Schahs Tachmasp I. besetzt und Anfang des 19. Jahrhunderts wurde Schirwan von Russland erobert. 139 Schirwan ein reicheres und fruchtbareres Gebiet als Siid-Aserbaidschan sei, wo damals Schah Usun-Hasan Belobarannyj (14671478) mit seiner Hauptstadt Tabris regierte. Und im westlichen Iran lagerten sich im 15. Jahrhundert um die Stadte Tabris und Baghdad aserbaidschanische Tiirken-Oghusen, wobei die Tiirken von Qara-Qoyunlu lange Zeit mit den Ttirken von Aq-Qoyunlu konkurrierten, und die entscheidende Vormachtstellung der Fiihrer von Aq-Qoyunlu und tiberzeugte Schiit Usun-Hasan gewinnen konnte. Diesem Zeitgenossen des osmanischen Sultans Mehmeds II., der Konstantinopel erobert hatte, raumten die Europaer einen hohen Rang ein. Die Venetianer und der Papst schlossen mit ihm Vertrage iiber ein gemeinsames Vorgehen gegen das Osmanische Reich. Die Hauptstadt von Schirwan, Schemacha, hielt der bereits erwahnte Ambr. Kantarini „in jeder Beziehung“ fur besser als Tabris, nur groBenmaBig etwas kleiner. Kontarini traf in Schemacha auch den Moskauer Gesandten von GroBfurst Iwan III. Das war hier nicht der erste Gesandte Moskaus: der bekannte Reisende Afanasij Nikitin hielt sich auch in Schemacha auf. Unter Khalil-Ullach I. und unter Farroch-Jasar wurde auch Baku beachtlich ausgebaut: ein groBer Teil des Kremls von Baku wurde unter ihm geschaffen. Farroch-Jasar fiel 1501 im K am pf mit dem Begriinder der Safawidischen Dynastie, Schah Ismail-Safawi (Kysylbasch). Die drei schwachen Vorganger Farroch-Jasars waren gehorsame Vasallen der Safawiden gewesen, zuerst von Schah Ismail (gest. 1524) und danach von Schah Tachmasp I. (1524-1576)229, bis zu dem Zeitpunkt, als wegen der in Schemacha entstandenen Wirren die ,,Kysylbasch“-Truppen von Schah Tachmasp Schirwan einnahmen (1538) und die Dynastie Schirwan-Schah abschafften. Die drei Erben von Tachmasp setzten die ,,Kysylbasch“ nach Gutdunken (1576-1586) ein und ab. Danach wurde Schirwan in eine regulare SafawidenProvinz umgewandelt, die von Statthaltem des Schahs regiert wurde. Im 16. Jahrhundert tobte unablassig der Krieg zwischen dem osmanischen sunnitischen Imperium und dem Safawidischen schiitischen Imperium um das zwischen den beiden Staaten gelegene Land, darunter auch um Schirwan, iiber das die Tiirken moglicherweise einen Zugang zum Kaspischen Meer und weiter nach Zentralasien bekommen konnten. Im Jahre 1578 entsandte Sultan Murad III. unter der Leitung von W esir Lala-Mustafa von Gjandscha aus ein groBes Heer iiber Georgien nach Schirwan und Arran. Dieses Heer hielt auch Schirwan fiir das Osmanische Reich mehr als ein Vierteljahrhundert besetzt. Die Safawidische Regierung (zuerst Schah Mohammed Chodabende, dann der junge, noch nicht ,,GroBe“ Schah Abbas I.) war bereit, den Kiistenteil von Schirwan (Derbent, Baku) an den Moskauer Zaren Fjodor Iwanowitsch abzutreten, um gemeinsam mit den Moskowitem die Osmanen aus dem Transkaukasus zu vertreiben. Aber Moskau hatte noch nicht das Heer fur eine so weite Expedition, und die Osmanen wurden erst von Schah Abbas I. dem GroBen selbst vertrieben (1607), nachdem dieser die Starke seines Staates iiber Reformen wiederhergestellt hatte. So fuhrte Abbas I. zur Beseitigung der Macht des Heeres iiber die Schahs eine Heeresreform durch, kraf't derer die Schah-Truppen nicht mehr aus den ,,Kysylbasch“ (dem Bundnis aserbaidschanischer Turkstamme) bestand, sondern aus vielen anderen Stammen und Volkerschaften. Die administrativen Reformen, der Bau von Verbindungswegen, die breite Unterstutzung der Wissenschaft und der Kunst, die Umsiedlung einer ganzen Kolonie von armenischen Handwcrkern, Georgiern und Aserbaidschanern in die Hauptstadt sind nur einige der Richtungen, in die seine Reformbcmiihungen gingcn. Mit der Herrschaft dieses Schahs kehrte in Schirwan der Friede ein, und die Reisenden des 17. Jahrhunderts, darunter auch dcr Deutsche Olearius210, bemerkten den Reichtum Schemachas, das voller auslandischer Kaufleute war. Die russische Regierung stellte 229Bekannt ist das Handschriftenbuch von Kasi Achmed Gaffari „Nigaristan" („Kartinnaja galereja“ (Die Bildergalerie), eine Sammlung historischer Erzahlungen und Andekdoten verschiedener Epochen, Tachmasp I. gewidmet (in Moskau aufbewahrt). Seinerzeit gehorte diese Handschrift dem deutschen Grafen Fritz-Detlev von Schulenburg (1902-1944), der 1944 das Attentat auf Hitler organisierte. 2'(lOlearius, Adam (1603-1671), deutscher Reisender aus Holstein (heute Bundcsland Schleswig-Holstein), besuchte Russland und den Kaukasus in den 3()cr Jahren des 17. Jahrhunderts. 1643 schrieb er das Buch „Beschreibung eines Reisenden nach M o s k a u .D a r i n sind wertvolle Zeugnisse zur Geschichte Russlands enthalten. Das Buch ist mit einer grof3en Anzahl Karten und Zcichnungen ausgestattet, die an sich schon sehr informativ sind. 140 141 ihren Kaufleuten die Reise in den Safawiden-Staat sogar unter Strafe (1673) ebenso wie den Handel mit den persischen Kaufleuten in Astrachan. Als die Afghanen den Safawidischen Schah Hosein (1694-1722) stiirzten, konnte einer der safawidischen Prinzen Tachmasp II. zu den Russen fliehen und erklarte sich bereit, im Gegenzug fur die versprochene russische Hilfe gegen die Afghanen die Transkaspischen Gebiete an Peter I. abzutreten, darunter auch die ostliche Halfte von Schirwan, zu dem Derbent und Baku gehorten. Die Osmanen hielten zu dieser Zeit Schirwan besetzt. Jedoch vertrieb Nadir Schah Afschar, der den ganzen Staat geeinigt hatte, die Osmanen (1734-1735), und die Russen verzichteten auf den an sie abgetretenen Teil des Kaspischen Gebietes (1735). Fiir zw olf Jahre wurde Schirwan w ieder kysylbaschisch. Nadir Schah wird von vielen Historikem mit Napoleon Bonaparte verglichen. Nadir ffihrte den militarischen R uf der Kysylbasch zu unerhorten Hohen. Besonders bekannt wurde er fiir den sieghafiten Feldzug 1738-1739 in das Indien des GroBmoguls. Nadir Schah erbeutete nicht nur eine riesige Kriegsbeute, sondem vermahlte sich auch mit der Tochter des GroBmoguls. Unter ihm wurden die usbekischen Stadte Chiwa und Buchara und alle besetzten Gebiete vom Osmanischen Reich zuriickerobert. Sein groBer Fehler war die beabsichtigte Abschaffung des Schiitentums im Staat und der geplante Ubergang zum Sunnitentum zwecks leichterer Eroberung des gesamten sunnitischen Osmanischen Reiches. Das und seine maBlose Blutriinstigkeit und die Aufregung der herrschenden Kreise Englands und Russlands uber seine Erfolge dienten als Anlass fiir eine Verschworung gegen ihn, der er (1747) auch zum Opfer fiel. Nach dem Tod Nadir Schahs und der danach im Land ausbrechenden Anarchie wurden Schirwan und der gesamte Trans­ kaukasus frei von der ,,Vormundschaft“ der zentralen Administration. Und hier entstand eine Vielzahl autonomer aserbaidschanischer Staatsgebilde (Khanate, Sultanate, Paschalyks u.a.). Im westlichen Teil von Schirwan, nahe Georgien, erstarkte das Khanat Scheki mit der Hauptstadt Nucha. Es sei angemerkt, dass diese Gegend und ihre Herrscher schon immer die Autonomie angestrebt hatten. Die alte Bezeichnung Schirwan wurde fur das Khanat Schemacha beibehalten. Am starksten wurde jedoch zu dieser Zeit das Khanat Kuba, im Osten 142 Schemachas. Die Kusten-Khanate (Derbent und Baku) wurden ihm zwangsweise uberlassen, ebenso wie auch die Khanate auBerhalb des Gebiets des ehemaligen Schirwan am rechten Ufer (Gjandscha u.a.). Alle diese Besitztiimer wusste der Herrscher von Kuba Fatali-Khan (1758-1789) zu vereinigen. Die ehemaligen Khane wurden entweder seine Vasallen oder wurden einfach „abgeldst" (beispielsweise in Derbent 1765). Fatali-Khan machte sich zum echten Schirwanschah und fiihlte sich so stark, dass er schlieBlich Anspriiche an den SchahThron des ganzen Staates anmeldete. Jedoch beendete, wie fast immer, der Tod die ehrsiichtigen Plane eines so herausragenden aserbaidschanischen Staatsmannes. Inzwischen waren die Tiirken-Kadscharen in Person des schrecklich wiitenden Herrschers und Heerfuhrers Aga-Muhammed an die Macht gekommen. Als er einen grausamen Feldzug (nach seinen eigenen Worten ein „schreckliches Gericht") in das nicht unterwiirfige Georgien untemahm, das sich langsam zu Russland hinwendete, litt auch Schemacha (1795) stark. Vor den aserbaidschanischen Khanaten stand die Frage, was man wahlen sollte: den Anschluss an das Kadscharenreich, oder sich wie Georgien Russland zu unterstellen? Die Mehrheit der Khane fuhrte eine doppelte Politik: scheinbar unterstellten sie sich der groBen Starke Russlands und unterhielten heimlich Verbindungen zu den Kadscharen. Dieses neue Spiel trat auch wahrend des Feldzugs der russischen Armee 1796 zutage, den Katharina II. unter der Leitung von W. Subow fuhrte. Aber noch deutlicher zeigte es sich in der Zeit des Kadscharisch-Russischen Krieges 1804 -1813. Deshalb loste Russland gleich zu Beginn dieses Krieges im Gegenzug das Khanat Kuba mit den von ihm abhangigen Stadten Derbent und Baku au f und machte im ehemaligen Arran dem untreuen Khanat Gjandscha ein Ende. Nach dem Frieden von Giilistan (12. Oktober 1813) traten die Kadscharen den ostlichen Transkaukasus an Russland ab. Das hinderte die nicht aufgelosten Khanate Scheki und Schemacha nicht daran, weiterhin geheime Beziehungen zu den Kadscharen zu unterhalten mit dem Ziel der Loslosung von Russland. Die russische Regierung, der das zur Kenntnis gelangte, schaffte die Khan-Regierung in den Khanaten 143 Scheki (1818) und Schem acha (1820) ab und fiihrte dort e in e russische M ilitarverwaltung ein.231 W ahrend des neuen Russisch-Kadscharischen Krieges (1826-1828) hatten die kadscharischen Truppen unter dem Kommando von A bbasMirsa anfanglich groBen Erfolg. Die vertriebenen Khane (M ustafaKhan von Schemacha und Hosein-Khan von Baku) kehrten u n ter Ausnutzung dieses Um standes in ihre friiheren Besitztiimer zuriick. Aber danach begannen die russischen Truppen siegreich zu werden, und im Frieden von Turkm antschai (10. Februar 1828) kam d e r Transkaukasus endgiiltig an Russland. 231 D om B. Versuch einer Geschichte der Schirwan-schahe. In: Memoires. Rossijskaja Akademija Nauk (Akadem ie der Wissenschaften Russlands), 1841. Serie VI., Band 4; Derselbe: Geschichte Schirwans unter den Statthaltem und Chanen von 1534 -1820, a.a.O., Band 5. 144 9. Der VorstoB Russlands in den Kaukasus und die Massenumsiedlung der Armenier in den Sudkaukasus im 19. und 20. Jahrhundert „Der Geschichtswissenschaftler wird von der Politik nicht gestort, wenn er sich nicht in ihrer Reichweite befmdet. Aber ist dies moglich? “ Schirokow Aleksandr In der zweiten Halfte des 16. Jahrhunderts wurde der Moskauer Staat nach der Einnahme von Kasan und Astrachan auf der ganzen Lange Beherrscher des grofiten Handelsweges von Europa nach Zentralasien, der Wolga. Das damalige Europa konnte nicht ohne einige asiatische Waren auskommen - hauptsachlich nicht ohne Seide, einer damals aufgrund einiger ihrer Hygieneeigenschaften strategischen Ware. Die Regierung in Moskau war bestrebt, den Seidenhandel zu ihrem Monopol zu machen und erlaubte niemandem in Astrachan Handel zu treiben, auBer den russischen Kaufleuten. Aber als das Kaspische Meer mit den umliegenden safawidischen Gebieten noch nicht unter russischer Kontrolle war, waren starke Konkurrenten im Seidenhandel die Osmanen, die in Derbent saBen und bis zum Ende des 18. Jahrhunderts ganz Dagestan vollig unter ihrer Kontrolle hatten, die gesamte Westkiiste des Kaspischen Meeres. Die Handelsinteressen veranlasste die russische Regierung, ihre Blicke von Astrachan nach Siiden zu lenken. Aber neben dieser Linie der Regierung verlief eine inoffizielle, jedoch auBerst intensive, Kolonialisierung des Nordkaukasus durch die Russen uber U m siedler- Kosaken von Don und Wolga. Schon um das Jahr 1590 siedelten die Kosaken am Terek so dicht, dass sich zwischen dem damaligen osmanischen Asow und dem osmanischen Derbent ein russischer Keil bildete, der diese beiden Besitztumer teilte. Dadurch kamen die Osmanen so in Bedrangnis, dass sie Moskau mit Krieg drohten. In der Zeit der Wirren (Ende 16.-Anfang 17. Jahrhundert) ffihlte sich das Tereker Kosakenheer so stark, dass es seinen eigenen Thronanwarter aufstellte, Zarewitsch Peter. Es kam so weit, dass die Moskauer Regierung Zars Michael Fjodorowitsch 145 Romanows (1596-1645)232 versuchte, die Tereker durch G eschenke auf ihre Seite zu ziehen. In der zweiten Halfte des 17. Jahrhunderts siedelten die K osaken nicht nur am Terek, sondem auch an der Sunscha (einem rechten Nebenfluss des Terek von Siiden), und sie errichteten ein „Stadtchen" in Dagestan selbst. Die entstandene Bezeichnung ,,grebenskie“ (greben = Bergkamm - Anm. d. Ubers.) Kosaken zeigt, dass die russische Kolonisierung nicht nur in den Niederungen verlief, sondem auch die ,,Bergkamme“, d.h. das Vorland der Kaukasuskette umfasste.233 Moskau begann die Kolonisierung der osmanischen Besitztiimer durch die Kosaken nach und nach zu unterstiitzen. Zu einer aktiveren Kosakenpolitik ging M oskau in den ersten Jahren des 18. Jahrhunderts uber. Noch vor dem Ende des Nordischen Krieges (1700-1721) beginnt Peter der GroBe einen W eg in den Kaukasus zu sondieren. Unmittelbar nach dem Ende des Schwedischen Krieges begann Moskau, einen Anlass fiir einen Krieg m it den Kysylbasch zu suchen und fand ihn auch bald miihelos: in Schemacha234 wurden russische Kaufleute beraubt und die m eisten von ihnen umgebracht. Der Kaukasus-Feldzug Peters des GroBen begann am 27. Juli 1722 und endete am 12. September 1723 (Peter war zu dieser Zeit schon lange in Moskau) mit der Niederlage des Safawiden-Staates, der durch den Krieg mit den Afghanen auBerordentlich geschwacht war, die zu diesem Zeitpunkt sogar die dam alige persische Hauptstadt Isfahan einnehmen konnten. Die Safawiden traten an Russland die gesamte kaspische Kiiste. Derbent, Baku, „und die Provinzen Giljan, Masandaran und Astrabad'1 ab. Aber eine praktische Folge dieses Vertrages war die Einmischung des Osmanischen Reiches, das die Bergbewohner Dagestans unter 232Zar ab 1613, erster Zar aus der Dynastie der Romanows, wurde von der Standeversammlung des Russischen Reiches gewahlt. Uber die “grebenskie“ Kosaken und ihre Rolle bei der Eroberung und Verteidigung des Kaukasus, vgl.: den Artikel von Nikolaj Markelow ..Gde ryskaet w gorach woinstwennyj rasboj (Wo umherstreift in den Bergen der krigerische Raub...“. Nowvj mir, 2007, Nr. 9, S. 122-127. 234Schemacha war beruhmt als Zentrum der Seidenzucht im Transkaukasus. spater fiir Weinbau und Teppichhandwerk, im 9.-16. Jahrhundert Hauptstadt Schirwans, Residenz der Schirwanschahs, ab Mitte des 18. Jahrhunderts Zentrum des Khanats Schemacha, kam 1805 zum Russischen Reich. 146 seinen Schutz genommen und mit seinen Truppen Georgien besetzt hatte. Zu einem Krieg mit dem Osmanischen Reich konnte sich Peter der GroBe nicht entschlieBen, und die Sache endete fur Russland nicht sehr ruhmreich mit der Teilung der ,,Einflussspharen“ nach dem Vertrag vom 12. Juni 1724. Ohne die Unterstutzung Georgiens und der Safawiden war Russland damals nicht in der Lage, die Eroberungen Peters zu halten, und 1735 verlieBen die Russen nicht nur Derbent und Baku, sondem auch die Festung des HI. Kreuzes am Fluss Sulak, d.h. sie zogen au f der Position der Zeit vor Peter dem GroBen ab. Fast 100 Jahre spater wiederholt sich nach dem Tod Katharinas der GroBen die Situation mit den russischen Eroberungen. In den 60 Jahren nach 1735 war die russische Politik im Kaukasus von den Beziehungen zum Osmanischen Reich bestimmt. Die Expansionsfront Moskaus drehte sich von Siidosten nach Siidwesten. Wahrend des ersten Tiirkenkrieges Katharinas der GroBen besetzten die Russen emeut Georgien und belagerten Poti, jedoch erfolglos. Wahrend des zweiten Tiirkenkrieges 1790 nahm Gudowitsch Anapa ein, das spater wieder abgetreten wurde und erst 1846 wieder zu Russland kam. Wahrend der Statthalterschaft Pawel Potjomkins, des Zwillingsbruders des Giinstlings von Katharina, wurde Wladikawkas erbaut und begann der Bau der Georgischen HeeresstraBe, die eine zentrale Rolle bei der russischen „Eroberung" des Transkaukasus spielte. Ganz am Ende des 18. Jahrhunderts wurde durch die unerwartete Erstarkung des Nachbarstaates unter dem Einfluss der neuen Kadscharen-Dynastie der Schwerpunkt der russischen Politik wieder auf den Transkaukasus verlagert. 1796 begann ein neuer Krieg mit dem Kadscharenstaat, der mit Unterbrechungen bis 1828 andauerte. Trotz der beachtlichen franzosischen (bis 1807) und englischen (von 1807 bis 1813) Militar- und Finanzhilfe verloren die Kadscharen diese militarischen Auseinandersetzungen. Die Epoche vom 18. Jahrhundert bis zum ersten Drittel des 19. Jahrhunderts - eine Epoche der Gebietsverluste des Osmanischen Reiches und des Kadscharenstaates - ist die Zeit des Niedergangs seiner politischen und militarischen Macht, eine Periode vieler Eroberungen Russlands im Transkaukasus und die Anfangszeit des GroBen Kaukasuskrieges (1817-1864).235 Dies ist die Zeit der 2,5Zur russischen Expansion in den Sudkaukasus, vgl.: Atkin M. Russia and Iran 1780 - 1828. Minneapolis 1980; Kazemzadeh E. Russian Penetration o f the 147 Erstarkung, der Bliite und des Verlustes der Unabhangigkeit der meisten selbststandigen oder autonomen Staatsgebilde: K hanate, Sultanate, Meliktiimer. Die groBten waren die Khanate Karabach, Kuba und Scheki. Die raumliche Trennung der aserbaidschanischen Staatsgebilde und der K am pf zwischen ihnen nutzten ihre m achtigen Nachbam Russland, der Kadscharenstaat (Persien) und das Osmanische Reich, fur ihre eigenen Ziele aus. Die aserbaidschanischen Khanate mussten standig zwischen diesen Machten lavieren und m iteinander Bundnisse von kurzer Dauer schlieBen. Unter Zar Alexander I. (Regierungszeit 1801-1825) fiihrte Russland erfolgreiche Kriege in verschiedene Richtungen: gegen Persien (1804 - 1813), das Osmanische Reich (1806-1812), Schweden (1808-1809) und Frankreich (1812-1814). Unter Alexander I. wurden Ostgeorgien (1801), Finnland (1809), Bessarabien (1812), eine Reihe aserbaidschanischer Khanate (1803-1813) und das Fiirstentum Warschau erobert. Fur seine Verdienste um Russland erhielt Alexander 1. den Beinamen „der Gesegnete“. 1804 forderte der Kadscharenstaat (Persien) Russland mit Ultimatum auf, seine Truppen aus dem Sudkaukasus abzuziehen. Russland weigerte sich, und so begann der Russisch-Kadscharische (Persische) Krieg (1804-1813), der mit der Niederlage des Kadscharenstaates (Persiens) endete. Die Rtickgewinnung der von Russland an der Schwarzmeerkiiste und im Kaukasus erworbenen Gebiete und das Zuriickdrangen des wachsenden russischen Einflusses im Balkan wurden auch vom Osmanischen Reich versucht. Der vom Osmanischen Reich begonnene Krieg (1806-1812) endete mit der Niederlage der Osmanen. Dies wurde im Frieden von Bukarest von 1812 festgeschrieben. In den ersten drei Jahrzehnten des neunzehnten Jahrhunderts verleibte sich Russland, wie bereits dargelegt, zahlreiche Khanate und andere Staatsgebilde des Sudkaukasus ein. 1801 schloss sich das Fiirstentum Kartli-Kachetien (Ostgeorgien) an Russland an. Das Konigreich Kartli hatte sich 1762 m it Kachetien vereinigt und wurde fortan Fiirstentum Kartli-Kachetien. Bereits 1783 schlossen Russland und das Fiirstentum Kartli-K achetien ein Abkommen, das das Caucasus. In: T. Hieczak (ed.): Russian Imperialism from Ivan the Great to the Revolution. New Brunswick 1974, p. 239-283. 148 Konigreich unter den Schutz Russlands stellte. Initiator des Vertrages von Georgijewsk war der georgische Konig Iraklij II. (1720-1798). Der Vertrag sicherte dem Fiirstentum Kartli-Kachetien die Autonomie in den inneren Angelegenheiten und Schutz im Kriegsfalle zu. Der Sohn von Iraklij II., Georgij XII. (1748-1800) legte dem russischen Zaren Pawel I. (1754-1801) nahe, das gesamte georgische Land unter seinen Schutz zu nehmen. 1803 wurde das Khanat Aw ar an Russland angegliedert (aufgelost 1864 nach Ende des GroBen Kaukasuskrieges).236 1803 - 1804 wurden Mingrelien und Imeretien an Russland angegliedert. In der gleichen Zeit leistete das Khanat Gjandscha unter der Fuhrung von DschawadKhan bewaffneten W iderstand gegen den Anschluss an Russland. 1805 wurde das Khanat Schirwan (Khan Mustafa)237 an Russland anschlossen, und von 1806 bis 1813 wurden unter dem Kommando der russischen Heerfiihrer Zizianow, Gudowitsch und KotIjarewskij23x die Khanate Baku und Gjandscha erobert. 1805 schloss sich unter Khan Selim das Khanat Scheki an Russland an, wo 1919 die Khanherrschaft abgeschafft wurde. 18051806 schlossen sich das Khanat Karabach unter Ibrahim Khalil-Khan und das Khanat Kuba unter Schah Ali-Khan an Russland an. 1811 gliederte sich Russland das Fiirstentum Gurija an, das bis 1828 die Autonomie in den inneren Angelegenheiten behielt.234 Nach dem Russisch-Kadscharischen (Persischen) Krieg 1804-1813 kamen au f der Grundlage des Friedensvertrages von Giilistan das :!,’Das Khanat Awar bestand rund 700 Jahre (1 2 ,-19. Jahrhundert). 1843-1859 kam das Khanat zum Imamat Schamil im Nordkaukasus. 2’ Vgl.: „Geschichte der Mongolen von Monch Magakija", Ubers. V. Patkanow. St. Petersburg. 1871, c. 23, 55; Orbeljan Stepanos. Istoritscheskaja oblast Sisakan (Der historische Oblast Sisakan). Ubers. O. Mkrttschan. Tiflis 1910. Ab dem 10. Jahrhundert war das Staatsgebilde Schirwan mit der Hauptstadt Schemacha das starkste im Gebiet von Nord-Aserbaidschan. Selbststandig wurde Schirwan 1748. Bis dahin befand sich Schirwan unter dem Einfluss des Saf'awidischen Reiches, dem beriihmten Staat der Kisilbasch". ;,fiKotljarewskij Pjotr Stepanowitsch (1782-1851), Infanteriegeneral (1826), seine Truppen schlugen die Kysylbasch am Fluss Araxes (1810), bei Aslandus, an der Furt uber den Fluss Araxes, (1812) und erstiirmten Lenkoran ^ (1813). 2!4Gurija ist eine der schonsten Regionen Westgeorgiens, die auf dem Gebiet der jetzigen Rayons Osurgetwskij, Gochataurskij und Lantschutskij liegt. Zeitweilig wurde auch Abchasien zum Fiirstentum Gurija gezahlt. 149 Khanat Derbent mit der Hauptstadt Derbent und das Khanat T alysch im Siidosten der heutigen Republik Aserbaidschan an der siidostlichen Kiiste des Kaspischen Meeres an Russland.240 Wie bereits gesagt, waren bereits 1796 russische Truppen im Khanat Derbent, zogen a b e r auf Befehl von Zar Pawel I. wieder ab. Gegen M itte des 19. Jahrhunderts fiel das Gebiet Nord-Aserbaidschan an Russland. An d er Stelle einiger Khanate und anderer aserbaidschanischer Staatsgebilde wurden zunachst die Gouvemements Schemacha und Elisawetpol geschaffen. Im anderen Teil der aserbaidschanischen Gebiete w urde das Gouvemement Irewan geschaffen. Der Vertrag von Giilistan bestatigte die Besetzung „der Khanate Karabach und Gjandscha, die spater in eine Provinz mit Nam en Elisawetpolskaja um gewandelt wurden, sowie der Khanate Scheki, Schirwan, Derbent, Kuba, Baku und Talysch als Eigentum des Russischen Reiches.“241 Der zweite Russisch-Kadscharische (Persische) Krieg (1826-1828) um Gebietszuwachs, Einflusssphare und die profitablen Handelswege im Siidkaukasus endete am 10. Februar (nach dem neuen Kalender am 22. Februar) 1828 mit dem Frieden von Turkmantschai. GemaB diesem Vertrag fielen an das „Russische Reich in seiner Gesamtheit das Khanat Eriwan auf beiden Seiten des Araxes sowie das Khanat Nachitschewan".242 Nach diesem Vertrag sollten auch die aserbaidschanischen Khanate am Siidufer des Flusses Araxes (Aras) an Russland angegliedert werden. Dies verhinderte jedoch die Diplomatic von Britannien, die eine Bedrohung ihrer Interessen im Nahen Osten seitens Russlands sah und die Russland zwang, diese Khanate an den Kadscharenstaat (Persien) abzutreten. Der Friede von Turkmantschai war nicht nur das Ende der militarischen Auseinandersetzungen zwischen Russland und dem Kadscharenstaat (Persien), sondern auch der Beginn der nachfolgenden neuen politischen und administrativen Politik der Integration der nordaserbaidschanischen Khanate in das Russische Reich. Ein 240Das Khanat mit der Hauptstadt Lenkoran war seit dem 18. Jahrhundert ein selbstandiges Staatsgebilde. 24lVgl.: Gosudarstwennyj istoritscheskij archiw Aserbajdschanskoj Respubliki (Staatliches Geschichtsarchiv der Republik Aserbaidschan), f. 202, op. 1. Bd. 25, S. 281-283 ob„ Art. 3. 242Vgl.: A.a.O., f. 02, op. 1, d. 71, S. 317-321, Artikel 3. 150 wesentlicher Bestandteil dieser Integrationspolitik war die Christianisierung der eroberten oder freiwillig angeschlossenen Gebiete. Der Vertrag von Turkmantschai enthielt spezielle Artikel, die die Massenumsiedlung von Armeniern aus dem Kadscharenstaat (Persien) und dem Osmanischen Reich in den Kaukasus, in das Gebiet der aserbaidschanischen und georgischen Khanate, Sultanate, Flirstentiimer und Konigreiche ermoglichten. Nach der Eroberung Nord-Aserbaidschans durch das Russische Reich wurden mit Erlass von Zar Nikolaus I. vom 21. Marz 1828 die Khanate Nachitschewan und Irewan aufgehoben und an ihrer Stelle eine neue Verwaltungseinheit unter dem Namen „Armenischer Oblast" gebildet, die von russischen Beamten verwaltet wurde. 1849 wurde dieses Gebiet jedoch in Gouvemement Irewan umbenannt. Danach begann die von der russischen Regierung geplante und allseits von ihr unterstiitzte Politik der Umsiedlung Tausender von Armeniern in den Kaukasus, unter anderem auch in das Gebiet des ehemaligen Khanats Karabach.243Die Umsiedlerstrome gingen auch nach Sangesur. Vor den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts lebten auf dem Gebiet des friiheren Khanats Karabach mindestens 18.000 Armenier. Insgesamt wurden zwischen 1828 und 1830 iiber 100.000 Armenier (Brissaud Alain spricht von 135.000 Umsiedlern) in den Siidkaukasus umgesiedelt.244 Fiir genauer halten wir die in der Quelle „Istoritscheskij pamjatnik sostojanija Armjanskoj Oblasti w epochu eja prisoedinenija к russkoj imperii" (Historisches Denkmal des Zustandes des Armenischen Gebietes in der Epoche seiner Angliederung an das Russische Reich) genannten Daten. Dieses Dokument wurde von Staatsrat I. Schopen, dem Leiter der Verwaltung der Einkiinfte und des Staatseigentums des Armenischen Oblast, auf Anordnung von G raf PaskewitschEriwanskij ab Anfang 1829 zusammengestellt und im Jahre 1852 in Sankt Petersburg veroffentlicht. Nach diesem Dokument wurden in das Gebiet des Khanats Irewan infolge des Russisch-Kadscharischen Krieges von 1826-1828 23.568 24,Vgl.: Constant Antoine. L’Azerbaidjan. Paris 2002, Editions Karthala, p. 3738. 244Brissaud Alain (in: Islam und Christentum. Gemeinsamkeit und Konfrontation gestern und heute. Albatros Verl. Dtisseldorf 2002, S. 280) spricht von 135.000. 151 Armenier und nach dem Russisch-Osmanischen Krieg von 1828 b is 1829 21.639 Armenier umgesiedelt. In das Khanat N achitschew an wurden nach dem Krieg mit dem Kadscharenstaat (Persien) 10.652 Armenier und nach dem Krieg m it dem Osmanischen Reich 27.000 Armenier umgesiedelt. In den Ordubadskij Kreis kamen rund 1.340 Armenier aus dem Kadscharenstaat (Persien). Somit betrug die Gesamtsumme der armenischen Umsiedler aus dem Kadscharenstaat (Persien) 35.560 und aus dem Osmanischen Reich 21.666, insgesamt 57.226 Personen. Als Ergebnis der Fortfuhrung dieses Kurses erreichte 1832 die Gesamtzahl der Arm enier in den genannten Provinzen 82.357 Personen.245 Dieser Autor zeigt auf, dass die Armenier, die sich bereits vor der Umsiedlung im Gebiet dieser Khanate befanden, Kolonisten aus dem Osmanischen Reich und dem Kadscharenstaat (Persien) „auch Siedler sind, die zu verschiedenen Zeiten und unter unterschiedlichen Umstanden hierher gekommen waren. Im Ubrigen, wenn m an wirklich alteingesessene Armenier unter ihnen sucht, so muss m an wahrscheinlich in die Dorfer Wagarschapat, Kulypy, Akulisy und in den Ordubadskij Kreis gehen“ .246 Der Staat Garagojunlu hatte zwischen 1429 und 1431 W agarschapat und viele andere Dorfer an die Armenier verkauft. Gerade in der Hoffnung auf diese Erwerbungen wird der armenische Patriarchenthron 1441 von Sisa (Kilikien) nach Etschmiadsin (Kaukasus) verlegt. Diese gekauften Dorfer werden die ersten Siedlungen von Armeniern im Kaukasusgebiet, deren Umsied­ lung in den Sudkaukasus erst Anfang des 19. Jahrhunderts massiv erfolgt.247 Die Armenier bildeten in den verstreuten Siedlungen nirgendwo eine vorherrschende kompakte Masse und waren iiber das gesamte Osmanische Reich verstreut. Mit solchen raumlich getrennten 24SVgl.: I. Schopen. Istoritscheskij pamjatnik sostojanija armjanskoj oblasti w epochu ego prisoedinenija к Rossijskoj imperii. (Historisches Denkmal der Schaffung des Armenischen Oblast in der Epoche seines Anschlusses an das Russische Reich) Tipografija Imperatorskoj Akademii Nauk, St. Petersburg. 1852, S. 637-642. 246A.a.O., S. 706-707. 247Vgl.: A. D. Papasjan. Agrarnye otnoschenija w Wostotschnoj Armenii w XV1-XVII wekach. (D ie Agrarbeziehungen in Ostarmenien im 16.- P . Jahrhundert.) Verlag Akademii Nauk Armjanskoj SSR, Eriwan, 1972, S. 114115. 152 Siedlungen waren sie auch a u f den Territorien der kleinen Staats­ gebilde Gara-gojunlu, Ag-gojunlu, der Safawiden, Nadir-Schahs, und danach auch den Khanaten Irewan und Nachitschewan vertreten. Aufgrund dieser geographischen Trennung waren die Armenier nicht in der Lage, einen Staat zu griinden: die kritische Masse einer staatsbildenden Bevolkerung reichte nicht einmal fiir den Besitz eines bestimmten, hinlanglich groBen Territoriums aus. Aber mit dem Auftauchen Russlands in der Region beginnen die Ereignisse durcheinanderzukommen, so dass sich in einem bestimmten Gebiet eine immer groBere Anzahl Armenier anzusammeln beginnt, was unweigerlich zu einer Reihe von Problemen fuhrte, auf die der groBe russische Schriftsteller und Diplomat A.S. Gribojedow schon in den friihen Etappen der Umsiedlung aufmerksam machte. Er schrieb: „... die Armenier werden groBtenteils in den Wohngebieten der Moslems angesiedelt... Die Moslems werden durch die Umsiedler eingeengt... W ir haben auch viele Uberlegungen angestellt, was wir den M oslems suggerieren sollen, damit sie sich mit der jetzigen Belastung abfinden, die nicht von langer Dauer sein wird, und um ihre Angst auszurotten, dass die Armenier sich fur immer des Landes bemachtigen wurden, in das man sie nun hineingelassen hat“.248 Die Befiirchtungen der ,,Muselmanen“ waren, wie wir heute wissen, nicht unbegriindet. Im Werk des amerikanischen Wissenschaftlers J. MacCarthy sind die folgenden Daten iiber die Besiedlung des aserbaidschanischen Landes im Sudkaukasus enthalten. In der Periode 1828-1920 wurden im V erlauf der Umsetzung der Politik, die auf die Umbildung der dcmographischen Struktur dcr Bevolkerung von Aserbaidschan abzielte, „mehr als 2 Millionen Moslems vertrieben und eine nicht bekannte Zahl getotet... Zweimal, 1828 und 1854, drangen die Russen nach Ostanatolien ein... und zweimal mussten sie wieder abziehcn, wobei sie 100.000 Arm enier in den Kaukasus mitnahmen, wo sie an Stelle von tiirkischen Aserbaidschanem , die emigriert oder gestorben waren, angesiedelt wurden. Im Krieg 1877-1878 nahm Russland den Rayon Kars-Ardagan ein, vertrieb die Moslems und siedelte dort 70.000 Armenier an ... Rund 60.000 Armenier zogen wahrend der Ereignisse der Jahre 1895-1896 in den russischen Kaukasus ... In der 24xVgl.: Aleksandr Gribojedow. Gore ot uma. Pisma i sapiski. (Verstand schafft Leiden (oder: Wehe dem Verstand). Briefe und Notizen), Baku 1989, S. 387. 153 Epoche des Ersten Weltkrieges zeichnete sich die Migration fast durch den gleichen Umfang aus: 400.000 Armenier aus Ostanatolien a u f 400.000 Moslems aus dem Kaukasus“. Nach Angaben dieses W issenschaftlers wurden von 1828 bis 1920 mindestens 660.000 Armenier nach Aserbaidschan umgesiedelt".249 Ein unmittelbar an diesen Ereignissen Beteiligter beschrieb diese sehr ausfiihrlich: „...von 1828 bis 1830 siedelten wir iiber 40.000 persische und 84.000 tiirkische Armenier in den Transkaukasus urn und siedelten sie auf dem besten staatlichen Land in den Gouvernements Elisawetpol und Eriwan an, wo die arm enische Bevolkerung verschwindend gering war (Unterstreichung von m ir J.R.), sowie in den Ujesden Tiflis, in Bortschala, Achalza und Achalkalak.250 Fiir die Siedlungen wurden ihnen iiber 200.000 24,Justin McCarthy. Armenian Terrorism: History as Poison and Antidote. Ankara, Ankara University Press 1984, pp. 85-94. 250Die Stadt Achalkalaki wurde der Uberlieferung nach vom ersten georgischen Konig Farnnaos gegriindet, wurde im 15. Jahrhundert zerstort und wurde im 18. Jahrhundert zu einer bedeutenden osmanischen Festung. Im Mai 1807 versuchte Graf Gudowitsch sie zu ersturmen, aber die Festung widerstand. Im Jahre 1810 schlug General Tormasow bei Achalkalaki groBe osmanische Streitkrafte. 18 2 1 wurde die Festung bei einem unerwarteten Einfall von Oberst Kotljarewskij eingenommen, aber an die Osmanen zuriickgegeben. Wieder wurde sie von den Truppen des Grafen Paskewitsch im Jahre 1828 eingenommen und zusammen mit dem Kreis vor 1918 an Russland angegliedert. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurden im Kreis 253 Khane. Beys und Agalare gezahlt. Die Stadt Achalzich (georgisch: Achalziche, d.h. „neue Festung". aserbaidschanisch Achiska). Friiher war Achalzich Hauptstadt des georgischen Oblasts Samzche oder Semo-Kartli (d.h. Oberes Kartli). In der ersten Halfte des 19. Jahrhunderts wurde Sarkis II. (1306-1334) unabhangiger Herrscher von Samzche und nahm den osmanischen Titel Atabek an. infolgedessen das Gebiet Saatabago (d.h. Besitztiimer des Atabeks) genannt wurde. 1579 fiel Achalzich unter die Herrschaft der Osmanen, und 1625 forderten die Tiirken von Herrschern die Annahme des Islam, in der zweiten Halfte des 17. Jahrhunderts begannen die Osmanan ihre eigenen Paschas zu emennen. Auf Jahrzehnte wurde Achalzich zum Hauptsklavenmarkt in der Region, dem die Lesginen gefangene Christen lieferten. Bei den ZusammenstoBen von Russland mit dem Osmanischen Reich gab es bei Achalzich wiederholt schwere Kampfhandlungen. Im November 1810 belagerte eine Einheit unter dem Kommando von General Tormasow die Festung, war jedoch durch groBe Verluste, die die Truppen erlitten und die auftretende Pestepidemie zum Riickzug gezwungen. Im August 1828 bewegte sich Graf Paskewitsch auf Achalzich zu, schlug bei seinen Mauem die dorthin geeilten osmanischen Truppen und erstiirmte nach einigen Tagen Belagerung die Festung, trotz des 154 Dessjatinen Staatsland zugewiesen und von den Moslems wurde fiir iiber 2.000.000 Rubel Privatland gekauft. Der bergige Teil des Gouvernements Elisawetpol und das Ufer des Goktscha-Sees (heute Sewan-See) wurden von diesen Armeniern besiedelt. Man muss bedenken, dass auf die 124.000 offiziell umgesiedelten Armenier auch eine Vielzahl nichtoffizieller hierher kam, so dass die Gesamtzahl der Umsiedler 200.000 Personen weit iibersteigt. Nach dem Krimkrieg (1853-1856 - J.R.) siedelt sich wieder eine nicht genau erfasste Anzahl Armenier an. Die Periode 1864 bis 1876 ist von unserer verstarkten Tatigkeit zur Besiedelung der Schwarzmeerkiiste durch Armenier und Griechen, die auf Kosten der Staatskasse aus Kleinasien kommen, gekennzeichnet ... Den Neuankommlingen wird das beste Staatsland zugewiesen. Der gluckliche Ausgang des osmanischen Krieges 1877-1878 bescherte uns einen ganzen Strom von Neuankommlingen aus Kleinasien: in den Karskaja Oblast251 ziehen rund 50.000 Armenier und rund 40.000 Griechen, und der seither fast menschenleere Oblast erhalt eine recht groBe auslandische Bevolkerung. AuBerdem bringt General A. Tergukasow zu uns in den Ujesd Surmala 35.000 Wagen mit osmanischen Armeniern, die auch bei uns bleiben. Danach beginnt ein nicht abreiBender Strom von Armeniern aus Kleinasien, die als Einzelpersonen und als Familien umsiedeln. In noch groBerem Umfang beginnt die Umsiedlung der Armenier wieder in der Periode 1893-1894, wahrend der armenischen Unruhen in der Tiirkei. Bei Ankunft des neu ernannten Oberkommandierenden Fiirst erbitterten Widerstandes der Garnison. Besonders zeichnete sich bei dieser Erstiirmung das Schirwansker Infanteriebataillon aus. Auch in den nachfolgenden Jahrzehnten zeichnete sich dieses Bataillon durch herausragende militarische Erfolge aus. Es spielte zum Beispiel eine herausragende Rolle beim Sturm von Gunib und bei der Einnahme von Schamil am 25. August 1859. 24 Kars ist eine Stadt im Nordosten des Osmanischen Reiches. Ab dem 16. Jahrhundert, wahrend der Russisch-Tiirkischen Kriege des 19. Jahrhunderts belagerten und eroberten russische Truppen die osmanische Festung in den Jahren 1828 und 1855, und 1877 erstiirmten sie sie. 1878-1918 gehort Kars zu Russland, 1921 zum Osmanischen Reich. Von 963 bis 1064 existierte das von Byzanz halbunabhangige Konigreich Kars (der Bagratidenstaat), das von armenischen Fursten (Konigen) regiert wurde und das vollig unter die Herrschaft von Byzanz kam in Verbindung mit dem Einfall (1064-1065) der Tiirken-Seldschucken. 155 G.S. Golizin 1897 im Kraj waren es nicht wie 1894 nur 10.000 Armenier, die ankamen, sondem rund 90.000... von den 1.300.000 nun im Transkaukasus lebenden Armeniem, sind iiber 1.000.000 Menschen keine alteingesessenen Bewohner des Krai und wurden v o n uns angesiedelt (Unterstreichung von mir - J.R.)“ .252 Unter „altein ­ gesessenen Arm eniem 11 wurden die kaukasischen christlichen A lbaner verstanden, die sich nach konfessionellen Merkmalen als A rm enier eingetragen hatten und oft fur Armenier gehalten wurden. Tatsachlich kann man zu den „alteingesessenen11Armeniem nur diejenigen zahlen, die im 15. Jahrhundert in die von den Armeniem erworbenen D orfer hierher zogen (s. oben - J.R.). Der Erste W eltkrieg pragte auch den weiteren Zuwachs der A nzahl der arm enischen Umsiedler. So ubersiedelten 1914-1916 noch einm al 350.000 Arm enier in den Kaukasus.253 Infolge dieser M assenumsiedlerstrome stieg die Anzahl der Armenier im Gouvernement Eriwan 1916 au f 669.871 an. Das Territorium des Gouvemements Eriwan bestand aus den ehemaligen Khanaten Eriwan und Nachitschewan. Es diente als Basis fiir die Schaffung des ersten armenischen Staates im Kaukasus, der Republik Armenien, die durch Sowjet-Armenien abgelost wurde, 1991 in die jetzige Republik Armenien um benannt.'''4 So wurde au f dem Weg der planmaBigen Massenumsiedlung, die von der m ssischen Regierung finanziert wurde, der geographische Boden fur die Griindung eines armenischen Staates auf kaukasischen Gebieten, die den Arm eniem nie gehort haben, geschaffen. Zu Fragen der Umsiedlung wurde ein Sonderausschuss geschaffen. In Karabach wurden fiir die Umsiedler mit Regierungsmitteln neue Ortschaften geschaffen: Maragali, Dachanjatag, Juchari Tschajli, 252Vgl.: N.N. Schawrow. Nowaja ugrosa russkomu delu w Sakavvkase. Predstojaschtschaja rasprodascha Mugani inorodzam (Die neue Bedrohung der russischen Sache im Transkaukasus. Der bevorstehende Ausverkauf von Mugan an Auslander) Tipografija Redakzii perioditscheskich isdanij Ministerstwa Finansow (Typographic der Redaktion der periodischen Ausgaben des Finanzministeriums), St. Petersburg, 1911, S. 59-60. " Istorija armjanskogo naroda. (Geschichte des armenischen Volkes) Verlag der Universitat Erewan, Eriwan, 1980, S. 268. 254Vgl.: Kawkasskij kalendar na 1917 god (Kaukasischer Kalender fur 1917). Typographie des Konzeljarii des Statthalters S.K.H. im Kaukasus, Tiflis. 1916, S. 219. 156 Aschagi Tschajli u.a.255 Der in den Siidkaukasus strebende, immer starker werdende Strom von Armeniem, die gute Chancen auf Einbiirgerung in den neuen Territorien hatten, war von einer Intensiviemng der Probleme zwischen den Neuankommlingen und der alteingesessenen Mehrheit der moslemischen Bevolkerung begleitet. Ab 1840 gehorte das Territorium von Karabach zum neuen Kaspijskaja Oblast und ab 1846 zum Gouvernement Schemacha (danach zu Baku). Als in den aserbaidschanischen Gebieten das Gouvernement Elisawetpol geschaffen wurde, kamen dazu auch zwei Rayons (Ujesde), der Schuschinskij und der Sangesurskij Rayon, die ehemals zum Khanat Karabach gehort hatten. 1849 wurde die erst kurz zuvor geschaffene Armenische Oblast umgebildet. An seiner Stelle wurden die Gouvemements Eriwan und Nachitschewan und der Kreis Ordubad geschaffen. Die meisten Bewohner dieser administrativen Einheiten waren Moslems, hauptsachlich Aserbaidschaner. Bemerkenswert ist auch die Tatsache, dass schon 1827, d.h. ein Jahr vor der Auflosung der Khanate Nachitschewan und Eriwan, eine „Ubergangsregierung der Oblast11 (gemeint ist der Armjanskaja Oblast - J.R.) geschaffen worden war, der auch der armenische Bischof Nerses Aschtarakskij angehorte.256 Mit Unterstiitzung der russischen Regierung wurden iiber die Entziehung der kirchlichen Autonomie der christlichen Albaner auch alle ehemaligen albanischen Meliktiimer zielgerichtet „armenisiert11 und „christianisiert11. Die armenische Seite steilt die Geschichte von Karabach und seine gegenseitigen Beziehungen mit den umliegenden Machten ganz anders dar. Ich gestatte mir ein langeres Zitat aus einem autoritativen halboffizieilen Sammelband: „Die Bergregion Karabach, die oft mit dem aserbaidschanischen Namen Arzach genannt wird, gehorte zur alten armenischen Provinz Arkaz und war vom Mittelalter bis zur 2' - Selinskij S. P. Ekonomitscheskij byt gosudarstwennych krcstjan Sangesurskogo uesda Elisawetpolskoj gubernii. (Das wirtschaftliche Leben der staatliclien Bauern des Ujesd Sangesur des Gouvemements Elisawetpol) Tiflis 1886; Glinka, S.N. Opisanie pereselenija armjan aserbajdschanskich w prcdely Rossii. (Beschreibung der Umsiedlung der aserbaidschanischen Armenier nach Russland.) Moskau 1831. 2y’Vgl.: Griboedow A. S. Sobranie sotschinenij w dwuch tomach, (Gesammelte Werke in zwei Banden) Verlag “Prawda”, Moskau 1971, Bd. 2, S. 94; The Modern Encyklopedia o f Russian and Soviet Literatures, Acad. Inter. Press, 1989, V ol.9, pp. 59-63 Glinka..., S. 110. 157 Neuzeit die letzte Bastion der armenischen Unabhangigkeit. Von Anfang des 17. Jahrhunderts, als die Perser der Tiirkei Ostarm enien endgiiltig abnehmen konnten, entdeckten sie auf dem Territorium dieser natiirlichen Festung eine bewaffnete Bevolkerung, die ihre Fiihrer so stark unterstutzte, dass die Perser es vorzogen, funf von ihnen den Status eines Meliks zu geben und mit diesem Status autonome Dynastien, die die Meliktiimer nach eigenem Gutdunken regieren konnten. Ermutigt durch den siegreichen Feldzug Peters des GroBen 1722 nach Baku vermochten die Meliks lange Zeit unabhangig zu bleiben. Nachdem sie erneut unter persische Herrschaft gefallen waren, horten sie nicht auf, auch weiterhin au f die Ankunft der Russen zu hoffen. Letztere besetzten auch tatsachlich 1797 Georgien und von 1804 bis 1806 den ostlichen Transkaukasus. Inzwischen schlossen die durch diese Offensive der Russen gegen das Konigreich Georgien und dessen Annexion durch sie beunruhigten Englander einen Biindnisvertrag mit Persien. 1802 beauftragte Bonaparte den Diplomaten Sebastiani, Verhandlungen iiber die M oglichkeiten eines ttirkisch-franzosischen Freundschaftsvertrages zu fiihren. AuBerdem sandte er Emissare nach Persien in der Absicht, die Perser davon zu iiberzeugen, dass Russland mit Hilfe Frankreichs aus dem Transkaukasus vertrieben werden konne. Und tatsachlich konnte die Festung Eriwan aufgrund der vom franzosischen Armeeingenieur Verdell ergriffenen MaBnahmen die Belagerung des russischen Heerfiihrers Gudowitsch im Jahre 1808 iiberstehen. W enn auch die Vertreibung der Russen nicht gelang, so doch wenigstens die Verzogerung ihrer Offensive in den Kaukasus. Dennoch waren die Perser nach der Niederlage Napoleons in Russland gezwungen, auf der Grundlage des Vertrags von Gulistan von 1813 die Herrschaft der Zaren iiber die eroberten Territorien anzuerkennen. Im Jahre 1826 fiel Abbas M irsa, der alteste Sohn von Fath AliSchah, der den musulmanischen Aufstand im Transkaukasus unterstiitzt hatte, wieder in die Berge von Karabach ein. General Paskewitsch, der Vizekonig des Kaukasus, nahm mit Hilfe des Armeniers Madatow und einer Gruppe ortlicher Partisanen, die von den Predigten von Nerses Aschtarak angefeuert waren, die Festung Eriwan ein und eroberte die Araxes-Niederungen, die die Perser im Vertrag 158 von Turkmantschai von 1828 als zu Russland gehorend anerkannt hatten“ .257 W enn der Leser den Inhalt dieses Abschnittes mit den Ausfiihrungen in den vorhergehenden Studien vergleicht, wird auch er nur schwer sagen konnen, was in dem Abschnitt uberwiegt gewissenhafte Irrtiimer, Unwissen, willkiirliche Interpretation der Fakten, Verschweigen oder schlicht Propaganda. Es geht hier nicht einmal um die sprachlichen Besonderheiten des Abrisses („fiel in die Berge von Karabach ein“(!), „Vize-Konig des Kaukasus" (!!)). Durch einige geschichtliche Auskiinfte zu diesem seltsamen halboffiziellen armenischen Text werden, wie ich hoffe, die „Irrtiimer" seines Autors aufgeklart. 1. Nach der glanzenden Herrschaft Schah Nadirs begannen im Land die Wirren, wahrend derer die Regenten verschiedener Gebiete M achtkampfe fiihrten. Unter diesen Wirren tat sich der schon betagte Kerim-Khan aus dem Geschlecht der Sendiden hervor und griindete innerhalb kurzer Zeit die Dynastie der Sendiden. Dieser Kerim-Khan (1760-1779) rechnete erfolgreich sowohl mit Freunden ab, als diese begannen, ihm seine Erfolge zu neiden, als auch mit Feinden, die auf seinen Tod sannen. Nach dem Tod des Regenten Masanderan Muhammed-Khan aus dem Kadscharengeschlecht machte sich Kerim-Khan das gesamte Land untertan, raumte fur eine Zeit die inneren Streitigkeiten aus und machte Schiras zu seiner Hauptstadt. Nach dem Tod Kerim-Khans folgte ein Jahrzehnt des Kampfes um die oberste Macht, bis schlieBlich der letzte Khan aus der Sendiden-Dynastie, Ljutari-AliKhan 1795 im Kam pf gegen den Kadscharen Aga-Muhammed-Khan (einem Sohn des masanderanischen M uhammed—Khan, der von Kerim-Khan ermordet worden war) fiel, der die neue Dynastie dcr Kadscharen begriindete, die bis 1925 bestehen blieb. Abbas Mirsa (1783- 1833 ), kadscharischer Prinz, zweiter Sohn Fath Ali-Schahs. Da die Mutter des zweiten Sohnes von kdniglichem Geschlecht war, bestimmte der Schah ihn zu seinem Thronfolger („W aliahd") und schloss damit den alteren Bruder Muhammad-Ali Mirsa, dessen M utter eine griechische Sklavin war, von der 257V gl.: Armenien. Wiederentdeckung einer alten Kulturlandschaft. Berlin 1995, S. 15-16. Der Sammelband enthalt je ein Vorwort der Prasidenten von Armenien (Lewon Ter-Petrosjan) und von Deutschland (Roman Herzog), was auch erlaubt, ihn als halboffiziell zu betrachten. 159 Thronfolge aus. Insgesamt hatte Fath Ali-Schah 150 Sohne. Schon in friiher Jugend, als Statthalter von Aserbaidschan und faktischem Herrscher iiber das gesamte Land, war er bestrebt, mit Hilfe der Europaer seine eigene Armee aufzubauen. Wahrend der RussischPersischen Kriege 1811-1813 fuhrte er die kadscharische Hauptarm ee an, war jedoch im Krieg erfolglos. Nach dem Frieden von Giilistan (12.10.1813) verlor der Kadscharenstaat (Persien) nicht nur seine Besitztiimer im Kaukasus, sondem musste auch der russischen Kriegsflotte Zugang zum Kaspischen M eer geben. Der zweite Russisch-Kadscharische (Persische) Krieg (1826-1828) wurde von Fath A li-Schah begonnen, weitgehend unter dem Einfluss von Abbas Mirsa, der wieder einen Feldzug anfuhrte und wieder gegen Ermolow und Paskewitsch eine Niederlage erlitt. Diese Niederlage wurde im Frieden von Turkmantschai (1828) festgeschrieben, nach dem der Kadscharenstaat (Persien) alle seine Besitztiimer im Osten des Siidkaukasus - die Khanate Eriwan und Nachitschewan verlor. Mit A bbas-M irsa verhandelte die russische diplomatische Vertretung unter der Leitung von S.I. M asarowitsch, und unter M itwirkung von A.S. Gribojedow. Die Umsiedlung der Arm enier nach Berg-Karabach wurde 1978, zum 150. Jahrestag der Umsiedlung, durch die Errichtung und feierliche Enthiillung des Denkmals in Agdara (jetzt Mardakert) begangen. Nach Beginn des Berg-Karabach-Konfliktes wurde dieses Denkmal Ende der 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts geandert, so dass der Grund seiner Errichtung schwer verstandlich wurde.258 M it den territorialen und demographischen Anderungen der Regierung des Zaren wurden wichtige auBenpolitische Ziele verfolgt die Schaffung eines strategischen Aufmarschraums an den Grenzen zum Nahen Osten, Hauptstiitzpunkt der russischen Herrschaft im Siidkaukasus, Kontrolle iiber die regionalen Handelswege von Siiden nach Norden und von Osten nach Westen und iiber einen groBen Teil des Kaspischen Meeres. Da die Georgier - der groBte Teil der 258Vgl.: The series o f „The true facts about Garabagh" Brief Information o f the history o f Garabagh. Baku 2005, p. 9. Die Umsiedlung von Armeniern aus dem Kadscharenstaat und dem Osmanischen Reich wurde auch in der Erklarung des AuBenministeriums der USA im April 2001 vor dem Beginn der Verhandlungen Aserbaidschan und Armenien in Key West, Florida erwahnt. 160 christlichen Bevolkerung des Siidkaukasus - vom Standpunkt Moskaus aus nicht sehr zuverlassige Verbiindete waren, beschloss die Regierung Russlands auch die Stimulierung der Umsiedlung der Armenier aus dem Kadscharenstaat (Persien) und dem Osmanischen Reich in den Siidkaukasus. Dadurch konnte man hoffen, mit der Zeit ein Ubergewicht der christlichen Bevolkerung iiber die Anhanger des Islam und anderer Religionen zu erreichen. Die Armenier brauchten mehr als alle anderen ethnischen Gruppen wahrend der Unruhen und Krisen einen starken Schutz, und von ihnen konnte dafiir dankbare und treue Untertanigkeit erwartet werden. Die Forschungen bekannter Historiker iiber die demographischen Veranderungen in der siidkaukasischen Region belegen: “Vor den russischen Eroberungen machten die Armenier rund 20% der Gesamtbevolkerung (der Region - J.R.) aus und die Moslems 80%; nach den russischen Eroberungen wurden rund 57.000 Armenier hierher umgesiedelt. Schon 1828 stellten die Armenier fast die Halfte der Bevolkerung." 259 Der Zustrom zahlreicher Armenier, die intensiv und mit Hilfe der russischen Regierung Land von der ortlichen moslemischen Bevolkerung kauften, ftihrte an vielen Orten ihrer Zerstreuung zur interethnischen und interreligiosen Spannung. Viele Jahre und Jahrzehnte war diese Spannung nur potentiell eine Bedrohung fiir den sozialen Frieden in der Region. Die armenische Bevolkerung wurde im Gegensatz zu den Russen oder den deutschen Landsleuten, die hier ebenfalls siedelten und von der Regierung Hilfe erhielten, eher von der ortlichen Bevolkerung als Landsleute aus dem :y,Vgl.: Boumoutian G. A.: The Ethnic Composition and the Socio-Economic Condition o f Eastern Armenia in the First Half o f the Nineteenth Century. In: Suny R. (i. (ed.): Transcaucasia. Nationalism and Social changc. Ann Arbor 1983, p. 79; Derselbe: Eastern Armenia in the Last Decades o f Persian Rule, 1807-1828, A Political and Socio-Economic Study o f the Khanate o f Erivan on the Eve o f Russian Conquest. Malibu, Calif. 1982; Glinka S. Opisanie percselenija armjan aserbajdschanskich w predely Rossii. (Beschreibung der Umsiedlung der aserbaidschanischen Armenier nach Russland.). Moskau 1831. In Elisawetpol machten auch gegen 1911 die iiberwaltigende Mehrheit der Bewohner-45.000 von der Gesamteinwohnerzahl (59.000) der Hauptstadt des Gouvernements Aserbaidschaner aus. Von einer Gesamtbevolkerung des Gouvernements Elisawetpol machten die Aserbaidschaner 61% aus, die Armenier 33%, Vgl.: Nowyj enziklopeditscheskij slowar, (Neues enzyklopadisches Worterbuch), Brockhaus -Efron, St. Petersburg 1914, Bd. 11a, S. 456, 459. 161 wohlbekannten Nahen Osten aufgenommen. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts verscharften sich die Beziehungen zwischen den Arm eniem und den Aserbaidschanem jedoch allmahlich und w urden in vielerlei Hinsicht antagonistisch. Selbst im Bereich der Kultur und der Religion wurde es imm er schwieriger, uber die vergangene Toleranz zu sprechen. Der Strom der Armenier in den Sudkaukasus wuchs im 19. Jahrhundert auch nach jedem Krieg zwischen R ussland und dem Osmanischen Reich weiter an. Das geschah nach dem Krimkrieg von 1853-56, nach dem Krieg von 1876-78 sowie nach den antiarmenischen Pogromen, die von den kurdischen Stammen unter Sultan A bdul-H am id II. im Osmanischen Reich in den Neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts durchgefuhrt wurden. Um diese Zeit waren, wie ausgewahlte statistische Daten belegen, rund 900.000 Arm enier im Siidkaukasus.260 10. Die widerstreitenden Interessen der europaischen Machte in der zweiten Halfte des 19. - Beginn des 20. Jahrhunderts und die armenische Frage Ende des 18. bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts verlief die russische Expansion, wie bereits ausgeffihrt, in Richtung Osmanisches Reich und Kadscharenstaat. Einer der Griinde dieser Bewegung war das Anziehen der christlichen Bevolkerung in die neu erworbenen kaukasischen Gebiete. Die vereinzelten Auseinandersetzungen zwischen Christen und M oslems waren fiir Russland nicht seiten ein erwiinschter Anlass fiir die Einmischung und Annexion einiger Gebiete. Nicht ausgeschlossen war auch die Provokation dieser Auseinandersetzungen, die insgesamt fiir jedes Land durch innere Griinde bedingt sind, durch bestim m te Krafte in Russland. Anfangs war die russische Expansion a u f traditionell ,,iranische“ Gebiete gerichtet, danach auf das Osmanische Reich, m it dem Russland seit 1828 eine gemeinsame Landgrenze hatte. Obwohl Russland den iibersiedelten armenischen Christen keinerlei Autonomierechte versprach, nahm ihre Um siedlung in das wieder an Russland angeschlossene Gebiet immer groBere AusmaBe an, und die Armenier empfanden sie als Segen. Das armenische Volk, das viele Jahrhunderte lang keinen Staat hatte, beginnt ab der Mitte dieses Jahrhunderts wieder die erstorbenen Hoffnungen auf die Schaffung einer nationalen Autonom ie oder eines unabhangigen Staates zu nahren. Diese Hoffnungen verstarkten sich in der zweiten Halfte des neunzehnten Jahrhunderts insbesondere nach der Niederlage des Osmanischen Reiches im Russisch-Osmanischen Krieg von 1877-1878 und der Schwachung des Osmanischen Reiches nach dem Verlust des Balkans. Es wurde davon ausgegangen, dass eine armenische Autonomie oder ein autonom er Staat gerade auf dem Territorium des Osmanischen Reiches geschaffen wurde, wo immer noch mehr Armenier wohnten als in jedem anderen Land. GroBe Bedeutung fiir das Verstandnis der jetzigen armenischaserbaidschanischen Auseinandersetzung hat die sogenannte arm e­ nische Frage, die in der zweiten Halfte des 19. Jahrhunderts auftauchte. Ab Mitte der 50er Jahre nahmen unter Sultan Abdul- 260Vgl.: Isarow N. I. Nowaja ugrosa russkomu delu w Sakawkasje. (Die neue Bedrohung der russischen Sache im Transkaukasus) Sankt-Petersburg 1911. S. 59-61; Swetochonski, Tadeusz: Der Streit um Berg-Karabach..., S. 162. 163 Medschid261 im Osmanischen Reich europaische und am erikanische Missionare ihre Arbeit auf, die nicht nur fur die osm anische Regierung Probleme schufen. Sie zersplitterten faktisch die bis dahin a u f religioser Ebene homogene armenische Gemeinde. N ach Einschatzung armenischer Autoren hatte nichts einen solchen zerstorerischen Einfluss auf das Bewusstsein der arm enischen Identitat wie die Einfflhrung des Katholizismus und Protestantism us bei ihnen. Frankreich und Osterreich verteidigten die Katholiken. GroBbritannien und die USA unterstiitzten die Protestanten. Russland unterstutzte die Christen der monophysitischen Arm enischen Apostolischen Kirche. Diesem Verhalten der damaligen GroBmachte lagen wichtige geostrategische Uberlegungen und Interessen zugrunde. Russland schickte sich an, die Armenier fur den Zugang zu neuen warmen Meeren zu nutzen und a u f den Landwegen streckenweise GroBbritannien von Indien zu isolieren. GroBbritannien benutzte die protestantischen Armenier zum Schutz seiner Landwege nach Indien und zur Bremsung der Expansion Russlands und Frankreichs in dieser Richtung. Fiir die Franzosen waren die katholischen Arm enier fiir die eigenen Interessen im Nahen Osten erforderlich. Und zusammen strebten alle diese europaischen Machte unter dem Anschein der Verteidigung der religiosen Rechte der Christen und der Arbeit ihrer Missionare tatsachlich die Einnahme eines Teils des Territoriums des schwachelnden Osmanischen Reiches an. Diese Interessen und die Bestrebungen der europaischen GroBmachte nutzte der radikale Teil 261 Abdul-Medschid war (seit 1. Juli 1839) der 31. Sultan des Osmanischen Reiches. Er war von der westlichen Kultur sehr beeindruckt und erlieB am 3. November 1839 den sogenannten Chatti-scherif (Erlass), nach dem alien tiirkischen Untertanen der gleiche Schutz zugesagt wurde und der Sultan auf das alte Sultansrecht verzichtete, iiber den Besitz und das Leben seiner Untertanen zu verfugen. Die Niederlagen der Russen im Krimkrieg sollten dem Osmanischen Reich als Mitglied der antirussischen Koalition bestimmte Vorteile bringen. Aber dies geschah nicht, und der Pariser Vertrag vom 30 Marz 1856, der nicht nur auBere, sondem auch innere Ruhe versprach. war weder fur die Christen des Reiches noch fiir die Moslems befriedigend. In Bosnien, Bulgarien und Albanien brachen Aufstande auf und im Libanon und in Damaskus kam es zu blutigen antichristlichen Ausschreitungen. Als im gleichen Jahr 1858 der Bankrott der Staatskasse des Sultans bekannt wurde. war die Autoritat des 31. Sultans endgultig zerstort; er starb 1861. 164 der armenischen Fiihrer dazu, ihre eigenen politischen Ziele zu verwirklichen. Da die rechtlichen Auswirkungen des Russisch-Osmanischen Krieges 1877-1878 Jahre eine direkte Beziehung zum starken Wiederaufleben der Hoffnung der Armenier auf die kulturelle oder sogar die staatliche Autonomie innerhalb des Osmanischen Reiches hatten, wollen wir darauf naher eingehen. Der Armenische Patriarch Nerses Warschabotjan traf sich zwischen dem 12. Dezember 1876 und dem 20. Januar 1877 in Istanbul mit dem britischen Botschafter Elliot und versicherte ihm, dass die Armenier erforderlichenfalls zu einem Aufstand bereit waren, um die Sympathie und die Unterstiitzung der europaischen Machte zu erringen. Die Frage ist: Aufstand gegen wen? Gegen den eigenen Staat, in dem die Armenier seit Jahrhunderten oder Jahrzehnten lebten. Der Patriarch traf sich auch mit dem Oberbefehlshaber der russischen Armee, Grofifiirst Nikolaj, um ihn zu ersuchen, einen unabhangigen arm enischen Staat auf dem Territorium des Osmanischen Reiches (seiner sechs ostlichen Provinzen) zu schaffen. Worum hat er ersucht? Dass eine auslandische Macht dem Staat, in dem die Armenier lebten, einen wesentlichen Teil seiner Gebiete abnehmen solle. Der GroBfurst unterstutzte natiirlich die Illoyalitat der Armenier, fur die auch Patriarch Nerses sprach, gegeniiber den Osmanen. Wie darauf das Osmanische Reich und die Mehrheit dieser ,,Osmanen“ reagieren sollten, ist unschwer vorzustellen: wie jeder Staat auf die Besetzung eines Teils seines Territoriums reagiert. In dem am 31. Januar 1878 zwischen dem Osmanischen Reich und Russland in Edirn (Andrianopol) geschlossenen Friedensvertrag war nur von den Balkanlandern die Rede und wurde nichts iiber die Armenier gesagt. Die armenische Frage fand im vorlaufigen Friedensvertrag von San Stefano (3.3.1878) Ausdruck, in dessen 16. Artikel erstmals in einem internationalen Pakt das W ort ,,Armenien“ benutzt wird. Nach diesem Vertrag erhielt Russland Batumi, Ardagan, Kars, Bajaset und die Alaschkert-Ebene.262 262Vgl.: Den vorlaufigen Friedensvertrag von San Stefano vom 19. Februar / 3. Marz 1878. Sbomik dogoworow Rossii s drugimi gosudarstwami 1856-1917. (Sammlung von Vertragen Russlands mit anderen Staaten 1856-1917) Moskau, Gosudarstwennoe isdatelstwo polititscheskoj literatury. 1952, S. 159-175. 165 Was geschah denn einen M onat spater zwischen dem genannten Frieden und dem Vertrag? Es erfolgte das Ersuchen des Patriarchs von Konstantinopel, N. W arschapetjan am 1. Februar 1878 an die russische Delegation, in dem er „ersuchte, den Arm eniem die gleichen Rechte und Garantien zu geben, wie sie den Balkanvolkem gegeben worden waren".263 Bis zum Frieden von Andrianopol hatten die Arm enier kein Programm ausgearbeitet, das sie auf den diplom atischen Verhandlungstisch legen konnten. Aber den Flauptgrund, warum die „armenische Frage“ in den Dokumenten des Friedensvertrages fehlt, enthiillte der russische Botschafter im Osmanischen Reich Ignatjew, als er mitteilte, dass „vorlaufig Armenien nicht die Freiheit bekommen kann, die Bulgarien erhalten wird, da sich die Arm enier als nicht vorbereitet erwiesen hatten und in Armenien zu einem toten Element wurden“, d.h. sich nicht nach Vorschrift der zaristischen Diplomatic erhoben hatten, wie das die Slawen getan hatten.264 Als der bulgarische Aufstand 1876 die Osmanen zwang, sich an alle Untertanen des Reiches zu wenden mit dem Aufruf, der Regiem ng Hilfe bei der sich abzeichnenden Lage zu geben, waren die armenischen Christen im Osmanischen Reich vor die Wahl gestellt, sich entweder zu erheben, dem Beispiel der Slawen folgend, oder sich offen dafur auszusprechen, dass sie den Aufstand verurteilen und der Regiemng als treue Untertanen zur erfolgreichen Beendigung des Krieges verhelfen wurden. Die hochste armenische Autoritat, Patriarch Nerses (N. W arschapetjan) wahlte auf Anraten der Biirgerversam mlung der Arm enier das zweite. In der Botschaft von Nerses waren die folgenden Worte enthalten. die nur in eine bestimmte, pro-osmanische, Richtung ausgelegt werden konnen: „...Die ihr Land liebenden Armenier (kursiv von mir J.R.), die der Regiemng Unterstiitzung erweisen, erweisen damit der arm enischen Nation die Zusammenarbeit und den Dienst, denn der Schutz des Osmanischen Reiches ist Schutz Armeniens, der 263Vgl.: W.A. Parsamjan. Istorija armjanskogo naroda (1801-1900 gg.) (Die Geschichte des armenischen V olkes (1801-1900). Verlag ,,Ajastan“, Eriwan. 1972, S. 281. 264Vgl.: Borjan B. A. Armenija, meschdunarodnaja diplomatija i SSSR. (Arme­ nien, die intemationale Diplomatic und die UdSSR) Gosudarstwennoe isdatelstwo, Moskau-Leningrad, 1928, S. 231. 166 armenischen Religion, von Schule, Eigentum, Familie, Ehre und Leben...“. Der Patriarch ruft namens der ,,Gemischten“ (Vereinigten) Nationalversammlung, die Arm enier zum Schutz der Heimat und des Thrones von Sultan Murad V. auf. Er m ft die Armenier auf, freiwillig in die osmanische Armee einzutreten und mit der W affe in der Hand den Sultan gegen seine Feinde zu verteidigen: „W ir miissen uns zusammentun und alles opfem im Namen des Schutzes des Heimatlandes (Hervorhebung von mir -J.R.) und des Sultans, um unseres nationalen Nutzens und Stolzes willen“. Einen ahnlichen Beschluss nahm die Generalversammlung der armenischen Gemeinde des Osmanischen Reiches am 7. Dezember 1877 unter Vorsitz des Istanbuler Patriarchen nach der Erorterung des Aufrufs des Sultans iiber den freiwilligen Eintritt der Christen in die Biirgerwehr.265 Und bei einem Treffen m it dem englischen Botschafter im Osmanischen Reich Layard 1877 sprach Patriarch Nerses davon, dass die Armenier „damit zufrieden sind, dass sie sich unter der Herrschaft der Tiirkei befinden und mit dem groBten Vergnugen lieber unter ihr bleiben wurden als unter die m ssische zu gehen ... und bereit waren in die tiirkische Armee einzutreten oder in die ortliche Biirgerwehr zur Verteidigung des turkischen Gebiets (Hervorhebung von mir J.R.)“ .266 A uf der Sitzung der Generalversammlung der armenischen Gemeinde des Osmanischen Reiches vom 17. Dezember 1877 hoben die Armenier jedoch ihren eigenen Beschluss vom 7. Dezember des glcichen Jahres uber die Unterstiitzung des Aufrufs des Sultans zum freiwilligen Eintritt der Christen in die Biirgerwehr wieder auf. Griinde fiir diese Kehrtwendung gibt es moglicherweise viele, aber konzentrieren wir uns darauf, dass am 13. Dezember 1877 Plewna fiel und die Niederlage des Osmanischen Reiches unausweichlich wurde.267 Wie die osmanische Regiemng und die Osmanen diese 2^Vgl.: British Documents on Ottoman Armenians. Volume I (1856-1880). Turk Tarih Kurumu Basimevi, Ankara, 1982, No. 51, pp. 141-142. 2M’Vgl.: British Documents on Ottoman Armenians. Volume I (1856-1880), No 64, p. 159. 267Die in Plewna eingeschlossenen Osmanen versuchten verzweifelt, durchzubrechen, jedoch erfolglos. Die osmanische Armee musste sich ergeben und der verwundete Osman-Pascha, der Fiihrer der Verteidigung von Plewna, iibergab dem russischen General Ganezkij seinen Sabel. In Anerkennung des 167 ,,Kehrtwende“ ihrer christlichen Mitbiirger und die nachfolgenden Geheimverhandlungen ihrer Vertreter, zu denen auch ein Sekretar des AuBenministers des Osmanischen Reiches (ein gewisser A m altschian) gehorte, mit dem russischen Botschafter im Osmanischen Reich Ignatjew aufnahmen, kann man sich unschwer vorstellen.268 Nach dem Russisch-Osmanischen Krieg 1877-1878 betrachtete die russische Regierung die Abspaltung der ostlichen Gebiete des Osmanischen Reiches, wo neben der moslemischen Bevolkerung auch zahlreiche christliche Armenier wohnten, als reale M oglichkeit. Die Beziehung dieses Teils der damaligen osmanischen Gesellschaft zum Osmanischen Reich anderte sich grundlegend mit den Erfolgen des russischen Heeres. M oskau unterstiitzte die Traume der arm enischosmanischen Burger („ttirkischen Armenier") iiber die Schaffung einer Autonomie in den nordostlichen Gebieten des Osmanischen Reiches m it der Perspektive a u f die Schaffung eines eigenen unabhangigen Staates: das war schon einmal bei den Balkanvolkem gelungen, weshalb also sollten das nicht auch die Arm enier im Osmanischen Reich tun? Artikel 16 des vorlaufigen Friedensvertrages von San Stefano (3.3.1878) verwies darauf in weicher Form.269 Der Vertrag von San Stefano, in dem das Wort ,,Armenien“ gebraucht wurde, passte auch England nicht, das eine Verstarkung der russischen Positionen furchtete. Und au f dem intemationalen Heldenmutes von Osman-Pascha verliehen ihm die Russen in der Gefangenschaft den Rang eines Feldmarschalls. "fiXVgl.: Borjan B.A. Armenija, meschdunarodnaja diplomatija i SSSR (Arme­ nien, die internationale Diplomatic und die UdSSR, T. 1, S. 231-232. 264„...Die Glanzende Pforte verpflichtet sich, unverziiglich Verbesserungen und Reformen einzuleiten, die von den ortlichen Bediirfnissen in den von Armeniem besiedelten Gebieten hervorgerufen sind, und den Schutz der letzteren vor den Kurden und Tscherkessen zu gewahrleisten“. Vgl.: Sbomik dogoworow Rossii s drugimi gosudarstwami 1856-1915. (Sammlung von Vertragen Russlands mit anderen Staaten 1856-1915), S. 168-169. In diesem Artikel (XVI) des Vertrages von San Stefano wird zum ersten Mai in einem intemationalen Vertrag die Bezeichnung ,,Armenien“ in diesem Kontext verwendet:“ Angesichts dessen, dass die Sauberung der von russischen Truppen in Arm enien (Hervorhebung von mir - J.R.) besetzten Orte durch d i e s e . U n t e r „Armenien" wurden die Paschalyks Van, Siwas, ein groBer Teil Diarbekirs und das alte Konigreich Kilikien verstanden, in denen es viele Armenier gab, obwohl sie auch nicht die Mehrheit der Bevolkerung stellten. Die Autonomie fur die Armenier war von diesem Vertrag nicht vorgesehen. womit sie natiirlich nicht zufrieden waren. 168 Kongress in Berlin (8.7.1878), im von England vorgeschlagenen Artikel LX1, fand das Wort ,,Armenien“ keine Wiederspiegelung. Der Vertrag von San Stefano und der Berliner Kongress bezeichnen das Entstehen und Werden der „armenischen Frage“ in der jiingeren Geschichte. Nach dem Berliner Kongress kamen Russland und England mit diversen Reformplanen, die die Verwaltungs- und Rechtslage der Armenier im Osmanischen Reich perfektionieren sollten. Einer davon, der 1895 angenommen wurde, sah Reformen in den anatolischen Vilajets Erzurum, Bitlis, Van, Diarbekir, Memuratelasis und Siwas sowie die Emennung eines christlichen Stellvertreters ftir jeden ,,Wali“ (Generalgouverneur) vor.270 Ein anderer Reformplan sah die Schaffung zweier Sektoren in Ostanatolien unter Leitung von zwei auslandischen Inspektoren vor: dem einem in Erzurum, Trabson und Siwas, und dem anderen in Van, Bitlis, Charput und Diarbekir. Aber diese beiden Plane erwiesen sich als nicht durchfuhrbar. Im ersten Fall aufgrund von Aufstanden auf Kreta und im zweiten aufgrund des beginnenden Ersten Weltkrieges. Die genannten Reformplane konnten von Anfang an nicht als schicksalstrachtig fur das armenische Volk bewertet werden. Sie waren eher Instrumente des Kampfes der europaischen GroBmachte jener Zeit um die Erhaltung oder Neuverteilung der Einflussspharen und Interessen. Die Armenier des Osmanischen Reiches wurden unter der „staatsbildenden Politik“ in diesem K am pf nur benutzt. Die Bemiihungen der Vertreter der armenischen Gemeinde des Osmanischen Reiches, die a u f die Schaffung einer autonomen Verwaltung in den von Armeniern besiedelten Provinzen abzielten, hatten keinen Erfolg, hauptsachlich wegen der ,,zuriickhaltenden“ Position Russlands, und der Russland ,,einschrankenden“ Politik Englands. Gut bekannt ist, dass die Russen selbst die Initiatoren der Bewegungen der Armenier innerhalb des Osmanischen Reiches gegen : "Der Sultan ging davon aus, dass es geniigen wiirde, den Text des entsprechenden Erlasses im Regierungsboten zu veroffentlichen, denn die Verkiindung des Dokuments wiirde zweifellos Unzufriedenheit und Unruhe unter den Moslems, der iiberwaltigenden Mehrheit der Bevolkerung des Landes, hervorrufen. Und erst auf Druck der europaischen Machte, insbe­ sondere Frankreichs, wurde der Erlass am 11. November 1896 in der Zeitung „Iradeij Senije“ veroffentlicht. 169 das Osmanische Reich waren. Die Osmanen und die A rm enier w urden von Russland mit der Hoffnung a u f einen eigenen Staat angefeuert, M oskau strebte die Einbeziehung der Bezeichnung ,,Arm enien“ in den oben erwahnten vorlaufigen Vertrag an. Anscheinend w ar die starke Unterstutzung der Unabhangigkeitsbestrebungen der tiirkischen Armenier durch Russland garantiert. A ber die russische Regierung verstand sehr gut, dass die Arm enier im Unterschied zu anderen christlichen Untertanen des Osm anischen Reiches nicht „ihre Existenz auf der Grundlage der nationalen Unabhangigkeit organisieren“ konnen, da sie dazu nicht die wichtigste Voraussetzung haben - „ein eigenes Territorium " weil „w eder im sogenannten russischen Armenien, noch in den tiirkischen Vilajets a u f der anderen Seite der Grenze, die Armenier aufier in einigen Stadten nirgends die M ehrheit der ortlichen Bevdlkerung stellen (kursiv - J.R.)“21' Aufierst interessante Uberlegungen zur Frage der ,,Heimat“ der Armenier als Nation hat die seinerzeit bekannte klerikal-liberale Personlichkeit Spandarjan angestellt. Er ging davon aus, dass die Armenier, wenn sie in einem Gebiet kom pakt hatten siedeln konnen und die M ehrheit dort gehabt hatten, auf eine selbststandige staatliche Zukunft hatten hoffen konnen. Deshalb schrieb er, „so lange die Armenier noch kein gemeinsam es Heimatland haben, konnen sie kein individuelles Leben (Nation - J.R.) haben“, und „wenn die Armenier kein Heimatland haben, haben sie folglich nichts (im Bereich der staatlichen Autonomie - J.R.): Eine Nation ohne Heimatland ist keine 272 Nation14 . Die Uberlegungen sind vollig gerechtfertigt und die Frage besteht darin, wo dieses Heimatland, egal um welchen Preis, zu finden oder zu schaffen ist. Patriarch Nerses wies au f ein solches Gebiet, das seiner M einung nach fur der Schaffung einer armenischen Autonomie („ttirkisches Armenien“) geeignet ware, hin, ignorierte jedoch den Umstand, dass die Armenier in diesem gesamten Gebiet nicht die Mehrheit hatten und zudem verstreut darin wohnten.273 27lSasonow S.D. Wospominanija. „Meschdunarodnye otnoschenija11 (Erinnerungen. „Internationale Beziehungen11), Moskau 1991 (Nachdruck von 192" (Buchverlag E. Sijalskoj, Paris 1927), S. 166. 272Zitiert nach: Borjan B.A. Armenija, meschdunarodnaja diplomatija i SSSR. (Armenien, die intemationale Diplomatic und die UdSSR), T. 1, S. 231-232. 273Vgl.: British Documents on Ottoman Armenians. Volume 1 (1856 -1880). N 64, p. 160. 170 Aber es gab auch andere Umstande, die die Schaffung einer armenischen Autonomie im genannten Gebiet verhinderten, sogar in dem Fall, wenn Russland dem mit Berticksichtigung des weiteren Anschlusses dieses Gebietes an das Russische Reich zustimmen wiirde. Diese „Umstande" waren erstens die naturliche Abneigung des Osmanischen Reiches gegen die Schaffung einer solchen Autonomie mit der Perspektive des endgiiltigen Verlustes eines groBen Gebiets seines Landes und zweitens eine genauso naturliche Abneigung der anderen europaischen GroBmachte (in erster Linie der Englander), eine so wesentliche Erweiterung des russischen Einflusses auf eine fur die europaische Politik so wichtige Region zuzulassen. Der englische Botschafter im Osmanischen Reich stellte die begriindete Frage, „In wie weit kann es den Interessen Englands dienen, dass Russland seine Herrschaft auf ein so groBes Gebiet Kleinasiens bis zur syrischen Grenze ausweitet?"274 Denn Russland wiirde bei dieser fur Russland wiinschenswerten Entwicklung der Ereignisse, unter Ausnutzung der Schaffung einer armenischen Autonomie und deren nachfolgendem Anschluss an Russland, die folgenden zusatzlichen geopolitische Moglichkeiten erhalten: 1) noch starker auf die M oslems Zentralasiens und Indiens einwirken; 2) sich den Weg der weiteren Besetzung von Gebieten in Persien und Kleinasien erleichtem; 3) Moglichkeiten direkter Verbindungswege mit Indien schaffen; 4) Hebei des Einflusses in den eigenen Interessen auf den Handel von Britannien und den anderen europaischen Machten mit dem Osten zu erhalten. Das konnten weder England noch Frankreich noch Deutschland noch Osterreich zulassen. Die Entschlossenheit zu dieser „Nichtzulassung11 spiegelte sich in Artikel LXI des Berliner Kongresses wider, in dem ,,Armenien“ nicht mehr angefiihrt wird, sondern stattdessen von „Gebieten, die von Armeniern besiedelt sind“ die Rede ist. Die aktive Tatigkeit der Englander - auch hinter den Kulissen - gegen Russland hat damals den Plan der Schaffung einer armenischen Autonomie auf dem Territorium des Osmanischen Reiches zunichte gemacht." Das war aufgrund der zu ubereilt und zu hoch gesteckten Ziele, deren Erreichung nicht von zuverlassigen und starken Verbiindeten garantiert wurde, eine bittere Erfahrung. Seit dieser Zeit stellten die ;74A .a.O .,S. 160-161. 275Vgl.: Parsamjan W.A. Istorija armjanskogo naroda (1801-1900 gg.) (Die Geschichte des armenischen Volkes (1801-1900), S. 290. 171 armenischen Fiihrer ihr Volk vor die Aufgabe, Erfolge a u f dem W e g der Schaffung eines eigenen Staates au f der Grundlage e in e r doppelten Einstellung zu suchen. Diese Einstellung hat zu zw ei Haupt-„M ethoden“ gefuhrt: „1) der Sprache der Tranen, der diplom atischen Tatigkeit, Agitation, Propaganda, Schaffung und O rganisation der offentlichen M einung der zivilisierten Lander und 2) dem Schw ert der Organisation von ,,Tschetniks“ und dem bewaffneten Aufstand in Tiirkisch Arm enien“.276 Seit Ende 1880 war bekannt, dass die Armenier im Osm anischen Reich bewaffnete Aufstande vorbereiteten. Neben der intensiven Propaganda radikaler Ideen seitens der armenischen Studenten und anderer Vertreter der ,,Aufklarung“ im Osmanischen Reich waren daran in zunehmendem MaBe auch auslandische Agenten beteiligt. An vielen O rten wurden W affen gekauft. Einige amerikanische Missionare, die in dieser Zeit im Osmanischen Reich waren, in der Gegend um Etschmiadsin, berichteten, dass sie selbst viele armenische Freiwillige gesehen hatten, die nach Etschmiadsin gekommen waren. um Waffen zu kaufen (nicht zur geistlichen Reinigung und Erbauung, wie das in einem kirchlichen Zentrum hatte sein sollen, das dem Staat gegenuber loyal ist, in dem es sich befmdet - J.R.). Obermjuller - der russische Generalkonsul in Erzurum - bestatigt diese Mitteilungen und erganzt, dass in Tiflis selbst ein Sonderausschuss mit dem Ziel der Hilfe bei der Erwerbung von Waffen fur die Armenier im Osmanischen Reich geschaffen worden sei.277 Aus vertraulichen Berichten im Februar 1881 geht hervor, dass das Komitee in Tiflis Agenten nach Van entsandte mit dem Ziel der Provokation eines armenischen Aufstandes gegen das Osmanische Reich und den Aufstandischen personelle Hilfe in Form eines Korps von 150.000 Armeniern aus Russland zusagte.278 Und diese Zusage kann als Provokation gewertet werden, ausgerichtet auf einen raschen bewaffneten Aufstand der Arm enier im Osmanischen Reich. Ein solches Korps wiirde zahlenmaBig fast die gesamte erwachsene 6Vgl.: Borjan B.A. Armenija, meschdunarodnaja diplomatija i SSSR (Armenien, die intemationale Diplomatic und die UdSSR), Т. 1, S. 248. 277Vgl.: British Documents on Ottoman Armenians. Volume II (1880-1890). Turk Tarih Kurumu Basimevi, Ankara, 1983, N 41, p. 151, N 42. pp. 152153, N 5 6 , p. 185. 278V g l.: A.a.O., N 63, p. 198. 172 mannliche Bevolkerung der Armenier des damaligen Russlands umfassen, wo damals rund 1,2 Millionen von ihnen lebten. In einer anderen vertraulichen Mitteilung von Anfang Juni 1882 wird dariiber berichtet, dass die armenische Nationalbewegung Vorbereitungen trifft und Menschen anstachelt, indem sie unter ihnen das Geflihl des Patriotismus erweckt. Die Bewegung erstreckte sich dieses Mai bis Musch und Van (eines seiner Basiszentren) und erstreckt sich bis Erzurum. Geleitet wird diese Bewegung von ..Rossijskaja Armenija“, insgeheim angespomt von Russland. Hauptinitiator der Anstiftung der armenischen Rebellion im Osmanischen Reich war der Armenier Kamsarakan, der russische Vizekonsul in W ien.279 Die Armenische Bewegung im Osmanischen Reich hatte anfangs ganz liberalen Charakter. Liberate Ideen begannen sich Ende des ersten Drittels des 19. Jahrhunderts in den armenischen Gemeinden und im gesamten Osmanischen Reich auszubreiten. Sie fanden einen Wiederhall auch in den Entscheidungen der Herrscher des Reiches. So garantierte 1839 ein Firman des Sultans „alien Untertanen des Osmanischen Reiches ohne Unterscheidung der Rasse und Religion Schutz und Sicherheit". Im Reich wurde eine Volksvertretung der christlichen Armenier geschaffen, die vom Patriarchat der Arme­ nischen Kirche intensiv unterstutzt wurde. 1863 wurde auch die armenische Verfassung proklamiert, ratifiziert von alien interessierten Seiten, einschlieBlich Sultan Abdul Hamid, der sich durch keinerlei Sympathie flir seine armenischen Untertanen auszeichnete. Sie sah die Schaffung einer Reprasentantenversammlung aus 20 religiosen Fiihrern und 120 vom armenischen Volk gewahlten Vertretern vor. Die Versammlung hatte das Recht, den Patriarchen von Istanbul zu wahlen, das Budget der armenischen Gem einde zu bestimmen und fur alle christlichen Armenier im Osmanischen Reich verbindliche Verhaltensregeln aufzustellen. 1880 konnte die Reprasentantenversammlung sogar eine Regierung stellen, die der Versammlung gegenuber verantwortlich war. Dieses System der Organisationen der Armenier im Osmanischen Reich hielt sich, trotz seiner Unzufriedenheit mit den zentralen M achten des Imperiums, voile zwei Jahre. Die Sultanskreise sahen in 274 Vgl.:. a.a.O., N 189, pp. 442-443. 173 diesem System nicht ohne Grund den Keim eines arm enischen Nationalstaates, der bei seiner weiteren Entwicklung durchaus auch territoriale Fragen auf die Tagesordnung bringen konnte. Inzwischen war bei der armenischen Bevolkerung der ostlichen Teile des Osmanischen Reiches kaum etwas von den politischen Veranderungen und Reformen, die in der fem en H auptstadt geschahen, zu spiiren. Hier, an den nordostlichen Grenzen des O sm a­ nischen Reiches und im Sudkaukasus, verfolgte die arm enische Bevolkerung konsequent die staatliche Autonomie. Die Unbestim m theit und Veranderbarkeit der Grenze zwischen Russland und dem Osmanischen Reich in dieser Periode gaben dieser Bestrebung zusatzliche Nahrung. Einzig dem kleinen Gebirgsstadtchen Zejtun gelang selbst vor dem groBen armenischen Aufstand 1895 die praktisch von der Zentralregierung in Istanbul autonome Existenz. Ende des 19. Jahrhunderts wurden iiberall in W esteuropa Aufrufe einer Reihe politischer und intellektueller Kreise zusammen mit vielen kirchlichen Hierarchen verbreitet, in denen gefordert wurde, den noch im islamischen Reich verbliebenen Christen, die ganz iiberwiegend Armenier waren, groBe Freiheiten und Gleichberechtigung zu gewahren. Der immer starker werdende ideologische Druck von auBen und die militarischen Niederlagen des Osmanischen Reiches und die fur diese ungiinstigen abgeschlossenen Vertrage trugen nur zur Steigerung der christlichen-armenischen Opposition bei. Radikal gesinnte armenische Kreise konnten zudem auf die erfolgreiche Befreiung vieler christlicher Volker Europas (insbesondere des Balkans) von der moslemisch-tiirkischen Herrschaft280 verweisen. A uf diesem fur das Osmanische Reich vollig ungiinstigen Hintergrund begannen sich armenische Untergrundkomitees zu bilden. wurden im Geheimen verbotene armenische Zeitungen gedruckt und gingen einzelne extremistische Griippchen zum K am pf unter Gewaltanwendung iiber. Dadurch wurden die Voraussetzungen fur mogliche StrafmaBnahmen der Zentralregierung gegen die gesamte armenische Bevolkerung des Osmanischen Reiches geschaffen. Der Regierung in Istanbul nahestehende nationalistische turkische Parteien verwiesen a u f den ,,Verrat“ der Balkan-Christen, die sich mithilfe 280Vgl.: im Abschnitt „Chronologie der wichtigsten Ereignisse“ den Verlauf der Auseinandersetzung zwischen Russland und dem Osmanischen Reich von April 1877 bis Juni 1878. 174 Russlands vom Osmanischen Reich abgespalten hatten und darauf, dass die noch darin wohnenden Armenier, Griechen und Juden nicht nur ein zu groBes wirtschaftliches und fmanzielles Gewicht hatten, sondem auch „potentielle Verrater“ seien und eine potentielle Gefahr fur die Integritat des Landes darstellten.281 Damals wohnten im Osmanischen Reich etwas iiber eine halbe Million Armenier, die im W esentlichen Handel, Bankgeschafte, Handwerk und Landwirtschaft betrieben. An der russischen Grenze lebten rund 1,2 Millionen Armenier, die lebhafte Kontakte zu ihren Briidern im Osmanischen Reich unterhielten. Dabei wurde nicht nur die Lage der armenischen Kirche, sondem auch Moglichkeiten gemeinsamer politischer Aktionen erortert, darunter auch koordinierte Aufstande. Im August 1895 ereigneten sich in Sasun schwere antiarmenische Unruhen mit vielen Opfem. Ende 1895 gab es intensive antiarmenische Unruhen mit einer groBen Zahl Toter und Verletzter in Trapesund, Diaberkir, Siwas, Urfa, Karput, Arabkir, Egin, Malatej und an anderen Orten. Russische Quellen sprachen damals von mindestens 100.000 Toten. Nach diesen Ereignissen erreichten die Pogrome aufgrund der Einmischung der europaischen Machte ihren Hohepunkt. 1908 war der Sultan nach dem Kongress der osmanischen Revolutionsparteien (auch Daschnakzutjun nahm daran teil) in Paris (Dezember 1907) gezwungen, dem osmanischen Volk eine Verfassung zu geben. Sie gab den Armeniern formell die Gleichberechtigung mit den Moslems und ermoglichte den Beginn des Prozesses der Sauberung aller administrativen Stufen von den offenen Pogromanstiftern und Erpressern. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts verstarkte sich die Russifizierungspolitik Moskaus auch beziiglich der Arm enier des Sudkauka­ sus. Die uberwaltigende M ehrheit der armenischen Schulen und Bibliotheken wurde hier geschlossen und viele ,,kulturelle“ Vereinigungen verboten. 1903 wurde auf Erlass des Zaren selbst das Vermogen der armenischen Kirche konfisziert. D arauf antworteten extremistisch eingestellte armenische Gruppen mit Terroranschlagen gegen die Vertreter der zaristischen Vertretung im Sudkaukasus und die Armenier, die mit dieser Vertretung zusammenarbeiteten. 28lBrissaud A. Islam und Christentum. Gemeinsamkeit und [Confrontation gestern und heute. Patmos Verlag, Albatros Verlag, Diisseldorf 2002, S. 281. 175 Die Notwendigkeit der ,,Nutzung“ der Armenier durch die e u ro ­ paischen M achte fiel nach dem Berliner Kongress praktisch w eg. GroBbritannien erreichte eine Eingrenzung des Einflusses v o n Russland in der Nahostpolitik und erhielt von der osm anischen Regierung die Insel Zypem im Austausch gegen die Verpflichtung, das Osmanische Reich vor Russland zu schtitzen, das sich seinerseits nicht mehr au f die Armenier verlassen konnte nach deren geanderter Orientierung. Insgesamt verstarkte sich nach dem Berliner Kongress die intemationale Isolation der Armenier des Osmanischen Reiches. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass neue interethnische und zwischenreligiose ZusammenstoBe nicht auf sich warten lieBen. A us den armenischen W iderstandsbewegungen wurden politische Parteien (beispielsweise die Armenkan-Partei). 1887 wurde in G enf die erste armenische Partei ,,Gntschak“ (Glocke) auf marxistischen Grundsatzen gegriindet. M itglied dieser Partei waren ausschlieBlich Armenier Russlands, die ihr einen militarisch-revolutionaren Geist gaben. Auch die Aktivitat der Armenier im Ausland verstarkte sich. 1890 wurde in Tiflis die Federation armenischer Revolutionare, die Partei ,,Daschnakzutjun“ gegriindet, die alle kleinen terroristischen Gruppen und revolutionaren Kreise in sich vereinigte. Diese beiden Gruppen wollten die Schaffung eines autonomen Tiirkischen Armeniens auf dem Territorium der sechs ostlichen Provinzen des Osmanischen Reiches, das ein sozialistischer Staat werden sollte.282 Gleichzeitig fiihrten diese Parteien einen intemen Kampf, der entscheidend die aktiveren Armenier teilte und die M oglichkeiten ihrer Einwirkung auf die intemationale offentliche Meinung stark reduzierte. Nach den Uberlegungen von „Gntschak" sollte sich nach Erreichen der Unabhangigkeit des Tiirkischen Armeniens die Revolution auf das Russische und das Iranische Armenien ausweiten. Der Partei ,,Daschnakzutjun“283 gelang es nach dem Ersten Weltkrieg sogar, in 282V g l.: Mammadow Ilgar, Musaew Tofik. Armjano-aserbajdschanskij konflikt. Istorija. Prawo. Posrednitschestwo. (Der armenisch-aserbaidschanische Konflikt. Geschichte. Recht. Vermittlung.) Tula, Grif i K. 2006, S. 24-25. ARFD-Daschnakzjutjun (Daschnakzjutjun-Partitja), die Armenische Revolutionsfoderation. Im Juli 2007 wurde der Vertrag iiber Zusammenarbeit zwischen der ARFD und „Gerechtes Russland“ (Vorsitzender Sergej Mironow) unterzeichnet. Die ARFD ist schon lange in der Sozialistischen Internationalen und kann der Bewegung „Gerechtes Russland“ helfen. in 176 Armenien an die Macht zu kommen. Jedoch war die Foderation armenischer Revolutionare seit dem Tag ihrer Griindung eine terroristische Organisation, die breit den individuellen und sogar den Massenterror zur Erreichung ihrer politischen Ziele einsetzte. Darin unterschied sie sich wenig von den Bombenlegem der Narodniki in Russland. Ziel der Terrorakte von ,,Daschnakzutjun“ war die Vertreibung der ortlichen Bevolkerung aus den Vilajets, auf die die armenischen Nationalisten einen Anspruch erhoben und die Provokation der moslemischen Bevolkerung zu harten Vergeltungsakten, damit unter dem Mantelchen dieser Vergeltungsschlage der M oslems die Europaer zum Schutz der armenischen Christen aufgerufen werden konnten. Mit dem gleichen Ziel fiihrten die Daschnaken auch einen solchen schweren Terroranschlag wie die Besetzung der Osmanischen Bank durch. Im Lichte dieser Geschehnisse verliefen die Gesprache iiber eine mogliche administrative Autonomie fur die Armenier, die das Osmanische Reich von Zeit zu Zeit auf internationalen Foren initiierte, im Sand. Ab 1899 konnten die Armenier mehr oder weniger sicher nur in den nordostlichen Teilen des Osmanischen Reiches leben. diese Organisation einzutreten. Bei den Prasidentschaftswahlen 2008 in Armenien stellt ARFD einen eigenen Kandidaten auf. Die ARFD hat einen groBen Einfluss in der Diaspora. Ihre Biiros funktionieren in iiber 30 Landern wcltweit. Sie fordert die Teilnahme von Berg-Karabach am Verhandlungsprozess. Bemerkenswert ist der Umstand, dass man ohne Einmischung von „Daschnakzjutjun11 auch im Konflikt zwischen Georgien und Abchasien nicht auskam. In Abchasien agiert aktiv die armenische gesellschaftliche Organisa­ tion ,,Krunk“ und deren geistiges Kind, das armenische Batallion namens Marschall Bagramjan, das gegen die georgischen Truppen kampfte. Unter den sieben jungen Kampfern, die im Laufe von Spezialeinsatzen von den (ieorgiern am 20. September 2007 in Abchasien festgenommen wurden, haben drei die armenische N ationalist. Der Vorsitzende des Obersten Sowjets der Autonomen Republik Abchasien, Timur Mschawija, teilte der Zeitung „Georgian Times'1 (27.9.2007, S. 3) im Exil mit, dass „Krunk" von der Partei „Daschnakzjutjun11 gegriidet worden sei. Vgl. auch: Jurij Simonjan. Interview mit Armen Rustamjan: ,,W peregoworach Eriwan ne moschet samenit Stepa­ nakert11 (In den Verhandlungen kann Eriwan nicht Stepanakert ersetzen11. In: Nesawisimaja gaseta, 12.7.7, S.6 177 1907 kamen bei Unruhen in Kilikien284, die von osm anischen nationalistischen Patrioten und religiosen Extremisten angestiftet worden waren, viele Tausende von Christen urns Leben, die ganz uberwiegend Armenier waren. D arauf hin wurde im Osm anischen Reich ein Gesetz erlassen, das die Griindung einer Vereinigung politischen und nationalistischen Charakters verbot, das vor allem gegen die politische Aktivitat der Armenier gerichtet war.285 Am 29. Oktober 1914 beschoss die deutsch-osmanische Flotte Odessa, Sewastopol, Feodosija und Noworossijsk. Als Antwort darauf erklarte Russland dem Osmanischen Reich am 2. November den Krieg. Dieses erklarte England, Frankreich, Russland und alien ihre Verbiindeten den Krieg. Gemeint waren nicht nur die Verbundeten der Imperien, sondem auch die „Verbiindeten" der Entente innerhalb des Osm anischen Reiches selbst. Kurz vor Eintritt des Osmanischen Reiches in den Ersten W eltkrieg erklarte die Partei Daschnakzutjun auf ihrem Parteitag, dass die Arm enier im Falle eines Konfliktes des Osmanischen Reiches m it Russland keine Aufstande und Unruhen im russischen Hinterland provozieren wtirden. Diese Einstellung unterschied sich stark von der Position der im Osmanischen Reich lebenden Georgier, die sich bereit erklarten, Istanbul diese Dienste zu erweisen. Die Regierung in Istanbul w ar uber die M itteilungen von Daschnakzutjun emport und wies darauf hin, dass es nun nicht moglich sei, iiber den Patriotismus der Arm enier zu sprechen. Und noch wahrend des Krieges bekraftigten armenische Deputierte in der Russischen Duma mehrfach, dass ihre Briider im Osmanischen Reich die russischen Truppen als Befreier begriiBen wurden. Und diese Mitteilungen konnten naturlich die ttirkische Regierung und Offentlichkeit nicht "84Ein Ort im Siiden der heutigen Zentralttirkei, wo 1080-1375 der Kilikische armenische Staat war, der von armenischen Fluchtlingen vor den Seldschuckenangriffen gegriindet worden war. Das Gebiet ist traditionelles Siedlungsgebiet der Armenier in der Tiirkei. Mantran R., Histoire de l'Empire ottoman, Paris, Fayard 1989, Kapitel 14. Infolge der nach dem Putsch 1908 an die Macht gekommene Partei der Jungtiirken „Einheit und Fortschritt“ wurde die „armenische Frage“ auf einer neuen, die dagewesenen extremen und fUr die Armenier todlichen Ebene gefiihrt. D ie Emiedrigungen, die das Osmanische Reich durch die unbegabten Heerfuhrer in den beiden Balkankriegen (der erste 1912 - 1913, der zweite 1913, Juni - August) erlebte, verstarkten noch weiter die extremistische Stimmung, die von jungturkischen Aktivisten angeheizt worden war. 178 freundschaftlich oder auch nur tolerant gegenuber den Armeniern stimmen. Allgemeine Emporung im Land rief auch die Nachricht dariiber hervor, dass eine erfolgreiche Offensive der osmanischen Truppen gerade von armenischen zaristischen Einheiten gestoppt und selbst zuriickgedrangt worden war. Dass auch viele Armenier mannhaft unter turkischer Flagge kampften, spielte dabei keine Rolle. Erst nach der Kriegserklarung durch Russland (2.11.1914) erwiesen sich die Ergebnisse der Schlachten fur die Osmanischen Truppen als katastrophal. Enver-Pascha, der die tiirkische Armee an der Kaukasusfront kommandierte, zog die Strenge des dortigen Winters nicht ins Kalkiil. Und seine deutschen Ratgeber beriicksichtigten nicht die W iderstandsfahigkeit der ihnen gegeniiberstehenden russischen Armee. Infolge dessen erlitten die osmanischen Truppen im Kaukasus im Dezember 1914 und im Januar 1915 eine Reihe vemichtender Niederlagen. Aus diesen Niederlagen beschloss die tiirkische Regierung auch einen Nutzen zu ziehen und machte fur alle Note und Niederlagen ausschlieBlich die Armenier verantwortlich. Es begannen offentliche Hinrichtungen der ,,Verrater“ in der Armee und die Entwaffnung aller dienenden Armenier mit ihrer anschlieBenden Liquidierung. Die Geschehnisse im April 1915 in der Stadt Van, die sich geweigert hatte, die Forderungen der Lokalverwaltung nach einem zusatzlichen Aufgebot zu erfiullen und von kurdischen Truppen umlagert war, waren der Beginn der mehr als schrecklichen Ereignisse. Nachdem die kurdischen Truppen die Stadt nicht einnehmen konnten, plunderten sie die umliegenden, von Armeniern besiedelten Dorfer und toteten dabei rund 50.000 Dorfbewohner. Am 16. Mai naherten sich der Stadt russische Truppen und zwangen die Kurden zum Riickzug. Jedoch verlieBen die Russen nach zwei Monaten die Stadt und den Ort wieder und nahmen rund 200.000 Armenier und andere Christen mit, die um Asyl ersucht hatten. Zum schrecklichsten Tag fur die gebildete Schicht der Armenier im Osmanischen Reich wurde der 24. April 1915, ais die jung­ turkischen Fiihrer286 Talaat-Pascha, Enver-Pascha und Dschemal2X6Die Jungtiirken-Bewegung war anfangs vollig liberal und wurde erst spater radikal, als die nationalistischen Elemente darin erstarkten. Der Grtinder der Partei war Achmed Risa, eine herausragende tiirkische Personlichkeit der Gesellschaft und der Politik. In der Zeit zwischen 1896 und 1899, lebte er, 179 Pascha die Zusam m entreibung aller gebildeten Armenier in Istanbul und deren Deportation anordneten. A ber schon am ersten Tag der Deportationen w urden viele von ihnen ermordet. Der zweite groJ3e Befreiungsakt ftir die Armenier durch die russischen Truppen ist mit der turkischen Stadt Erzurum verbunden. Nach einem Bericht von General N. N. Judenitsch wurden am 3. Februar 1916 die Stadt Erzurum und die gleichnamige Festung von V erbanden eingenommen, die praktisch zu hundert Prozent aus Russlanddeutschen bestanden, die auBergewohnliche Standhaftigkeit und Tapferkeit bewiesen. Die schweren Kampfe dauerten iiber einen M onat an. Die Folge dieser Operation und ihrer Vorbereitung waren die Rettung vieler Zehntausender Arm enier und der Verlust der Kam pffahigkeit der 3. Osm anischen Armee, die mehr als die Halfte von fast alien Regierungen der europaischen Staaten als „Anarchist11 verfolgt. inkognito in Europa und machte eine intensive Propaganda auf den Seiten seiner Zeitung ,,Mechweret“, die in turkischer und franzosischer Sprache erschien. A u f der Basis seiner Propaganda vereinte Achmed Risa um seine Zeitung verschiedene oppositionelle Gruppen und grimdete die Partei „Osmanisches Einheits- und Fortschrittskomitee". Diese Partei war auch ein organisierter politischer Grund fur die gesamttiirkische Bewegung der Jungtiirken. 1899 war Achmed Risa als Vertreter der Partei der Jungturken auf der intemationalen Haager Konferenz, wo er auch die politischen Ziele seiner Partei erlauterte. Nach dem Kongress kam die Partei aus dem Untergrund und wurde als politische Kraft sowohl in der intemationalen Arena als auch im Osmanischen Reich anerkannt. Mit jedem folgenden Jahr wuchs der Erfolg der Partei und auf dem Pariser Kongress (Dezember 1907). auf dem oppositionellen turkischen Parteien verschiedener politischer. sozialer, regionaler und ethnischer Couleur vertreten waren, vereinigten sich diese Oppositionskrafte unter dem Namen „Biiro der osmanischen Parteien". Der das ,,Biiro“ lenkende Kern wurde die Partei „Einheits- und Fortschrittskomitee“ unter der Leitung von Achmed Risa. Er war Hauptanfuhrer des revolutionaren Aufstandes im Osmanischen Reich, der am 11. Juli 1908 begann. Derselbe war ein gliihender Anhanger der erklarten Militardiktatur in Form der beginnenden politischen Reaktion. 1908 erfullte er diplomatische Auftrage des Komitees in den Regierungen der europaischen Lander. Aus den Wahlen im ersten Parlament des Osmanischen Reiches ging Achmet Risa als einer der ersten hervor und wurde Parlamentsprasident. Wahrend der Konterrevolution 1909 war Achmed Risa gezwungen, aus Konstantinopel zu fliehen und kehrte mit verfassungstreuen Truppen des Diktators Machmud-Schewked Pascha zuriick. Eines der wichtigsten theoretischen Werke von Achmed Risa ist das Buch „Terpimost islama“ - idejnyj fundament swerschiwscheijsja revoljuzii i prinjatoj konstituzii („Die Toleranz des Islam“ - das ideelle Fundament der geschehenen Re­ volution und der angenommenen Verfassung). 180 ihrer Soldaten, 60.000 Mann, und fast die gesamte Artillerie verloren hatte. Dieser Sieg der russischen Armee wurde nicht besonders gefeiert, weder in der Zarenzeit (der Krieg wurde gegen Deutschland geffihrt und die meisten Teilnehmer dieses Sieges waren die Russlanddeutschen - Hervorhebung - J.R.)* noch in der Sowjetzeit (denn von der sowjetischen Herrschaft konnte General Judenitsch schlieBlich nicht als weifigardistischer (kursiv - J.R.) Held anerkannt werden). Als die Ereignisse in der Stadt Van bekannt wurden, wurden in Istanbul gegen die einflussreichsten Armenier der Hauptstadt strenge MaBnahmen verhangt. Viele Hunderte von ihnen wurden unverziiglich verhaftet. Uberall au f den StraBen der osmanischen Stadte und Dorfer wurden Beschuldigungen gegen die Armenier wegen Verbrechen und Spionage laut. Ende Mai 1915 UberlieB die tiirkische Regierung dem Armeekommandant, den armenischen Korps und Divisionen die Verfugung dariiber, dass sie berechtigt seien, die Bevolkerung von Stadten und Dorfern, in denen Massenverrat oder Spionage festgestellt wurde, teilweise oder komplett an andere Orte zu deportieren. Um irgendwie die auBerst unangenehme weltweite Resonanz auf diese ,,MaBnahme“ abzuschwachen, veroffentlichte die osmanische Regierung in Form eines Gesetzes folgende ,,Garantien“ fur die Zwangsumgesiedelten: 1. Schutz der personlichen Unantastbarkeit und des Eigentums der Deportierten bis zur Ankunft am neuen Wohnort; 2. Erstattung der Verluste der Deportierten in Form neuen Eigentums und Landparzellen; 3. Offizielle Protokollierung des Wertes des Hauses und des Grundbesitzes des Deportierten bis zur Obernahme durch moslemische Fliichtlinge. Nach dem Gesetz gehort das Haus und das Land auch weiterhin dem Deportierten; 4. Verkauf oder Vermietung von Hausern und Land, die nicht von moslemischen Fliichtlingen besetzt sind. Die aus dieser VerauBerung oder Vermietung erhaltenen Einkiinfte werden nach Abzug von Steuern in ein Sonderregister auf den Namen des deportierten Eigentumers eingetragen; 5. Dem Finanzminister obliegt die Schaffung eines Sonderausschusses zur Kontrolle dieser Verkaufe, zur Veroffentlichung 181 iiber das dem D eportierten erstattete Eigentum und zum Schutz des nicht verkauften Eigentums; 6. Alle Beam ten verpflichten sich, dieses Gesetz zu erfullen und der Regierung regelmaBig Bericht zu erstatten iiber dessen Erfullung.287 Die Frage, ob dieses G esetz es auch heute den Nachfahren der deportierten und um gekom m enen Arm enier erlaubt, vermogensrechtliche, finanzielle und andere Forderungen an die Tiirkische Republik zu stellen, ist juristisch ernsthaft zu prtifen. Vor dem Ersten W eltkrieg griindeten die Armenier im Osm anischen Reich die sogenannte ,,Millet“, d.h. eine religios-kulturell-administrative autonom e Gemeinschaft, die von religiosen Autoritaten geleitet wurde. Die wichtigsten davon waren die Katholikoi aus Sis und A gchtam ar (bei Van). 1916 wurden diese zwei Katholikate mit den Patriarchaten von Jerusalem und von Konstantinopel in ein einziges Katholikat-Patriarchat in Jerusalem vereint, das sowohl von den W ohnorten der meisten Armenier als auch von ihren politischen Zentren entfem t ist. So wurde die armenische ,,Millet“ durch ,,Djemiyet“ ersetzt, d.h. durch eine rein religiose Gemeinschaft unter der Leitung eines Katholikos-Patriarchen, deren weltliche M oglichkeiten sehr eingeschrankt waren. Der GroBe Nationalrat der A rm enier in der Tiirkei wurde aufgelost. Armenische Bistumer wurden nur in Rayons beibehalten, in denen mindestens 15.000 A rm enier wohnten, Rayons, die eine seltene Ausnahme bildeten. Nach diesen Um strukturierungen horte die organisierte politisch-religiose arm enische Opposition in der Tiirkei praktisch auf zu bestehen. Im Jahre 1917 schied Russland aus dem Ersten Weltkrieg aus, und am 3. M arz 1918 wurde zwischen Russland einerseits und Deutschland und seinen A lliierten andererseits der Friede von BrestLitowsk geschlossen, nach dem drei vorher durch die Russen eroberte ,,arm enische“ Rayons an das Osmanische Reich zuriickgegeben wurden. A ber der K am pf der Armenier dauerte an, und am 30. O ktober 1918 wurde die Demokratische Republik Armenien im Kaukasus ausgerufen. Inzwischen hatte Frankreich mit Hilfe von armenischen Bataillonen Kilikien besetzt. Rund 100.000 Christen (meist Armenier) wurden dorthin aus den arabischen Landern, den Orten ihrer friiheren Deportation, umgesiedelt. Diese Menschen strebten natiirlich nach Riickgabe ihres Eigentums und waren von dem Wunsch erfullt, Rache fur die erlittenen Erniedrigungen zu nehmen. Viele erinnerten sich personlich an ihre Feinde und Beleidiger und machten sie aktiv und nicht ohne Erfolg ausfindig. Wieder begannen blutige Unruhen in diesem Teil des tiirkischen Staates. Frankreich suchte jetzt moglichst schnell dieses Gebiet zu verlassen. In Paragraph 88 des Friedensvertrages von Sevres (10. August 1920) zwischen den Landern der Entente und dem Osmanischen Reich wurde die Griindung eines unabhangigen armenischen Staates vorgesehen. Als am 3. Dezember 1920 in Armenien das kommunistische Regime an die Macht kam, verlor der neue armenische Staat die meisten seiner Sympathisanten im Westen. Im Februar 1921 ereignete sich der von Daschnakzutjun gelenkte Bauemaufstand, durch den fiir eine Zeit die Rote Armee aus Armenien vertrieben wurde. Jedoch schon am 2. April 1921 war die kommunistische Ordnung wieder hergestellt und nach kurzem Widerstand flohen die meisten Anhanger von Daschnakzutjun nach Persien. Am 24. Juli 1923 wurde auf der Lausanner Konferenz der Friedensvertrag zwischen den Landern der Entente und der Tiirkei geschlossen. Nach ihm blieben die armenische Republik im Sudkau­ kasus und das „tiirkische Armenien11 im Nordosten des Landes. Nach dem gleichen Vertrag wurde das franzosische Mandat auf Kilikien abgeschafft und die Hoffnungen der Armenier auf Schaffung eines Staatsgebildes in diesem Teil der Tiirkei wurden nicht verwirklicht. Chaliand G., Temon Y., Le genocide des Armeniens, Bruxelles, Complexe. 1984, Kapitel „Evidence". 182 183 11. Der Beginn des armenisch-aserbaidschanischen Konfliktes oder die Vorgeschichte des Kampfes um Berg-Karabach „ D er M ensch denkt zwar, aber in seinem Gehirn gibt es kein Gedankenzentrum. Daftir hat er ein Sprachzentrum und ein Propagandazentrum. “ Owanes Mkrtjschjan Die Armenier, wie auch andere christliche Gemeinden im Nahen Osten, hatten besondere Beziehungen zu einer der groBten europaischen M achte, die expansionistische Ziele verfolgte. In diesem Fall war dies Russland. Das Biindnis der Armenier mit Russland war eine der schicksalstrachtigen Allianzen in der Geschichte des Siidkaukasus. Die Arm enier erhielten von Russland in der Vergangenheit wie auch heute so viel Wohlwollen und groBziigigen GroBmut wie kaum ein anderes Volk im Siidkaukasus.288 Der Experte R. Achari m eint, dass „die Krise von Karabach, die eine m ehr als hundertjahrige Geschichte hat, mit der Ansiedlung der Arm enier in einen Teil des Territoriums des Kaukasus, der von M oslem s bewohnt war, begann. In der Anfangsphase war der Hauptgrund der Entstehung dieser Krise die Politik des zaristischen Russlands, das die Ausdehnung nach Siiden anstrebte und der Kaukasusregion groBe Bedeutung zumaB... Die Umsetzung dieses Planes bestand darin, dass man die Ansiedlung der aus dem Iran, aus Anatolien, Kleinasien, dem Libanon und den anderen Regionen des Globus kommenden Arm eniern im Siidkaukasus, insbesondere auf dem Territorium des heutigen Aserbaidschans, nutzte. Diese M igrationen wurden mit der jahrelangen Absicht der Armenier, einen allumfassenden Nationalstaat zu schaffen, umgesetzt“ .289 288Vgl.: Swetochonski, Tadeusz: Der Streit um Berg-Karabach..., S. 163: Chalilow Aslan. Marz 1918: Aserbajdschan bes aserbajdschanow. Swidete!stwuet istorija.(Aserbaidschan ohne Aserbaidschaner. Zeugnis der Geschichte.) In: IRS, 2008, № 1, S. 22-25. Resa Nasar Achari: „Organisazija po besopasnosti i sotrudnitschestvu Ewrope i konflikt Nagornogo Karabacha (Die Organisation fur Sicherheit unc Zusammenarbeit in Europa und der Berg-Karabach-Konflikt), Amu-Darja. N11 (Winter-Friihjahr 2002), S. 90. 184 Der Autor beschreibt vollig richtig die Ausgangsgriinde des Konfliktes zwischen den Armeniern und den Aserbaidschanem des Siidkaukasus, obwohl die Sprache der Darlegung etwas ,,holzem“ ist. Nach Ansicht von O. Alstadt sind die Wurzeln des Konfliktes unbedingt in den historischen Unterschieden zu suchen, durch die die zaristischen Behorden jahrelang die Forderung von Fanatismus und selbst Gewalt als Kontrollmittel in ihrer Kolonialpolitik manipulierten. Die Anderung des territorialen Status quo auf Kosten aserbaidschanischen Landes war schon immer das Bestreben der Armenier, seit dem Ende des 19. Jahrhunderts, als den scharfsinnigeren armenischen Theoretikem klar wurde, dass Gebiete fur einen neuen Staat kaum zu Lasten der Tiirkei zu erhalten sein •• л 290 wurden. T. Swietochowski bemerkt in seiner Schlussfolgerung iiber die Ursachen des Konflikts zwischen den Armeniern und den Aserbaidschanern zu Recht, dass Russland unter den Volkern des Transkaukasus eindeutig Armenien bevorzugte. Die bewaffnete ethnische Opposition zwischen den Armeniern und den Aserbaidschanem begann bereits am 6. Februar 1905 in Baku. Die Gewalt dauerte in der Folgezeit an und breitete sich auf andere Teile des Transkaukasus aus, die gemischte aserbaidschanische und armenische Bevolkerung hatten. Anstifter der Kampfe, deren Zentrum sich nach Berg-Karabach verlagerte, waren Armenier. Die Daten der verschiedenen Quellen uber die Gesamtzahl der „unwiederbringlichen Verluste“, d.h. der Toten, weichen betrachtlich voneinander ab: 3.100 bis 10.000. Die meisten Toten waren auch damals Aserbaidschaner.291 Am Vorabend des Ersten Weltkriegs erwacht seitens Russlands vvieder das Interesse an den osmanischen Armeniern, da in diesem Krieg Russland und das Osmanische Reich Gegner waren, und die Ausnutzung der Arm enier gegen das Osmanische Reich den russischen Interessen entsprach. Nach der neuen Situation orientieren sich die armenischen Politiker wieder anders - nach Russland." " Sie :,"Vgl.: Andrey Altstadt. The Azerbaijani Turks: Power and Identity Under Russian Rule. Stanford, Hoover Institution Press, 1992, p.43. :9iVgl.: Tadeusz Swietochowski. Russia and Azerbaijan: A Borderland in Transition. New York, Columnbia University Press, 1995, p. 37-40. 2‘,zVor dem Ersten Weltkrieg wurden nach armenischen Angaben in Russland annahernd 1.220.000 Armenier gezahlt, im Osmanischen Reich rund 1.1 14.000, im Kadscharenstaat rund 100.000, in Indien und Afrika je 5.000 185 stiitzten sich hauptsachlich au f die Hoffnungen, dass nach dem S ie g der Entente das Osmanische Reich zerschlagen wiirde und d ie Regierung des Zaren den Am ieniem die Selbstbestim m ung im Kaukasus und in den ostlichen Vilajets des Osmanischen R e ic h e s geben wiirde. Russland, das seine Absichten beziiglich der A rm e n ie r darlegte (im Appell des Zaren von 1914) starkte sozusagen d ie s e Hoffnungen. Zar Nikolaus der Zweite, der sich an die A rm en ier gewandt hatte, befahl, dass sie mit ihren Briidem unter dem S ch u tz des Zaren vereinigt werden und schlieBlich den Segen der Freiheit u n d der Gerechtigkeit erhalten sollten. „Jedoch verdient die T atsache Erwahnung, dass in diesem Appell weder eine Andeutung noch ein W ort iiber Unabhangigkeit, iiber Autonomie oder gar iiber eine 293 autonome Selbstbestimmung enthalten w ar.“ Nichts desto trotz gaben die mitreiBenden Politiker der Partei Daschnakzutjun die Losung der W iederherstellung des „GroBen Arm enien“ aus und begannen mit der Bildung von Truppen aus den aus der Osmanischen Armee desertierten Armeniem. Praktisch eine zweite Front gegen die osmanische Armee eroffnend, begannen sie mit Bestrafungsaktionen gegen die nichtchristliche Bevolkerung der ostlichen Vilajets m it dem Ziel ihrer Aussiedlung oder Vem ichtung und der Schaffung eines eigenen Staates auf ,,befreitem“ Territorium. Der AuBenminister des Osmanischen Reiches Talaat-Pascha war zum Handeln gezwungen und erlieB am 24. April 1915 den Befehl iiber die Situation der aktivsten ,,Partisanen-“Tatigkeiten der Armenier in der Region. Im Befehl hieB es, dass die jiingsten Aufstande in Sejtun. Bitlis, Siwas und Van die anhaltenden Versuche der armenischen Komitees zeigten, iiber ihre politischen Kampforganisationen eine autonome Verwaltung fur sich auf dem Territorium des Osmanischen Reiches zu erreichen. Der Befehl sah die Verhaftung aller Fiihrer des Komitees und deren Uberfuhrung in andere Provinzen vor. die Entwaffnung der illegal geschaffenen Kampfgruppierungen der Arm enier und ihre Bestrafung nach Militarrecht. Aber nach einem und rund 25.000 in Europa. Insgesamt gab es weltweit rund 3 Millionen. Armenier. Vgl.: Enziklopedija Granta i K, Bd. 3, 1910, Artikel „Armjane ' (Die Armenier). 29 vgl.: Mammadow Ilgar, Musaew Tofik. Armjano-aserbajdschanskij konflikt Istorija. Prawo. Posrednitschestwo. (Der armenisch-aserbaidschanische Kon­ flikt. Geschichte. Recht. Vermittlung.) Tula, Grif i K., 2006, S. 26. 186 Monat, am 17. Mai 1915 nahmen die armenischen Verbande Van ein, riefen eine „Armenische Republik Van“ aus und zerstorten den moslemischen Teil der Stadt fast vollig. Allein in dieser ,,Republik“ und den umliegenden Gebieten wurden rund 30.000 Moslems (Angaben von Feigl, S. 75-78) getotet.294 Als Reaktion auf diese massiven Verratsaktivitaten veroffentlichte die osmanische Regierung am 1. Juni 1915 einen Erlass iiber die Umsiedlung der unter dem Einfluss der Agitation der Politiker von Daschnakzutjun stehenden auBerst unzuverlassigen armenischen Bevolkerung aus den aktiven oder sich bewegenden Frontzonen. So begann die groBe Tragodie des armenischen Volkes 1915. Gleichzeitig spitzte sich die innere Situation in Russland zu, wo eine Reihe revolutionarer Veranderungen anstand. Nach dem bolschewistischen Umsturz im Oktober 1917 war die Macht in Baku, wo sehr viele Armenier wohnten, in den Handen des Sowjets von Baku. Vorsitzender des Exekutivkomitees des Sowjets von Baku war das Mitglied der bolschewistischen Partei, der Armenier S. Schaumjan295, der aktiv in der Partei „Daschnakzutjun" mitgearbeitet hatte. Die aserbaidschanische Partei ,,Mussawat“ forderte die Autono­ mie fur die Aserbaidschaner innerhalb Russlands. Bekannt ist, dass S. Schaumjan ein entschiedener Gegner dieser Idee war. Mit dem Ziel der Diskreditierung dieser Idee veranstalteten die Truppenformationen des Sowjets, die in beachtlichem Umfang aus Armeniem bestanden, im Marz 1918 im Ujesd Baku von Aserbaidschan ein wahres Blutbad - sowohl unter den Anhangern des genannten Plans der Partei ,,Mussawat“ als auch allgemein unter den Moslems, hauptsachlich Aserbaidschanern. Nach einigen offiziellen :,4I)aten nach: Feigl Erich. A Myth o f Terror, Armenian Extremism: Its Causes and Its Hiatorical Context. Salzburg-Freilassing: Edition Zeitgeschichte 1986, pp. 75-78. :v Schaumjan Stepan Georgiewitsch (1878-1918), 1917 Vorsitzender des Sowjets von Baku, ab 1917 AuBerordentlicher Kommissar des Rates der Volkskommissare der RSFSR fur Kaukasus-Angelegenheiten, ab 1918 Vorsitzender des Rates der Volkskommissare Baku und Volkskommissar fur auswartige Angelegenheiten. Erschossen mit den „26 Kommissaren von Baku“ in 1918. 187 Angaben wurden an einem einzigen Tag, am 31. Marz, in Baku iiber 30.000 Moslems, hauptsachlich Aserbaidschaner, getotet.296 Schaumjan selbst charakterisierte diese Vorkommnisse wie folgt: „Wir... eroffneten die Offensive auf der ganzen Front... wir hatten schon Streitkrafte, rund 6.000 Mann. ,,Daschnakzutjun“ hatte auch ungefahr 3.000-4.000 nationale (Unterstreichung von mir - J.R.) Verbande, die zur unserer Verfligung standen. Die Beteiligung der letzteren gab dem Btirgerkrieg teilweise den Charakter eines nationalen Blutbades ... (Unterstreichung von mir - J.R.) Wir taten das (d.h. das nationale Blutbad! -.) bewusst... Wenn sie in Baku die Oberhand gewinnen wurden, wiirde die Stadt zur Hauptstadt von Aserbaidschan (Unterstreichung von mir - R. J.) erklart“ .297 Aber die Plane der armenischen Anfiihrer waren ganz andere. Die bewaffneten Daschnaken-Einheiten setzten die Storung der offentlichen Ordnung in den Ujesden Schemacha und Guba, in Lenkoran, Chatschmas, Adschibulag, Saljany und anderen Orten fort. Bis Ende April 1918 wurden von den bolschewistischen Truppen, in denen der aktivere und aggressivere Teil aus armenischen Kampfem bestand, iiber 50.000 Moslems getotet, die zum ganz iiberwiegenden Teil Aserbaidschaner 298 waren. Von Marz bis Juli sorgten bewaffnete armenische Einheiten, die namens der Sowjetmacht handelten, zielgerichtet fur eine so umfangreiche Vem ichtung der aserbaidschanischen Bevolkerung des Gouvemements Baku, dass dies als Volkermord bezeichnet werden kann. Und der erste Schlag war gegen die aserbaidschanische Bevolkerung Bakus gerichtet. Das Mitglied des AuBerordentlichen Untersuchungsausschusses, der Jurist A.E. Kluge, bezeugt in seinem Vortrag „Uber die Gewalt gegen die moslemische Bevolkerung der Stadt Baku“ nicht nur das AusmaB des Verbrechens (allein 11.000 Tote nur in Baku) und die schrecklichen Verbrechen und Plunderungen, sondem zieht daraus auch den Schluss, dass diese 296Vgl.: Mitteilung von Milli Medschlis der Republik Aserbaidschan. In: „Aserbajdschan“, 04. 04. 2001. 297Vgl.: Stepan Schaumjan. Isbrannye proiswedenija, tom 2 (Ausgewahlte Werke, Band 2). Moskau, Politisdat 1978, S. 246. 2<58Fur ausfuhrlichere dokumentarische Daten Vgl.: in den Werken des Dr. Solmas Togida. 188 blutigen Ereignisse keinen zufalligen und spontanen Charakter hatten, sondem im voraus vorbereitet waren.299 Dieser kurze Exkurs in die Vorgeschichte des Kampfes um BergKarabach ermoglicht eine deutlichere Vorstellung von der Tiefe der Wurzeln dieses Kampfes, dem Charakter der armenischen Aggression gegen die Republik Aserbaidschan und der M oglichkeit der Erstellung zusatzlicher Einschatzungen der realen volkerrechtlichen Moglichkeiten der Losung des Konfliktes. '"Naheres zu diesen Ereignissen Vgl.: Chalilow Aslan. Marz 1918: Aserbajdschan bes aserbajdschanzew. Swidetelstwuet istorija.(Aserbaidschan ohne Aserbaidschaner. Zeugnis der Geschichte.) In: IRS, 2008, Nr. 1, S. 22-25. 12. Zur Geschichte von Karabach nach dem Zerfall des zaristischen Russlands und bis zum Jahre 1923 ,, Verandern, um zu erhalten. “ Konfuzius Die Merkmale der ethnisch-kulturellen „Diskriminierung" der Armenier im zaristischen Russland zeigten sich immer haufiger am Anfang des 20. Jahrhunderts. Es erfolgte zunehmend eine beschleunigte ,,Slawisierung“ der armenischen Bevolkerung des Reiches, armenische Schulen und Bibliotheken wurden geschlossen, armenische gesellschaftliche Vereinigungen wurden verboten. 1903 verfiigte Zar Nikolaus II. sogar die Konfiszierung einiger Kleinode der Armenischen Kirche. Die Armenier antworteten mit Anschlagen auf die Vertreter des Zarenregimes und die ,,Verrater“ aus ihrer M itte.300 Die Gewaltausbriiche, die auch klare Komponenten interethnischer Feindseligkeit hatten, begannen in groBem MaBstab mit dem Beginn der Revolution in Russland 1905 und waren immer dann festzustellen, wenn der russische oder der sowjetische Staat in der Krise war. Das war nicht nur 1905-1907 so, sondern auch wahrend des russischen Biirgerkrieges 1918 - 1922. Uber den scharfen und kompromisslosen Konflikt 1920, als iiber Karabach „Feuer und Eisen“ hereinbrach, schrieb eindriicklich Marietta Schaginjan nach der Apotheose der Gewalt und Harte in dieser Region: „Nach den unbegreiflichen Grausamkeiten und der ununterbrochenen Erniedrigung blieb der Bevolkerung gleichsam der bittere Geschmack der Schande im Gedachtnis. Die wechselseitige Biirgschaft des Vergessens - niemand erinnert an irgendetwas, die Vergangenheit ist abgeschlossen, und der stillschweigende Schwerpunkt: Arbeit, leidenschaftliches Verlangen zur W iederherstellung.“301 Gleiches geschah auch in den Jahren der Perestrojka, beginnend 1986 und endend mit dem Niedergang der UdSSR. In der Periode der Revolution 1905 war Berg-Karabach, ins­ besondere die Stadt Schuscha, eines der Zentren der erbitterten 300Vgl.: Brissaud Alain. Islam und Christentum. Gemeinsamkeit und Konfrontation gestem und heute. Albatros Verl. Dusseldorf 2002, S. 282. 301 Schaginjan M. Nagorny Karabach (Berg-Karabach). Moskau - Leningrad, Verlag Gosudarstwennoe isdatelstwo, 1927. S. 4 -5. 190 Opposition der Armenier und der Aserbaidschaner.302 Zwecks Schaffung eines von Aserbaidschanem freien Gebietes in Karabach, und vor allem im Ujesd Schuscha, begann die gewaltsame Vertreibung von Aserbaidschanem durch bewaffnete armenische Einheiten. Im Zusammenhang mit diesen Ereignissen merkt der osterreichische Forscher Erich Feigl an, dass sich 1905 „in Baku Anzeichen des beginnenden Chaos zeigten, das sich die Daschnaken fur die Verstarkung der Propaganda gegen die tiirkische Mehrheit in Baku, Gjandscha und Schuscha zu Nutze machten. Diese Propaganda w ar begleitet von unheimlichen terroristischen Akten, die von den Daschnaken gegen die Aserbaidschaner veriibt wurden. Ziel dieser Uberfalle war die Migration der Moslems und die Schaffung eines demographischen armenischen Ubergewichts in der Region...In Karabach und Schuscha wurden aserbaidschanische Hauser angeziindet, hier kamen 500 Aserbaidschaner und 40 Armenier um “ .303 Nach der demokratischen Februarrevolution in Russland 1917 wurde au f Beschluss der Ubergangsregierung zur Leitung des Transkaukasischen Kreises mit dem Ziel der Forderung der demokra­ tischen Umgestaltungen im Transkaukasus das „Besondere Transkaukasische Komitee" (OSAKOM) gebildet, das der Ausbreitung des Bolschewismus in der Region widerstand. Aber auch M oskau, die bolschewistische Regierung Russlands, vergaB seine Interessen im Transkaukasus nicht. Davon zeugt insbesondere das Dekret (vom 31. Dezember 1917) des Rates der Volkskommissare der RSFSR iiber die freie Selbstbestimmung von „Tiirkisch Armenien". Ein Armenischer Staat au f dem Territorium der Tiirkei, und nicht Russlands, entsprach der Strategic der Moskauer Revolutionare. Aserwkom (Narimanow304, Gusejnow, u.a.), insbesondere Nari302 Vgl.: Villfri L.: The Fire and Sword in the Caucasus. London 1906; Henry I. D.: Baku: Eventful History. London 1905; Ordubabi M. S.: Ganlillar. Baku 1991 (aserb.). 303 Feigl Erich. Prawda о terrore. Armjanskij terrorism - istotschniki i pritschiny. (D ie Wahrheit iiber den Terror. Der armenische Terrorismus - Quellen und Griinde). Baku 2000. ,04Narimanow Nariman Kerbalaj Nadschaf ogly (1870-1925), Politiker und Schriftsteller (bekannte Werke sind der Roman „Bachadur i Sona“ und die Tragodie ,,Nadirschah“). 1917 Vorsitzender des ,,Gummet“-Ausschusses. 1920 Vorsitzender des Aserbaidschanischen Revolutionskomitees, Vor­ sitzender des Sowjets der Volkskommissare der Aserbaidschanischen SSR. С 1922 - Vorsitzender des Unionssowjets der SSFSR 191 manow, wandten sich gegen die Riickgabe von Land an A rm enien, das diesem in der Vergangenheit von der Tiirkei entrissen w orden war. Der Fall des Zarentums 1917 war begleitet von der Em euerung ethnisch motivierter Konflikte in vielen Ortschaften Berg-Karabachs. Anstifter dieser Konflikte waren nationalistische Gruppierungen. So iiberfielen unter der Leitung von Schaumjan, Lalojan, Amasaps und anderen Leitem bewaffnete armenische Verbande 1917 nicht nur aserbaidschanische Dorfer in Karabach, sondem auch Siedlungen um Kuba im nordostlichen Teil Aserbaidschans, wo viele Juden w ohnten, und die deutsche Siedlung Helenendorf (heute Goy-Gol) im westlichen Teil Aserbaidschans.305 Am 23. Februar 1918 wurde in Tiflis auf Initiative des am erikanischen Botschafters Smith der Transkaukasische Sejm, das neue Organ der Staatsmacht im Transkaukasus, mit dem Ziel der juristischen Bestatigung der Abspaltung des Transkaukasus vom bolschewistischen Russland einbemfen. Der Sejm wurde vom Transkaukasischen Kommissariat einberufen. Der Sejm bestand aus Sozialrevolutionaren, Menschewiki, Daschnaken und dem Khan als Deputierten der Griindungsversammlung Russlands, gewahlt vom Transkaukasus. Am 9. April 1918 erklarte sich der Sejm zum gesetzgebenden Organ des Transkaukasus, bildete die Regierung, ratifizierte die Vertrage, die vom Transkaukasischen Kommissariat geschlossen worden waren, und rief die unabhangige Transkaukasische Demokratische Foderative Republik (SDFR) aus. Nach der Bildung der autonomen Republiken Aserbaidschan, Armenien und Georgien loste sich der Sejm auf. Das Transkaukasische Kommissariat, an dessen Schaffung der amerikanische Botschafter in Tiflis, Smith, aktiv beteiligt war, handelte vom 24. Novem ber 1917 bis Marz 1918 als Regierung des Transkaukasus mit der Hauptstadt Tiflis. Chef der demokratischen Regierung war der Sozialdemokrat (Menschewik) E.P. Gegetschkori, und ein wesentliches politisches Gewicht darin hatten die damaligen popularen aserbaidschanischen Politiker Fatali Khan Chojskij und 305Vgl.: Orchan V. D ie bisher unentdeckten Spuren des armenischen Terrors. In: 525(ki gezet,http://www. 525 ci. Com/aze/2006/09/16/read=28; Wajandurlu I. Armjanskoj terror protiw malenkoj Germanii (Armenischer Terror gegen das kleine Deutschland). In: “Serkalo”, Baku, 8.9.2006, S. 1. 192 Chasmamedow. Eine ffihrende Rolle sowohl im Kommissariat als auch im Sejm spielten die georgischen Menschewiki. Die AuBenpolitik des Kommissariats war offen antibolschewistisch. Das Kommissariat vereinigte sich mit dem siidostlichen Bundnis der Kubaner und Tersker Kosaken und schloss ein Bundnis mit dem Kommando der Kaukasischen Front (Generale Kaledin, Komilow und Karaulow). Das Kommissariat wurde ftir seine grausamen antibolschewistischen Aktionen bei Schamchor (zwischen Elisawetpol und Tiflis) und bei Chatschmas (zwischen Baku und Derbent) bekannt. Im Marz 1918 gingen die von den Deutschen unterstiitzten turkischen Truppen im Transkaukasus zum A ngriff iiber. Sie eroberten Erzurum, Ardagan, Kars, Batum, drangen in Gurien ein und besetzten Osurgeti. MaBgeblich durch diese Ereignisse beeinflusst, erklarte der Transkaukasische Sejm im Mai den Transkaukasus zur unabhangigen Foderativen Republik und bildete ein neues Regierungskabinett, das hauptsachlich aus M enschewiki, Daschnaken und Mussawatisten bestand.106 Als Ende Mai 1918 der Transkaukasische Sejm aufhorte zu existieren, wurden in Tbilissi drei unabhangige Republiken proklam iert - Aserbaidschan, Armenien und Georgien. Die neu proklam ierte Republik Armenien hatte jedoch weder ein Territorium noch eine Hauptstadt. Der Sowjet von Baku konnte die Bewegung des aserbaidschanischen Volkes zur Unabhangigkeit nicht aufhalten, die am 28. Mai 1918 ausgerufen wurde. Im Sommer 1918 begann die Vereinigung der Semipartisanentruppen von General Andranik, die eine Niederlage durch das O sm anische Heer erlitten hatte und sich von der Kaukasusfront zuriickzog, eine zielgerichtete Kampagne zur Vertreibung oder Vernichtung der aserbaidschanischen Bevolkerung in den Territorien, die von Aserbaidschan an Armenien ubertragen worden waren. Nach Berichten des Mitglieds des AuBerordentlichen Ausschusses M ichajlow wurden im Sommer und Herbst 1918 in Sangesur 115 Siedlungen verwiistet oder vollig vemichtet. Praktisch alle diese Siedlungen waren aserbaidschanische Siedlungen. Es wurden darin m indestens 7729 Aserbaidschaner getotet, und 50.000 Aser106Barigow M.D. Is istorii bolschewistskoj organisazii Baku i Aserbajdschana (A u s der Geschichte der bolschewistischen Organisation von Baku und Aserbaidschan) 3 Verl. Moskau 1949. 193 baidschaner mussten aus Sangesur fliehen. Die A serbaidschaner stellten in der neu proklamierten Republik Armenien den GroBteil der Bevolkerung. N ach Daten der Bevolkerungsstatistik Russlands 1897 stellten die Aserbaidschaner in vier von sieben Ujesden des Gouvemements Erewan (Irewan) die absolute Bevolkerungsmehrheit. Die armenische Regierung suchte durch Einschiichterungen oder blanken Terror die Aserbaidschaner zum Verlassen ihrer H eim at zu bewegen und Platz fur armenische Umsiedler zu schaffen. So w urden allein im stidlichen Teil des Gouvemements Irewan Hunderte von aserbaidschanischen Siedlungen zerstort und mussten 150.000 Aserbaidschaner fliehen.307 Mit der Hilfe der Osmanischen Tm ppen, die gemaB dem V ertrag iiber Frieden und Freundschaft zwischen dem Osmanischen Reich und der Demokratischen Republik Aserbaidschan vom 4. Juni 1918 erbracht wurde, wurde das Territorium der Republik von der Herrschaft der Bolschewiki, der Daschnaken und der Sozialrevolutionare befreit.308 W ahrend dessen ging der Erste W eltkrieg zu Ende und am 30. Oktober 1918 wurde zwischen dem Osmanischen Reich und GroBbritannien der Friede von Mudros geschlossen. In Ubereinstimmung damit verpflichtete sich das Osmanische Reich, seine Truppen aus dem zur Einflusssphare GroBbritanniens gehorenden Sudkaukasus abzuziehen.309 In einem Memorandum, das von der Delegation der Dem okra­ tischen Republik Aserbaidschan den diplomatischen Vertretem der Entente im November 1918 vorgelegt wurde, sind die folgenden Gebiete aufgelistet, die zu Aserbaidschan gehorten und als seine 3,17V gl.: Ajdyn Balaew. Aserbajdachanskoe nazionalno-demokratitscheskoe dwischenie (Die aserbaidschanische national-demokratische Bewegung) 1917-1929. Baku, Elm 1990, S. 50-51. 308Vgl.: den Freundschaftsvertrag zwischen der Kaiserlichen Osmanischen Regierung und der Republik Aserbaidschan vom 4. Juni 1918. Staatliches Archiv der politischen Parteien und gesellschaftlichen Bewegungen der Republik Aserbaidschan, f. 277, op. 2, d. 9, S. 10-11 ob, Artikel 4. 3<wDer Friede zwischen den Alliierten und der Tiirkei, der auf dem britischen S ch iff „Agamemnon11 im Hafen von Mudros auf der Insel Lemnos am 30. Oktober 1918 geschlossen wurde. Vgl.: Meschdunarodnaja politika nowejschego wremeni w dogoworach, notach i deklarazijach (Die intemationale Politik der jiingsten Zeit in Vertragen, Noten und Deklarationen, Teil -. Moskau. Verlag Litisdata N.K.I.D., 1926, S. 188-189, Artikel 11 und 15. 194 unverbriichlichen Teile angesehen wurden: die Gouvemements Baku und Elisawetpol (Gjandscha), ein Teil des Gouvemements Erewan und Tiflis, sowie der Sagatalskij Kreis. Im gleichen Jahr riickten britische Truppen in Baku ein, und vom britischen Kommandanten, General W. Thompson, der die Alliierten reprasentierte, wurde der Bergteil von Karabach zusammen mit dem benachbarten Ujesd Sangesur unter der Verwaltung von Aser­ baidschan anerkannt. Am 15. Januar 1919 nahm die Regierung von Aserbaidschan den Beschluss zur Schaffung des Karabacher Generalgouvemements, das sich iiber die Flache von Dschawanschir, Schuscha und Sangesur erstreckte. Am 29. Januar 1919 wurde der Aserbaidschaner Chosrow Sultanow zum Generalgouvemeur von Karabach emannt. Unter Sultanow, der Ende Februar 1919 sein Amt in der Stadt Schuscha antrat, wurde innerhalb weniger Monate in Karabach der soziale Friede wiederhergestellt. Nach Planen der Regierung von Aserbaidschan sollte Karabach seine eigene admi­ nistrative und kulturelle Autonomie entwickeln. Es wurden Bedingungen bestimmt, unter denen die Anzahl der aserbaidschanischen Gamisonen in Karabach in Friedenszeiten begrenzt wurde. Im November 1918, nach der Okkupation des Sudkaukasus durch die Englander, forderte Thompson den unverziiglichen Abzug der Truppen von Andranik aus Berg-Karabach, wo sie schon seit Monaten Unruhe stifteten, und ihrer Unterstellung unter die Leitung der Demokratischen Republik Aserbaidschan. Als Berufsmilitar lieB sich Thompson von praktischen Uberlegungen leiten. Unter Beriicksichtigung der geographischen Lage von Berg-Karabach, des Charakters der Wirtschaft in seinen Gebieten und der Transportverbindungen von Berg-Karabach war klar, dass diese Region aufs Engste mit Aserbaidschan und nicht mit Armenien verbunden ist, das jenseits der Berge liegt und mit Berg-Karabach nur durch den engen Latschinsker Korridor verbunden ist.310 Thompson bestatigte die Ernennung von Chosrow Sultanow durch die Regierung Aserbaidschans als Gouverneur des Karabachischen Generalgouvernements, zu dem Karabach und die beiden offiziell anerkannten Regionen gehorten. 3l()Vgl.: Altsradt A.: The Azerbaijani Turks. Power and Identity under Russian Rule. Stanford 1992, p. 100-106; Hovanissian R. G.: The Republic o f Armenia. Berkeley 1982, vol. II, p. 195 and 211. 195 Am 22. Januar 1919 anerkannte der Oberbefehlshaber der Alliierten Streitkrafte im Siidkaukasus, General John M ilton, die „Regierung von Aserbaidschan als einzige legale Macht“ im gesam ten international anerkannten Gebiet der Republik.3" Am 3. April 1919 erklarte der Vertreter der Alliierten, Oberst Shuttleworth, bis zur endgtiltigen Losung der Karabach-Frage auf dem Friedenskongress von Paris bleibe die Region von Karabach Teil von Aserbaidschan. Der Kommandant der Alliierten Streitkrafte anerkannte die Regierung von Chosrow Sultanow als einzige legale Staatsmacht a u f dem Territorium von Karabach.312 Im Parlament der Demokratischen Republik Aserbaidschan waren alle ethnischen Gruppen des Landes vertreten. Diese Representation war garantiert durch das Parlamentsgesetz vom 19. November 1918. 21 von 120 Mandaten erhielten armenische Parlamentarier. 1919 erkannte die armenische Versammlung des Bergteils die Staatsgewalt 3]3 von Aserbaidschan an. Die Anerkennung wurde am 26. August 1919 in einem Abkommen zwischen der Regierung von Aserbaidschan und den Armeniern von Karabach festgeschrieben, nach dem der Bergteil von Karabach, die von Armeniern besiedelten Rayons Disag, Waranda, Chatschin und Dschilabert, sich innerhalb der Grenzen von Republik Aserbaidschan sieht. Nach den Vertragsbestimmungen wurde beim Karabach isc hen Generalgouvemement ein aus 3 Armeniern und 3 Aserbaidschanem bestehender Rat gegriindet. Der Rat hatte das Recht der Kontrolle der Administration des Generalgouvernements, sollte sich jedoch nicht in ihre Arbeit einmischen. Die Karabach-Armenier hatten das Recht auf kulturelle Autonomie. Das Recht sollte seitens des armenischen Teils des Sowjets umgesetzt werden. Im Generalgouvemement Karabach wurde die Rede- und Pressefreiheit proklamiert, die Gamisonen der Streitkrafte von Aser­ baidschan waren in Schuscha und Chankendi stationiert. Eine Verlegung der bewaffneten Formationen in den von Armeniern 3llVgl.: Staatsarchiv von Aserbaidschan, Fond 894, op. 3, ed. chran. 5, Blatt 13.; Balaew A. Karabach ot perioda nesawisimosti ADR к sowetskoj awtonomii. (Karabach von der Periode der Unabhangigkeit der DRA bis zur sowjetischen Autonomie) In: IRS, Moskau 2-3 (14-15), 2005. 1,2Hovanissian R., The Republic o f Armenia, Berkeley-Los-Angeles-London, 1971, S. 143. 3l3Vgl.: Swietochowski, pp. 75-76. 196 besiedelten Bergteil Karabachs durfte nur mit Zweidrittelmehrheit der Ratsmitglieder genehmigt werden. Es wurden auch andere Regeln des demokratischen Lebens und Garantien fur die Sicherheit der Bevolkerung des Generalgouvernements verabschiedet.314 Am 29. September 1919 wurde von der Regierung von Aser­ baidschan eine Million Manat fur die W iederherstellung der zerstorten Dorfer von Karabach bereitgestellt. Der Oberste Kommissar der Alliierten im Transkaukasus, der amerikanische Oberst Haskell untersttitzte die Politik Aserbaidschans in der Karabach-Frage. 1918-1920 unterhielt die DRA diplomatische Beziehungen zu 18 Landern.315 Von einer Reihe von Staaten wurden Vertrage iiber die Prinzipien der Zusammenarbeit unterzeichnet; achtzehn Staaten hatten eigene Missionen in Baku. Am 19. Januar 1920 erkannte der Oberste Rat der Alliierten auf der Pariser Friedenskonferenz de facto die Unabhangigkeit von Aserbaidschan an. Die armenische Frage wurde auf der Pariser Friedenskonferenz vertagt, da Armenien die Forderung iiber die Schaffung von „GroBArm enien“ zwischen den drei Meeren stellte. Die territorialen Anspriiche Armeniens erstreckten sich iiber 11 Regionen des Osmanischen Reiches (7 in Anatolien und 4 in Kilikien), sowie das gesam te Gouvemement Erewan, einen Teil der Gouvemements Tiflis und Elisawetpol (Gjandscha) sowie Kars und Ardagan. Im Zusamm enhang damit wurde die Frage von Armenien behandelt, zusammen mit der Osmanischen Frage. Lloyd George stimmte den Anspriichen der Armenier nicht zu und hielt sie fur uberzogen, insbesondere wenn man beriicksichtigt, dass die Armenier die M inderheit in diesen Gebieten stellten.316 114Vgl.: Provisorische Vereinbarung der Armenier von Berg-Karabach mit der Regierung Aserbaischans am 26. August 1919. Vgl.: К istorii obrasowanija Nagomo-Karabachskoj awtonomnoj oblasti Aserbajdschanskoj SSR. 19181925. Dokumenty i materialy. (Zur Geschichte der Schaffung des Autonomen Gebiets Berg-Karabach der Aserbaidschanischen SSR. 1918-1925. Dokumente und Materialien) Baku, Aserneschr, 1989, S. 23-25. 3l5Das waren: Georgien, Armenien, die Tiirkei, Iran, Ukraine, Litauen, Polen, Finnland, USA, Grofibritannien, Frankreich, Italien, Schweden, die Schweiz, Belgien, die Niederlande, Griechenland und Danemark. 3l6Das spezifische Gewicht der Armenier in den osmanischen Vilajets nach ihrer ,,Massenumsiedlung“ im Jahre 1915 betrug wahrend der Zeit des Pariser Kongresses in Prozent der Gesamtbevolkerung in den jew eiligen Vilajets: Van - 24, Bitlis - 34, Dijabekir - 18, Charput - 12, Siwas - 15, Erzurum 197 Die Anerkennung der faktischen Unabhangigkeit von Aser­ baidschan und von Armenien und Georgien erst 1920 und nicht 1918, als diese gegriindet wurden, war damit verbunden, dass die Alliierten zunachst die Frage von Aserbaidschan und von Georgien und in gewissem MaB auch die von Armenien im Kontext der russischen Frage erorterten und auf die Erhaltung eines einigen, unteilbaren, jedoch nicht bolschewistischen, sondem liberalen Russland hofften. Die kurze Geschichte des Generalgouvemements Karabach, die von vielen Dokumenten schltissig belegt wird, widerlegt die These der Armenier, Berg-Karabach sei erst 1923 an Aserbaidschan tibertragen worden. Schon am 29. Mai 1918, d.h. am Tag nach der Proklamierung seiner Unabhangigkeit, beschloss die Republik Aserbaidschan, indem sie sich von den Prinzipien der guten Nachbarschaft leiten lieB und unter Beriicksichtigung der Appelle der Armenier, einen Teil des Ujesds Erewan, darunter die Stadt Eriwan als Hauptstadt, an die Republik Armenien zu ubertragen, der gemaB damals giiltigem Volkerrecht nicht einmal deren eigenes Gebiet war. Das war durch den Wunsch der aserbaidschanischen Seite hervorgerufen, in dieser schwierigen Periode gemeinsam und im Geist der Zusammenarbeit die ftir das armenische und das aserbaidschanische Volk lebenswichtige Frage der Schaffung und des Funktionierens unabhangiger Staaten zu entscheiden. Eine offensichtliche Bedingung dabei sollte jedoch der Verzicht der Armenier auf ihre Anspriiche auf einen Teil des Gouvemements Elisawetpol, d.h. Karabach.317 Als Resultat umfasste das Territorium des gebildeten armenischen Staates nicht mehr als 10.000 Quadratkilometer (heute nach offiziellen 21, Trabson - 5. Vgl.: „Proportions des populations musulmanes grecques et armeniennes en Asie-Mineure d'apres la statistique du Livre-Jaune. (Affairs Armeniennes 1893 -1897). M955.05 Archive Editions 1998. In: Anita L. P. Burdett (ed.), Armenia: Political and Ethnic Boundaries 1878-1948. Wilts, Archive Edition Limited 1998. 3l7Protokoll Nr. 3 der Sitzung des Moslemischen Nationalrates, die am 29. Mai 1918 in der Stadt Tiflis stattfand. Staatsarchiv der Politischen Parteien und gesellschaftlichen Bewegungen der Republik Aserbaidschan, f. 970, op. 1, Bd. 1, S. 51. Vgl.: auch das Schreiben des Vorsitzenden des Ministerkabinetts der Demokratischen Republik Aserbaidschan, Fatali Khan Chojskij (Chojskij) an den armenischen Innenminister G. Gadschinskij vom 29. Mai 1918. In: Zentralnyj gosudarstwennyj archiv Aserbajdschana, (Zentrales Staatsarchiv von Aserbaidschan) fond 970, Inventarverzeichnis 1, Akt 4, S. 1-2. 198 Angaben 298.000 Quadratkilometer). Die armenischen Historiker sind sich iiber dieses Gebiet von 1918 nicht einig aufgrund der Unterschiede in der Auslegung des Vertrages von Batumi.318 Die Stadt des ehemaligen Khanats Irewan wurde mit der Zustimmung der Regierung der Demokratischen Republik Aser­ baidschans die Hauptstadt des neu geschaffenen armenischen Staates. Der Vorsitzende des Ministerkabinetts der Demokratischen Republik Aserbaidschan Fatali Khan Chojskij aufierte, dass damit alle territorialen Anspriiche der Armenier abgegolten seien. Aber er irrte sich sehr, und dieser Fehler beriihrte auch tragisch sein eigenes Schicksal. 1920 wurde er in Tbilissi von dem armenischen Terroristen Aram Erkajan ermordet. Das Khanat Eriwan (Erewan) selbst, in dem die Mehrheit der Bewohner Moslems - hauptsachlich Aserbaidschanem - waren, existierte mindestens seit dem Ende des 14. Jahrhunderts (s. Liste der Khane von Eriwan im Anhang, die auch den Namen des ersten Khans Em ir Sad enthalt, der von Ende des 14. Jahrhunderts bis 1410 das Khanat Eriwan regierte und zuerst Vasalle der Tiirkei, dann spater Vasalle des Safawiden-Staates war. Die gesamte administrative und militarische Macht im Khanat war in den Handen eines Sardar, des Statthalters des Schahs des Safawiden-Staates mit dem Titel Beylerbey konzentriert. Die Herrscher der kleinen Verwaltungseinheiten des Khanats (Mahals) hieBen Naibas, Mirboljuks usw. Militarisch 3l8So umfasste, laut E. Sarkisjan, dieses Territorium des Rayon Nowo-Bajaseta, auGer dem siidostlichen Teil von Basarketschar, auch Teile der Rayons Eriwan, Etschmiadsin und Aleksandropol. Z. Agajan bestatigt, dass die Daschnaken nach dem Vertrag von Batumi die Ujesds Surmala und den groGten Teil der Ujesds Aleksandropol, Scharur, Etschmiadsin und Eriwan an die Tiirkei gleichsam ,,verkauften“. Bei einer solchen Fragestellung ist es vollig unklar, von welchen Gebieten die Republik Armenien an die Tiirkei „verkauft wurde“. Denn ihre Grenzen wurden nach Volkerrecht auf der Grundlage des Vertrags von Batumi festgelegt. Vgl.: Vertrag uber Frieden und Freundschaft zwischen der Osmanischen Kaiserlichen Regierung und der Republik Armenien vom 4. Juni 1918. A us der Geschichte der auslandischen Intervention in Armenien im Jahre 1918. Dokumente und Materialien. Eriwan, Verlag der Universitat Erewan 1970, S. 154-161; ein Autor schrieb: „Das Territorium Armenien wurde zu zw ei Ujesds zusammengefugt - Eriwan und Etschmiadsin", obwohl das nicht m oglich war, da nach dem Vertrag von Batumi Teile dieser Ujesde an die Tiirkei kamen. Vgl.: Wladimir Gurko-Krjaschin. Bolschaja Sowjetskaja Enziklopedija (GroGe Sowjetenzyklopadie). Moskau 1926, Band 3, S. 437. 199 unterstanden die Khanate Nachitschewan und М ака sowie die Meliktumer von Karabach und Sjunik dem Sardar von Eriwan. Der erste safawidische Beylerbey Amirgun-Khan (1604-1628) fuhrte mit dem Ziel eines besseren Schutzes der eroberten Gebiete vor den Anspriichen des Osmanischen Reiches einen Teil der Arm enier aus Persien in das Khanat zuriick.319 Wie wurde nun tatsachlich das Territorium des ersten arm enischen Staates im Siidkaukasus, die unabhangige Republik Arm enien, gebildet? Im Mai 1918 holte sich die Tiirkei ungeachtet des Friedensvertrages von Brest320 m it M ilitargewalt ihre Gebiete Kars und Aleksandropol zuriick und bewegte sich auf Eriwan zu mit dem Ziel, das gesamte Territorium des neu geschaffenen armenischen Staates zu besetzen. Nach dem Vertrag, der von der Daschnaken-Regierung mit der Tiirkei im Juni 1918 geschlossen worden war, wurde das Territorium von Armenien zusammengelegt zu zwei Ujesden - dem Ujesd Eriwan und dem Ujesd Etschmiadsin, Gegenden in der AraratEbene und des Sewan-See-Beckens. Nach diesem Vertrag war Karabach nicht Bestandteil der Republik Armenien.321 Nach dem Ersten W eltkrieg stellte die Entente der Republik Armenien die Provinz Kars und die meisten Rayons des ehemaligen Gouvemements Erewan zur Verfugung. Nach der Erweiterung betrug die Bevolkerung Armeniens 1,5 Millionen. Davon waren m nd 795.000 Armenier, rund 575.000 M oslems (der grofite Teil davon waren Aserbaidschaner) und 140.000 Vertreter anderer Nationalitaten. Jedoch war die im damaligen politischen Leben der Republik Armenien dominierende Partei Daschnakzutjun322 mit diesen 3l9Im Rossijskij enziklopeditscheskij slowar (Russisches Enzyklopadisches Worterbuch (Moskau, 2001, Buch 1, S. 504) heisst es falschlicherweise, dass das „Khanat Erewan (Khanat Eriwan), ein Staat in Ostarmenien 1604-1828, sich im nationalen Befreiungskampf gegen den Iran auf Georgien und danach auf Russland stiitzte.“ 320Friede von Brest, 3.3.1918, Friedensvertrag zwischen Sowjet-Russland und Deutschland, Osterreich-Ungam, Bulgarien und der Tiirkei. Deutschland, das auch einen Teil des Transkaukasus annektiert hatte, erhielt eine Kontribution von 6 Milliarden Mark. Der Vertrag wurde von der Regierung der RSFSR am 13.11.1918 nach der Niederlage Deutschlands im 1. Weltkrieg annulliert. 321Vgl.: Nesawisim ost Grusii w meschdunarodnoj politike (Die Unabhangigkeit Georgiens in der internationalen Politik). Paris 1924, S. 95-96. 322D ie Armenische Revolutionsfoderation (Daschnakzutjun-Partei) wurde 1890 in Tiflis gegriindet in Form einer Vereinigung der unterschiedlichsten 200 Erwerbungen keineswegs zufrieden und machte Ansprtiche auf das Territorium von Achalkalaka und Bortschala geltend, die zur Republik Georgien gehorten, und au f das Territorium von Karabach, das zur Republik Aserbaidschan gehorte, sowie auf Nachitschewan und Sangesur (die siidlichen Teile des ehemaligen Gouvemements Elisawetpol), die auch seit 1918 zur Republik Aserbaidschan gehorten. Diese Forderungen von „Daschnakzutjun" provozierten einen Krieg mit der Republik Georgien und einen langanhaltenden, zuweilen sehr blutigen, Konflikt m it der Republik Aserbaidschan einen Konflikt, der auch bis zum heutigen Tage andauert. Im Sommer 1918 riickten Verbande des armenischen Bataillonskommandanten Andronik nach Sangesur ein und stellten der aserbaidschanischen Bevolkerung ein Ultimatum. Die Aser­ baidschaner sollten sich entweder der neuen Herrschaft unterstellen oder ihre Wohnorte verlassen. Nach Angaben der bekannten Michajlow-Kommission, die diese Vorkommnisse untersuchte, wurden allein im Som m er 1918 in Sangesur iiber 115 aserbaidschanische Dorfer zerstort und iiber 7000 Aserbaidschaner getotet. 50.000 Aserbaidschaner m ussten aus Sangesur fliehen.323 N ach erbitterten Kampfen gelang es den armenischen Truppen, auch Berg-Karabach zu besetzen, aber im gleichen Sommer mussten sie w ieder abziehen. Der Grund fur diesen hastigen Abzug war der Einfall der tiirkischen Armee in den Sudkaukasus. Aber schon nach U nterzeichnung des Friedensvertrags von Mudros (30.10.1918) zw ischen der Tiirkei und der Entente zog die Tiirkei, die zusammen mit Kaiserdeutschland als ihrem Verbiindeten eine Niederlage erlitten hatte, ihre Truppen aus dem Sudkaukasus ab. Und die armenischen Truppen unter dem Kommando von General Andronik drangen wieder in Berg-K arabach ein. Im Dezember 1918 waren erneut blutige K am pfe m it den in das aserbaidschanische Territorium eingedrungenen arm enischen Tmppen festzustellen. arm enischen politischen Gruppierungen. Die Revolutionsfoderation ist M itglied der Sozialistischen Internationalen. Nach ihrer ideellen Grundlage, ihren Z ielen und dem Charakter ihrer Tatigkeit kann diese politische Organisation zu den nationalistischen gezahlt werden. 323V gl.: B alaew A. Aserbajdschanskaja Demokratitscheskaja Respublika (Die D em okratischen Republik Aserbaidschan) 1991, S. ff. 201 Im Friihjahr 1920 waren em eut bewaffnete U bergriffe der Daschnakzutjun-Kampfer in den aserbaidschanischen Regionen Nachitschewan, Ordubad und Schuscha festzustellen. Einzelne Kampfe gab es auch in Chankendi (heute Stepanakert), Terter,324 Askeran und Sangesur, Dschebrail und Gjandscha. W ahrend dieser Kampfe litten Dutzende aserbaidschanischer Siedlungen stark oder wurden ganz zerstort. Die wachsende Spannung in Berg-Karabach gipfelte im M arz 1920 in einem bewaffneten armenischen Aufstand. Er ereignete sich kurz vor der Offensive der Roten Arm ee in Aser­ baidschan und bescherte der Republik zusatzliche Schwierigkeiten bei der Abwehr der ,,roten“ Aggression. Die aserbaidschanische Kommandatur war gezwungen, eine groBe Anzahl Truppen von der Grenze abzuziehen, was die Aufgabe der Roten Armee zur raschen Eroberung der aserbaidschanischen Gebiete wesentlich erleichterte. Die bolschewistische Intervention in der Demokratischen Republik Aserbaidschan unterbrach am 28. April 1920325 bis 1991 die kurze Geschichte der unabhangigen Existenz Aserbaidschans. AbschlieBend kann man feststellen, dass wahrend der Existenz der Demokratischen Republik Aserbaidschan von 1918 bis 1920 BergKarabach zu dieser Republik gehorte. In dieser Periode umfasste das Territorium der Demokratischen Republik Aserbaidschan offiziell 114.000 Quadratkilometer, 27.400 Quadratkilometer m ehr als ihr heutiges Territorium.326 Die Sowjetmacht verschonte Aserbaidschan nicht bei der ,,Beschneidung“ seiner Territorien. 324Nicht zu verwechseln mit dem FIuss Terter in Aserbaidschan, einem rechten Nebenfluss am Oberlauf der Kura. 325Nach der Einnahme von Baku durch die Rote Armee war die Stadt blutigem Terror unterworfen. Zu trauriger Beriihmtheit kam hier die Insel Nargen, wohin die Verhafteten gebracht wurden und wo sie von den Tschekisten erschossen wurden. Vgl.: La Pensee Russe, 7.11.2007, S. 8. 326Das heutige von der Weltgemeinschaft anerkannte Territorium der Republik Aserbaidschan umfasst 86.600 Quadratkilometer unter Einbeziehung von Berg-Karabach und der anderen von Armenien besetzten Gebiete. 2 02 13. Die Schaffung des Autonomen Gebiets Berg-Kara­ bach (NKAO) innerhalb der Aserbaidschanischen SSR und die Versuche der Anderung seines Status in der UdSSR vor der Perestrojka „Mit Worten stehen alle Politiker a u f dem Weg des Rechts und der Gerechtigkeit, aber je d e r von ihnen geht seinen eigenen Weg - einen pragmatischen. Politiker-Idealisten, die „nach Gerechtigkeit “ handeln, leben a u f dem Staats-Olymp nicht lange, “ Eleukulow Koscherbaj Den nach der Februar- und der Oktoberrevolution 1917 in Russ­ land und in noch groBerem Umfang im Siidkaukasus entstandenen Zustand des politischen Chaos versuchten die nationalistischen armenischen Krafte, insbesondere die Daschnakzutjun-Anhanger, zur Erreichung ihrer Expansionsziele auszunutzen. Der im Oktober 1917 in Tiflis tagende Armenische Nationalkongress forderte namens aller Armenier, des gesamten armenischen Volkes, ihm die von den russischen Truppen eroberten nordostlichen Rayons der Tiirkei abzutreten und hier W estarmenien zu schaffen. Diese Idee wurde auch von W.I. Lenin unterstiitzt, der per Dekret vom 28. Oktober 1917 das Recht von Westarmenien auf die voile Selbstbestimmung und die staatliche Souveranitat bestatigte.327 In den ersten Jahren der Sowjetherrschaft verscharfte sich emeut der territoriale Streit zwischen Armenien und Aserbaidschan um die Gebietsanspriiche Armeniens an Aserbaidschan, obwohl die kommunistischen Herrscher bemiiht waren, diese Probleme zu entscharfen. Das Aserbaidschanische Revolutionskomitee (Asrewkom) war bestrebt, die Interessen des gesamten Volkes von Aser­ baidschan, die gesamtnationalen Interessen, und nicht nur die der kom m unistischen Spitze zu vertreten. Im Mai 1920 forderte das A serw kom ultimativ den Abzug der bewaffneten armenischen Einheiten aus Berg-K arabach und Sangesur. Die Dschnaken-Regierung in E rew an erfullte die Forderung. 327V gl.: Balaew A. Aserbajdschanskaja Demokratitscheskaja Respublika (Die Dem okratische Republik Aserbaidschan) Baku 1991, S. 17 ff.; Nachschlagewerk: Dekrety Sowjetskoj wlasti (Dekrete der Sowjetmacht) S. 228 ff. 203 Aber im Juli 1920 begannen neue, von daschnakischen A ktivisten organisierte bewaffnete armenische Uberfalle in Karabach, Nachitschewan und Sangesur. Die Daschnaken-Regierung in Erewan unterstiitzte diese Uberfalle organisatorisch und materiell. M it W affen aus GroBbritannien und Italien iiberfielen die Anhanger der Daschnaken die moslemische, d.h. hauptsachlich aserbaidschanische, Bevolkerung nicht nur in den genannten Regionen, sondem auch in den Gouvem em ents Kars und Eriwan. Im August 1920 zettelte die Daschnaken-Regierung Armeniens einen abenteuerlichen Konflikt mit der Tiirkei Kemals an. Tiirkische Truppen drangen erneut in Armenien ein und besetzten, da sie keinen nennenswerten Widerstand antrafen, Sarykamysch (am 13. Septem ­ ber), Kars (am 30. Oktober) und Alexandropol (am 5. Novem ber) und bedrohten auch Eriwan. Nach einer ganzen Reihe schwerer Niederlagen durch die turkischen Verbande unter dem Kommando von Karabekir und Khalil-Pascha war die Regierung in Erewan gezwungen, im Dezember 1920 einen fur sie schweren „Friedensvertrag" zu unterzeichnen.328 Dieses Mai erhielt die Daschnaken-Regierung keine Unterstiitzung und keine staatliche Militarhilfe aus den USA, GroBbritannien, Frankreich und Italien. Und im November 1920 wurde die Regierung von den Bolschewiki gesffirzt. Am 2. Dezember 1920 ubernahmen die arm enischen Kommunisten offiziell die Staatsmacht in Armenien. Jedoch waren ihre Positionen auBerhalb Erewans noch recht schwach. Am 1. Dezember 1920 erklarte der Parteisekretar der Bolschewiki Sowjet-Aserbaidschans, Nariman Narimanow, vermutlich befliigelt von der kommunistischen ,,Solidaritat“ : „Die werktatige Bauemschaft von Berg-Karabach erhalt das voile Recht auf Selbstbestimmung.“329 328Vgl.: Bolschaja Sowjetskaja Enziklopedija pod. obsch. red. O.J. Schmidta (GroBe Sowjetenzyklopadie unter der Endredaktion von O. J. Schmidt), Moskau 1926, Band 3, S. 437-438. Vgl.: auch Anhang “Kurzer Uberblick iiber die armenisch-turkischen Beziehungen im 19. und 20. Jahrhundert". 329Vgl.: Kommunistische Partei von Aserbaidschan, Institut Istorii Partii (Institut fur Parteigeschichte): К istorii obrasowanija Nagorno-Karabachskoj Awtonomnoj oblasti As. SSR, 1918-1925 gg. (Zur Geschichte der Bildung des Autonomen Gebiets Berg-Karabach der As. SSR, 1918-1925. Dokumenty i materialy (Dokumente und Materialien). Baku 1989, S. 41. Es ist wichtig anzumerken, dass das nicht die Meinung eines staatlichen Organs, sondem des Partei vorsitzenden war, die nicht von dem entsprechenden Beschluss der gesetzgebenden Versammlung des Staates bestatigt war. 204 Ohne detaillierte Erlauterungen konnte der Inhalt des Ausdrucks ..Selbstbestimmung“, der auch im Rahmen der territorialen Integritat des Staates realisiert werden kann, und des Ausdrucks ,,Bauemschaft“ I der Erklarung Narimanows von den radikalen armenischen Nationalisten als Recht auf Abspaltung Karabachs von Aserbaidschan angesehen werden. In Moskau gingen die M einungen iiber die administrative Zugehdrigkeit von Berg-Karabach auseinander. Bekannt ist, dass Wladimir Lenin es ablehnte, sich in das W esen der Grenzstreitigkeiten beziiglich Berg-Karabach zu vertiefen, auf Grund dessen, dass nach dem Sieg der Revolution weltweit die Grenzen wie auch die Nationen verschwinden wiirden. Eine solche Logik der vom heutigen Standpunkt aus gesehen „seltsamen" Erorterung war damals den Bolschewiki verstandlich: es lohnte sich nicht, sich iiber aktuelle fimktionale Probleme den K opf zu zerbrechen, weil nach der Ankunft am Bestimmungsort - im Kommunismus - diese Probleme von selbst verschwinden wurden. Der Volkskommissar fur Nationalitatenfragen Josef Stalin willigte aufgrund seiner realistischeren Einstellung in die Bildung der Autonomie im Rahmen von Aserbaidschan ein. Gegen Ende 1920 nahmen jedoch der politische K am pf und der Biirgerkrieg eine solche Wendung, dass Stalin den armenischen Bolschewiki einen Trum pf geben musste, wenn er die Volksmassen auf seine Seite ziehen wollte. Damals veroffentlichte er auch in der Zeitung „Prawda" den Artikel „Hoch lebe Sowjet-Armenien!“, in dem er territoriale Zugestandnisse Sowjet-Aserbaidschans an Sowjet-Armenien bekanntgab: „Am 1. Dezember 1920 verzichtet Sowjet-Aserbaidschan freiwillig auf die umstrittenen Provinzen und erklart die Ubergabe von Sangesur, 330 Nachitschew an und Berg-Karabach an Sowjet-Armenien*. " Auflenm inister G. Tschitscherin331 neigte einer anderen Losung zu. Am 19. Juni 1920 schrieb er: „Karabach, Sangesur, Nachitschewan und D schulfa332 diirfen weder zu Armenien gehoren, noch an 330Stalin J. W. Da sdrawstwujet Sowjetskaja Armenija! (Hoch lebe SowjetArm enien!), Prawda, 4. Dezember 1920. 331 Tschitscherin Georgij W asiljewitsch (1872-1936), AuBenminister (Volks­ kom m issar fur Auswartige Angelegenheiten) der Russischen Foderation und der Sowjetunion von 1918 bis 1930. 332D sch ulfa war 1894 eine Ortschaft des Ujesds Nachitschewan, Gouvernement Eriwan an der Einmundung des Alindsch-tschaj in den Araxes (Aras) mit 700 205 Aserbaidschan angegliedert werden; mit Zustimmung der ortlichen Sowjets mtissen sie direkt den russischen Truppen unterstellt werden."333 Ftir die Zugehorigkeit von Berg-K arabach zu Aserbaidschan sprechen die Geschichte, das Recht, die G eographie und wirtschaftliche Faktoren - fur die Zugehorigkeit zu A rm enien oder fur die Autonomie spricht die armenische M ehrheit der Bevolkerung, fur „die direkte Unterstellung unter die russischen Truppen“ nur der diese Truppen bestimmende Wunsch. Im Mai 1921 wurde bei der Unterzeichnung des sowjetischturkischen Vertrags ein besonderer Status fur den Ujesd N achi­ tschewan bestimmt: er bildet ein autonomes Territorium unter dem Protektorat von Aserbaidschan ohne das Recht der U bertragung an einen dritten Staat. Innerhalb der Tiirkei wurden die in der Vergangenheit von Russland befreiten Gebiete Kars, Ardagan und Sarykamysch belassen. Ebenfalls 1921 wurden von den Sowjets die ,,Erwerbung“ von Sangesur und eines beachtlichen Teils der Ujesd Kasach (Gasach) durch Armenien angeordnet, insgesamt rund 9000 Quadratkilometer, deren Bevolkerung im W esentlichen aus Aserbaidschanem bestand. Infolge der Ubertragung von Sangesur wurde der Kreis Nachitschewan vom restlichen Aserbaidschan abgeschnitten. In gleicher Weise verfugte die bolschewistische Herrschaft 1922 iiber das Land von Dilischan und Gojca (ScharurDaralegeskie Gebiete). Als Kompromisslosung wurde die Schaffung einer autonomen Verwaltungseinheit innerhalb Sowjet-Aserbaidschans vorgeschlagen. Von der hochsten regionalen Autoritat der ortlichen Kommunisten, Einwohnem. Wichtige Zollstation im Handel mit Persien. Im Altertum war Dschulfa eine bedeutende Stadt mit mehr als 50.000 Einwohnern. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts waren hier noch die Reste eines riesigen Friedhofes mit unzahligen Grabdenkmalem sichtbar, die mit Basreliefs und Arabesken bedeckt waren, sowie die Uberreste von Pfeilem von Briicken iiber den Araxes (Aras). A u f eine dieser Briicken bezieht sich moglicherweise der Vers Vergils: „pontem indignatus Araxes“. 1603 wurde Dschulfa vom Safawidischen Schah Abbas verwtistet und zerstort, und alle Einwohner (iiber 50.000) wurden nach Persien weggefiihrt und bei Isfahan angesiedelt, wo sie den Ort Neu-Dschulfa (Nor-Dschuga) griindeten. Vgl.: Mamedova Farida: Ursachen und Folgen des Karabach-Problems. Eine historische Untersuchung. In: Krisenherd Kaukasus. Hrsg. Uwe Halbach, Andreas Koppeler. I. Aufl. Baden-Baden 1995, Nomos Verlag Gesellschaft, S. 125-126. 206 dem Kaukasischen Btiro, wurde am 5. Juli 1921 diese Autonomie beschlossen. Unter Beriicksichtigung der „Notwendigkeit der Wirtschaftsverbindungen zwischen Berg-Karabach und der Ebene Karabachs und seiner standigen Verbindung zu Aserbaidschan verbleibt Berg-Karabach, nachdem es breite regionale Autonomie erhalten hat, mit der Stadt Schuscha als Verwaltungszentrum inner­ halb der autonomen Region, in den Grenzen der Aserbaidschanischen Sozialistischen Sowjetrepublik."334 Im Protokoll dieser Sitzung des Kaukasischen Buros war festgehalten, dass sieben M itglieder fur den Beschluss stimmten und drei sich der Stimme enthielten. Gegen335 stimmen gab es nicht. Am 7. Juli wurde per Dekret des aserbaidschanischen Exekutivkomitees der Sowjets aus dem Bergteil von Karabach, der friiher zum Gouvemement Elisawetpol gehort hatte, der Nagom o-Karabachskaja Awtonomnaja Oblast (NKAO, Autonomes Gebiet Berg-Karabach) innerhalb der Aserbaidschanischen Sozialistischen Sowjetrepublik geschaffen. Die neue Verwaltungseinheit umfasste eine Flache von 4400 Quadratkilometem oder 5,1% des Territoriums der Aserbaidschanischen SSR. Hauptstadt der Autonomie wurde die Stadt Chankendi336, danach (im Septem ber 1923) umbenannt in Stepanakert nach dem armenischen Bolschewiken Stepan Schaumjan. Nach dem territorialen Aufbau 1921 kamen zu Berg-Karabach auch die abgetrennten Gebiete des Schaumanowskij und des Latschinskij Rayons der Aserbaidschanischen SSR. Gerade dazu wurde den Parteiorganen ein schriftliches Gesuch der Arm enier von BergKarabach iibermittelt m it der Bitte, sie innerhalb der Republik Aserbaidschan zu belassen. 334A us dem Sitzungsprotokoll des Plenums des ZK der KPdSU (B) vom 4. Juli 1921 iiber die Uberweisung der Frage zu Berg-Karabach zur endgultigen Entscheidung an das ZK der KPdSU. Zentrales Parteiarchiv beim ZK der K PdSU, f. 8, op. 18, d. 58, Bl. 18. Veroffentlicht in der Zeitschrift „Westnik archiwow Armenii" (Bote der Archive Armeniens, 1989, Nr 2, Dok. Nr. 14, 77- 78. Vgl.: auch das o.g. Werk von Mamedowa, F. S.92. 335V gl.: Balaew A. Karabach ot perioda nesawisimosti AChK sowjetskoj awtonom ii (Karabach von der Periode der Unabhangigkeit der DRA bis zur sow jetisch en Autonomie.) In: IRS, Moskau 2-3 (14-15), 2005, S. 62. 136Chankendi in aserbaidschanischer Sprache heisst „Dorf des Konigs": Chan bedeutet Khan oder Konig; kend bedeutet Dorf, Ortschaft. 207 Die Hauptmotivation w ar die wirtschaftliche Zw eckm aB igkeit und faktische wirtschaftliche Lage der Armenier von B erg-K arabach, die sehr viel besser war als die des benachbarten A rm enien.337 Was Armenien betrifft, so wurde es nach den Ideen der S c h o p fer der kommunistischen Nationalpolitik dennoch „nirgends entstehen konnen“, da es sich unter standiger Bedrohung seiten s der benachbarten Tiirkei befand, mit der Stalin - insbesondere zw ecks Umsetzung seiner Nationalitatenpolitik - zielstrebig gute B eziehungen aufbaute. Der in der Sowjetzeit legendare Armeeftihrer der „R oten Reiterarmee" S. Budjonnyj schrieb spater in seinen M em oiren, der Befehl Stalins zur Uberlassung von Batumi an die Tiirken sei ihm unverstandlich gewesen und er habe, sich offensichtlich den U nw illen Stalins zuziehend, die Stadt entgegen diesem Befehl eingenom m en. Aber die Batumi-Direktive fiigt sich logisch in das G esam tsystem der Politik Stalins zur Starkung der Sowjetmacht ein. Mit dem V erzicht au f Batumi wollte er offenbar einerseits die Biindnisbeziehungen zu Kemal Atatiirk noch weiter festigen und andererseits sow ohl die Georgier als auch die Arm enier mit der tiirkischen B edrohung einschuchtem, vor der nur die Sowjetmacht und der Anschluss an die zukiinftige Sowjetunion retten konnte.338 Im Gemeinschaftswerk arm enischer Autoren „Armenien. Neuentdeckung einer alten Kulturlandschaft, Berlin 1995“ heiBt es bezuglich der Schaffung des Autonomen Gebietes Berg-K arabach innerhalb der Aserbaidschanischen SSR: „Paradoxerweise gehort der Bei den Beschliissen des Kawbiiro iiber Berg-Karabach wurden die Kriterien der „Gerechtigkeit11 und des „Volkerrechts" uberhaupt nicht beriicksichtigt. Es dominierten Uberlegungen der kommunistischen politischen ZweckmaBig­ keit. So konnen auch die hier angefiihrten Verweise auf Beschlusse der kommunistischen sowjetischen Organisationen wenig zum Verstandnis des Wesens des Geschehenen beitragen. Innerhalb der sowjetischen Nationalpoli­ tik wurde Berg-Karabach von den sowjetischen Fiihrem hochstwahrscheinlich als ungewohnliche Zahlung an Aserbaidschan far Loyalitat im Rahmen der UdSSR gesehen. Jedoch auch der Brief der Armenier von Berg-Karabach hat 33gden Beschluss zugunsten von Aserbaidschan zw eifellos beeinflusst. Vgl.: Prjachin W. „Tschjornyj sad“ meschdunorodnogo soobschtschestwa: konflikt w Nagomom Karabache i problemy globalnogo miroustrojstwa posle „cholodnoj wojny“ („Der schwarze Garten“ der intemationalen Gemeinschaft: der Konflik in Berg-Karabach und Probleme der globalen Weltordnung nach dem Kalten Krieg) In: Zentralnaja Asija i Kawkas (Zentralasien und der Kaukasus) N 6, 2002, S. 19. 208 Kern der alten Provinz Arzach, die sich als das erste der armenischen Territorien an Russland anschloss, nicht zur Republik Armenien. I nter dem Namen Berg-Karabach wurde dieses mit dem illusorischen Status einer Autonomen Region im Osten des Transkaukasus an die geschaffene Aserbaidschanische SSR angegliedert - getrennt von Armenien durch einen Korridor, dessen Breite im Latschinskij Rayon nicht mehr als fiinf Kilometer betragt“ .339 Diese ,,Beschreibung“ der Geschichte kann nur auBerstes Erstaunen hervorrufen. Daraus geht hervor, dass angeblich das Khanat Karabach 1806 iiberhaupt nicht an Russland anschlossen wurde und der Khan von Karabach Ibrahim 1805 uberhaupt nicht das Traktat (Abkommen) iiber den Anschluss unterzeichnete. Dieses Erstaunen m uss auch den Beigeschmack des Unverstandnisses haben: das zitierte Werk hat, wie schon bemerkt, einen halboffiziellen Status, da es als Vorwort GruBbotschaften der damaligen Prasidenten Arm eniens und Deutschlands enthalt. Am 13. Oktober 1921 wird in Kars unter Beteiligung der RSFSR der Freundschaftsvertrag zwischen der Armenischen SSR, der Aserbaidschanischen SSR und der Georgischen SSR einerseits und der Tiirkei andererseits geschlossen. In Artikel 5 des Vertrages driicken die Regierungen der Tiirkei, Armeniens und Aserbaidschans ihre Zustimmung dazu aus, „dass das Gebiet Nachitschewan... ein autonomes Territorium unter dem Schutz von Aserbaidschan bildet.“34<) Nach einem Jahr und zwei M onaten, am 13. Dezember 1922, wurde die Transkaukasische Sozialistische Foderative Sowjetrepublik gegriindet und ihre Verfassung angenommen.34' Im Zusammenhang j39Armenien. Wiederentdeckung einer alten Kulturlandschaft. Berlin 1995, S. 17. 340V gl.: Vertrag uber die Freundschaft zwischen der Armenischen SSR, der Aserbaidschanischen SSR und der Georgischen SSR einerseits und der Tiirkei andererseits, der unter Beteiligung der RSFSR am 13. Oktober 1921 in Kars gesch lossen wurde. In: Dokumenty wneschnej politiki SSSR (Dokumente der AuBenpolitik der UdSSR). Moskau, Gospolitisdat 1960, Band IV, S. 423, A rtikel 5. 1929 wurden einige Dorfer von Nachitschewan abgetrennt und der A rm enischen SSR angegliedert. Vgl.: Mamedowa F. Istina о Karabachskoj problem e (D ie Wahrheit iiber das Problem Karabach)... S.33. 341 V gl.: Verfassung (Grundgesetz) der Transkaukasischen Sozialistischen Foderativen Sowjetrepublik (SSFSR ), 13. Dezember 1922. In: Sjesdy S o w jeto w Sozialistitscheskich Respublik. Sbomik dokumentow. 1917-1922 gg. (D ie Kongresse der Sowjets der Sozialistischen Republiken. 209 damit bestatigte der Transkaukasische Sowjet-Kongress in seinem Beschluss die administrative Teilung der M itgliedsrepubliken der Foderation, die am Datum der Griindung der SSFSR g e g e b e n war, noch einmal.342 Es ist noch einmal zu betonen, dass Armenien und A serbaidschan den Vertrag von Kars als unabhangige Republiken unterzeichneten. In dieser Eigenschaft nahmen sie den Beschluss zur S c h affu n g der SSFSR und ihrer Verfassung. W eder der Vertrag von K ars n o c h die Verfassung der SSFSR enthielten irgendwelche H inw eise auf Veranderungen beziiglich des Bergteils von Karabach, da seine Lage innerhalb Aserbaidschans offiziell von alien Seiten anerkannt w urde, darunter auch von der Armenischen SSR. Von 1923 bis zum Niedergang der Sowjetunion nutzte BergKarabach erfolgreich seinen autonomen Status innerhalb der Aserbaidschanischen SSR. A u f der Grundlage dieses autonom en Status bewahrten und entwickelten die Karabach-A rm enier ihre Kultur, Sprache, Literatur und Lokalverwaltung. Die arm enischen Deputierten aus Berg-Karabach waren im Obersten Sow jet von Aserbaidschan vertreten, einer der Stellvertreter des V orsitzenden des Obersten Sowjets war immer von Berg-Karabach abgeordnet. Erneut stand die Karabach-Frage in den ersten Jahren nach dem 2. W eltkrieg wieder im Raum. Im November 1945 brachte der Sekretar des ZK Armeniens A. Arutjunow beim ZK der KPdSU (B) einen Antrag iiber die Eingliedemng des NKAO in die Armenische SSR ein. In einem personlichen B rief an J. Stalin schrieb er: „Das Autonom e Gebiet Berg-Karabach, das zum Gebiet von Armenien gehort, ist seit 1923 Teil der Aserbaidschanischen SSR. Die Bevolkerung dieses Gebietes sind im Wesentlichen Armenier. Von 153.000 M enschen sind 137.000 Armenier". W eiter bat er um Untersuchung der Frage der Ubertragung des NKAO an Armenien. Nach Eingang des Schreibens sandte der Sekretar des ZK der KPdSU (B) G. M alenkow auf Anordnung Stalins dem Ersten Sekretar des ZK der KPdSU (B) Dokumentensammlung 1917-1919) Moskau, Gosudarstwennoe Isdatelstwo Juriditscheskoj Literatury 1960, Band 2, S. 483-491. Vgl.: Beschluss im Zusammenhang mit der Annahme der Verfassung der SSFSR, 13. Dezember 1922. In: Sjesdy Sowjetow Sozialistitscheskich Respublik. Sbomik dokumentow. 1917-1922 gody (Kongresse der Sowjets der Sozialistischen Republiken. Dokumenten-sammlung. 1917-1922), Band 2, S. 482. 21 0 von Aserbaidschan K. Bagirow eine Anfrage mit der Bitte um Stellungnahme. In der Antwort stimmte K. Bagirow der Eingliedemng des NKAO in die Armenische SSR zu unter der Bedingung, dass Armenien drei an Aserbaidschan angrenzende Rayons an Aser­ baidschan abtreten solle. W eiter gediehen die Verhandlungen jedoch nicht: Armenien war keineswegs willens, einen Teil seines Territoriums abzutreten, obwohl es Anspriiche au f einen Teil der Gebiete des Nachbarstaates anmeldete.343 Aufgrund des Beschlusses des M inisterrats der UdSSR vom 23. Dezember 1947 und 10. Marz 1948 nahm Moskau, au f Einwirkung der armenischen Lobby innerhalb der damaligen Staats- und Parteispitze, den Beschluss, rund 150.000 Aserbaidschaner, die in verschiedenen Rayons von Armenien lebten, nach Aserbaidschan umzusiedeln. Der neue W ohnort der Umsiedler sollte die Muganer Steppe werden, die in klim atischer und in produktionsstruktureller Hinsicht ein nicht sehr attraktiver Wohnort war. Es wurde auch ein Umsiedlungsplan fur Aserbaidschaner geschaffen: 60.000 im Jahre 1947, 40.000 im Jahre 1948 und 50.000 im Jahre 1950. Als Grundlage fur diesen Schritt dienten Moskau offiziell fehlende Siedlungsorte fur den Zustrom von Armeniern aus dem Ausland. Der Zustrom der Armenier erwies sich jedoch als wesentlich niedriger als erwartet, und es kamen nur 50.000 neue armenische Burger. Das Resultat w ar die simple ,,Entfem ung“ von 150.000 Aserbaidschanern aus Armenien ohne irgendeine durch ,,Produktion“ oder ,,Gebiet“ bedingte Notwendigkeit.344 343Vgl.: A liew , Igrar. Nagomyj Karabach: Istorija. Fakty. Sobytija. (BergKarabach: Geschichte. Fakten. Ereignisse). Baku, Elm 1989, S. S. 88-89. ,44Beschluss des Ministerrats der UdSSR Nr. 4083 vom 23. Dezember 1947 ,,0 pereselenii kolchosnikow i drugogo aserbajdschanskogo naselenija is Armjanskoj SSR w Kura-Arachinskuju nismennost Aserbajdschanskoj SSR“. (U ber die Umsiedlung der Kolchosniki und der anderen aserbaidschanischen Bevolkerung aus der Armenischen SSR in die Kura-Araxes-Niederung der Aserbaidschanischen SSR) Vgl.: Archiv ZSI MID AR; Beschluss des M inisterrats der UdSSR Nr. 754 vom 10. Marz 1948 „О merach po pereseleniju kolchosnikow i drugogo aserbajdschanskogo naselenija is Arm janskoj SSR w Kura-Arachinskuyu nismennost Aserbajdschanskoj SSR(U b er MaBnahmen zur Umsiedlung der Kolchosniki und der anderen aserbaidschanischen Bevolkerung aus der Armenischen SSR in die KuraA raxes-N iederung der Aserbaidschanischen SSR). Archiv ZSI MID AR; Schreiben des Standigen Vertreters von Aserbaidschan bei der Genfer UNO211 Aber auch der entgegengesetzte Prozess w ar zu beobachten. In Sowjetzeiten zogen immer mehr Armenier in die GroBstadte von Aserbaidschan. In der Hauptstadt Baku beispielsweise betrug in der Zeit des Niedergangs der UdSSR die armenische Bevolkerung der Hauptstadt von Aserbaidschan rund 200.000 M enschen, d.h. rund 13% der Gesamteinwohner der Stadt (1,7 Millionen m it V ororten in 1991), deren Sprache uberwiegend russisch war. In der A ra nach Chruschtschow wurde von armenischer Seite der jahrzehntelange Status von Berg-Karabach allmahlich offen in Frage gestellt. Am 24. April 1965 gingen in Erewan Zehntausende Arm enier mit der Forderung nach Riickgabe des armenischen „Territorium s" an die Republik au f die StraBe.345 1969 erweiterte die arm enische SSR in den Rayons Kasachskij und Sadaraskij ihr Territorium zu Lasten aserbaidschanischen Landes. Eine andere Form des Protests waren die arm enischen Petitionen an Moskau um Ubertragung des Autonomen Gebiets Berg-Karabach an die Armenische SSR. 1966 wurde in der Hauptstadt der UdSSR ein von 45.000 Biirgem unterzeichneter A ufruf vorgelegt, der zur Ubertragung von Berg-Karabach an Armenien aufforderte. Ein Offener B rief ahnlichen Inhalts, unterzeichnet von Zehntausenden von Biirgem, wurde an den 27. Kongress der KPdSU gesandt. Die Antworten aus Moskau waren stets negativ, aber diese Aktionen bereiteten der Besetzung von Gebieten der Republik Aserbaidschan durch Armenien den Boden. Abteilung vom 26. Mai 1998 an das Sekretariat der UNO-Unterkommission fur Diskriminierungsverhiitung und Minderheitenschutz. Anhang: „Infermazija о m assowych deportazii Aserbajdschanzew so sw oich istoritscheskich i etnitscheskich semel na territorii Armjanskoj SSR 1948-1953 gg“ (Information iiber die Massendeportation von Aserbaidschanem aus ihrem historischen und ethnischen Land in das Gebiet der Armenischen SSR von 1948-1953) UN-Dokument E/CN/Sub.2/1998/27; Schreiben des Standigen Vertreters von Aserbaidschan bei der Genfer UNO-Abteilung vom 26. Mai 1998 an den Sekretar der UNO-Unterkommission fur Diskriminierungsverhiitung und Minderheitenschutz. Anhang: Erlass des Prasidenten der Republik Aserbaidschan „Uber den Genozid der Aserbajdschaner" vom 26. Marz 1998. UN-Dokument E/CN. 4/Sub. 2/1998/ 26. 545Der Terminus „Territorium41 bezog sich sowohl auf die ostlichen Provinzen der Tiirkei als auch auf Berg-Karabach und Nachitschewan. Vgl.: Nahaylo B. Svoboda V. Soviet Disunion- A History o f the Nationality problem in the USSR. N ew York 1990, p. 147-148. 212 14. Die Verscharfung des Konfliktes um Berg-Kara­ bach wahrend der „Perestrojka44 und des Nieder­ gangs der UdSSR „ Wenn die Elite die Kontrolle iiber die Ereignisse verliert, wirkt das Gesetz der unerwarteten Folgen. Die Folgen einer solchen Spaltung vorauszusagen ist nicht moglich. A ber eine Regel gilt fa s t ohne A us­ nahme: die gespaltene nationale Elite spaltet auch das Land. Es ist eine Frage der Zeit. “ Chusainow Ural Auch nach dem Plenum der ZK der KPdSU im April (1985) und der Perestrojka und dem Demokratisierungsprozess begann die armenische Bevolkerung von Karabach ihren W unsch nach Wiedervereinigung des NKAO m it den zu ihm gehorenden Rayons mit prozentual groBer arm enischer Bevolkerung mit Armenien auszudriicken. Die Falle der Verletzung der Rechte der armenischen Bevolkerung in Aserbaidschan und der aserbaidschanischen in Armenien wurden im Beschluss des ZK der KPdSU und des Ministerrats der UdSSR „О merach po uskoreniju sozial-ekonomitscheskogo raswitija Nagomo-Karabachskoj awtonomnoj oblasti Aserbajdschanskoj SSR 1988-1995 godach“ (Uber MaBnahmen zur Beschleunigung der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung des Autonomen Gebiets Berg-Karabach der Aserbaidschanischen SSR 1988-1995) vom 24. Marz 1988 dokumentiert und veroffentlicht. Jedoch fiihrten Glasnost und Perestrojka, vom Sowjetischen Parteichef M. Gorbatschow proklamiert, nicht nur zu vielem Neuen und Positiven, sondern gaben auch einen neuen AnstoB zum Wiedererwachen des Separatismus in diversen Teilen des Sowjetreiches. Das W ort, das beim Startschuss fur unablassige Aktionen des Karabacher Separatism us eine Rolle spielte, wurde in Paris auf dem ordentlichen Arm enischen Nationalkongress 1987 gesprochen. Den Beschluss zu den in der UdSSR beginnenden demokratischen Umformungen bezuglich der Befriedigung der „legalen Forderungen des arm enischen Volkes“ iiber die „W iedervereinigung14 des NKAO mit Arm enien zu nutzen, fand bei der iiberwaltigenden Mehrzahl der Armenier breite Unterstutzung. 213 In dieser Sache trifft sich in Paris der damalige W irtsc h a ftsb e ra ter Gorbatschows, Abel Aganbegjan, m it Vertretern der seh r e in flu ss reichen armenischen Diaspora in Frankreich, wonach er fra n z o sisc h e n Zeitungen ein Interview gibt, in dem er erklart, dass er „froh w a r e zu wissen, dass Karabach, das im Nordosten der Republik g e le g e n ist, armenisch wurde. Als Okonom glaube ich, das es mehr m it A rm e n ie n verbunden ist als mit Aserbaidschan. “346 Gleichzeitig erscheinen in der armenischen und der so w je tisch e n Presse nacheinander Artikel, in denen der Gedanke ausgedrtickt w ird , dass die Aserbaidschaner ein Volk sind, das im T ran sk au k asu s zugezogen ist, keine historischen W urzeln und keine eigene K u ltu r hat, sondem das gesamte jetzige Territorium Aserbaidschans sic h als angestammtes armenisches Gebiet erwiesen hat. Das groBte A usm afi erreichte diese antiaserbaidschanische Kampagne nach der V ero ffen tlichung der Gedichte von Silwa Kaputikjan347 in der Z e itsc h rift „Druschba narodow“ (Freundschaft der Volker) (!), in denen die L e se r aufgerufen werden, den W eg des „beriihmten Andronik“ fortzusetzen und mit „Flinte und Leichentuch“ durch die aserbaidschanischen Siedlungen zu gehen. Bald danach erscheint die russische M assenauflage des b ereits in armenischer Sprache in mehreren Auflagen gedruckten B uches von Zorij Balajan ,,Otschag“ (Herd, Heim). In diesem Buch wird K arabach insgesamt zum ,,Herd“ der armenischen Nation erklart. Das steht im volligen Widerspruch zu alien historischen Urkunden. Im gleichen Buch klagt der Autor, die Aserbaidschaner wurden sich zu schnell ,,vermehren“ und schlagt GegenmaBnahmen vor. Aserbaidschanische Historiker, Publizisten und Politiker konnten zu dieser absurden These und den Aufrufen an ihre arm enischen 346Azerbaijan in the new Millennium, Baku 2001, Teil “Armjano-aserbajdschanskij konflikt wokrug N agom ogo Karabacha" (Der armenisch-aserbaidschanische Konflikt um Berg-Karabach), S. 282-283. Moglicherweise wusste das Mitglied der Akademie der Wissenschaften Aganbegjan nicht, dass sich BergKarabach auf aserbaidschanischem Territorium befindet?! 347Kaputikjan Silwa Barunakowna (1919-2006), armenische Dichterin. Sie hat die Staatspramie (Gosudarstwennaja premija) der UdSSR erhalten (1952). In ihren Werken „Tschasy oschidanija“ (Stunden der Erwartung) (1983). „Trewoschnyj den“ (Ein aufregender Tag) (1985), „Idjot sima“ (Winter) (1997) wird die Schonheit Armeniens besungen und werden die tragischen Seiten der Geschichte der Armenier beschrieben. 214 ,,Kollegen“ naffirlich nicht schweigen. A u f die historische Chronik zuriickgreifend fuhrten sie urkundliche Belege daffir an, dass allein im 19. Jahrhundert mit Unterstiitzung Moskaus iiber 400.000 Armenier aus dem Iran und der Tiirkei auf aserbaidschanisches Gebiet umgesiedelt wurden; danach gelangte aserbaidschanisches Land in sehr grofiem MaBstab auf legale und illegale W eise in die Hande der Armenier. Auf dieser Grundlage entsteht unvermeidlich eine Konfliktsituation. Aserbaidschanische Experten erinnern an viele Fakten und die langen Jahre, die von den sowjetischen Historikern verschwiegen wurden. Das sind die Ereignisse von 1905-1907 und 1918-1920, die Marz-Pogrome in aserbaidschanischen Dorfern und der Tod unschuldiger M enschen, die zielgerichtete Anderung der historischen aserbaidschanischen Toponyme, die groBangelegte Geschichtsfalschung. Die Historiker bezogen sich auch auf das Altertum und auf die jiingste Vergangenheit der siebziger Jahre, als die Armenier von Karabach lautstark den 150. Jahrestag ihrer Umsiedlung aus dem Kadscharenstaat nach Aserbaidschan begingen. 1987-1988 fuhrte das Politbtiro des ZK der KPdSU voriibergehend ein Moratorium iiber die Them atik Karabach in den Massenmedien ein, in dem Glauben, dass man den Volkern Zeit zum Abkiihlen geben miisse. Und wahrend Demonstrationen stattfanden und die Leidenschaften aufwallten, berichteten die Zeitungen uber Baumwollernte und Traubenlese. Genau in diesen Jahren erfolgte jedoch die Massendeportation von Aserbaidschanem aus Armenien - und die zentrale Presse breitete dariiber den Mantel des Schweigens. Ab Ende 1987 begann parallel zum offenen Anmelden der territorialen Anspriiche der Armenier a u f Berg-Karabach die planmaBige V ertreibung der Aserbaidschaner aus der Armenischen SSR. In Erew an, Kafan, Masis, Gugarka, Dilischan, Sisian, Kirowakan und anderen Ortschaften Armeniens waren die Aserbaidschaner Gewalt und Terror unterworfen, wodurch es 220 Tote und 1154 Verletzte gab. N ach Aserbaidschan begannen Fluchtlinge aus Armenien zu kommen, deren Zahl insgesamt au f 243.682 anstieg.348 Besonders schwere P ogrom e m it Morden und Brandstiftung geschahen in den Siedlungen G ugarka, M asis und Sisian, in denen Dutzende von Aserbaidschanem g e to te t und Hunderte von H ausem gepltindert und zerstort wurden. In 348V g l.: The Statistical Information about Refugees and Internally Displaced P erson s in Azerbaijan. Baku 2000, p. 2. 215 Masis und Gugarka kamen ganze Familien in den Flammen ihrer Hauser oder selbst in den Moscheen um .349 Die Vertreibungen begannen in Dorfern, die recht weit von Erewan entfemt waren. Das Prinzip ihrer Deportation war hochst einfach: man gab den Menschen einige Stunden zum Packen und Verlassen ihres Heims. Im Falle der Weigerung begann eine Bestrafungsaktion, nicht selten mit todlichem Ausgang fur die nicht Gehorsamen. Die Pogrome waren von Gewalt, Schlagen und Morden begleitet. 1987 kamen Tausende von Aserbaidschanem ums Leben. Daruber berichtete die Weltpresse nicht, und die Sowjetpresse schwieg dazu. Gegen Ende Februar 1988 suchten die unglucklichen Massen der Aserbaidschaner Schutz in Baku. Um die Tatsache der Siedlung von Aserbaidschanem in Armenien ganz aus der Geschichte zu streichen, wurden in ihren Gebieten rund 2.000 Siedlungen, die fruher aserbaidschanische Namen hatten, in armenische um benannt.350 Dieser Strom und die bedriickenden Erzahlungen mussten geradezu eine antiarmenische Stimmung hervorrufen und die Lage destabilisieren. Die schrecklichen Ereignisse in Sumgait (Naheres daruber unten), die sich ereigneten, nachdem sich am 20. Februar 1988 die Tagungsperiode des Sowjets der Volksdeputierten des NKAO mit der Bitte an den Obersten Sowjet der UdSSR wandte, das NKAO in die Armenische SSR aufzunehmen (die aserbaidscha­ nischen Deputierten waren dagegen), bestatigten die dunklen Vorahnungen. Im gleichen Jahr wurden im November-Dezember an der armenischen Bevolkerung in Gjandscha und im Januar 1990 auch in Baku Gewalttaten veriibt. Auch Aserbaidschaner Helen im Laufe von 1988 und Anfang 1989 in einer ganzen Reihe von Rayons in Armenien (Masis, Eriwan, Vardenis usw.) Gewalttaten zum Opfer. Die Fliichtlingsstrome aus den ehemaligen ,,Bruder“-Republiken wurden groBer. GroBe Hoffnungen wurden man in das zur Losung vom Presidium des Obersten Sowjets der UdSSR vom Januar 1989 geschaffene 349A.a.O. und Quelle aus den folgenden Hinweisen - Schreiben des Standigen Vertreters der AR. Vgl.: Schreiben des Standigen Vertreters von Aserbaidschan bei der Genfer UNO-Abteilung vom 9. April 1997 an den Sekretar der UNO-Menschenrechtskommission. Anhang: „Informationen uber grobe Menschenrechtsverletzungen, die wahrend des Angriffs der Republik Armenien gegen die Republik Aserbaidschan erfolgten“. UNO-Dokument E/CN.4/1997/139. 216 Spezielle Leitungskomitee des NKAO gesetzt. Ziele seiner Tatigkeit waren eine etappenweise Kompromisslosung des Problems; die direkte Unterstellung des Gebietes an das Zentrum war unter den damaligen Bedingungen nicht durchftihrbar. Der erforderlichen Vollmachten und Ressourcen beraubt, konnte das Komitee die Situation nicht beliebig verandem. Die nachste W indung in der Spirale der Eskalation im NKAO begann mit der Verhangung des Ausnahmezustands mit dem Erlass des Obersten Sowjets der UdSSR vom 15. Januar 1991 im Autonomen Gebiet. Ziele des Erlasses: die Neutralisierung und Entwaffnung der illegalen, hauptsachlich armenischen bewaffneten Gruppen, die strenge Kontrolle des Passwesens in der Autonomie, die W iederherstellung der gesetzlichen Ordnung nach dem Grundgesetz auf ihrem Territorium. Der Autonomie-Status von Berg-Karabach wurde im November 1991 vom Obersten Sowjet der Aserbaidschanischen SSR kurz vor dem Niedergang der UdSSR abgeschafft. Dieser Schritt des aser­ baidschanischen Parlamentes war eine Reaktion au f die Unabhangigkeitserklarung von Berg-Karabach und seine Abspaltung von Aserbaidschan. Davor hatte niemand em sthaft die Richtigkeit, Gerechtigkeit und Legalitat des Autonomie-Status von Berg-Karabach in Zweifel gezogen, obwohl diverse, nicht aufhorende Provokationen armenischer nationalistischer Gruppen Ende der 80er und Beginn der 90er Jahre einen solchen Zweifel hatten aufkommen lassen konnen. Ende Februar 1988 trugen sich in Sumgait, einer bis dahin bliihenden aserbaidschanischen Stadt, tragische Ereignisse zu und wurde Gewalt angewandt.351 Dabei kamen uber dreiBig Menschen, MIn Sumgait begann alles mit einer Demonstration auf dem Zentralen Platz der Stadt, w o Redner voller Zorn von den beispiellosen Beschliissen zur “Wiedervereinigung" sprachen, die vom Obkom von NKAO getroffen wurden und vom ZK von Armenien unterstiitzt wurden, tiber das Schweigen Moskaus, von Randalen und Pliinderungen in den aserbaidschanischen Dorfern Arm eniens. Und hier springt im Zentrum der Menge eine Frau hervor und ruft ihren Landsleuten flehentlich zu: „Wo ist eure Ehre, wo ist eure Ehre!“. Danach bewegte sich die Menge in zw ei Stromen durch die StraBen der Stadt. Einer dieser Strome fuhrte ein gewisser Eduard Grigorjan, ein in Sumgait geborener Armenier an, der wahrend dieser Ereignisse personlich fiinf Arm enier totete und der sich alien Aserbaidschanem unter dem Namen Pascha vorstellte. A uf das Gewissen dieser Gruppe gehen 28 Morde. Die M itglieder der anderen Gruppe befassten sich hauptsachlich mit Pliinderung en . In Sum gait starben insgesamt 38 Menschen, darunter 32 Armenier. Den 217 m eist Armenier, zu Tode. Vieles im antiarm enischen Ereignis in Sumgait konnte bis dato nicht vollstandig aufgeklart w e rd e n . Viele Fragen bleiben bis jetzt offen: Weshalb verlieBen wohlhabende armenische Untergrunduntemehmer fur einige Tage d ie Stadt und zogen armenische Kameraleute ein? Warum hoben z a h lre ic h e wohl­ habende armenische Familien vor dieser Unruhe ihre E rsp am isse in den Banken ab? Woher hatten die Anstifter dieser U n ru h e n die genauen Adressen der Hauser und Wohnungen, in d e n e n Armenier wohnten, die den Komitees ,,Karabach“ und ,,K runk“ 352 keine moralische und materielle Unterstutzung gaben? Und schon Anfang M arz 1988 zeigten armenische Kameraleute schreckliche Bilder der Sumgaiter Tragodie: „Jetzt - so w ar die Stimme des Sprechers zu vemehmen - konnen Sie sich s e lb s t davon uberzeugen, dass das armenische Volk mit den Aserbaidschanem nicht in einem Staatsgebilde leben kann (Unterstreichung v o n m ir - J. R.), dass die einzige Losung fur das K arabach-P roblem die Angliederung des NKAO an Armenien ist...“353 Eine andere Beschreibung der Februar-Ereignisse v o n 1988 gab das Mitglied der Akademie der W issenschaften Andrej Dm itriewitsch Sacharow in seinem Schreiben an den Prasidenten der U d S S R M. Gorbatschow.354 Das Interesse einiger „dritter Krafte“ am BlutvergieBen in Sumgait und danach in anderen aserbaidschanischen Stadten w u rd e faktisch selbst vom Verteidigungsminister der Republik Armenien S. Sarkisjan gesamten ZusammenstoB sehen viele Beobachter auch a ls kolossale Provokation, deren Anstifter bis heute nicht identifiziert werden konnten und die nicht zur Verantwortung gezogen worden sind. Die gesellschaftliche Organisation „Krunk11 wurde mit H andreichung von „Daschnakzutjun11 auch in Abchasien gegriindet. A u f Initiative v o n „Krunk*' wurde in Abchasien ein „Armenisches Batallion namens M arschall Bagramjan“ gegriindet. Dieses Batallion kampfte in Abchasien gegen die georgischen Truppen und zeichnete sich nach Bestatigung der Generalstaatsanwaltschaft in Georgien durch besondere Harte gegeniiber den Georgiern aus. Der armenisch-abchasische (in Abchasien sind 15% der Bevolkerung Armenier) Widerstand gegen Georgien horte auch in den Folgejahren nicht auf: von den sieben Sabotageagenten, die beim Spezialeinsatz des lnnenministeriums M W D Georgiens am 20. September 2007 in Abchasien verhaftet wurden, waren drei armenischer Nationalitat. Vgl.: „Georgian Times11, 2 7 .9 .2 0 0 7 p 3353Vgl.: Azerbaijan in the new Millennium, Baku 2001, S. 285. 354Vgl.: „Obschtschaja gaseta11, 26.2.1998, S. 6. 218 in seinem Vortrag auf der am 29.-30. Marz 2005 stattfmdenden parlamentarischen Anhorung zum Problem von Berg-Karabach bestatigt.355 Gegen Ende 1989 verblieb auf dem Territorium von Armenien kein einziger Aserbaidschaner. Insgesamt starben in der Zeit der ethnischen Sauberungen Armeniens von 1987 bis 1989 314 Aser­ baidschaner.356 Am 20. Febmar 1988 richtete, wie bereits erwahnt, der Gebietssowjet von Berg-Karabach ein offizielles Ansuchen an die Obersten Sowjets Aserbaidschans, Armeniens und der UdSSR um Transfer des Autonomen Gebiets von der Aserbaidschanischen SSR zur Armenischen SSR. Die Deputierten des Obersten Sowjets der .Armenischen SSR stimmten fur die Unterstutzung dieses Ansuchens. Die Obersten Sowjets der Aserbaidschanischen SSR und der UdSSR lehnten dieses Ansuchen im Juni bzw. Juli 1988 ab. Am 12. Juli 1988 erklarte die armenische M ehrheit im Gebietssow­ jet von Berg-Karabach - in Abwesenheit der aserbaidschanischen Deputierten - den Austritt des Autonomen Gebiets Berg-Karabach aus der Aserbaidschanischen SSR. Dieser Schritt der armenischen Depu­ tierten von Karabach war au f der Sitzung des Obersten Sowjets der UdSSR im Juli 1988 besprochen worden. GemaB Artikel 78 der Verfassung der UdSSR (siehe Anhang), nach dem die administrativen Grenzen einer Unionsrepublik nicht ohne deren Zustimmung und Entscheidung geandert werden konnen, gilt der vom Gebietssowjet von Berg-Karabach gefasste Beschluss als gesetzwidrig und illegitim und nicht rechtskraftig. M it dem Ziel des Abbaus der Spannungen zwischen den beiden Inionsrepubliken ergriff Moskau eine Reihe auBergewohnlicher vlaBnahmen, die jedoch keinen langfristigen positiven Effekt hatten. Es w urde ein kurzfristiges wirtschaftliches Hilfsprogramm fur die Autonomie erstellt, und einige hohe Parteifunktionare (der Erste Sekretar der Kommunistischen Partei Aserbaidschans, Kamran (iagirow, und der Erste Sekretar der Kommunistischen Partei ArmesR ede des Verteidigungsministers von Armenien Sersch Sarkisjan auf der parlamentarischen Anhorung zum Problem Berg-Karabach, 29-30. Marz 2 005. Nachrichtenagentur „REGNUM 11: http//www.rehnum .ru/news/437271.htm l. \.a .O ., S. 286. 219 niens, K aren Dem irtschan) mussten zurucktreten. In das Gebiet w urden sow jetische Truppen entsandt, das Gebiet selbst wurde uber ein Besonderes Kom itee unter Leitung von Arkadij Volskij direkt der R egierung M oskaus unterstellt. Das W iederaufleben der alten armenischen Anspruche und die zunehm ende G efahr direkter ethnischer ZusammenstoBe stimulierte eine ungestiim e Lebhaftigkeit des politischen Lebens in Aser­ baidschan. Eine solche Starkung des politischen und nationalen B ew usstseins wurde in den aserbaidschanischen Gouvemements von 1905-1907 beobachtet, als die interethnischen ZusammenstoBe den C harakter eines Burgerkrieges annahmen. Die armenischen Aktionen Ende der 80er Jahre w urde von der aserbaidschanischen Offentlichkeit zunehm end als Beginn eines neuen Feldzugs fiir ein GroB-Armenien aufgenom m en.357 In dem MaBe wie sich die ethnische Gewalt in verschiedenen Teilen von A serbaidschan und Armenien ausbreitete, wurde Baku von Fliichtlingen iiberschw em m t - von Aserbaidschanem aus Berg-Kara­ bach, aus A rm enien und den Grenzregionen zwischen Aserbaidschan und A rm enien. In diesen Gegenden wurden kriegsahnliche Zustande zur N orm . G egen Ende 1988 stieg die Zahl der Fliichtlinge aus A rm enien und den genannten aserbaidschanischen Territorien auf m ehr als 210.000 M enschen an. Schon im September 1989 verabschiedete der O berste Sowjet der Aserbaidschanischen SSR 3 ^8 unter dem D ruck der V olksfront Aserbaidschan das Gesetz iiber die staatliche Souveranitat. Dieses Gesetz bestatigte zusatzlich die aserbaidschanische Souveranitat iiber Berg-Karabach und Nachi­ tschew an und das verfassungsmaBige Faktum, dass die Grenzen der A serbaidschanischen SSR nicht ohne deren Zustimmung geandert 357Vgl.: Swietochowski Tadeusz. Der Streit um Berg-Karabach. Geographie. ethnische Gliederung und Kolonialismus. In: Krisenherd Kaukasus. Hrsg. U w e Halbach/ Andreas Kappeler. 1. Aufl. Baden-Baden. Nomos Verlag G esellschaft 1995, S. 171; Junusova L.: End o f the Ice Age. Azerbaijan: A ugust-Septem ber 1989. In: The Chronicle o f Central Asia and the Caucasus VIII) 1989, N 6, p. 12; Ibragimow M. Sawtra budet posdno (Morgenist es zu spat) In: W yschka, 9.2.1989. 358D ie Volksfront von Aserbaidschan war die groGte politische und gesellschaftliche B ew egung des Landes Ende der 80er bis Anfang der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts, die fur die Unabhangigkeit der Republik eintrat. Aus ihr gingen spater mehrere politische Parteien hervor. 220 werden konnen. Dieses Gesetz enthielt auch die Bestimmung des Rechts auf Abtrennung von der UdSSR iiber ein Volksreferendum. Moskau war iiber die Verabschiedung dieses Gesetzes alles andere als 359 begeistert. Am 1. Dezember 1989 nahm der Oberste Sowjet der Armenischen SSR den gesetzeswidrigen Beschluss uber die Aufnahme von BergKarabach in Armenien. Die M itteilung dariiber, dass das Autonome Gebiet von Aserbaidschan im Staatshaushalt von Armenien enthalten ist und dass die Bevolkerung dieses aserbaidschanischen Gebietes das \\ ahlrecht in Armenien erhielt, waren einer der Griinde, die in Baku die Januarunruhen (1990) hervorriefen.360 Die Ereignisse von Baku dienten als Vorwand fiir den Einmarsch von Sowjet-Truppen am Ende der Unruhen in die Hauptstadt von Aserbaidschan. Das wahre Ziel dieses Einmarsches war die Unterdriickung der aserbaidschanischen nationalen Bewegung und die Erstickung der Unabhangigkeitsbestrebungen im Keim. Die Konfrontation zwischen den Demonstranten und den Heeresverbanden hinterlieB 134 Tote und 700 Verletzte, meist Aserbaidschaner.361 Im Februar 1990 begannen direkte Verhandlungen zwischen den Vertretem der Volksfront von '’’V gl.: Fuller F. Moscow Rejects Azerbaijani Law on Sovereignty. A Moral Victory for Armenia? In: RFE, RL Research Institute: Report on the USSR, 1. December 1989, p. 16-18. ',W)Zu diesen Unruhen Vgl.: Johannes Rau. Der Nagorno-Karabach Konflikt 1988-2002. Ein Handbuch. Verlag Dr. Koster. Berlin 2003. 61Zu den Januarereignissen (1990) in Baku Vgl.: Aserbajdschanskaja SSR, Werchownyj Sowjet. Sajawlenie Komissii po rassledowaniju sobytij, imewschich mesto w gorode Baku 19 janwarja 1990 g. (Aserbaidschanische SSR, Oberster Sowjet. Erklarung des Untersuchungsausschusses fur die Ereignisse in der Stadt Baku vom 19.-20. Januar 1990; Helsinki Watch: Conflict in the Soviet Union: Black January in Azerbaijan. Memorial Report, May 1991. Dariiber, dass diese Ereignisse vom Moskauer Zentrum des mit dem Niedergang kampfenden Reiches begleitet wurden, vgl.: „Der Ausnahmezustand. In: U kraja; Wsgljad skwos widoiskatel (Blick durch den Sucher). In: Moskowskie nowosti, 11.12.1988, S .12; Moskowskie nowosti, 4.12.1988, S. 10; Janwar w Baku (Januar in Baku). In: Moskowskie nowosti 16.9.1990, S .9; Tschreswytschajnoe poloschenie (Ausnahmezustand). In: M oskow skie nowosti, 4.2.1990, S.5; Rassledowanie natschato (Die Untersuchung hat begonnen. In: M oskowskie nowosti, 18.2.1990, S.5; Repetizija? Daw'ajte rasberjomsja (Wiederholung? Komm lass uns Ordnung schaffen. In: M oskow skie nowosti, 18.2.1990, S. 10; Bakinskij sindrom (Das BakuSyndrom) In: Moskowskie nowosti, 4.3.1990, S.13; Der Schwarze Januar von Baku- In: M oskauer Deutsche Zeitung, N 2, Januar 2005, S-18. Aserbaidschan und der Armenischen Allnationalen Bewegung in der lettischen Hauptstadt Riga. Sie verliefen ergebnislos. Nach dem Putsch in M oskau (August 1991) nahm das aser­ baidschanische Parlament (am 30. August 1991) den Beschluss uber die staatliche Unabhangigkeit Aserbaidschans an. Ab April 1991 kampften Spezialeinheiten der aserbaidschanischen Miliz gem einsam mit sowjetischen Soldaten gegen bewaffnete armenische Einheiten in Karabach. Nach dem Augustputsch (1991), den auch der Prasident der Aserbaidschanischen SSR Ajas M utalibow362 unterstiitzte, erklarte Moskau, Militaraktionen von Aserbaidschan in Berg-K arabach wurden nicht weiter unterstiitzt. So erhielten die radikalen arm e­ nischen Krafte in Karabach die Moglichkeit, vom Kreml unbem erkt die aserbaidschanische Bevolkerung aus den Ortschaften, wo sie noch verblieben war, zu vertreiben. Am 2. September 1991 verabschiedeten die armenischen Deputierten des Gebietssowjets von Berg-Karabach die Erklarung daruber, dass das Autonome Gebiet unabhangige Republik wird.363 So wurde der administrativ-politische Status von Berg-Karabach innerhalb von drei Jahren (vom 20. Februar 1988 bis 2. September 1991) drei M ai geandert (durch die Erklarungen und Beschltisse vom 20.2.1988; 17.7.1988; 1.12.1989 und 2.9.1991), jedes Mai widerrechtlich, und jedes Mai au f Initiative Erewans. Der letzte Schritt sollte formal die Befreiung Armeniens von der Beschuldigung der Aggression gegen den Nachbarstaat sein und der Darstellung der Armenier von Berg-Karabach als Kampfer ftir die staatliche Autonomie, und die Kriegshandlungen als bewaffneten Konflikt der Republik Aserbaidschan mit Berg-Karabach, nicht mit der Republik Armenien. Bei dieser Wahrnehmung des Konfliktes konnte die armenische Seite auf eine weniger scharfe Reaktion der W eltoffentlichkeit hoffen, was viele Jahre teilweise auch gelang. Als im November 1991 in einem Dorf von Karabach ein Hubschrauber m it hochstehenden aserbaidschanischen Staatsmannem (Staatssekretar, Generalstaatsanwalt, Prasidentenberater u.a.), Russen 362Mutalibow Ajas, Prasident der Republik Aserbaidschan von 1991-1992. Nach seinem erzwungenen Rucktritt wurde gegen ihn ein Strafverfahren angestrengt, das noch anhangig ist. Lebt seit 1992 in Moskau, wo er Zweiter Vorsitzender der Aserbaidschanischen Sozialdemokratischen Partei ist. 363Vgl.: N ew s from the USA Washington File in Russian, 24.4.2001, p. 1. 222 und kasachischen militarischen Vermittlem zwischen Aserbaidschan und Armenien abgeschossen wurde, entstand in Baku eine regelrechte politische Krise. Ende November 1991 revidierte das Parlament von Aserbaidschan den Autonomen Status von Berg-Karabach, und am 10. Dezember 1991 wurde in Berg-Karabach ein Referendum abgehalten, an dem nur die armenische Bevolkerung des Gebietes teilnahm, in dem die absolute Mehrheit der Teilnehmer fur die staatliche Unabhangigkeit von Karabach stimmte. Vom volkerrechtlichen Stand­ punkt aus sind dieses Referendum und seine Ergebnisse aus vielen Griinden nicht legitim, jedoch hauptsachlich deshalb, weil sich die aserbaidschanische Bevolkerung des Autonomen Gebiets nicht daran beteiligen konnte.364 Am 6. Januar 1992 wurde es vom neu gewahlten Parlament von Karabach in Unabhangige Republik Berg-Karabach umbenannt.365 Der ,,Staat“ wurde von keinem einzigen Land der Weltgemeinschafit, auch nicht von der Republik Armenien, offiziell anerkannt. 64Kurz vor Ausbruch des Konfliktes wurden im Autonomen Gebiet Berg-Kara­ bach 189.000 Einwohner gezahlt. Davon waren rund 48.000 Aserbaidschaner. 65 V gl.: Helsinki Watch: Bloodshed in the Caucasus. Escalation o f the Armed C onflict in Nagomo-Karabagh, September 1992, p.6; Transcaucasus: A C hronology. A Publication o f the Armenian National Committee o f America, I (1 9 9 2 ), 1. August, Nr. 88. 15. Die Eskalation des Berg-K arabach-K onfliktes zwi­ schen der Republik Armenien und d er Republik Aserbaidschan „Die Geschichte ist in der Vergangenheit umgekehrte Politik. Diese weitbekannte These e n th a lt einen grofien Teil einer bitteren Wahrheit. A b e r sie ist erniedrigend fu r diejenigen Historiker, d ie sich von der Politik offen distanzieren. Im U brigen s in d auch sie unvermeidlich m it einer bestim m ten K u ltu r und Ideologie verbunden, die auch h a u p tsa c h lic h die Stufe der Subjektivitat ihrer Theorien u n d Schlussfolgerungen bestimmen. Jedoch liegt d e r wichtigste Mangel dieser These darin, dass sie d ie Objektivitat der sozialen Vergangenheit selbst, d e r Geschichte selbst, die von der jetzigen Politik und d e n Politikern irgendwie nicht abhangig war, leugnen. “ Mamedow G. S. V or dem Niedergang der UdSSR wurde der K onflikt u m BergKarabach als innere Angelegenheit der Sowjetunion b e tra ch te t. Nach dem Zusammenbruch der UdSSR wurde dieser K onflikt z u einem zwischenstaatlichen Konflikt, der sich in einen Krieg z w is c h e n zwei Subjekten des Volkerrechts, der Republik A serbaidschan und der Republik Armenien verwandelte. Im Januar 1992 w u rd e n beide Staaten in ihren wahrend der UdSSR bestehenden G re n z e n in die Organisation fur Sicherheit und Zusamm enarbeit in E u ro p a (OSZE), und im Marz 1992 in die UNO aufgenommen. Wahrend sich die Situation in Berg-Karabach fu r d ie Aser­ baidschaner stetig verschlechterte, lieB sich der aserbaidschanische President Ajas M utalibow Zeit mit der Griindung einer einsatzfahigen nationalen Armee. Inzwischen wurden die N iederlagen d e r Aser­ baidschaner in Berg-Karabach immer deutlicher und schrnerzlicher. Im M ai 1992 nahmen die Armenier zwei wichtige aserbaidschanische Stadte ein - Schuscha und Latschin. Dieser Erfolg offnete d e n Arme­ niem den strategisch wichtigen Verbindungsweg zw ischen d e r Repub­ lik Armenien und Berg-Karabach iiber die Berge. 224 Drei Monate vor der Okkupation der strategisch wichtigen Rayons Schuschaj und Latschin richteten armenische Truppen im Februar 1992 unter Beteiligung von 366 in der Stadt Chankendi (Stepa­ nakert)366 stationierten motorisierten Regimentem der russischen .Armee ein wahres Blutbad unter der aserbaidschanischen Bevolke­ rung in der Stadt Chodschaly an. Im V erlauf der Besetzung dieser Ortschaft, wo noch 3000 der 7000 Bewohner geblieben waren, wurde diese grofitenteils zerstort. Zum Zeitpunkt der Besetzung war Chodschaly voller Kranker, Verletzter, Alter, Frauen und Kinder alle, die nicht hatten fliehen konnen. Vor der Besetzung war die Stadt vier Monate lang von armenischen Einheiten umstellt gewesen. Aserbaidschanische Quellen sprachen zunachst von 1.000 Toten bei dem Blutbad, das wahrend und nach der Besetzung von Chodschaly angerichtet wurde.367 Der Pressedienst des Verteidigungsministeriums der Republik Aserbaidschan gab dann offiziell 700 Tote in Cho­ dschaly an.368 An den Besiegten wurden fur eine zivilisierte Gesellschaft unvorstellbare Graueltaten begangen (es wurden Tote skalpiert und deren Augen herausgerissen). Unter den Toten waren 116 Frauen und 83 Kinder. Sechs Familien wurden vollig ausgeloscht, 25 Kinder verloren beide Eltem, 130 Kinder verloren einen Eltemteil, 1275 Personen %Ende August 2005 wurde der Geburtstag der Stadt Stepanowan (Cankendi, Stepanakert) mit Liedem, Tanzen und Reden feierlich begangen. Zwar konnte keiner genau sagen, w ie alt sie wirklich wurde. Bekannt ist, dass die Stadt 1924 Dschalologly hiefi. Dann wurde das Stadtchen umbenannt zu Ehren des „feurigen Revolutionars“ Stepan Schaumjan. A ls alles SowjetischKommunistische schlecht wurde, besann man sich auf die regulare Umbenennung. Aber der vorherige Name passte angesichts ihrer Zugehorig­ keit zur Tiirkei nicht so richtig. Vgl.: Nesawisimaja gaseta 12.9.2005, S. 16. Vgl.: Leven Anatol. Leichen bedecken den Hiigel von Karabach, The Times, 2.3.1992; Omer Erzeren, Ein ganzes D orf in Berg-Karabach ermordet, Tageszeitung, 7.3.1992. Mammadow Ilgar und Musaew Tofik sprechen in ihrer Arbeit „Armjano-aserbajdschanskij konflikt. Istorija. Prawo. Posrednitsch estw o“ (Der armenisch-aserbaidschanische Konflikt. Geschichte. Recht. Vermittlung" (Tula, Grif i K. 2006, S. 39) von 613 getoteten Zivilisten (Frau­ en , K indem und Alten). Am schrecklichsten war der Umstand, dass die A rm enier das Feuer auf den von ihnen errichteten „humaitaren Korridor“ fur d ie aserbaidschanischen Fliichtlinge eroffneten. Vgl.: Ewropa-Express, . 2 5 .2 .2 0 0 8 , S. 28. V g l.: The Independent, London, 12.6.1992. 225 wurden festgenommen, davon waren 487 schon vor ih re r Festnahme schwer verletzt oder versttimmelt worden. Das Blutbad in Chodschaly war nichts anderes a ls eine verbrecherische ethnische Sauberung in einer einzigen O rtsch aft, ein Vorbote weiterer ahnlicher Verbrechen.369 Diese verbrecherischen Kriegshandlungen verfolgten das Ziel, die aserbaidschanische Seite einzuschuchtem, und nicht nur das Militar, sondem a u c h d ie Zivil­ bevolkerung, den Aserbaidschanem den W illen zum W iderstand zu nehmen und damit weitere Siege zu erleichtem. Trotz d e r offiziellen Leugnung der Schuld an dem Blutbad in Chodschaly d u rc h Erewan entgegen der zahlreichen Fakten, die den Forschem d ie s e r Tragodie zur Verfugung stehen, sowie Augenzeugenberichten - w ird d ie Schuld der armenischen Seite indirekt durch die W orte des Verteidigungsministers S. Sarkisjan bestatigt: „...vor Chodschaly d a c h te n die Aserbaidschaner, man konne mit uns ,,Schlittenfahren“ , s ie dachten, die Armenier (Unterstreichung von m ir - J.R.) seien nicht in d er Lage, die Fland gegen die Zivilbevolkerung zu erheben. D iesen Stereotyp konnten wir zerschlagen. Das ist passiert. Und man m u ss beriicksichtigen, dass unter diesen Jungs Leute waren, die aus B aku und Sumgait geflohen waren“.370 Ist es denn eine Ubertreibung, die Tragodie in C hodschly nicht nur einfach als Blutbad, sondem auch als Volkermord (V em ich tu n g einer ethnischen Gruppe ganz oder teilweise in einer einzelnen Ortschaft), als Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die M enschheit einzustufen? Die Rechtsverteidiger der intemationalen O rganisation „Human Rights W atch“ haben die Tragodie in Chodschaly als ,,M assak er“ und das Blutbad unter der Zivilbevolkerung als K riegsverbrechen eingestuft. 369In der Konvention „Uber die Verhiitung und Bestrafung des V erbrechens des V61kermords“ vom 9. Dezember 1948 und in Romischen Statut d e s intema­ tionalen Gerichtshofes vom 17. Juli 1998 werden unter Vokerm ord fu n f Arten von Verbrechen verstanden: Totung von Mitgliedern einer G ruppe an sich; Verursachung von schwerem korperlichem oder seelischem S ch ad en an Mit­ gliedern der Gruppe, vorsatzliche Auferlegung von Lebensbedingenen die geeignet sind, ihre korperliche Zerstorung ganz oder teilweise herbeizufiihren, die auf der Geburtenverhinderung innerhalb der Gruppe gerich tet sind; gewaltsame Uberfuhrung von Kindem der Gruppe in eine andere Gruppe. 370Zit nach: Thomas de Waal. “Tschjornyj sad. Armenija i Aserbajdschan: meschdu mirom i wojnoj” (Der Schwarze Garten. Armenien und Aserbaid­ schan: zwischen Frieden und Krieg. Moskau, ,,Tekst“ 2005, S. 2 3 5 . 226 Das Blutbad in Chodschaly ist dem Verbrechen in Srebrenica vergleichbar, bei dem 7.000 Moslems ermordet wurden. Dieses Ver­ brechen wurde am 26. Februar 2007 in Den Haag vom Intemationalen Gerichtshof der UNO unter dem Vorsitz der Englanderin Rosalynn Higgins als Volkermord und als Verbrechen gegen die Menschheit verurteilt. Obwohl sich die Groflenordnung der Verbrechen in Srebrenica und in Chodschaly in der Anzahl der unschuldigen Opfer unterscheidet (7000 bzw. 1000), der ,,Qualitat“ nach ist das Ver­ brechen in Chodschaly noch schlimmer: in Srebrenica wurden Manner und Jugendliche in Gefangenschafit ermordet, und in Chodschaly nicht nur diese, sondem auch Frauen und Kinder. W er auch personlich an dem Verbrechen in Chodschaly schuld war (das ist Sache eines, so kann man hoffen, zukunftigen Gerichts), es wird ihm nicht gelingen, a u f ewig unbekannt zu bleiben. Die aserbaidschanischen Politiker und die Juristen bestatigten stets, dass es sich im Falle von Chodschaly zweifellos um Volkermord handelt und bezogen sich vollig begriindet au f die Definition des Volkermordes in den Dokumenten der UNO (beispielsweise vom 9. Dezember 1948) und a u f die Gesetzgebung in einigen europaischen Landem .372 ■571 J 'V gl.: Frankfurter Rundschau, 27.2.2007, S. 1 , 3 , 5. In 2007 wurde beim Haager Gerichtshof von den Rechtsanwalten Marco Gerritsen und Axel Hagedom eine 228-seitige Anklageschrift eingereicht wegen Nichtverhinderung des Volkermords in Srebrenica. Es werden der niederlandische Staat und die UNO w egen der Nichterfullung ihrer direkten Pflichten angeklagt. Das ist der erste Fall einer Anklage gegen die Vereinten Nationen w eg en vorsatzlicher Unterlassung. Internationale juristische Unterstutzung erhielt diese Anklage im Februar 2007, als der Internationale Gerichtshof in D e n Haag eine Erklarung herausgab, nach der alle Staaten, darunter auch die R epublik Armenien, verpflichtet sind „die Ausfuhrung eines Genozids zu verhindem “. Vgl.: Udo Ludwig, Ansgar Mertin. Strafrechtliche Untatigkeit. In: D er Spiegel, N23, S. 126-128. Die Frage iiber die Verantwortung der U N O fur die Untatigkeit der niederlandischen Soldaten, die zum Schutz der E inw ohn er von Srebrenica ausgesandt worden waren, ist strittiger, da die U N O Immunitat geniefit bei der legalen Verfolgung ihrer Ziele und der D urchfuhrung entsprechender Aktionen. Bis heute ist die Ermordung von 504 v ietn am esisch en Staatsburgem (meist Frauen, Kinder und Greise) im Dorf M i-L a y am 16. Marz 1968 durch amerikanische Soldaten nicht als Volker­ m o r d anerkannt. Vgl.: Berliner Zeitung, 15.3.2008, S.8. i![n Deutschland ist die Beseitigung der Zivilbevolkerung unter ethnischen V^orzeichen (Volkermord) seit 2002 mit lebenslanglicher Haft (§ 220a StGB) ш ahnden. 227 Genau so werden Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschheit in Friedenszeiten bewertet. Unter Kriegsverbrechen werden Verbrechen von Organisationen oder Einzelpersonen gegen international anerkanntes Kriegsrecht verstanden. Als Kriegsver­ brechen gilt beispielsweise das Verhohnen und Foltem von Gefangenen oder eine Geiselnahme unter der Zivilbevolkerung. Nach dem Londoner Abkommen vom 8.8.1945, in dem genaue Definitionen von Kriegsverbrechen gegeben werden, weist eine enge Verbindung der letzteren auf Verbrechen gegen die M enschheit hin. Solche Verbrechen sind beispielsweise der VerstoB gegen die Menschenwiirde, gegen die Wiirde der menschlichen Personlichkeit, verbrecherische Handlungen gegen Gesundheit, Leben, personliches Eigentum u.a. Unverstandlich ist die Tatsache, dass fur die Volkermord-Tragodie in Chodschaly bis heute niemand vom intemationalen G erichtshof zur Rechenschaft gezogen worden ist. Inzwischen gibt das Volkerrecht der Republik Aserbaidschan im Falle von Chodschaly ein breites Spektrum juristischer Moglichkeiten, die heute von der Regierung in Baku bei weitem noch nicht ausgeschopft sind.373 Oberfalle auf unbewaffnete Zivilisten, Kinder, Frauen, Alte und Krankenhauser sind mit keiner Ausrede zu rechtfertigen. Schon vor 2500 Jahren hat der altgriechische Historiker Fukidid (um 460-400 n. Chr.) in seinem W erk iiber den Peloponnesischen Krieg (431-404 n. Chr.) zu Recht behauptet, der Uberfall einer feindlichen Armee auf Zivilisten sei immer ein Verbrechen. Ahnliche Verbrechen, die vor relativ kurzer Zeit oder vor vielen Jahrzehnten veriibt wurden, ihre zahlreichen Opfer und deren heute noch lebenden Verwandten warten in vielen Landern auf eine gerechte intemationale gerichtliche Untersuchung. In diesen Fallen ist „Zurtickhaltung“ eine groBe Siinde gegentiber dem Gedenken der unschuldigen Toten. Davon zeugen beispielsweise die Zehntausende von 373In der demokratischen Presse der EG wird der Begriff ,,V6lkermord“ selbst in Bezug auf illegal getotete Tiere verwendet. Vgl.: Massaker an Berggorillas. In: Berliner Morgenpost, 23.8.2007, S. 10. In diesem Artikel geht es um vier von Wilderem getotete Berggorillas. 228 Ermordeten in den polnischen Lagem Stschalkow und Tuchol 19191920.374 Und mit welchen Worten soil man das Entsetzen der 1946 wahrend des Pogroms in der polnischen Stadt Kelzy umgekommenen Juden beschreiben, die durch ein Wunder den Todeslagem der Faschisten entronnen und in ihre Heimat zurtickgekehrt waren.373 Die Tragodie in Chodschaly und der schreckliche Tod von Hunderten von unschuldigen Frauen und Kindem haben einen solchen Schock in der aserbaidschanischen Gesellschaft ausgelost, dass Prasi­ dent Ajas Mutalibow sich nicht an der Macht halten konnte und im Marz 1992 zuriicktreten musste.376 Der im Juni 1992 gewahlte Prasident Abdulfas Eltschibei377 war ein Jahr nach seiner Wahl in der gleichen Situation wie sein Vorganger. Die anhaltenden schweren Xiederlagen Aserbaidschans fiihrten dazu, dass im Friihjahr 1993 die letzten sich noch widersetzenden Ortschaften im LatschinKorridor und im Kelbadscharskij Rayon von den Armeniem besetzt wurden. Zwischen Juli und Oktober 1993 besetzten die Armenier Agdara (7.7.1993), Agdam (23.7.1993), Gubadli (31.8.1993) und Sangilan (23.10.1993). Danach besetzten die Armenier auBer Berg-Karabach auch die strategisch wichtigen Gebiete (insgesamt sieben Rayons) im Siidwesten Aserbaidschans. Seit dieser Zeit sind rund 20% des Territoriums von Aserbaidschan vom lebenden Organismus des Uandes abgeschnitten. Und alle intemationalen Organisationen sind scheinbar machtlos gegen diesen Raub eines Staates an einem anderen. Es entstand nach dem Zusammenbruch der UdSSR der erste Prazedenzfall eines ungestraften Angriffs mit Besetzung fremder Territorien. ' 4Vgl.: „Poljaki chotjat dobitsja ot nas pokajanija sa okkupaziju“ (Die Polen w ollen von uns eine Entschuldigung fur die Okkupation). Nesawisimaja gaseta, 10.4.2007, S.7. ’’Vgl.: a.a.O.. r *Vgl.: Junusov A.: Karabagh War. Another Year Passed. What Next?, in: Express -Chronic, N 14, 29.3.1993. " A bulfas Eltschibei, gewahlter Prasident der Republik Aserbaidschan von 1992 bis 1993. Gestiirzt infolge eines Militarputsches und praktisch nach N a c h itsc h ew an verbannt. War bis zu seinem Lebensende (2000) Vorsitzender d er Volksfront-Partei von Aserbaidschan. 229 Der UN-Sicherheitsrat hat bezuglich der Besetzung der a s e r­ baidschanischen Territorien durch die Armenier allein in 1993 vier Resolutionen, die die Besetzung verurteilen, verabschiedet: Die Resolutionen Nr. 822 vom 30.4.1993, Nr. 853 vom 29.7.1993, Nr. 874 vom 14.10.1993 und Nr. 884 vom 12.11.1993 (siehe A briss „Die wichtigsten Dokumente beziiglich der Rechtslage von B ergKarabach, der Okkupation eines Teils des Territoriums der R epublik Aserbaidschan durch die Armenier und einer moglichen friedlichen Losung des Konfliktes“). Zusammengefasst enthielten diese R esolu­ tionen die folgenden wichtigsten Bestimmungen (s. Anhang): - Die armenischen Truppen sind aus den von den A rm eniem besetzten Gebieten Aserbaidschans abzuziehen und die K riegs­ handlungen von Armenien gegen Aserbaidschan einzustellen. - Unterstrichen wurde die Unantastbarkeit der territorialen Integritat von Aserbaidschan und Armenien in den G renzen vor dem Niedergang der UdSSR. - Die Gewaltanwendung zum Gebietserwerb wurde verurteilt. - Armenien wird vom Sicherheitsrat aufgefordert, die W affenlieferungen an Berg-Karabach einzustellen und seinen Einfluss dahingehend zu nutzen, dass die Resolutionen des Sicherheits­ rates erfullt werden Sowohl Aserbaidschan als auch Armenien waren m it diesen Resolutionen unzufrieden. Darin wurde die wichtigste politische Forderung Bakus, die Okkupation eines Teils des Territoriums von Aserbaidschan im offiziellen UNO-Dokument als Aggression und Armenien als Angreifer zu bewerten, nicht erfullt. Die arm enische Seite machte hingegen geltend, diese Resolutionen gaben der arm e­ nischen Bevolkerung von Berg-Karabach keinerlei Sicherheitsgarantien. Im Marz 1993 fuhrten die Arm enier die Kelbadschar-Operation durch. Entlang des Latschin-Korridors wurde einen zweiten Korridor geschaffen, der Armenien mit Berg-Karabach verband. Es wurde nicht nur das Territorium von Karabach eingenommen, sondem auch fast ein Viertel des restlichen Gebiets von Aserbaidschan, darunter ein 17 Kilometer langer Abschnitt der aserbaidschanisch-iranischen Grenze. Die Rechnung der Armenier auf Anwendung der ,,bewahrten“ israelischen Strategic „Land fur Frieden“ ging jedoch nicht au f - die Arm enier waren bereit, die besetzten aserbaidschanischen Gebiete im 230 Austausch fur die Anerkennung der Unabhangigkeit von BergKarabach zu raumen. Innerhalb dieser Logik wurde auch vorgeschla2en, dass man sich desto leichter mit Baku einigen konne, je mehr aserbaidschanische Gebiete die Armenier einnehmen wtirden. Diese Plane gingen nicht auf: die aserbaidschanischen potentiellen M oglich­ keiten erlaubten der Leitung und der Elite des Landes nicht, an die Annehmbarkeit solcher Vereinbarungen fur die Bevolkerung auch nur zu denken. Die politischen Folgen der Okkupation von Gebieten auBerhalb Berg-Karabachs erwiesen sich, insbesondere nach dem Verlust von Kelbadschar und dem Tod zahlreicher aserbaidschanischer Fluchtlinge aus diesem Rayon378, in Aserbaidschan als verheerend. Ein Teil der Fluchtlinge aus dem Kelbadscharskij Rayon geriet in einen Hinterhalt und wurde physisch vemichtet, ein Teil verhungerte und erfror wahrend der Uberquerung der Gebirgspasse. In vielem erwiesen sich diese verbrecherischen Handlungen als Folge einer Position, die von der damaligen Regierung von Berg-Karabach einge­ nommen wurde. So erklarte der Vorsitzende der GKO des Rayons Berg-Karabach Kotscharjan damals: “Um im wortlichen Sinn zu iiberleben, muss man die Gegenseite ebenso leiden lassen. Das ist das Gesetz des Krieges". Nach diesem ,,Gesetz“ handelnd okkupierten und zerstorten armenische Truppen die meisten aserbaidschanischen Dorfer und Stadte im ehemals autonomen Gebiet. Aus den Rayons Latschin und Kelbadschar wurden auch alle Kurden vertrieben. In Gjandscha begann ein Putsch unter dem aserbaidschanischen Oberst Suret Guseinow, der m it seinen Regimentern auf Baku m arschierte.379 Die Regierung entschloss sich zu Verhandlungen mit Guseinow und rie f den ehemaligen Parteileiter von Aserbaidschan, Heidar Alijew, aus Nachitschewan zu Hilfe. Am 18. Juni 1993 trat President Eltschibei zuriick, um ein, wie er es nannte, „brudermorderisches B lutvergie6en“ zu verhindem, und der erfahrene Staatsmann Heidar A lijew iibemahm die M acht in der Hauptstadt. Im Oktober 1993 378V gl.: Sowremennaja polititscheskaja istorija Rossii (1985-1997 gody) (Die jiin gste politische Geschichte Russlands (1985-1997)), Bd. 1. Chronika, M oskau 1997. 379V gl.: Junusow A. Gjandinskij tajfun (Der Taifun von Gjandscha). In: Ekspress-C hronika, 25.6.1993. 231 wurde er zum Prasidenten der Republik gewahlt und 1998 a u f w e ite re ftinf Jahre wiedergewahlt. Der erfahrene Politiker Heidar A lijew , der zu Sowjetzeiten auch Mitglied des Politburos der KPdSU gew esen war, vermochte Aserbaidschan vor einem herannahenden B tirgerkrieg zu retten. Die militarischen Auseinandersetzungen Aserbaidschans m it den Armeniem endeten Mitte 1994 durch einen W affenstillstand. E r wurde von Russland und der OSZE vermittelt und im Protokoll von Bischkek (Mai 1994) festgehalten. Der Krieg wurde ausschlieBlich a u f aserbaidschanischem Gebiet gefiihrt und kostete 30.000 M enschenleben. Der Konflikt zog 1,3 Millionen Fliichtlinge nach sich, von denen iiber eine Million Aserbaidschaner waren/’80 Das AuBenministerium der Republik Aserbaidschan schatzt den Aserbaidschan durch die armenische Aggression zugefugten materiellen Schaden a u f etw a 60 Milliarden US-Dollar. In der Periode der Aggression w urden zahlreiche Kulturdenkmaler stark beschadigt oder ganzlich zerstort. Uber die Folgen der Aggression seitens Armeniens, in erster L inie iiber die zerstorten historischen Denkmaler und andere zugefugten Schaden werden von der Heidar-Alijew-Stiftung zahlreiche Biicher und Broschuren herausgegeben. Die Prasidentin dieser Stiftung, Frau Mehriban Alijewa, ktimmert sich regelmaBig um die Probleme und Sorgen der Fliichtlingskinder.381 Infolge der Aggression gegen die Republik Aserbaidschan wurden iiber 17.000 Quadratkilometer Land besetzt - rund 20% des gesamten Gebietes des Landes starben iiber 18.000 aserbaidschanische Staatsbiirger, wurden iiber 50.000 Aserbaidschaner verletzt oder zu Invaliden, wurden 877 Ortschaften gepliindert und zerstort sowie 100.000 Wohngebaude, uber 1.000 Wirtschaftsobjekte, iiber 600 Schulen und Bildungseinrichtungen und 250 medizinische Einrichtungen. Die Zahl 380V gl.: The Beginning o f the Garabagh Conflict. Baku, 2005, p. 2. Einige internationalen Quellen sprechen von 600.000 Fliichtlingen in Aserbaidschan. Vgl.: IDMS/Terre des Hommes und die Karte „Wnutrennie isgnanija globalno (wyborka)“ Interne Vertreibung weltweit (Auszug)“. 381 Frau Mehriban Alijewa geniesst als erfahrene Abgeordnete des Milli Mejlis w egen ihrer volksnahen Tatigkeit und gesellschaftlicher Aktivitaten grosse Popularity unter dem Volk. A ls UNESCO-Friedensbotschafterin sind die Verdienste von First Lady beziiglich der Darstellung der Kultur des Landes auf der intemationalen Arena und des Ausbaus der Bildung und Wissenschaft im Lande hochzuschatzen. 232 jer Fliichtlinge und Binnenvertriebenen (innerhalb des Landes andemorts untergebrachte Personen) erreichte eine Millionen Menschen.382 Nach Angaben des Kultusministeriums und des Aufienministeriums der Republik Aserbaidschan wurden 20 Museen stark beeintrachtigt oder zerstort, darunter die urspriinglichen Geschichtsmuseen in Kelbadschar und Schuscha, 969 Bibliotheken, 89 Kindermusikschulen, 4 Schauspielhauser und 4 Kunstgalerien, 2 Konzertsale, ein Denkmal der Bronzekultur in Chodschaly, zahlreiche Friedhofe, Grabstatten und Moscheen in Kelbadschar, Latschin, Gubatli (Kubatli), Sangilan, Agdam und Schuscha. Und in Armenien selbst wurden Moscheen und moslemische Friedhofe entweder zerstort oder anderweitig genutzt. Einige Moscheen wurden in Lagerhauser umfunktioniert (die Schah-Ismail-Moschee aus dem 16. Jahrhundert, die Schah-Abbas-Moschee aus dem 17. Jahrhundert, die sogenannte Blaue Moschee u.a.). Der Agcha-W ewe-Friedhof in Masis und der Tochmatsch-Friedhof in Erewan wurden aufgehoben. In Baku ist ein armenisch-christlicher Friedhof erhalten. Im Artikel von Olga Aleksandrowa „Das Chaos geht weiter“ iiber diese Zerstorung der aserbaidschanischen Kultur wird dies mit keinem Wort erwahnt, aber vie! iiber die Zerstorung von Denkmalem der armenischen Kultur in Nachitschewan gesagt. Und diese selektive ,,Objektivitat“ ist nicht nur diesem Autor zu eigen.383 Die Frage daruber, ob der militarische Konflikt zwischen Aser­ baidschan und Armenien ein Krieg war und ob in diesem Konflikt die Regeln der Kriegsfiihrung verletzt wurden, kann ziemlich eindeutig beantwortet werden. Krieg ist eine organisierte militarische Auseinandersetzung zwischen Staaten (-Biindnissen), Volkern und Stammen, eine Entscheidung von Streitfragen mit Gewalt zwischen Staaten oder unterschiedlichen sozialen Gruppen innerhalb des Staates (Biirgerkrieg). Unter Kriegsrecht oder den Rechten der Kriegserklarung, Kriegsfiihrung und Beendigung eines Krieges werden alle interna­ tional anerkannten Vorschriften und Regeln verstanden, die von den Kriegsparteien in Bezug aufeinander, auf neutrale Staaten und auf die Zivilbevolkerung anerkannt werden. Diese Vorschriften und Regeln miissen nicht nur von Staaten oder Organisationen, sondern auch von 382Azerbaijan in the new Millennium, Baku 2001, S.289. 383Vgl.: Russkaja mysl, Paris, 3.3. 2006, S. 5. 233 Einzelpersonen eingehalten werden. Ihre Rechte und Pflichten w e rd e n ebenfalls durch die genannten Vorschriften und Regeln b estim m t. Zwischenstaatliche Vereinbarungen bezuglich des Kriegsrechts g ib t es seit 1899. Die wichtigsten Grundlagen des Kriegsrechts w urden von den Haager Konventionen von 1899 und 1907 und der G e n fe r Konvention (12.8.1949) iiber den Schutz der Kriegsopfer festgelegt. GemaB der 3. Haager Konvention von 1907 muss ein Staat, d e r in einen Krieg eintritt, dem Gegner dariiber offiziell vor B eginn des Krieges eine Erklarung abgeben. Offene Kriegshandlungen o h n e Kriegserklarung sind ein Verbrechen. Obwohl Armenien die Okkupation von aserbaidschanischem Gebiet leugnet und versucht, den Konflikt nur als K am pf u m die Abspaltung Berg-Karabachs von Aserbaidschan darzustellen, zeu g en die bisher bekannten Fakten davon, dass die Aggression von A rm e ­ nien gegen Aserbaidschan hauptsachlich au f G ebietsanspruche zuriickzuffihren ist. Im Lichte aller oben genannten Fakten ist offensichtlich, dass der armenisch-aserbaidschanische Konflikt um B ergKarabach nicht durch die „Diskriminierung der armenischen M inderheit“ in Aserbaidschan und nicht durch die w irtschaftlichen Schwierigkeiten im NKAO hervorgerufen wurden, sondem durch die beginnende Umsetzung lang vorbereiteter Expansionsplane, fur deren Erffillung die giinstigsten Bedingungen in der Zerfallsperiode des kommunistischen Imperiums entstanden. Denn genau nach diesem Plan hat Armenien seit Febm ar 1988 unter der Duldung der UdSSR und dem Schweigen der W eltgemeinschaft die verfassungswidrigen Handlungen der administrativen Strukturen des NKAO und die militarische Aggression in groBem MaBstab gegen Aserbaidschan organisiert. Da sie keine international anerkannte Entscheidung des Status von Berg-Karabach haben, glauben die Armenier, dass das auBerhalb seiner Grenzen besetzte Gebiet ein ,,Sicherheitsgiirtel“ ist. Sie verwandelten den Giirtel der Beriihrung mit den gegnerischen Machten in eine ,,M aginot-Linie“: Abzug an einer Stelle bedeutet den kompletten Zusammenbmch. Fiir das Entfemen von dieser Linie verlangen sie auch einen zu hohen Preis“.384 384Vgl.: Kasimirow W. „Ispytanie Karabachom“ (Die Versuchung durch Kara­ bach) in: „Nesawisimaja gaseta“ 27.10.2003, S. 12. 1993 nahmen die Armenier sechs zu Berg-Karabach gehorende Rayons ein, die Rayons 234 Der Beschluss des Obersten Sowjets der Armenischen SSR vom 1. Dezember 1989 iiber den Anschluss von Berg-Karabach an Armenien wurde auch nach dem Zusammenbruch der UdSSR nicht revidiert. Auf der Grundlage dieses Beschlusses wurde der ehemalige Bewohner von Berg-Karabach Robert Kotscharjan 2003 als armenischer ^85 Staatsbiirger zum President der Republik Armenien gewahlt.' Von 1992 bis 1997 war Robert Kotscharjan „President der Republik BergKarabach", 1997 wurde er vom damaligen Prasidenten der Republik Armenien Lewon Ter-Petrosjan zum Premierminister der Republik Armenien emannt. Ein Gericht in Erewan bestatigte im Jahre 2003 die Zugehorigkeit Berg-Karabachs zu Armenien. Damals beriicksichtigte das Gericht nicht die Erklarung der fuhrenden Oppositionsparteien von Armenien, in der Zweifel iiber die armenische Staatsangehdrigkeit Robert Kotscharjans geauBert wurden. Denn Kotscharjan, so wurde in der Mitteilung argumentiert, stamme aus Berg-Karabach und sei nach dem Zerfall der UdSSR automatisch aserbaidschanischer Staatsbiirger gevvorden. Das Gericht in Erewan lehnte diese Erklarung mit den folgenden Worten ab: „Die Erklarung iiber den Beschluss der Parlamente von Berg-Karabach und der Armenischen SSR vom 1. Dezember 1989 iiber die W iedervereinigung enthalt nicht nur einen territorialen Faktor, sondern auch den Faktor der Staatsbiirgerschaft.“ Inzwischen konnte Herr Kotscharjan auf der Grundlage der Gesetzgebung der Republik Aserbaidschan als Biirger von Aserbaidschan de jure far mindestens 35 VerstoBe gegen aserbaidschanische Gesetze strafrechtlich verfolgt werden.386 So unterstiitzt nicht nur die Legislative, sondern auch die Jurisdiktion von Armenien die armenischen Gebietsanspruche an Aserbaid­ schan. Durch diese Urteile, die innerhalb Armeniens rechtskraftig sind, obw ohl sie der intemationalen Gesetzgebung widersprechen, wird zweifelsfrei die „Unterstiitzung" von Armenien im Berg- Kelbadscharskij, Agdam, Fisulinskij, Dschabrailskij, Gubadlinskij und Sangilanskij. Bereits friiher war der Latschinskij Rayon eingenommen worden. 385Vgl.: N ew spaper ECHO/Intemet Edition, 15.2.2003, N30/522/, http://www2.echo-az.com /facts.shtm l. 386N e w sp a p e r ECHO/Intemet Edition, 15.2.2003, N30/522/, http://w w w 2.echo6az.com /facts.shtm l. 235 Karabach-Konflikt bewiesen und auch dass es eine militarische Auseinandersetzung zwischen Armenien und A serbaidschan gab.387 16. Volkerrecht: das Prinzip der territorialen Integritat und der Unverletzlichkeit der Grenzen im Vergleich mit dem Prinzip der Selbstbestimmung der Volker „Es gibt einen wesentlichen Unterschied zwischen einem gerechten K rieg und gerechtem Verhalten in einem beliebigen Krieg. “ Gadschiew, M. Ein ernster Bremsfaktor bei der Losung von Konflikten sind juristisch—politische Widerspriiche auf der Ebene volkerrechtlicher Grundsatze und die verschiedenen Methoden der Argumentation auf der Basis ihrer Streitparteien.388 Die Republik Armenien und die armenische Gemeinde von Berg-Karabach berufen sich auf das Prinzip der Selbstbestimmung der Nationen (Volker). Die Republik Aserbaidschan fuhrt in erster Linie allgemein akzeptierte Prinzipien der Integritat von Gebieten eines legitimen Staates und die Unverletzlichkeit seiner Grenzen an. Bei der Errichtung der UNO im Jahre 1945 wurde der Grundsatz der Selbstbestimmung in ihrer Satzung nicht als Grundrecht anerkannt.389 Hingegen wurde der Grundsatz der territorialen Integ­ ritat als ein fundam entals Grundrecht in die Satzung aufgenommen. In der Allgemeinen M enschenrechtserklarung vom 10.12.1948 wird das Prinzip der Selbstbestimmung iiberhaupt nicht erwahnt. Hier ist vom Schutz der Rechte eines einzelnen M enschen, einer einzelnen menschlichen Person die Rede. Aus der UNO-Satzung folgt nicht, dass unter dem Recht auf Selbstbestimmung das Recht au f Abspaltung von einem existierenden legitimen Staat und das Recht a u f Unabhangigkeit und auf staatliche Souveranitat zu verstehen ist.390 Hier geht es vielmehr um die administrative Selbstbestimmung innerhalb einer Autonomie. 387Wenn man die enorme Hilfe berucksichtigt, die die Republik Armenien von Anfang des Konfliktes an von der internationalen armenischen Diaspora (Frankreich, USA, Russland, Naher Osten usw.) durch ihre exzellente Lobbyarbeit in vielen Landern erhielt, so kann man mit Recht von einem Konflikt zwischen den Armeniem und der Republik Aserbaidschan sprechen. D iese Frage ist gesondert zu untersuchen. 236 i88VgI.: N abijew Riswan, Nagorny Karabach - Vermittlungsmission und externe Akteure. In: Wostok. Landerspezial. Aserbaidschan, 2003. 389Vgl.: Hannum H. Autonomy, Sovereignty, and Self-Determination: The A ccom m odation o f Conflict Rights, University o f Pennsylvania Press Philadelphia 1990. 3,(lVgl.: D ie Bestimmungen der Satzung der UNO iiber die Regulierung von Streitfallen und die MaBnahmen im Angriffsfall im nachsten Kapitel und die w ichtigsten Dokumente zur rechtlichen Lage von Berg-Karabach und einer 237 1960 wurde von der UN-Vollversammlung Resolution 1514 iiber die Rekolonialisierung von Landem und Volkern verabschiedet. In dieser Resolution wurde der Grundsatz der Selbstbestimm ung d er Volker und Nationen als Instrument des Volkerrechts im Prozess der Dekolonialisierung angenommen. Gleichzeitig wurde in der R eso lu ­ tion betont, dass jeder Versuch, der auf eine teilweise oder ganzliche Zerstorung der nationalen Einheit und der territorialen Integritat eines legitimen Staates abzielt, mit den Aufgaben und Grundsatzen d er Satzung der UNO unvereinbar ist. Das „Selbstbestimmungsrecht d er Volker", das mit UNO-Resolution am 14. Dezember 1960 im P rozess des Zerfalls der kolonialen Weltordnung angenommen wurde, steht klar dem Grundsatz der „territorialen Integritat von Staaten“ entgegen, das in intemationalen Urkunden letztmals am 14. August 1975 in der OSZE-Schlussakte von Helsinki festgehalten wurde. Aufierdem kan n man einen Widerspruch zwischen der genannten Resolution der U N O und einem der UNO-Prinzipien, das das Recht eines Volkes a u f den K am pf um seine Rechte bis zum Hochhalten von Aufstanden anerkennt, feststellen. Nicht hilfreich ist auch der Leitsatz „ein Volk, ein Staat“ , weil uns die jiingste Geschichte viele Beispiele dafiir liefert, dass es von einem Volk zwei Staaten gibt (Deutsche, V ietnam eses Koreaner u.a. ) oder dafur, dass ein Volk au f vielen Staatsgebieten verteilt wohnt (A ser­ baidschaner, Juden, Kurden, Lesginen, Puschtunen, Turkmenen, Tadschiken, Usbeken, Ungam, Ujguren, Finnen, Tamilen u.a.). Am 16. Dezember 1966 verabschiedete die UN-Vollversammlung zwei Dokumente: den „Intemationalen Pakt iiber Biirgerrechte und politische Rechte“ und den „Intemationalen Pakt iiber wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte.“ In beiden Dokumenten wird jew eils im ersten Absatz darauf verwiesen, dass alle Volker das Recht au f Selbstbestimmung und Wahl ihres politischen Status und Aufbaus haben. Aber auch in diesen UNO-Dokumenten wird die Zerstorung der territorialen Integritat eines legitimen Staates nicht erlaubt. In einer der Untersuchungen, die von der UNO beauftragt wurden, wurde folgender Schluss gezogen: „Das Recht der Volker auf Selbstbestim­ mung gilt gemaB dem UNO-System fiir diejenigen Volker, die sich in kolonialer Abhangigkeit befinden, oder die einer ausiandischen Macht moglichen friedlichen Regelung des Konflikts und O berw in d u n g der Folgen des Angriffs der Armenier gegen die Republik Aserbaidschan. 238 unterstellt sind, aber nicht fiir diejenigen, die zu einem legalen Ilegitimen) Staat gehoren."39' Im Jahre 1970 nahm die UNO die Erklarung iiber die Grundsatze des Volkerrechts an. Jedoch brachte auch diese Deklaration keine Klarheit bezuglich des Grundsatzes der Selbstbestimmung der Nationen und Volker, die sich nicht in kolonialer Abhangigkeit befiinden haben. 1984 verabschiedete der Menschenrechtsausschuss der UNO einen Kommentar zu Paragraph 1 der beiden Dokumente der LN-Generalversammlung vom 16.12.1966 bezuglich des Inhalts des Terminus „Selbstbestimmung". Jedoch wurde kein Konsens zwischen den Ausschussmitgliedem erreicht und der Kommentar erschien nicht 392 in den offiziellen Dokumenten der UNO. Ein Erforscher der Frage, A. Smith, bestatigt, dass die M ehrheit der neuen Staaten im Verlauf der Entkolonialisierung entstanden sind und nicht iiber eine Teilung von Gebieten bereits bestehender Staaten. „Die Ausnahmen - Bangladesch und Singapur - waren eine Folge besonderer Umstande."393 Eine Reihe von W issenschaftlern steht auf dem vollig umstrittenen Standpunkt, die politischen Normen der Entkolonialisierung seien im Laufe der historischen Entwicklung zunehmend gleichbedeutend mit dem Recht auf Selbstbestimmung von Nationen und Volkern geworden.394 Beim Zerfall der UdSSR war der Berg-Karabach-Konflikt kein intemationaler Konflikt, sondem eine innere Angelegenheit der Sowjetunion. Jedoch verwendete auch damals die armenische Seite aktiv den Begriff „Selbstbestimmung". Dabei ging es nicht um Selbst­ bestimmung, die auf volkerrechtlichen Bestimmungen basiert, sondem um das „leninistische Prinzip der Selbstbestimmung", das vom Grtinder des Sowjetstaates W.I. Uenin vertreten wurde. Jedoch hat das „leninistische Prinzip der Selbstbestimmung" wenig gemein mit dem 39lVgl.: Gross Espiel H.: The Right to Self-Determination: Implementation o f United Nations Resolutions, UN DoS. EICN/SUB. 2/405/Rev. 1, 13-14. 39:Vgl.: Hannum H. Autonomy, Sovereignty, and Self-Determination: The A ccom m odation of Conflict Rights, University o f Pennsylvania Press Philadelphia 1990, p. 44. 393V gl.: Sm ith A.: National Identity, University o f Nevada Press, Reno, Nevada 199 1 , p. 136; Hannum H ...., p. 49. 394V gl.: Eisner M. A. Procedural Model for the Resolution o f Secessionist D isp u tes Harvard International Law Journal, Volume 33, Number 2, Spring 1992, p. 408. 239 modem en Volkerrecht, das auch au f dem Territorium der ehem aligen UdSSR in den Beziehungen zwischen den neuen Staaten gilt. In einigen Quellen wird das Recht auf Selbstbestim m ung als „Anspruch eines Volkes oder einer Nation auf Unabhangigkeit und au f die Entscheidung uber einen eigenen Staat und dessen C harakter" interpretiert.395 Die modemen Defmitionen von Nation tragen auch wenig zur friedlichen Losung des Berg-Karabach-Konfliktes bei. D as kann am Beispiel ffinf solcher Definitionen studiert werden: „E ine Nation ist eine Gemeinschaft von Menschen, die durch A bstam m ung, Sprache, Gebrauche und die kulturelle und politische Entw icklung verbunden ist, die in den Grenzen eines bestimmten Staates leben und sich politisch bewusst und aus freiem Willen vereinigt haben.“396 Eine andere Definition: „Eine Nation - (von lat. Natio - Stamm, Volk) - ist eine historisch gewachsene feste Gemeinschaft von M enschen, die sich bei der Herausbildung eines gemeinsamen Territoriums, w irtschaftlicher Bindungen, einer Literatursprache, Besonderheiten der Kultur und der Mentalitat gebildet hat.“397 Die dritte Definition: „Nation (von lat. Natio - Stamm, Volk): historische Gemeinschaft von M enschen, gegriindet auf die Gemeinschaft des Territorium s, historische, wirtschaftliche und politische Bande, die Literatursprache und andere kulturelle Besonderheiten. Oft wird die ethnische Gemeinschaft als Norm betrachtet. In der gegenwartigen Praxis ist ein weiter verbreiteter Begriff der der Nation als Gesamtheit aller Burger eines bestimmten Staates unabhangig von deren ethnischer Zugehorigkeit“ .398 Vierte Definition: „Nation - eine groBe, in der Regel kompakt lebende Gemeinschaft von Menschen mit gleicher Abstammung, Geschichte, Sprache und Kultur".399 Fiinfte Definition: „Nation. Historisch gewachsene feste Gemeinschaft von Menschen, entstanden au f der Basis einer gemeinsamen Sprache, eines gemein395Vgl.: Wissen.de - Lexikon, Wissen Media Verlag GmbH, Gutersloh/Munchen 2003, S. 925. 3%Vgl.: Wahrig. Deutsches Worterbuch, Bertelsmann Lexikon Verlag 1997, S. 925. 397Vgl.: Sowremennyj tolkowoj slowar russkogo jasyka (Modernes Worterbuch der russischen Sprache), Sankt Petersburg, ,,Norit“ 2001, S. 394. 398Vgl.: Russkij Enziklopeditscheskij slowar (Russisches enzyklopadisches Worterbuch), Buch 2. Moskau ,,BRE“, S. 1030. 399Vgl.: Das Fremdworterbuch. Dudenverlag. Mannheim-Leipzig-Wien-Zurich 1997, S. 542. 240 >amen Territoriums, eines gemeinsamen W irtschaftslebens und einer .emeinsamen psychologischen Verfassung der in der Gemeinschaft restehenden Kultur. “400 Unter keiner dieser Defmitionen ist die Gesamtheit der Armenier, die in Berg-Karabach leben, zu fassen: sie sind weder eine besondere Nation noch ein besonderes Volk (ethnische Gemeinschaft). Wenn die Bevolkerung von Berg-Karabach als Nachfahren der Albaner aus Kaukasisch-Albanien, die ihre Sprache, Kultur, Mentalitat usw. bewahrt haben, sich als Albaner bezeichnen wurden, dann konnte man von einem bestimmten Volk sprechen, das sich wesentlich von den Armeniem unterscheidet und besondere Rechte hat. In der Praxis wird in der Regel die territoriale Integritat eines Staates dem Grundsatz der Selbstbestimmung vorgezogen, deren Umsetzung in den letzten Jahrzehnten zu vielen Krisensituationen in den verschiedensten Weltteilen gefuhrt hat. In den Resolutionen des UVSicherheitsrates zum Berg-Karabach-Konflikt (Nr. 822, 853, 874 und 884 von 1993) wurde im Anhang zum Abschlussdokument des Lissabonner Gipfeltreffens der Organisation fur Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa von 1996, in den Resolutionen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom Januar 2005 und in der Erklarung des N A TO-G ipfeltreffens (Staats- und Regierungschefs) in Riga im Dezember 2006 unverandert die territoriale Einheit von Aserbaidschan betont. Die Organisation fur Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sprach sich unverandert fur die Selbstbestimmung der armenischen Gemeinde von Berg-Karabach innerhalb eines einheitlichen aserbaidschanischen Staates aus. Vom Standpunkt des Volkerrechts aus ist Berg-Karabach zweifellos ein integraler Bestandteil der Republik Aserbaidschan. Kein einziger Staat hat weder die Abspaltung Berg-Karabachs von der Republik Aserbaidschan noch seinen Anschluss an die Republik Armenien anerkannt. Auch die „Republik Berg-Karabach“, die 1992 ausgerufen wurde, wird von keinem Staat anerkannt. Selbst die Republik Arm enien hat offiziell diese selbsternannte Republik als 400Vgl.: Slow ar russkogo jasyka (Worterbuch der russischen Sprache), Band 2. Staatlicher Verlag fur auslandische und nationale Worterbucher. Moskau 1958, S. 572. 241 Subjekt des Volkerrechts nicht anerkannt, obwohl sie faktisch und gesetzeswidrig Berg-Karabach in ihr Territorium aufgenommen hat.401 In den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts und spater wurden in Berg-Karabach wiederholt Parlamentswahlen und Prasidentschaftswahlen abgehalten. Deren Legitimitat und Legalitat wurden von keiner einzigen autoritativen internationalen Organisation (UNO, OSZE, EG, Europarat u.a.) anerkannt. Die Aktionen zur Wahl des eigenen Parlaments und Prasidenten wurden in den Resolutionen des Parlaments des Europarates vom Januar 2006 als ,,separatistisch“ bezeichnet. Verurteilt wurde von den internationalen Organisationen auch das Referendum zur Annahme einer neuen Verfassung von BergKarabach. Die Europaische Union erkennt das Ergebnis des Referendums nicht an und betrachtet dessen Durchfiihrung als „nicht vereinbar m it den Verhandlungen". Der Europarat, die OSZE und andere europaische Organisationen teilen diese Meinung. Die Republik Aserbaidschan hat dieses Referendum offiziell mit den W orten von AuBenminister Elmar M ammadjarow402 als unverntinftige „Verschwendung von Zeit, Mitteln und Nervenenergie“ 403 bewertet. Die Wahlen und das Referendum in Berg-Karabach konnen von der internationalen Gemeinschaft auch deshalb nicht als legitim anerkannt werden, weil die vertriebenen Aserbaidschaner nicht in ihre Heimat zuriickkehren konnen. Als Ergebnis kann bestatigt werden, dass die armenische Gemeinde Berg-Karabachs, gemaB den angefuhrten Definitionen von Nation, keine besondere Nation und kein besonderes Volk sind und deshalb kein Recht auf Selbstbestimmung in Form eines einzelnen souveranen Staates, eines Subjekts des Volkerrechts haben, jedoch die 401 Es gibt auch Presseorgane, die Berg-Karabach falschlicherweise eine „arme­ nische Enklave... auf aserbaidschanischem Staatsgebiet“ nennen. Vgl.: Moskauer Deutsche Zeitung, N 24,12.2006, S. 12. Es ist unverstandlich, von welchen volkerrechtlichen Bestimmungen sich die Redaktion dieser Ausgabe dabei Ieiten lasst. 402Elmar Mammadjarow ist seit 2004 AuBenminister der Republik Aser­ baidschan. Der professionelle Diplomat war bis dahin als Botschaftsrat in Washington und New York und als Botschafter in Rom tatig. Seine geschickte Verhandlungstaktik und praktische Herangehensweise sind in den diplomatischen und politischen Kreisen iiber die Region hinaus hochgeschatzt. 403Vgl.: Interview mit Elmar Mammadjarow in BBC Radio, Russische Redak­ tion, am 11.12.2006. 242 ,mienische Gemeinde von Berg-Karabach als die kompakte ethnische Minderheit ihr Recht auf Selbstbestimmung in der Form einer Autonomie innerhalb der territorialen Integritat der Republik Aserbaidschan geltend machen kann. Die armenische Nation hingegen hat schon ihr Recht auf staatliche Selbstbestimmung durch die Schaffung der Republik Armenien venvirklicht. Die Thesen, dass formaljuristische Griinde und Widerspriiche im Hauptgrundsatz der Regelung von Konflikten im postsowietischen Raum die Verhandlungen iiber Berg-Karabach in die Sackgasse fuhren, sind begriindet, aber das ist nicht das Wichtigste. Das Wichtigste ist das Fehlen der Bereitschaft zur friedlichen Regelung dieses Konfliktes auf der Grundlage des existierenden Volkerrechts. Eine gesonderte groBe Frage innerhalb des Volkerrechts ist die Xutzung der Bodenressourcen durch auslandische Staaten auf den besetzten aserbaidschanischen Gebieten. Die Republik Aserbaidschan hat einen Rechtsanspruch darauf, auslandische Untemehmen, die ohne Erlaubnis Bakus in diesen Gebieten operieren, in internationalen Instanzen und Gerichten zur Rechenschaft zu ziehen. Es ware richtig, diesen Firmen, die in den besetzten Gebieten tatig sind, die Tatigkeit in ganz Aserbaidschan zu untersagen. Eine gewisse Zaghaftigkeit der aserbaidschanischen Regierung au f dieser Ebene hangt vennutlich mit dem Umstand zusammen, dass die ErschlieBung der Lagerstatten, insbesondere der goldhaltigen, in den besetzten Gebieten im WesentJichen von fuhrenden westlichen, darunter auch amerikanischen, Untemehmen betrieben wird. Schon Ende 2004 legte Rowschan Nowrusoglu, der Direktor des Zentrums fur Strategische Forschungen iiber internationalen Terrorismus und Korruption eine ,,lnformationsbank“ , eine Liste von 33 Untemehmen und Organisationen vor, die ihre Vertretungen in BergKarabach und anderen besetzten Gebieten hatten.404 In der Mehrzahl 404Vgl.: Roks Jurij. Rossija pretenduet na Karabachskoe soloto. Baku predupreschdaet: inwestizii w neprisnannuju respubliku budut blokirowany (Russland meldet Anspruch auf Karabacher Gold an. Baku warnt: Investitionen in der nicht anerkannten Republik werden blockiert) „Nesawisimaja gaseta“, 4.9.2007, S.6. In dem Artikel ist die Rede von der Goldlagerstatte Sojudlinskij. Skandalos fur die insgesamt guten georgisch-aserbaidschanischen Beziehungen war auch die Mitteilung iiber die Absichten des georgischen Untemehmens ,,Madneuli“ zur Ubernahme des armenischen Unternehmens ,,Ararat“, das sich insbesondere auf Goldabbau spezialisiert 243 der Falle waren das diverse westliche Untem ehm en und F onds, aber es gibt auch russische. A ber die Bestrafung der abzustrafenden Russen ist vorerst noch erschwert. Die Sache ist die, dass das russische Business an der W irtschaft der besetzten Gebiete beteiligt ist, in der Regel nicht direkt, sondem iiber die armenische W irtschaft u n d iiber russische Staatsbiirger arm enischer Abstammung. Ein deutliches System zeigen in Berg-Karabach die russischen ,,Gasprom“ und ,,Itera“. Jedoch auch gegen sie konnte Aserbaidschan seit 1. Januar 2007 anfangen vorzugehen, als Baku sich offiziell weigerte, russisches Gas zu kaufen. Die genannten russischen Untemehmen waren die naturlichen Erdgaslieferanten nicht n u r nach Armenien, woher es auch Berg-Karabach bezieht, sondem auch nach Aserbaidschan, das vor 2007 fast 50 Prozent des blauen Brennstoffs aus Russland erhielt.405 Eine militarische Aggression gilt im aktuellen V olkerrecht als Verbrechen. Die Satzung der UNO (1945) verbietet einen Angriffskrieg, jedoch wurde in der gesam ten Zeit des Bestehens dieser O rgani­ sation kein Staat (dessen Staats- oder Regierungschef) vor Gericht gestellt wegen der Entfesselung eines Angriffskrieges mit Besetzung von Gebieten eines anderen Staates. Den Tatbestand der Aggression muss ein intemationales Tribunal feststellen und den A ggressor zur Verantwortung ziehen. Die Frage iiber die strafrechtliche Verfolgungsmoglichkeit der Aggression und ihrer Initiatoren wurde von der Entente schon nach dem Ersten Weltkrieg gestellt. Die Siegermachte schickten sich an, Kaiser Wilhelm II. vor ein intemationales Tribunal zu stellen. Die Niederlande weigerten sich jedoch, den Kaiser fur eine Verhandlung auszuliefem. Nichts desto trotz besteht internationale Ubereinstimmung dariiber, dass ein Angriffskrieg nicht nur illegal ist, sondem auch dass er strafrechtlich geahndet werden muss. Nach dem Zweiten W eltkrieg verurteilten die intemationalen Tribunale in Niimberg und in Tokio viele (langst nicht alle) Vertreter der militarischen und politischen Elite Deutschlands und Japans. hat. Vgl.: a.a.O. Baku kredituet Tbilisi (Baku gibt Kredite an Tbilisi). 16.8.2007, S. 6, 13.10.2004, S. 5. Vgl.: Sochbet Mamedow. Naryschkin Ijog na gasowuju ambrasuru (Naryschkin fiel uber die Gas-SchieBscharte). In: Nesawisimaja gaseta, 30.8.2007, S. 244 Jedoch wurden die verbrecherischen Regimes dieser Lander hauptsachlich wegen Volkermord, Verbrechen gegen die Menschheit und Kriegsverbrechen verurteilt, denen ein militarischer Angriff auf die Nachbarstaaten zugrunde lag. Die UNO-Satzung brachte die wichtigste Erlauterung in die Definition der gerechtfertigten (vom Standpunkt des Volkerrechts legalen) Kriege ein: ein Krieg ist ausschlieBlich zum Selbstschutz oder in dem Falle zulassig, wenn die Notwendigkeit von Kriegshandlungen durch die Autoritat des UN-Sicherheitsrates unterstutzt wird. Jedoch stoppte die lange Zeit des „kalten Krieges“ die Entwicklung des Volkerrechts: erst nach den Ereignissen in Jugoslawien und Ruanda, die den Tod Hunderttausender Zivilisten zur Folge hatten und als V olkerm ord eingestuft wurden, und nach der Schaffung des Intemationalen Gerichtshofes (Rom 1998) wurde (militarische) „A ggression14 auf Forderung vieler Dutzend Lander in die Liste der strafrechtlich verfolgbaren Taten aufgenommen. Jedoch kann ein intemationaler Gerichtshof erst dann aktiv w erden, wenn der Begriff ,,Aggression“ genau definiert ist und genau die Bedingungen genannt werden, unter denen ein militarischer Einfall als Aggression bewertet werden kann. Der Liechtensteiner Experte Christian W enaweser406 ist der Oberzeugung, dass alle diese Konkretisierungen, in Anbetracht der jetzigen intemationalen Streitigkeiten darum, nicht vor 2010 erreicht werden konnen. A lle Beteiligten haben vorerst der Schaffung eines intemationalen G erichtshofes nur darin zugestimmt, dass Aggression einen bewaffne­ ten Uberfall eines Staates au f einen anderen beinhaltet und dass A ggression ein Verbrechen des (der) Regierenden des Angreiferstaates ist. Dem konnte auch schwerlich nicht zugestimmt werden: d ieser Sachverhalt wurde schon auf den Ntirnberger Prozess (Inter­ nationales Kriegsgericht vom 20.11.1945 - 1.10.1946) angewandt. W as den Volkermord, die Verbrechen gegen die Menschheit und die Kriegsverbrechen betrifft, so verfolgt sie der Internationale G erichtshof auf Beschluss des UN-Sicherheitsrates oder eines beliebigen Staates. GemaB der Satzung der UNO wird der Tatbestand der A ggression selbst durch den Sicherheitsrat festgestellt. Nicht einig ist m an sich in der Frage dariiber, ob die eigentliche Feststellung des 406V gl.: Christian Wenaweser. Der Angriffskrieg als Verbrechen. In: Neue Zuricher Zeitung. Internationale Ausgabe, 11.10.2007, S. 4. 245 Tatbestandes der Aggression durch den Sicherheitsrat eine unverzichtbare Bedingung ftir die Heranziehung der Staatschefs zur individuellen Verantwortung ist. Die Standigen M itglieder des Sicher­ heitsrates vertreten die Position, dass ein intem ationaler G erichtshof keinen Prozess beginnen kann ohne Feststellung des Tatbestandes der Aggression durch den Sicherheitsrat. Die Bestimmung, ob eine Aggression vorgelegen hat oder nicht ist das ausschlieBliche R echt des Sicherheitsrates. Damit sind zahlreiche Lander selbstverstandlich nicht einverstanden und verweisen auf die zu groBe ,,Zaghaftigkeit“ des Sicher­ heitsrates bei der Feststellung des Tatbestandes der Aggression: denn selbst der Uberfall des Irak a u f Kuwait (August 1990-Februar 1991) wurde nicht direkt als Aggression des Irak bezeichnet. Um diese Situation zu losen, die keine rechtzeitige Bestimmung und Bestrafung des Angreifers ermoglicht, konnen folgende Neuerungen vorgeschlagen werden: 1) das Faktum der Aggression kann festgestellt werden durch Konsens aller Gerichte des Intem ationalen Gerichtshofes selbst; 2) der Tatbestand der Aggression kann von der UN-Vollversammlung festgestellt werden; 3) der Sicherheitsrat konnte dem Intemationalen Gerichtshof signalisieren, dass dieser die Strafverfolgung eines Aggressionsverbrechens vor der eigentlichen Feststellung eines Aggressionstatbestandes durch den Sicherheitsrat beginnen konnte. Die Situation, dass ein intemationaler Gerichtshof Kriegs­ verbrechen verfolgen und bestrafen kann, und nicht das Recht hat, das Faktum einer militarischen Aggression festzustellen, die die Moglichkeit solcher Verbrechen schafft, sollte moglichst bald abgeschafft werden. Im anderen Fall sind auch weitere solche Situationen m og­ lich, dass ein Staat 20% des Territoriums des Nachbarstaates besetzt, wie im Falle der Aggression der Republik Armenien gegen die Republik Aserbaidschan, und dabei nicht als Angreifer verurteilt wird. 17. Ist die Lage ausweglos? Zu den Moglichkeiten ihrer friedlichen Losung „Der Sieger gewinnt nicht nur den Krieg, sondem a u f lange Zeit auch das offizielle Gedenken daran. “ Sokolow W. W. Viele Konfliktforscher, zu denen seit einiger Zeit auch der Autor dieser Studien zahlt, definieren den Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan um Berg-Karabach als zwischenstaatlichen, politischen und ethnisch-territorialen Konflikt. Die politische, zwischenstaatliche, territoriale und ethnische Komponente dieses Konfliktes ist die wichtigste. Aber in erster Linie ist dieser Konflikt m it den territorialen Anspriichen der Republik Armenien und seinen intemationalen Ambitionen verbunden. Fur die Republik Aserbaidschan bedeutet dieser Konflikt in erster Linie die Abspaltung eines ihrer Teile, die mit der Aggression des Nachbarstaates verbunden ist, der einen Anspruch auf einen groBen Teil des Territoriums von Aserbaidschan erhebt und dabei viele Regeln des Volkerrechts verletzt. Der aserbaidschanische Standpunkt zum Konflikt wird von den meisten Einzelstaaten und auch von intemationalen Organisationen gestiitzt. So wurde in der offiziellen Erklarung des State Department der USA, die vor dem Treffen der Prasidenten Aserbaidschans und Armeniens im April 2001 in Key West, Florida, veroffentlicht wurde, Armenien als Angreifer bezeichnet und die armenischen Truppen von Berg-Karabach als Separatisten.407 Bei alien Versuchen einer genauen Bestimmung dieser politischen und militarischen Auseinandersetzung und Opposition unter der eingebiirgerten Bezeichnung ,,Berg-Karabach-Konflikt“ wird der Umstand nicht geniigend berucksichtigt, dass die Armenier (die iiberwaltigende Mehrheit der armenischen Bevolkerung von BergKarabach, die Mehrheit der Armenier der Republik Armenien und der einflussreiche und aktivste Teil der Armenier der weltweiten arme­ nischen Diaspora) der Republik Aserbaidschan diametral entgegenstanden. Diese Kraft w ar Ende des 20. Jahrhunderts, beim 407V gl.: Juschnyj Kawkas - sona interesow Soedinjonnych Schtatow (Der Sud­ kaukasus: Interessenszone der U SA ) In: Nesawisimaja gaseta, 20.7.2001, S. 4; und auch http://www.cffpr.kz/show.php7rua2606-02.htm. 246 2 47 Niedergang der UdSSR, ihrer organisatorischen, finanziellen, militarischen und diplomatisch-ideologischen Aktivitat nach offensichtlich starker als die damalige Republik Aserbaidschan, die sich in einer tiefgreifenden Transformationsphase befand. Die Forderungen der Armenier Berg-Karabachs nach ,,Abtrennung“, ,,Angliederung“ und ,,Unabhangigkeit“ waren inspiriert von dieser vereinten K raft und wurden als willkommener Vorwand fur den Beginn der K riegshand­ lungen und der Okkupation eines wichtigen Teils der Republik A ser­ baidschan genutzt. Folgt man der Logik des ehemaligen Sonderbeauftragten der EU fur die Lander des Sudkaukasus, H. Talwitie, so mtisste dieser K on­ flikt als ,,aserbaidschanisch-armenisch“ definiert werden. 2003 betonte er, dass das „Problem von Karabach vor allem eine Sache zw eier im Konflikt miteinander befmdlichen Staaten ist, und gleich danach die Sache der Co-Vorsitzenden der M insker KSZE-Gruppe“.408 Es ist eindeutig klar, dass mit den Staaten hier Aserbaidschan und Arm enien gemeint sind. Denn ein erfahrener Diplomat konnte einen international nicht anerkannten Staat wie Berg-Karabach nicht ,,Staat“ nennen. Dieser Diplomat sagt auch nichts uber die Rolle der arm e­ nischen Diaspora. Auch der Umstand ist zu beriicksichtigen, dass der W iderstand und W iderstreit zwei Etappen durchlaufen hat (die erste ist der K am pf mit Mitteln der Politik und der Propaganda vor Beginn der Kriegshand­ lungen; die zweite ist der militarische A ngriff und die Okkupation eines Teils des Territoriums eines Nachbarlandes) und seit 1994 die dritte durchlauft - Einstellung des Feuers und Verhandlungen auf Volkerrechtsbasis zur Beendigung der Okkupation und des W iderstreits, zur Ersetzung des Schadens und zur Errichtung normaler zw ischenstaatlicher Beziehungen zwischen der Republik Aserbaidschan und der Republik Armenien. Die Parlamentarische Versammlung des Europarates stellte am 25. Januar 2005 in Resolution 1416 fest, Streitkrafte von Armenien und „Separatisten besetzten widerrechtlich aser- baidschanisches Territorium."409 Die Unverletzlichkeit der territo­ rialen Integritat der Republik Aserbaidschan und anderer legitimer Staaten der Region wird in den Resolutionen der Vereinten Nationen iiber den Berg-Karabach-Konflikt von 1993 betont. Der UN-Sicherheitsrat protestierte gegen die Besetzung des aserbaidschanischen Territoriums durch armenische Truppen und forderte die Regierung von Armenien zum Abzug ihrer Truppen aus dem besetzten Gebiet auf und der Geltendmachung seines Einflusses dahingehend, dass Berg-Karabach die UNO-Resolutionen und die Vorschlage der M insker KSZE/OSZE-Gruppe befolgte. Bei der Losung ethno-territorialer Konflikte werden gewohnlich drei Stufen oder Etappen unterschieden: Entmilitarisierung, wirtschaftliche Rehabilitation, Definition (oder W iederherstellung) des politischen Status. M it der ersten Etappe der Losung des Konfliktes geschah absolut nichts - die Entmilitarisierung fehlt. Das Umgekehrte geschieht: alle Konfliktparteien verstarken weiterhin ihr militarisches Potential. Damit hat sich die Situation nur verschlechtert. Die zweite Etappe, die Losung des Konfliktes, verbunden mit wirtschaftlichen Errungenschaften seiner Seiten, gibt einigen Grund zum Optimismus. Insbesondere Aserbaidschan hat seine wirtschaftliche Lage wesentlich verbessert. Nach Angaben des Internationalen W ahrungsfonds (IMF) betrug das W irtschaftswachstum der Republik Aserbaidschan in 2005 35% , in 2006 26% und in 2007 18%. Die dritte Etappe bei der Losung des Berg-Karabach-Konfliktes ist fast kom plett ,,eingefroren“ - es ist keinerlei Annaherung der Parteien in einer friedlichen Losung des Konfliktes zu beobachten. Jed er Konflikt, sei er zwischenethnisch oder politisch-territorial, ist im m er individual, nach Geschichte und Situation nicht wiederholbar. A llgem eine GesetzmaBigkeiten sind deshalb nur teilweise auf einen K onflikt anzuwenden und sind immer unvollstandig. Insbesondere die Logik der Entstehung und der Ausgang eines konkreten Konfliktes erfordem eine individuelle Bewertung. In vielem nicht wiederholbar ist auch der Weg der jew eiligen Konfliktpartei zum Frieden. In den diversen Etappen der Losung des Konfliktes kommt man nicht ohne direkte Kontakte zwischen Baku und Chankendi (Stepanakert) aus. 408V gl.’. Alijew, Jaltschin. U nowogo presidenta starye problemy (Der neue President hat die alten Probleme). In: „Nesawisimaja gaseta", 10.11.2003, S. 4f)9V gl.: Parlamentary Assembly. Provisional edition. The conflict over the Nagorno-Kabagh region dealt with by the OSCE Minsk Conference. Resolu­ tion 1416 2 0 0 4 )/1/, article 1. 11. 248 249 Und nicht nur zwischen den politischen Entscheidungstragem , sondem auch zwischen Geschaftsleuten, Vertretem der O ffentlichkeit, Joumalisten, W issenschaftlem, religiosen W iirdentragem u.a. Die Bereitschaft der Politiker und der Elite der am Konflikt beteiligten Parteien, eine ,,Volksdiplomatie“ zu unterhalten, wiirde zw eifellos der friedlichen Losung des Berg-Karabach-Konfliktes forderlich sein. Die armenische Konfliktpartei bezichtigt Aserbaidschan, es habe keine richtige Sozialpolitik in Berg-Karabach gemacht. Diese Politik, die angeblich die armenische Bevolkerung der Autonom ie in eine ungleiche Lage mit den Aserbaidschanem gebracht hat, wird au ch in Erewan und Chankendi (Stepanakert) zum wichtigsten Faktor erklart, der den Konflikt verursacht hat. Jedoch zeigt eine unvoreingenommene vergleichende Prufung der damaligen statistischen D aten der sozialen Entwicklung in der Aserbaidschanischen SSR im A utono­ men Gebiet Berg-Karabach, in der Arm enischen SSR und in der gesamten UdSSR die Unhaltbarkeit dieser Beschuldigungen. In vielen, wenn nicht sogar den meisten, sozialen Bereichen hat sich die Entwicklung in Berg-Karabach im Vergleich zu anderen Teilen der UdSSR positiv hervorgehoben (s. Tabelle im Anhang). Konnte aus einer solchen Entwicklung die armenische Bevolkerung ausgeschlossen werden, deren M ehrheit in den Stadten, stadtischen Siedlungen oder in groBen Ortschaften Iebte und nicht nur auf den Bergen die Schafe hiitete? Unumganglich ist auch die Beriicksichtigung des Umstandes, dass die Sozialpolitik in der UdSSR insgesamt und in der Aserbaidschani­ schen SSR insbesondere in ihren wichtigsten Zugen vom Unionszentrum, von Moskau aus, bestimmt wurde. Die Republik- oder die Gebietsverwaltung konnten diese Politik nur ein wenig zum Besseren oder Schlechteren korrigieren. Im Berg-Karabach der Sowjetzeit war diese Korrektur recht erfolgreich zum Besseren. Aus der angefuhrten Tabelle ist ersichtlich, dass Berg-Karabach mitnichten ein „Naturschutzgebiet“ der Ruckstandigkeit in der sozialen Entwicklung im Vergleich zu den restlichen Teilen der UdSSR war. Daruber hinaus zeugen die Berichte von Augenzeugen, die damals in der Autonomie lebten, davon, das in der Realitat die Situation sogar noch besser war, als man heute aus den offiziellen Angaben vermuten konnte. Auch der Autor selbst, der unterschiedliche sowjetische Zeiten erlebte und sich aufgrund seiner beruflichen Interessen lange in 250 verschiedenen Teilen der UdSSR (von 1945 bis 1996 in Westsibirien, im nordlichen Ural, in Karelien, in und um Moskau, in Swerdlowsk (heute Jekaterinburg), in Perm, auf Sachalin, auf Kolyma, in Kirgisien (Frunse, heute Bischkek, Tschon-Keminskij Rayon), in Workuta, in Kasachstan (Alma-Ata, Zelinograd - heute Astana, Pawlodarskaja Oblast), in Belgorod, Charkow und in anderen Regionen der Sowjetunion) aufhielt, kann das au f der Grundlage seiner tagtaglichen Beobachtungen und der Vergleiche mit den in den Anhangen angefuhrten Tabellen bestatigen. Das haben auch zahlreiche Gaste des Autors aus den unterschiedlichen National itaten der verschiedensten Teile der ehemaligen UdSSR bestatigt. Man kann ruhig sagen, dass die Armenier von Berg-Karabach nicht ein so hohes soziales Lebensniveau hatten wie die Einwohner der Hauptstadt Baku. Jedoch wohnten im Baku der Sowjetzeit mehr Armenier (mindestens 200.000) als in Berg-Karabach. W enn ein Konflikt lange Zeit nicht gelost wird, „weitet er sich aus“, tragt in sich immer neue Schwierigkeitsfaktoren, die seine friedliche Losung behindern. Er wird komplexer, bekommt immer neue Ebenen. Dann wird er m it der Zeit zunehmend schwerer losbar, da die Streitparteien zunehmend im Verstandnis der gerechten und friedlichen Formen seiner Losung auseinanderdriften. Gut vorstellbar ist auch eine Situation, wenn eine Konfliktpartei an der Verzogerung seiner Losung interessiert ist. Dabei stutzt man sich nicht selten darauf, dass sich der Konfliktbereich „von selbst“ und natiirlich zugunsten dieser ,,verzogernden“ Seite lost. D ie andere Seite hingegen, die objektiv an einer moglichst raschen L osung des Konfliktes interessiert ist, begeht den Fehler, nicht aktiv und entschlossen genug solchen Hoffnungen entgegenzuwirken, und sei es im breiten aufklarerisch-ideologischen Sinne. Von den auBeren K raften, die das Bestreben der Partei, den Konflikt moglichst lange Z eit „ a u f Eis zu legen“ unterstutzen, muss sich die Seite, die an seiner raschen Losung interessiert ist, moglichst klar distanzieren. Letzten E ndes zwingen lange „auf Eis gelegte“ Konflikte die Konfliktparteien zur A nerkennung des Status quo. Objektiv gesehen ist das im Falle des Berg-K arabach-K onfliktes weder im Interesse von Aserbaidschan noch von Armenien noch von Berg-Karabach. O ft konnen die Konfliktparteien mit einer teilweisen Erfullung ihrer Forderungen au f eine bestimmte Zeit zufriedengestellt werden. 251 In diesem Fall sind Bewegungen, wenn auch langsam e, in eine positive Richtung wichtig. Davon ausgehend sollten die K onfliktparteien moglichst oft kleine Forderungsvorschlage auf die T agesordnung der Verhandlungen setzen. Je mehr diese M inim alfordenm gen umgesetzt werden, desto m ehr kann der Verhandlungsprozess zum gewiinschten Endergebnis flihren. Fiir Aserbaidschan, A rm enien, die aserbaidschanischen und die armenischen Gemeinden von BergKarabach ware es niitzlich, eine Liste der M inim alfordenm gen und der fiir beide Parteien vollig ohne Schaden annehmbaren Forderungen aufzustellen, diese Liste durch Konsens zu bestatigen und die Konfliktteilnehmer dem Gericht der Offentlichkeit zu iiberstellen. Die schrittweise W iederherstellung des Vertrauens zw ischen den Konfliktparteien spielt eine vorrangige Rolle bei der friedlichen Losung des Konfliktes. Die Erffillung der o.g. M inim alforderungsvorschlage konnte der W iederherstellung des Vertrauens nur forderlich sein. Insbesondere W irtschaftsprojekte m it gegenseitigem N utzen, deren dringende Notwendigkeit fiir die Gesellschaft aller K onfliktpar­ teien offensichtlich ist, und eine beiderseits vorteilhafter W irtschaftsaktivitat wurden die allmahliche W iederherstellung des Vertrauens fordem. In dieser Hinsicht wurde es sich insbesondere fur Aserbaidschan als wirtschaftlich starkerer Konfliktpartei lohnen, immer neue Projekte zu beginnen und breit bekanntzugeben und unermiidlich die Niitzlichkeit der Teilnahme der armenischen Seite an ihnen unter der Bedingung der Befreiung der besetzten Gebiete und einer gerechten Regelung des gesamten Konfliktes aufzuzeigen. Ohne den Verzicht der Parteien au f einen unvemiinftigen M aximalismus. ohne eine echte Suche nach Kompromissen ist die Aufgabe der friedlichen Regelung des Karabach-Konfliktes nicht zu losen. Es ist folgende Klassifizierung der VertrauensmaBnahmen denkbar. Erstens. Eine Garantie eines stabilen, auf Volkerrecht griindenden und von intemationalen friedensschaffenden Gruppen untersttitzten Friedens. Zweitens. Ein gemeinsam er administrativer Schritt. Die Erzielung einer Vereinbarung, nach der alle Kriegsteilnehmer und Teilnehmer des gesamten Konfliktes, die keine Verbrechen gegen die Menschheit oder gegen die Zivilbevolkerung veriibt haben, eine Amnestie erhalten. Der Austausch von Gefangenen und Geiseln und die Pflege 252 der Graber der Gefallenen werden sich positiv auf die Verhandlungen und auf das Ubereinkommen auswirken. GroBe Bedeutung fiir das Ubereinkommen hat die Zusammenarbeit der Justizbehorden der Republik Aserbaidschan und Armeniens und Berg-Karabachs bei der Bekampfung der Kriminalitat, insbesondere der Grenzkriminalitat und des intemationalen Verbrechens. Drittens. Der Verhandlungsprozess darf nicht unterbrochen wer­ den. Jede Unterbrechung schadet dem Ubereinkommen und erschwert den weiteren Verhandlungsverlauf, die Losung der aktuellen Probleme und die Erzielung von Endresultaten. Viertens. Eine groBe Bedeutung hat die Riickkehr der Fliichtlinge und Zwangsumgesiedelten an ihren fruheren W ohnort, wenn sie dies wiinschen, und die Garantie fiir ihr normales Leben und ihre Sicherheit. Gleichzeitig sind Fragen der materiellen und moralischen Kompensation sowohl fiir diejenigen zu losen, die zur Riickkehr bereit sind als auch fiir diejenigen, die sich an neuen Orten niederlassen und nicht beabsichtigen, zuriickzukehren. Funftens. Die Riickgabe der besetzten Territorien der Republik Aserbaidschan durch die Republik Armenien vor der Losung auch der Frage Berg-Karabachs ware ein guter Schritt zur Starkung des Vertrauens. Aserbaidschan konnte unter der Garantie internationaler Beobachter die Hinlanglichkeit und Zuverlassigkeit der Verbindungswege zwischen Erewan und Chankendi (Stepanakert) gewahrleisten. In der Regel schwachen konkurrierende Machte dann ihre feindseligen Handlungen ab oder stellen sie ganz ein, wenn sie offensichtlich in die Sackgasse fiihren oder die Konfliktparteien iiberzeugt sind, dass die Anwendung von Gewalt sowohl ihnen als auch ihrem Gegner den gleichen Nutzen bringt, oder wenn sie erkennen, dass die Fortsetzung der feindseligen Konfrontationen sehr viel teurer ist und viel weniger Privilegien bringt als die allmahliche friedliche Losung des Problems. Insbesondere die Republik Aser­ baidschan sollte feindselige Sackgassen-Situationen vermeiden: je baufiger diese auftreten oder provoziert werden und je langer sie andauern, desto ,,eisiger“ wird der Konflikt. W eder die Republik A rm enien noch Berg-Karabach zeigen ausreichende Bereitschaft selbst zu kleinen und vollig vorteilhaften Kompromissen, die auf die M oglichkeit einer friedlichen Losung des Konfliktes hinweisen wurden. 253 Gewalt oder Androhung von G ew alt ist kaum eine p roduktive Form der Regelung des Berg-Karabach-Konfliktes. Die A nw endung von Gewalt zur Regelung eines Konfliktes ist gew ohnlich ein teures und riskantes Untemehm en, das nicht selten zu neuen u n d selbst erweiterten Streitigkeiten fuhrt; die Ergebnisse der G ew altanw endung sind in der Regel nicht stabil und nicht von langer Dauer. D ie 19911994 besetzten aserbaidschanischen Gebiete sind dafiir ein augenfalliges Beispiel: niemand denkt em sthaft, dass die R epublik Aserbaidschan jem als auf ihr eigenes Territorium verzichten wiirde. Gleich starke Gegner oder Gegner m it gleich starken V erbundeten neigen eher zur friedlichen Erreichung der von ihnen geregelten Ergebnisse und sind eher bereit, die MaBnahmen einer V ereinbarung zu unterstiitzen. Unter gleicher Starke versteht der A utor nicht n u r die faktische Gleichheit von (wirtschaftlichen, m enschlichen, m ilitarischen u.a.) Ressourcen, sondem auch die Unm oglichkeit einer Partei, der anderen ihren W illen mit Gewalt aufzuzwingen. W enn sich eine Konfliktpartei von vom herein als endgiiltigen Sieger sieht und die andere Partei als Unterlegenen, so ist das psychologische Fundament eines Konfliktes schon gelegt, u n d die Hoffnung auf den Erfolg von Verhandlungen ist verloren. W ichtig ist auch, offiziell keinerlei zeitliche Begrenzung der Verhandlungen anzusetzen: der Druck offiziell m itgeteilter Fristen verringert die M oglichkeit des Erfolgs au f dem W eg der kleinen, fur beide vorteilhaften, Schritte aufeinander zu. Andererseits, was steht denn hinter den offiziell mitgeteilten vorlaufigen Fristen? Krieg oder eine komplette und unvereinbare gegenseitige Entfremdung der Parteien, was einem ,,Einfrieren“ des Konfliktes gleichkommt. Die intem a­ tionale Erfahrung zeigt inzwischen, dass ,,eingefrorene“ Konflikte frtiher oder spater zu neuem Blutvergieflen und zu einer neuen m ilitarischen Auseinandersetzung fiihren konnen. Die aktuellen Ereignisse im August 2008 zwischen Georgien und Russland haben diese These nochmals bestatigt. Fur das Fiihren von Verhandlungen sind bevollmachtigte, verantwortliche Vertreter der Seiten erforderlich, die als solche auch von der Gegenseite anerkannt werden. Ohne die Anerkennung der Realitat der delegierten Vollmachten sind Verhandlungen sinnlos oder verfolgen falsche Ziele. Wenn die aserbaidschanische Partei keine Verhand­ lungen m it dem „Prasidenten" von Berg-Karabach fiihren kann, so 254 konnen die Verhandlungen mit dem gleichen Menschen geftihrt werden als „dem Leiter der armenischen Gemeinde von BergKarabach" oder als dem Leiter der „separatistischen Krafte von BergKarabach" (vielleicht sind darunter auch Vertreter anderer Nationalitaten). Wenn die friedliche Losung der Frage ernsthaft angestrebt wird, so gibt es keine Probleme auch fur Gesprache mit dem klaren Gegner. Das tragt wenigstens dazu bei, dass man ihn besser kennt und versteht. Eine qualitative Neuheit wurden dem Verhandlungsdialog offizielle gegenseitige Entschuldigungen der widerstreitenden Konfliktparteien fur einander zugefugte Beleidigungen, Ungerechtigkeit und Menschenrechtsverletzung geben. Ein anderer Schritt zur friedlichen Losung des Konfliktes ware eine Nichtangriffsvereinbarung zwischen der Republik Aserbaidschan und der Republik Armenien. Ein solcher Pakt konnte Berg-Karabach davon iiberzeugen, dass Aserbaidschan ein entschiedener Anhanger der friedlichen Losung des Konfliktes ist. Diese Uberzeugung wiirde den weiteren Dialog und die Moglichkeiten der friedlichen Losung des Konfliktes wesentlich erleichtern. Theoretisch gibt es drei Hauptwege zur Losung von Konflikten. 1. Eine aufiere Macht diktiert den Konfliktparteien die Losung des Konfliktes. 2. Der Konflikt kann durch Handlungen einer Konfliktpar­ tei gelost werden. 3. Der Konflikt wird von den Konfliktparteien gem einsam und friedlich auf politischem Wege gelost. Der dritte Weg zur Losung von Konflikten ist der aussichtsreichste und die Resultate, die auf diesem Weg erzielt werden, sind am dauerhaftesten. Z ur Erreichung eines Friedens ist die rasche Schaffung eines zuverlassigen „Trenngiirtels" zwischen den Verhandlungspartnern des Konfliktes wichtig, damit ein direkter Kontakt zwischen ihnen voriibergehend nicht moglich ist. Hier sind zuverlassige neutrale auslandische Krafte erforderlich, die rasch zwischen den Verhandlungsparteien des Konfliktes stationiert werden konnten. Diese Krafte konnten die Entwaffnung der Parteien fordem und die Entwaffnung in der Konfliktzone kontrollieren. Solche Aufgaben konnen nicht gelost w erden, wenn zwischen den Verhandlungspartnern des Konfliktes jegliches Vertrauen fehlt. Solche MaBnahmen wurden offenbar nach dem W affenstillstand im Berg-Karabach-Konflikt nicht umgesetzt. 255 Um einen neuen Krieg zu verhindem , sind grundlegende VorsichtsmaBnahmen erforderlich. Das sind laufende Folgem aBnahmen, die bestimmte Ausgaben mit sich bringen. Jedoch ist der Preis der VorsichtsmaBnahmen, verglichen m it den K osten fur den K rieg, den W iederaufbau nach dem Krieg und die B eseitigung seiner psychischen Folgen, nicht zu hoch. Die Republik A serbaidschan d a rf sich deshalb vom Preis der VorsichtsmaBnahmen nicht abschrecken lassen. Ganz wichtig sind die sozialen Aspekte einer friedlichen Losung des Konfliktes. W ie akzeptieren sich die Gesellschafiten der L ander der gegnerischen Konfliktparteien gegenseitig? W as m uss unbedingt getan werden zur Verbesserung der positiven Seiten dieser Akzeptanz? Die Einbeziehung der offentlichen M einung in Debatten uber die Bedingungen einer gerechten Regelung ist eine unverzichtbare Voraussetzung fur die Erzielung eines stabilen politischen Resultats im Kaukasus. Einen Kompromiss einzugehen, der nicht von der offentlichen M einung getragen wird, ist eine todliche Gefahr fur jede Regierung in dieser Region. Eine vermeintlich zu groBe Kom promissbereitschaft wird hier von der politischen Opposition als Verrat an den staatlichen Interessen gesehen. Die blutigen Ereignisse im Oktober 1999 im Parlament der Republik Armenien bezeugen dies deutlich. Damals begannen die Vereinigten Staaten am Vorabend des OSZEGipfeltreffens in Istanbul mit der aktiven Vermittlung zwischen Erewan und Baku. Schon schien es vielen, dass ein Boden fur die Annaherung der Positionen von Armenien und Aserbaidschan im Verhandlungsprozess gefunden worden war. Aber die ftinf armenischen Terroristen, die das Parlament stiirmten und sieben Politiker erschossen, darunter auch den Parlamentsvorsitzenden und den Premierminister, haben den Annaherungsprozess der Parteien im Berg-Karabach-Konflikt unterbrochen. Irgendwelche einflussreichen armenischen Krafte waren gegen diese Annaherung und verschoben sie auf lange Jahre. Man muss anerkennen, dass sowohl in Aserbaid­ schan als auch in Armenien die offentliche Meinung langst nicht immer einer entstandenen Situation und den objektiven Anforderungen der Konfliktparteien und ihren langfristigen Interessen angemessen ist. Die geschichtlichen W urzeln des Berg-Karabach-Konflikts reichen so weit zuriick, dass die Stiitzung auf sie auch vom Hauptziel der 256 friedlichen Losung, der Gewahrleistung der Moglichkeit des freien Lebens der Karabacher in einem gemeinsamen Heimatland unabhangig von ihrer N ationality, wegfuhren kann.410 Eine „Histo­ rische Argumentation41 ist bei der Prufung und Losung von Konflikten naffirlich nicht entscheidend, obwohl die Geschichte immer als tiefer Hintergrund in die Interpretation der Ereignisse einflieBt und nicht vollig eliminiert werden kann. Die Solidaritat mit den Vorfahren und die Stutze auf die Geschichte ist eine der Komponenten, die den Sinn des Lebens des Menschen und der Gemeinschaften von Menschen bilden. Eine Schwierigkeit bei der Losung des Berg-KarabachKonfliktes besteht darin, dass viele Konfliktbeteiligten aus entgegengesetzten Positionen von der Uberlegenheit der historischen Argumente iiberzeugt sind und nicht die Bedeutung des Volkerrechtes, die reale Krafiteanordnung auf regionaler und internationaler Ebene im Vergleich zur Ausgangslage, die Tendenzen der historischen Entwicklung und die langfristigen Interessen der eigenen Seite richtig einschatzen. Das kollektive Gedachtnis kann als machtiges Mittel sowohl zur Entfachung als auch zur Verringerung von Gewalt und interethnischen Konflikten dienen. Bei der Entstehung eines ethnischen Konfliktes kann das kollektive Gedachtnis ein ausschlaggebender Faktor sein, der unter bestimmten Bedingungen sogar eine Schliisselrolle spielt. Das kollektive Gedachtnis enthalt vergangene Krankungen, Zorn und Hass, die unter bestimmten Bedingungen von den politischen Eliten als Mittel zur Entfachung eines Konfliktes und eines Krieges instrumentalisiert werden konnen.411 Jedoch spielt bei der friedlichen Losung von Konflikten das kollektive Gedachtnis eher eine brem sende Rolle. Die offentliche M einung wird im Kaukasus nicht seiten zur unuberwindlichen Hiirde au f dem Weg zu verniinftigen, gegenseitig nUtzlichen Kompromissen. Derjenige Regierungschef im Kaukasus, 41(1V g l.: Altstadt Audrey L. О Patria Mia: National Conflict in Mountainous Karabagh. In Sammelband: Ethnic Nationalism and Regional Conflict. The Former Soviet Union and Yugoslavia. Ed. By Duncan W. Raymond and Holm an G. Paul, Jr. USA: W estview Press: Boulde, Co, 1994, p. 112. 4 l,Karagjesow Rauf. Kollektiwnaja pamjat w etnopolititscheskom konflikte: slutschaj Narodnogo Karabacha. (Das kollektive Gedachtnis im ethnopolitischen Konflikt: Der Fall Berg-Karabach) In: Zentraljaja Asija i Kawkas (Zentralasien und der Kaukasus), Nr. 5 (47),2006, S. 167-179. 257 der bestrebt ist, unabhangig von der offentlichen M einung zu handeln, ausgehend von den objektiven Interessen des Landes in der jew eiligen Etappe, wird fast autom atisch von EU-Politikern des A utoritarism us und der antidemokratischen Intentionen beschuldigt. B esonders oft ,,gelingt“ dies auf dieser Ebene dem aserbaidschanischen Prasidenten Ilham Alijew, obwohl seine Republik sowohl die stabilste als au c h die sich wirtschaftlich am erfolgreichsten entwickelnde in der R egion ist. Gerade die ideologischen Einstellungen der EU-Staatschefs fuhren dazu, dass die Republik Aserbaidschan, die materiell so viel gelitten hat durch den Konflikt, von der EU im Vergleich zu anderen Republiken der Region w eniger Hilfe erhalt.412 Diese Politik schadet nicht nur Aserbaidschan, sondern auch der EU, deren eigentlicher P latz im Kaukasus langst von den USA besetzt ist. In der Republik Aserbaidschan gibt es mehr als 20 nationalethnische M inderheiten, die mehrheitlich in kompakten Siedlungen leben. AuBer Armeniern wohnen hier Udinen (6000), Krysy (1000), Chinalygi (2000), Budugi (1000), Ingiloizy (8000), Lesginen (178.000), Griechen (700), Juden (3.000), Russen (141.000), Kurden (28.000), Georgier (14.000) u.a.413 Das einzige monoethnische Land im Siidkaukasus ist Armenien. Die Bevolkerung der Republik besteht zu fast 98% aus Armeniern, obwohl einst in diesem Gebiet Vertreter vieler Nationalitaten lebten. Die religiose Toleranz in Aserbaidschan, wo Moslems, Christen und andere Religionen friedlich zusammenleben und deren Traditionen eine jahrhundertelange Geschichte haben, wird von auslandischen Experten festgestellt und hoch eingeschatzt. In der Verfassung der Republik Aserbaidschan von 1995 wird die Gewissensfreiheit und der weltliche Charakter des Staates garantiert, Moscheen, Kirchen, Synagogen und Tempel koexistieren friedlich in Baku, wo auch Ende 2005 mindestens 30.000 Armenier lebten, vor allem Arm enier in Mischehen. Nationale Minderheiten gibt es in vielen Landem. Multinationale Lander sind heute eher die Regel als die Ausnahme. „Aber das 4l2Vgl.: Perwye liza. Ilham Alijew, president Aserbajdschana (Fiihrende Personlichkeiten. President von Aserbaidschan.) In: Kommersant, 22.2.2007, S .10. 413 • • Vgl.: Guliewa Narida. Etnitscheskie menschinstwa: realnost i perspektiwy (Ethnische Minderheiten: Realitat und Perspektiven. In: IRS, Nr. 5 (23), 2006. S. 4-8. 258 Vorhandensein einer nationalen Minderheit bedeutet nicht, dass sie sich abspalten und auf dem Territorium eines Landes einen eigenen Staat griinden kann. Stellen Sie sich vor, was ware, wenn die Armenier beginnen wurden, in alien Landem, wo sie wohnen, eigene Staaten zu griinden? Wie viele armenische Staaten wurden in diesem Fall geschaffen? Sie haben bereits einen armenischen Staat!“414 Selbst bei sich gegenseitig ausschlieBenden Standpunkten sprechen die Verhandlungspartner besser miteinander als iibereinander. Vorurteile werden nicht dadurch beseitigt, dass au f Verhandlungen gedroht wird, ,,heikle“ Fragen anzusprechen. Es ist wichtig, in welcher Form sie gestellt werden, den Verhandlungspartner als gleichberechtigten, aufrichtigen Gesprachspartner zu sehen, der Recht auf seine eigenen Uberzeugungen und Vorurteile hat. Besonders wichtig ist diese Einstellung, wenn Vermittler bei Verhandlungen anwesend sind. Hindemisse fur die friedliche Regelung eines Konfliktes sind die unzureichende Erkenntnis oder Kenntnis der gegenseitigen Abhangig­ keit der Konfliktparteien; die Unfahigkeit oder die fehlende Bereitschaft, das Wesen, den Kern, die Hauptsache in den Positionen der Gegenpartei zu verstehen und gemaB diesem Verstehen zu handeln; das Fehlen politischer Formeln, die vorlauftg fur alle Konfliktparteien akzeptabel waren und gleichzeitig auf eine mogliche friedliche Losung des Konfliktes hinweisen wurden; eine zu aktive Einmischung auslandischer interessierter Machte; der nicht ausreichende Wille (und W unsch) einer Partei zur friedlichen Losung des Konfliktes. A us erfolgreichen Verhandlungen gehen alle Verhandlungsteilnehmer leicht unzufrieden heraus. Sonst ist es kein Kompromiss. Weder die Verhandlungspartner noch die Vermittler erreichen nicht die von ihnen gesetzten Ziele in der ganzen Ftille und treten, das erkennend, in die Verhandlungen ein, bereit zu einem bestimmten Kompromissspektrum. Je m ehr einwirkende auBere Krafte in den Konflikt verwickelt sind oder dam it verbundene Interessen haben, desto groBer ist die Gefahr, dass die Konfliktparteien bei der Losung des Konflikts nicht auf sich selbst hoffen werden, sondem auf die Unterstiitzung der regionalen oder globalen Player. Die Gegensatzlichkeit und in vielen Punkten 4l4VgI.: D ie Rede des Prasidenten der Republik Aserbaidschan Ilham Alijew, in: Kom mersant, www.kommersant.ru/leaders. 22.2.2007 259 direkte und bewusste Gegeniiberstellung der Interessen der U S A , der EU, Russlands, der Tiirkei und des Iran in der Region erschw eren die Losung des Berg-Karabach-Konfliktes. Es kann kaum v e m e in t werden, dass gewisse politische und militarische Krafte in R ussland auch nach dem Zusammenbruch der UdSSR eine wichtige R o lle im Berg-Karabach-Konflikt spielten und bei dessen kiinstlicher A ufrechterhaltung weiterhin spielen werden. Von 1992 bis 1994 und zeitweise spater gelangten russische Waffen und Ausriistung in beeindruckender Menge a u f das Territorium der Republik Armenien. Diese Lieferungen riefen breite Proteste in Aserbaidschan hervor. Im Lichte der M itgliedschaft der Republik Aserbaidschan in der GUS, zu der auch R ussland und Armenien gehoren, erscheinen solche Lieferungen besonders zynisch. Die heimliche Lieferung von russischen Waffen an A rm enien w urde in der Staatsduma in Russland erortert und vom A bgeordneten der Staatsduma General Lew Rochlin scharf kritisiert. General L. R ochlin kam spater unter ungeklarten Umstanden zu Tode. Anfang 2007 waren in alien drei transkaukasischen Republiken russische Militars stationiert. Eine russische Militarbasis befindet sich in Gjumri (Armenien). Seit 1997 besteht zwischen Russland und Armenien ein gegenseitiger Beistandsvertrag. Im N orden Aserbaidschans befindet sich die Gabaia-Radarstation, die Russland nach dem Vertrag bis 2015 nutzen wird. In Georgien befinden sich noch die russischen Militarbasen Achalkalaki und Batum i, die iibrigens fur Russland schon lange keine militarische Bedeutung mehr haben, und Moskau kann sie leichten Herzens auflosen. Ohne die USA oder gegen den Willen der USA, ohne Russland oder gegen den Willen Russlands wird es keinen dauerhaften Frieden geben, weder zwischen Aserbaidschan und Armenien, noch im Sudkaukasus insgesamt. Diese zwei Subjekte der Weltpolitik konnten in Zusammenarbeit miteinander einen entscheidenden Beitrag zur friedlichen Losung des Berg-Karabach-Konfliktes leisten. Aserbaidschan kann sich keine militarische Losung des BergKarabach-Konfliktes erlauben, obwohl die vom Nachbam besetzten Territorien der Republik Aserbaidschan eine schreiende Ungerechtigkeit und eine grobe Verletzung des Volkerrechts darstellen. 260 Mit der Zeit wird sich aufgrund der dynamischen Entwicklung Aserbaidschans in den letzten Jahren die Diskrepanz des wirtschaftlichen, demographischen und militarischen Potentials zwischen Aserbaidschan und Armenien immer starker bemerkbar machen. Die soziale Stabilitat und das wirtschaftliche W ohlergehen der normalen Burger unterscheidet schon heute Aserbaidschan positiv von Armenien, trotz der enormen Hilfe, die Armenien von tiberall erhalt. Die Entwicklung Aserbaidschans wird eine wichtige Bedeutung fur die friedliche Losung des Berg-Karabach-Konfliktes haben.415 415V g 1.: Dmitrij Rupel. Amtierender OSZE-Vorsitzender in: ww w.dav.ax/ p p litic s e 4772.html.; Juschnyj Kawkas - sona interesow Soedinjonnych Schtatow Ameriki (Der Sudkaukasus: Interessenszone der USA. In: Nesaw isim aja gaseta, Nr. 113, 20.7.2001, S.4; Neftjanoj rekord. Aserbajdschan rastjot как nikto w mire (Olrekord. Wachstum in Aserbaidschan so hoch wie nirgends auf der Welt. In: Westi, 23.1.2007, S. A3. 261 18. Zu den Annaherungswegen der Positionen der K on ­ fliktparteien iiber mogliche Kompromisse „ Die Geschichte lehrt nicht, was man tun muss, sondem was man nicht tun darf. Sie ist nutzlich, w eil sie ein warnendes Wissen bereitstellt. “ K ljutschew skij W .S. Die Organisation fiir Sicherheit und Zusam m enarbeit in E uropa (OSZE) prtift sowohl den Kompromiss der Riickgabe der sieben an Berg-Karabach angrenzenden Rayons von der Republik A rm enien an die Republik Aserbaidschan, die Riickkehr der Fliichtlinge in diese Rayons, die Stationierung von Friedenstruppen in B erg-K arabach und in den daran angrenzenden Rayons als auch die D urchfuhrung eines Referendums in Berg-Karabach iiber dessen zukunftigen Status. Diese Vorschlage halte ich, gelinde gesagt, fiir nicht durchdacht: es wird darin unverstandlicherweise angezweifelt, dass Berg-K arabach Territorium der Republik Aserbaidschan ist.4' 6 Der damalige Premierminister der Republik Arm enien Serge Sarkisjan brachte den Gedanken des Abschlusses eines Friedensvertrages in Form einer ,,Friedensvereinbarung“ zwischen Aserbaidschan und Armenien ein: „Es handelt sich um ein Friedensabkommen - mit diesem Vertrag werden beide Parteien fur immer au f eine gewaltsame Losung des Konfliktes verzichten miissen. Wenn der Vertrag unterzeichnet sein wird, beginnen wir, an der Annaherung der beiden Volker zu arbeiten, und es wird Bewegung in die Sache kom men“ .4n Ein Friedensvertrag ohne vorhergehende Befreiung der besetzten Gebiete eines Nachbarlandes? Fast ein Jahr spater gab der gleiche Politiker, nun schon in der Position des Prasidenten der Republik Armenien, eine auBerst interessante Erklarung: „Ich meine, dass - wie paradox es auch klingen mag - Aserbaidschan das Recht des Volkes von Berg-Karabach auf Selbstbestimmung anerkennen muss und Armenien das Vgl.: Moskauer Deutsche Zeitung, 3.2.2008, S. 8. 4l7Vgl.: Zwetnaja rewoljutsija w Armenii wosmoschna lisch teoretischeski. (Die farbige Revolution in Armenien ist nur theoretisch moglich.) Interview des Premierministers der Republik Armenien Serge Sarkisjan. In: Nesawisimaja gaseta, 27.4.2007, S. 7. 262 Recht Aserbaidschans auf territoriale Integritat anerkennen muss. A uf den ersten Blick sind diese Dinge unvereinbar. Aber ich bin iiberzeugt, dass es nur auf den ersten Blick so ist. Und gerade auf dieser Basis, wenn das Problem gegenseitig verstanden wird, konnen wir auch einen vemiinftigen Kompromiss fmden.“418 Dieser Vorschlag ist recht mysterios und kann ohne Detaillierung seitens seines Autors nur schwer bewertet werden. Aber zwei Frage werden aufgeworfen: 1) Was meint President Sarkisjan mit „Volk von BergKarabach“? und 2) Was meint er mit „Selbstbestimmung"? Wenn es die Selbstbestimmung einer breit gefassten Autonomie oder Republik innerhalb der Republik Aserbaidschan ist, dann sind Kompromisse wahrscheinlich moglich. Eine andere, fur die Republik Aserbaidschan klar unannehmbare Forderung, stellt der C hef der neuen einflussreichen politischen Partei „Prozwetajuschtschaja Armenija“ (Bliihendes Armenien) Gagik Zarukjan: „Wir sind davon iiberzeugt, dass der nachste Schritt die intemationale Anerkennung der Unabhangigkeit der Region BergKarabach und seine Integration in die Volkergemeinschaft ist. Die weiteren Fragen im Kontext der Schaffung von Frieden in der Region und gutnachbarlicher Beziehungen zu Aserbaidschan konnen erortert und gelost werden“.419 Es ist sehr viel Fantasie dafur erforderlich, an die Unabhangigkeit von Berg-Karabach zu glauben und den gleichen Glauben von anderen zu verlangen. Die Offnung der tiirkisch-armenischen Grenze (1992 geschlossen), die unter anderem von der Losung des Berg-Karabach-Konfliktes abhangt, ist nach Schatzungen einer Reihe von Experten geeignet, das Bruttoinlandsprodukt der Republik Armenien um ein Drittel ansteigen zu lassen. Weshalb also nicht diese Moglichkeit vernunftigerweise nutzen? Die Ausweitung des Separatismus auf dem Territorium der ehem aligen UdSSR begann verstarkt gerade mit dem Beginn des BergKarabach-Konfliktes, der sich danach zum Krieg ausweitete. In unseren Tagen konnte die friedliche politische Losung dieses K onfliktes auch einen Impuls fiir die Losung anderer langer Konflikte des postsow jetischen Raumes geben. 4IRV gl.: Rossijskaja gaseta, 7.3.2008, S. 3. 419V gl.: das Interview von Zarukjan in: ,,Iswestija“,8.5.2007, S. 4. 263 Die Alternative zur friedlichen Losung des B erg-K arabachKonfliktes ist eine weitere M ilitarisierung der Region, eine V erscharfung der hum anitaren Krise in Armenien, A serbaidschan und Berg-Karabach, eine anhaltende Bremsung der W irtschaftsentw icklung der Region und eine Verstarkung der bei w eitem nicht uneigenniitzigen Einmischung extem er M achte in das Schicksal der Lander des Sudkaukasus. Der Konflikt zwischen der R epublik A rm e ­ nien und der Republik Aserbaidschan ist komplex und verw orren und hat eine enorme zerstorerische Auswirkung, die die w ichtige geopolitische Region bedroht. Dieser Konflikt unterscheidet sich von vielen anderen durch die enorme Zahl seiner falschen W ahmehmungen und Interpretationen. Die Erklarung daftir ist vielschichtig. In der ersten Etappe des Konfliktes, in der Zeit der UdSSR, wurden alle Informationen von der Zentralmacht und den ortlichen kommunistischen Behorden sorgfaltig dosiert und zuweilen verfalscht. Objektive, gepriifte Inform ationen iiber Konflikte gab es ganz offensichtlich nicht in ausreichender Menge. Auch die relative Unkenntnis der vielen Beobachter und W issenschaftler des Berg-Karabach-Konfliktes beziiglich der historischen und kulturellen Besonderheiten der Region ist offensichtlich. Die Ursachen des Konfliktes sind in einer Reihe von Faktoren zu suchen: dem Umstand, dass sich die armenische Bevolkerungsm ehrheit von Karabach sozial, kulturell, wirtschaftlich und politisch diskriminiert flihlt; im durch die historischen und kulturellen Umstande entstandenen ,,Antagonismus“ der nationalen Identitaten, im Fehlen demokratischer Institutionen in der ehemaligen UdSSR, wodurch die armenische Bevolkerung von Karabach nicht die Moglichkeit hatte, offen ihre Unzufriedenheit zu auBem, in der Unter­ stiitzung der armenischen Diaspora von auBen, in den Bestrebungen der Anhanger der Schaffung von Grol3-Armenien, in der „Hand Moskaus“, und in vielem anderem. Besonders wichtig ist eine umfassende Bewertung der Probleme der bilateralen Beziehungen von Armenien und Aserbaidschan in Verbindung mit der haufig anzutreffenden These iiber die Existenz historischer Beweise fur die Zugehorigkeit der aserbaidschanischen Khanate Karabach, Eriwan und Nachitschewan zu Armenien und mit den Versuchen, die Eroberung dieser aserbaidschanischen Territorien 264 durch Russland als Anschluss des armenischen Volkes und der armenischen Gebiete an das Russische Reich darzustellen. Die Analyse russischen Archivmaterials der vorsowjetischen Periode und anderer Lander liefert keinerlei Beweise fur die Zuge­ horigkeit der genannten drei Khanate zu Armenien. Im Gegenteil zeugen, wie der Forscher Sachib Dschamal richtig bemerkt, alle Dokumentenquellen - im Unterschied zu den Falschungen - vom aserbaidschanischen Charakter dieser Gebiete und Khanate. Auch in historischer und demographischer sowie in kultureller und in politischer Hinsicht waren die Khanate Karabach, Eriwan und Nachitschewan aserbaidschanische Staatsgebilde, die zuweilen groBc Unabhangigkeit vom Safawiden- und vom Kadscharenstaat, vom Osmanischen Reich oder von Russland erreicht hatten, und die eine wichtige Rolle bei der Entstehung des aserbaidschanischen Staates gespielt hatten. Der Autor hofft, dass diese Studien auch ihren Teil zur Erhellung der wahren Geschichte von Berg-Karabach beigetragen haben. Die dynamische Entwicklung von Aserbaidschan, seine zunehmende regionale und geopolitische Bedeutung, bedingt sowohl durch die Politik seiner gegenwartigen Regierung als auch durch seine geographische Lage und durch seine riesigen Ressourcen, Transitmoglichkeiten und die sich entwickelnde Olindustrie, fiihrt unvermeidlich zu einer Verschiebung des Kraftegleichgewichts in der Region zu Ungunsten Armeniens. Die von Aserbaidschan zusammen m it der EU, den USA und anderen Landern realisierten gewaltigen Energie- und Transportprojekte bringen dieses Land nicht nur der EU, sondem auch dem W eltmarkt fur Produkte und Dienstleistungen insgesam t naher. Im Dezember 2006 wurde zwischen Aserbaidschan und der EU in Brussel das Memorandum iiber die strategische Energiepartnerschaft unterzeichnet. Am 22. Marz 2007 wurde von der US-Au6enministerin Condoleezza Rice und dem aserbaidschanischen Aul3enminister Elmar M amedjarow in Washington das „Memorandum iiber die Zusammen­ arbeit zwischen den USA und Aserbaidschan im Energiebereich“ unterzeichnet - ein zweifellos auch auf dem Hintergrund der Per- 265 spektiven einer Losung des Berg-Karabach-Konfliktes bedeutendes Ereignis420. Geopolitisch ist wichtig, dass sich Aserbaidschan nicht m it der Rolle eines Lieferlandes fur Energietrager begniigen will, sondem bereit ist, auch em sthafte Transitfunktionen fur interessierte L an d er zu iibemehmen und in wachsendem MaBe Erdolprodukte zu produzieren und damit zu handeln.421 In der M ehrzahl der bereits um gesetzten Projekte wie etwa der Olpipeline Baku-Tbilissi-Ceyhan, der Gaspipeline Baku-Tbilissi-Erzurum, der im Bau befm dlichen Eisenbahnlinie von Kars iiber Achalkalaki nach Baku und anderen Projekten ist Armenien hauptsachlich aufgrund der Okkupation von Teilen des Territoriums Aserbaidschan nicht beteiligt. Ein solches ,,Herausfallen“ aus der regionalen und globalen wirtschafilichen Zusammenarbeit ist der Republik Armenien kaum niitzlich. Aserbaidschan stellt Jahr flir Jahr groBere Summen fur m ilitarische Zwecke in den Haushalt ein. In 2006 tiberstiegen diese Ausgaben 600 Millionen US-Dollar. Diese Ausgaben machten iiber 10 Prozent der Ausgabenposten des gesamten Haushalts aus. In einer seiner Reden forderte der President der Republik Aserbaidschan Ilham Alijew: „... unser M ilitarhaushalt muss dem gesamten Haushalt Arm eniens entsprechen und ihn womoglich iiberschreiten. So wird es auch sein! Das werden wir erreichen".422 Und gegen Ende 2007 erreichte die Republik Aserbaidschan dieses Ziel auch. Dass die Notwendigkeit einer friedlichen und baldigen Losung des Konfliktes auBerst dringlich geworden ist, geht auch aus der Rede des Prasidenten Aserbaidschans Ilham Alijew vor der Offentlichkeit in Baku im Zusammenhang mit dem nationalen Nowrus-Fest 2007 hervor: „Das hohe Niveau der Kampfbereitschaft der aserbaidschani420Im Bericht des State Department der USA 2006 wird zu den Menschenrechten beziiglich Berg-Karabachs und den Gebieten unter armenischer Kontrolle vollig zu Recht der Terminus „okkupierte Territorien“ verwendet. Wie sollte die militarische Einnahme des Gebietes eines anderen Staates sonst genannt werden? 421 Vgl.: Mischin W. Aserbaidschan menjaet orientaziju (Aserbaidschan orientiert sich um) In: Nesawisimaja gaseta. Energija. 14.8.2007, S. 3; Mamedow S. Priglaschenie к trube (Einladung zur ,,R6hre“). In: Nesawisimaja gaseta. 7.8.2007, S. 6. 422Vgl.: Plugatarew 1. Baku i Eriwan sapugiwajut drug druga (Baku und Eriwan schiichtem sich gegenseitig durch Drohungen ein, in: „Nesawisimaja gaseta", 13.11.2005. S. 9. 266 schen Armee und die rasante Wirtschaftsentwicklung des Landes lassen keinen Zweifel an einer schnellen Losung des KarabachKonfliktes im Interesse des Landes. Mit der Zeit wird die Position Aserbaidschans auf Grund der erfolgreichen Entwicklung des Landes sowie der zunehmenden Unterstutzung von immer m ehr Landern und Organisationen immer starker werden."423 Ebenfalls im Friihjahr 2007 erklarte President Ilham Alijew wahrend seines USA-Besuches im April erstmalig, sein Land habe den K am pf um Karabach verloren, nicht gegen Armenien, sondem gegen Russland. Und er betonte, der Krieg sei noch nicht zu Ende.424 M ir erscheint eine militarische Losung des Berg-Karabach-Konfliktes in den nachsten zwei bis drei Jahren aufgrund der geopolitischen Situation in der Region und der W elt nicht sehr wahrscheinlich. Man darf nicht vergessen, dass die Republik Armenien zur OVKS gehort und dass sich auf ihrem Territorium eine russische Militarbasis befindet (5.000 Mann mit modem en W affen und Kampfflugzeugen). Und das heiBt, dass Aserbaidschan es bei einem gegen Armenien begonnenen Krieg mit Russland zu tun bekommt. Und im Falle neuer Kriegshandlungen werden die USA, aufgrund der vielen Millionen Armenier in der Diaspora in den USA, keine eindeutige Position beziehen. Und mit der Tiirkei hat Aserbaidschan noch aus der Zeit Heidar Alijews eine Vereinbarung, nach der Baku ohne Zustimmung Ankaras keine neuen Kriegshandlungen beginnen kann. Die Analyse zahlreicher Quellen und Dokumente in verschiedenen Sprachen und verschiedenen historischen Perioden ermoglicht die Bestatigung der Schlussfolgerung, dass das Territorium von BergKarabach vom historischen, juristischen (geltendes Volkerrecht) und politischen Standpunkt aus zur Republik Aserbaidschan gehort, obwohl die Armenier die ###M ehrheit der dortigen Bevolkerung aus den externen und bekannten Griinden Armenier ist. Berg-Karabach war und ist ein integraler Bestandteil jener Staatsbildungen, die auf 42,Vgl.: N e wpolne druscheskij sowjet (Ein ganz und gar nicht freundschaftlicher Rat). In: „Nesawisimaja gaseta“22.3.2007, S. 8; Baku postroit AES (Baku baut AKW, a.a.O., 10.4.2007, S. 5. Vgl.: auch den Artikel von Jurij Sim onjan iiber die Tendenzen zur Verschlechterung der Beziehungen Armen i e n - U S A in der Nesawisimaja gaseta (19.4.2007, S.6). 424V gl.: „Argumenty nedeli“ (Argumente der Woche), 18.1.2007, S. 4. 267 dem Territorium der heutigen Republik Aserbaidschan entstanden sind. Die Republik Armenien, die den separatistischen Teil der arm e­ nischen Bevolkerung von Karabach vielseits unterstiitzt, und selbst von der au f intemationaler Ebene sehr einflussreichen arm enischen Diaspora unterstiitzt wird, untergrabt die M oglichkeiten einer friedlichen Regelung des Konfliktes. Das zeigen die ganze Geschichte der Entwicklung des Konfliktes und des Krieges von 1991-1994 und die ganze Nachkriegsgeschichte des W affenstillstands und der Verhandlungen. Gerade die unverandert unversohnliche Position der Regierung der Republik Armenien ist die Hauptbremse einer friedlichen Losung des Konflikts nach Volkerrecht und den Bestimmungen der maBgeblichen intemationalen Organisationen. Vom juristischen Standpunkt ausgehend wird von niem andem auf der Welt bezweifelt, dass Berg-Karabach zur Republik Aserbaidschan gehort. Und das Hauptproblem von diesem Standpunkt aus sind die Garantien fur eine freie administrative, wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung der armenischen Gemeinde von Berg-Karabach innerhalb der Republik Aserbaidschan. Vom Standpunkt des Autors dieser Studien konnen diese Garantien von Aserbaidschan und den intemationalen Organisationen in Kooperation mit Baku gegeben und unnachsichtig umgesetzt werden. Ftir die weiteren Verhandlungen konnen nach Ansicht des Autors folgende Kompromisse zwischen der Republik Aserbaidschan, der Republik Armenien und der armenischen Gemeinde von BergKarabach vorgeschlagen werden. Seitens Aserbaidschans Der Beschluss Bakus iiber die Auflosung des Autonomen Gebiets Berg-Karabach vom November 1991 wird aufgehoben. BergKarabach erhalt moglichst einen hoheren Autonomiestatuts in Form eines Gebiets (Oblast) oder Bezirks oder einer autonomen Republik innerhalb Aserbaidschans. Der Autonomiestatus konzentriert sich auf die vertikalen Beziehungen zu Baku unter intemationalen Garantien und intemationaler Kontrolle. Auch irgendein besonderer Status BergKarabachs innerhalb Aserbaidschans, der nicht die territoriale 268 Integritat des Landes und die Unveranderlichkeit seiner Grenzen verletzt, ware denkbar. Unter der Moglichkeit eines besonderen Staatsgebildes innerhalb der Republik Aserbaidschan wird ungefahr folgendes verstanden: die Schaffung einer Freihandelszone; die Vertretung von Berg-Karabach in Baku in der Position des VizePremierministers mit Vetorecht beziiglich aller Berg-Karabach betreffenden Entscheidungen der Regierung; die Schaffung einer Standigen Vertretung von Berg-Karabach in Baku; Garantien fur die armenische Gemeinde von Berg-Karabach in der Vertretung in alien Machtorganen der Republik Aserbaidschan. Die Republik Aserbaidschan garantiert im Falle der friedlichen Losung des Konfliktes die maximale Offnung der Verbindungswege und breiteste Informations- und Kulturkontakte zwischen BergKarabach, der Republik Armenien und der armenischen Diaspora. Die aserbaidschanische Gemeinde Berg-Karabachs verpflichtet sich, die Kompromissvorschlage Bakus zu unterstutzen. Seitens der armenischen Gemeinde von Berg-Karabach Die armenische Gemeinde von Berg-Karabach ist bereit, den weitgehenden Autonomiestatus mit vertikalen Beziehungen zu Baku unter intemationalen Garantien und Kontrolle anzuerkennen oder einem Sonderstatus von Berg-Karabach in einer Form der autonomen Republik innerhalb der Republik Aserbaidschan bei einer friedlichen Losung des Konfliktes zuzustimmen. Die Zustimmung ware dahingehend, dass die Selbstbestimmung der nationalen armenischen M inderheit in der Republik Aserbaidschan auch in diesen Formen realisiert werden kann. D ie Angehorigen der armenischen Gemeinde von Berg-Karabach werden entwaffnet, ihre Ortschaften werden entmilitarisiert, die bew affneten Verbande der armenischen Gemeinde von BergK arabach werden aufgelost und in eine Poiizei umgewandelt, die dem Innenm inisterium von Aserbaidschan unterstellt ist und eine bestim m te Zeit unter der Kontrolle von intemationalen Inspektoren unter der Agide der UNO steht. D ie armenische Gem einde von Berg-Karabach garantiert unter intem ationalen Garantien und Kontrolle den ruckkehrenden aserbaidschanischen Fliichtlingen Sicherheit und Gleichberechtigung. 269 Seitens Armeniens Die Republik Armenien ist zu einer em euten Priifung der bereits erwahnten Vorschlage von M. Bagirow von 1945-1946 iiber einen Gebietstausch zwischen Armenien und Aserbaidschan u n d des Hobble-Plans von 1994, bereit.425 Die Republik Arm enien stimmt zur friedlichen L osung des Konfliktes mit der Republik Aserbaidschan auch der R aum ung der besetzten Gebiete der Republik Aserbaidschan zu, entw eder auf einmal oder etappenweise nach einzelnen Regionen (R ayons) auf jeden Fall unter intem ationaler Kontrolle und unter den A giden der UNO zu festgesetzten Fristen. Die Bedingungen werden vertraglich zwischen den zwei Volkerrechtssubjekten Armenien und A ser­ baidschan festgeschrieben. Die Republik Arm enien erkennt Berg-Karabach als autonom es Gebilde mit weitgehenden Rechten oder besonderem Status (A uto­ nome Republik) in den Grenzen von Aserbaidschan und mit vertikalen Beziehungen zu Baku an. 425In nicht allzufemer Vergangenheit wurde die Wahl des Kompromissweges der Regelung des Konflikts zwischen der Republik Armenien und der Republik Aserbaidschan zum Spaltungsgrund in der herrschenden Elite Armeniens. Der damalige Premierminister Robert Kotscharjan und der Verteidigungsminister Serge Sarkisjan unterstiitzten nicht den von President Lewon Ter-Petrosjan vorgelegten Etappenplan zur Regelung des Konfliktes, was auch zum Riicktritt L. Ter-Petrosjans am 3. Februar 1998 fuhrte. Das Wesen des Planes bestand darin, dass der Republik Aserbaidschan die sechs okkupierten Rayons ausserhalb des Territoriums Berg-Karabachs (der Latschinskij Rayon sollte zunachst ausgenommen sein) zuriickgegeben werden sollten, damit Friedenstruppen nach Berg-Karabach kommen konnten: die Kommunikationsblockade aufgehoben werden wurde und man Verhandlungen iiber den Status des NKAO aufnehmen sollte. Letzten Endes wurde der vorgeschlagene vemiinftige Kompromiss von den armenischen ,,FaIken“ durch ein Jahrzehnt der Sackgasse im armenisch-aserbaischanischen Verhandlungsprozess ersetzt. Nach der Wahl eines dieser ,,Falken“, Serge Sarkisjan, zum neuen Prasidenten am 19. Februar 2008 verging noch kein Monat, bevor sich Anfang Marz in der Zone der Feuereinstellung ein emsthafter Schusswechsel mit 16 Toten und Dutzenden Verletzen auf beiden Seiten ereignete. Der Zwischenfall war so emst, dass der Prasident der Republik Aserbaidschan, Ilham Alijew, personlich die Waffenstillstandslinie besuchte und den Angehorigen der Getoteten sein Beileid aussprach. Vgl.: Der Tagesspiegel, 7.3.2008, S. 7. 270 Die Republik Armenien macht keine weiteren territorialen Anspriiche gegeniiber der Republik Aserbaidschan geltend. Die Republik Armenien ist bereit, der Republik Aserbaidschan den ihr zugefiigten materiellen Schaden zu ersetzen.426 426D ie Prasidentschaftswahlen in der Republik Armenien fanden am 19.2.2008 statt. In seinen Reden vor den Wahlen gab der Oppositionskandidat L. T.Petrosjan deutliche Signale an Baku und Ankara iiber die Moglichkeit einer Versohnung - wenn auch nicht der Volker, so doch wenigstens der Staaten. Auch diese Signale blieben nicht unbemerkt. Die maBgeblichc aserbaid­ schanische Wochenzeitschrift „Wyschka" auBerte sich folgendermaBen iiber die Chancen Ter-Petrosjans auf den Prasidentenposten: „Unser Land hat die reale Chance, nach den Prasidentschaftwahlen im Februar in Armenien einen wirklich zurechnungfahigen politischen Partner zu bekommen. Safa Kerimow zitierte in seiner Analyse der Situation vor den Wahlen in Armenien ein Interview Ter-Petrosjans au f IA REGNUM: ,,...Ja, es ist schwer und unangenehm, diese Verantwortung anzuerkennen... Aber die Initiierung des Konfliktes mit Aserbaidschan und die nachfolgende Annexion seiner Territorien erfordert gleichermaBen eine fin a m ielle Kompensation fiir den zugefiigten Schaden... (kursiv, J. R.) Deren Umfang zu bestimmen ist mir jetzt nicht moglich, aber allein die Tatsache der Notwendigkeit ist vollig unbestreitbar. Wenn man nicht sogar von mehr spricht. Und dariiber reden m uss man schon in der nahen Zukunfit!“ Vgl.: Europa-Express.N8 (520) 18.2.-24.2.2008, S.21. 271 19. Der Traktat (Staatsvertrag) vom 14.5.1805 zw isch en dem Russischen Reich und dem Khanat K arabach Am 14. Mai 2007 war der 202. Jahrestag der U nterzeichnung des „Traktates iiber die Aufnahme von Ibrahim-Khan von S chuscha und Karabach samt seiner Familie, Nachkommen und Besitztum in die Staatsangehorigkeit des Gemeinrussischen Kaiserreiches" am 14. M ai 1805 (vgl. Kopie des Traktats). Diese Urkunde legte den G rundstein fur den Anschluss eines der seinerzeit einflussreichsten aserbaidscha­ nischen Khanate, des Khanates Karabach, an Russland. Es w a r das erste Khanat, jedoch nicht das erste aserbaidschanische G ebiet, das Russland eingegliedert wurde. Bereits im September 1801 hatte Zar Alexander I. die aserbaidschanischen Sultanate Bortschaly, K asach und Schamschadil zusammen m it dem Konigreich K artli-K achetien an Russland gebracht. An sich hatte der „Vertrag von K urektschai“ , in dem der Khan von Karabach seinen Verzicht auf „jegliche A bhangigkeit von Persien (dem Kadscharenstaat - J.R.) oder einer anderen Macht“ und die Anerkennung der Herrschaft Russlands iiber sich erklarte, nicht den Charakter eines vollwertigen Vertrages. Die darin enthaltenen russischen Pflichten wurden erst 1806 durch Erlass Alexanders I. bestatigt. Der Traktat von 1805 markierte die Errichtung von Vasallenbeziehungen zwischen Russland und dem Khanat Karabach. Der endgiiltige Ubergang des Khanats an Russland erfolgte im Jahre 1813 durch die Unterzeichnung des „Traktats uber ewigen Frieden und Freundschaft" von Gtilistan zwischen Russland und dem Iran. Gerade durch diese Urkunde wurde die erste Seite in der neuen russisch-aserbaidschanischen Geschichte des Khanats Karabachs aufgeschlagen und de facto der Grund fur seine politische Umorientierung nach Russland gelegt. Es war der Abschluss der seit 1792 unermiidlich andauemden Bemiihungen Ibrahim Khalil-Khans von Karabach zur Errichtung von Biindnisbeziehungen zu Russland mit dem Ziel der Schaffung einer militansch-poUtischen Koalition. Diese Koalition wiirde W iderstand leisten konnen gegen die Versuche des Irans zur Ubemahme der Kontrolle iiber die von ihm abtriinnigen und unabhangigen aserbaidschanischen Khanate. Das Khanat Karabach wurde Russland vom Standpunkt der auf seinem Territorium vorherrschenden aserbaidschanischen Bevolke­ rung und der aserbaidschanischen Zugehorigkeit der darin herrschen272 den sozialen und politischen Eliten aus als aserbaidschanisches Staatsgebilde angeschlossen.427 Ende des 18. bis Anfang des 19. Jahr­ hunderts wurde Karabach fur die Transkaukasus-Politik Russlands ein wichtiges Ziel und ein Brennpunkt diplomatischer und anderer Bemiihungen. In seiner Note an den russischen Zaren vom 22. Mai 1805 schrieb Fiirst P.D. Zizianow unter Verweis auf die sehr wichtigen geopolitischen und okonomischen Vorteile, die mit dem Anschluss Karabachs verbunden waren: „Der Nutzen aus dieser erfolgten Erwerbung fur Russland besteht darin: 1.) Karabach kann au f Grund seiner Lage als Tor (...) nach Persien (in den Kadscharenstaat - J.R.) gelten und wird ihnen deshalb auch Furcht einfloBen; 2) durch Karabach haben sich Georgien und die Stadt Baku angenahert, die diesen Herbst besetzt werden sollen; 3) wenn Saljan befestigt sein wird und Dschewad, ein Ort am Zusammenfluss von Kura und Araxes, dem Khan von Schirwan abgenommen wird und ein Ort, der immer dem Khan von Karabach gehorte, dann konnen sie aus Astrachan hierher nach Dschewad oder Saljan kommen mit Waren, die keinen Wert hatten, und dafiir Seide aus Karabach und Schemacha und Alaun aus Elisawetpol erhalten, das durch die Staatskasse S.K.H. von den Industriellen geme fur 80 Kopeken pro Pud erworben werden kann, wobei Alaun aus Astrachan fur 15 Rubel pro Pud verkauft w ird.“4M Der russische Kaukasusexperte N. N. Schawrow war an den MaBnahmen der kaukasischen Verwaltung zur Kolonisierung der transkaukasischen Gebiete direkt beteiligt. In seiner Beschreibung der G eografie und der Geschichte dieser Region vermerkt er: „Die sesshafte einheimische Bevolkerung, die einem tatarisch-aserbaidschanischen Stamm angehort, siedelte im Altertum entlang des Ufers der Kura und des Araxes und bei den Bergen von Talysch11.421' Wer au f die J 2 lstorija Aserbajdschana po dokumentam i publikazijami. (Die Geschichte Aserbaidschans in Urkunden und Publikationen) Red. S. Bunijatow, Baku 1990, S. 55-56. 42!<A kty Kawkasskoj archeografitscheskoj komissii, (Akten zusammengestellt von der kaukasischen archeographischen Kommission.) Bd. 2-7, Red. A. P. Bersche. Tiflis 1867-1878, Bd. 2, Dok. 1425, S. 698 und Dok. 1431, S. 701. 424Schaw row N.N. Nowaja ugrosa russkomu delu w Sakawkasje. Predstojaschtschaja rasprodascha Mugani inorodzam. (Die neue Bedrohung der russischen Sache im Transkaukasus. Der bevorstehende Ausverkauf von M ugan an Auslander) St. Petersburg, 1911. 273 Karte schaut, kann sich davon uberzeugen, wie breit das Siedlungsgebiet der Aserbaidschaner, der Bewohner der Region „seit Urzeiten“ war. In den „Akten der Kaukasischen Archeographischen Kommission“ - der wichtigsten Archiv- und Urkundenquelle Qber die Geschichte des Kaukasus von 1762 - 1863 gilt Karabach als „m oslemisches Herrschaftsgebiet". Im 18. Kapitel des 2. Bandes der „Trans­ kaukasischen moslemischen Besitztiimer“ sind 13 Besitztomer aufgelistet, dam nter auch Eriwan, Karabach und Baku.430 Das erste allgemeine Bevolkemngsregister des Russischen Imperiums 1897 zeigt, dass in Karabach nach wie vor, trotz des mehr als ein Jahrhundert andauem den Zustroms armenischer Bevolkerung aus dem Kadscharenstaat und dem Osmanischen Reich, dennoch die aserbaidschanische Bevolkerung tiberwog. Nur in einem Ujesd des Gouvemements Elisawetpol - dem Schuschinskij Ujesd - iiberwog die armenische Bevolkerung. Der m ssische Kaukasusexperte M.A. Skibizkij hat schliissig dargelegt, dass das Verhaltnis Arm enier zu Aserbaidschanem im Bergteil von Karabach Ende des 19. Jahrhunderts 1:4 betrug, d. h. 72,6 % waren Aserbaidschaner. Eine seiner Arbeiten enthalt eine Karte der Winter- und Sommerweiden von Karabach, die eine zusatzliche Bestatigung dieses zahlenmaBigen Verhaltnisses der armenischen und der aserbaidschanischen Bevolkerung in Karabach darstellt.431 Der genannte Kaukasusexperte Schawrow schrieb: „W enn mit der Zeit ein unerschrockener Erforscher historischer Urkunden den Schleier der vergangenen Jahrhunderte unserer Eroberung des Transkaukasus liiften wird, so wird das unweigerlich zu dem Schluss fiihren, dass unsere Politik hier vom Standpunkt der Vernunft und des gesunden Menschenverstandes aus ein unlosbares Ratsel darstellt ... weitaus die meisten Migranten 430Nesmatschnaja, S. Perwoe isdanie archiwnych dokumentow na Kawkase. Kawkasskij sbomik, (Erste Ausgabe von Archivurkunden iiber den Kaukasus. Kaukasus-Sammelband) Bd.2 (34), Moskau, 2005, Sju 350 -362. Skibizkij M.A. Materialy dlja ustrojstwa kasjonnych letnich i simnich pastbischtsch i dlja isutschenija skotowodstwa na Kawkase. (Materialien zum Anlegen von staatlichen Sommer- und Winterweiden und zum Studium der Viehzucht im Kaukasus). Tiflis 1889. Tiflis 1889. In der Sowjetperiode verschwand diese einzigartige Karte aus den Bucharchiven von Sankt Petersburg, Moskau, Tbilissi und Erewan, blieb jedoch in einem der Bucharchive in Baku erhalten und dient auch heute der Wiederherstellung der echten demographischen Karte des Karabachs des 19. Jahrhunderts. 274 sind Armenier: so sind von den 1.300.000 im Transkaukasus lebenden Armeniem iiber 1.000.000 keine angestammten Bewohner des Gebiets und wurden von uns umgesiedelt... Unter breiter Verwendung falscher Zeugnisse haben sich die Arm enier durch die besitzlosen Zuwanderer ausgedehnten Staatslandes bemachtigt,,.432 In der Liste, die dem russischen Innenminister O. P. Kosodawlew am 19. Juli 1811 vorgelegt wurde, hieB es: ,,lm Herrschaftsgebiet Karabach werden bis zu 12.000 Familien gezahlt, davon Armenier bis zu 2500 Familien, und die iibrigen sind Tataren mohammedanischen Glaubens (damalige Bezeichnung der Aserbaidschaner- J.R.)“ .433 A uf die zahlenmaBige Uberlegenheit der islamischen Bevolkerung in Karabach wurde auch im Bericht des Generalkommandeurs der Armee in Georgien F. O. Palutschtschi an Zar Alexander I. vom 27. Marz 1812 verwiesen.454 Und Zeugnisse des ,,Zugezogenseins“ der M ehrheit der armenischen Bevolkerung im Siidlichen Kaukasus sind schliefilich noch die von A. S. Griboedow erstellten Dokumente. So wird in dem von ihm erstellten und am 7. September 1828 in Tiflis veroffentlichten Doku­ m ent „Plan zur Griindung der Russisch-Transkaukasischen Kompanie“ iiber die ubersiedelten Armenier als eine Migrationsethnie im K aukasus gesprochen: „Die Unterzeichner halten es fflr ihre Pflicht, anbei die Lage der Armenier zu erortem, die neu von jenseits des A raxes nach Russland gekommen sind. Diese Massenemigration ist zwar durch den Wortlaut des Vertrages von Turkmantschai verursacht w orden, konnte jedoch bei dessen Unterzeichnung keineswegs vorhergesehen werden... Sie erfolgte in den ersten vier Monaten nach dem Friedensschluss; zu ihrer Aufnahme ist nichts vorbereitct worden und konnte nichts vorbereitet werden. Dazu reichten die Geldmittel nicht aus; ihre eigene Unkenntnis eines Gebiets, das fur sie neu ist, kann fur sie der Untergang sein... ,,.435 A.S. Griboedows kritische Bew ertung der AusmaBe und des Charakters der Umsiedlung der 4’2Schaw row N. N. ... S. 58, 60-61. w Prosoedinenie wostotschnoj Armenii к Rossii. (Anschluss Ostarmeniens an R ussland) Erewan 1972, S.560-562. Viele Forscher legen dar, dass in diesem V erzeichnis zu den ,,Armeniem“ falschlicher Weise die Albaner gezahlt w urden41 (Sachib Dschamal). 434A .a.O . , S. 597. 415 G riboedow A. S. Poln. Sobr. Sotsch. w dwuch tomach, (Gesammelte Werke in z w e i Banden) Verlag “Prawda”, Moskau 1971. Bd. 2, S. 94. 275 Arm enier in den Siidkaukasus ist ausfiihrlich von E. N. Z y m b a ew a dargestellt worden.436 Mit der armenischen Kolonisierung Karabachs im 19. Jah rh u n d ert ging die Beschneidung der Rechte und der Selbststandigkeit der Albanischen Apostolischen Kirche einher, die seit dem 4. Ja h rh u n d ert n. Chr. in Karabach und in anderen historischen Gebieten K aukasischAlbaniens wirkte. Im M ittelalter um fasste dieser Staat fa s t das gesamte Territorium des heutigen Aserbaidschan, darunter auch Karabach, sowie das Siidliche Dagestan und das Alasanital v o n Ostgeorgien. Im Jahre 1815 wurde der Rang des albanischen P atriarchKatholikos per Zarenerlass abgeschafft, und ab dieser Zeit w a r der Vertreter der Albanischen Kirche ein Metropolit. Am 1. M arz 1836 unterzeichnete Nikolai I. eine besondere ,,Bestimmung“, w onach das albanische Katholikat (Patriarchat Gandsasar) aufgelost wurde u n d an seiner Stelle zwei Eparchien (Arzach-Schuscha und Schemacha) unter der Jurisdiktion des arm enischen Katholikats gegriindet w urden.437 Der Verlust der kirchlichen Selbststandigkeit und die M assenum siedlung von Armeniern fiihrten zu einer intensiven Arm enisierung der christlichen Albaner, insbesondere der Udiner - ihrer direkten N achfahren. In der Folge galten sie als „Armenier". In dem 1916 erschienenen Buch von Ischachanjan heifit es: „Die Armenier, die in BergKarabach wohnen, sind zum Teil alteingesessene Nachfahren d er alten Albaner, und zum Teil Fliichtlinge aus der Tiirkei und dem Iran, fiir die das aserbaidschanische Land ein Ort der Zuflucht vor V erfolgung wurde“ .438 Wie die Mehrzahl der Konflikte im postsowjetischen R aum ist auch der Konflikt um Berg-Karabach in nicht geringem MaGe das 436Zimbaewa E. N. Gribojedow. SchSL. Seriia biografij (Biographienserie). M. 2003, S. 488, 531-532 u.a. Nikanorow (Ieromonach Aleksij). Istorija christianstwa w Kawkasskoj Albanii. Dissertazija na soiskanie utschenoj stepeni kandidata bogoslowija. (Die Geschichte des Christentums in Kaukasich-Albanien. Dissertation zur Erlangung des Grades des Doktors der Theologie) http://baku.eparhia.ru/history/albania.; Dschamal, Sachib. Karabach w administratiwno-polititscheskoj sisteme Rossijskoj imperii w X IX - natschale XX wekow (Karabach im administrativ-politischen System des Russischen Reiches im 19. - Anfang 20. Jahrhundert). In: Karabach. Nasledie. Meschdunarodnyj aserbaidschanskij schumal, Nr. 2-3 (14-15), 2005, S. 47. 438Ischachanjan B. Narodnosti Kawkasa (Die Volker des Kaukasus) Petrograd 1916. 276 Erbe der bolschewistischen und spater stalinistischen Nationalitatenpolitik - als am ReiBbrett die Grenzen der Republiken gezogen wurden, die keinerlei Bezug zur realen Geschichte hatten. Ganze Volker wurden umgesiedelt und jahrhundertealte Traditionen und das historische Andenken von Ethnien und Volkern konsequent zerstort. Das Sowjetreich war deshalb mit langandauemden Konflikten geradezu tibersat, die offen zu Tage traten und offiziell wurden, als der totalitare Staat aufhorte zu existieren. Im Falle des BergKarabach-Konfliktes kommt, wie an anderer Stelle in dieser Arbeit bereits dargelegt, zu diesem Umstand noch ein ausgepragter territorialer Expansionismus einer der Konfliktparteien hinzu. Text des Traktates Im Namen des Allmachtigen Gottes439 Wir, d. h. Ibrahim-Khan von Schuscha440 und Karabach und der Infanteriegeneral des Gemeinrussischen Heeres und der Infante rieinspektor der Kaukasusinspektion Fiirst Pawel Zizianow441 mit der m ir erteilten Vollmacht und Ermachtigung von S.K.M.442 der Gemeingnadige und der GroBe Alexander Pawlowitsch und mit Gottes Hilfe die Bedingungen in der Sache bezuglich der Aufnahme von Ibrahim-Khan von Schuscha und Karabach samt seiner Familie, Nachkommen und Besitztum in die Staatsangehorigkeit des Gemein­ russischen Kaiserreiches und von S.K.M. Der heute gliicklich herrschende GroBe Alexander Pawlowitsch und seiner GroBen Nach- 4'4Hier wird eine inoffizielle Ubersetzung des Traktates aus dem Russischen vorgelegt. 440D ie Festung Schuscha wurde 1752 gegriindet und war bis 1822 das admi­ nistrative Zentrum des Khanats Karabach, das sich Russland 1805 anschloss und bis 1917 im russischen Imperium verblieb. Seit 1840 ist Schuscha als historisch-architektonische Stadt, Kurort und Teppichherstellungszentrum bekannt. 44lZizianow Pawel Dmitrijewitsch (1754-1806), Infanteriegeneral seit 1804. Seit 1802 Oberkommandierender des russischen Heeres in Georgien, schloss die Khanate Gjanscha, Karabach, Scheki und Schirwan und das Sultanat Schuragelskij an Russland an. 1806 wurde er bei Verhandlungen mit dem Khan von Baku ermordet. 442 S ein e Kaiserliche Majestat. 277 kommen auf ewige Zeiten beschlossen und unterzeichnet: in folgenden Artikeln vereinbart, Artikel Eins Ich, Ibrahim-Khan von Schuscha und Karabach verzichte443 feierlich in meinem Namen und in dem m einer Erben und N achfolger auf ewige Zeiten au f jegliches Vasallentum oder jegliche A bhangigkeit, unter welchen Namen das auch sei, von Persien oder von anderen Machten und erklare hiermit angesichts der ganzen Welt, dass ich iiber mich und meinen Nachfolgem keine andere Herrschaft auBer der Obermacht S.K.M. von GroB Russland und seiner N achfolger und Erben anerkenne, und verspreche diesem Thron als sein treuer K necht die Treue und lege dariiber den Eid auf den Heiligen Koran ab. Artikel Zwei S.K.M. nimmt die offenherzigen Versprechungen von Seiner Exzellenz (Khan, J.R.) an und gibt Sein Kaiserliches Wort in seinem Namen und dem Namen seiner Erben und verspricht, dass er Seine Gnade und Fiirsorge fiir S.E. Ibrahim-Khan von Schuscha und Karabach und seine Erben als seine treuen Untertanen niem als verw eigem wird, als Beweis dafiir iibemimmt S.K.M. Ihre Kaiserliche Btirgschaft fur den Erhalt der Integritat des Besitztums von S.E. (Khan - J.R.) und seiner Erben. Artikel Drei Zur Belohnung444 der offenherzigen Anerkennung der Obermacht aller Russischen Kaiser und ihrer Nachfolger durch S.E. IbrahimKhan von Schuscha und Karabach wird beschlossen, dass bei der Ubemahme des Khanats der genannte Khan und nach ihm sein altester Sohn und danach au f diese W eise der Alteste in der Generation nach der Uberreichung der Investitur, die aus einem staatlich besiegelten Erlass des Kaisers besteht, durch den Oberverwalter Georgiens feierlich einen Eid iiber die Untertanentreue und Anerkennung der oberen und einzigen Macht aller Gemeinrussischen Kaiser iiber sich 443Statt ,,verzichte“ (russisch - ,,otkasywajus“) steht im russischen Text das veraltete Wort „otrizajus" bedeutet etwa „negiere sich“. 444 Statt „Belohnung" (russisch - „wosnagraschdenie") steht im russischen Text das veraltete Wort „mzda". 278 und seine Nachfolger leisten miissen. Die Form des Treueids wird dem Traktat beigefiigt, dam it es der prasente Ibrahim-Khan von Schuscha und Karabach in dieser Zeremonie in Anwesenheit des Oberverwalters Georgiens und des diesen Beschluss ausfuhrenden Infanteriegenerals Fiirst Zizianow leistet. Artikel Vier Ich, Ibrahim-Khan von Schuscha und Karabach verspreche als Beweis der aufrechten Untertanenschaft von mir und meinen Nachfolgem zum Gemeinrussischen Kaisertum und meiner reinen A nsicht zur Anerkennung der obersten und einzigen Herrschaft des Kaisertums, ohne vorherige Einwilligung des Hauptverwalters von Georgien keine Beziehungen mit den benachbarten Herrschem zu pflegen, beim Empfang von Abgesandten oder Briefen die wichtigsten von denen an den Hauptverwalter zu schicken, um seine Erlaubnis zu bitten, ihn von den weniger wichtigen in Kenntnis zu setzen und die vom Hauptverwalter von Georgien zu mir entsandte Person um Rat zu fragen. Artikel Fiinf S.K.M. nimmt die Anerkennung seiner obersten und einzigen Herrschaft durch Ibrahim-Khan von Schuscha und Karabach iiber sein Land mit Wohlwollen an und verspricht in seinem Namen und im N am en seiner Erben: 1) die Volker dieses Landes als eigene Untertanen ohne Unterschiede zu anderen Volkern des GroBen Russischen Kaiserreiches zu behandeln; 2) die Hoheit von S.E. Ibrahim-Khan und seinen Erben und Nachfahren iiber das Khanat Karabach unverandert bestehen zu lassen; 3) die Angelegenheiten im Zusammenhang mit der intem en Verwaltung, der Gerichtsbarkeit sowie den Einktinften vom Land der Hoheit von S.E. (Ibrahim-Khan, J.R.) zu iiberlassen. 4) zum S chutz von S.E. und seinem Nachfahren sowie seinem Land in der Festung von Schuscha 500 Soldaten der Russischen Armee mit Stab und Oberoffizieren samt Kanonen zu stationieren, fiir den Fall einer groBen Verteidigung diese Truppen durch den Hauptverwalter von G eorgien zu verstarken, um das Land von S.E. als ein dem Gemein­ russischen Kaiserreich gehorendes Territorium durch militarische M acht zu schtitzen. 279 Artikel Sechs Ich, Ibrahim-Khan von Schuscha und Karabach, verpflichte m ich als Zeichen meines Eifers zur aufrechten Untertanenschaft: 1) gleich zu Anfang und auch weiterhin das oben genannte Heer m it d e r notwendigen Menge von W eizen und Hirsengriitze zu einem erschw inglichen Preis, der vom Hauptverwalter bestimmt wird, da deren Lieferung aus Elisawetpol445 schwierig oder iiberhaupt nicht m oglich ist, zu versorgen; 2) zur Stationierung der Truppen in der F estung Schuscha die Hauser, die vom Truppenkommandant ausgew ahlt werden, zur Verfiigung zu stellen und sie mit der erforderlichen Menge Brennholz zu versorgen; 3) die Steige zur Festung Schuscha aus Richtung Elisawetpol in Ordnung zu bringen und d o rt den Verkehr von Kutschen zu ermoglichen; 4) falls die R egierung beschlieBt, einen W eg von der Festung Schuscha nach D schew ad zu errichten, daffir Arbeiter zu einer von der Regierung festgelegten Vergiitung zur Verfiigung zu stellen. Artikel Sieben S.K.M. schenkt S.E. Ibrahim-Khan von Schuscha und Karabach und seinen Erben als Zeichen seines hoheren Wohlwollens und seiner Gnade eine Fahne mit dem Wappen des Gemeinrussischen Kaiserreiches, die bei ihm und nach ihm beim regierenden Khan aufbew ahrt und im Krieg als Zeichen des Khanats und der von Seiner M ajestat verliehenen Macht mit in den K am pf genommen wird. Mamed-Chasan-Agu als Garant zum standigen Aufenthalt nach Tiflis zu schicken. Artikel Neun Aufgrund seiner besonderen Barmherzigkeit schenkt S.K.M. dem sich in Tiflis als Garant zur Treue aufhaltenden Enkel von S.E. taglich zehn Silberrubel. Artikel Zehn Dieser Traktat wird au f ewige Zeiten abgeschlossen und soil keinen Anderungen mehr unterworfen werden. Artikel Elf Die Bestatigung dieses Traktats von S.K.M. durch Seinen Hoheitlichen Erlass mit dem Staatssiegel soli binnen sechs Monaten nach der Unterzeichnung dieses Dokuments oder friiher, wenn moglich, geschehen. Als Beweis der Echtheit des oben genannten werden diese Artikel im Lager des Kreises Elisawetpol, am Fluss Kurak am 14. Mai (Safar) im Sommer 1805 nach Christi Geburt (im Jahre 1220 entsprechend der moslemischen Zeitrechnung) unterzeichnet und besiegelt. Artikel Acht Da ich, Ibrahim-Khan von Schuscha und Karabach, die hoheitliche Genehmigung S.K.M. au f die Nutzung meiner Einkiinfte habe. verpflichtete ich mich, der Staatskasse S.K.M. in Tiflis jahrlich 8.000 Tscherwonzen446 in zwei Raten, d. h. die erste Halfte zum 1. Februar. die andere zum 1. September zu zahlen, wobei die erste Rate, d. h. 4.000 Tscherwonzen, bei Bestatigung dieses Traktats durch S.K.M. geleistet wird, und auBer dem Treueid, entsprechend dem asiatischen Brauch, den zweiten Sohn Schukur-Ullach meines altesten Sohnes 445Die friihere Siedlung Elisawetpol ist heute die Stadt Gjanscha in Aser­ baidschan. 446 Goldmiinzen. 280 281 20. Schlussbetrachtung Von den Schrecken, „die der Seele eigen“, konnte nicht n u r eine Generation der Bevolkerung von Karabach erzahlen. Hier t r a f das Volk von Aserbaidschan au f eine ganz spezielle Aggression, die nicht oft in der W eltgeschichte anzutreffen ist. Diese Aggression dauerte Jahrhunderte und verlief nicht nur in Form der direkten bew affneten Besetzung fremder Gebiete mit zahlreichen Opfem u n ter der Zivilbevolkerung und der Deportation der am Leben gebliebenen, wie das zuletzt in der ersten Halfte des 90er Jahre 20. Jahrhunderts geschehen war: im V erlauf vieler Jahrzehnte davor w urde die Geschichte gefalscht, wurden religiose Bekenntnisse und A rchive vemichtet, wurde Land aufgekauft, wurden die alteingesessenen Einwohner vertrieben, wurden die Vorstellungen von der Identitat der Volker und Ethnien zielgerichtet und m it Gewalt geandert, w urden die Angreifer als Opfer der Aggression dargestellt, wurde die M einung der W eltoffentlichkeit irregeftihrt usw. Fiir eine kurze Beschreibung dieser Prozesse, von denen einige auch in dieser Arbeit erlautert sind (die albanische und die aser­ baidschanische Kultur auf dem Territorium Berg-Karabachs, des Khanats Eriwan und der sieben von Armenien besetzten Rayons auBerhalb von Berg-Karabach; die Geschichte der Liquidation der albanischen Kirche u.a.) ist auch eine kurze Beleuchtung der grundlegenden Etappen der Entstehung des armenischen Staates im 19.-20. Jahrhundert in einem Gebiet, das ihm nie gehort hatte, wenngleich aus dem einfachen Grund, dass es dort vor 1918 auch keinen Staat gab, erforderlich. In der Geschichtsliteratur wird Armenien als geographischer Begriff eingestuft, eine geographische Region, die in dem Gebiet gelegen war, das die Ufer von Tigris und Euphrat umfasst, und um den Van-See herum, was weit auBerhalb der Grenzen des Siidkauka­ sus war. Das Volk, das heute als die Arm enier bekannt ist und sich selbst Hai447 nennt, hatte viele Hunderte von Jahren keinerlei Beziehungen, auBer Handelsbeziehungen, zum Siidkaukasus. V or der Entstehung des ersten armenischen Staates hier in 1918 waren die Ansprtiche der Arm enier au f das sudkaukasische Land, aufler einigen 447Diese Selbstbezeichnung ist auch im Namen der Republik Armenien reflektiert: Hayastany Hanrapetutyun. 282 Siedlungen, genauso unserios vom Standpunkt der Geschichte und des Volkerrechts wie auch ihre Anspruche an das Ufer von Tigris und Euphrat, wenn diese plotzlich gestellt werden wiirden. Karabach, im siidostlichen Kaukasus gelegen, hat zu der historisch-geographischen Region Armenien und zu den in der Vergangenheit bestehenden Staatsgebilden der Armenier-Hai keinerlei Verbindung. Im siidostlichen Kaukasus begannen die Armenier-Hai kompakt und spater auch vereinzelt mit Hilfe der russischen Regierung erst ab dem 19. Jahrhundert zu siedeln, als Moskau sie organisiert im W esentlichen aus dem Iran und dem Osmanischen Reich iibersiedelte. In der intemationalen Politik tauchte die „armenische Frage“ im 19. Jahrhundert im Kontext der Balkankriege und der Aufstande und des Versuches der Schaffung einer armenischen Autonomie in den ostlichen Vilajets des Osmanischen Reiches mit Unterstiitzung Russlands und anderer europaischen Machte auf. Die armenischen Fiihrer wechselten oft ihre Verbundeten und ihre Taktik und Strategic im K am pf um die Nationalstaatlichkeit, die nicht selten auch den Terror einschloss und verhielten sich bisweilen loyal, bisweilen, gelinde gesagt, oppositionell zur Regierung des Osmanischen Reiches wahrend seines Krieges mit Russland. Nachdem sie bei der Schaffung einer Autonomie oder eines eigenen Staates auf dem Territorium des Osmanischen Reiches nicht erfolgreich waren, wendeten die armenischen Politiker ihre Aufmerksamkeit auf die aserbaidschani­ sche und einige andere Gebiete des Siidkaukasus. Und hier unterschied sich ihre Strategie und Taktik, genau wie auch das politische Verhalten des radikalen Teils der armenischen Fiihrer, wenig von denen im Osmanischen Reich und war nur in den Jahren des bolschewistischen totalitaren Regimes (1922-1986) qualitativ anders. Unerwartete und starke Unterstiitzung erhielt die Idee eines autonom en armenischen Staates mit der Abschaffung des Zarentums in Russland und insbesondere mit dem Ubergang zur Herrschaft der Bolschewiki. Das war sozusagen fiir das armenische Volk ein echtes ,,Schicksalsgeschenk“ . Die Regierung W. Lenins nahm am 11. Januar 1918 das Dekret uber das „tiirkische Arm enien" an, das dem arm enischen Volk die Unterstiitzung des neuen Russland zusagte und in dem das Recht der Arm enier auf das „von Russland besetzte tiirkische Armenien au f freie Selbstbestimmung bis zur vollen 283 Unabhangigkeit11 erklart wurde. Jedoch auch dieses „G eschenk d e s Schicksals“ wurde von den Bolschewiki selbst zerstort, als sie am 3. Marz 1918 den Vertrag von Brest-Litowsk unterzeichneten. D a rin verpflichtet sich Russland „alles in seiner Macht stehende zu tun, u m die moglichst schnelle Raum ung der Provinzen von Ostanatolien und deren ordnungsgemafie Riickgabe an die Tiirkei zu gewahrleisten“ . Der Transkaukasus erkannte die Herrschaft der Bolschewiki n ich t an, und der im April 1918 in Tiflis tagende Sejm rie f die U nabhangig­ keit des Transkaukasus aus - eine Foderation m it den A utonom ien Aserbaidschan, Arm enien und Georgien. Die Streitigkeiten zw ischen den M itgliedem der Foderation und der Tiirkei fuhrten dazu, dass der Sejm aufgelost wurde und die ehemaligen Autonom ien ihre Unabhangigkeit proklam ierten. Armenien proklamierte seine U n a b ­ hangigkeit am 28. Mai 1918. GemaB dem Vertrag von Batum i (4.6.1918) zwischen den neuen Staaten des Transkaukasus, einschlieB­ lich Armeniens und der Tiirkei, umfasste das Territorium des ersten autonomen armenischen Staates im Kaukasus rund 10.000 Quadratkilometer. Flauptstadt dieses Staates wurde Eriwan, das den Armeniem von Aserbaidschan am 29. Mai 1918 tibertragen worden war. Die Versuche des Daschnaken-Armenien, sich fur die Definition seiner neuen, erweiterten Grenzen (sie wurden am 22.11.1920 von US-Prasident W ilson ,,bestimmt“) auf den Vertrag von Sevres (10.8.1920) zwischen der Sultan-Tiirkei und den Biindnismachten zu stiitzen, hatte keinen Erfolg, trotz des von den Daschnaken entfesselten groBen M ilitarfeldzugs gegen die Tiirkei. Nach dem erfolglosen Tiirkei-Feldzug unterzeichnen die Daschnaken (am 2.12.1920) den Vertrag von Gjumrij mit der Tiirkei Kemals und gleichzeitig eine Vereinbamng mit Sowjetrussland. Nach der Vereinbam ng m it Russland wurde das Territorium von Armenien im Vergleich zu den vom Vertrag von Batumi festgestellten Grenzen wesentlich erweitert. Nach dem Abkommen mit Sowjetruss­ land bekam Armenien einige unbestrittene Gebiete der Demokrati­ schen Republik Aserbaidschan, dam nter die Ujesde Sangesur. Nachitschewan und Schamr-Daralayaz, einen Teil des Nowo-Bajasetskij Ujesds, einen Teil des Ujesds Kasach/Qasach (heute ist Qasach eine Stadt im Nordwesten Aserbaidschans) u.a. 284 24 Tage nach dem Abkommen zwischen der RSFSR und Arme­ nien, d.h. am 26.12.1920 wird vom Rewkom von Armenien, vermutlich zwecks der Durchfiihrung einer „Allgemeinen Anfrage“, die von Artikel 2 des Vertrags von Gjumrij vorgesehen ist, die Erklarung iiber Nachitschewan ,,herausgegeben“. A uf der Gmndlage dieser Deklaration stimmte Anfang 1921 die iiberwaltigende M ehrheit der Bewohner (mehr als 90%) fur den Verbleib des Kraj bei Aser­ baidschan. Dieser Wille des Volkes von Nachitschewan wurde vom Vertrag von Moskau (16.3.1921) zwischen der Tiirkei und der RSFSR und dem Vertrag von Kars zwischen den drei transkaukasischen Republiken und der Tiirkei (13.10.1921) bestatigt. Aufgrund der Herrschaft der Bolschewiki und der Griindung der UdSSR erhielten die Arm enier auf Kosten der Territorien von Aserbaidschan in Form der Staatsbildung der Armenischen SSR eine staatliche Existenz und in Form eines Autonomen Gebiets des NKAO eine Autonomie. Und aufgm nd der ,,Sowjetisierung“ Armeniens erweiterte sich sein Territorium von 10.000 Quadratkilometem auf 29.800 Quadratkilometer - im Wesentlichen a u f Kosten des aser­ baidschanischen Landes. A u f den erhaltenen 9.800 Quadratkilometem erfolgte eine Politik der langsamen aber stetigen Abwanderung der aserbaidschanischen Einwohner, einhergehend mit toponymen und kulturellen Saubemngen. An den freigewordenen Orten siedelten sich Armenier aus dem Ausland an. Vor Beginn des nicht erklarten Angriffskriegs gegen Aserbaidschan in 1991 wurden mindestens 200.000 Aserbaidschaner aus ihren historisch besiedelten Wohnorten in Armenien zur Flucht gezwungen. Dem offiziellen Erewan ist es trotz aller Bemiihungen in der ganzen Periode seit Beginn des Konfliktes nicht gelungen, die intern atio n al Gemeinschaft von der Begriindetheit seiner Anspriiche a u f einen Teil des Territoriums der Republik Aserbaidschan zu iiberzeugen. Uber die Unbegriindetheit dieser Anspriiche sprechen die in diesen Studien dargelegten Dokumente aus der Epoche des zaristischen Russlands, der UdSSR und der Gegenwart, insbesondere der intemationalen Organisationen (UNO, KSZE, OSZE, Europarates u.a.) iiberzeugend. Die Meinung der einzelnen Nichtregierungsorganisationen, die im Kern den Einstellungen der oben genannten intemationalen politischen Organisationen und fundamentalen Daten der Geschichts285 wissenschaft widerspricht, soil noch nicht einmal k o m m e n tie rt werden: so sehr sind sie ,,aufgesetzt“ und selbst, wie m ir sch ein t, ,,jam mem d“. Die Normen und Prinzipien des m odem en V olkerrechts, die danach angenommenen Resolutionen und Beschliisse der U N O und anderer international anerkannter politischer Organisationen sin d eine feste und juristisch unbestrittene Basis fur die Losung des arm enischaserbaidschanischen Konfliktes. Die entsprechenden R esolutionen und Beschliisse bestatigen die Souveranitat, die territoriale Integritat und die Unantastbarkeit der Grenzen der Republik A serbaidschan und erkennen Berg-Karabach als unverzichtbaren Teil von A serbaidschan an. Das ist auch nicht verwunderlich, denn die Einstellung dieser internationalen Organisationen zu diesem Konflikt basiert a u f einer festen Vorstellung iiber dessen politische und juristische N atu r, die von der neuen und neuesten Geschichte nicht zu trennen ist. Eine andere Basis fiir die Beschliisse der internationalen O rganisationen beruht a u f der Uberzeugung, dass die Losung der Problem e einer M inderheit nicht die Schaffung eines eigenen Staatsgebildes fu r jede ethnische Gruppe sein kann. Dann mussten in New York, M oskau oder Berlin Dutzende von „Staatsgebilden" geschaffen w erden, jew eils ein zusatzliches „Aserbaidschan", „Armenien", „Israel", „China", „Tiirkei" u.a. Aber solche Anspriiche stellt in diesen M etropolen keiner - aus dem einfachen Grund, dass ihre Umsetzung einem bestimmten interessierten Staat keinen bedeutenden Gebietszuwachs geben wiirde, was neben der Bevolkerung das wertvollste „Vermogen" eines Staates ist. Nicht die Zerstiickelung existierender Staaten in unzahlige kleine Pseudostaaten, die in den meisten Fallen zu wirtschaftlichen Schwierigkeiten und neuen Spannungen und Konflikten fiihrt, sondem der Schutz der Rechte der Menschen an alien Orten, autonom von ihrer ethnisch-nationalen Zugehorigkeit, die intemationale Kontrolle dieses Schutzes und seine Stimulierung ist der allgemeine W eg zur Losung von Konflikten der Art Berg-Karabach. Die fiihrenden Politiker der Republik Armenien haben kaum eine em sthafte Basis fur die Hoffnung auf eine zukiinftige Anerkennung des Angriffs gegen Aserbaidschan und der Besetzung eines groBen Teils des Territoriums eines souveranen Staates als legal. Wenn das so 286 ist, so muss entsprechend auch das armenische Volk informiert werden und darf nicht in einem heute klar zu erkennenden Zustand der Ungewissheit dariiber, au f wessen Seite das Volkerrecht ist, gehalten werden. Die derzeitige wirtschaftliche Starke der Republik Aserbaidschan, ihre wachsende intemationale Autoritat, ihre Bedeutung als wichtigster regionaler Player im Bereich der Energie- und Transportpolitik, die in den letzten Jahren gefiihrte stetige „Aufklarungsarbeit" des Staatsprasidenten der Republik Aserbaidschan Ilham Alijew auf der internationalen Arena mit Erlauterung der wahren Grtinde des Konfliktes zwischen Armenien und Aserbaidschan ist nicht unbemerkt geblieben. Die offentliche Meinung in vielen Landern und ganzen Regionen der Welt dreht sich langsam aber stetig zugunsten der Anerkennung der unbestrittenen Schuldlosigkeit von Aserbaidschan in diesem Konflikt. Kontinuitat und Stabilitat, Emeuerung und innovative Entwicklung - diese Schliisselprinzipien in den auBenpolitischen Aktivitaten des Staatsprasidenten Ilham Alijew tragen zu dieser Anerkennung bei. President I. Alijew wird wegen seiner Professionalitat und seines praktischen Herangehens an fur die Republik wichtigen Fragen in der Innen- und AuBenpolitik nicht nur im Lande und in der Region, sondern auch in der internationalen Arena respektiert. In den letzten Jahren haben die EU und die USA, besorgt iiber die Energiesicherheit der EU, einen emsthaften Blick auf die Republik Aserbaidschan. Sie ist nicht nur Olexporteur und wird in nachster Zeit auch Gas auf den W eltmarkt liefern, sondem spielt die Rolle einer Briicke und eines Transitlandes fiir Energiestrome zwischen dem Osten und dem W esten.44x A ber die Anerkennung der Schuldlosigkeit gibt der im Recht befindlichen Partei nicht viel, wenn sie nicht von der Wiederherstellung des Rechts und Gerechtigkeit begleitet ist. Und in dieser Beziehung wurde von der internationalen Gemeinschaft und ihren 44XD ie weltweite Nachfrage nach Energie wachst so rasch, dass schon bald in vielen Regionen des Planeten die Energie selbst fur die elementare Lebenserhaltung moglicherweise nicht ausreicht. Diese Nachfrage wird auch weiter w achsen genau so w ie auch die Preise fiir Energieressourcen. Mit der Erschopfung der Vorrate der Energieressourcen wird die Energie genauso ein e W affe in den zwischenstaatlichen Beziehungen w ie heute die Rakete. 287 allgemein anerkannten Organen w enig getan. Ratschlage an die Republik Aserbaidschan, sich m it den Arm eniern „giitlich zu einigen“ kommen von alien Seiten und rufen, das sage ich unverbliim t, Unverstandnis hervor. M it einem Angreifer, der einen Teil des Nachbarstaates rechtsw idrig besetzt halt, kann man sich friedlich nur iiber eines ,,einigen“ - iiber die unverziigliche und bedingungslose Raumung des okkupierten Gebietes dieses Staates. Und erst danach kann man unter Beteiligung intem ationaler Vermittler und Experten Verhandlungen iiber andere Dinge (zugeffigter Schaden, Kriegsverbrechen, zerstorte K ulturdenkm aler u.a.) fuhren. Eine ,,giitliche“ Einigung gelingt bis jetzt nicht, hauptsachlich aufgrund der nicht konstruktiven Einstellung der Republik Armenien. die zusam m engefasst in den folgenden funf Behauptungen wiedergegeben w erden kann: 1. „Berg-K arabach hat nie zur autono­ men Republik A serbaidschan gehort.“ Bei dieser Behauptung wird ein besonderer Akzent au f die A blehnung der Aufnahme Aserbaidschans in den Volkerbund im Jahr 1920 gelegt, unter anderem auch im Hinblick auf seine angeblichen Ansprtiche au f von den Armeniern besiedelte Territorien, einschlieBlich Berg-Karabach. 2. Die „Ubertragung“ von Berg-K arabach an Aserbaidschan durch die sowjeti­ schen Parteiorgane w ar illegal. 3. In der Sowjetperiode und insbesondere im Zusam m enhang m it dem Niedergang der UdSSR wurde die arm enische B evolkerung von Berg-Karabach von den Staatsorganen von Aserbaidschan diskriminiert. 4. Die Armenier Berg-Karabachs haben ihr Recht a u f Selbstbestimmung auf legalen Grundlagen verw irklicht durch die Abtrennung und Bildung eines unabhangigen Staates. 5. A serbaidschan hat keine Grundlagen fur den Anspruch auf die Grenzen der Sow jetzeit angesichts seines Verzichts auf die sich aus der Sow jetperiode ergebende Staatsnachfolge. Alle diese funf B ehauptungen halten jedoch emsthafter Kritik nicht stand. Beziiglich der ersten These sei daran erinnert, dass am 12. Januar 1920 der Oberste Rat der A lliierten a u f der Pariser Friedenskonferenz die Unabhangigkeit von A serbaidschan de facto anerkannt hat. Die Vertreter Aserbaidschans wiesen in ihrem Schreiben an den Vorsitzenden der V olkerbundversam m lung am 7. Dezember 1920 darauf hin, dass vor dem U m sturz der Bolschewiki am 28. April 1920 die rechtmaBige R egierung A serbaidschans ihre Macht iiber das 288 gesamte Territorium von Aserbaidschan ohne Ausnahme ausiibte, innerhalb der in der dem Generalsekretar des Volkerbundes iibersandten Karte angegebenen Grenzen. Es wurde angemerkt, dass die Bolschewiki voriibergehend nur Baku und die umliegenden Gebiete hielten, wahrend der restliche Teil des Gebietes von Aserbaidschan sich in der Hand der Regierung befand. Im gleichen B rief wurde darauf hingewiesen, dass Karabach und Sangesur, auf die Armenien Anspruch erhebt, integraler Teil Aserbaidschans sind, von der Regierung Aserbaidschans regiert werden und durch Entscheidung der ehemaligen Vertreter der Alliierten im Kaukasus unter aserbaidscha­ nische Verwaltung gestellt wurden. Die armenische Seite, die von einem „Gebiet, das noch nie ein Staat w ar“ spricht, verschweigt die Tatsache, dass Armenien auch vom Volkerbund nicht als Staat anerkannt wurde und dass auf dem Territorium von Aserbaidschan im Verlauf der Jahrhunderte viele aserbaidschanische Staatsgebilde existierten, wahrend es hier keine armenischen gab.449 Bezuglich der zweiten These sei angemerkt, dass die wiederholte Behandlung eines sowjetischen Parteiorgans (Kaukasusbiiro des ZK der KPdSU(B)), das damals die kommunistisch-bolschewistische Staatsmacht verkorperte, au f der am spaten Abend des 4.-5. Juli 1921 einberufenen Sitzung den Beschluss fasste, Berg-Karabach in den Grenzen der Aserbaidschanischen SSR zu belassen. War der Be­ schluss dieses Organs legal? Vom Standpunkt Armeniens aus war er das. Wir erinnern daran, dass in dem von der armenischen Delegation auf der 61. Sitzung der UN-Menschenrechtskommission verteilten Dokument behauptet wird, dass der einzig legale Beschluss uber den Status von Berg-Karabach der Beschluss war, der am Vorabend von demselben Kaukasischen Biiro gefasst worden war.450 444Vgl.: League o f Nations. Assembly Document 20/48/206, pp. 2-3; League of Nations. Annex 30 B. Future Status o f Armenia. Memorandum agreed to by the Council o f the Leagues o f Nations, meeting in Paris on II April 1920. League o f Nations Document 20/41/9, p. 27. 4MIVgl.: Dokument UNO E/CN.4/2005/5 Add.36, S. 4. Kaukasisches Biiro; am 4,- 5. Juli 1921 wurde in Anwesenheit von J. Stalin tatsachlich die KarabachFrage gepriift und mit einer Stimme Mehrheit der Anschluss von BergKarabach an die Armenische SSR beschlossen. Im Sitzungsprotokoll wurde jedoch die folgende wichtige Anmerkung gemacht, die faktisch das Inkrafttreten des gefassten Beschlusses verhinderte: „Angesichts dessen, dass die Karabach-Frage eine emsthafte Meinungsverschiedenheit hervorgerufen hat, erachtet es das Kawburo der ZK der RKP fiir unumganglich, ihn zur 289 Gegen die dritte These sprechen ausdriicklich alle statistischen Daten der Sowjetperiode (s. Anhang) ebenso wie auch die Zeugnisse iiber die arm enische und aserbaidschanische Nationalitat in der sowjetischen Zeit vor 1987. Gegen die vierte These sprechen alle Beschliisse der legitim en und international anerkannten hochsten Gew alt der UdSSR. So w urde am 23. M arz 1988 vom Prasidium des Obersten Sowjets der U dSSR in seiner Resolution „Uber MaBnahmen, die mit den Eingaben der Unionsrepubliken beziiglich der Ereignisse in Berg-Karabach, in der Aserbaidschanischen und der Arm enischen SSR verbunden sind“ „... die Schaffung eigenm achtiger Gebilde gleich welcher Art, die iiber die Begrenzung der in der Verfassung der UdSSR festgesetzten nationalstaatlichen und national-adm inistrativen Grenzen hinausgehen, als unzulassig...“ anerkannt.451 Im Beschluss vom 18. Juli 1988 „Uber die Beschliisse der Obersten Sowjets der Armenischen SSR und der Aserbaidschanischen SSR zur Frage iiber Berg-Karabach hat das Prasidium des Obersten Sowjets der UdSSR entschieden „die Anderung der Grenzen und die au f Verfassungsgrundlage erfolgten national-territorialen Teilung der Aserbaidschanischen und der Arm enischen SSR ist unm oglich.“452 In einem anderen Beschluss des Presidiums des Obersten Sowjets der UdSSR vom 10. Januar 1990 heiBt es, „die Verkiindung der W iedervereinigung der Armenischen SSR m it Berg-K arabach ohne Zustim m ung der Aserbaidschanischen SSR ist eine direkte Verletzung von Artikel 78 der Verfassung der UdSSR“ 453 Andere juristische Griinde ,,kontra“ die vierte These endgultigen Entscheidung an das ZK der RKP zu ttberweisen“. V g l.: Is protokola w etschem ego sasedanija Plenuma Kawbjuro ZK PKB(b) o t 4 ijulja 1921 g. К istorii obrasowanija Nagomo-Karabachskoj awtonomnoj oblasti Aserbajdschanskoj SSR. 1918-1925 (Aus dem Protokoll der A b e n d s itz u n g des Plenums des Kaukasischen Buros des ZK der KPdSU(B) vom 4. Juli 1921. Zur Geschichte der Bildung des Gebietes (Oblast) Berg-Karabach der Aserbaidschanischen SSR. 1918-1925.) Dokumenty i materialy (D o k u m e n ie und Materialien), S. 90-91. 51Vgl.: Wedomosti W erchownogo Sowjeta SSSR (Mitteilungen des O b erste n Sowjet der U dSSR), 1988, N 13, S. 27-28. a.a.O., N 29, S. 20-21; 453a.a.O., 1990, N 3 , S. 38. 290 finden sich in den Werken von Mullerson R„ Cassese A., Mammadow I., Musajew T.454 Gegen die flinfte These steht das Prinzip ,,uti possidetis juris“ . Nach diesem Grundsatz gelten im Zeitpunkt der Erwerbung der Unabhangigkeit der Republik Aserbaidschan die friiheren administrativen Grenzen der Aserbaidschanischen SSR, innerhalb dessen auch der NKAO lag, als internationale Grenzen und sind durch Volkerrecht geschiitzt.455 Offensichtlich ist auch, dass Armenien, das Teilnehmer am Abkommen „Uber die Schaffung der Gemeinschaft Unabhangiger Staaten“ war und die Erklarung von Alma-Ata unterzeichnet hatte, damit die territoriale Integritat und Unantastbarkeit der Grenzen der Republik Aserbaidschan anerkannte, darunter auch des Gebietes, auf dem friiher das NKAO der Aserbaidschanischen SSR existierte. Erinnert sei auch an Artikel 11 der Wiener Konvention (22.8.1978) iiber die Rechtsnachfolge von Staaten beziiglich Vertragen, nach dem „...die Rechtsnachfolge von Staaten als solche nicht beriihrt: a) die Grenzen, die vertraglich festgestellt wurden.,.“456 Mit dieser nicht sehr optimistischen Note, die die grundlegenden Abweichungen der Konfliktparteien von einander im Verstandnis des W esens des Konflikts und der Moglichkeit seiner friedlichen Losung unterstreicht, beende ich meine kurze Schlussbetrachtung. 4MVgl.: Mullerson Rein. International Law, Rights and Politics: Developments in Eastern Europe and the CIS. London & New York, Routledge 1994, p. 75; Cassese Antonio. Self-Determination o f Peoples: Legal Reappraisal. Cam­ bridge University Press 1955, S. 264-266; Mammadow Ilgar, Musaew Tofik. Armjano-aserbajdschanskij konflikt. Istorija. Prawo. Posrednitschestwo. (Der armenisch-aserbaidschanische Konflikt. Geschichte. Recht. Vermittlug). Tula, G rif i К 2006, S. 53-65. 4 'W ie A. Eide bemerkte, ,,...im Rahmen der Organisation der Vereinten Nationen wurde ein breiter Konsens erreicht in Bezug darauf, dass die Grenzen der Unionsrepubliken sowohl in der ehemaligen UdSSR als auch im friiheren Jugoslawien nicht auf der Basis ethnischer Verteilung festgesetzt werden diirfen, sondern auf der Basis des Grundsatzes “uti possidetis juris'1, w as bedeutet, dass als neu die Grenzen zu betrachten sind, die friiher als Grenzen der Unionsrepubliken der Foderation bestanden haben". Vgl.: Eide Asbjorn. „Territorial integrity o f States, minority protections and guarantees for autonomy arrangements: approaches and roles o f the United Nations11. U niDem seminar „Local self-government, territorial integrity and protection o f minorities11, Lausanne, 25-27 April 1996. Council o f Europe Publishing 1996, p. 282. 456V gl.: Vienna Convention on Succention o f States in Respect o f Treaties,22 A u g u st 1978. In: Evans(ed.),pp. 185-199,atp. 188. 291 Anhang 1722-1730 1. Chronologie der wichtigsten Ereignisse (1711-2008) „D ie Zukunft wird nie so, wie wir sie uns vorstellen. D as Gestern ist noch so, die Zukunft aber nie. Die Sache ist die, dass die Vergangenheit wirkt, d.h. sie ist wirklich. “ Nersesjans W. S. 1711 1712 1717 1719 1721 1722 1722 22.07.1722 292 Beginn der Aufstandsbewegungen in Dagestan und Nord-Aserbaidschan. Truppen von Hodscha Dawud iiberfallen das Khanat Kuba. Surchaj-Khan Kasi-Kumychskij und Hodscha Dawud erobem Schemacha. Ali-Sultan Elisujskij und D scharo-belakaner besetzen Scheki, Kasach, Kabala und Schamchor. Aserbaidschanische Nomadenstamme der Muganer Steppe vertreiben den Statthalter des persischen Schahs und wahlen ihren eigenen Khan. Surchaj-Khan und Hodscha Dawud erleiden eine N iederlage gegen die Schah-Truppen und deren Verbiindete. Hodscha Dawud und Surchaj-Khan erklaren im Biindnis m it den Khanen von Dagestan dem persischen Schah den Krieg und besetzen Schabiran und Schemacha. Schirwan wird von den Rebellen von Hodscha Daw ud und Surchaj-Khan eingenommen. Russische Truppen beginnen einen Feldzug in die ostlichen Teile Dagestans und Nord-Aserbaidschans. Russische Truppen m arschieren in Derbent ein. D er A fghanenfuhrer Mahmud erobert die persische Hauptstadt Isfahan und besteigt den Schahthron. Peter I. w eist Land zu an die Textilfabrik der Kaufleute von Satrapesny, deren Fabrik Baumwolle aus Nord-Aserbaidschan oder im Transithandel durch Nord-Aserbaidschan erhielt. 1723 1724 1724 12.06.1724 12.06.1724 21.01.1732 10.03.1735 1743 1747 1747-1762 Aufstande der Armenier und der anderen christlichen Bevolkerung des Sudkaukasus unter der Leitung von David-Bek457 gegen Persien und das Osmanische Reich. Der Aufstand wird niedergeschlagen. Russische Truppen marschieren in die Westkiiste des Kaspischen Meeres ein. Abkommen von Sankt Petersburg geschlossen. Unter Vermittlung Frankreichs wird zwischen Russland und dem Osmanischen Reich der Friede von Konstantinopel geschlossen, nach dem der Transkaukasus zwischen Russland und dem Osmanischen Reich aufgeteilt wird. Armenier, die Persien verlassen haben, werden an der siidkaukasischen Grenze Russlands angesiedelt. Die Mehrzahl wird im Priteretschnyj Rayon angesiedelt, wo sie den Gartenbau und das Gewerbe entwickeln und Wachdienste erbringen sollen. Aus diesen armenischen Umsiedlem werden armenische Truppen gebildet. Sie nehmen an den Russisch-Kadscharischen Kriegen des ersten Viertels des 19. Jahr­ hunderts teil. Vertragliche Aufteilung der ,,Einflusssphare“ zwi­ schen Russland und Persien. Abschluss des Vertrages von Istanbul zwischen dem Osm anischen Reich und Russland iiber die Abgrenzung der Herrschaftsbereiche im Kaukasus. Abschluss des Reschter Vertrages zwischen Russland und Persien. Abschluss des Vertrages von Gjandscha zwischen Russland und Persien. Russische Truppen ziehen aus dem siidostlichen Kaukasus ab. Antiiranische Aufstande in Schirwan und Scheki. Tod des persischen Schahs Nadir. Panah Ali-Bek Dschewanschir wird erster Khan des aserbaidschanischen Khanats Karabach. Das Khanat 4'7D avid-B ek (7-1728), Anfuhrer des Aufstandes gegen die Safawiden (17221728) und gegen die Osmanen (1726-1728). Beide Aufstande hatten anfanglich Erfolg. 293 wurde von ihm auf dem Territorium des eh em aligen aserbaidschanischen Beyliks G jandscha-K arabach errichtet. Im Khanat leben die albanisch- u n d turksprachigen Stamme, Udinen, D schaw anschur, Otusiki, Kjabirli u.a., und eine gewisse A nzahl Armenier. 1748 Panah Ali-В ек Dschawanschir, K han von K arabach, erbaut die Festungsresidenz Bajat. 1749 Hadschi Tschelebi em ennt sich zum Khan von Scheki. 1751 Panah A li-Век Dschawanschir, Khan von Karabach, erbaut die Festungsresidenz Panahabad. 1752 D er persische Oberbefehlshaber Muhammed Hasan Khan Kadschar fallt in das Khanat Karabach ein. 1755 Tod des Hadschi Tschelebi, des Begrunders des Khanats Scheki. 1758-1789 Regierungszeit von Fatali-Khan des Khanats Kuba. 1759 Persische Truppen unter Fatali-Khan Afschar fallen in das K hanat Karabach ein. 1762 Tod des Panah Ali-Век Dschewanschir, des Khans von Karabach. 1762-1806 Herrschaft von Ibrahim Khalil-Khan in Karabach und Schuscha. 1765 Die Khanate Kuba und Derbent werden vereinigt. 1767 Fatali-K han von Kuba erobert das Khanat Schirwan. 1768-1774 Russisch-Osm anischer Krieg. 1774 Die Schlacht auf dem Gawduschinsker Feld endet mit der Niederlage von Fatali-Khan von Kuba. 1774 Botschaft des Khanats Kuba in Sankt Petersburg. 1775 Fatali-K han stellt mit russischer Hilfe die voile Kontrolle uber die Territorien des Khanats Kuba w ieder her. 1783 Ibrahim Khalil-Khan von Karabach ersucht (seit 1763) um die Protektion Russlands. F e b ru a r 1786 A ga M uhamm ed-Khan von Persien zieht iiberstiirzt aus dem Gebiet der aserbaidschanischen Khanate ab. 294 1786 1787-1791 1787 1790 1794-1795 1795 1796-1925 1796 1797 1801 1803 1804 1804-1813 08.01.1804 Russische Truppen unter dem Kommando von General Subow nehmen Schirwan, Derbent und Baku ein. Russisch-Tiirkischer Krieg. Gesandtschaft Fatali-Khans von Kuba unter Leitung von M irsa Sadyg Muhammed Weliew zu Katharina II. General Gudowitsch nimmt Anapa ein. Erfolglose Versuche Persiens zur Eroberung des Khanats Karabach. Erster Einfall der Truppen von Aga MuhammedKhan Kadschar in die nordlichen Khanate von Aserbaidschan und nach Georgien. Heroische Verteidigung von Schuscha. Im Iran herrscht die Dynastie der Kadscharen-Schahs. Beginn der bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Russland und Persien, die bis 1828 mit Unterbrechungen anhalt. General G raf Subow besetzt Derbent, Kuba und Baku. General Subow und seine Truppen werden von Zar Pawel I. nach Russland zuriickbeordert. Der Schah von Persien Aga Muhammed-Khan nimmt mittels einer List Schuscha, die Hauptstadt des Khanats Karabach, ein. Davor gait die Festung Schuscha als uneinnehmbar. Anschluss der Sultanate Kasach und Schamschadil an Russland. General Zizianow erobert die Dscharo-Belakan,,Dschaamaty“. General Zizianow erobert Gjandscha (Ganca). RegelmaBige Spirale der russisch-persischen militarischen Auseinandersetzungen. Russland schlieBt sich die aserbaidschanischen Khanate Gjandscha (Ganca), Karabach, Schirwan, Kuba, Derbent, Scheki und Baku an. Furst Zizianow sendet Ibrahim Khalil-Khan ein schriftliches Ultimatum mit der Aufforderung, um russische Protektion zu ersuchen. 295 15.05.1805 1805 1806 1806 10.09.1806 1806-1812 1806-1822 1807 1808 1810 1812 1813 13.09.1813 296 Unterzeichmmg des ,,Traktats“ („Staatsvertrages") iiber den Anschluss des Khanats K arabach an Russland. Die Khanate Schirwan und Scheki schlieBen sich Russland an. 80% der Bevolkerung des Khanats K arabach sind M oslems (im W esentlichen Aserbaidschaner), 20% Christen (im W esentlichen Kaukasus-Albaner und Armenier). Die iranische Armee dringt in Karabach ein. Unter den aserbaidschanischen Khanen ist nur Ibrahim Khalil-Khan von Karabach ein Verbtindeter Russlands. Ibrahim Khalil-Khan von Karabach und seine ganze Familie, auBer seinem Sohn Khan Mechtigulu-Aga, werden von den Russen hingerichtet. Die Angliederung des Khanats Karabach an Russland wird vom Erlass des Zaren Alexander I. betatigt. Der Krieg zwischen Russland und dem Osmanischen Reich endet mit der Niederlage der Osmanen. Das Khanat Karabach wird von Mechtigulu-Khan. dem Sohn Ibrahim Khalil-Khans regiert. Erfolglose Belagerung Erewans durch das Korps von General Gudowitsch. Tod des albanischen Katholikos Israel. General Kotljarewskij P.S. erleidet eine Niederlage durch die Kadscharen am Fluss Araxes. Im Khanat Karabach wohnen 12.000 Familien: 9500 moslemische (ganz iiberwiegend Aserbaidschaner) und 2500 christliche (Kaukasus-Albaner und Armenier). Sieg der Russen in der Schlacht bei Aslandiiz. Das aserbaidschanische Khanat Schirwan wird gemafi dem Giilistan-Vertrag an Russland angeschlossen. Russische Truppen erstiirmen Lenkoran. Der karabachische Herrscher Mechtigulu-Khan begibt sich endgiiltig nach dem „Abkommen iiber ewigen Frieden und Freundschaft“ (Friede von Giilistan) zwischen Russland und Persien unter russische Herrschaft und erhalt den Rang eines 1813 01.01.1819 1820 1822-1916 1822 1823 1826-1829 16.07.1826 1826-1828 13.09.1826 russischen Generalmajors. 1822 nach Persien geflohen aufgrund der Unzufriedenheit der Bewohner des Khanats mit seiner Regierung und aus Angst, wegen seiner Staatsausgaben zur Verantwortung gezogen zu werden. 1827 geht er, nachdem er fur seine friiheren Siinden gebiifit hatte, wieder auf die russische Seite iiber. Anschluss des Khanats Kuba an Russland. Auflosung des Khanats Scheki und der Sultanate Kasach und Schamschadil, Bildung der Provinz Scheki. Auflosung des Khanats Schirwan und Bildung der Provinz Schirwan. Die Verwaltungseinheiten und die Mehrzahl der Ortschaften im Territorium des ehemaligen Khanats Karabach werden in Abstimmung mit Russland von Vertretem der aserbaidschanischen Elite gefuhrt. Umbildung des Khanats Karabach in eine Provinz Russlands unter Militarregierung. Im ehemaligen Khanat Karabach gibt es eine Stadt Schuscha - und 600 Dorfer. In Schuscha lebten 1048 aserbaidschanische und 474 armenische Familien. Von 600 Dorfern waren 450 von Aserbaidschanern und 150 von Armeniern besiedelt. Insgesamt lebten in den Dorfern 12902 moslemische Familien (ganz iiberwiegend Aserbaidschaner) und 4331 christliche Familien (Kaukasus-Albaner und Armenier). Im Territorium des ehemaligen Khanats Karabach leben nach offiziellen russischen Angaben 45.207 Armenier. Die Kysylbasch-Armee dringt nach Russland ein und beginnt den Russisch-Kadscharischen Krieg 18261828. Die Kavallerie von Karabach kam pft auf russischer Seite gegen die Kysylbasch. Schlacht von Elisawetpol (Gjandscha), die mit der Niederlage der persischen Truppen endet. Die Schlacht fand in der Niederung statt, sieben Werst 297 von Elisawetpol, wo der Uberlieferung nach d e r beruhm te Dichter Nisami begraben liegt458, der d e n Beinam en Gjandschawi hatte, da er aus dem G e s c h lecht von Gjandscha war. W ahrend der Schlacht b e i Elisaw etpol wird Ugurlu-Khan Gjandschinskij, d e r sich im Dienst des Schahs befand, g e fa n g e n genommen. Nach der Gefangenschaft dient er in d e r russischen Armee. 1828 1830 1832 1832 1 8 2 6 -1 8 2 8 ; 1 8 5 3 -1 8 5 6 ; 1834 1 8 7 6 -1 8 7 8 ; 1 8 9 4 -1 8 9 6 ; 1 9 1 4 -1 9 1 8 ; 1 9 4 7 -1 9 5 0 2 7 .0 6 .1 8 2 7 1828 1 8 2 8 -1 8 3 0 1 0 .0 2 .1 8 2 8 1828 Jahre der groBten Umsiedlerstrome von A rm eniem in den Sudkaukasus. Russische Truppen besetzen kampflos N achitschewan, Kerim -Khan flieht. Russland schlieBt die aserbaidschanischen K hanate Lenkoran, Talisch, Nachitschewan und Eriwan an. Die Grenze zwischen Persien und Russland entlang des Flusses Araxes (Aras) macht die Aserbaidschaner zu einem geteilten Volk. In den Sudkaukasus werden rund 130.000 Arm enier aus Persien und der Ttirkei umgesiedelt. Friede von Turkmantschai, Vertrag zwischen Russ­ land und dem Osmanischen Reich. Irewan (Eriwan), Hauptstadt des Khanats Irewan (Eriwan), zahlt 15.000 Einwohner. Zum Vergleich: 1818 hat Tabris, die Hauptstadt der persischen Provinz Aserbaidschan und Residenz des Thronfolgers Abbas-M irsa, 90.000 Einwohner. 1837 10 . 04.1840 1846 1846 1849 1867 Nisami Gjandschewi Abu Muhammed lljas ibn Jusuf (ca. 1141-ca. 1209). groBer aserbaidschanischer Dichter und Denker. Weltbekannt sind seine Werke ,,Chamse“ (Fiinfer), „Schatzkammer der Geheimnisse“, „Chosrov und Schirin", „Leyli und Medschun“, „Sieben Schonheiten“ und „Iskander-name". in dem eine einzigartige soziale Utopie beschrieben und das Bild des idealen Herrschers gezeichnet wurde. 298 Das Khanat Nachitschewan wird nach dem Vertrag von Turkmantschai an Russland angeschlossen. Auflosung der Khanate Nachitschewan und Eriwan. Eroffnung der ersten Ujesd-Lehranstalt in Aserbaid­ schan in Schuscha. Ausgabe der ersten Zeitung in aserbaidschanischer Sprache „Tatarische Nachrichten“ in Tiflis. Im Territorium des ehemaligen Khanats Karabach erreicht die Zahl der armenischen Umsiedler 82.357 Personen. Anstelle der aserbaidschanischen Khanate Nachi­ tschewan, Eriwan und des Kreises Ordubad wird auf Erlass des Russischen Zaren der „Armenische Oblast“ (Armenisches Gebiet) geschaffen. Im russischen Reich wird auf Initiative der Arme­ nischen Kirche das Albanische Patriarchat aufgelost. Das ganze Vermogen und das Archiv dieses Patriar­ chate ubernahm die Armenische Kirche. Plan der „Institutionen fur die Regierung uber den Transkaukasischen Kreis“ . Bildung des Kaspijskaja Oblast, und der Ujesde Baku, Karabach, Kuba, Dscharo-Belokan, Elisawetpol, Nachitschewan, Talysch und Schirwan. Das Territorium des ehema­ ligen Khanats Karabach kommt zum Kaspijskaja Oblast. Das ehem alige Khanat Karabach wird Teil des Gouvernements Schemacha. Im russischen Sudkaukasus leben rund 200.000 Armenier. Das „Armenische Gebiet“ wird aufgelost und an seiner Stelle das Gouvemement Eriwan geschaffen. In den m eisten Kirchengemeinden der Eparchie Karabach kann die Mehrzahl ihrer Mitglieder weder arm enisch lesen noch schreiben. Viele altere Mit­ glieder dieser Gemeinden konnen auch nicht arme­ nisch sprechen, werden jedoch in den offiziellen Dokum enten und der Statistik als Armenier gefuhrt. 299 1877-1878 Im Osmanischen Reich entsteht eine arm enische Nationalbew egung und in der intem ationalen Politik die „arm enische Frage“ . Russisch-Osm anischer Krieg. 1877-1878 21.05.1877 D as Osmanische Reich verliert Rumanien, das ein unabhangiger Staat wird. 31.07.1877 D as Osm anische Heer zieht vom Schipkinskij Gebirgspass ab und gibt die Verbindungswege in den Balkan frei. 18.11.1877 Russische Truppen nehmen die osmanische Festung Kars ein. 1877 Belagerung und Eroberung der Stadt Plewen durch russische Truppen. 08/09.01.1878 Sieg der Russen liber die Osmanen bei SchipkaSchejnowo. 20.01.1878 Besetzung von Andrianopol durch russische Truppen. 03.03.1878 Unterzeichnung des Friedensvertrages zwischen Russland und dem Osmanischen Reich in San Stefano. 13.6-13.7.1878 Berliner Kongress, einberufen zur Priifung des Friedens von San Stefano 1878 zwischen Russland und dem Osmanischen Reich. 1890 Griindung der Partei Daschnakzutjun (Foderation A rm enischer Revolutionare) in Tiflis. Ihr grundlegendes Betatigungsfeld war zunachst das Osmanische Reich, danach der Siidkaukasus. 1897 Die Zahl der Armenier im Siidkaukasus erreichte laut einem Schriftwechsel 1.218.081 Personen. Davon konnten 44.985 Personen weder armenisch schreiben noch lesen noch sprechen und zahlten sich nicht zur A rm enischen Kirche. Anderen Angaben (N.N. Schawrow, N.I. Isarow) zufolge leben in dieser Zeit im Kaukasus jew eils 1.000.000 bzw. 900.000 Arm enier. 1905-1907 N ationale und soziale Unruhen in Karabach. Besonders stark sind die antiaserbaidschanischen Pogrom e in Schuscha, wo 500 Aserbaidschaner und 40 A rm enier getotet werden. In ganz Karabach 300 1909-1910 1911 1 9 1 4 -1 9 1 6 1915 2 4 .0 4 .1 9 1 5 01 . 05.1915 17 . 05.1915 1916 1 9 1 7 -1 9 2 2 1917 1917 kommen in diesen Jahren 3000 bis 10.000 Menschen um. Der Heilige Synod des Russischen Imperiums erlaubte dem armenischen Synod in Etschmidadzin das Archivmaterial einer Reihe albanischer Eparchien zu zerstoren. Griindung der aserbaidschanischen Partei „Mussawat“ (,,Gleichheit“). In den russischen Siidkaukasus iibersiedeln mindestens 350.000 Armenier. A uf der Halbinsel Galliopol fallen im Kam pf zwischen der Entente und der Turkei mindestens 65.000 Tiirken. Die Alliierten (GroBbritannien, Frankreich, Osterreich und Neuseeland) beklagen mindestens 45.000 Gefallene. Talat-Pascha, Innenminister des Osmanischen Reiches, erlasst den Befehl zum Kam pf gegen die armenischen Partisanen in Sejtun, Bitlis, Siwas und Van. Die Regierung des Osmanischen Reiches gibt den Erlass iiber die Umsiedlung von Armeniern aus den Rayons der Partisanenbewegungen in andere Landesteile heraus. Wahrend der Massendeportation verhungern tausende Armenier oder sterben durch Kalte und Krankheiten sowie durch die Uberfalle der kurdischen und tscherkessischen bewaffneten Banden. Aufstandische Armenier nehmen die Stadt Van ein und rufen die „Armenische Republik Van" aus. Die Zahl der Armenier im Gouvernement Eriwan erreicht 669.871 Personen. Nationale und soziale Aufstande in Karabach, angestifitet von den Daschnaken. Durch Beschluss der Ubergangsregierung wird das „Besondere Transkaukasische Kom itee“ (OSAKOM) geschaffen. Unter Leitung von Schaumjan und Lalojanz werden die aserbaidschanischen Dorfer von Karabach und 301 1917 28.10.1917 jiidischen Siedlungen im Kreis Kuba iiberfallen. Das deutsche D o rf H elenendorf ist auch vom arm enischen Uberfall betroffen. D er Arm enische Nationalkongress fordert, der nordostliche Teil des Osmanischen Reiches solle dem arm enischen Volk iiberlassen werden und es solle hier W estarm enien geschaffen werden. W.I Lenin bestatigt per Dekret das Recht W estarmeniens au f staatliche Souveranitat. 24.11.191702.1918 In Tiflis w irkt das Transkaukasische Kommissariat. 23.02.-05.1918 In Tiflis wird unter aktiver Beteiligung des Botschafters der USA, Smith, der „Transkaukasische Sejm “ geschaffen. M arz 1918 Im Rayon (Ujesd) Baku und in der Stadt Baku toten A nhanger von Schaumjan Tausende von Mitgliedem (fast alle Aserbaidschaner) der Partei ,,Mussawat“. 09.04.1918 D er Transkaukasische Sejm erklart sich zum gesetzgebenden Organ des Transkaukasus und proklamiert die Grundung der unabhangigen Transkaukasischen Foderativen Republik. 11.04-04.06.1918 Tiirkische Truppen fallen in den Kaukasus ein und besetzen Erzurum, Ardagan, Kars, Batumi, Osugeti und Gurien. In der Transkaukasischen Foderativen Republik wird der Kriegszustand ausgerufen. A pril 1918 In Baku, Lenkoran, Chatschmas, Adschibulag. Salyan, Schemacha und in Kuba kommen infolge der ,,revolutionaren“ Aktionen der Anhanger der Partei ,,Daschnakzutjun“ rund 50.000 Menschen um. die m ehrheitlich Aserbaidschaner sind. 25.05.1918 Aserbaidschan, Georgien und Armenien erklaren sich zu unabhangigen Staaten. Aber die Republik Armenien, die a u f Initiative der Partei „Daschnakzutjun" geschaffen wurde, hat weder ein Territorium noch eine Hauptstadt. Die Gmndung der Demokratischen Republik Aserbaidschan wird von Mammed Emin Rasulsade geleitet. 302 22.05.1918 Gegenangriff der armenischen Truppen bei Sardarabad. 29.05.1918 Die Republik Aserbaidschan ubergibt, ausgehend vom Prinzip der guten Nachbarschaft, einen Teil (zwei Rayons) des Gouvemements Eriwan und die Stadt Eriwan an die neu geschaffene Republik Armenien. Der damalige Fiihrer Aserbaidschans, Fatali Khan Khojskij, wird, nachdem er ein so groBzugiges Geschenk an die Armenier gemacht hatte, zwei Jahre spater in Tiflis von dem armenischen Terroristen Aram Erkajan erschossen. Sommer 1918 Die Verbande des armenischen Generals Andranik, die eine Niederlage durch das Osmanische Reich erlitten hatten, beginnen die aserbaidschanischen Einwohner mit Waffengewalt aus dem ehemaligen Gouvem ement Eriwan zu vertreiben. Gegen Herbst 1918 sind in Sangesur 115 aserbaidschanische Dorfer fast ganzlich vemichtet, 7729 Aserbaidschaner umgekommen und rund 50.000 Aserbaidschaner zu Fluchtlingen geworden. November 1918 General Thompson, der britische Oberbefehlshaber im Sudkaukasus, befiehlt den Einheiten von General Andranik den unverziiglichen Abzug aus Karabach und weist darauf hin, dass Karabach zum aserbaidschanischen Territorium gehort. 19.11.1918 In der Republik Aserbaidschan wird das Parlamentsgesetz verabschiedet. Von den 120 Sitzen werden 21 von Arm eniem eingenommen. 1918-1920 Die armenische Republik beansprucht das Territorium von Sangesur, Karabach, Nachitschewan, Bortschala und einigen anderen. 13.01.1919 In der Aserbaidschanischen Demokratischen Repub­ lik wird das Generalgouvernement Karabach geschaf­ fen, das sich von Dschewanschir und Schuscha bis nach Sangesur erstreckt und vom aserbaidschanischen Generalgouvem eur Chosrow Sultanow regiert wird. 22.01.1919 Die Entente erkennt Karabach als Teil der Aser­ baidschanischen Demokratischen Republik an. Der 303 Oberbefehlshaber der Entente im Siidkaukasus John M ilton erklart, dass die Regierung der A serbaidscha­ nischen Dem okratischen Republik die einzig legale Regierung in Karabach ist Die Entente erkennt em eut Karabach als T e il der 03.04.1919 Republik Aserbaidschan an und die Adm inistration Sultanow als deren einzig legale R egierung in Karabach. Die Regierung von Aserbaidschan und die arme­ 26.08.1919 nische Bevolkerung von Karabach kommen zu der Vereinbarung, dass die karabachischen Bergregionen Disag, W aranda, Chatschin und Dschilaberd aserbaidschanisches Territorium sind. Marz 1920 A rm enische Verbande der Anhanger der Partei ,,Daschnakzutjun“ veriiben einen bewaffneten Einfall in Nachitschewan, Ordubad, Schuscha, Chankendi, Terter, Askeran, Sangesur, Dschebrail und Gjandscha. 28.04.1920 D ie Rote Armee nimmt die Aserbaidschanische Dem okratische Republik ein. 19.06.1920 D er AuBenminister Russlands G. Tschitscherin schlagt eine den Kriegserfordemissen angepasste Fuhrung von Karabach, Nachitschewan, Sangesur und Dschulfa aus M oskau vor. 10.08.1920 D er Friede von Sevres (Frankreich), einer der Vertrage des Versailler-Washingtoner Systems, die den Ersten W eltkrieg abschlieBen. Unterzeichnet in der Stadt Sevres von den Landem der Entente und den ihnen angeschlossenen Staaten einerseits und der Tiirkei andererseits. E r setzte die Teilung des Territorium s des Osmanischen Reiches fest, darunter auch des eigentlichen tiirkischen. August 1920 M ilitarischer Konflikt von Daschnaken-Armenien mil der Tiirkei Kemal Atattirks. November 1920 Die Daschnaken-Regierung Erewans unterzeichnet den fur Arm enien schweren Vertrag mit der Tiirkei. 13.10.1921 D er Vertrag von Kars zwischen den Sozialistischen Sowjetrepubliken Aserbaidschan, Armenien und 304 29.11.1920 1922-1936 09.07.1923 09.02.1924 23.12.194710.05.1948 1950 24.04.1965 1966 1969 1978 Georgien und der Tiirkei setzt die Grenzen zur Tiirkei und den Status von Nachitschewan459fest. Der Vertrag erstreckte sich auf die Transkaukasischen Republiken, die die Bestimmungen des M oskauer Vertrages (1921) unterzeichnet hatten. Okkupation Armeniens durch die Rote Armee. Armenien wird Teil der Transkaukasischen Sozialisti­ schen Foderativen Sowjetrepublik. Griindung des Autonomen Gebiets Berg-Karabach (NKAO) innerhalb der Aserbaidschanischen SSR. Griindung der ASSR Nachitschewan innerhalb der Aserbaidschanischen SSR. Mit der Zustimmung Moskaus werden aus den BergRayons Armeniens 100.000 Aserbaidschaner in die Muganer Steppe von Aserbaidschan umgesiedelt. Weitere 50.000 Aserbaidschaner von Armenien nach Aserbaidschan umgesiedelt. Zehntausende Armenier demonstrieren in Erewan mit der Forderung, das ,,Heimatland“ mit den „arme­ nischen Gebieten“ zu vereinen. Zu letzterem wurde auch Berg-Karabach gezahlt. 45.000 Arm enier unterzeichnen eine Petition an Moskau mit der Bitte, Berg-Karabach an Armenien zu iibertragen. Spater gehen an die letzten Parteikongresse der KPdSU die gleichen Petitionen. Unter­ zeichnet von Tausenden von Armeniern. Armenien erweitert sein Territorium mit Unterstiitzung M oskaus zu Lasten eines Teils des Kasachund des Sadarak-Rayons von Aserbaidschan. Die A rm enier begehen den 150. Jahrestag der Umsiedlung von Armeniern aus Persien in BergKarabach durch Errichtung eines Denkmals 4>4V on 1917-1919 war ein Teil des Territoriums von Nachitschewan von tiirkischen und englischen Truppen besetzt und 1920 von Truppen der Roten A rm ee. Im Juli 1920 wurde die Sowjetrepublik Nachitschewan gegriindet. Im Februar 1923 wurde der autonome Kreis Nachitschewan innerhalb der Aserbaidschanischen SSR geschaffen; im Februar 1924 wurde er in die A utonom e Sozialistische Sowjetrepublik Nachitschewan umgebildet. 305 1987 D er Armenische Nationalkongress verabschiedet in Paris den Beschluss tiber die Notwendigkeit der Nutzung der in der UdSSR beginnenden dem okratischen Umgestaltung fur die Umsetzung der „legalen Forderungen des armenischen Volkes“ liber die ,,W iedervereinigung“ von Berg-Karabach m it Armenien. O k to b e r 1987 Grundung der Vereinigung der nationalen Selbstbestim m ung von Armenien. 17.10.1987 Dem onstration von vielen Tausenden in Erewan. Provozierende Reden der armenischen Intellektuellen S. Kaputikjan, M. M arkarjan, S. Balajan u.a. 18.10.1987 D em onstration in Erewan iiber den territorialen K onflikt im D orf Tschardachlu von Berg-Karabach. Bei der Auflosung werden Portrats von Gorbatschow zerfetzt. 21.10.1987 Im Plenum des ZK der KPdSU wird der Antrag von H.A. Alijew iiber seine Befreiung von den Pflichten eines M itglieds des Politburos des ZK der KPdSU im Zusam m enhang mit seiner Pensionierung aus gesundheitlichen Griinden verabschiedet. 22.10.1987 Veroffentlichung der Beschreibung eines vom M inisterrat der UdSSR gefassten Beschlusses iiber em sthafte Mangel in der Tatigkeit des aserbaidscha­ nischen Institute der Volkswirtschaft namens Buniatsade. 18.11.1987 Der Berater M. Gorbatschows, A. Aganbegjan, aul3ert sich zur Zweckmafiigkeit der Eingliederung des auto­ nom en Gebietes Berg-Karabach in die Armenische SSR und seiner Herauslosung aus der Aserbaidscha­ nischen SSR. Diese Erklarang spielt bei der Zuspitzung des Konfliktes eine groBe Rolle. NovemberDezember 1987Dem onstrationen in Erewan mit Forderungen der 1987 306 A ngliederung des Autonomen Gebiets Berg-Kara­ bach an die Armenische SSR. In der Zeitschrift „Druschba narodow" (Freundschaft der Volker) werden Gedichte der bekannten 1987 Ende 1987 J a n u a r 1988 13.02.1988 15.02.1988 16.02.1988 18.02.1988 20.02.1988 armenischen Dichterin Silwa Kaputikjan veroffentlicht. Darin appelliert sie wieder, wie einst General Andranik, m it der Waffe in der Hand die aser­ baidschanischen Siedlungen von Karabach zu ,,durchkammen“. In russischer Sprache erscheint das Buch von Sori Balajan ,,Otschag“ (Heim). Darin erklart der Autor Berg-Karabach zum „angestammten Heim“ des ganzen armenischen Volkes. Die These ist fur die iiberwaltigende Mehrheit der Experten vollig zweifelhaft, aber viele Armenier nehmen sie als nicht anzuzweifelnde Wahrheit an. In Erewan, Kafan, Masis, Gudarak, Dilischan, Sisian und Kirowakan beginnt die Vertreibung weiterer noch verbliebener Aserbaidschaner. Im V erlauf dieser Kampagne sterben 220 Aserbaidschaner und werden 1154 schwer verletzt. Die Zahl der aserbaidschanischen Fliichtlinge aus Armenien erreicht 243.000 Personen. Die Mehrzahl der Deportierten ist vortibergehend in Baku und Sumgait angesiedelt. In Armenien werden bei iiber 2000 Siedlungen die aserbaidschanischen Namen durch armenische ersetzt. Eine Gruppe (einige hundert Menschen) Armenier aus Karabach halten auf dem Lenin-Platz in Stepanakert eine nicht genehmigte Versammlung ab mit der Forderung der Wiedervereinigung von BergKarabach mit Armenien. Kongress des Verbandes der Schriftsteller von Armenien. Rede von Silwa Kaputikjan zugunsten der Forderungen der Armenier von Karabach. Dauermeeting fur die Wiedervereinigung mit Arme­ nien in Stepanakert. “Okologische“ Versammlung in Erewan. Die Sitzung des Rates der Volksdeputierten des Gebiets Berg-Karabach fasst den Beschluss, die Obersten Sowjets von Aserbaidschan, Armenien und der UdSSR zu ersuchen, die Frage der Ubertragung 307 des NKAO aus der Aserbaidschanischen SSR in die Armenische SSR zu entscheiden. 21.02.1988 Versammlung zur Unterstiitzung des NKAO in Erewan. 22.02.1988 100.000 Demonstranten in Erewan unterstutzen die Forderung der Armenier von Karabach. 23.02.1988 300.000 Demonstranten in Erewan unterstutzen die Forderungen der Armenier von Karabach. 23.02.1988 Die Wahl von G. Pogosjan zum Ersten Sekretar des Obersten Komitees der KPdSU des NKAO. 25.02.1988 300.000 Demonstranten in Erewan unterstutzen die Forderungen der Armenier von Karabach. 25.02.1988 Telefongesprach M. Gorbatschows mit G. Pogosjan. 28/29.02.1988 Unruhen in Sumgait. 32 Menschen kommen um. 17.03.1988 Beschluss des Plenums des Obersten Komitees von Berg-Karabach der Kommunistischen Partei Aserbaidschans mit der Bitte an das Politburo des ZK der KPdSU, die Frage iiber die Abtretung von BergKarabach an die Armenische SSR zu losen. 20.03.1988 Massendemonstration mit rund 200.000 Teilnehmem in Erewan in Unterstiitzung von Berg-Karabach. 21.03.1988 Schreiben von A. Sacharow an M. Gorbatschow mit dem Aufruf, das Problem des NKAO und der Krimtataren auf demokratischem Weg zu losen. 24.03.1988 Das ZK der KPdSU und der Ministerrat der UdSSR nehmen den Beschluss „Uber MaBnahmen zur Beschleunigung der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung des Autonomen Gebiets Berg-Karabach der Aserbaidschanischen SSR fur die Jahre 19881995“. 04.06.1988 Beginn eines Hungerstreiks von 11 Personen in Erewan zur Unterstiitzung der Forderungen des Gebietssowjets des NKAO. 14.06.1988 Der Oberste Sowjet von Armenien nimmt den Beschluss iiber die Angliederung des Gebietes Nagorno-Karabach an die Armenische SSR. 17.06.1988 18.06.1988 04.07.1988 05.07.1988 12.07.1988 18.07.1988 09.11.1988 17.11.1988 21.11.1988 23.11.1988 308 Der Oberste Sowjet von Aserbaidschan bestatigt den Verbleib von Berg-Karabach innerhalb seiner Repub­ lik. Verabschiedung des Beschlusses des Obersten Sowjets der UdSSR iiber die Beschliisse der Obersten Sowjets der Armenischen SSR und der Aser­ baidschanischen SSR zur Frage von Berg-Karabach. Das Presidium des Obersten Sowjets der UdSSR halt die Anderung der Grenzen, die auf der verfassungsmaBigen Grundlage der national-territorialen Teilung der Aserbaidschanischen SSR und der Armenischen SSR festgesetzt wurden, fur unmoglich. Generalstreik in Armenien (bis 15. Juli 1988). A ngriff der Truppen unter dem Kommando von A. Makaschow auf die Streikenden im Flughafen ,,Swartnoz“ bei Erewan. Ein Mensch wird getotet. Beschluss des Gebietssowjets von NKAO iiber den Austritt aus Aserbaidschan und die Angliederung an Armenien. Sitzung des Presidiums des Obersten Sowjets der UdSSR zum Karabach-Problem. Der Sowjet bestatigt, dass das autonome Gebiet Berg-Karabach integraler Bestandteil der Aserbaidschanischen SSR ist. Beschluss zum Bau von Hausern fur armenische Fliichtlinge in Chatschin (Anlass zu neuer Zuspitzung des armenisch-aserbaidschanischen Konfliktes). Eine Welle von Demonstrationen (bis 5. Dezeniber) in Aserbaidschan mit Forderungen, entweder das NKAO aufzulosen oder den Aserbaidschanern in Armenien eine Autonomie zu geben. Der Anfuhrer der Bewegungen, N. Panahow, fordert die Demons­ tranten auf, zu schworen, „dass den Armeniern kein Haar gekriimmt wird“. Beschluss des Vertreters des ZK der KPdSU in N K AO A. Wolskij iiber die Einstellung des Baus in Chatschin. Unterzeichnung des Erlasses des Prasidiums des Obersten Sowjets der UdSSR iiber SofortmaBnahmen 309 zur W iederherstellung der gesellschaftlichen O rdnung in der Aserbaidschanischen und der Arm enischen SSR. 24.11.1988 Sitzung des Obersten Sowjets von Armenien gegen den W iderstand der Leitung der KP. Verhangung des Ausnahmezustandes in Erewan. 27/29.11.1988 Antiaserbaidschanische Pogrome in den Stadten der Arm enischen SSR. Bei den Pogromen kom m en 33 Aserbaidschaner ums Leben. 05.12.1988 Zerschlagung einer Demonstration in Baku, 547 Personen festgenommen. Verhaftung von N. Panahow. Nachts raumen Truppen den Lenin-Platz in Baku von den Demonstranten, die ihn seit dem 18. Novem ber besetzt hatten. Zwei Menschen umgekommen. 07.12.1988 Ein Erdbeben zerstort Leninakan und die Region um Spitak. 10.12.1988 Verhaftung der Ftihrer der Karabachischen Bewegung. Reise von A. Sacharow und E. Bonner nach Arm enien und Aserbaidschan in dem Versuch, die verfeindeten Seiten zu versohnen. Dezember 1988Gegen Ende des Jahres werden aus der Armenischen SSR mehr als 200.000 Aserbaidschaner vertrieben. Januar 1989 M oskau griindet einen Sonderausschuss fur die Leitung von Karabach. 20.01.1989 Rucktritt von G. Pogosjan vom Posten des Ersten Sekretars des Obersten Komitees Berg-Karabach der KPdSU. 28.02.1989 Die „M oskowskaja tribuna“ veranstaltet gemeinsam mit „M em orial" einen Gedenkabend fur die Opfer von Sumgait. 05.04.1989 Gerichtsverhandlung gegen den Aktivisten der Karabach-Bewegung A. Ogonjan (zu 2,5 Jahren auf Bew ahrung verurteilt). 23.07.1989 Griindung der Nationalen Front von Aserbaidschan (NFA). 29.07.1989 Unaufhorliche Uberfalle auf Ziige in der A rm enischen SSR ftihren zur Einstellung des Eisen310 16.09.1989 01.12.1989 02.01.1990 06.01.1990 12.01.1990 13.01.1990 14.01.1990 15.01.1990 17.01.1990 20.01.1990 21.01.1990 bahnverkehrs zwischen Armenien und Aserbaid­ schan. Armenien beginnt mit der Blockade der Auto­ nomen Republik Nachitschewan. Terroranschlag in einem aserbaidschanischen Bus von Tbilissi nach Baku. Fiinf Tote, 25 Verletzte. Der Oberste Sowjet der Armenischen SSR verabschiedet den Beschluss „Uber die Wiedervereinigung der Armenischen SSR und des autonomen Gebiets Berg-Karabach“ . Mit diesem Akt verletzt Armenien die Verfassung der UdSSR und macht offiziell Gebietsanspriiche an die Nachbarrepublik geltend. Beginn einer neuen Welle von ZusammenstoBen in Berg-Karabach. Konferenz der Nationalen Front Aserbaidschans Unruhe in Baku. Entwaffnung der Miliz von Baku durch Truppen des Ministeriums fur Innere Angelegenheiten der UdSSR. Wahrend der folgenden Unruhen in Baku war die Miliz ohne Waffen. Beginn von Massendemonstrationen in Aserbaid­ schan und Armenien. Die Aktivierung von Kampfhandlungen in Berg-Karabach und Beginn des Krieges an der Grenze von Armenien und Aser­ baidschan. Erlass des Presidiums des Obersten Sowjets der UdSSR iiber die Verhangung des Ausnahmezustandes in Berg-Karabach. Informationsmeeting der armenischen Offentlichkeit in Moskau. „Schwarzer Januar in Baku“. Die Sowjetarmee marschiert in Baku ein; bei ZusammenstoBen kamen nach offiziellen Angaben 131 Menschen um und werden uber 700 verletzt. In Baku wird der Ausnahmezustand erklart. Demonstrationen und Meetings der Offentlichkeit gegen den Einmarsch des Militars in Baku. Uber eine Millionen M enschen gehen auf die StraBe. In der 311 25.01.1990 28.01.1990 01.02.1990 03.02.1990 18.02.1990 11.07.1990 15.07.1990 04.08.1990 10.08.1990 23.08.1990 10.09.1990 312 Republik beginnt ein Generalstreik, der 40 Tage dauert. Bew affneter Uberfall au f die Standige Vertretung Aserbaidschans in Moskau. Uberfall einer Unterabteilung der Sowjetarmee auf das Stabsquartier der Armenischen Nationalen Reserve in Erewan, ein Mensch stirbt. Konsultation zwischen der Armenischen Befreiungsbewegung und der Volksfront von Aserbaidschan unter Vermittlung der Baltischen Versammlung in Riga. Abberufung der armenischen Delegation aus Riga. Bei Kilom eter 105 der Chaussee Ewlach-Latschin explodiert ein aserbaidschanischer Autobus, der von Schuscha nach Baku fahrt. Fast alle Fahrgaste kom men um s Leben. Terroranschlag in einem aserbaidschanischen Auto­ bus, der von Terter nach Kelbadschar fahrt. 14 Menschen sterben, 35 werden verletzt. Sieg der Armenischen Befreiungsbewegung (AOD) bei der W iederholungswahl zum Obersten Sowjet (Parlament) in Armenien. Lewon Ter-Petrosjan wird zum Vorsitzenden des Obersten Sowjets der Armenischen SSR gewahlt. Terroranschlag in einem aserbaidschanischen Autobus, der von Tbilissi nach Agdam fahrt. 20 Menschen sterben, 30 werden verletzt. Die Organisatoren des Terroraktes A. Owanesjan und M. Tatewosjan werden gefunden und verurteilt. Terroranschlag in einem aserbaidschanischen Autobus a u f der Chaussee Schamkir-Ganca im Dorf N adel des Chanlar-Rayons; 17 Tote und 26 Verletzte. Der Oberste Sowjet der Armenischen SSR nimmt die U nabhangigkeitserklarung an. Die Situation in Berg-Karabach spitzt sich zu. Arm enische Kampfer besetzen die Gebaude des Rajkom s der Partei in Askeran, Hadrut, Martuni. 20.09.1990 21.09.1990 22.09.1990 24.09.1990 30.11.1990 30.11.1990 14.12.1990 09.01.1991 17.04.1991 Auflosung der armenischen Militarorganisation ,,Musch“ im Zusammenhang mit dem Regierungsantritt der Armenischen Befreiungsbewegung (AOD) in Armenien. Beim Referendum in Armenien stimmt die Bevolkerung fur die Unabhangigkeit der Armenischen Republik. Lewon Ter-Petrosjan zum Prasidenten der Republik gewahlt. Beginn des Hungerstreiks der Deputierten der UdSSR S. Balajan, W. Ambarzumjan u.a. mit der Forderung der W iederherstellung der Verfassungsorgane und der Einhaltung der M enschenrechte im Autonomen Gebiet Berg-Karabach. Parlamentswahlen in Aserbaidschan und Sieg der KP infolge von Wahlfalschung. Terroranschlag in einem aserbaidschanischen Auto­ bus in der Nahe des Flughafens Chankendi (Stepana­ kert); zwei Tote, 11 Verletzte. Umbenennung der Aserbaidschanischen SSR in Republik Aserbaidschan auf Beschluss des Parlaments. Im Autonomen Gebiet Nagorno-Karabach verscharft sich die Lage emeut. Zwei Menschen sterben, ein Ortsansassiger und ein M ilitarangehoriger der Truppen des Innenministeriums werden verletzt. Beschuss eines mit einer Journalistin der aserbaidschanischen Zeitung „Molodjosch Aserbajdschana“ (Jugend Aserbaidschans) und drei Militarangehorigen besetzten Personenwagens. Alle kommen ums Leben. Die Terroristen A. Mkrtschan, G. Petrosjan, A. Mangasarjan und G. Arustumjan werden strafrechtlich zur Verantwortung gezogen und zwei Jahre spater entlassen. Beschluss des Obersten Sowjets von Armenien „Ober die Nationalisierung des Vermogens der Kommunistischen Partei Armeniens und der ehemaligen Komsomolorganisation Armeniens, LKSM“. 313 23.04.1991 30.04.1991 30.05.1991 19.06.1991 04.07.1991 31.07.1991 02.08.1991 21.08.1991 30.08.1991 02.09.1991 314 D er Prasident der UdSSR ,,revidiert“ per Erlass den Beschluss des Obersten Sowjets von Armenien iiber die Nationalisierung des Partei- und KomsomolVerm ogens in der Republik Armenien. Beginn der Operation ,,Kolzo“ (Ring) durch die Einheiten der Sowjetarmee und die aserbaidschanische M ilizeinheiten OMON. 37 Menschen werden getotet. Terroranschlag in einem aserbaidschanischen Zug ,,M oskau-Baku“ unweit der Station Chasawjurt (Dagestan); 11 Tote, 22 Verletzte. Terroranschlag in einem aserbaidschanischen Kleinbus bei Kilometer 106 der Autobahn EwlachLatschin; 3 Tote, 3 Schwerverletzte. V eroffentlichung eines Erlasses des Prasidenten der UdSSR iiber die Aufhebung des Ausnahmezustandes im Gebiet der zum NKAO gehorenden Rayons Goranboj (ehemals Schaumjan) und Dschebrail der Aserbaidschanischen SSR, der mit Erlass des Presidium s des Obersten Sowjets der UdSSR am 15. Januar 1990 eingefuhrt worden war. Explosion im Zug ,,Moskau-Baku“ unweit der Station Tem irtau in Dagestan; 16 Tote, 20 Verletzte. Terroranschlag in einem aserbaidschanischen Bus im D o rf Dolanlar des Rayons Hadrut; 4 Tote, 8 Verletzte. Terroranschlag in einem aserbaidschanischen Bus unweit des Dorfes Schadacht des Rayons Hadrut; 2 Tote, 10 Schwerverletzte. A serbaidschan erklart seine staatliche Unabhangigkeit. Nach dem kommunistischen Putsch in Moskau. der auch von Ajas Mutalibow unterstiitzt wurde. entzieht Russland Aserbaidschan offiziell die m ilitarische Unterstiitzung im Kampf um Karabach. In Stepanakert wird auf der gemeinsamen Sitzung des Gebietssowjets von Berg-Karabach und des Sowjets der Volksdeputierten des Rayons Schaumjan die Republik Nagom o-Karabach ausgerufen. Annahme 08.09.1991 26.09.1991 19.10.1991 N ovem ber 18.11.1991 20.11.1991 10.12.1991 26.12.1991 1992 des Beschlusses iiber die Schaffung der „Selbstverteidigungskrafte NKR“ (15.000 Mann). Beschuss des aserbaidschanischen Autobusses ,,Agdam-Chodschawent“ ; 5 Tote, 34 Verletzte. Beschuss eines Autobusses, der von Agdama nach Garadagli fahrt; 8 Tote, 42 Verletzte. Terroranschlag in einem aserbaidschanischen Kleinbus, der auf der Strecke Ewlach-Latschin fahrt, 2 Tote, 14 Verletzte. Terroranschlag in einem aserbaidschanischen Kleinbus in der Nahe der Ortschaft Sirchawend, Rayon Agdere; 3 Tote, 2 Schwerverletzte. 1991 Der Oberste Sowjet von Aserbaidschan lost das Autonome Gebiet Berg-Karabach auf. Die Republik Aserbaidschan tritt der GUS bei. Abschuss des Hubschraubers ,,MI-8“ bei der Ortschaft Karakend, Rayon Chodschawent; 19 Tote: aserbaidschanische Staatsbeamte und Beobachter aus Russland und Kasachstan. In einem Referendum bestatigen die armenischen Einwohner von Berg-Karabach „die staatliche Unabhangigkeit von Berg-Karabach“ . Die aserbaidschani­ schen Einwohner waren schon vorher vertrieben. Terroranschlag in zwei aserbaidschanischen PKW bei 4. Kilometer der Autobahn Schuscha-Latschin; 5 Tote, 4 Verletzte. Den armenischen Lobbyisten, die sich zunutze machen, dass Aserbaidschan keine Botschaft in den USA hat, gelingt die Annahme des 907. Abschnitts zum „Gesetz uber die Unterstiitzung der Freiheit" im Kongress dieser GroBmacht. Diese Klausel spielt auf Grund der auBerordentlich groBen Rolle der USA in der W eltpolitik eine sehr negative Rolle bei der Bewertung des Konfliktes seitens der Weltgemeinschaft, da Aserbaidschan, das Opfer der Aggression ist, als Angreifer dargestellt wird, der die Blockade Armeniens umgesetzt hat. 315 08.01.1992 Terroranschlag auf die Fahre ,,Krasnowodsk-Baku“ im Kaspischen Meer; 25 Tote, 88 Verletzte. 28.01.1992 Abschuss eines aserbaidschanischen zivilen Hubschraubers, der auf der Linie ,,Agdam-Schuscha“ fliegt, 44 Tote, meist Frauen und Kinder. 26.02.1992 Arm enische Armeeeinheiten nehmen die Stadt Chodschaly ein und richten unter der aserbaidschani­ schen Bevolkerung ein Blutbad an: mindestens 700 Tote unter der Zivilbevolkerung, darunter uber 200 Frauen und Kinder. 06.03.1992 Riicktritt von Mutalibow vom Amt des Prasidenten von Aserbaidschan. Eskalation der Kriegshandlungen in Berg-Karabach. Fruhjahr 1992 Die Tiirkei schlieBt die armenisch-turkische G renze. 08.03.1992 D er letzte GUS-Soldat verlasst das Gebiet von BergKarabach. Die Moskauer Gruppe „Nesawisimaja graschdanskaja iniziatiwa“ (Unabhangige Burgerinitiative) unter der Leitung von Professor J. Afanasjew tritt fur die territoriale Integritat von Aserbaidschan ein. 22.03.1992 Terroranschlag in einem aserbaidschanischen Kleinbus im Rayon Kasach; 3 Tote, 2 Verletzte. 28.03.1992 Explosion eines aserbaidschanischen ,,Kamas“-LKW; 3 Tote, 2 Verletzte. 18.04.1992 Beschuss eines aserbaidschanischen Kleinbusses auf der Chaussee Kasach-Dschafarli; 2 Tote. 08.05.1992 Die aserbaidschanische Stadt Schuscha wird von Einheiten der Streitkrafte Armeniens besetzt. Mit dem Fall von Schuscha geht eine ethnische Sauberung in Berg-Karabach einher. 18/19.05.1992 Arm enische Streitkrafte besetzen den aserbaidschani­ schen Latschinskij Rayon auBerhalb des Territoriums Berg-Karabach, der eine Korridorfunktion zwischen Berg-K arabach und Armenien hat. Infolge der Okkupation wurden auch rund 63341 Aser­ baidschaner aus ihren Wohnorten vertrieben. Im Zusam m enhang mit der Okkupation des Rayons Latschin wurde ein Treffen der Teilnehmerstaaten der 316 20.05.1992 12.10.1992 28.02.1993 03.04.1993 30.04.1993 02.06.1993 13.06.1993 15.06.1993 22.06.1993 Konferenz iiber Berg-Karabach unter der Agide der KSZE abgebrochen. Beschuss eines aserbaidschanischen Kleinbusses bei der Siedlung Garantschi, Rayon Sangilan; 2 Tote, 2 Verletzte. Die Prasidenten von Russland und Aserbaidschan unterzeichnen in Moskau das Zwischenstaatliche Abkommen iiber Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitige Sicherheit. Terroranschlag im aserbaidschanischen Zug „Kislowodsk-Baku“ beim Bahnhof Gudermes (Tschetschenien); 11 Tote, 18 Verletzte. Okkupation des Rayons Kelbadschar, der sich auBerhalb von Berg-Karabach befindet, durch die Streitkrafte von Armenien. 60.698 Aserbaidschaner werden aus ihrem W ohnort vertrieben. Der UN-Sicherheitsrat verabschiedet Resolution 822 beziiglich der Okkupation von Kelbadschar. Es wurde die Besorgnis iiber die Verschlechterung der Beziehungen zwischen der Republik Armenien und der Republik Aserbaidschan und iiber die Eskalation der feindseligen Handlungen in Berg-Karabach, insbesondere durch den Einfall ortlicher armenischer Truppen im Kelbadscharskij Rayon der Republik Aserbaidschan zum Ausdruck gebracht. Trotz der iiberzeugendsten Beweise, die von Aserbaidschan vorgelegt wurden, weigerte sich der Sicherheitsrat, Armenien als Angreifer anzuerkennen. Durch die Explosion in einem Zug im Bahnhof von Baku entstand groBer Sachschaden Truppen von Suret Guseinow besetzen die Stadte Barda und Ewlach. Riicktritt des Vorsitzenden des Obersten Sowjets von Aserbaidschan Isa Gambarow. Heidar Alijew wird zum Vorsitzenden des Obersten Sowjet von Aserbaidschan gewahlt. Verbande von Suret Guseinow ziehen praktisch kampflos in Baku ein. 317 25.06.1993 23/24.7.1993 25.7.1993 29.7.1993 30.8.1993 20.09.1993 02.10.1993 01.02.1994 18.03.1994 19.03.1994 13.04.1994 09.05.1994 318 Die Volksversammlung von Aserbaidschan enthebt A. Eldschibei des Amtes. Die Prasidentenvollm achten werden an Heidar Alijew iibertragen. Die Arm enier besetzen den Rayon A gdam von Aserbaidschan, der sich in Berg-Karabach befm det. 158.000 Aserbaidschaner werden aus ihrem W ohnort vertrieben. Beginn einer dreitatigen Feuerpause in BergKarabach, verlangert um 7 Tage (bis 04.08.1993). D er UN-Sicherheitsrat verabschiedet die Resolution Nr. 853, die „den unverziiglichen, volligen und bedingungslosen Abzug der am Konflikt beteiligten Besatzungstruppen aus dem Rayon Agdam und der anderen vor kurzem besetzten Rayons der Republik A serbaidschan" fordert. Im Rayon ITadrut explodieren ein aserbaidschanischer Personenw agen und ein Bus, 4 Tote und 8 Schwerverletzte. M illi M edschlis (Parlament) von Aserbaidschan verabschiedet eine Resolution iiber den Beitritt zur GUS. Heidar Alijew wird zum Prasidenten der Republik Aserbaidschan gewahlt. Explosion im Zug ,,Kislowodsk-Baku“ auf dem B ahnhof Baku; 3 Tote, 20 Verletzte. Bei Chankendi (Stepanakert) Abschuss des Flugzeugs ,,Herkules“ der iranischen Streitkrafte; 34 Diplomaten und ihre Familienangehorigen sterben. Explosion in der U-Bahnstation „20. Januar“ in Baku: 14 Tote, 49 Verletzte. 20 Mitglieder der Organisation ,,Sadwal“ konnten vor Gericht gestellt werden. Explosion im Zug ,,Moskau-Baku“ in der Nahe des Bahnhofs „Dagestanskie ogni“ (Dagestan); 6 Tote. 3 Verletzte. Protokoll von Bischkek iiber einen Waffenstillstand zwischen Aserbaidschan und Armenien mit der V erm ittlung der Parlamentarischen Versammlung der GUS. M ai 1994 0 3 .0 7 .1 9 9 4 2 0 .0 9 .1 9 9 4 0 5 .0 7 .1 9 9 5 12.11.1995 1 2 .1 1 .1 9 9 5 18.01.1996 0 4 .0 3 .1 9 9 7 Der bekannte amerikanische Politologe Paul Hobble legt eine Skizze des territorialen Austauschs zwischen Armenien und Aserbaidschan vor, die die Bezeichnung Hobble-Plan erhalt. Sein Kern ist die Ubertragung eines Teils von Sangesur an Aserbaidschan, der direkt an Nachitschewan gehen wtirde. Im Austausch daffir wiirde Armenien einen Teil der aserbaidschanischen Gebiete, die einen direkten Kontakt m it Berg-Karabach gewahrleisten wtirden, erhalten. Die Konfliktparteien, insbesondere Arme­ nien untersttitzen den Plan nicht. Auch Russland und Iran sind von dem Plan nicht begeistert. Explosion in der U-Bahn auf der Strecke zwischen den Stationen „28. Mai“ und ,,Gandschlik“ in Baku; 13 Tote, 42 Verletzte. Aserbaidschan unterzeichnet mit westlichen Energieuntemehmen den ,,Jahrhundertvertrag“ zur Forderung der Olvorkommen im aserbaidschanischen Sektor des Kaspischen Meeres. Parlamentswahlen in Armenien. Sieg des Blocks „Die Republik“ unter Leitung von Lewon Ter-Petrosjan. OSZE-Vertreter bewerten die Wahlen als „frei aber ungerecht“ . Annahme der ersten Verfassung der unabhangigcn Republik Aserbaidschan in einem Referendum. Erste Parlamentswahlen im unabhangigen Aser­ baidschan. Sieg der Regierungspartei „Neues Aserbaidschan“ . Unterzeichnung des Vertrags zwischen Russland und Aserbaidschan iiber den Transport des aserbaidscha­ nischen Ols iiber russisches Territorium. Der AuBenminister von Aserbaidschan Hasan Hasanow iiberreicht dem Botschafter der Russischen Foderation in Aserbaidschan, Alexander Blochin, eine Protestnote im Zusammenhang mit „illegalen W affenlieferungen Russlands an Armenien". Dem Botschafter wurde auch eine Erklarung des AuBenministerium s von Aserbaidschan iiberreicht, in dem 319 1998 06.11.2000 April 2001 15.10.2003 25.01.2005 November Dezember 2006 22.03.2007 es heiBt, dass Baku iiber zuverlassige K enntnisse beztiglich der Stationierung von Raketenkom plexen in A rm enien verfugt, „die geeignet sind, A tom sprengkopfe in eine Entfem ung von 300 K ilom eter zu tragen“. Die Summe der geheimen W affenlieferungen wird au f m ehr als eine M illiarde US-Dollar geschatzt. Die Co-Vorsitzenden der Minsker KSZE-G ruppe besuchen Eriwan und Stepanakert und schlagen die Schaffung eines „gemeinsamen Staates“ zw ischen Aserbaidschan und Karabach vor. Alle K onfliktparteien lehnen diesen Vorschlag ab. Parlam entswahlen in Aserbaidschan und die Regierungspartei „Neues Aserbaidschan" gew innt em eut die M ehrheit der Mandate. Verhandlungen zwischen den Prasidenten von A serbaidschan und Armenien in Key West in Florida unter Verm ittlung des US-AuBenministers Colin Powell. Ilham Alijew wird zum Prasidenten der Republik A serbaidschan gewahlt. Die Parlam entarische Versammlung des Europarates stellt in ihrer Resolution 1416 die ,,illegale“ Okkupation von aserbaidschanischen Gebieten durch die arm enischen Streitkrafte und die Kontrolle von Berg-K arabach durch die Separatisten fest. 2006 A serbaidschan unterzeichnet in Brussel ein M em o­ randum iiber eine strategische Energiepartnerschaft mit der EG. 2006 Erklarung der Staats- und Regierungschefs der N A TO-Staaten auf dem Gipfel in Riga iiber die U nverletzlichkeit der territorialen Integritat von Aserbaidschan. Das W achstum des BIP der Republik Aserbaidschan betragt 35% . Aserbaidschan nimmt weltweit den ersten Platz ein. In W ashington wird das „Memorandum iiber gegenseitige Vereinbarung der Zusammenarbeit im Ener- 04.03.2008 1 5 .10.2008 giesektor zwischen den USA und der Republik Aserbaidschan“ unterzeichnet. A uf der W affenstillstandslinie in der Konfliktzone ereignet sich ein schwerer Schusswechsel, infolge dessen au f beiden Seiten mindestens 16 Menschen sterben und viele Dutzend verletzt werden. Initiator des Schusswechsels war aller Wahrscheinlichkeit nach die armenische Seite. Die Aserbaidschaner konnten den Schusswechsel kaum beginnen, da der President der Republik Aserbaidschan, Ilham Alijew in diesen Tagen die Rayons an der W affenstillstands­ linie inspizierte. Die Armenische Seite hingegen konnte versuchen, mit diesem Zwischenfall von der inneren Auseinandersetzung in Erewan abzulenken.460 Ilham Alijew wird mit 77,8% der Wahlerstimmen in seinem Amt als Staatsprasident bestatigt. Insbesondere sein Regierungsprogramm beziiglich der Entwicklung der landlichen Regionen und des Ausbaus der Infrastruktur kommt bei der Bevolkerung gut an. Internationale W ahlbeobachter sprechen von einer demokratischen und fairen Wahl in Aserbaidschan. 4M,Siehe Nesawisimaja gaseta, 08.03.2008, S. 8. 320 321 2. Die Herrscher des Khanats Irewan (Eriwan) Die unten chronologisch aufgefuhrte Liste der H e rrsc h e r der Staatsbildungen, die entweder das Gebiet des Khanats (F u rsten tu m s) Irewan (Eriwan)461 mit beinhalteten oder nur au f dem G e b ie t des Khanats Irewan entstanden, stellen eindeutig unter Beweis, d a s s diese Herrscher (Emire, Beys, Schahs oder Khane) ausschliefilich Aserbaidschaner w aren.462 In einigen sehr angesehenen Werken beginnt die G eschichte dieser Herrscher aus irgendeinem Grund ab 1604.463 Die H errscher dieses Khanats haben real jedoch bereits 200 Jahre vor diesem D atum gewirkt. Die angeflihrte Liste464 korrigiert, wie der Autor h offt, diese Differenz. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. Emir Sad - Ende 14. Jh. - 1410 Pir Gusejn - Sohn des Emirs Sad - von 1410 Pir Jagub (Sohn des Pir Gusejn) - 1420 Abdul - Sohn des Pir Gusejn - 1430 Usun Hasan - 1471 Jagub Bek - auf Befehl des Dschahan Schahs 1440 Gasan Ali Qara-Qoyunlu - seit 1460 Gasanbek, Enkel des B ajan d u r- 1475 Div Sultan Rumlu - seit 1515 Gusejchan Sultan - bis 1550 Schahgulu Sultan ustadschali - (1550-1575) Lapa pascha mit dem Namen Gara Mustapha, die Periode (Sultan Murad) - 1577 Machmudchan Tochmag, die Periode des Schahs Chudaw e n d a - 1576-1583 Pharchadpascha (die Periode des Sultan Murad) - 1583 Muchammed Scharif Pascha - bis 1604 Amirgun Khan Kadschar (die Periode des Schah A bbas) 1605-1621 461 Irewan, Eriwan ist die friihere Bezeichnung von Erewan. 462Armjanskaja Sowjetskaja Enziklopedija (Armenische Sowjetenzyklopadie). Eriwan 1977, Bd. 3, S. 571. 46,Vgl.: Rossijskij enziklopeditscheskij slowar (Russisches Enzyklopadisches Worterbuch) Moskau 2001, B d .l, S.504 464 Diese Liste wurde von Oganes Schachtachtun zusammengestellt. 322 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31. 32. 33. 34. 35. 36. 37. 38. 39. 40. 41. 42. 43. Tachmasgulu (Sohn des Amirgun) - 1635 Murtasa Pascha (die Periode Sultan Murad) - 1635 Kjalbali Khan - 1636-1639 Muhammed Khan Tschagata Kotuk - 1639-1648 Chosrow Khan - 1648-1652 Muhammedgulu Khan (Sohn des Lada bei) - 1652-1656 Nadschafgulu Khan - 1656-1663 Abbajegulu Khan (Sohn des Amirgun) - 1663-1666 Saphigulu Khan - 1666-1674 Sarichan-bei - vertretungsweise fur zwei Jahre - 16741675 Saphigulu Khan (Sohn des Rustam Khan von Tabris) 1675-1679 San K han-1679-1688 Murtusagulu (Sohn des Mamedrsi Khan von Nachitsche­ wan) - 1688-1691 Muhammedkulu Khan - 1691-1694 Sochrab Khan - 1691465 Pharsali Khan - Enkel des Amirgun (die Periode des Sul­ tans A chm ed)- 1694-1700 Sochrab Khan - 1700-1705, Abdul Mohammed Khan 1705-1709466 Mechrali Khan - 1709-1719 Allachgulu K h a n - 1719-1725 Radschab Pascha - 1725-1728 Ibragim Pascha und Mustapha Pascha - I728-17 34467 Ali P a sc h a - 1734 Gadschi Gusein Pascha - Stellvertrcter des Ali Pascha I 73446X Muchammkulu Khan - 1735-1736 Pirmuchammed Khan - 1736 Khalil K h a n - 1732-1745 Gasanali Khan Gadschar 1755-1762 v'' Schahchatun behauptet, dass es 1691 gleichzeitig zwei Khanate Eriwan gab. лы' In dieser Form ist es bei Schahchatun aufgezeichnet. 46 Schahchatun behauptet, dass 17 2 8 -1734 zwei Khane gleichzeitig regierten. ш D ie M otive, auch einen Stellvertreter in diese Liste einzutragen, blieben unergriindet. 323 44. 45. 46. 47. 48. 49. Gusejnali Khan (Bruder des Gasanali Khan) - 1762-1783 Gulamali Khan (Sohn des Gusejnali Khan) - 1783-1784 Muhhammed Khan (Bruder des Gulamali Khan) - 17841805 Mechtigulu Khan - 1805-1806 Muhammed Khan von M aragala - 1806-1807 Gusejn Khan m it dem Bruder Gasan Khan - 1807-1827 3. Wichtige Dokumente beziiglich der Rechtslage von BergKarabach und Kommentare 3.1 Kopie des Traktats (Staatsvertrages) v o m 14.05.1805 in russischer Sprache 'i .If? ^ Im Verzeichnis der Herrscher von Irewan konnte der A u to r in einem Zeitraum von 500 Jahren vor 1827, vor den grossen Umsiedlungen der Arm enier aus Persien und dem Osmanischen Reich keine armenischen ,,Spuren“ entdecken. <C* £2> у ^*= лгл^> У 'с ? — tX2^c stsk- J SZ*+a 324 325 в^б» ^ w i^ iM M ^ e о*Л <^ g o « 4 ci г/У'лу»д с/2>& ev1^ Z ^J z-4$c>*^co s4^cc~*bzs^4t3 углРк | 2>muiu^ </<u^/'S?**> j£t^&^f£esd&<*S£<-*££С*.£,с4> //^ Л^ ^Зае«в У^ёл)*1 ' '^■%*Г^^' ? Gpf£2e*L4iJ& ^ А^<*^»с* •&*£***■& с^л> йЕ^е- i^/y i- ^ > **~d&e' --—л CSb. t'^CMyZlX'C,«"«.go' •?<^< л^г/гл^»с 6^?бг^гг?£?(0<Увл^гс» /^Д#£»Ч • ^?>t>^ Д fie? (S ^ 4 ^ /<“^Vr -“^ — «S-Ъ ^r^G^LecS* &ег^?мсл*? ^ г ^ - ww»^, jp ^S ^L ''' y.r d ^ t y* ^^^уч*.-#. г'•"г’— *** 4гл^м««<р« »? ^-(РЯ#»о»**«<Д CLft<P ф€Л£*>л*-л*г-& /•• deUcJ s**.. 0C~~+J &Z^- г&^^л&с*4*л**сс*? ‘&*-&+,ме^лэ '2&<!&^^Zsi£>£&^Z&frZs&i£<X&£> <3i? gfcwv^ ^ г й - ^ л « и / ' ! ^ г > '^<9-4&^Lg<et**> А > г^ н к Л О ®«ejs«e &^4JzS)&^rTocS_ ^ -* ^ ^ ^ л л ^ в в « ? ^ ( С « е ^ г ^ < > л /fe»i ллУ к«|*лЛ dc-sf55t-A <®лА*!*<^ / / р^->йй>/ ____ ___^ ___ <2Г> <5*^ с*г^— 2Й-г%^ал *%fx * fp !'' *'■’■ * & * > » > * * & / и ^ /1*!2^г<>ъ&&1М**^С> tJ ^<с><2дч-4с»г^ 9*Ж*^&ФО ,^-lJu£< ^e*+ sd -**&*/*_ 9£л^х>а** Jt^rbpf^pr* M^EWr#*3^ ^ ^ < £*-е^< **Э & & ip ^ a s z J S2*Jt<r?Cs&<4^ jr * е ^ < и - л :Л Л » ^ 4 C&<xuzm^*> *< *X-^) Sts& ec+ S 4 !* ш л Л к ф ъ * * м Ь Ф + ш + ж ^ * 1 ^ < £ * ь & < х ^ t^jp4L-t<ms2 . >—. 329 328 Jfj) t/S<>> ^ 'it .« e ^ /ee«e <^Лл»вв 3.2 Ausziige aus der Anlage z um A b k o m m e n betreffend die Gesetze und Gebrauche des Landkrieges (Haager Landkriegsordnung) £)«s 'g^X* rX+>* - ^ ,; Abkommen wurde am 18. Oktober 1907 au f der 2. Haager Konferenz von 44 Staaten verabschiedet. Artikel 4 |Gewalthaber|: Die Kriegsgefangenen unterstehen der Gewalt der feindlichen Regierung, aber nicht der Gewalt der Personen oder der Abteilungen, die sie gefangen genommen haben. Sie sollen mit Menschlichkeit behandelt werden. Alles, was ihnen personlich gehort, verbleibt ihr Eigentum mit Ausnahme von Waffen, Pferden und Schriftstucken militarischen Inhalts. < * i» e ^ А ^ «л я>-» Artikel 6 |Arbeitspflicht|: Der Staat ist befugt, die Kriegsgefan­ genen mit Ausnahme von Offizieren nach ihrem Dienstgrad und nach ihren Fahigkeiten als Arbeiter einzusetzen. Diese Arbeiten diirfen nicht ubermaBig sein und in keiner Beziehung zu den Kriegsunternehmungen stehen. > < ^ * ^ fr. *Э tS ^ '^ 't ?■? J&xS) /Гд i^/Z«tit^swe .^o S iy *p j£ ^ A *+ < **^ + + « y 4 % L ^ p M ^ t* * + + & ** + * + + 0 S & > слф<*>-& €..&^ъж+хл^&ь *t^ _ -^ T s^ e y Z o * * * . ^ g , ^ r~4C*m S* О t <ЗФж*> *€.i**r.S - ^^e/ sC* ^Z X C ? er^c* * S t - t f ^ y C f r r l'i! Q ix * J l#S ybsK X rt X y/l*~ A S-г ^ „, ^4EAuOW«l7ULi«<Mcw' EC, Artikel 24. Zum Verband der Aserbaidschanischen Sozialistischen Sowjetrepublik gehoren die Autonome Sozialistische Sowjetrepublik Nachitschewan und das Autonome Gebiet Berg-Karabach. <PO-*L<A. J Sp**~<? 3.3 Auszug aus der Verfassung der U d S S R 1936 /*^£Сл& *»ъ6 3.4 Ausziige aus der Verfassung der U d S S R 1977 III. Die nationalstaatliche Struktur der U d S S R K apitel 9. Die Sowjetische Sozialistische Unionsrepuhlik Artikel 78. Das Territorium einer Unionsrepublik kann ohne ihre Zustimmung nicht geandert werden. Die Grenzen zwischen den Unionsrepubliken konnen nach beiderseitigem Ubereinkommen der entsprechenden Republiken, das der Bestatigung durch die UdSSR bedarf, verandert werden. 331 Artikel 79. Die Unionsrepublik bestimmt ihre Gliederung in Regionen, Gebiete, Bezirke und Rayons und entscheidet andere Fragen der administrativ-territorialen Ordnung. Kapitel VII. MaBnahmen bei Bedrohung oder Bruch des Friedens und bei Angriffshandlungen Kapitel 11. Das Autonom e Gebiet und der Autonome Bezirk Artikel 87. Der Russischen Sozialistischen Foderativen Sowjetrepublik gehoren folgende Autonomen Gebiete an: das Adygeische Autonome Gebiet, das Autonome Gebiet Gorno-Altaisk, das Jiidische Autonome Gebiet, das Autonome Gebiet der Karatschaier und Tscherkessen und das Chakassische Autonome Gebiet. Der Georgischen Sozialistischen Siidossetische Autonome Gebiet an. Sowjetrepublik gehort das Der Aserbaidschanischen Sozialistischen Sowjetrepublik gehort das Autonome Gebiet Berg-Karabach an. Der Tadschikischen Sozialistischen Sowjetrepublik gehort das Autonome Gebiet G om y Badachschan an. 3.5 Auszuge aus der Satzung der Vereinten Nationen Kapitel VI. Die friedliche Beilegung von Streitigkeiten Artikel 33 (1) Die Parteien einer Streitigkeit, deren Fortdauer geeignet ist, die W ahrung des W eltfriedens und der intemationalen Sicherheit zu gefahrden, bemiihen sich zunachst um eine Beilegung durch Verhandlung, Untersuchung, Vermittlung, Vergleich, Schiedsspruch. gerichtliche Entscheidung, Inanspruchnahme regionaler Einrichtungen oder Abmachungen oder durch andere friedliche Mittel eigener Wahl. (2) Der Sicherheitsrat fordert die Parteien auf, wenn er dies fur notwendig halt, ihre Streitigkeit durch solche Mittel beizulegen. Artikel 34 Der Sicherheitsrat kann jede Streitigkeit sowie jede Situation, die zu intemationalen Reibungen fuhren oder eine Streitigkeit hervorrufen konnte, untersuchen, um festzustellen, ob die Fortdauer der 332 Streitigkeit oder der Situation die Wahrung des Weltfriedens und der intemationalen Sicherheit gefahrden konnte. Artikel 39 Der Sicherheitsrat stellt fest, ob eine Bedrohung oder ein Bruch des Friedens oder eine Angriffshandlung vorliegt; er gibt Empfehlungen ab oder beschlieBt, welche MaBnahmen auf Grund der Artikel 41 und 42 zu treffen sind, um den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren oder wiederherzustellen. Artikel 40 Um einer Verscharfung der Lage vorzubeugen, kann der Sicherheitsrat, bevor er nach Artikel 39 Empfehlungen abgibt oder MaBnahmen beschlieBt, die beteiligten Parteien auffordern, den von ihm fur notwendig oder erwiinscht erachteten vorlaufigen MaBnahmen Folge zu leisten. Diese vorlaufigen MaBnahmen lassen die Rechte, die Anspruche und die Stellung der beteiligten Parteien unberiihrt. Wird den vorlaufigen MaBnahmen nicht Folge geleistet, so tragt der Sicherheitsrat diesem Versagen gebiihrend Rechnung. Artikel 41 Der Sicherheitsrat kann beschlieBen, welche MaBnahmen - unter Ausschluss von Waffengewalt - zu ergreifen sind, um seinen Beschlussen Wirksamkeit zu verleihen; er kann die Mitglieder der Vereinten Nationen auffordern, diese MaBnahmen durchzufuhren. Sic konnen die vollstandige oder teilweise Unterbrechung der W irtschaftsbeziehungen, des Eisenbahn-, See- und Luflverkehrs, der Post-, Telegraphen- und Funkverbindungen sowie sonstiger Verkehrsmoglichkeiten und den Abbruch der diplomatischen Beziehungen einschlieBen. Artikel 42 Ist der Sicherheitsrat der Auffassung, dass die in Artikel 41 vorgesehenen MaBnahmen unzulanglich sein wiirden oder sich als u n z u la n g lic h erwiesen haben, so kann er mit Luft-, See- oder Landstreitkraften die zur W ahrung oder Wiederherstellung des 333 Weltfriedens und der intemationalen Sicherheit erforderlichen MaBnahmen durchftihren. Sie konnen Demonstrationen, Blockaden und sonstige Einsatze der Lufit-, See- oder Landstreitkrafte von M itgliedem der Vereinten Nationen einschlieBen. Anmerkungen des Autors Das Gesagte beweist, dass die rechtlichen Moglichkeiten der Vereinten Nationen gegen ,,Angriffshandlungen“ (= Aggression) sehr weit gefasst sind, jedoch gegen m odem e Angreifer, wenn iiberhaupt, dann nur aufierst zaghaft und inkonsequent und nie im vollen Umfang angewandt werden. 3.6 Auszuge aus der UNO-Konvention uber die Verhiitung und Bestrafung des Volkermordes v o m 9.12.1948 Artikel II In dieser Konvention bedeutet Volkermord eine der folgenden Handlungen, die in der Absicht begangen wird, eine nationale, ethnische, rassische oder religiose Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstoren: a) Totung von M itgliedem der Gruppe; b) Verursachung von schwerem korperlichem oder seelischem Schaden an M itgliedem der Gmppe; c) vorsatzliche Auferlegung von Lebensbedingungen fur die Gmppe, die geeignet sind, ihre korperliche Zerstorung ganz oder teilweise herbeizufuhren; d) Verhangung von MaBnahmen, die auf die Geburtenverhindemng innerhalb der Gm ppe gerichtet sind; e) gewaltsame Uberfuhrung von Kindem der Gruppe in eine andere Gruppe. 3.7 UN-Resolutionen z u m Berg-Karabach-Konflikt 3.7.1 Resolution 822 des UN-Sicherheitsrates v om 30.04.1993 D er Sicherheitsrat, 334 Bezug nehmend auf die vom Vorsitzenden des Sicherheitsrates am 29. Januar /1/ und 6. April Ш 1993, iiber den Berg-Karabach-Konflikt abgegebene Erklarung, in Anerkennung des Berichts des Generalsekretars vom 14. April 1993 /3/. in ernster Sorge im Zusammenhang mit der Verschlechterung der Beziehungen zwischen der Republik Armenien und der Republik Aserbaidschan, m it Sorge beobachtend die Eskalation bewaffneter Kriegshandlungen. und insbesondere den letzten Einfall ortlicher armenischer Truppen in den Kelbadscharskij Rayon von Aserbaidschan, beunm higt dariiber, dass diese Situation den Frieden und die Sicherheit in der Region bedroht, in ernster Sorge im Zusammenhang mit der Umsiedlung zahlreicher Zivilisten und dem humanitaren Ausnahmezustand in der Region, insbesondere im Kelbadscharskij Rayon, unter erneuter Bestdtigung der Achtung der Souveranitat und der territorialen Integritat aller Staaten in der Region, unter erneuter Bestdtigung aueh der Unverletzlichkeit der internationalen Grenzen und der Unzulassigkeit der Gewaltanwendung zum Gebietserwerb, im Ausdruck seiner Unterstiitzung des Friedensprozesses, der innerhalb der Konferenz fur Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa umgesetzt wird, und tief beunruhigt iiber die verheerenden Folgen, die die Eskalation militarischer Kriegshandlungen fur diesen Prozess haben kann, 1. fordert die unverziigliche Einstellung aller Kriegshandlungen und feindseligen Handlungen zwecks Errichtung eines dauerhaften W affenstillstandes, sowie den unverziiglichen Abzug aller Besatzungskrafte aus dem Kelbadscharskij Rayon und anderen kiirzlich okkupierten Rayons Aserbaidschans; 2. appelliert eindringlich an die Streitparteien, die Verhandlungcn zw ecks Losung des Konfliktes innerhalb des Friedensprozesses der Vlinsker Gruppe der Konferenz fur Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa unverzuglich wieder aufzunehmen und alle Handlungen zu unterlassen, die die friedliche Losung des Problems erschweren; 3. appelliert, die ungehinderte Umsetzung der intemationalen T atigkeit der humanitaren Hilfeleistung in der Region zu gewahr335 leisten, insbesondere in alien Regionen, die vom Konflikt beriihrt sind. um das entstandene Leid der Zivilbevolkerung zu lindem, und bestatigt erneut, dass alle Parteien verpflichtet sind, die Grundsatze und Normen des intem ationalen M enschenrechts einzuhalten; 4. ersucht den Generalsekretar, in Konsultationen m it dem amtierenden Vorsitzenden der Konferenz fur Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, sowie den Co-Vorsitzenden der Minsker Gruppe eine Bewertung der Situation in der Region vorzunehmen. insbesondere im Kelbadscharskij Rayon von Aserbaidschan, und dem Rat weiter Bericht zu erstatten; 5. beschliefit die Fortsetzung der aktiven Beschaftigung mit dieser Frage. Einstimmig verabschiedet auf der 3205. Sitzung. Quelle: Offlzielle Berichte des Sicherheitsrates, Resolutionen und Beschliisse fu r das Jahr 1993 / 1 / S/25199. /2/ S/25539. /3 / Offizielle Berichte des Sicherheitsrates, Zweiundvierzigster Jahrgang, Ergiinzungen fu r A p ril M ai und Juni 1993, Dokument S/25600. 3.7.2 Resolution 853 des UN-Sicherheitsrates vom 29.07.1993 D er Sicherheitsrat, in Bekraftigung seiner Resolution 822 (1993) vom 30. April 1993, nach Prufung des Berichts des Vorsitzenden der Minsker Gruppe der Konferenz fur Sicherheit und Zusam m enarbeit in Europa vom 27. Juli 1993 (1), in ernster Sorge im Zusamm enhang m it der Verschlechterung der Beziehungen zwischen der Republik A rm enien und der Republik Aserbaidschan und der Spannung zwischen ihnen, begriifiend die Annahm e eines Planes ftir dringende MaBnahmen zur Umsetzung seiner Resolution 822 (1993) durch die Streitparteien, in Sorge iiber die Eskalation der Kriegshandlungen und insbesondere die Besetzung des Rayons Agdam in Aserbaidschan, 336 beunruhigt daruber, dass diese Lage weiterhin den Frieden und die Sicherheit in der Region bedroht, seiner ernsten Besorgnis Ausdruck gebend im Zusammenhang mit der Umsiedlung einer groBen Anzahl Zivilisten in Aserbaidschan und dem humanitaren Ausnahmezustand in der Region, unter erneuter Bestdtigung der Souveranitat und territorialen Integritat Aserbaidschans und aller anderen Staaten in der Region, unter erneuter Bestdtigung auch der Unverletzlichkeit der Staatsgrenzen und der Unzulassigkeit der Gewaltanwendung zum Gebietserwerb, 1. verurteilt die Besetzung des Rayons Agdam und aller anderen kiirzlich besetzten Rayons der Republik Aserbaidschan; 2. verurteilt auch alle feindseligen Handlungen in der Region, insbesondere den Uberfall au f Zivilisten und die Bombardierung und den Artilleriebeschuss besiedelter Gebiete; 3. fordert die unverziigliche Einstellung aller Kriegshandlungen und den unverziiglichen, volligen und bedingungslosen Abzug der am Konflikt beteiligten Besatzungstruppen aus dem Rayon Agdam und alien anderen kiirzlich okkupierten Rayons Aserbaidschans; 4. appelliert an die Streitparteien, weitere Vereinbarungen iiber die Einstellung des Feuers zu schlieBen und diese einzuhalten; 5. bestatigt erneut im Kontext von Punkt 3 und 4 oben seine vorherigen Appelle zur Wiederherstellung der wirtschaftlichen. Transport- und Energieverbindungen in der Region; 6. hilligt die fortgesetzten Bemiihungcn der Minsker Gruppe der Konferenz fur Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa zur Gewahrleistung einer friedlichen Losung des Konfliktes, einschlieBlich der Bemiihungen zur Umsetzung der Resolution 822 (1993), und bringt seine tiefe Besorgnis im Zusammenhang mit den schweren Folgen der Eskalation der Kriegshandlungen fur diese Bemiihungen zum Ausdruck; 7. hegruf.it die MaBnahmen zur Vorbereitung der Mission der Konferenz fur Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa zur Beobachtung, einschlieBlich des Ubersichtsdiagramms sowie die Prufung der Vorschlage iiber die Gewahrleistung der Konferenz in der Region innerhalb der Konferenz; 8. appelliert eindringlich an die Streitparteien, alle Handlungen zu unterlassen, die eine friedliche Losung des Konfliktes behindern, und 337 die Verhandlungen innerhalb der M insker Gruppe fortzusetzen, sowie direkte bilaterale Kontakte zum Erzielen einer endgiiltigen Regelung; 9. appelliert eindringlich an die Regierung der Republik Armenien, w eiterhin ihren Einfluss geltend zu machen zwecks Gew ahrleistung der Einhaltung der Resolution 822 (1993) durch die Arm enier von B erg-K arabach und dieser Resolution und der Annahme der Vorschlage der M insker Gruppe durch diese Partei; 10. appelliert eindringlich an die Staaten, die Lieferung von W affen und M ilitarausriistung zu unterlassen, die zu einer Eskalation des Konfliktes oder zur Verlangerung der Besetzung des Gebietes fiihren konnten; 11. appelliert erneut, die ungehinderte Umsetzung der intem ationalen Tatigkeit der humanitaren Hilfeleistung in der Region zu gewahrleisten, insbesondere in alien Regionen, die vom Konflikt betroffen sind, um das entstandene Leid der Zivilbevolkerung zu lindern, und bestatigt em eut, dass alle Parteien verpflichtet sind, die Grundsatze und N orm en des intemationalen Menschenrechts einzuhalten; 12. ersucht den Generalsekretar und die entsprechenden intem ationalen Institutionen, der leidenden Zivilbevolkerung kurzfristige hum anitare H ilfe zu leisten und den Vertriebenen zu helfen, in ihre H auser zuriickzukehren; 13. ersucht den G eneralsekretar, in Konsultationen mit dem amtierenden V orsitzenden der Konferenz fur Sicherheit und Zusam m enarbeit in Europa, sowie die Co-Vorsitzenden der Minsker Gruppe, dem Rat w eiterhin Berichte iiber die Entwicklung der Situation zukom m en zu lassen; 14. beschliefit die Fortsetzung der aktiven Beschafitigung mit dieser Frage. Einstimm ig verabschiedet auf der 3259. Sitzung. Quelle: Offizielle B erichte des Sicherheitsrates, Resolutionen und B eschlusse fu r 1993 /1 / Offizielle B erichte des Sicherheitsrates, Zw eiundvierzigster Jahrgang. Erganzungen fu r Juli, August und Septem ber 1993, D okum ent S/26184. 338 3.7.3 Resolution 874 des UN-Sicherheitsrates vom 14.10.1993 Der Sicherheitsrat, in Bekraftigung seiner Resolutionen 822 (1993) vom 30. April 1993 und 853 (1993) vom 29. Juli 1993 und bezugnehmend auf die vom Vorsitzenden des Sicherheitsrats namens des Rates am 18. August 1993 /1/ verlesene Erklarung, nach Prufung des Schreibens des Vorsitzenden der Minsker Konferenz des Rates fur Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa iiber Berg-Karabach vom 1. Oktober 1993 im Namen des Vorsitzenden des Sicherheitsrates /2/, ernsthaft besorgt dariiber, dass die Fortsetzung des Konfliktes im und um das Gebiet Berg-Karabach der Republik Aserbaidschan und die Aufrechterhaltung der Spannung in den Beziehungen zwischen der Republik Armenien und der Republik Aserbaidschan eine Bedrohung des Friedens und der Sicherheit in der Region sein konnten, in Anerkennung des Gipfeltreffens, das in Moskau am 8. Oktober 1993 stattfand, und der Hoffnung Ausdruck gebend, dass es zur Verbesserung der Situation und zur friedlichen Regelung des Konfliktes beitragen wird, unter erneuter Bestdtigung der Souveranitat und der territorialen Integritat Aserbaidschans und aller anderen Staaten in der Region, unter erneuter Bestdtigung auch der Unverletzlichkeit der intemationalen Grenzen und der Unzulassigkeit der Gewaltanwendung zum Gebietscrwerb, erneut seiner tiefen Besorgnis Ausdruck gebend im Zusammenhang mit dem menschlichen Leid, das der Konflikt verursacht hat, und dem humanitaren Ausnahmezustand in der Region und insbesondere seine starke Besorgnis ausdriickend im Zusammen­ hang mit der Umsiedlung zahlreicher Zivilisten in Aserbaidschan, 1.appelliert an die Streitparteien, den Waffenstillstand effektiv und konstant zu machen, der infolge der direkten Kontakte erzielt vvurde, die unter der M itwirkung der Regierung der Russischen Foderation in Unterstiitzung der Minsker Gruppe der Konferenz fur Sicherheit und Zusamm enarbeit in Europa unternommen wurden; 2 .erkldrt erneut seine voile Unterstiitzung des Friedensprozesses, der innerhalb der Konferenz fur Sicherheit und Zusammenarbeit in 339 Europa realisiert wird, sowie der unermiidlichen Bemiihungen der M insker Gruppe; 3. begriifil und em pfiehlt der Aufmerksamkeit der Parteien das „U bersichtsdiagram m der unaufschiebbaren MaBnahmen zur Um setzung der Resolutionen 822 (1993) und 853 (1993) des Sicherheitsrates (3)“, erstellt am 28. September 1993 auf der Sitzung der M insker Gruppe und den Streitparteien von den Co-Vorsitzenden der Gruppe bei allseitiger Unterstiitzung der neun anderen Mitgliedem dieser Gruppe vorgestellt, und appelliert an die Parteien, es anzunehmen; 4 .g ib t seiner Uberzeugung zum Ausdruck, dass alle anderen ungelosten Fragen, die sich aus dem Konflikt ergeben und nicht direkt im „U bersichtsdiagram m " behandelt werden, rasch innerhalb der Friedensverhandlungen im Kontext des Minsker Prozesses zu klaren sind; 5 .appelliert, die gem einsam en unaufschiebbaren MaBnahmen, die im „U bersichtsdiagram m " der M insker Gruppe vorgesehen sind. unverziiglich um zusetzen. EinschlieBlich des Abzugs der Truppen aus den kurzlich besetzten Territorien und Beseitigung aller Hindemisse fur Verbindungsw ege und Verkehr; 6 .appelliert auch, die M insker Konferenz rasch einzuberufen zur Erzielung einer Regelung des Konfliktes auf dem Verhandlungsweg. wie im „U bersichtsdiagram m " vorgesehen, gemaB Mandat des M inisterrates der K onferenz fur Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa vom 24. M arz 1992; l.e r s u c h t den Generalsekretar, positiv auf den Vorschlag der Entsendung eines V ertreters zur Teilnahme an der Minsker Konferenz zu reagieren und jed e erdenkliche Hilfe zu erzeigen fur die Durchftihrung von Verhandlungen zum Kern der Frage nach der Eroffnung der Konferenz; 8. unterstutzt die Bildung einer Beobachtungsmission durch die Konferenz fur Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa; 9. appelliert an alle Parteien, alle Verletzungen des intemationalen M enschenrechtes zu unterlassen und emeuert seinen in den Resolutionen 822 (1993) und 853 (1993) enthaltenen Appell, die ungehinderte U m setzung der intemationalen Tatigkeit der hum anitaren H ilfeleistung in der Region in alien vom Konflikt betroffenen Gegenden zu gewahrleisten; 340 10. appelliert eindringlich an alle Staaten in der Region, alle feindseligen Handlungen und alle Einmischungen oder Einfalle zu unterlassen, die zu einer Ausweitung des Konfliktes fiihren und den Frieden und die Sicherheit in der Region zerstoren konnten; 11. ersucht den Generalsekretar und die entsprechenden intemationalen Institutionen, der leidenden Zivilbevolkerung humanitare Hilfe zu leisten und den Fliichtlingen und Vertriebenen zu helfen. mit Wiirde und in sicheren Bedingungen in ihre Hauser zuriickzukehren; 12. ersucht den Generalsekretar, den amtierenden Vorsitzenden der Konferenz fur Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa und die Co-Vorsitzenden der Minsker Konferenz, dem Rat weiterhin Berichte uber den Verlauf des Minsker Prozesses und iiber alle Aspekte der Situation vor Ort, sowie iiber die aktuelle und zukiinftige Zusammenarbeit zwischen der Konferenz fur Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa und der Organisation der Vereintcn Nationen in diesem Zusammenhang zukommen zu lassen; 13.beschliefit die Fortsetzung der aktiven Beschaftigung mit dieser Frage. E'mstimmig verabschiedet a u f der 3292. Sitzung. Quelle: Offizielle Berichte des Sicherheitsrates, Resolutionen und Besch/iisse 1993. / 1 / S/26326 / / / Offizielle Berichte des Sicherheitsrates, Zueiundvierzigster Jahrgang, E rgdnzungenfur Oktober, November und Dezember 1993, Dokum ent S/26522. /3 / i.a.. Dokument S/26522, Anhang. 3.7.4 Resolution 884 des UN-Sicherheitsrates vom 12.11.1993 D er Sicherheitsrat, in Bekrdftigung seiner Resolutionen 822 (1993) vom 30. April 1993, 853 (1993) vom 29. Juli 1993 und 874 (1993) vom 14. Oktober 1993, 341 in Bekraftigung seiner vollen Unterstutzung des Friedensprozesses, der innerhalb der Konferenz fur Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa um gesetzt wird, und der unermudlichen Bemiihungen der M insker Gruppe der Konferenz, in Anerkennung des Schreibens des amtierenden Vorsitzenden der M insker Gruppe der Konferenz fur Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa iiber Berg-K arabach vom 9. November 1993 namens des Vorsitzenden des Sicherheitsrates und die Erganzungen dazu /1/, in ernster Sorge dariiber, dass die Fortsetzung des Konfliktes in der und um die Region Berg-Karabach der Republik Aserbaidschan und die A ufrechterhaltung der Spannung in den Beziehungen zwischen der R epublik Arm enien und der Republik Aserbaidschan eine Bedrohung ffir den Frieden und die Sicherheit in der Region sein konnen, m it Sorge festste lle n d die Eskalation der Kriegshandlungen infolge der Verletzung des W affenstillstands und die iibermaBige Gewaltanwendung in Reaktion a u f diese Verletzung, insbesondere die Okkupation des Rayons Sangilan und der Stadt Hourdis in Aserbaidschan in Bekraftigung der Souveranitat und territorialen Integritat Aserbaidschans und aller anderen Staaten in der Region, in Bekraftigung auch der Unverletzlichkeit der intemationalen Grenzen und der Unzulassigkeit der Gewaltanwendung zum Gebietserwerb, in ernster Sorge iiber den letzten Fall der Migration einer groBen Anzahl Zivilisten und der Entstehung des humanitaren Ausnahmezustandes im Rayon Sangilan und in der Stadt Hourdis und an der Sudgrenze A serbaidschans, 1. verurteilt die jungste Verletzung des von den Parteien vereinbarten W affenstillstands, die zu neuen Kriegshandlungen gefuhrt hat. und verurteilt insbesondere die Okkupation des Rayons Sangilan und der Stadt Hourdis, den Uberfall au f Zivilisten und den Beschuss des Territorium s der R epublik Aserbaidschan; 2. appelliert an die Regierung Armeniens, ihren Einfluss geltend zu m achen, um die Einhaltung der Resolutionen 822 (1993), 853 (1993) und 874 (1993) durch die Armenier von Berg-Karabach der Region Aserbaidschan zu gewahrleisten und sicherzustellen, dass den abgezogenen Truppen keine Mittel fur die Fortsetzung ihres M ilitarfeldzuges zur Verfiigung gestellt werden; 342 3. konstatiert mit Befriedigung die Erklarung von neun Mitgliedem der Minsker Gruppe der Konferenz fur Sicherheit und Zusammen­ arbeit in Europa vom 4. November 1993 (1) und schatzt die darin enthaltenen Vorschlage beziiglich der unilateralen Erklarungen iiber einen Waffenstillstand hoch ein; A.fordert die Streitparteien zur unverziiglichen Einstellung der Kriegshandlungen und feindseligen Handlungen auf und zum sofortigen Abzug der Besatzungstruppen aus dem Rayon Sangilan und der Stadt Horadis und zum Abzug der Besatzungstruppen aus den anderen kiirzlich besetzten Gebieten Aserbaidschans gemaB dem ..Neuen Diagramm der unaufschiebbaren MaBnahmen zur Umsetzung der Resolutionen 822 (1993) und 853 (1993) des Sicherheitsrates" (2) mit den daran auf der Sitzung der Minsker Gruppe vom 2.-8. Novem ber 1993 in Wien vorgenommenen Korrekturen; 5. appelliert eindringlich an die Streitparteien, bald den Waffen­ stillstand wieder einzuhalten, der infolge der direkten Kontakte erzielt wurde, die unter der Regierung der Russischen Foderation in Unter­ stutzung der Minsker Gruppe unternommen wurden, und ihn effektiv und konstant zu machen; und die Suche nach Moglichkeiten der Regelung des Konfliktes a u f dem Verhandlungsweg im Kontext des M insker Prozesses und dem „Neuen Diagramm" mit den daran auf der Sitzung der Minsker Gruppe vom 2.-8. November 1993 in Wien vorgenommenen Korrekturen fortzusetzen; 6. appelliert ausdriicklich erneut an alle Staaten in der Region, alle feindseligen Handlungen und jede Einmischung zu unterlassen, die zu einer Ausweitung des Konfliktes fiihren konnten und den Frieden und die Sicherheit in der Region storen wurden; 7. ersucht den General sekretar und die entsprechcnden internationalen Institutionen, der leidenden Zivilbevolkerung, einschlieBlich d er Bevolkerung im Rayon Sangelan und in der Stadt Horadis und an d er Sudgrenze Aserbaidschans kurzfristige humanitare Hilfe zu leisten und den Fluchtlingen und Migranten zu helfen, mit Wurde und in Sicherheit in ihre Hauser zuruckzukehren; 8 .e rsu c h t erneut den General sekretar, den amtierenden V orsitzenden der Konferenz fur Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa und die Co-Vorsitzenden der Minsker Konferenz, dem Rat auch w eiterhin zu berichten iiber den Verlauf des Minsker Prozesses und iiber alle Aspekte der Situation vor Ort, insbesondere iiber die 343 Umsetzung seiner entsprechenden Resolutionen, und iiber die aktuelle und zuktinftige Zusam m enarbeit zwischen der Konferenz ftir Sicherheit und Zusam m enarbeit in Europa und den Vereinten Nationen in diesem Zusamm enhang; 9. beschliefit die Fortsetzung der aktiven Beschaftigung mit dieser Frage. Einstimmig verabschiedet auf der 3313. Sitzung Quelle: Offizielle Berichte des Sicherheitsrates, Resolutionen und Beschltisse 1993. /1 / Offizielle Berichte des Sicherheitsrates, Zweiundvierzigster Jahrgang, Erganzungen f u r Oktober, Novem ber undDezember 1993, D okum ent S/26718. / 2 / a.a.O., D okum ent S/26522, Anhang. Anmerkungen des Autors zu den UN-Resolutionen Die vier 1993 vom Sicherheitsrat verabschiedeten Resolutionen konnen vom Standpunkt der darin enthaltenen juristischen und politischen Bew ertungen als entscheidend charakterisiert werden. Die Betonung der A chtung der Souveranitat und der territorialen Integritat der Republik A serbaidschan in den Resolutionen, sowie die Annahme der Formulierung „R egion Berg-Karabach der Republik Aserbaidschan“ m acht die von der armenischen Partei jahrzehntelang entfesselten Streitigkeiten iiber die Zugehorigkeit von Berg-Karabach vom volkerrechtlichen Standpunkt vollig unhaltbar. Unter Berticksichtigung der Bestatigung der Unverletzlichkeit der intemationalen Grenzen, der U nzulassigkeit der Gewaltanwendung zum Gebietserwerb durch den UN -Sicherheitsrat in den Resolutionen und der Verurteilung der Besetzung von Territorien der Republik Aserbaidschan konnen Handlungen der Gegenseite nicht anders als Verletzung der wichtigsten Bestim m ung der UNO-Satzung bewertet werden. Und auch die bisweilen tibertriebene Diplomatic in den Formulierungen. die alien Dokum enten des UN-Sicherheitsrates eigen ist, kann niem anden irritieren. Die Rayons Agdara und Agdam von Aserbaidschan wurden nach der Annahm e von Resolution 822, in der die Okkupation des 344 Kelbadscharskij Rayons verurteilt wurde, von den Streitkraften Armeniens besetzt. Der Rayon Fisuli wurde von den Armeniem nach der Verabschiedung der UNO-Resolution 853 vom 29. Juli 1993 durch den Sicherheitsrat, in der die Besetzung des Rayons Agdam verurteilt wird, besetzt. Die Einnahme der Rayons Dschebrail und Gubadli durch die Armenier ging der Annahme der UN Resolution 874 vom 14. Oktober 1993 durch den Sicherheitsrat voraus. In Resolution 884 vom 11. November 1993 verurteilte der UNSicherheitsrat die Okkupation des Rayons Sangelan und der Stadt Horadis, sowie den Uberfall auf die Zivilbevolkerung und die Bombardierung des Territoriums von Aserbaidschan. Welche Auswirkung haben denn diese Resolutionen auf den armenischen Angreifer? Wie auf die sprichwortliche Katze des russischen Fabeldichters Krylow, die zwar zuhorte, aber dann doch machte, was sie wollte. Aber dennoch sind diese Resolutionen und Beschltisse autoritativer Instanzen nicht unniitz, selbst wenn sie nicht ausgefiihrt werden und die verbrecherischen Taten anhalten. Sie geben den Historikern, den Juristen, den Journalisten und den Politikern Material fur die Erhebung begriindeter Anklagen gegen die Verbrecher. Einige Vorwiirfe konnen auch gegen verschiedene Verlage erhoben , 469 werden. Aufmerksamkeit verdient auch der Umstand, dass die angefuhrten Dokumente der intemationalen Organisationen nicht die Nutzung der okkupierten Gebiete der Republik Aserbaidschan fur den Drogentransit und fur die Organisation von Stutzpunkten auslandischcr terroristischer Organisationen reflektieren.470 3.8 KSZE/OSZE-Dokumente z u m Berg-Karabach-Konflikt 3.8.1 Erste zusatzliche Sitzung des KSZE-Rates Helsinki, 24. Marz 1992 '64A u f den Karten von Aserbaidschan und Armenien, die im deutschen Nachschlagewerk «Das neue Wissen.de» (Wissen Media Verlag GmbH, Giiterloh/Munchen 2003, S. 60, 62) enthalten sind, sind die sieben aserbaidschanischen Rayons, die von Armenien besetzt wurden, nicht aufgefuhrt. Es entsteht der Eindruck, dass Armenien nur Berg-Karabach besetzt hat. 470Siehe 525-CI, Baku, 12.2.2008, S. 3. 345 II. 3. Die M inister auBerten ihre tiefe Besorgnis iiber die anhaltende Eskalation des bew affneten Konflikts in und um Nagorny Karabach und die damit verbundenen noch groBeren Leiden und Verluste an M enschenleben unter der Bevolkerung. Sie fuhrten eine umfassende Diskussion iiber M ittel und Wege zur Beendigung des Konflikts unter Beriicksichtigung der Auswirkungen, die die Fortsetzung und weitere Ausdehnung des K onflikts auf die regionale und intemationale Sicherheit haben konnten. Sie riefen alle Seiten zur Zurtickhaltung auf. 4. Die M inister bekraftigten mit groBtem Nachdruck den Aufruf zu einer sofortigen und w irksam en Feuereinstellung, einschlieBlich der Verpflichtung der verantwortlichen Kommandanten vor Ort, sich aktiv an dessen U m setzung zu beteiligen. Sie erlieBen einen Appell zur W iederherstellung der Voraussetzungen fur Vertrauen und einen konstruktiven Dialog, einschlieBlich der Aufhebung wirtschaftlicher und politischer beschrankender MaBnahmen. 5. Die M inister priifiten die laufenden Aktivitaten im Rahmen der KSZE und unterstiitzten in vollem Umfang die vom Ausschuss Hoher Beam ter gefassten Beschliisse. Sie brachten ihre Anerkennung fur die vom am tierenden V orsitzenden der KSZE diesbeziiglich untemommenen A ktivitaten zum Ausdruck und betonten ihre Bereitschaft, ihm - w ann imm er erforderlich - jede mogliche Unterstutzung zukommen zu lassen. 6. Die M inister begriiBten die erganzenden Bemiihungen der Europaischen G em einschaft und ihrer Mitgliedstaaten, der Mitgliedstaaten der G em einschaft Unabhangiger Staaten, der Mitglieder des N ordatlantischen Kooperationsrats und insbesondere die Bemiihungen des G eneralsekretars der Vereinten Nationen. Sie ersuchten den am tierenden Vorsitzenden der KSZE, mit den Vereinten N ationen diesbeziiglich engen Kontakt zu halten und einen regelmaBigen Inform ationsaustausch einzurichten. Die M inister kam en uberein, dass die KSZE bei der Forderung des Friedensprozesses hinsichtlich des Konflikts eine bedeutende Rolle spielen m uss und dass die Situation in und um Nagorny Karabach weitere KSZE-A ktionen erfordert. 7. Die M inister erteilten dem amtierenden Vorsitzenden des KSZE-Rates, H erm Jiri Dienstbier, das Mandat, der Region in Kiirze 346 einen Besuch abzustatten, um einen Beitrag insbesondere zur Erreichung und Aufrechterhaltung einer wirksamen Feuereinstellung sowie zur Schaffung eines Rahmens fur eine friedliche Gesamtlosung zu leisten. 8. Die Minister brachten ihre feste Uberzeugung zum Ausdruck, dass eine Konferenz iiber Nagorny Karabach unter der Schirmherrschaft der KSZE ein standiges Verhandlungsforum fur eine fried­ liche Beilegung der Krise auf der Grundlage der Prinzipien, Verpflichtungen und Bestimmungen der KSZE darstellt. Die Minister ersuchten daher den amtierenden Vorsitzenden des KSZE-Rates, eine solche Konferenz so bald wie moglich einzuberufen. 9. AuBerdem vereinbarten die Minister, dass Armenien, Aser­ baidschan, Belarus, Deutschland, Frankreich, Italien, die Russische Foderation, Schweden, die Tschechische und Slowakische Foderative Republik, die Tiirkei und die Vereinigten Staaten von Amerika Teilnehmer dieser Konferenz sein werden, die in Minsk abgehalten wird. Nach Konsultationen mit den an dieser Konferenz teilnehmenden Staaten wird der Vorsitzende der Konferenz gewahlte und andere Vertreter aus Nagorny Karabach als interessierte Parteicn zu dieser Konferenz einladen. Der amtierende Vorsitzende des KSZERates wird den Vorsitzenden der unter der Schirmherrschaft dcr KSZE stattfindenden Konferenz iiber Nagorny Karabach ernennen. 10. Die Minister forderten dringend alle KSZE-Teilnehmerstaaten und alle betroffenen Parteien auf, samtliche erforderlichen Schritte zur Gewahrung humanitarer Hilfe fur alle Bediirftigen durch rasche und wirksame MaBnahmen zu unternehmen, einschlieBlich Sicherheitskorridore unter internationaler Aufsicht. 11. Die Minister nahmen die Verpflichtung Armeniens und Aserbaidschans zur vollen Unterstiitzung der Mission des amtierenden Vorsitzenden des KSZE-Rates in die Region sowie weiterer vom KSZE-Rat vereinbarter Aktionen zur Kenntnis und appellieren an diese beiden Lander, ihrer Verpflichtung aktiv nachzukommen, um eine dauerhafte friedliche Losung zu erzielen. 347 3.8.2 Budapester Dokument 1994 Treffen der Staats- und Regierungschefs der Teilnehmerstaaten der K S Z E a m 5. und 6. Dezember 1994 in Budapest II. Regionale Fragen. Intensivierung der KSZE-Bemiihungen beziiglich des Konflikts in Berg-Karabach 1. Die Teilnehm erstaaten brachten ihr Bedauem uber das Anhalten des Konflikts und die dam it einhergehende menschliche Tragodie zum Ausdruck und begrtiBten die Bestatigung der am 12. Mai 1994 durch die Vermittlung der Russischen Foderation in Zusammenarbeit mit der M insker Gruppe der KSZE ausgehandelten Waffenruhe durch die Konfliktparteien. Sie bestatigten ihr Bekenntnis zu den einschlagigen Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen und begriiBten die politische Unterstiitzung der Bemiihungen der KSZE um eine friedliche B eilegung des Konflikts durch den Sicherheitsrat. Zu diesem Zw eck riefen sie die Konfliktparteien auf, intensive und umfassende Gesprache, einschlieBlich direkter Kontakte, aufzunehmen. In diesem Zusam m enhang verpflichteten sie sich, die von der KSZE untem om m enen Bemiihungen und die von ihr gewahrte Unterstiitzung zu verdoppeln. Sie untersttitzten nachdriicklich die Verm ittlungsbem uhungen der M insker Gruppe der KSZE und brachten ihre A nerkennung fur den entscheidenden Beitrag der Russischen Foderation und die Bemiihungen anderer einzelner M itglieder der M insker Gruppe zum Ausdruck. Sie vereinbarten, diese in einer einzigen koordinierten Bemiihung im Rahmen der KSZE zu harmonisieren. 2. Zu diesem Zw eck haben sie den amtierenden Vorsitzenden angewiesen, in A bsprache mit den Teilnehmerstaaten so bald wie m oglich Co-Vorsitzende der M insker Konferenz zu benennen, um eine gemeinsam e und vereinbarte Grundlage fur Verhandlungen zu gewahrleisten und eine voile Abstimmung bei alien Vermittlungs- und Verhandlungstatigkeiten zu erzielen. Die Co-Vorsitzenden, die sich bei all ihren V erhandlungsbem uhungen von KSZE-Prinzipien und einem vereinbarten M andat leiten lassen, werden bei Sitzungen der M insker Gruppe gem einsam den Vorsitz fflhren und gemeinsam dem amtierenden V orsitzenden Bericht erstatten. Sie werden den Standigen Rat regelmaBig iiber den Fortschritt ihrer Arbeit unterrichten. 348 3. Als ersten Schritt bei dieser Bemiihung wiesen sie die CoYorsitzenden der Minsker Konferenz an, sofortige MaBnahmen zu ergreifen, um mit Unterstiitzung und in Zusammenarbeit mit der Russischen Foderation und anderen einzelnen Mitgliedem der Minsker Gruppe das Anhalten der gegenwartigen Waffenruhe zu fordern, wobei sie auf den bei vorausgegangenen Vermittlungsaktivitaten bereits erzielten Fortschritten aufbauen, und zugige Verhand­ lungen uber den Abschluss einer politischen Vereinbarung beziiglich der Einstellung des bewaffneten Konflikts zu fiihren, deren Durchfiihrung wesentliche Folgen des Konflikts ftir alle Parteien beseitigen und die Einbemfung der Minsker Konferenz ermoglichen wird. Sie ersuchten die Co-Vorsitzenden der Minsker Konferenz ferner. gemeinsam mit den Parteien auf die weitere Durchfiihrung von vertrauensbildenden MaBnahmen hinzuarbeiten, insbesondere im humanitaren Bereich. Sie unterstrichen, dass es erforderlich sei, dass die Teilnehmerstaaten sowohl einzeln als auch im Rahmen der einschlagigen intemationalen Organisationen MaBnahmen ergreifen, um den Menschen in der Region humanitare Hilfe zu gewahren, vor allem im Hinblick darauf, Fliichtlingen ihre schreckliche Lage zu erleichtern. 4. Sie vereinbarten, dass der Abschluss der oben genanntcn Vereinbarung in Ubereinstimmung mit der Auffassung der Konlliktparteien auch die Entsendung multinationaler Friedenstruppen als vvesentliches Element der Durchfiihrung der Vereinbarung selbst ermoglichen wiirde. Sie erklartcn ihren politischen Willen, mit einer entsprechenden Resolution des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen eine multinationale Friedenstruppe der KSZE aufzustellen, nachdem die Parteien eine Einstellung des bewaffneten Konflikts vereinbart haben. Sie ersuchten den amtierenden Vorsitzenden, so bald wie moglich auf der Grundlage von Kapitel III des Helsinki-Dokuments 1992 und in voller Ubereinstimmung mit der Charta der Vereinten Nationen einen Plan fur die Aufstellung, die Zusammensetzung und den Einsatz einer solchen Truppe zu entwickeln. Zu diesem Zweck wird der amtierende Vorsitzende durch die Co-Vorsitzenden der M insker Konferenz und durch die Minsker Gruppe sowie durch den Generalsekretar unterstiitzt. Nach entsprechenden Konsultationen wird er fem er eine Planungsgruppe auf hoher Ebene in Wien einsetzen, um unter anderem Empfehlungen uber GroBe und Art der Truppe, 349 Kommando- und Ftihrungsstruktur, Logistik, Zuweisung von Einheiten und Ressourcen, Einsatzregeln und Vereinbarungen m it den beitragenden Staaten abzugeben. Er wird auf der Grundlage der erklarten Bereitschaft der Vereinten Nationen, technische Hilfe und Fachwissen zur V erfugung zu stellen, die Unterstiitzung der Vereinten Nationen erbitten. Er w ird femer die fortgesetzte politische Unterstiitzung des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen fur die mogliche Entsendung einer Friedenstruppe der KSZE erbitten. 5. A u f der Grundlage einer solchen vorbereitenden Tatigkeit sowie der einschlagigen Bestim mungen von Kapitel III des HelsinkiDokuments 1992 und a u f Vereinbarung der Parteien sowie offizielles Ersuchen der Parteien an den amtierenden Vorsitzenden uber die CoVorsitzenden der M insker Konferenz wird der Standige Rat einen Beschluss uber die Durchfuhrung der friedenserhaltenden Operation der KSZE fassen. - Festlegung des Rechtsstatus von Berg-Karabach in einer Vereinbarung auf Grundlage der Selbstbestimmung, die BergKarabach das groBtmogliche MaB an Selbstverwaltung innerhalb Aserbaidschans iibertragt; - garantierte Sicherheit fur Berg-Karabach und seine gesamte Bevolkerung, einschliefilich wechselseitiger Verpflichtungen zur Sicherstellung der Einhaltung der Bestimmungen der Regelung durch alle Parteien. Ich bedauere, dass dies fur einen Teilnehmerstaat unannehmbar war. Diese Grundsatze finden die Unterstiitzung aller ubrigen Teilnehmerstaaten. Diese Erklarung wird in die Dokumente des Gipfeltreffens von Lissabon aufgenommen. A N H A N G 2. Erklarung der Delegation Armeniens 3.8.3 Lissabonner Dokument 1996 Treffen der Staats- und Regierungschefs der Teilnehmerstaaten der O S Z E a m 2. und 3. Dezember 1996 in Lissabon II A N H A N G 1. Erklarung des amtierenden Vorsitzenden der OSZE Sie alle wissen, dass in den letzten beiden Jahren bei der Losung des Konflikts in Berg-Karabach und der Frage der territorialen Integritat der Republik Aserbaidschan keine Fortschritte gemacht wurden. Ich bedauere, dass die Bemiihungen der Co-Vorsitzenden der M insker Konferenz um einen Kompromiss zwischen den Standpunkten der Parteien betreffend die Grundsatze fur eine Regelung erfolglos blieben. Drei Grundsatze, die Teil einer Konfliktlosung in Berg-Karabach sein sollten, wurden von den Co-Vorsitzenden der Minsker Gruppe empfohlen. Diese Grundsatze werden von alien Mitgliedstaaten der M insker Gruppe unterstutzt. Sie lauten wie folgt: territoriale Integritat der Republik Armenien und der Republik Aserbaidschan; 350 Im Zusammenhang mit der Erklarung des Amtierenden Vorsitzenden der OSZE auBert die Delegation Armeniens ihre Bedenken zu folgenden Fragen: 1. Die Erklarung entspricht nicht dem Geist und dem Buchstabcn des Mandats der Minsker Gruppe, das auf dem Gipfeltreffen von Budapest 1994 festgelegt wurde und Verhandlungen zur Herbcifiihrung einer politischen Vereinbarung vorsieht. Die Frage des Status war Gegenstand von Erorterungen in direkten Verhandlungen, die nicht abgeschlossen wurden. 2. Diese Erklarung prajudiziert den Status Berg-Karabachs und w iderspricht dadurch dem Beschluss des Ministerrats der OSZE von 1992. durch den diese Frage in den Zustandigkeitsbereich der Minsker Konferenz der OSZE verwiesen wurde, die nach Abschluss einer politischen Vereinbarung beginnen soli. 3. Die armenische Seite ist uberzeugt, dass eine Losung des Problems au f der Grundlage des Volkerrechts, der in der OSZESchlussakte von Helsinki festgeschriebenen Prinzipien und in crster Linie au f der Grundlage des Selbstbestimmungsrechts der Volker gefunden werden kann. 4. Die armenische Seite ist bereit, sowohl im Rahmen der Minsker Gruppe als auch auf der Ebene direkter, von den Co-Vorsitzenden 351 dieser Gruppe zu koordinierender Kontakte auBerst intensiv weiterzuverhandeln, um eine Kompromisslosung herbeizufuhren. W ir ersuchen, diese Erklarung der Gipfelerklarung beizuftigen. 3.8.4 Dokument von Istanbul 1999 Treffen der Staats- und Regierungschefs der Teilnehmerstaaten der O S Z E a m 18. und 19. November 1999 in Istanbul Gipfelerklarung von Istanbul 20. Wir haben den Bericht der Co-Vorsitzenden der Minsker OSZE-Gruppe iiber die derzeitige Situation und die jtingsten Entwicklungen im Zusammenhang mit dem Konflikt um BergKarabach erhalten und danken fur ihre Bemiihungen. Wir begriiBen insbesondere den verstarkten Dialog zwischen den Prasidenten Armeniens und Aserbaidschans, deren regelmaBige Kontakte M oglichkeiten geschaffen haben, den Prozess zur Herbeifuhrung einer dauerhaften und um fassenden Losung des Problems zu beleben. Wir unterstiitzen diesen Dialog nachdrticklich und ermutigen zu seiner Fortsetzung in der Hoffnung, dass die Verhandlungen innerhalb der M insker OSZE-Gruppe w ieder aufgenommen werden. Wir bestatigen femer, dass die OSZE und ihre M insker Gruppe, die nach wie vor das geeignetste Forum fur die Suche nach einer Losung ist, bereit sind, den Friedensprozess und seine zukiinftige Umsetzung weiter voranzutreiben, indem sie unter anderem den Parteien jede notwendige Hilfe leisten. - ruft die Parteien eindringlich dazu auf, alle Kriegsgefangenen und im Zusammenhang mit dem Konflikt intemierten Personen unverziiglich freizulassen und dem IKRK ungehinderten Zugang zu alien Intemierungsorten und alien Internierten zu gewahren; - unterstiitzt die Co-Vorsitzenden der Minsker Konferenz in ihren Bemiihungen, in Absprache mit dem Amtierenden Vorsitzenden eine politische Vereinbarung iiber die Beendigung des bewaffneten Konflikts ohne weitere Verzogerung zustande zubringen. Die Durchfiihrung einer solchen Vereinbarung wurde alle Parteien vor den schwerwiegenden Konsequenzen des Konflikts bewahren und die baldige Einberufung der Minsker Konferenz ermoglichen. Die Unterzeichnung der Vereinbarung wiirde den Standigen Rat in die Lage versetzen, auf der Grundlage der wertvollen Empfehlungen der Hochrangigen Planungsgruppe, deren Arbeit weitergehen sollte, einen Beschluss iiber die Einleitung der friedenserhaltenden Operation der OSZE zu fassen; - begriiBt die Zusagen, in Absprache mit den Co-Vorsitzenden direkte Kontakte aufzunehmen, um eine Vereinbarung iiber die Grundsatze, nach denen der Konflikt gelost werden soil, zu treffen, and ruft eindringlich dazu auf, dies rasch zu tun; - und nimmt Kenntnis von der Bereitschaft der Parteien, sich den Kernfragen zuzuwenden, um so bald wie moglich einen Kompromiss zu erzielen. 3.8.6 Neunte Sitzung des Ministerrates Beschluss Nr. 2. Erklarung des Ministerrates, Bukarest, 3.-4. Dezember 2001 3.8.5 Fiinfte Sitzung des Ministerrates Beschluss iiber den Minsker Prozess der OSZE, Budapest, 8. Dezember 1995 (5) D er M inisterrat - bestatigt, dass der M insker Prozess der OSZE auch in Zukuntt das einzige Forum fur die Beilegung des Konflikts in Berg-Karabach sein wird; - begriiBt die Entschlossenheit der Konfliktparteien, die am 12. Mai 1994 vereinbarte W affenruhe weiterhin einzuhalten; 1. W ir sind zutiefst besorgt dariiber, dass es nicht gelungen ist, den Konflikt in Berg-Karabach trotz des intensivierten Dialogs zwischen den Parteien und der aktiven Unterstutzung durch den Co-Vorsitz der M insker Gruppe beizulegen. Wir erklaren erneut, dass die umgehende Losung dieses lang wahrenden Konflikts zu dauerhaftem Frieden, dauerhafter Sicherheit, Stabilitat und Zusammenarbeit in der Siidkaukasus-Region beitragen wird. 352 353 2. W ir verw eisen von Neuem au f die Bedeutung einer Fortsetzung der Friedensgesprache und fordem die Parteien auf, ihre Bemiihungen zur Herbeiffihrung einer raschen Beilegung des Konflikts a u f der Grundlage der N orm en und Grundsatze des Volkerrechts fortzusetzen. Wir erm utigen die Parteien auch dazu, weitere MaBnahmen zu erkunden, die das gegenseitige Vertrauen verstarken konnen. einschlieBlich der Freilassung von Kriegsgefangenen. 3. W ir begriiBen das Bekenntnis der Parteien zur Waffenruhe und zur Herbeiffihrung einer friedlichen und umfassenden Regelung. Wir ermutigen die Parteien dazu, mit der aktiven Unterstiitzung des CoVorsitzes ihre Bem iihungen zur Herbeifuhrung einer gerechten und dauerhaften R egelung fortzusetzen. 3.8.7 Zehnte Sitzung des Ministerrates Erklarung des Ministerrates, Porto, 6-7. Dezember 2002 (4) 1. W ir sind nach wie vor zutiefst besorgt dariiber, dass es trotz des verstarkten D ialogs zwischen den Parteien und trotz der aktiven Unterstiitzung durch die Co-Vorsitzenden der Minsker Gruppe nicht gelungen ist, eine Losung im Konflikt um Berg-Karabach herbeizuffihren. W ir stellen emeut fest, dass die rasche Beilegung dieses langw ierigen Konflikts zu dauerhaftem Frieden sowie zu anhaltender Sicherheit, Stabilitat und Zusammenarbeit im siidlichen Kaukasus beitragen wird. 2. W ir betonen em eut, wie wichtig eine Fortsetzung der Friedensgesprache ist, und fordem die Seiten dazu auf, ihre Bemiihungen um eine rasche Losung des Konflikts auf der Grundlage der Normen und Grundsatze des Volkerrechts fortzufiihren. Wir ermutigen die Parteien fem er dazu, weitere MaBnahmen zu erkunden. die das gegenseitige Vertrauen starken. 3. W ir begriiBen es, dass sich die Parteien zur Feuereinstellung und zur H erbeifuhrung einer friedlichen und umfassenden Regelung verpflichtet haben. W ir begriiBen insbesondere die fortgesetzten Treffen zwischen den Prasidenten von Armenien und Aserbaidschan und ihren Sonderbeauftragten. W ir ermutigen die Parteien, ihre 354 Bemiihungen um eine gerechte und dauerhafte Losung mit aktiver Unterstiitzung durch die Co-Vorsitzenden fortzusetzen. Beilage 3 zu den Erklarungen Interpretative Erklarung gemaB Punkt 79 (Kapitel 6) der Schlussempfehlungen der Helsinki-Konsultationen Die Delegation Aserbaidschans: ..In Bezug auf den soeben verabschiedeten Beschluss des 10. Treffens des OSZE-Ministerrats mochte ich eine interpretative Erklarung gemaB Absatz 79, Kapitel 6 der Schlussempfehlungen der Helsinki-Konsultationen abgeben: Die Republik Aserbaidschan hat sich dem Konsens zur Erklarung iiber den Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan ausgehend von den folgenden Grundsatzen der OSZE angeschlossen, die wie folgt lauten: .Die Teilnehmerstaaten werden die territoriale Integritat eines jeden Teilnehmerstaates achten. Dementsprechend werden sie sich jeder mit den Zielen und Grundsatzen der Charta der Vereinten Nationen unvereinbaren Handlung gegen die territoriale Integritat, politische Unabhangigkeit oder Einheit eines jeden Teilnehmerstaates enthalten, insbesondere jeder derartigen Handlung, die eine Androhung oder Anwendung von Gewalt darstellt. Die Teilnehmerstaaten werden ebenso davon Abstand nehmen, das Territorium eines jeden anderen Teilnehmerstaates zum Gegenstand einer militarischen Besetzung oder anderer direkter oder indirekter GewaltmaBnahmen unter Verletzung des Volkerrechts oder zum G egenstand der Aneignung durch solche MaBnahmen oder deren Androhung zu machen. Keine solche Besetzung oder Aneignung wird als rechtmaBig anerkannt werden. Die Republik Aserbaidschan mochte dariiber hinaus betonen, dass der G rundsatz des Rechts der Volker auf Selbstbestimmung gemaB dem folgenden Prinzip der Schlussakte von Helsinki auszuuben ist: ,D ie Teilnehmerstaaten werden die Gleichberechtigung der Volker und ihr Selbstbestimmungsrecht achten, indem sie jederzeit in U bereinstim m ung mit den Zielen und Grundsatzen der Charta der 355 Vereinten N ationen und den einschlagigen Normen des Volkerrechts handeln, einschlieBlich jener, die sich a u f die territoriale Integritat der Staaten b ezieh en / Ferner erklart die Republik Aserbaidschan, dass der Konflikt zwischen A rm enien und Aserbaidschan nur auf der Grundlage der vollen A chtung der territorialen Integritat Aserbaidschans beigelegt werden kann, das heifit: eindeutige Anerkennung der territorialen Integritat Aserbaidschans, zu dem untrennbar die Region Berg-Karabach gehort, durch Arm enien - sofortiger und bedingungsloser Abzug der armenischen Besatzungstruppen aus alien Gebieten Aserbaidschans, einschlieBlich der Region Berg-K arabach - H erbeifuhrung aller Bedingungen, die die sichere Riickkehr der zw angsvertriebenen aserbaidschanischen Bevolkerung in ihre Gebiete begiinstigen Die Republik Aserbaidschan erklart ferner, dass unabhangig davon, welche Form der Selbstverwaltung fur die in der Region BergKarabach von Aserbaidschan lebende armenische Gemeinde ausgearbeitet wird, sie jedenfalls nur auf der Grundlage der vollen Achtung der territorialen Integritat Aserbaidschans moglich sein wird. Ich ersuche, diese Erklarung dem Journal des Tages beizufugen.“ 3.8.8 Elfte Sitzung des Ministerrates Erklarung des Vorsitzenden, Maastricht, 1.-2. Dezember 2003 Die M inister zeigten sich zutiefst besorgt, dass es noch immer nicht gelungen ist, den Konflikt um Berg-Karabach beizulegen. Sie bekraftigten ihre Uberzeugung, dass eine rasche Losung dieses seit langem andauem den Konflikts zu dauerhaftem Frieden sowie zu Sicherheit, Stabilitat und Zusamm enarbeit in der Region Sudkaukasus beitragen werde. Die M inister verw iesen neuerlich auf die Wichtigkeit, neue Impulse im Friedensdialog zu setzen, und forderten die Parteien auf, sich noch entschlossener um eine baldige Losung des Konflikts auf der Grundlage der N orm en und Grundsatze des Volkerrechts zu 356 bemiihen. Sie legten den Parteien auch nahe, iiber weitere MaBnah­ men nachzudenken, die das gegenseitige Vertrauen starken konnten. Die Minister begruBten das Bekenntnis der Parteien zur Waffenruhe und zur Herbeifuhrung einer friedlichen und umfassenden Losung. Nun, da die Prasidentenwahlen in Armenien und Aser­ baidschan voriiber seien, biete sich eine neue Chance auf Fortschritte in den Gesprachen. Sie forderten die Parteien eindringlich auf, ihre Bemiihungen um eine gerechte und dauerhafte Regelung mit aktiver Unterstiitzung der Co-Vorsitzenden der Minsker Gruppe ehestmoglich fortzusetzen. Erklarung der Delegation Aserbaidschans Herr Vorsitzender, die Republik Aserbaidschan bedauert, dass kein Konsens hinsichtlich der Erklarung des Ministerratstreffens zum Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan zustande kam. Der Standpunkt meiner Regierung in dieser Frage wurde in der OSZE bei zahlreichen Gelegenheiten dargelegt. Heute halte ich es ftir notwendig, die wesentlichen Elemente dieses Standpunkts zu wiederholen. Im Prozess der Beilegung des Konflikts zwischen Armenien und Aserbaidschan gehen wir von den folgenden OSZE-Prinzipien aus: ..Die Teilnehmerstaaten werden die territoriale Integritat jedes Teilnehmerstaats achten. Dementsprechend werden sie sich jeder mit den Zielen und Grundsatzen der Charta der Vereinten Nationen unvereinbaren Handlung gegen die territoriale Integritat, politische Unabhangigkeit oder Einheit eines jeden Teilnehmerstaats enthalten, insbesondere jeder derartigen Handlung, die eine Androluing oder Anwendung von Gewalt darstellt. Die Teilnehmerstaaten werden ebenso davon Abstand nehmen, das Territorium eines anderen Teilnehmerstaats zum Gegenstand einer militarischen Besetzung oder anderer direkter oder indirekter GewaltmaBnahmen unter Verletzung des Volkerrechts oder zum Gegenstand der Aneignung durch solche MaBnahmen oder deren Androhung zu machen. Keine solche Besetzung oder Aneignung wird als rechtmaBig anerkannt werden." Die Republik Aserbaidschan mochte dariiber hinaus betonen, dass der G rundsatz des Rechts der Volker auf Selbstbestimmung gemaB dem folgenden Prinzip der Schlussakte von Helsinki auszuiiben ist: 357 „Die Teilnehm erstaaten werden die Gleichberechtigung der Volker und ihr Selbstbestimm ungsrecht achten, indem sie jederzeit in Ubereinstim m ung mit den Zielen und Grundsatzen der Charta der Vereinten N ationen und den einschlagigen Normen des Volkerrechts handeln, einschlieBlich jener, die sich auf die territoriale Integritat der Staaten beziehen.“ Fem er erklart die Republik Aserbaidschan, dass der Konflikt zwischen Arm enien und Aserbaidschan nur auf der Grundlage der vollen Achtung der territorialen Integritat Aserbaidschans beigelegt werden kann, das heiBt: eindeutige Anerkennung der territorialen Integritat Aserbaidschans, zu dem untrennbar die Region BergKarabach gehort, durch Armenien; sofortiger und bedingungsloser Abzug der arm enischen Besatzungstruppen aus alien Gebieten Aserbaidschans, einschlieBlich der Region Berg-Karabach; Herbeifuhrung aller Bedingungen, die die sichere Riickkehr der zw angsvertriebenen aserbaidschanischen Bevolkerung in ihre Gebiete begunstigen. Die Republik Aserbaidschan erklart femer, dass unabhangig davon, welche Form der Selbstverwaltung fur die in der aser­ baidschanischen Region Berg-Karabach lebende armenische Gem einde ausgearbeitet wird, sie jedenfalls nur auf der Grundlage der vollen Achtung der territorialen Integritat Aserbaidschans moglich sein wird. Zutiefst enttauscht begehen wir den zehnten Jahrestag der Verabschiedung der Resolutionen Nr. 822, 853, 874 und 884 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen, in denen der sofortige, vollstandige und bedingungslose Abzug der Besatzungskrafte aus alien besetzten Gebieten Aserbaidschans und die Riickkehr der Vertriebenen in ihre Heimatorte gefordert wird. Bedauerlicherweise hat Arm enien bisher keine dieser Sicherheitsratsresolutionen umgesetzt. W ir erwarten, dass die OSZE entschlossen handelt, um den Folgen der arm enischen A ggression gegen die Republik Aserbaidschan ein Ende zu setzen, und dass sie - in Umsetzung ihrer eigenen Beschliisse - sofortige Schritte im Hinblick auf eine politische Vereinbarung iiber die Beendigung des bewaffneten Konflikts untemimmt, deren Um setzung die gravierendsten Folgen des Konflikts fur alle Parteien 358 beseitigt und die Einberufung der Minsk-Konferenz der OSZE ermoglicht. Ich ersuche, diese Erklarung dem Journal des Tages beizufugen. 3.8.9 Zwolfte Sitzung des Ministerrates III. Erklarung des Ministerrates Konflikt, Sofia, 6-7. Dezember 2004 zum Berg-Karabach- Wir wiirdigen die 2004 zur Beilegung des Berg-KarabachKonflikts erzielten Fortschritte, insbesondere die drei Treffen der Prasidenten Armeniens und Aserbaidschans unter der Schirmherrschaft der Co-Vorsitzenden der Minsker OSZE-Gruppe. Wir begriiBen auch die Einrichtung des so genannten „Prager Prozesses", in dessen Rahmen vier Treffen zwischen den AuBenministern beider Lander die neuerliche systematische Priifung aller Parameter fur eine kiinftige Konfliktbeilegung ermoglichten. Wir nehmen zur Kenntnis, dass die Co-Vorsitzenden der Minsker OSZE-Gruppe, ausgehend von den Ergebnissen des „Prager Prozesses", beiden Prasidenten im September in Astana einen Rahmen unterbreiteten, der als Grundlage fur eine Konfliktbeilegung dienen konnte. Wir laden die Prasidenten Armeniens und Aserbaidschans ein, diesen Rahmen in Bctracht zu ziehen und davon ausgehend weitere Schritte zu setzen. Wir fordern die Parteien mit Nachdruck auf, ihre Anstrengungen im Hinblick auf die rasche Beilegung des Berg-Karabach-Konflikts im Rahmen der Minsker OSZE-Gruppe zu verdoppeln. 3.8.10 Dreizehnte Sitzung des Ministerrates III. Erklarung des Ministerrates zu dem Konflikt, mit d em sich die Minsker OSZE-Gruppe befasst, Laibach, 5.-6. Dezember 2005 Wir nehmen mit Befriedigung Kenntnis von den Fortschritten in den Berg-Karabach-Verhandlungen im Jahr 2005 durch den „Prager Prozess" und insbesondere die beiden Treffen der Prasidenten Armeniens und Aserbaidschans in Warschau bzw. Kasan unter der Schirm herrschaft der Co-Vorsitzenden der Minsker OSZE-Gruppe. 359 Unserer Auffassung nach sind die Parteien nun bereit, von der Verhandlungsphase in die Beschlussphase uberzugehen, und betrachtliche Vorteile sind fur alle in greifbare Nahe geriickt. Wir erm utigen die Prasidenten Armeniens und Aserbaidschans, die sich bietende Gelegenheit zu nutzen und im kommenden Jahr im Rahmen des M insker OSZE-Prozesses entscheidende Fortschritte bei der Losung des Konflikts zu erzielen. Anmerkungen des Autors zu den KSZE/OSZE-Dokumenten Die Diskussion iiber die Anwendbarkeit des Grundsatzes der Selbstbestim m ung im Kontext der Abspaltung bei der Regelung eines Konfliktes erreichte au f dem OSZE-Gipfel in Lissabon (1996) ihren Hohepunkt. Hier w urden die von den Co-Vorsitzenden der Minsker Gruppe empfohlenen drei Grundsatze, die Teil der Regelung werden sollten, veroffentlicht: 1. Die territoriale Integritat der Republik Arm enien und der Republik Aserbaidschan; 2. Der in einer auf Selbstbestim m ung basierten Vereinbarung definierte und BergKarabach die hochste Stufe der Selbstbestimmung innerhalb von A serbaidschan verleihende rechtliche Status von Berg-Karabach; 3. Die garantierte Sicherheit Berg-Karabachs und seiner gesamten Bevolkerung, einschlieBlich der gemeinsamen Verpflichtung der Gew ahrleistung der Einhaltung der Bestimmungen der Regelung durch alle Parteien. Diese Grundsatze wurden von alien OSZETeilnehm erstaaten unterstiitzt, mit Ausnahme von Armenien, das sich auf die OSZE-Schlussakte von Helsinki und den dort genannten G rundsatz der Selbstbestim m ung der Volker berief. Die Selbstbestim m ung wird in den Dokumenten der OSZE ausschlieBlich im innenpolitischen Kontext genannt und sieht die Verwirklichung dieses Rechts innerhalb der Grenzen der territorialen Rahmen der Republik Aserbaidschan vor. Hier sei daran erinnert, dass die Bestim m ung Uber die Selbstbestimmung in der Erklarung von Helsinki zwar deren Anw endbarkeit auBerhalb der Grenzen des kolonialen Kontextes bestatigt, der Bezug auf „alle V6lker“ jedoch ausschlieBlich die V olker souveraner Staaten und die Freiheit ihrer friedlichen Selbstbestim m ung meint. Die wechselseitige Beziehung zwischen der Selbstbestim m ung der Volker und der Einhaltung der M enschenrechte betonend, erlauterte die Erklarung von Helsinki, dass 360 sie unter ,,innerer“ Selbstbestimmung die fortgesetzte M oglichkeit der Volker versteht, eine neue soziale oder politische Ordnung zu wahlen und zur Freiheit von einer autoritaren oder totalitaren Herrschaft zu streben. Die in Bukarest, Porto, Maastricht und Laibach verabschiedeten Beschlusse bzw. Erklarungen des OSZE-Ministerrates bestatigten, dass die drei oben genannten Prinzipien nur im Lichte des geltenden Volkerrechts juristisch korrekt ausgelegt werden konnen. Einige Schwachen der Tatigkeit der Minsker Gruppe und der O S Z E zur friedlichen Losung des Berg-Karabach-Konfliktes. Bekanntlich ereigneten sich die tragischen Geschehnisse in BergKarabach auf dem Hintergrund der Tatigkeit der Minsker KSZEGruppe, die vom UN-Sicherheitsrat Vollmachten zur Ergreifung von MaBnahmen zur W iederherstellung des Friedens, der Stabilitat und Ordnung in der Region bekommen hatte. Jedoch schon seit mehr als 16 Jahren ist es der M insker Gruppe nicht gelungen, eine friedliche Regelung des Konflikts zu erzielen. Eine Reihe autoritativer Experten ist der Auffassung, dass die CoVorsitzenden der Minsker Gruppe anfanglich das Bestreben hatten, den Konflikt einzufrieren und keine realen und effektiven Aktionen zu dessen endgultiger Losung zu unternehmen. Ein Grund dafur konnte der Wunsch der Vermittlungsstaaten sein, vorrangig ihre eigenen geopolitischen Aufgaben in einem strategisch wichtigen Fleckchen Erde, im Sudlichen Kaukasus, zu losen.471 Die Aktivitaten der Minsker KSZE-Gruppe, einschlieBlich der diversen diplomatischen Bemiihungen, zielten hauptsachlich auf die Verhiitung von Krieg oder einzelnen militarischen Aktionen in der international festgelegten Konfliktzone ab. Das bedeutet, dass die CoVorsitzenden der Minsker Gruppe um die Erhaltung eines „negativen Friedens" bemiiht waren, der jedoch fur Berg-Karabach vollig unzureichend ist. An sich ist die Erreichung eines solchen Friedens ein Erfolg, nach dem ein „positiver Friede“ anzustreben ist. Jedoch hat die M insker Gruppe fur die Erzielung des letzteren wenig unternommen. Die „relative Untatigkeit" kann folgendermaBen erklart werden. Die 4 'Nuriew I., Salimow K. Realii i perspektivy uregulirowanija karabachskogo konflikta (Realien und Perspektiven der Regelung des Karabach-Konfliktes), in: Zentralnaja Asija i Kawkas (Zentralasien und der Kaukasus), Nr. 6 2002, S. 8. 361 M insker Gruppe ist keine autonome Institution: die Tatigkeit der V erm ittler wird durch Bereitstellung der entsprechenden Ressourcen der Staaten, aus denen die Co-Vorsitzenden kommen, sanktioniert und selbstverstandlich auch realisiert. Die M insker Gruppe wurde eine Plattform, auf der „politische Spiele“ begannen, die keinen direkten Bezug zu Berg-Karabach hatten, sondem eher mit den geopolitischen Interessen im Stidkaukasus verbunden waren. Die USA hofften, aufgrund der Teilnahme an diesen Verhandlungen ihre politische, wirtschaftliche und militarische Einflusssphare in der Region auszuweiten, was ihnen teilweise auch gelang. Russland war als einer der wichtigsten Player in der Region um die Erhaltung und Festigung seiner Hegemonie bemuht. Frankreich strebte danach, von der Europaischen U nion untersttitzt, durch seine Gegenwart in der M insker Gruppe gleichsam eine europaische Beteiligung an der Losung der grundlegenden wirtschaftlichen Probleme des Sudkaukasus geltend zu machen. Danach fiihrte die Konfrontation der strategischen Interessen Russlands, der USA, der Europaischen Union und der NATO und der regionalen Gegensatze zwischen dem Iran und der Tiirkei zur Entstehung einer so kom plexen und vielschichtigen Situation, dass die so zahlreichen V erhandlungen iiber Berg-Karabach wenig erbrachten und - sagen wir es unverbliimt - nur in eine geopolitische Sackgasse fuhrten. AuBerdem haben es die Diplomaten der Minsker Gruppe bis dato vorgezogen, politische Fragen der Regelung des Konfliktes zu erortem und sich nur selten daran erinnert, dass der Konflikt auch ernste rechtliche Aspekte hat. Natiirlich wird die Losung des Karabach-Konflikts kaum rein politisch - oder eher - juristisch sein konnen, „sondem auch m it obligatorischer Beachtung der juristischen A spekte“ .472 Es ist selbstverstandlich, dass die Vermittler, indem sie ihre Aufm erksam keit au f den tatsachlich wichtigen politischen Aspekt lenken, die Verm ittlungsschritte nach ihrer Eignung und geeigneten Dauer danach abstim m en konnen. Dabei ist auch der nicht unwichtige Um stand nicht zu vergessen, dass Armenien ein strategischer Verbtindeter Russlands im Siidkaukasus ist, und Verbundete werden 1. Die Parlamentarische Versammlung bedauert, dass der Konflikt in der Region Berg-Karabach auch zehn Jahre nach Ausbruch der bewaffneten Feindseligkeiten noch immer ungelost ist. Hunderttausende sind noch immer vertrieben und leben unter elenden Bedingungen. Betrachtliche Teile des Territoriums von Aserbaidschan sind noch immer von armenischen Streitkraften besetzt, und die Region Berg-Karabach wird weiterhin durch separatistische Krafte kontrolliert. 2. Die Versammlung auBert ihre Besorgnis daruber, dass die militarischen Aktionen und die weit verbreiteten ethnischen Feindseligkeiten, die diesen vorausgingen, zu einer groBflachigen ethnischen Vertreibung und der Schaffung mono-ethnischer Gebiete gefuhrt haben, die dem schrecklichen Konzept der ethnischen Sauberung gleichen. Die Versammlung bekraftigt, dass die Unabhangigkeit und Loslosung einer Teilregion von einem Staat nur durch einen gesetzmaBigen und friedlichen Prozess herbeigefiihrt werden konnen, basierend a u f demokratischer Unterstiitzung durch die Bew ohner eines solchen Gebietes und nicht im Nachgang eines 472Siehe den Artikel des Co-Vorsitzenden der Minsker Gruppe von Russland W. Kasimirow in „Nesawisimaja gaseta“, 27 Mai 2002. 4 ’Siehe: Mihalka M. Restructuring European Security // Transition, Vol.l, No. 11, 30 june 1995. P. 3. 362 gewohnlich unabhangig davon verteidigt, ob sie Recht haben oder nicht. Wenn man beriicksichtigt, dass rund 42 Prozent des OSZEHaushalts aus Beitragen der USA, Deutschlands, GroBbritanniens und Frankreichs gedeckt wird, so wird das grundlegende strukturelle Ungleichgewicht in dieser Organisation offenbar. Es gibt in der Tatig­ keit dieser Organisation auch andere augenfallige Ungleichgewichte: ein funktionales, ein geographisches, ein thematisches u.a. Dabei wollen nach Meinung vieler Experten die Basislander der OSZE langst nicht immer eine feste Stabilitat in Konfliktregionen herstellen; vielmehr wird ein Konzept der „kontrollierten Instabilitat“ verfolgt, nach dem das strategische Ziel die Festigung der eigenen politischen und wirtschaftlichen Interessen ist.473 3.9 Resolution 1416 (2005) der Parlamentarischen Versammlung des Europarates 363 bewaffneten Konfliktes, der zu ethnischer Vertreibung und einer defacto-Annexion eines solchen Gebietes durch einen anderen Staat fuhrt. Die Versam m lung erklart erneut, dass die Besetzung eines auslandischen Staatsgebietes durch einen Mitgliedstaat eine schwerwiegende V erletzung der Verpflichtungen dieses Staates als Mitglied des Europarates darstellt und bekraftigt das Recht der aus dem Konfliktgebiet vertriebenen Personen au f Riickkehr in ihre Heimat in Sicherheit und Wurde. 3. Die Versam m lung verweist au f die Resolutionen 822 (1993), 853 (1993), 874 (1993) und 884 (1993) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen und fordert die betroffenen Parteien nachdriicklich auf, diesen Resolutionen nachzukommen, insbesondere dadurch, dass sie A bstand von bewaffneten Feindseligkeiten nehmen und militarische Krafte aus alien besetzten Gebieten abziehen. Die Versammlung schlieBt sich fem er der in der Resolution 853 (1993) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen erhobenen Forderung an und fordert alle M itgliedstaaten nachdriicklich auf, Abstand zu nehmen von der Lieferung jedw eder Waffen und Munition, die zu einer Verscharfung des Konfliktes oder zur fortgesetzten Besetzung des Gebietes ffihren konnten. 4. Die V ersam m lung verweist darauf, dass sowohl Armenien als auch Aserbaidschan sich m it ihrem Beitritt zum Europarat im Januar 2001 verpflichtet haben, nur friedliche Mittel fur die Losung des Konfliktes anzuwenden, indem sie von jeder Androhung des Einsatzes von Gewalt gegen ihre N achbam absehen. Gleichzeitig verpflichtete sich Armenien, seinen betrachtlichen Einfluss iiber Nagomo-Karabach zu nutzen, um eine Losung des Konflikts zu fordem. Die Versammlung fordert beide Regierungen nachdriicklich dazu auf. diese Verpflichtungen einzuhalten und vom Einsatz von Truppen und von der Propagierung m ilitarischer Handlungen abzusehen. 5. Die Versam m lung verw eist darauf, dass sich der Ministerrat der Konferenz fur Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) im Marz 1992 in Helsinki darauf verstandigt hatte, eine Konferenz in Minsk abzuhalten, um ein Verhandlungsforum fur eine friedliche Losung des Konfliktes anzubieten. Armenien, Aserbaidschan, Belarus, die ehemalige Tschechische und Slowakische Federative Republik, Frankreich, D eutschland, Italien, die Russische Foderation, Schweden. die Tiirkei und die V ereinigten Staaten von Amerika vereinbarten zu 364 diesem Zeitpunkt, sich an dieser Konferenz zu beteiligen. Die Versammlung fordert diese Staaten auf, ihre Anstrengungen zu verstarken im Hinblick au f eine friedliche Losung des Konfliktes und ladt deren nationale Delegationen bei der Versammlung ein, der Versammlung jahrlich iiber MaBnahmen ihrer Regierungen in diesem Zusammenhang zu berichten. Zu diesem Zweck fordert die Versam­ mlung ihr Presidium auf, einen Ad-hoc-Ausschuss einzusetzen, dem unter anderem die Leiter dieser nationalen Delegationen angehoren sollen. 6. Die Versammlung wiirdigt die unermiidlichen Anstrengungen der Co-Vorsitzenden der Minsker Gruppe und des Personlichen Beauftragten des amtierenden OSZE-Vorsitzenden, insbesondere weil diese Bemiihungen im Mai 1994 zu einem Waffenstillstand gefuhrt haben und ab diesem Zeitpunkt die Einhaltung dieses VVaffenstillstandes iiberwacht wurde. Die Versammlung fordert die Co-Vorsitzenden der Minsker OSZE-Gruppe auf, SofortmaBnahmen zu ergreifen, um unverziiglich Verhandlungen im Hinblick auf den Abschluss einer politischen Vereinbarung iiber die Einstellung des bewaffneten Konfliktes herbeizufiihren. Die Umsetzung dieser MaBnahmen wird wichtige Konsequenzen des Konfliktes fur alle Parteien beseitigen und die Einberufung der Minsk-Konferenz ermoglichen. Die Versammlung fordert Armenien und Aserbaidschan auf. den Minsk-Prozess der OSZE zu nutzen und sich gegenseitig auf dem Wege iiber die Minsker Gruppe ihre konstruktiven Vorschlage fur die friedliche Losung des Konfliktes im Einklang mit den einschlagigen Normen und Prinzipien des Volkerrechts zu iibermitteln. 7. Die Versammlung verweist darauf, dass Armenien und Aser­ baidschan Unterzeichnerstaaten der Charta der Vereinten Nationen sind und dass sie in Ubereinstimmung mit Artikel 93 Abs. I der Charta ipso facto Vertragsparteien des Statuts des Internationalen Gerichtshofes sind. Daher schlagt die Versammlung vor, dass falls die Verhandlungen unter der Schirmherrschaft der Co-Vorsitzenden der M insker Gruppe fehlschlagen sollten, Armenien und Aserbaidschan in Betracht ziehen sollten, die Hilfe des Internationalen Gerichtshofes zu nutzen im Einklang mit Artikel 36 Abs. 1 des Statuts des Gerichts­ hofes. 365 8. Die V ersam m lung fordert Arm enien und Aserbaidschan auf, die politische A ussohnung untereinander zu fordem durch Verstarkung ihrer bilateralen interparlam entarischen Zusammenarbeit im Rahmen der V ersam m lung sowie in anderen Foren, wie z. B. den Treffen der Parlam entsprasidenten des Kaukasischen Quartetts. Sie schlagt vor, dass beide D elegationen sich au f jed er Teilsitzung der Versammlung treffen, um Fortschritte im Hinblick auf diese Aussohnung zu iiberpriifen. 9. Die V ersam m lung fordert die Regierung von Aserbaidschan auf. ohne Vorbedingungen Kontakte zu den politischen Vertretem beider G em einschaften in der Region Berg-Karabach in Bezug auf den zukiinftigen Status der Region herzustellen. Sie ist bereit. Einrichtungen fur derartige Kontakte in StraBburg zur Verfligung zu stellen und erinnert daran, dass sie dies bei friiheren Anlassen mit arm enischer B eteiligung in Form einer Anhorung getan hat. 10. Unter Flinweis a u f ihre Em pfehlung 1570 (2002) iiber die Lage der Fliichtlinge und V ertriebenen in Armenien, Aserbaidschan und Georgien fordert die Versammlung alle Mitgliedund Beobachterstaaten auf, humanitare Hilfe und Unterstiitzung fur die H underttausende von Vertriebenen infolge der bewaffneten Feindseligkeiten und V ertreibung von Personen armenischer Abstammung aus A serbaidschan und Personen aserbaidschanischer Abstammung aus Arm enien anzubieten. 11. Die V ersam m lung verurteilt jede von den Medien in Armenien und Aserbaidschan zum Ausdruck gebrachte Form von Hass. Die V ersam m lung fordert Arm enien und Aserbaidschan auf, Aussohnung. V ertrauensbildung und gegenseitiges Verstandnis zwischen ihren V olkern in Schulen, Universitaten und mit Hilfe der Medien zu fordem . Ohne eine derartige Aussohnung werden Hass und Misstrauen die Stabilitat in der Region verhindem und moglicherweise zu neuer Gew alt fiihren. Ein solcher Aussohnungsprozess muss jeder dauerhaften Losung vorausgehen und in diese eingebettet sein. 12. Die V ersam m lung fordert den Generalsekretar des Europarates auf, einen A ktionsplan fur eine gezielte Unterstiitzung von Armenien und A serbaidschan zu erstellen, der das Ziel eines Aussohnungsprozesses zw ischen beiden Seiten verfolgt, und diese EntschlieBung bei Beschliissen iiber M aBnahmen in Bezug auf Armenien und Aser­ baidschan zu beriicksichtigen. 366 13. Die Versammlung fordert den Kongress der Gemeinden und Regionen des Europarates auf, die auf kommunaler Ebene gewahlten Vertreter von Armenien und Aserbaidschan dabei zu untersffitzen, Kontakte untereinander und eine Zusammenarbeit zwischen den Regionen aufzubauen. 14. Die Versammlung beschlieBt, die innerhalb des Europarates bestehenden Mechanismen zur Konfliktlosung zu analysieren, insbesondere das Europaische Ubereinkommen zur friedlichen Beilegung von Streitigkeiten, um ihren Mitgliedstaaten bessere Mechanismen fur die friedliche Losung bilateraler Konflikte sowie intemer Streitigkeiten, an denen kommunale oder regionale Gebietskorperschaften oder Behorden beteiligt sind, die die Menschenrechte, die Stabilitat und den Frieden gefahrden konnten, anbieten zu konnen. 15. Die Versammlung beschlieBt, auf regelmaBiger Grundlage die friedliche Losung dieses Konfliktes weiterhin zu iiberwachen und beschlieBt, sich emeut mit dieser Frage auf ihrer ersten Teilsitzung im Jahre 2006 zu befassen. Anmerkungen des Autors zu den Dokumenten des Europarates Das Komitee betont, dass eine langfristige Losung zur Regelung des Konfliktes nur auf der Grundlage der Einhaltung des geltenden Volkerrechts, der Grundsatze und der Pflichten der Mitglieder des Europarates und der OSZE, insbesondere der Unantastbarkeit der international anerkannten Staatsgrenzen, der vom volkerrechtlichen Standpunkt territorialen Integritat eines Staates, des Schutzes von Minderheiten und der Einhaltung der Menschenrechte und den Grundfreiheiten gefunden werden kann. In den Dokumenten des Ministerkomitees ist auch eine sehr wichtige Bestimmung enthalten, nach der zwischen den einzelnen Grundsatzen des Volkerrechts keine Hierarchie besteht, unabhangig davon, ob sie in einem konkreten Fall angefuhrt werden oder nicht. Das Ministerkomitee hat auch wiederholt betont, dass die Anwendung von Gewalt mit dem Ziel der Besetzung von Gebieten souveraner, international anerkannter Staaten illegal und inakzeptabel ist und eine grobe Verletzung der Pflichten der M itgliedsstaaten des Europarates darstellt. 367 4. Tabellen Tabelle 1: Die Bevolkerung der Region Karabach 1831-1916474 Jahr Verwaltungseinheit 1831/33 Provinz Karabach 1886 1916 Ujesde Dschawanschir, Schuscha und Korjaga Ujesde Dschawanschir, Schuscha und Korjaga Volk 1886 Aserbaidschaner 35046 64% 119818 52,5% Armenier 19805 36% 1008234 44,2% A ndere - 182886 59% 119176 38,4% 8128 2,6% Verwaltungseinheit 1829 Armenischer Oblast 1831/33 Armenischer Oblast Volk Aserbaidschaner Armenier K.A. 25131 81749 82357 Andere K.A. 344 414Siehe Mammadow Ilgar, Musaew Tofik. Armjano-aserbajdschanskij konflikt. Istorija. Prawo. Posrednitschestwo. (Der armenisch-aserbaidschanische Kon­ flikt. Geschichte. Recht. Vermittlung.) Tula, Grif 2006, S. 21. Verwendete Materialien: Obosrenie Rossijskich wladenij sa Kawkasom, (Ubersicht uber die russischen Besitztumer jenseits des Kaukasus) Teil 1. Sankt-Petersburg: Tipografija deportamenta wneschnej torgowli, 1836, Tabelle B; Svvod statistitscheskich dannych о naselenii Sakawkasskogo kraja, iswletschjonnych is posemejnych spiskow 1886. Isdan po rasporjascheniju Glawnonatschalstwujuschtschego graschdanskoju tschastiju na Kawkase Sakawkasskim statistitscheskim komitetom. (Sammelband statistischer Daten iiber die Bevolkerung des Transkaukasischen Kreises, entnommen aus Familienverzeichnissen 1886. Herausgegeben vom Statistikausschuss auf Anordnung des Oberkommandierenden der Zivilabteilung im Kaukasus.Tifiis. Tipografija I. Martirosjanza 1893; Kawkasskij kalendar na 1917 (Kaukasischer Kalender fur 1917) I. P. Strelschtschuk (Red.), Tiflis, Tipografija Konzeljarii Namestnika E. i. B. im Kaukasus, 1916, S. 190-197. 475Mammalow Ilgar, Musaew Tofik. Armjano-aserbajdschanskij konflikt. Istorija. Prawo. Posrednitschestwo. (Der armenisch-aserbaidschanische Kon­ flikt. Geschichte. Recht. Vermittlung.) Tula, Grif 2006, S. 21. 368 1916 49,7% 165811 37,9% 251057 37,4% 374482 33,4% Gouvernement Eriwan Gouvernement Eriwan Gouvernement Eriwan 50,1% 240000 54,8% 375700 56% 669871 59,8% 0,2% 31908 7,2% 43648 6,5% 175889^ 6,8% Tabelle 3: Daten zur so/ialen Entwicklung des Autonomen Gebiets Berg-Karabach, der Aserbaidschanischen SSR, der Armenischen SSR und der U d S S R im Vergleich476 Tabelle 2: Bevolkerung der Region Eriwan 1829-1916475 Jahr 1865 Auf Einwohner 10.000 N K A О Krankenhausbetten Versorgung mit Arzten mit hoherer Bildung aller Fachrichtungen Versorgung mit Arzten mit mittlerer Bildung Anzahl der offentlichen Bibliotheken Anzahl der Kulturhauser und Erholungsheime Anzahl Kinotheater (Kinoanlagen) Wohnraum in qm pro Einwohner In den Stadten In den Dorfern Aserbaidscha Armenie n n UdSSR 101,7 29,1 97,7 38,4 86,2 38,6 130,1 42,7 122,7 93,5 93,5 1 14,7 13 6 4,1 4,1 15 5 3,8 4,8 11,2 3 2,9 5,4 14,6 10,9 13,7 14,9 14,4 14,6 12,2 9,2 13,1 15,0 14,3 16,1 4 6 Quelle: Akademie der Wissenschaften der Aserbaidschanischen SSR, Institut der Geschichte. Ismajlow, M.A. (Hrsg.). Sobytija wokrug NKAO w kriwom serkale falsifikatorow (Die Ereignisse um das NKAO im verzerrten Spiegel von Falschem) Elm, Baku 1989, S. 12. Tabelle 5: Index der globalen Wettbewerbsfahigkeit nach W E F Version Tabelle 4: Die Militarausgaben der GUS-Staaten 2005-2008 (in Mio. US-Dollar) Land 2006 Aserbaidschan Armenien Georgien Moldawien Kasachstan Kirgisien Tadschikistan Turkmenistan Usbekistan WeiBrussland Russland Gesamt 600 150 341 10,3 604,4 34,6 43 82,9 809,2 462 23414 28221 % des 2007 BIP in 2006 3,77 3,05 4,9 0,3 1,01 1,3 ГГ/7 0,53 5,2 1,34 2,74 2,24 % des 2008 BIP in 2007 1100 4,5 281 3,43 730 8,7 1),3 10,5 1220 1,2 40,4 1,3 52,2 1,8 113,6 0,6 909,4 4,8 512 1,2 30990 2,63 38394,1 2,31 1300 382,3 600 72,6 T385 43,9 63 213 1080 681 38861 46581,8 % des BIP in 2008 3,6 3,7 4,95 0,3 1,1 1,3 1,7 0,9 4 1,3 2,73 2,22 Anmerkungen des Autors Diese Tabelle wurde auf der Grundlage der Analyse der veroffentlichten Daten iiber die Volkswirtschaften der GUS-Staaten und ihre Haushalte fur 2008 erstellt. Fur Turkmenistan sind die Ziffem aus dem Ausgabenteil des Haushaltes angegeben. China schloss nach unbestatigten Berichten Vertrage iiber die Lieferung von 24-26 FC -l-Flugzeugen nach Aserbaidschan ab, die sowohl als Jagdflugzeuge als auch als Schlachtflugzeuge und Bomber eingesetzt werden konnen. Die Existenz einer solchen Ausrustung wiirde die Angriffsmoglichkeiten Aserbaidschans wesentlich erhohen.477 Lander USA Schweiz Danemark Singapur Estland Tschechien Litauen Slowakei Lettland Ungarn Polen Kroatien Russland Kasachstan Usbekistan Aserbaidschan Vietnam Sri Lanka Brasilien Ukraine Rumanien Georgien Armenien M oldawien Tadschikistan Kirgisistan Tschad G C I 2007-2008 Stelle im Rating 1 2 3 7 27 33 38 41 45 47 51 57 58 бГ 62 66 68 70 72 73 74 90 93 97 117 119 131 Index 5,67 5,62 5,55 5,45 4,74 4,58 4,49 4,45 4,41 4,35 4,28 4,20 4,19 4,14 4,13 4,07 4,04 J ,9 9 3,99 3,98 3,97 3,83 3,76 3,64 3,37 3,34 2,78 G C I 2006-2007 Stelle im Rating 1 4 3 8 26 31 39 37 44 ^38 Г45 56 59 50 - 62 l_64 81 66 h69 73 87 80 86 96 109 121 477Siehe Eksport kitajskich istrebitelej wsletit na rossijskich dwigateljach (Export chinesischer Jagdflugzeuge im Aufwind mit russischen Motoren. In: Kommersant, 20.11.2007, S. 10. 370 371 Tabelle 6: Inflation und Wachstum des BIP in der G U S 478 Land Aserbaidschan Armenien Belarus Georgien Kasachstan Kirgisistan Moldawien Russland Tadschikistan Usbekistan Ukraine Wachstum des BIP in 2007 24,7 11 108,1 12,7 8,7 6,2 3,3 7,6 7,2 7,2 7 Inflation 2007 16,5 6,6 12,0 11,0 18,8 7,3 12,1 11,9 7 7 16,6 478Quelle: Statistischer Ausschuss der GUS und IMF. 372 Prognose fur 2008 17 4 7,5 K.A. 8 5 K.A. 9 10 10 8,5 5.2 Das Monument mit der Inschrift „150 Jahre Umsiedlung“ in Agdara (Mardakert), 1978 Literaturverzeichnis Literatur in russischer und aserbaidschanischer Sprache Abdullaew G.B. Is istorii sewero-wostotschnogo Aserbajdschana w 60-80 gody XVIII weka (Aus der Geschichte des nordostlichen Aserbaidschans in den 60er80er Jahren des 18. Jahrhunderts), Baku 1958, Verlag der Akademie der Wissenschaften der Aserb. SSR, Institut der Geschichte. Abdullaew G.B. Gosudarstwennyj dejatel Aserbaidschana Fatali Chan Kubinskij (aserb.) (Der aserbaidschani­ sche Staatsmann Fatai Khan Kubinskij (aserb.)), in „Weten ugrunda“, 1943 3, S. 40-57. Abdullaew G.B. Iranskie proiski protiw Kubinskogo chanstwa i Kartli-Kachetinskogo zarstwa w 1776 i 1778 godach. (Die iranischen Intrigen gegen das Khanat Kuba und das Konigreich KartliKachetien in den Jahren 1776 und 1778.) Baku 1960, Verlag der Akad. d. Wiss. der Aserb. SSR, Serie Gesellschaftswissenschaften, 4, S. 13-24. Abdullaew G.B. Is istorii Aserbajdschana wo wtoroj polowine XVIII weka (Aus der Geschichte Aserbaid­ schans in der zweiten Halfte des 18. Jahr­ hunderts.) Baku 1960, Tr. des Institute der Geschichte der Akad. der Wissenschaften der Aserb. SSR, Bd. XIX. Abdullaew G.B. Is istorii sewero-wostotschnogo Aserbajdschana w 60-80 godach XVIII weka (Aus der Geschichte des nordostlichen Aserbaidschans in den 60er-80er Jahren des 18. Jahrhunderts), Baku 1958, Verlag der Akademie der Wissen- Q uelle: M ahm udov, Y. / S hukurov K ., G arabagh. R eal history, facts, documents, B a k u 2 0 0 5 , S. 35. 5.3 Das Mo n u m e n t zur armenischen Umsiedlung in Agdara (Mardakert) im Jahre 1987 D ie Gedenkinschrift fe h lt Q uelle: M ah m u dov, Y . / S hukurov K ., G arabagh. R e al history, facts, documents, B aku 2005, S. 35. 374 375 schaften der Geschichte. Abdullaew G.B. Abdullaew G.B. Abdullaew G.B. Aserb. SSR, Institut der К woprosu о predposylkach prisoedinenija Aserbajdschana к Rossii (Zur Frage der Voraussetzungen der Angliederung A serbaid­ schans an Russland.). Baku 1957, T rudy Objedinjonnoj nautschnoj sessii AN SSSR i AN sakawkasskich respublik po obschschestw ennym naukam. (Werke, zusam m engestellt von der wissenschaftlichen Sitzung der A kadem ie der Wissenschaften der UdSSR und der Akademie der Wissenschaften der transkaukasischen Republiken fur Gesellschaftswissenschaften) 28. Marz - April 1954. V erlag der Akademie der Wissenschaften der Aserb. SSR. S. 222-230. Sewero-wostotschnyj Aserbajdschan i Rossija wo wtoroj polowine XVIII weka (Nordost-Aserbaidschan und Russland in der zweiten Halfte des 18. Jahrhunderts.) Baku 1961. Autoreferat der Doktorarbeit. Komitee der hoheren und mittleren Fachschulbildung beim M inisterrat der Aserb. SSR, AGU im. S.M. Kirowa. W neschnjaja politika i objedinenie aserbajdschanskich semel Fatali Chanom (Aserb.) (Die AuBenpolitik und Vereinigung der aser­ baidschanischen Lander durch Fatali Khan), in ,,Teblifattschi“ 1948, S. 41-44. und der Philosophie der Akad. der W issen­ schaften der UdSSR. Aberjan M. Istorija drewnearmjanskoj literatury. (Die G e­ schichte der altarmenischen Literatur.) Verlag der Akad. d. Wiss. der Arm. SSR, Eriwan 1975. Abramjan A. G. Deschiwrowka nadpisej kawkasskich agwan (Dechiffrierung der Inschriften der kaukasischen Agwanen.) Eriwan 1964. Abramjan M.S. Is istorii kolonialno-ekspansionistskoj politiki Anglii w Sakawkase i Irane wo wtoroj polowine XVI i natschale XVII wekow. (Aus der Geschichte der kolonial-expansionistischen Politik Englands im Transkaukasus und dem Iran in der zweiten Halfte des 16. und Anfang des 17. Jahrhunderts.) Baku 1954. Autoreferat der Kandidatendissertation (AGSPI). Achmed-bek D. Adigesal-bek. M. Karabach-name. Baku 1950. Adonz, N. Armenija w epochu Justiniana. Polititscheskoe sostojanie Armenii na osnowe nachararskogo stroja. (Armenien in der justinianischen Epoche; der politische Zustand Armeniens auf der Grundlage der Gesellschaftsordnung der Nachararen). St. Petersburg 1908. Ajrapetow O. W neschnjaja politika Rossijskoj Imperii (18011914) (Die AuBenpolitik des Russischen Imperiums (1801-1914)). Moskau, Verlag ,,Ewropa“ 2006. Abdurahmanow A. Aserbajdschan w russko-irano-turezkich otnoschenijach w perwoj polowine XVI11 weka (Aserbaidschan in den russisch-iranischturkischen Beziehungen in der ersten Halfte des 18. Jahrhunderts. Baku 1953. Autoreferat der Kandidatendissertation. Institut der Geschichte 376 О polititscheskom suschtschestwowanii Karabchskogo chanstwa s 1747 po 1805 g. (Uber die politische Existenz des Khanats Karabach von 1747 bis 1805), Schuscha 1901. 377 Archiw Wneschnej Politiki Rossijskoj Imperii (Archiv der AuBenpolitik des Russischen Imperiums (AWPRI) A kty sobrannye Kawkasskoj archeografitscheskoj kom issiei (AKAK) (Akten zusammengestellt von der kaukasischen archeographischen Kom m ission.) Band 2-7, 11, Redaktion Bersche A .P. Tiflis 1867-1878. Alijev, I. Alisade A.A. N agom o-K arabach: Istorija. Fakty. Sobytija. (Berg-Karabach: Geschichte. Fakten. Ereignisse.) Baku, Elm 1989. W seobschtschaja istorijka iskusstw. (Allgem eine Kunstgeschichte). Bd. 1., Moskau, 1948. Altmann M . M . Is istorii torgowo-diplomatitscheskich swjasej M oskw y i Schirwana (Aus der Geschichte der H andels- und diplomatischen Beziehungen M oskaus und Schirwans) Baku 1947. Arbeiten des Instituts der Geschichte im. A. Bakichanowa, Akademie d. Wissensch. der Aserb. SSR, Bd. 1. K arabach do sawojewanija rossijskim zarism om . (Karabach vor der Eroberung durch das zaristische Russland) „Istoritscheskij schumal". 1938, 2, S. 68-78. A rchitektura Aserbajdschana (Die Architektur A serbaidschans). Baku 1952. 378 Arif M. Sozialno-ekonomitscheskaja und polititscheskaja istorija Aserbajdschana XIII i XIV wekow. (G eschichte Aserbaidschans im 18. und 19. Jahrhundert), Baku 1956. Alpatow M . W . Arakeljan A. Archiw ZSI MID Aserbajdschanskoj Respubliki. (Archiv des ZSI MID der Republik Aserbaidschan) Istorija aserbajdschanskoj literaturyj (kratkij otscherk) (Die Geschichte der aserbaidschani­ schen Literatur (kurzer Abriss), Verlag ,,Elm“, Baku 1971. Armjanskaja Sowjetskaja Enziklopedija (Arme­ nische Sowjet-Enzyklopadie), Band 3. Arutjunjan P. T. Oswoboditelnoe dwischenie armjanskogo naroda w perwoj tschetwerti XVII weka. (Die Befreiungsbewegung des armenischen Volkes im ersten Viertel des 17. Jahrhunderts.) Moskau 1954. Arutjunjan P.T. Borba armjanskogo i aserbajdschanskogo narodow w 20-ch godach XVIII weka sa prisoedinenie к Rossii. (Der Kampf des arm e­ nischen und des aserbaidschanischen Volkes in den 20er Jahren des 18. Jahrhunderts um die Angliederung an Russland.) Moskau 1951. W issenschaftliche Notizen des Instituts fur Ostkunde der Akad. d. Wiss. der UdSSR. Aschurbejli S.B. Baku XVI-XVI1I wekow po opisanijam puteschestwennikow. (Das Baku des 16,-18. Jahrhunderts nach Beschreibungen von Reisenden.) Baku 1947. Iswestija Akademie d. W issensch. der Aserb. SSR, Ausgabe 1, 1, S. 63-72. 379 Aserbajdschanskaja SSR, Werchownyj Sowjet (Aserbaidschanische SSR, Oberster Sowjet): Sajawlenie Komissii po rassledowaniju sobytij, imewschich mesto w gorode Baku 19-20 janw arja 1990 g. (Mitteilung des Ausschusses zur Untersuchung der Ereignisse in der Stadt B aku am 19. -2 0 . Januar 1990). Baku 1990. Aserbajschan 1987, Baky. Awakjan С. Лw a low Z. Bagirow M . D. Balaew A. Balaew A. sowjet ensiklopedijasy Bartold W. W. 1977- Is istorii rewoljuzionnoj borby trudjaschtschichsja Karabacha (1902-1905) (Aus der Geschichte des revolutionaren Kampfes der W erktatigen Karabachs (1902-1905). Eriwan 1980. Mesto prikaspijskich oblastej w istorii musulmanskogo mira. Kurs lekzij, protschitannyj w 1924 godu na wostotschnom fakultete AGU. S priloscheniem kratkich obsorow istorii turok i istorii Aserbajdschana. (Der Ort der Kaspischen Kiistengebiete in der Geschichte der islamischen Welt. Kurs von Lesungen, gegeben 1924 an der Ostlichen Fakultat der AGU). Baku 1925. Verlag „Obschtschestwa obsledowanija i isutschenija Aserbajdschana". Batalin F. Pjatigorskij kraj i Kawkasskie Mineralnye wody. (Der Bezirk Pjatigorsk und die Mineralwasser des Kaukasus) T .l, St.-Petersburg 1961. Batiaschwili G. Tschelowek is Wawilona. (Ein Mensch aus Babylon) Moskau, Text 2007. N esaw isim ost Grusii w meschdunarodnoj politike 1918-1921 (Die Unabhangigkeit Georgiens in der intemationalen Politik 1918-1921. Paris 1924. Bolschaja Enziklopedija (GroBe Enzyklopadie). Unter der Red. von S. N. Juschakow. Gesellschaft „Prosweschtschenie". St. Peters­ burg 1914. Is istorii bolschewistskoj organisazii Baku i A serbajdschana, (Aus der Geschichte der bolschewistischen Organisation von Baku und Aserbaidschan) 3. Verl. Moskau 1949. Bolschaja Sowetskaja Enziklopedija (GroBc Sowjetenzyklopadie). Red. O. Ju. Schmidt Moskau 1926 Aserbajdschanskaja Demokratitscheskaja Respublika. (Die Demokratische Republik Aser­ baidschan) Baku, Elm 1990. Borjan B. A. Karabach ot perioda nesawisimosti ADR к sowetskoj awtonomii. (Karabach von der Periode der Unabhangigkeit der DRA bis zur sowjetischen Autonomie) In: IRS, Moskau 2-3 (14-15), 2005. Armenija, meschdunarodnaja diplomatija i SSSR. (Armenien, die internationale Diplo­ matic und die UdSSR) Gosudarstwennoe isdatelstwo, Moskau-Leningrad, 1928, Teil 1. Brjusow W.J. Letopis istoritscheskich sudeb armjanskogo naroda. (Jahrbuch der historischen Schicksale des armenischen Volkes) 2. Ausgabe, Eriwan ArmFAN, 1940. 381 Bronewskij S. Now ejschie geografitscheskie i istoritscheskie iswestija о Kawkase, sobrannye i popolnennye S. Bronewskim. (Neueste geographische und historische Nachrichten uber den Kaukasus, gesam m elt und erganzt von S. Bronewskij) St. Petersburg, 1823. Bretanizkij L. S. Dw orez schekinskich chanow. (Der Palast der Khane von Scheki) Im Buch: Architektura Aserbajdschana. Baku 1952. Bunijatow S.M. О dlitelnosti prebywanija chasar w Albanii w VII-V III wekach. (Uber die Verweildauer der Hasaren in Albanien im 7.-8. Jahrhundert) Baku 1961. Verlag AN Aserb. SSR, Serie Gesellschaftswissenschaften, 1, S. 22-34. Butkow P. G. Spisok armjanskich dobrowolzew, sostawlennyj w 1829 godu. (Liste der armenischen Freiwilligen, erstellt 1829) Eriwan 1981. Bersche A. Fatali-Schach i ego deti. (Fatali-Schah und seine Kinder) Russkaja starina 1886. Khalilow Dsch., Babaew I. 382 1722 gody). (Kurze Geschichte des Albanischen Landes (1702-1722) Baku 1989. Chatschatrjan R. Puteschestwoi po Dagestanu i Sakawkasju. Tri tschasti. (Reise durch Dagestan und den Transkaukasus) Kasan 1849-1852. О gorodach Kawkasskoj Albanii. (Uber die Stadte von Kaukasisch-Albanien) „Sowetskaja archeologija“, 1975, Nr. 1. Woprosy istorii russko-armjanskich otnoschenij w russkoj dworjanskoj istoriografii XVIII weka. - Istoriko-filologitscheskij schumal, (Fragen der Geschichte der russisch-armenischen Beziehungen in der russischen hofischen Historiografie des 18. Jahrhunderts. Historisch-philologische Zeitschrift) Erewan 1977, №2. Chranowskij A. P. Tschtenija w imperatorskom obschtschestwe istorii drewnostej rossijskich pri Moskowskom Uniwersitete. (Vortragsreihe in der zaristischen Gesellschaft der Geschichte der alten Russen an der Universitat Moskau) Moskau 1972. M aterialy dlja nowoj istorii Kawkasa s 1722 po 1803 gody, w 3 tomach. (Materialien fur eine neue Geschichte des Kaukasus von 1722 bis 1803, in 3 Banden) Sankt-Petersburg 1869. Beglarjan W . A. Beresin N. Chasan-Dschalaljan E. Kratkaja istorija strany Albanskoj (1702- Chronika wojn Dschara w X VI11 stoletii. Predislowie W. Chuluflu, primetschanija E. Pachomowa. Priloschen dokument „Postanowlenie sobranija w Agdame“. (Chronik der Kriege von Dschar im 18. Jahrhundert. Vorwort von W. Chuluflu, Anmerkungen von E. Pachomow. Dokument im Anhang „Beschluss der Versammlung in AgdanT) Baku 1931. Verlag AsGNIl. Djuma A. Kawkas. (Der Kaukasus) Tbilisi, ,,Merani“, 1988. Dokumenty i materialy. Is istorii inostrannoj interwenzii w Armenii w 1918 godu. (Dokumente und Materialien. Aus der Geschichte der auslandischen Intervention in Armenien im Jahre 1918) Eriwan, Verlag der Eriwaner Universitat 1970. 383 Dolgowa S. R.; Laptewa T. A. Dschamal D.M. R ossija i Britanija XVI-XIX weka. (Russland und Britannien im 16.-19. Jahrhundert.) Moskau, Drewlechranilischtsche 2007. Istorija Karabacha. (Die Geschichte Karabachs) B aku 1959. Dekrety Sowjestkoj wlasti. Sbornik. (Dekrete der Sowjetmacht. Sammelband). Efendi, A.L. Istorija schekinskich khanow (Die Geschichte der Khane von Scheki), Baku 1926. Dschawadow G. D. Gusejnow R. A. Udini. Enziklopeditscheskij slowar F. A. Brokgausa i I. A. Efrona (Enzyklopadisches Worterbuch von F.A. Brockhaus und I. A. Efron), St.-Petersburg, 1903, t.3. Dschawanschir A. Enziklopeditscheskij slowar pod redakziej professora I. E. Andriewskogo 1890-1900 (Enzyklopadisches Worterbuch unter der Red. von Professor I. E. Andriewskij). Semjonowskaja Tipo-Litografija, S.-Petersburg Istoriko-etnografitscheskie otscherki. (Die Udinen. Historisch-ethnographische Studien.) Baku 1999. Dubrowin N. F. Dubrowin N.F. De Waal T. 384 О polititscheskom suschtschestwowanii Karabachskogo chanstwa ( s 1747 po 1805 gody) (U ber die politische Existenz des Khanats Kara­ bach (von 1747 bis 1805). Baku 1961. Reprint von: Dschewanschir A.-B. 0 polititscheskom suschtschestwowanii Karabachskogo chanstwa s 1747 po 1805 g., Schuscha, 1901. Esow G. Istorija wojny i wladytschestwa russkich na Kawkase. 6 tomow; (Die Geschichte des Krieges und der Herrschaft der Russen im Kaukasus. 6 Bande) Band 1, Buch 1-2. St.Petersburg. 1871. Pism a glawnejschich dejatelej w zarstwowanie im peratora Aleksandra 1 ( 1801-1829 ). (Briefe der wichtigsten Politiker in der Regierungszeit des Zaren A lexander I. (1801-1829). Gosudarstw ennaja publitschnaja istoritscheskaja biblioteka Rossii. (Staatliche offentliche Geschichtsbibliothek Russlands.) Moskau-2006. Tschjom yj sad. Armenija i Aserbajdschan: m eschdu m irom i wojnoj. Tekst. (Der Schwarze Garten. A rm enien und Aserbaidschan: zwischen Frieden und K rieg) M oskau 2005. Snoschenija Petra Welikogo s armjanskim narodom (Die Beziehungen Peters des GroBen zum armenischen Volk). Moskau 1898. Eschegodnik iberijsko-kawkasskogo jasykosnanija. (Jahrbuch der iberisch-kaukasischen Sprachwissenschaft) Tbilisi 1974,t. I. Etnitscheskie i regionalnye konflikty w Ewrasii. W trjoch knigach. (Ethnische und regionale Konflikte in Eurasien. In drei Biichern.) Gemeinsame Redaktion von Malaschenko A. Koppiters B., Trenin D. Moskau 1997-1998. Fadeew R. 60 let Kawkasskoj wojny; Pisma s Kawkasa; Sapiski о kawkasskich delach. (60 Jahre Kaukasuskrieg; Briefe aus dem Kaukasus; Notizen zu kaukasischen Angelegenheiten). Gosudarstwennaja istoritscheska biblioteka 385 Rossii (Staatliche Geschichtsbibliothek Russ­ lands), M oskau 2007. schtschestwa obsledowanija i isutschenija Aserbajdschana“ . Feigl E. Praw da о terrore. Armjanskij terrorism istotschniki i pritschiny. (Die Wahrheit iiber den Terror. Der arm enische Terrorismus - Quellen und Griinde). Baku 2000. Gosudarstwennyj archiw (Staatliches Archiv) Polititscheskich Partij i Obschtschestwennych Dwischenij Aserbajdschanskoj Respubliki. (Die politischen Parteien und die gesellschaftlichen Bewegungen der Republik Aserbaidschan). Florenskij P. D etjam m oim, W ospominanja proschlych dnej, G enealogitscheskie issledowanija. Is Solowezkich pisem. Saweschtschanie. (Meinen Kindem, Erinnem ngen an vergangene Tage, Genealogische Forschungen. Aus den Solowezker Briefen. Vermachtnis.) Moskau, 1992. Florenskij P. W ospom inanija i dokumenty. (Erinnemngen und Dokum ente) Nowyj schumal (New York), 2007-2008, N 249, 250, 251, 252. Gijasi Dsch. W daljokich i bliskich krajach. (In femen und nahen Gebieten) Baku 1985 (in aserb. Sprache). Glinka S. O bosrenie istorii armjanskogo naroda ot natschala bytija ego do wosroschdenija oblasti arm janskoj w Rossijskoj imperii, tsch. 1 (H istorischer Uberblick iiber das armenische V olk vom Anfang seiner Existenz bis zur Entstehung des Armenischen Oblast im Russischen Reich, Teil 1), Moskau 1832. Glinka S. Gordlewskij W . 386 Opisanie pereselenija armjan aserbajdschanskich w predely Rossii. (Beschreibung der Umsiedlung der aserbaidschanischen Armenier nach Russland.) M oskau 1831. Qara-Q oyunlu. (Is poesdki w Makinskoe chanstwo). (Qara-Qoyunlu. (Aus der Reise in das Khanat М ака) Baku 1927. Verlag „Ob- Gosudarstwennyj istoritscheskij archiw Aserbaj­ dschanskoj Respubliki. (Staatliches Geschichtsarchiv der Republik Aserbaidschan). Gramoty i ukasy Mechdikuli-Chana karabachskogo. (Urkunden und Erlasse des Karabacher Mechdikuli-Khan) As. ZAU, Ist. Arch., f. Woen.-okr. Natschalnika, Bd. 47, 1. 83; f. Bakinsko-bekskoj komissii, Bd. 2,1. 281. Gribojedow A. Gore ot uma. Pisma i sapiski. (Verstand schafft Leiden (oder; Wehe dem Verstand). Briefe und Notizen) Baku 1989. Griboedow A. Sobranie sotschinenij w dwuch tomach, (Gesammelte Werke in zwei Banden) Verlag “ Prawda”, Moskau 1971. Gukasjan W. О nowonajdennom spiske albanskogo alfawita. (Uber eine neu gefundene Liste des albanischen Alphabets) In: „Sowetskaja tjurkologija", 1971, Nr. 2. Guliew A.N. Is istorii aserbajdschano-russkich otnoschenij w XV-XVIII wekach. (Aus der Geschichte der aserbaidschanisch-mssischen Beziehungen im 15.-18. Jahrhundert) Taschkent 1958. Im Samm elband “Materialy 1 Wsesojusnoj konferenzii wostokowedow w g. Taschkente. (Materialien 1 387 der Allunionskonferenz der Ostkundler in Taschkent) 4.-11. Juli 1957. Verlag AN Usbekskij SSR. Gusejnow G. Kratkij obsor istoritscheskich aspektow arm jano-aserbajdschanskogo protiwostojanija. (K urzer U berblick iiber die historischen Aspekte der armenisch-aserbaidschanischen Opposition) In „Diplom atiya alemi“ , Baku, 2003, №4. Gusejnow Sch.S. Posledstw ija nalogowoj politiki Sultan-Gusejna i N adir-schacha dlja ekonomiki Aserbajdschana. (D ie Folgen der Steuerpolitik von Sultan-Husein und N adir-Schah fur die Wirtschaft von Aser­ baidschan) Baku 1961. Iswestija AN Aserb. SSR, Serie Gesellschaftswissenschaften, 4, S. 11-23. Ibragimbejli M . Ibragimbejli M.I. Ibragimow S. Imranly K. 388 R ossija i Aserbajdschan w perwoj treti XIX w eka (is woenno-polititscheskoj istorii). (Russ­ land und Aserbaidschan im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts (aus der militarisch-politischen Geschichte)) M oskau 1969. Ew ropejskie puteschestwenniki XVII weka O learij i Strewo ob Aserbajdschane. (Die europaischen Reisenden des 17. Jahrhunderts Olearius und Strewo iiber Aserbaidschan.) Baku 1945. Verlag Aserbajdschanskogo filiala AN SSSR, 1. Geroitscheskaja oborona Schuschinskoj kreposti (D ie heroische Verteidigung der Festung Schu­ scha) (aserb.). Baku 1944. In: „Gysyl Ordu akitatorunun bloknotu“ , 7, S. 31-32. Sosdanie armjanskogo gosudarstwa na kawkase: istoki i posledstwija. (Die Schaffung eines armenischen Staates im Kaukasus: Anfange und Folgen) Ladomir, Moskau 2006. Informazija о faktach grubych naruschenij praw tscheloweka, sowerschjonnych w chode agressii Respubliki Armenii protiw Aserbajdschanskoj Respubliki. (Information iiber die Fakten der groben Menschenrechtsverletzung im V erlauf der Aggression der Republik Armenien gegen die Republik Aserbaidschan) UN-Dokument E/CN .4/1997/139. Ionisjan A. R . Rossija i armjanskoe oswoboditelnoe dwischenie w perwoj tschetwerti XVIII weka. (Russland und die armenische Befreiungsbewegung im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts) Eriwan. 1947. Ionisjan A. R. Armjano-russkie otnoschenija w XVIII stoletii, (Die armenischrussischen Beziehungen im 18. Jahrhundert) Band 2, Teil 1. Erewan 1964. Isarow N. I. Nowaja ugrosa russkomu delu w Sakawkase. (Die neue Bedrohung der russischen Sache im Transkaukasus) St.-Petersburg 1911. Isc h ich a n ja n B . Narodnosti Kawkasa. (Die Volker des Kauka­ sus) Petrograd 1916. Istorija Agwan (Kawkasskich) (Die Geschichte der (kaukasischen) Agwanen) M. Kagankatwazi. Per. S arm. K. P. Patkanow. St.-Peters­ burg 1861. Istorija armjanskogo naroda. (Geschichte des armenischen Volkes) Eriwan 1951. Istorija armjanskogo naroda. (Geschichte des armenischen Volkes) Eriwan 1980. 389 Istorija Aserbajdschana po dokum entam i publikazijam. (Die Geschichte A serbaidschans nach Dokumenten und Publikationen) Red. Akad. S. Bunijatow. Baku 1990. Berg-Karabach der Aserbaidschanischen SSR. 1918-1925. Dokumente und Materialien) Baku, Asemeschr, 1989. Kagankatwazi M. Istorija Agwan (Die Geschichte der Agwanen), St.-Petersburg, 1861. Karpow S. Istorija trapesunskoj imperii. (Geschichte des Trapesunder Reiches) Aletejja, St.-Petersburg 2007. Istorija Aserbajdschana, t. 1-2, (Die G eschichte Aserbaidschans, Bd. 1-2) Baku 1958-1960. Istorija aserbajdschanskoj literatury w trjoch tomach, tom 1 s drewnejschich w rem jon do XVIII weka. (Die Geschichte der aser­ baidschanischen Literatur in drei Banden, Band 1 von der Urzeit bis zum 18. Jahrhundert.) Verlag Akademii Nauk Aserbajdschanskoj SSR. Baku 1960. Karrer d'Ankoss, 1.Ekaterina P: solotoj wek w istorii Rossii. (Das goldene Zeitalter in der Geschichte Russlands) ROSSPEN, Moskau 2006. Kawkasskij kalendar na 1846 god. Otdelenie trete. Narodonaselenie. (Kaukasischer Kalender fur 1846. Dritte Abteilung. Bevolkerung) Tiflis 1845. Istorija iskusstwa narodow SSSR, (Die Geschichte der Volker der UdSSR) Bd. 1-4, „Isobrasitelnoe iskusstwo“ , Moskau 1971 1976. Kawkasskij kalendar na 1849, 1850 gody; Kawkasskij kalendar na 1917 god. (Kauka­ sischer Kalender fur 1849 und 1850) 1. P. Stepalschtschuk (Red.) Tiflis, Tipografija Konzeljarii namestnika E. I. W. Na Kawkase (Im Kaukasus), 1916. Istorija mongolow inoka Magakii. (Die Geschichte der Mongolen von Monch M agakija Per. K. Patkanowa, St.-Petersburg 1871. Istoritscheskaja geografija Aserbajdschana. (Historische Geographie Aserbaidschans) Baku 1987. Jakubowa, M.A. Griboedow i ego aserbajdschanskoe okruschenie. Problemy twortschestwa. (Gribojedow und seine aserbaidschanische Umgebung. Probleme des Schaffens.) Baku 1952. К istorii obrasowanija Nagomo-Karabachskoj awtonomnoj oblasti Aserbajdschanskoj SSR. 1918-1925. Dokumenty i materialy.(Zur Ge­ schichte der Schaffung des Autonomen Gebiets 390 Kawkasskij kalendar na 1901 god. (Kauka­ sischer Kalender fur 1901) Unter der Red. v. E. Kondratenko. Tiflis 1900. Kawkasskij kalendar na 1903 god. (Kauka­ sischer Kalender fur 1903.) Unter der Red. V. E. Kondratenko. Tiflis 1902. Klimow G. A. К sostojaniju rasschifrowki agwanskoj (kawkassko-albanskoj) pismennosti. (Zum Zustand der Dechiffrierung des Agwanischen (kaukasisch391 albanischen) Schrifttums, „Woprosy jasykosnanija“ , 1967, Nr. 2. Klimow G. A. К sostojaniju rasschifrowki agwanskoj (kawkassko-albanskoj) epigrafiki. Zum Zustand der D echiffrierung der Agwanischen (kaukasischalbanischen) Epigraphik) „Woprosy jasykosnanija“ , 1970, Nr. 1. Koswen M. O. Etnografija i istorija Kawkasa. (Ethnographie und Geschichte des Kaukasus) Moskau, Verlag wostotschnoj literatury, 1961. Kuliew E. W osraschdaetsja li albanskaja zerkow? (Ersteht die albanische Kirche wieder ?) NPO „Prawo wybora“, Nr. 4, April 2004. Kurmakow N. Torgowye i promyschlennye interesy Rossii na Blischnem Wostoke w swjasi s postrojkoj persidskich dorog (Die Handels- und IndustrieInteressen Russlands im Nahen Osten in Verbindung mit dem Bau der persischen StraBen), St.-Petersburg, 1901. Kusnezowa I. A. Iran w perwoj polowine XIX weka. (Der Iran in der ersten Halfte des 19. Jahrhunderts.) Moskau 1983. Lanin A.M. К istorii kultumych swjasej Rossii i Aser­ bajdschana w VIII-X VIII wekach. (Zur Geschichte der kulturellen Bande von Russland und Aserbaidschan im 8.-18. Jahrhundert), Baku 1958. Ytschjonye sapiski AsGPI russkogo jasyka i literatury imeni M.F. Achundowa, serija filologii, (Wissenschaftliche Notizen der AsGPI der russischen Sprache und Literatur namens M.F. Achundowa, Serie Philologie) Ausg. 7, S. 27-48. Lewiatow W.N. Fatali-chan Kubinskij. (Fatali-Khan von Kuba) Baku 1946. Iswestija AN Aserb. SSR, 9, S. 6692. L ew iatow W .N. О pochode Fatali-chana w Ardebil. (Uber den Feldzug Fatali-Khans nach Ardebil) Baku 1947. Iswestija AN Aserb. SSR, 12, S. 31-49. K olonialnaja politika Rossijskogo zarisma w Aserbajdschane (Die Kolonialpolitik des russi­ schen Zarismus in Aserbaidschan), Teil 2, Moskau-Leningrad 1936. Kom m unistitscheskaja partija Aserbajdschana, Institut istorii partii: К istorii obrasowanija Nagorno-Karabachskoj Awtonomnoj oblasti As. SSR, 1918-1925. Dokumenty i materialy. (Kom m unistische Partei Aserbaidschans, Institut der Geschichte der Partei: Zur Geschichte der Bildung des Autonomen Gebietes Nagom y-Karabach der As. SSR, 19181925. Dokumente und Materialien.) Baku 1989. Kondraschow S. N a slomach epoch. 1982-2006. Letopis otschew idza. (An den Bruchstellen der Epochen 19822002. Jahrbuch eines Augenzeugen. M(oskau). M eschdunarodnye otnoschenija 2007. KorfF. F. Otscherki Persii. Biblioteka dlja tschtenija. (Skizzen iiber Persien. Bibliothek zur Lektiire) 1836. Bd. 18. Kostanjanz K. Is armjanskoj literatury XIII-XIV ww. (Aus der arm enischen Literatur des 13.-14. Jahrhunderts) M oskau 1914. 393 Lewiatow W.N. Lewiatow W.N. Lisizjan S. Lusjanin S. Oborona kreposti Gelesen-Geresen protiw Nadirschacha. (Die Verteidigung der Festung Gelesen-Geresen gegen Nadirschah.) Baku 1948, Iswestija AN Aserb. SSR, 6, S. 95-105. M a m m a d o w I, Musaew T. Otscherki is istorii Aserbajdschana w XVIII weka. (Abrisse aus der Geschichte Aser­ baidschans im 18. Jahrhundert) Baku 1948. V erlag AN Aser. SSR, Historisches Institut nam ens A. Bakichanowa. Arm jane Nagom ogo Karabacha (etnografitscheskij otscherk). (Die Armenier Berg-Karabachs (ethnographischer Abriss) Eriwan 1981. Arm janskaja etnografija i folklor. Materialy i issledowanija, (Armenische Ethnographie und Folklore. M aterialien und Forschungen) Bd. 12. W ostotschnaja politika Wladimira Putina. (Die Ostpolitik W ladimir Putins) M. ASE: „WostokSapad“ 2007. Armjano-aserbajdschanskij konflikt. Istorija. Prawo. Posrednitschestwo. (Der armenisch-aserbaidschanische Konflikt. Geschichte. Recht. Vermittlung.) Tula, G rif i К 2006. Nagomyj Karabach. Istoritscheskaja sprawka. (Historische Auskunft) Unter d. Red. v. G. A. Galojana, K. S. Chudawerdjana. Verlag AN Armjanskoj SSR. Eriwan 1988. Mandelschtam О. E. „ I ty, Moskwa, sestra moja, legka...“ . Stichi, prosa, wospominanija, materialy к biografii. Wenok Mandelschtamu. (Auch du, Moskau, meine Schwester, leicht...“ Gedichte, Prosa, Erinnerungen, Materialien zur Biographie. Ein Kranz fur Mandelschtam.) Moskau, „Moskowskij rabotschij“ , 1990. Markow E. Otscherki Kawkasa. (Kaukasus-Abrisse) St.Petersburg. - М., 1913. Lemerl P., Kizikis D. N a perekrjostke ziwilisazij. Istorija Wisantii. Melewil Schorsch de. Armjanskaja tragedija 1915 goda. (Die Osm anskaja imperija. (Am Rande der Zivilisation. Die Geschichte von Byzanz. Das Osmanische Reich) „Wes Mir“, Moskau 2006. armenische Tragodie des Jahres 1915) Baku, Elm 1990. Makkarti D., MakkartiK. M a m e d o w a F. 394 Tjurki i armjane: Rukowodstwo po armjanskom u woprosu. (Turken und Armenier: Handleitung zur armenischen Frage) Baku, Aserneschr 1996. Polititscheskaja istorija i istoritscheskaja G eografija Kawkasskoj Albaniiju (Politische Geschichte und historische Geographie von Kaukasisch-Albanien) Baku, Elm 1986. Meschdunarodnaja politika nowejschego wremeni w dogoworach, notach i deklarazijach, (Die international Politik der jungsten Zeit in Vertragen, Noten und Deklarationen) Teil 2. Moskau. Verlag Litisdata N. К. I. D., 1926. MeschtscherjakowW. Schisn i dejanija Aleksandra Griboedowa. (Leben und Werk Alexander Gribojedows) Moskau, ,,Sowremennik“ 1989. Mirsa Adugesal-bek. Karabachname. Baku 1950. 395 Mogilewskij, E. Opisanie Karabachskoj prowinzii, sostaw lennogo w 1823 g. Dejstwitelnym statskim sowetnikom M ogilewskim i polkownikom Erm olowym. (Beschreibung der Provinz K arabach, verfasst 1823 von Staatsrat Mogilewskij und Oberst Ermolow), Tiflis 1866. Nersisjan М., Arutjunjan A., Muradjan D. Nesmatschnaja S. Materialy о generale Andronike. (Materialien zu General Andronik) In IFSch, Eriwan 1981. M u c h a m m e d T. Tri imama. (Die drei Imame) M achatschkala 1990. Perwoe isdanie archiwnych dokumentow na Kawkase. (Erstausgabe von Archivdokumenten im Kaukasus) Kawkasskij sbomik, Bd. 2 (34), Moskau 2005. Mustafaew D. M. Sewem ye chanstwa Aserbajdschana i Rossija (konez XVIII - natschalo XIX wekow). (Die nordlichen Khanate von Aserbaidschan und Russland (Ende 18,-Anfang 19. Jahrhundert) Baku 1989. Obosrenie Rossijskich wladenij sa Kawkasom, (Ubersicht iiber die russischen Besitztiimer jenseits des Kaukasus) Teil 1. Sankt-Petersburg: Tipografija deportamenta wneschnej torgowli, 1836. Nikanorow I.A. Istorija christianstwa w Kawkasskoj Albanii. Dissertazija na soiskanie utschenoj stepeni kandidata bogoslowija. (Die Geschichte des Christentums in Kaukasich-Albanien. Disserta­ tion zur Erlangung eines Doktorgrades fur Religionswissenschaften) http://baku.eparhia.ru/history/albania. Orbeli I. A. Isbrannye trudy. (Ausgewahlte Werke) Eriwan 1963. Orbeljan S. Istorija oblasti Sisakan. (Die Geschichte des Gebietes Sisakan) Tiflis 1910. Ubers. Ja. Mkrttschan. Otscherki istorii SSSR. Period feodalisma. (Abrisse der Geschichte der UdSSR. Die Periode des Feudalismus) Verlag der Akad. d. Wiss. der UdSSR. Moskau 1956. Nowyj enziklopeditscheskij slowar, (Neues enzyklopadisches Worterbuch) Hrsg. F. A. Brockhaus (Leipzig) und I. A. Efron (S.Petersburg), St.-Petersburg 1914, Bd. 1. Nefedew N. W sgljad na armjanskuju oblast. Is putewych sametok N. Nefedewa. (Blick auf das Arme­ nische Gebiet. Aus den Reisenotizen N. Nefedews.) St.-Petersburg, 1839. N ersisjan M . Is istorii russko-armjanskich otnoschenij. (Aus der Geschichte der russisch-armenischen Beziehungen) Eriwan, Buch 1, 1956, Buch 2, 1961. Otscherki po istorii Aserbajdschana. Iswestija Akademii Nauk Aserbajdschanskoj SSR, (Abrisse der Geschichte Aserbaidschans. Nachrichten der Akademie der Wissenschaften der Armenischen SSR) Baku, 1946. P a c homow E. Kratkij kurs istorii Aserbajdschana. (Kurzer Kurs der Geschichte Aserbaidschans) Baku 1923. 397 Prisoedinenie Wostotschnoj Armenii к Rossii i ego istoritscheskoe snatschenie (Die Angliede­ rung Ostarmeniens an Russland und ihre historische Bedeutung - Sammelband Artikel). Eriwan, Verl. EGU 1978. Pamjatnye sapiski A.W. C hrapow izkogo. Tschtenija w Imperatorskom obschtschestw e istorii i drewnostej rossijskich pri M oskow skom uniwersitete (Erinnem ngen A.W. C hrapow izkijs. Vorlesungen in der Z arengesellschaft fur Geschichte und Altertum der Russen an der Moskauer Universitat), 1862, Buch 2 Papasjan A. D. Agramye otnoschenija w W ostotschnoj A rm enii w XVI-XVII wekach. (Die A grarbeziehungen in Ostarmenien im 16.-17. Jahrhundert.) V erlag der Akademie der W issenschaften der A rm e­ nischen SSR, Eriwan, 1972. Parsamjan W . A. Istorija armjanskogo naroda (1801-1900gg.) (Geschichte des armenischen Volkes (18011900)). Verlag „Ajastan", Eriwan, 1972. Paschuto W . T. Diplolmatitscheskaja dejatelnost A. S. Griboedowa. (Die diplomatische Tatigkeit A.S. Gribojedows) - Istoritscheskie sapiski, Nr. 27. 1947. Pokorjonnyj Kawkas. Otscherki istoritscheskogo proschlogo i sowremennogo poloschenija Kawkasa“ . (Der unterworfene Kaukasus. Studien der historischen Vergangenheit und der gegenwartigen Lage des Kaukasus) (St.-Peters­ burg., Verlag A. A. Kaspari, 1904. Potto W . A. 398 Kawkasskaja wojna w otdelnych otscherkach. episodach, legendach i biografijach. (D er Kaukasuskrieg in einzelnen Abrissen, Episoden. Legenden und Biografien) St.-Petersburg.. 1887, Bd. 3. Ausg. 4; Derselbe (Faximileausgabe). Stawropol, „Kawkasskij kraj“ 1994. Bd. 1. Prisoedinenie Wostotschnoj Armenii к Rossii. Sbomik dokumentow (Die Angliederung Ostar­ meniens an Russland. Urkundensammlung), Bd. 1 (1801-1813). Verlag AN Armjanskoj SSR, Eriwan, 1972. Petruschewskij N. P. Chanstwa Aserbajdschana i wosniknowenie russkoj orientazii. (Die Khanate von Aser­ baidschan und die Entstehung der russischen Orientierung) Iswestija AN Aserbajdschana (Fakultat Gesellschaftswissenschaften), 2. Ausgabe 1946, Nr 5. Petruschewskij N. P. Iranskie istotschniki po istorii Aserbajdschana XVI-XVII wekow (Iranische Quellen zur Geschichte Aserbaidschans des 16.-17. Jahr­ hunderts (Sammelband von Artikeln iiber die Geschichte Aserbaidschans), Ausg. 9, Baku 1949. Petruschewskij N. P. Otscherki po istorii feodalnych otnoschenij w Aserbajdschane i Armenii w XVI-natschale XIX wekow. (Abrisse der Geschichte der feudalen Beziehungen in Aserbaidschan und Armenien im 16. - 19. Jahrhundert) Leningrad 1949. Rachmani A. A. Aserbajdschan w konze XVI i w XVII weke (1590-1700) (Aserbaidschan Ende 16,- 17. Jahrhundert (1590-1700)), Baku 1981. 399 Raffi. Schanidse A. Jasyk i pismo kawkasskich albanzew. (Sprache und Schrift der Kaukasus-Albaner) Westnik otdelenija obschtschestwennych nauk AN Grusinskoj SSR. Tbilisi 1960, №1. Schanidse A. Nowootkrytyj alfawit kawkaskich albanzew i ego snatschenie dlja nauki. (Das neu entdeckte Alphabet der Kaukasus-Albaner und seine Bedeutung fur die Wissenschaft) Iswestija IJalMK. Grusinskij FAN SSSR, t.4, w. 1, 1938. Russkaja starina, (Der Russische A del) 1873, Nr. l.Furst W'. G. Madatow. Schaumjan S. Isbrannye proiswedenija, tom 2 (Ausgewahlte Werke, Band 2). Moskau, Politisdat 1978. Kawkas i ego geroi. (Der Kaukasus und seine Helden) St.-Petersburg, 1902. Schawrow N. N. Nowaja ugrosa russkomu delu w Sakawkase. Predstojaschtschaja rasprodascha Mugani inorodzam (Die neue Bedrohung der russischen Sache im Transkaukasus. Der bevorstehende Ausverkauf von Mugan an Auslander.) SanktPetersburg 1891. M elikanstwa Chamsy (1600-1827) (D ie M eliktiimer von Chamsa), ,,Nairi“, Eriwan, 1991. Rossijskij enziklopeditscheskij slowar. (R ussisches Enzyklopasiches W orterbuch) B u ch 1-2. Moskau 2001. Rossijskij gosudarstwennyj archiw drew nich aktow (RGADA) (Russisches Staatsarchiv fur alte Urkunden. Moskau. Sacharin I. N. Sapiski A. P. Ermolowa 1798-1826 (N otizen A.P. Ermolows), Moskau 1991. Sasonow S.D. Wospominanija. „Meschdunarodnye otnoschenija“ (Erinnerungen. „Internationale B eziehungen“), Moskau 1991 (Nachdruck von 1927 (Buchverlag E. Sijalskoj, Paris 1927). Sbomik dogoworow Rossii s drugimi gosudarstwami 1856-1917. (Sammlung von Vertragen Russlands mit anderen Staaten 1856-1917) Moskau, Gosudarstwennoe isdatelstwo polititscheskoj literatury. 1952. Sbornik statej po istorii Aserbajdschana. (Sammlung von Artikeln zur Geschichte A ser­ baidschans) Ausg. 1, Baku 1949. Schaginjan M. 400 Nagomyj Karabach. Moskau - Leningrad. Gosudarstwennoe isdatelstwo, 1927. Schisn general-lejtenanta Madatowa. (Das Leben des Generalleutnants Madatow.) St.Petersburg. 1874. Schnirelman B. Byt alanami: intellektualy i politika na Sewernom Kawkase w XX weke. (Byt alanami: Die Intellektuellen und die Politik im Nordkaukasus im 20. Jahrhundert) Moskau 2006. Schopen I. Istoritscheskij pamjatnik sostojanija armjanskoj oblasti w epochu ego prisoedinenija к Rossijskoj imperii. (Historisches Denkmal der Schaffung des Armenischen Oblast in der Epoche seines Anschlusses an das Russische Reich) Sankt-Petersburg, tipografija Imperatorskoj Akademii Nauk 1852. 401 Schukjursade E. Fatali-chan. (Fatali-Khan) Baku 1943. In: SSRI EA Aserb. filialynyn neschri. Schukjursade E. Is wremjon Wagifa. Istoritscheskij otscherk (aser.). (Aus den Zeiten Wagifs. H istorischer Abriss (aserb. Sprache) Baku 1940. In: „Rewolusija we kultura“, 12. S. 117-126. Schukjursade E. Schestakow A. owodstwa na Kawkase. (Materialien zum Anlegen von staatlichen Sommer- und Winterweiden und zum Studium der Viehzucht im Kaukasus). Tiflis 1889. Sowremennaja polititscheskaja istorija Rossii (1985-1997) (Die russische politische Ge­ schichte der Gegenwart), RAU-Korporazija, Moskau 1997, Bd. 1. Panah-chan Karabachskij, XVIII wek (aser.). (Panah-Khan von Karabach, 18. Jahrhundert (aserb. Spr.) Baku 1943. In: „Weten ugrunda“, 6, S. 68-76. Sowetskaja istoritscheskaja enziklopedija. (Sowjetische historische Enzklopadie) Moskau 1965-1976. Bud weren do smerti. Sudby Prawoslaw ija w Osmanskoj imperii XV-XX ww. Sbom ik. (Sei getreu bis in den Tod. Orthodoxe Schicksale im Osmanischen Reich 15.-20. Jahrhundert. Sammelband). Moskau, Verlag des Klosters Sretenskij, 2005. Sredisemnomore-Tschemomore-Kaspij: meschdu Bolschoj Ewropoj i Bolschim Blischnim Wostokom. (Das Mittelmeer-das Schwarze Meer-das Kaspische Meer: zwischcn GroBeuropa und dem GroBen Nahen Osten) Red.: N. Schmeljow, W. Gusejnow, A. Jasykowa. ,,Graniza“, Moskau 2006 Schestakowitsch S. Diplomatitscheskaja dejatelnost A. S. Griboedowa (Die diplomatische Tatigkeit A.S. Gribojedows). Moskau 1960. Sewakin E. Sewakin E. Skibizkij M. A. 402 Aserbajdschan w natschale XVIII weka. (Aser­ baidschan zu Beginn des 18. Jahrhunderts) Baku 1929. Verlag Obschtschestwa obsledowanija i isutschenija Aserbajdschana. Prikaspijskie prowinzii w epochu russkoj okkupazii XVIII weka. (Die Kaspischen Provinzen in der Epoche der russischen Okkupation des 18. Jahrhunderts) Baku 1928. Verlag Obschtschestwa obsledowanija i isutschenija Aserbajdschana. M aterialy dlja ustrojstwa kasjonnych letnich i simnich pastbischtsch i dlja isutschenija skot- Subow P. Kartina Kawkasskogo kraja, tschast 3. (Bild des Kaukasischen Kreises, Teil 3) St.-Petersburg., 1835. Swasjan G. Agwank i rod Michranidow. (Agwank und das Geschlecht der Michraniden.) Eriwan 1980. Swod statistitscheskich dannych о naselenii Sakawkasskogo kraja, iswletschjonnych is posemejnych spiskow 1886. Isdan po rasporjascheniju Glawnonatschalstwujuschtschego graschdanskoju tschastiju na Kawkase Sakawkasskim statistitscheskim komitetom. (Sammelband statistischer Daten iiber die Bevolkerung des Transkaukasischen Kreises, entnommen aus 403 Familienverzeichnissen 1886. H erausgegeben vom Statistikausschuss auf A nordnung des Oberkommandierenden der Zivilabteilung im Kaukasus.Tiflis. Tipografija I. M artirosjanza 1893. Sysoew W . M. Kratkij otscherk istorii Aserbajdschana sewernogo (Kurzer historischer Abriss von N ordAserbaidschan). Baku 1925. Sysoew W . M. Tjurkskoe naselenie Aserbajdschana w XVII weke (Die tiirkische Bevolkerung A ser­ baidschans im 17. Jahrhundert), Baku 1926. Segal I. Elisawetpolskaja gubernija (W petschatlenija i wospominanija). (Das Gouvernement Elisawetpol (Eindriicke und Erinnemngen) In: Kaw kasskij westnik 1902, Nr. 2. Selinskij S. P. Semjonow L. S. Ekonomitscheskij byt gosudarstwennych krestjan Sangesurskogo uesda Elisawetpolskoj gubemii. (Das wirtschaftliche Leben der staatlichen Bauem des Ujesd Sangesur des Gouvernements Elisawetpol) Tiflis 1886. Rossija i meschdunarodnye otnoschenija na Srednem Wostoke w 20-e gody XIX. (Russland und die intemationalen Beziehungen im Mittleren Osten in den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts.) Leningrad 1963. Sesdy Sowetow Sozialistitscheskich Respublik. Sbom ik dokumentow. 1917-1922 gg. (Die Sowjetkongresse der Sozialistischen Republiken. Sammelband Dokumente 1917-1922) Moskau, Gosudarstwennoe isdatelstwo Juriditscheskoj Literatury 1960, Band 2. Tagiewa S. A. Timurasowitsch, Burnaschew. Nazionalno-oswoboditelnoe dwischenie w Iranskom Aserbajdschane w 1917-1920 godach. (Die nationale Befreiungsbewegung im lranischen Aserbaischan von 1917-1920) Baku 1956. Opisanie oblastej aserbajdschanskich w Persii i ich polititscheskoe sostojanie, sdelannoe prebywajuschtschim pri ego wysotschestwe zare kartalinskom i kachetinskom Iraklii Timurasowitsche polkownikom i kawalerom Bumaschewym. (Beschreibung der aserbaidschanischen Gebiete in Persien und ihre politische Lage, verfasst von dem dort unter seiner Hoheit Konig Iraklij Timurasowitsch von Kartali-Kachetien verbleibenden Oberst und Ordensritter Bumaschewyj. Tiflis 1786. Tischkow W. Dinamika konfliktnych regionow. (Die Dynamik von Konfliktregionen) Institut etnologii i antropologii RAN. Eschegodnye doklady. Moskau 2007. Trewer K. W. Otscherki po istorii i kulture Kawkasskoj Albanii. (Studien iiber Geschichte und Kultur von Kaukasisch-Albanien) Moskau - Leningrad 1959. Tvnjanow J. O. „Puteschestwie w Arsrum“ Puschkina. - Wremennik puschkinskoj komissii, („Die Reise nach Arsrum“ von Puschkin. - Jahrbuch der Puschkin-Kommission) 2, Moskau-Leningrad, 1936. Ter-Abakimowa S. Armjano-russkie otnoschenija w period podgotowki persidskogo pochoda (Die armenischrussischen Beziehungen in der Periode der Vor- 4 05 bereitung des Persien-Feldzuges). A N SSR, Institut istorii. Erewan 1980. A rm . Welitschko W. L. Kawkas: russkoe delo i meschduplemennye woprosy (faksimilnoe isdanie) (Der Kaukaus: Die russische Sache und Fragen der zwischenstammlichen Beziehungen, Faksimile-Ausgabe), Baku Elm, 1990. Werderewskij E. Kawkasskie plennizy, ili Plen u Schamilja. (Die Kaukasus-Gefangenen, oder die Gefangenschaft bei Schamil) St.-Petersburg., 1856. VVeselowskij J. A. Gribojedow i armjane.-Literatumye otscherki. (Gribojedow und die Armenier. - Literaturskizzen. Moskau 1900. Zimbaewa E. N. Gribojedow. SchSL. Serija biografij (Biographienserie). M. 2003. Ter-Grigorjan T.I. Nagom o-Karabachskaja awtonomnaja o b last (Kratkij istoritscheskij otscherk). (Der N a g o m o Karabach Autonome Oblast. Kurzer historischer Abriss) Baku 1939. Iswestija A serbajdschanskogo filiala AN SSSR, 4, S. 13-29. Ukasy kubinskich chanow (persidskij tek st i russkij perewod) (Die Erlasse der Khane von Kuba-persischer Text und russische U bersetzung). Tbilisi 1937. Waluevv W.P. Wasilew M.P. Wasilew M.P. Fatali-chan Kubinskij. Istoritscheskij otscherk. (Fatali-Khan von Kuba. Historischer A briss.) Baku 1942. Verlag Aserbajdschanskogo filiala AN SSSR. Polititscheskie otnoschenija sa wremja M akedonskoj dinastii. (Die politischen Beziehungen in der Zeit der Makedonischen Dynastie) St.Petersburg 1902. Wisantija i araby. Polititscheskie otnoschenija sa wremja Amorijskoj dinastii. (Byzanz und die Araber. Die politischen Beziehungen in der Zeit der Amorier-Dynastie) St.-Petersburg 1900. Woprosy istorii Kawkasskoj Albanii. Sbornik statej. (Historische Fragen von KaukasusAlbanien. Sammlung von Artikeln) Baku 1962. Wujdenbaum E. Zentralnyj gosudarstwennyj archiw Aserbaj­ dschana. (Zentrales Staatsarchiv Aserbaid­ schans). Putewoditel po Kawkasu. (Reisefuhrer durch den Kaukasus) Tiflis 1888. Zentralnyj partarchiw pri ZK KPSS. (Zentrales Parteiarchiv beim ZK der KPdSU). Zentralnyj Woenno-istoritscheskij Archiw (Zen­ trales militargeschichtliches Archiv) (ZWIA). Literatur in deutscher, englischer und franzosischer Sprache Adontz N. Towards the solution o f the Armenian Question. London: Eyre & Spottiswoode, 1920. Afanasyan S. L'Arm enie, l'Azerbaidjan et la Georgie: de Г independance a I'instauration du pouvoir sovietique 1917-1923. Paris: Editions I'H armattan, 1981. Wedomosti Werchownogo Soweta SSSR (Mitteilungen des Obersten Sowjets), 1988-1991. 406 407 Aharonian A. Alem (Jean-Pierre). L'Arm enie, Paris, PUF, 1972. Alexander E. Altsradt A. Burdett A. (ed.). Armenien - Wiederentdeckung Kulturlandschaft. Berlin 1995. Les anciennes croyances armeniennes, R o q u evaire, Parentheses, 1980. The serpent and the bees: a KGB chronicle. Lanham, Maryland: University Press o f A m e ­ rica, 1990. “Mobilised and Proletarian Diasporas” . In: American Political Science Review 1976, 70, pp. 393-408. Arstrong J. Nations before Nationalism. Chapel University o f North Carolina Press 1982. Armenia at the cross-roads: democracy and nationhood in the post Soviet era. Essays, interviews and speeches by the leaders o f the national democratic movement in Arm enia. Edited by Gerard J. Libaridian. Cambridge. Massachusetts: Blue Crane Books, 1991. Ativa A. S. A History o f Eastern Christianity. London, Methuen 1968. Atkin M. Russia and Iran 1780-1888. Minneapolis 1980. Azerbaijan in the new Millennium, Baku 2001 Bakichanow A. K. Gulistan - i Iram. Baku 1991. Basmadjian V. Les Armeniens: reveil ou tin, Paris, Entente, 1979. Bersch G. К./ Cassady G./Scott A./ Beck M. (Hrsg.). Crossroads and Conflict. Security and Foreign Policy in the Caucasus and Central Asia. New York/London 2000. Bournoutian G. A. Armenian tragedy: an eyewitness account of human conflict and natural disaster in Arm enia and Azerbaijan. Juri Rost, translated by Elizabeth Roberts, foreword by Andrei Sakha­ rov. New York: St M artin's, 1990. 408 Hill, ASALA: irrational terror or political tool. Anat Kurz, Ariel Merari. Jerusalem: Jerusalem Post, 1985. Armenia: Political and Ethnic Boundaries 18781948. Wilts, Archive Edition Limited 1998. Armenia and Karabagh: the struggle for unity. Christopher J. Walker, Claude Mutafian, Patrick Donabedian, David Marshall Lang, edited by Christopher J. Walker, foreword by G erard Chaliand. London: Minoirity Rights Publica­ tions, 1991. alten Armstrong J. The Aserbajani Turks. Power and Identity u n d er Russian Rule. Stanford 1992. Armenia - the agony... the hope. Edited by Andrew Alderson. London: Express N e w s­ papers, 1989. einer Eastern Armenia in the Last Decades of Persian Rule, 1807-1828, A Political and Socio-Econo­ mic Study o f the Khanate of Erivan on the Eve o f Russian Conquest. Malibu, Calif. 1982. 409 Bournoutian G.E. Brissaud A. Eastern Armenia in the Last Decades o f P ersian Rule, 1807-1828. A political and Socio E co n o ­ mic Study o f the Khanate of Erivan on the Eve o f Russian Conquist. M alibu, C alif 1982. Columbia Encyclopedia. New York, Columbia University Press, 5 th ed., 1993: Antoine C. L'Azerbaidjan. Paris 2002,Editions Karthala B rief Information on the History o f G arabagh. Heydar Alieyev Foundation. Baku 2005. Cassese A. Self-Determination o f Peoples: Legal Reap­ praisal. Cambridge University Press 1955. Islam und Christentum. Gem einsam keit und Konfrontation gestem und heute. Patm os Verlag, Albatros Verlag, Dusseldorf 2002. Cook J. M. The Persian Empire. London, J.V. Dent&Sons 1983. Cornell S. Peace or War? The Prospects o f Conflicts in the Caucasus. In: Iranian Journal o f International Affairs, Vol. 9, No.2, Summer 1997. Cornell S. The Unruly Caucasus. In: Current History, Vol. 96, No.612, October 1997. Cunter M:M. Pursuing the just cause o f their people: a study o f contemporary Armenian terrorism. Dasxuranci M. History o f the Caucasian Albanians, London 1961. British Documents on Ottoman A rm enians. Volume II (1880-1890). Turk Tarih K urum u Basimevi, Ankara, 1983. Bruchlinien der Sicherheitspolitik: Die Tiirkei und das Spannungsfeld Naher Osten. Jahrestagung des W issenschaftlichen Forums fur intemationale Sicherheit (WIFIS) 2005. Schriftenreihe der Landesverteidigungsakademie. Wien 2005. Cambridge History o f Iran. Cambridge, C am ­ bridge University Press- 1980-1988. Chaliand G., Ternon Y. Le genocide des Armeniens, Bruxelles, Complexe, 1984, Kapitel „Evidence'1. Chaliand G: (ed.). People without a Country: The Kurds and Kurdistan. London, Zed Press 1980. Mouradian C:-S. De Staline a Gorbachev: histoire d'une republique sovietique : L'Armenie. Paris : Editions Ramsay, 1990. 410 Decision '91. A rm enia's referendum on independence September 21, 1991. Department o f Research and Analysis. Erevan: The Parliament o f the Republic o f Armenia, 1991. Development and Conflict Management. Tydings Hall. University o f Maryland. College Park. Maryland. 1997. Dinstein Y. War, Aggression and Self-Defens, Camridge 1994. 411 Donner E. Dorn B. Dorn B. Research Institute: Report on the USSR, 1. December 1989. Und nirgends eine Karawane - Die W eltreisen der Ida Pfeiffer (1797-1858), D roste V erlag, 2007. Geschichte Schirwans unter den Statthaltem und Chahen von 1534 - 1820. In: “M em oires” der Rossijskoj Akadem ii Nauk (russischen Akademie der W issenschaften), VI, Bd. 5, 1841. Versuch einer Geschichte der Schirw anschahe. In: ,,Memoires“ der Rossijskoj A kadem ii N auk (mssischen Akademie der W issenschaften), Ser. VI, Bd.4, 1841. Ghahryian H. Nagomy-Krarabach - nur Selbstbestimmung garantiert Sicherheit. In: Wostok, N4 - W inter 2005, S. 24-28. Gidney Janies B. A mandate for Armenia. Kent, Ohio: Kent State University Press, 1967. Goldenberg S. Pride of Small Nations: The Caucasus and postSoviet Disorder. Zed Books, NJ. 1994. Gotz R./Halbach U. Russland Eisner M. Engelke Th. Feigl E. Frankenstein A. Fuller E. 412 A Procedural Model for the Resolution o f Secessionist Disputes. Harvard. International Law Journal. Volume 33, Number 2, Spring 1992. und der Baden-Baden 2003. postsowjetische Raum. Gray Chr. International Law and the Use o f Force, New York 2000. Grousset R. Histoire de L' Armenie des origines a 1071, Payot, Paris 106, Boulevard Saint-Germain 1984. Gurr T. / Harff B. Ethnopolitical Conflicts in the Transcaucasus: Their Roots and Solutions. Centre for International. Ethnic Conflict in World Politics, der&Oxford: Westview Press, 1994. Gust W. Das Imperium der Sultane. Die Geschichte des Osmanischen Reiches. Hamburg, Nicol 2007. A Myth o f Terror, Armenian Extremism: Its Causes and Its Hiatorical Context. Salzburg Freilassing: Edition Zeitgeschichte 1986 Halbach U ./ Kappeler A. (Hrsg.)- Krisenherd Kaukasus. Baden-Baden 1995. Transkaukasisches Monopoly: Der KarabachKonflikt im geopolitischen Kontext des Krisenund Konfliktmanagement der OSZE. Frankfurt a. М., Verlag Haag + Herchen 1997. Collective Memory and Historical Conscious­ ness. In: History and Memory 1, N 1. Tel Aviv 1989. Halbwachs M. Boul- Das kollektive Gedachtnis. Frakfurt a. M. 1985. Handbook o f Political Conflict. New York 1990. Moscow Rejects Aserbaijani Law on Sover­ eignty. A Moral Victory for Armenia?. RFE, RL 413 H a n n u m H. Autonomy, Sovereignty and Self-D eterm ina­ tion: The Accommodation o f C onflict R ights. University o f Pennsylvania Press. Philadelphia 1990. Helsinki Watch: Bloodshed in the C aucasus. Escalation o f the Armed Conflict in N agom oKarabagh. September 1992. Helsinki Watch: Conflict in the Soviet Union: Black January in Azerbaijan. M emorial Report. May 1991. Henry I. D. Baku: Eventful History. London 1905. Hieczak T. (ed.) Russian Imperialism from Ivan the Great to the Revolution. New Brunswick 1974. Hineczak T. (ed.). Russian Imperialism from Ivan the Great to the Revolution. New Brunswick 1974. Histoire d'Aghovanie „Collection d'historienc Armeniens", traduits par M. Brosset, Bd.II, St. Petersburg, 1876. Horowitz I.L. Hovannisian R. Taking Lives: Genocide and State Power, third edn., New Brunswick and London, Transaction Dooks 1982. The Republic o f Armenia. Angeles, 1971 und 1982. 414 Lairson Th. D. / Skidmore D. International Political Economy: The Struggle for Power and Wealth. Toronto, Thomson Wadsworth 2003. Landau J. Pan-Turkism in Tutkey. London, C. Hurst&Co. 1981. Lang, D.M. Armenia, Cradle o f Allen&Unwin 1980. Civilisation. London, League o f Nations. Assembly Document 20/48/206, pp. 2-3; League o f Nations. Annex 30 B. Future Status o f Armenia. Memorandum agreed to by the Council of the Leagues of Nations, meeting in Paris on 11 April 1920. League o f Nations Dokument 20/41/9. Leeuw C. von der. Azerbaijan, a quest for identity. A short history. CURZON, 2005 Lehmann-Haupt I . F.Armenien einst und jetzt, 3 Bande (19101931). In: Studien zur armenischen Geschichte. Herausgegeben von der Mechitharistenkongregation, 11 Bande. Wien 1917-1964. Berkeley-Los- Khojaly Genocide. (In dokuments, facts an foreign press). Association for Civil Society Development in Azerbaijan..., Baki-2006. Ko h n H. Krisenherd Kaukasus. Hrsg. Uwe Halbach, Andreas Koppeler. 1. Aufl. Baden-Baden 1995, Nomos Verlag Geselschaft. Lepsius J. Deutschland und Armenien. Sammlung diplomatischer Aktenstiicke, Potsdam, 1919. Mandelstam A.-N. La Societe des Nations et les puissances devant le probleme armenien. Beirut: Association des Universitaires Armeniens, 1970. Nationalism: Its Meaning and History. Prince­ ton, NJ. Van Nostrand, rev. Ed. 1965 415 Mantran R. Histoire de l'E m pire ottoman, Paris, F a y a rd 1989. Mardin, S. The Cenesis o f Young Ottoman Thought: A Study o f the M odernisation o f Turkish P olitical Ideas. Princeton, Prinseton U niversity P ress 1965. Nabijew R. Nahaylo B. / Svoboda V. Nalbandian L. Matuz J. Das Osm anische Reich. Darmstadt 2006. McCarthy J. Armenian Terrorism: History as Poison and Antidote. Ankara, Ankara University Press 1984. Meier J. Nassibian A. D er Osttim or-Konflikt (1998-2002). Dr. Koster Verlag. Berlin 2005. Nagorny Karabach-Vermittlungsmission und exteme Akteure. In: Wostok. Landerspezial Aserbaidschan. 2003. Soviet Disunion. A History o f the Nationality problem in the USSR. New York 1990. The Armenian Revolutionary Movement: the Development of Armenian political Parties through the Nineteenth century. Berkeley, University o f California Press 1963. Britain and the Armenian Question, 1915-1923. London: Groom Helm; New York: St. M artin's, 1984. Nations o f the Caucasus. Moscow, b. 1. 1960. Missakian J. Mlanczuk P. Mouradian C. A searchlight on the Armenian Question (19781950), Boston, M assachusetts: Heirenik, 1950, 154. A kehurst's M odem Intraduction to International Law, London/New York 1997. De Staline a Gorbatchev Histoire d'une republique sovietique: L' Armenie. Editions Ramsay 9, rue du Cherche-M idi 75006 Paris 1990. Mouton A. Reves Hittites- Contribution a une histoire et une anthropologie du reve en Anatolie ancienne.-Leiden: Brill, 2007. Mullerson R. International Law, Rights and Politics: Developments in Eastern Europe and the CIS. London & New York, Routledge 1994. Neumann G. Geschichte der Ubersiedlung von 40.000 Armeniem. Leipzig 1834. New York: Greenwood, 1986. Noldeke E. Aufsatze zur Persischen Geschichte, Leipzig 1887. Pasha D. Memories o f a Turkish statesman - 1913-1919. London: Hutchinson, 1922. Political dissent. Compiled and written by Henry W. Degenhardt, edited by A. J. Day. Detroit, Michigan: Gale Research, 1985. Rau J. Der Berg-Karabach-Konflikt zwischen Arm e­ nien und Aserbaidschan. Ein kurzer Blick in die Geschichte. Verlag Dr. Koster. Berlin 2007. 417 Rau J. Der Dagestan-Konflikt und die T erro ran sch lag e in Moskau 1999. Ein Handbuch. Dr. K o s te r Verlag. Berlin 2002. Rau J. D er N agom y-K arabach Konflikt 1988-2002. Ein Handbuch. Verlag Dr. Koster. Berlin 2003. Rau J. Gefahrliche M utation. Islamismus und seine weltweiten Aktivitaten: Ein Handbuch. V erlag fur W issenschaft und Forschung. Berlin 2002. Rau J. Rau J. Politik und Islam in Nordkaukasien. Skizzen liber Tschetschenien, Dagestan und A dygea. W ilhelm Braumiiller, Universitats-Verlagsbuchhandlung. Wien 2002. Russland-Georgien-Tschetschenien. D er K on­ flikt um das Pankisi-Tal (1997-2003). Verlag Dr. Koster. Berlin 2005. Robertson L. R. (Hrsg.). Russia & Eurasia. Facts & Figures Annual. Academic International Press. 1998-2005. S.O.S. Armenia, tragedy of the century. Written and compiled by Anatoly Golubev, foreword by Mikhail Gorbachev. Helsinki, Moscow: Oy Global Media, 1989. Sammelband: Ethnic Nationalism and Regional Conflict. The Former Soviet Union and Ygoslavia. Ed. By Duncan W. Raymond and Holman G. Paul, Jr. USA: W estview Press: Boulde, Co. 1994. Sarkisyanz M. Sim m a B. (Hrsg.) 418 A modern history o f Transcaucasian Armenia. Nagpur, India: Udyama Commercial, 1975. Charta der Vereinten Nationen, Miinchen 199 1. Simma B. (Hrsg.) The Charter o f the United Nations, Miinchen 2002 . Smith A.D. National Identity. University o f Nevada Press. Nevada 1991. Suny R. G. (ed.) Transcaucasia. Nationalism and Social change. Ann Arbor 1983. Suny R. G. Transcaucasia. Nationalism end Social change. Ann Arbor 1993. Swietochowski T. Russia and Azerbaijan: A Borderland in Tran­ sition. New York, Columnbia University Press, 1995. Swietochowski T. Russian Azerbaidjan, 1905-1920, London 1985. The Armenian earthquake disaster. By the editors o f the Novosti Press Agency, translated from Russian by Elliott B. Urdang. Madison, Connecticut: Spinx, 1989. The Armenian minority problem. Mary Tarzian. New York: University o f Pennsylvania, 1922. The Armenians in history and the Armenian Question. Esat Uras. Ankara: Documentary Publications, 1988. The Beginning o f the Carabagh Conflict. Heydar Aliyew Foundation. Baku 2005. The Chronicle o f Central Caucasus. 1989-2004. Asia and the The earthquake in Armenia: one year later. Proceedings o f the conference on reconstruction 419 Cambridge, 1990. in Armenia, December 4-6, 1989 Paris. E d ite d by Gerard Libaridian. Cambridge, M assach u ­ setts: Zoryan Institute, 1990. Toriguian S. The emergence o f the Middle East: 1914-1924. Howard M. Sachar. New York: Alfred A . Knopf, 1969. The Modern Encyclopedia o f East Slavic, Baltic and Literatures. Edited by Peter Rollberg. Volume 107 Academic International Press 1996. Ziryan Institute, The Armenian Question and international law. La Verne, California: University o f La Verne Press, 1988. Transcaucasus: A Chronology. A Publication of the Armenian National Committee of America. I., N88 1992. The Karabagh file. Gerard J. Libaridian. C a m ­ bridge, Massachusetts: Zoryan, 1988. The Khojaly Genocide. Heydar Aliyew Founda­ tion. Baku 2005. Massachusetts: Urquhard D. Verdross A. / Simma B. Reisen unter Osmanen und Griechen. Von Peloponnes zum Olymp in einer ereignisreichen Zeit. Stuttgart 2006. Universelles Volkerrecht, Berlin 1984. Villari I. The Fire and Sword in the Caucasus. London 1906. Villfri L. The Fire and Sword in the Caucasus. London 1906. Weems S. Armenia. Secrets o f a „Christian" Terrorist State. Dallas, St. John Press, 2002. The series o f „The true facts about Garabagh" B rief Information o f the history o f Garabagh. Baku 2005 Winkler J. Zur medischen und altpersischen Geschichte. In: ,,Untersuchungen“, 1889. The Statistical Information about Refugees and Internally Displaced Persons in Azerbaijan. Baku 2000. Wright J. F. R. / Goldberg S. / Schofield R. (publ.) Transcaucasian Boundarys. London 1996. The M odern Encyklopedia o f Russian and Soviet Literatures, Acad. Inter. Press, 1989, V ol.9. The question o f the American mandate over Armenia. Antranik Masis. Nicosia: Proodos Printing, 1980. The Sumgait tragedy: pogroms against Arme­ nians in Soviet Azerbaijan. Translated by Steven Jones, foreword by Yelena Bonner. New Rochelle, New York: Aristide D. Caratzas: 420 421 Zeitungen Asat Arzach (Chankendi/Stepanakert). Aserbajdschan (Baku). Frankfurter A llgem eine Zeitung (Frankfurt M.) Die Zeit (Hamburg) Westi (Moskau). W edomosti (M oskau) Eni M usawat (Baku) Serkalo (Baku) Kommersant (Moskau). Nesawisim aja gaseta (Moskau) Obschtschaja gaseta (Moskau) Prawda (Moskau) Rossijskaja gaseta (Moskau) Russkij Berlin (Berlin). Frankfurter Rundschau (Frankfurt/M .) Financial Times Deutschland (Frankfurt/M.) Suddeutsche Zeitung (Miinchen) Kawkasskij westnik (Kaukasusbote) (Tiflis). Meschdunarodnyj aserbajdschanskij schumal (Internationale aserbaidschanische Zeitschrift (Baku). Meschdunarodnaja schisn (Moskau). Nowyj mir (Moskau). Nestor. Schumal istorii i kultury Rossii i Wostotschnoj Ewropy. (Zeitschrift fur russische und osteuropaische Geschichte und Kultur) (Sankt Petersburg). Neue Zuricher Zeitung (Zurich). Osteuropa (Koln, Berlin). Central Asia Monitor. The American Journal o f International Law. YOL (Baku). Zentralnaja Asija i Kawkas (Zentralasien und der Kaukasus (Stockholm). Welt Trends. Zeitschrift fur intemationale Politik (Potsdam). Wostok (Berlin). Zeitschriften Aserbajdschan i aserbajdschanzy (Aserbaidschan und die Aserbai­ dschaner) (Baku) American Political Science Review Argumenty nedeli (Argumente der Woche) (Moskau). Aus Politik und Zeitgeschichte (Bonn) British Yearbook o f International Law Westnik archiwow Armenii (Bote der Archive Armeniens (Erewan). Wisantijskij westnik (Byzantinischer Bote) (1927, Moskau) Eranische Alterthumskunde (Leipzig 1873) European Journal o f International Law Iswestija (Moskau). Iswestija obschtschestwa obsledowanija i isutschenija Aserbajdschana (Nachrichten der Gesellschaft fur Erforschung und Studium Aserbaidschans ( Baku). Diese Ausgabe ist den Experten auch als „Schumal A. W olynskogo“ (Zeitschrift A. Wolynskijs) bekannt. IRS. Nasledie (Moskau). 422 423