Berg-Karabach in der Geschichte Aserbaidschans und die

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Johannes Rau
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Berg-Karabach in der
Geschichte Aserbaidschans
und die Aggression Armeniens
gegen Aserbaidschan
Geschichtliche Studien und Betrachtungen
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IV \ К i f А В X A N A S I
Verlag Dr. Koster
Berlin
Schriftenreihe Politikwissenschaft
Bd. 16
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen
Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet iiber
http://dnb.ddb.de abrufbar.
Das Manuskript w urde aus dem Russischen ins Deutsche ubersetzt.
1. Auflage Januar 2009
C opyright 2009 b y Verlag Dr. Koster
10179 Berlin
Verla g Dr. Koster
Rungestr. 22-24
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Tel.: 030/ 76403224
Fax: 030/ 76403227
e-m ail: info@ verlag-koester.de
www.verlag-koester.de
ISBN 9 7 8 - 3 - 8 9 5 7 4 - 6 9 5 - 6
Den unschuldieen Ovfern
des Berg-Karabach-Konfliktes
zwischen Armenien und Aserbaidschan sewidmet
19.
Inhaltsverzeichnis
D er T raktat (Staatsvertrag) vom 14.5.1805 zw ischen dem Russischen Reich und dem
K hanat K arabach................................................................................................................................272
20. Schlussbetrachtung.............................................................................................................................. 282
1.
E in le itu n g .................................................................................................................................................. 6
2.
Zur G esch ich te K aukasisch-A lbaniens, des B eyliks G jandscha (G anca)-K arabach, des
K hanats K arabach und d e r M eliktiim er von K arabach bis zum Ende des 18.
Ja h rh u n d erts............................................................................................................................................. 16
3.
4.
Die A rm enische K irche im K am p f m it der K irche von K au k asisch -A lb an ien ..................49
A nhang ......................................................................................................................................................... 292
1.
C hronologie der w ich tig sten E reig n isse (1711 -2 0 0 8 ) .............................................................. 292
2.
Die H errscher des K hanats Irew an (E riw a n )............................................................................... 322
3.
W ichtige D okum ente beziiglich der R echtslage von B erg-K arabach................................... 325
3.1
K opie des T raktats (S taatsv ertrag es) v o m 14.05.1805 in russischer S p ra c h e ...................325
3.2
A usziige aus der A nlage zu m A b k o m m en betreffend die G esetze und G ebrauche des
3.3
A uszug aus der V erfassu n g d er U d S S R 1936.............................................................................331
Die historischen und kulturellen D enkm aler K aukasisch-A lbaniens (bis Ende des 18.
L andkrieges (H aager L a n d k rie g s o rd n u n g ).................................................................................331
Ja h rh u n d e rts)....................................................................................................................................... 66
5.
Zum Problem der A bstam m ung der A rm enier und ihrer territorialen Z e rstre u u n g ......... 81
6.
D er S afaw iden- (K isilbasch-) Staat in der ersten H alfte des 18. Jahrhunderts im K am p f
3.4 A usziige aus der V erfassu n g der U dS S R 1 9 7 7 ........................................................................... 331
3.5 A usziige aus der Satzung d e r V ereinten N atio n en ..................................................................... 332
m it den K hanaten von N o rd -A serb aid sch an ............................................................................. 105
3.6
7.
Ausziige aus der U N O -K onvention u b er die Verhiitung und B estrafung des
Die R ussisch-P ersischen K riege urn den S iidkaukasus und die Rolle des K hanats
V olkerm ordes vom 9 .1 2 .1 9 4 8 .........................................................................................................334
K arabach bei d e r E ntw icklung der aserbaidschanischen S taatlichkeit............................. 1 16
8.
Schirwan und das K hanat Schirw an bei der E ntw icklung der aserbaidschanischen
3.7
U N -R esolutionen zu dem B e rg -K a ra b a c h -K o n flik t................................................................. 334
3.8
K SZ E /O SZ E -D okum ente zu dem B erg-K arabach-K onflikt................................................... 345
3.9
Resolution 1416 (2005) d e r P arlam entarischen V ersam m lung des E uroparates...............363
4.
T abellen
S taatlich k eit........................................................................................................................................134
9.
Der Vorstofi R usslands in den K aukasus und die M assenum siedlung der A rm enier in
den Siidkaukasus im 19. und 20. Ja h rh u n d e rt......................................................................... 145
10.
Die w iderstreitenden Interessen der europaischen M achte in der zw eiten H alfte des 19.
- Beginn des 20. Jahrhunderts und die arm enische F ra g e................................................... 163
11.
12.
Z ur G eschichte von K arabach nach dem Z erfall des zaristischen R usslands und bis zum
Jahre 1923........................................................................................................................................... 190
13.
Die S chaffung des A utonom en G ebiets B erg-K arabach (N K A O ) innerhalb der
A serbaidschanischen SSR und die V ersuche der A nderune seines Status in der UdSSR
vor der P erestro jk a........................................................................................................................... 203
14.
Tabelle 3: D aten zur sozialen E ntw ick lu n g d es A utonom en G ebiets Berg-K arabach , der A ser­
baidschanischen SSR, d e r A rm enischen SSR und der UdSSR im V erg leich ..........369
Tabelle 4: Die M ilitarausgaben d er G U S -S taaten 2 0 0 5 -2 0 0 8 .......................................................... 370
Tabelle 5: Index der globalen W ettb ew erb sfah ig k eit nach W E F -V e rsio n .................................... 371
T abelle 6 :ln flatio n und W achstum des B1P in d e r G U S ................................................................... 372
5.
Karten und F o to s................................................................................................................................... 373
5 .1
Ergebnisse der arm enischen A g re ssio n ..........................................................................................373
5.2
Das M onum ent m it d er A n sch rift „1 5 0 Ja h re der U m siedlung“ in A gdara (M ardakert),
5.3
Das M onum ent zu r arm en isch en U m sied lu n g in A gdara (M ardakert) im Jahre 19 8 7 .3 7 4
Die V erscharfung des K onfliktes um Berg-K arabach w ahrend der „P erestrojka" und des
N iedergangs d e r U d S S R .................................................................................................................213
15.
Tabelle 2: B evolkerung der R egion Eriw an 1 8 2 9 -1 9 1 6 .....................................................................368
Der Beginn des arm enisch-aserbaidschanischen K onfliktes odcr die V orgeschichte des
Kampfes urn B e rg -K a ra b a c h ........................................................................................................ 184
Die E skalation des B erg-K arabach-K onfliktes zw ischen d er Republik A rm enien und der
................................................................................................................................................368
Tabelle 1: D ie B evolkerung d e r R egion K arabach 1831-1916......................................................... 368
1978 ........................................................................................................................................................ 374
L iteratu rv erzeich n is....................................................................................................................................... 375
Republik A serb aid sch an ................................................................................................................ 224
16.
Volkerrecht: das Prinzip d e r territorialen Integritat und d e r U nverletzlichkeit der
17.
1st die Lage ausw eglos? Z u den M oglichkeiten ihrer friedlichen L d su n g ....................... 247
18.
Z u den A nnaherungsw egen der Positionen der K onfliktparteien uber m ogliche
G renzen im V ergleich m it dem Prinzip der S elbstbestim m ung der V o lk e r................... 237
K o m prom isse.....................................................................................................................................262
5
1. Einleitung
„Alle Geschichtsschaffenden sehert sich als Spieler in
einem weltweiten Schachspiel der Geschichte. In
Wirklichkeit sind sie nur Figuren, wenngleich van
geschichtlicher Dimension. “
Tleu K. Alimow
Der Zerfall der UdSSR wurde von einer ganzen Reihe regionaler
Konflikte a u f deren ehemaligem Territorium begleitet. Die nunmehr
autonomen Republiken des Transkaukasus (Siidkaukasus) Georgien,
Aserbaidschan und Arm enien1 bemiihen sich bis heute um die
Uberwindung der Folgen dieser Konflikte und in vielen Fallen der
ausweglosen Situationen, in die diese schon iiber ein Jahrzehnt
andauernden Konflikte gefuhrt haben. Objektiv betrachtet existieren
praktisch alle heutigen Lander in Grenzen, die nicht nur in der
ethnischen Geschichte, sondem auch in starkem MaBe im politischen
Willen begrundet sind.
Die nihilistische Haltung der Politiker zur ethnischen und national
gewachsenen Geschichte ist als echte Zeitbombe zu sehen, die friiher
oder spater explodieren wird - fur diese Nihilisten fast immer
unerwartet. Diese (Imperialisten, International isten, Globalisten,
,,M ulti-Kulturalisten“ und andere) haben noch immer das Ziel der
Vereinigung und Standardisierung von alien und allem verfolgt. Und
diesem Ziel werden immer real existierende Ethnien und Nationen
entgegenstehen. Die Vielfalt der Kulturen und Lebensweisen ist eine
gottliche Erfindung.
Naturlich ist angesichts der Geschichte des Russischen Reiches
und der Sowjetunion die Vielzahl der regionalen Konflikte, von denen
der Niedergang der sowjetischen GroBmacht begleitet war, nicht
verwunderlich. Das wirklich Erstaunliche ist, dass es nicht noch mehr
Konflikte gegeben hat. Die Entstehung dieser Konflikte, ihre Dauer
und ,,Ausweglosigkeit“ erklart sich zum Teil aus der Jahrhunderte
dauernden Kriegfuhrung, in deren V erlauf das Russische Imperium
1 Die in der sowjetischen und postsowjetischen Literatur als Transkaukasus
bekannte Region wird in der westlichen Literatur eher als Siidkaukasus
angegeben. Ich benutze beide Begriffe fur die Bezeichnung dieser Region in
meinen Publikationen.
6
entstand und aus der totalitaren Macht, die die territoriale Einheit der
Sowjetunion aufrecht erhielt und ihr Territorium ausweitete.
Wenngleich die territorialen Konflikte im Siidkaukasus Ende der
Achtziger und Anfang der Neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts
vorwiegend politisch-ethnische und territoriale Ziige trugen, so ist
doch ihre tiefe geschichtliche Verwurzelung nicht so leicht zu
ubersehen. Insbesondere trifft dies auf den Konflikt zwischen der
Republik Armenien und der Republik Aserbaidschan zu falschlicherweise oft nur als ,,Berg-Karabach-Konflikt“ bezeichnet.
Aber die Schwierigkeiten bei der friedlichen Losung dieses Konfliktes
bestehen auch darin, dass der breiten Weltoffentlichkeit - im
Gegensatz zu den wenigen kompetenten Experten - die historischen
Grundlagen des Konfliktes fast ganzlich unbekannt sind.2
Die dem Leser vorliegenden geschichtlichen Studien werden, so
hoffi der Autor, einige aufgezeigte Informationsdefizite reduzieren
und zu einer objektiveren Einstellung sowohl zum Kern des Konflikts
als auch zu den legitimen Interessen der an ihm beteiligten Parteien
beitragen. Die zahlreichen in der vorliegenden Arbeit verwendeten
geschichtlichen Fakten und Dokumente geben dem Leser die
Moglichkeit, nachzudenken iiber die Ubereinstimmung der heute
gemeinhin gangigen und von bestimmten Kraften immer noch
verbreiteten Vorstellungen bezuglich der Quellen, Initiatoren und
Hauptopfer dieses Konfliktes und der nachfolgenden armenischen
Aggression gegen Aserbaidschan. Ein weiteres Ziel des Autors ist die
Untersuchung des tatsachlichen Herganges der Ereignisse vor dem
Konflikt und der Besetzung der aserbaidschanischen Territorien
wahrend des anhaltenden Konfliktes. Die rekonstruierte Reihenfolge
der wirklichen Ereignisse und Handlungen ist ein wirksameres
Gegenmittel gegen die nicht adaquaten und zuweilen auch schlicht
unwahren politischen Deklarationen, ideologischen Skizzen und
pseudotheoretischen Konstruktionen.
Der Autor ist tiberzeugt, dass es im 21. Jahrhundert moglich ist, bei
d er Vorherrschaft der Vem unft iiber die Emotionen und Instinkte, ausschlieBlich eine politische Friedenslosung dieses und anderer
ahnlicher Konflikte zu erreichen. Verhandlungen, bei denen eine
Partei nicht au f eine solche Beilegung des Konfliktes abzielt, haben
2 Vgl.: Gottfried Hannes, Rezension des Buches von Thomas Engelke iiber
Berg-Karabach in: Osteuropa, 2000, N 2, S. 228.
7
keine Erfolgschancen, obwohl auch in diesem Fall die Kontakte
zwischen den Verhandlungspartnem nicht abbrechen sollten. Die
Fortsetzung des Konfliktes zwischen Armenien und Aserbaidschan
kann - auch wenn er im konservierten (,,eingefrorenen“) Unlosbarkeitszustand ist - nicht nur zur Destabilisierung von Aserbaidschan
und Armenien, sondem auch der gesamten Region und zu neuen
Kriegshandlungen fuhren. Inzwischen ist - vemiinftiger guter Wille
bei alien beteiligten Parteien vorausgesetzt - eine Vielzahl von
Varianten der friedlichen Losung dieses Konfliktes moglich.
Die vorliegende ist die erste von mehreren geplanten Arbeiten iiber
die Geschichte der Khanate von Aserbaidschan und ihrer Schicksale
vom Ende des 18. Jahrhunderts bis zur ersten Halfte des 19.
Jahrhunderts. Inwieweit es dem Autor gelungen ist, seine Absicht in
der ersten Arbeit zu realisieren sei dem Urteil des Lesers anheim
gestellt. Der Autor wunscht dem Leser, dass ihm die Lektiire dieses
Textes genau so viel Spa/3 macht und er genau so viele Uberraschungen erlebt wie der Autor beim Schreiben des Textes.
Als Optimist hoffe ich, dass diese Studien von der Expertengemeinschaft und der lesenden Offentlichkeit unerschrocken gelobt,
getadelt und kritisiert - und moglicherweise auch (der Traum jedes
Verfassers) - zitiert werden. Anlasse dafiir gibt es mehr als genug. Die
Sache ist die, dass diese Studien auch eine bewusste, wie ich hoffe,
haltbare Provokation enthalten, die einen selbst und den Leser
aufriitteln und dazu veranlassen soil, die iiblichen Stereotypen
aufzugeben. Einige Wiederholungen, die bei dem abrisshaften
Charakter der Arbeit unausweichlich sind, moge der Leser dem Autor
verzeihen.
Uber die strukturellen Besonderheiten der Arbeit: Bei der
Zusammenstellung werden Quellen herangezogen, die dem Autor
bezuglich der Interessen Armeniens und Aserbaidschans als neutral
erschienen sind, wie auch offensichtlich oder nicht offensichtlich
tendenziose Quellen, die die Interessen einer Konfliktpartei zum
Ausdruck bringen. Dies betrifft auch andere Unterlagen wie Skizzen,
Tabellen (aserbaidschanische, armenische, russische, franzosische,
deutsche u.a.) usw. Ihre Gegenuberstellung gibt erganzende, hinlanglich objektive Informationen, die sich von den Textinformationen
unterscheiden, nicht nur uber den Charakter des Konfliktes zwischen
Aserbaidschan und Armenien, sondem auch iiber Aserbaidschan und
Berg-Karabach selbst.
Die handschriftlichen Quellen und anderen Texte in tiirkischer,
aserbaidschanischer und persischer Sprache wurden mit Hilfe von
Ubersetzem verwendet. Die zahlreichen recht langen Abschweifiingen
und stellenweise auBerst ausfiihrlichen Abhandlungen diirften nach
Meinung des Autors nicht nur den sachverstandigen Leser iiberzeugen, sondem auch dem weniger vorbereiteten Leser eine Vorstellung iiber den historischen, politischen und kulturellen Hintergrund
der beschriebenen Ereignisse geben, was dem Leser ein besseres
Verstandnis der engen Einbindung der aserbaidschanischen Staatsgebilde der Neuzeit und der jungsten Geschichte in die Weltgeschichte
und die eigentlichen Geschehnisse innerhalb und auBerhalb von deren
Grenzen erlauben diirfte.
Diese Arbeit zieht haufig historische und politische Dokumente
und unterschiedliche Quellen des 20. (vor der sowjetischen Periode)
und des 19. Jahrhunderts heran. Sie ermoglichen in beachtlichem
Umfang die Loslosung von der sowjetisch-kommunistischen Darstellung der Ereignisse des untersuchten Zeitraums und deren grob
einseitiger Interpretation.3 Der umfangreiche chronologische Teil der
Arbeit erlaubt, wenn auch in verkiirzter Form, diese Ereignisse
aufzuzeigen, die in dieser Arbeit aufgrund ihres Umfangs nicht
gesondert betrachtet werden konnten, obwohl das Wissen darum fur
das Verstandnis des historischen Zusammenhangs und der Tendenz
der Bewegung der Geschichte unverzichtbar ist.
3 Die Hauptsache ist, dass in den Ausfuhrungen keine offensichtlichen
Widerspriiche zu den wissenschaftlich erharteten (verifizierten und zu
verifizierenden) Fakten enthalten sind. Zur Interpretation dieser Fakten ist
jeder ehrliche Forscher von seinem Standpunkt aus berechtigt und
verpflichtet. Ein Beispiel: Wenn die Geschichte Russlands bei Karamsin in
einem bestimmten Licht dargestellt wird, bei Solowjow in einem anderen, bei
Kljutschewskij wieder in einem anderen, bei den Historikem der sowjetischen
Periode nochmals in einem anderen, und bei den Historikem der
postsowjetischen Periode wiederum in einem anderen, von welcher universellen Interpretation zuverlassiger historischer Fakten kann man dann sprechen?
Wir konnen im Prinzip nur auf einem bestehen - auf der Wahrheit der durch
Dokumente erharteten Fakten. A lles andere muss als Wahrhaftigkeit oder
Unwahrheit oder als Irrtum interpretiert werden. Und die Wahrhaftigkeit ist
bekanntlich, genauso w ie auch die Unwahrheit - im Gegensatz zur objektiven
Wahrheit - bei jedem individual.
9
Eine grundlegende Eigenschaft historischer W erke ist die
unvermeidliche stilistische Zweideutigkeit, die sich entweder in der
Subjektivitat widerspruchlicher Aussagen ausdriickt, oder aber in der
gegensatzlichen Bewertung dieser Aussagen. Deshalb enthalten fast
alle haltbaren geschichtlichen Arbeiten Elemente des Paradoxen. Die
detaillierte Chronologie tragt dazu bei, diese zu reduzieren. Und das
Fehlen einer Chronologie verleiht einer historischen Arbeit den
Charakter eines willkiirlichen Urteils.
Damit dem Leser nicht die eigene unvermeidlich subjektive
Meinung des Autors ,,aufgedrtickt“ wird, werden an vielen Stellen
Dokumente, Augenzeugenberichte, Ausziige aus Briefen und Memoiren u.a. ohne ausffihrliche Kommentare zitiert, was dazu beitragen
kann, die unvermeidlichen Anschuldigungen der Parteilichkeit, denen
der Autor wahrend seiner Vortrage bereits mehrfach begegnet ist4, zu
entkraften. Es ist auch die Biografie der Zeugen zu berucksichtigen.
Dabei, wie sich die direkte Reaktion auf eine Konfliktsituation bei
einem Menschen bildet, der in einer Professorenfamilie aufgewachsen
ist, und bei einem Menschen, der durch jugendliche Austragungen von
Hofstreitigkeiten gepragt wurde, gibt es groBe Unterschiede.
Der in dieser Arbeit angefuhrte Wortlaut des Traktates von 1805
sowie die Liste der Herrscher von Irewan sind eine direkte ,,Lektion“
in Geschichtsfalschung.
Die Aufnahme der Teile „1st die Lage ausweglos? Zu den
Moglichkeiten ihrer friedlichen Losung“ und die „Bilanz ziehenden
Anmerkungen zu moglichen Kompromissen in den Verhandlungen
zwischen Armenien und Aserbaidschan“ in die ,,Studien“ entspringt
der festen Uberzeugung des Autors dariiber, dass in der gegenwartigen
Situation im Siidkaukasus auch ein ,,schlechter“ Frieden (W affenstillstand) besser ist als ein ,,guter“ Krieg (groBe bewaffnete Auseinandersetzung) und dass das Verhandlungspotential bei der Suche nach einer
friedlichen Losung des Problems fiir eine Kompromiss-Annaherung
der Konfliktparteien noch langst nicht ausgeschopft ist - weder in
seinen moglichen Formen, noch dem Inhalt nach.
4 Bekanntlich gibt es fur alles zwei Standpunkte: den eigenen und einen
falschen! Weshalb soli ich dem Leser meinen eigenen Standpunkt aufdrangen? Moge er dieses Buch lesen und uber die Korrektur seines Standpunktes
nachdenken.
10
Die Dokumente der UNO und die zeitgenossischen volkerrechtlichen Fragmente werden hauptsachlich zur korrekten Bewertung des
Problems der Besetzung des Territoriums eines Nachbarstaates, der
Rechte der Zivilbevolkerung wahrend bewaffneter Konflikte vor und
seit Entstehung der UNO angefuhrt.
Das wiederholte Erinnem an einige Ereignisse, Daten und
Schicksale historischer Personlichkeiten in den verschiedenen
Studien, aus verschiedenen Griinden und gestutzt au f verschiedene
QueJlen, tragt nach Erachten des Autors zur Steigerung der Objektivitat der Einstellung bei ihrer Betrachtung und Interpretation bei. Aus
jedem historischen Ereignis konnen unendlich viele Lektionen gelemt
werden - oder keine! Wie kompliziert hinsichtlich der Informationen
ist jedes historische Ereignis im Unterschied zu einem Naturereignis.
Historische Ereignisse diirfen nicht ,,einseitig“ ausgelegt werden. Die
Vielschichtigkeit ihrer Deutungen ist in ihrer Natur als nicht
naturwissenschaftlichem Phanomen begriindet. Die Ideologen ziehen
den Schluss, die Geschichte sei nur die Summe der verschiedenen
Standpunkte und Erklarungsmethoden.5 Meine Schlussfolgerung aus
diesem Umstand: in der faktischen Geschichtswissenschaft spielt eine
zuverlassige Faktologie eine viel groBere Rolle als bei den
Naturwissenschaften. Daraus erklart sich die Konzentration auf die
Fakten in der vorliegenden Studie.
Die Transkription der Namen und geographischen Bezeichnungen
ist in den verschiedenen Quellen sehr unterschiedlich, und ich musste
die mir am besten erscheinenden wahlen oder Varianten zitieren. Die
hinlanglich weitschweifigen Erlauterungen zu einigen Namen und
geographischen Bezeichnungen sind durch die notwendigen
Gegeniiberstellungen der armenischen und der anderen Interpretationen dieser Namen, geographischen Bezeichnungen und deren
Geschichte, wie sie sich nach den vorhandenen Dokumenten tatsachlich entwickelt haben, bedingt. Ein eindriickliches Beispiel dafiir sind
5 Fur die Ideologen ist die Vergangenheit keineswegs nicht voraussagbar. Ganz
im Gegenteil - sie ist sogar sehr voraussagbar, aber veranderbar. Fiir die
Ideologen ist die Vergangenheit ein sehr plastisches, sozusagen bewegliches,
sogar flussiges Medium. Und sie nimmt bekanntlich, wenn man sie in ein
geschliffenes Glas gieBt, die Form des Glases an, und in eine Amphore
gegossen nimmt sie deren Form an. Deshalb sind wir keine Ideologen!
11
die drei Bezeichnungen des Flusses Bortschala6 in den verschiedenen
Gebieten, die er durchfliefit.
Einige Worte zu den methodologischen Voraussetzungen fur die
Entstehung dieses Textes. Der Autor geht davon aus, dass die Teilung
der sogenannten Naturwissenschaften in einen beobachtend-experimentellen und einen theoretischen Teil m it einigen Korrekturen auch
auf die sogenannten Gesellschaftswissenschaften anwendbar ist. Und
hier ist ein Teil der wissenschaftlichen Tatigkeit, der eher beobachtend-experimentell ist, den man als ,,Forschung“ bestimmen kann, als
Tatigkeit, die die faktologische Basis fur die weitere ,,Lehre“ und
Schaffung von Theorien zur Verfiigung stellt. Der vorliegende Text
ist, wie der Autor hofft, eine Einheit aus ,,Forschung“ und ,,Lehre“ .
Das historische Wissen wird nicht zufallig standig uberholt: jede
Epoche stellt der vorausgehenden neue Fragen. Und eine Epoche kann
nicht nur hundert, sondem auch 20 oder selbst fiinfzehn Jahre
umfassen. Die Sicht des Konfliktes zwischen der Republik Armenien
und der Republik Aserbaidschan im Jahre 1994 und seine Sicht in
2008 sind grundlegend verschieden: Die Sicht basiert in 2008 auf
Informationen, die dem Beobachter 1994 nicht zuganglich waren.
Hat man es mit ideologischen Mythen oder mit auf ideologischen
Grundlagen beruhenden, fest verteidigten Hypothesen zu tun, die im
Widerspruch zu den bekannten fundamentalen Fakten stehen,
bekommt man die Uberzeugung, dass man auf offene, unerklarliche
Klappen des menschlichen Unterbewusstseins gestoBen ist. Diese
Mythen sind trotz ihrer Attraktivitat fur die interessierten Parteien
genau so gefahrlich wie angeregter Kernbrennstoff. Der gesunde
M enschenverstand ist bei ihnen, gelinde gesagt, in Mitleidenschaft
gezogen und es finden sich immer Radikale, die bereit sind, diese
Mythen immer und immer wieder zu verwenden.
Es gibt auch einen objektiven Grund fur die Langlebigkeit dieser
Mythen: a u f einem bestimmten Entwicklungsniveau jeder Wissenschaft, auch der Geschichtswissenschaft, konnen aus den vorhandenen, erlangten, offentlichen oder unverfelschten Fakten streng
6 Die Bortschala ist ein rechter Nebenfluss des Flusses Chram, der zunachst in
den Fluss Kura miindet. Am Oberlauf heisst die Bortschala Bambak, nach
seiner Wendung nach Norden wird der Bambak Debeda genannt, und nach
dem Zusammenfluss mit dem Fluss Kamenka, der die Lorinische Steppe
bewassert, erhalt die Debeda den Namen Bortschala.
12
logisch beliebige, auch einander diametral entgegengesetzte Schliisse
gezogen werden. Diese Studien flihren viele Beispiele fur auf diese
Weise erlangte Schlussfolgerungen an. Die einzige Medizin gegen
diese N ot ist die weitere Aufdeckung der historischen Fakten und das
Liiften der Decke der Geheimniskramerei, der Fleuchelei, der
iibertriebenen „political correctness" oder der direkten Falschung der
bereits bekannten Fakten.
In diesen Studien baue ich auch auf den menschlichen Wesenszug,
der das ewige Schweigen iiber irgendetwas oder das teilweise
Verschweigen einer Sache ganzlich unmoglich macht. Man kann die
,,Schweigenden“ oder die ,,Verschweigenden“ dabei ertappen, woriiber sie sich ungewollt verplappern; man kann bemerken, woriiber
und weshalb sie schweigen; man kann sich einigermaBen genau
ausrechnen, was sie veranlasst, gerade so zu sein u. a. Viele Falle
dieses Verschweigens gelangen iiber die ,,Offnung“ bisher verschlossener staatlicher oder privater Archive plotzlich in den Besitz
der wissenschaftlichen Offentlichkeit, auch wenn sie sich nicht immer
zur Veroffentlichung ,,eignen“.7
In den Disputen (nicht wissenschaftlichen Abhandlungen, wohlgemerkt) um die Konflikte wird nicht selten die Methode der
Diskreditierung der Quelle angewandt. Vom Standpunkt dieser
Auffassung (nicht Logik, wohlgemerkt) aus, ist eine Information nicht
iiberzeugend zu widerlegen, sondern es ist danach zu streben, die
Informationsquelle zu diskreditieren. Als ,,schlecht“ konnen dabei
beliebige Quellen verleumdet werden: sowjetische, aserbaidschanische, von Vertretem der ,,falschen“ historischen Schule erstellte, vor
einer bestimmten Zeit ans Licht gekommene und so weiter und so fort.
7 Man kann sich vorstellen, welche Gefuhle fur viele bekannte Namen der
russischen Kultur die Offnung und Veroffentlichung des Privatarchivs von
Jakob Samuilowitsch Agranow (1893-1937) hervorgerufen hatte. Und welche
auBerst interessanten Daten sich im Istanbuler Archiv (eigentlich eine
Sammlung vieler Archive) befinden, die von Ernst Schneeberger in Form von
Makulatur gekauft und in die Schweiz gesandt wurden. Weder in der
aserbaidschanischen noch viel weniger in der armenischen Literatur fand ich
zu dem in diesem Buch behandelten Thema Hinweise auf dieses Archiv. Ich
fand auch im ,,Tbilisser“ Archiv des georgischen Zweigs der Familie
Florenskie keine Hinweise und Verweise darauf. Dies betrifft auch das Archiv
der hettitischen Konige, die in Chattusas-Bogaske in der Nordturkei
aufbewahrt werden. Vgl.: Stefan Sigerist. Schweizer in Agypten, Triest und
Bulgarien. Selbstverlag Stefan Sigerist. Schaffhausen 2007.
13
Eine solche Einstellung trifft man leider auch haufig beim Studium
des Konfliktes zwischen Armenien und Aserbaidschan an.8 Und sie
beeintrachtigen sogar stark das Bemiihen um Unparteilichkeit.
Viele Jahrzehnte dauerte die Periode der starken ideologisch
bedingten Luge in der gesamten sowjetischen Geschichtsschreibung
und insbesondere beziiglich des Siidlichen Kaukasus an. Und das
,,Abtragen“ dieser unvorstellbaren Berge der gewissenhaften Irrtiimer,
die durch den begrenzten Zugang zu den Quellen bedingt sind und
durch glatte Liigen, deren Ursache im politischen Engagement liegt,
wird viele Jahre dauem.
Der Grofiteil des Textes dieser Studien wurde vor fast zwei Jahren
geschrieben. Dass seit dem Schreiben bis zur Veroffentlichung so viel
Zeit vergangen ist, kiimmert den nicht unter Zeitdruck stehenden
Autor nicht. Wenn vom Zeitpunkt der Begeisterung iiber eine fertige
Oberzeugung bis zu ihrem offentlichen Erscheinen hinlanglich viel
Zeit verstrichen ist, beginnt man bereits mit anderen Gedanken zu
leben, andere Quellen zu erkunden, andere Menschen zu treffen und
die eigene Eignung, das bereits Geschaffene objektiv zu bewerten,
wachst und damit auch die Moglichkeit der Selbstkritik. Diese Zeit
der eigenen ,,Entfremdung“ von einem bereits geschriebenen
beliebigen Werk, erweist sich haufig als sehr niitzlich, wenngleich
auch nicht sehr angenehm - wie die meiste wirksame Medizin.
Einer der am weitesten verbreiteten Fehler beim Studium der
Geschichte und Kultur ist die Annahme, dass die M enschen, die
Tausende von Jahren vor uns gelebt haben, oder selbst zweihundert
oder hundert Jahre, genauso dachten wie wir. Um diese Menschen zu
verstehen, muss man ihre Handlungen und die Umstande untersuchen,
in denen sie lebten. Denn auch wenn man sich in einen konkreten
Historiker hineinversetzen muss, denkt doch keiner so, wie dieser
konkrete Historiker, sondem jeder denkt a u f die ihm eigene Weise.
Wie viel mehr trifft das dann auf andere Epochen und Kulturen zu!
Ich folge der Aristotelischen Tradition, jed e Forschung “mit einer
Geschichte des Problems” einzuleiten oder zu begleiten. Aber nicht
nur das: M an muss den “Lebenszyklus” der Ereignisse beschreiben,
ihre historischen “Vorfahren” (die gibt es fast immer), ihre “direkten
8 Bei einer intemationalen Konferenz 2007 machte mich beispielsweise ein
armenischer Experte darauf aufmerksam, dass ich Karten benutze, die in
Archiven in Baku aufbewahrt werden!
14
Anstifter” und die wichtigsten Vertreter des Zyklus kennenlemen, die
auf das Epizentrum und die Peripherie hinweisen.
Die Forderungen, der Autor miisse ethische und asthetische
Bewertungen vermeiden und stets vollig unvoreingenommen bleiben,
teile ich aufgrund ihrer Unerfullbarkeit nicht. Aber die eigene
Voreingenommenheit erkenne ich an und bin bemiiht, sie nach
meinem schwachen Vermogen zu begrenzen.
Eine grofie Bedeutung bei jed er historischen Forschung hat die
Beriicksichtigung der Einschatzungen von Zeitgenossen: sie ermoglichen es dem Autor, eine eigene Optik des “heimlichen Betrachters”
zu konstruieren und nebenbei auch die W ahmehmung der Leser
„vorzuformen". Kraft des letzteren Umstandes habe ich mich bemiiht,
diese Einschatzungen nicht zu missbrauchen.
Mich interessiert an der Vergangenheit hauptsachlich das, was
heute und morgen fur uns lehrreich sein kann. Und natiirlich ist da
auch die Neugier, zur Erweiterung der eigenen Lebenserfahrung einen
Blick au f die Generationen der Vergangenheit zu werfen. Je mehr wir
iiber eine konkrete Geschichtsepoche wissen, desto einzigartiger und
unwiederholbarer ist sie. Und desto schwieriger ist es, aus diesem
„epochalen Wissen“ allgemein gtiltige Schliisse zu ziehen. Das darf
bei geschichtlichen Vergleichen nicht vergessen werden.
Faktische Fehler bei einer Kritik beziiglich faktischer Fehler
ermuntern mich genauso wie Druckfehler in einem Artikel iiber
Druckfehler.
Autoren sind bei Fragen, die die Defizite der eigenen Werke
betreffen, immer parteilich und oft „blind". Der ungerechtfertigte Anspruch der Kritiker erscheint ihnen iibertrieben und nur was guten
Gewissens geschrieben ist, kann im Prinzip das Bessere sein, was in
der Vergangenheit geschaffen wurde. Dabei vergessen diese Autoren,
dass das Bessere heute, selbst wenn es auch tatsachlich besser ist,
nicht etwas Vollkommenes, nicht zu Verbessemdes bedeutet. Ich
betone hiermit, dass ich nicht zu diesen Autoren gehore!
Nach Fertigstellung dieser Studien kamen die Kollegen, die diese
als M anuskript gelesen hatten, fast einstimmig zu dem Schluss, dieses
W erk sei sowohl als Nachschlagewerk als auch als Leitfaden zum
Studium des Problems fur Anfanger geeignet. Der Autor hat keine
Einwande gegen diese Auffassung.
15
2. Zur Geschichte Kaukasisch-Albaniens, des Beyliks
Gjandscha (Ganca)-Karabach, des Khanats Kara­
bach und der Meliktumer von Karabach bis zum
Ende des 18. Jahrhunderts9
„Der Grojiteil der geschriebenen Geschichte wurde
von den Siegern zusammengestellt. “
Je. Schachanow
Die Vorfahren der aserbaidschanisch-ffirkischen Stamme sind
zahlreich. Genannt seien nur die Kimmerer (Kimmerier), die Skythen
(die aus den Vorbergen des GroBen Kaukasus in dessen ostlichen Teil
kamen) und die Saken (aus Zentralasien). 627 v. Chr. starb der letzte
groBe assyrische Konig Assurbanipal, und es entstand der neue Staat
Medien. ,,Medien“ wurde das historische Gebiet im nordwestlichen
Teil der heutigen iranischen Hochebene genannt.10 Von den 70er
9 Vgl.: zu den altesten Zeugnissen der Geschichte Aserbaidschans: Abriss 3.
Die historischen und kulturellen Denkmaler von Kaukasisch-Albanien und
des Nordlichen Aserbaidschan des Mittelalters. Die allgem eine Geschichte
Kaukasisch-Albaniens vor dem Einfall der Araber wird im Werk des
franzosischen Forschers Constant gut beleuchtet. Vgl.: Constant Antoine.
L'Azerbaidjan. Paris 2002, Editions Karthala. Chapitre 2. De L’Albanie du
Caucase a la conquete arabe, S. 39-68; Trewer K.W. Otscherki po istorii i
kulture Kawkasskoj Albanii IV w. do n.e. - VII w.n.e. (Studien uber
Geschichte und Kultur von Kaukasisch-Albanien, 4. Jh. v. Chr.-7. Jh. n.Chr.)
Moskau - Leningrad 1959; „Istorija Iranskogo gosudarstwa i kultury. К 2500letiju Iranskogo gosudarstwa" (Geschichte des iranischen Staates und der
iranischen Kultur. Zur 2500-Jahrfeier des iranischen Staates), Moskau, 1970;
Iljas Babaew. Kogda natschali tschekanit monety w drewnem Aserbajdschane? (Wann begann die Pragung von Geld im alten Aserbaidschan?)
In: IRS Nasledie, Nr. 1, 2007, S. 4-6.
10 Bis zum Kaspischen Meer drang Medien nicht vor, da es davon durch die
Stamme der Kaduseer, Amarden u. a. abgeschnitten war. Das Land teilte sich
in das eigentliche Medien oder GroB-Medien und Antropatene (Aser­
baidschan). Die Bewohner, die Arier, zerfielen nach Herodot in sechs
Stamme.
Die wichtigsten Beweisquellen uber Medien sind die Chroniken der Assyrer
und Inschriften der babylonischen Konige (Nabonids). W ichtige Aufschlusse
uber Medien geben die antiken Klassiker (Herodot, ,,Istorija“, L., 1972;
Strabon, “Geografija“, М., 1964; Die ersten zuverlassigen Berichte iiber
Medien datieren aus dem 9. Jahrhundert v. Chr. Der assyrische Konig
Rammanirari III. erwahnt in seinen Inschriften unter den Urvolkem die Madai
(Einwohner Mediens). Bei den Griechen wurde Medien oft mit dem Namen
16
Jahren des 7. bis zur Mitte des 6. Jahrhunderts v. Chr. war Medien ein
Konigreich mit der Hauptstadt Ekbatan. Seine Blutezeit erreichte
dieser Staat unter Herrscher Kiaksar. In den Jahren 550-549 v. Chr.
vermochte der Staat der M eder nach der Besiegung durch den
persischen Herrscher Kyros II. im letzten Viertel des 4. Jahrhunderts
v. Chr. wieder zu erstarken, jedoch wurde das Gebiet 331 v. Chr. von
Alexander dem GroBen erobert. Einer der groBten Fuhrer der Meder,
Atropates, gab der Uberlieferung zufolge der Region, die sich bis zum
Kaspischen Meer erstreckt, den Namen, der bis zum heutigen
Aserbaidschan viele Veranderungen durchlaufen hat (griech.
Atropatene, arm. Atrapatakan, neupersisch Adarbayjan).
Diesem Atropates gelang es nach dem Tod Alexanders des
GroBen, einen unabhangigen Staat zu griinden, dessen Staatsreligion
der Zoroastrismus war. Von 65 bis 36 v. Chr. war ein groBer Teil des
heutigen Territoriums der Republik Aserbaidschan, einschlieBlich
Kaukasisch-Albanien von den Romem besetzt.11
In der Antike wurde das Kaspische M eer auch als Albanisches
Meer bezeichnet und man vermutete (Hekataios), dass es mit dem
nordlichen Ozean oder (Alexander d. Gr.) dem Asowschen Meer
12
verbunden ist.
Im 3. und 4. Jahrhundert n. Chr. kam Nord-Aserbaidschan,
einschlieBlich dem Kaukasisch-Albanien, unter die Herrschaft der
Achaemenider. In dieser Periode entstanden zahlreiche befestigte
Stadte: Scham chor13, Schemacha, Barda, Gjandscha (Ganca), Ardabil,
Baku14 u.a. Ab dem 4. Jahrhundert n. Chr. beginnt in KaukasischPersien bezeichnet. Mit der Eroberung durch die Romer (Ende des 1. Jahr­
hundert v. Chr.) existiert Atropatene Medien nur als geographische Bezeichnung.
" Die interessantesten Berichte uber die Fruhgeschichte von Antropatene
(Aserbaidschan) und Persien finden sich in „Eranische Alterthumskunde“,
Leipzig 1873; E. Noldeke. Aufsatze zur Persischen Geschichte, Leipzig 1887
und J. Winkler. Zur medischen und altpersischen Geschichte. In: „Lfntersuchungen“, 1889 zitiert.
12 Vgl.: Lexikon der Antike. Bibliographisches Institut, Leipzig 1987, S. 287.
13 Danach Anneno, dann Annenfeld. Stadt und Bahnhof in der Aserbaidschani­
schen Republik, in der Nahe der Stadt Gjandscha gelegen. Der Schamchor ist
ein rechter Nebenfluss der Kura.
14 Der Name Baku ixler Rakn-ie-kammt ixochiitwahrscheinlich aus dem per­
sischen ,,badkube“,
dararf ist* dass die
hiesigen starken Nortlwestwinde ^cit langem bekannf' sind. Die Stadt oder
!
I P R E Z iD E N T X i T A B X A N A S i
]7
Albanien die Verbreitung des Christentums, Vom 4. bis zum 6.
Jahrhundert n. Chr. erschienen im Gebiet von Nord-Aserbaidschan die
Hunnen, die Hasaren und andere Stamme aus Zentralasien und der
Eurasischen Steppe.15 Als im 12. Jahrhundert die Byzantiner in die
Region kamen, siedelten die kaukasischen Albaner in die Berggebiete
der heutigen Region Berg-Karabach von Aserbaidschan um und
grundeten unter der Herrschaft des Dschewanschir (638-670) in der
Folge dort einen christlichen Staat, dessen wichtigste Festung
Girdiman war. Nach den arabischen Eroberungen Ende des 7.
Jahrhunderts wurde Nord-Aserbaidschan in eine groBe Provinz mit
dem Nam en Aserbaidschan eingegliedert, die drei Emirate umfasste:
Schirwan, M ughan und Arran (das ehemalige Kaukasisch-Albanien).
Die iiberwaltigende Mehrzahl der Bewohner dieser Region wurde
islamisiert. Eine Ausnahme bildeten einige Dorfer oder Gebiete, die
von Albanem, sogenannten „tatosprachigen Juden“, Christen,
Zoroastristen und Manichaem bewohnt wurden. Vom 8.-9.
Jahrhundert sind vereinzelt Aufstande gegen die arabische Herrschaft
zu verzeichnen, unter denen der bekannteste der Aufstand unter
Fiihrung des Babek (816-837) ist. Es entstanden auch viele
sektiererische Bewegungen, die den klassischen arabischen Islam an
die ortlichen Anforderungen und Bedingungen ,,angepasst“ hatten. Im
eine groBe Siedlung existierte hier bereits bei den Sassaniden. Ab dem 8.
Jahrhundert herrschten hier die Araber, dann die Khane von Schirwan, nach
ihnen die Safawiden. 1723 ergab sich Baku nach langer Belagerung dem
russischen Admiral Matjuschkin und wurde dem Russischen Reich
angeschlossen, kam jedoch 1735 erneut an den Safawiden-Staat und wurde
von Khanen regiert, den Schiitzlingen des Kadscharen-Staates, der den
Safawiden-Staat 1736 abloste. 1796 war die Stadt unter der Herrschaft des
russischen Grafen Subow, und Gusein-Kuli-Khan von Baku legte einen Eid
auf die staatliche Zugehorigkeit zu Russland ab, ging jedoch spater erneut an
den Kadscharenstaat. A ls nach der Angliederung des Fiirstentums KartliKachetien im Jahre 1806 bei Baku russische Truppen auftauchten, erklarte
sich der Khan zum Schein zur Aufgabe der Stadt am 8. Februar 1806 bereit.
Bei der Ubergabezeremonie wurde der russische Oberbefehlshaber Furst
Zizianow hinterhaltig ermordet, enthauptet, und sein Haupt wurde dem Schah
des Kadscharenstaates ubersandt. Die Stadt ergab sich den russischen
Truppen am 3. Oktober 1806 und wurde nach der Flucht des Khans
Verwaltungszentrum des Russischen Imperiums und im Jahre 1859
Gouvemementshauptstadt.
15 Vgl.: z.B. L.H. Gumilev, Drevnije turki (Uralte Tiirken). Sankt Petersburg,
SEKEO ,,KristaH“, Moskau AST 2002.
18
9.-10. Jahrhundert zerfiel Nord-Aserbaidschan in zahlreiche Staatengebilde, die formal einem Kalifat unterstanden, jedoch faktisch
autonom waren. Die Schirwanschahs regierten aus der Hauptstadt
Schemacha das Land zwischen Derbent und Kura, ihre Vasallen
waren die Herrscher von Gabala oder Gebele, Scheki oder Scheka
und Karabach. Ab 1027 bis 1382 regierte in Schirwan die Dynastie
der Kesraniden. Diese Dynastie musste sich in den einzelnen
Geschichtsabschnitten sowohl der Alanen, die von Norden einfielen,
als auch der Turkmenen-Oghusen, die von Osten eingefallen waren,
und der Rusen, die die Kiiste des Kaspischen Meeres ausgeraubt
hatten, erwehren. Im V erlauf dieser territorialen Auseinandersetzungen wurde Schirwan stark verkleinert. Nach der Eroberung von
Tabris durch die Seldschuken im Jahre 1054 begann die rasche
Erstarkung ihres kulturellen Einflusses auf die Bevolkerung des
Territoriums der heutigen Republik Aserbaidschan. In den groBen
Stadten und in den anderen wichtigen Orten wurden die Dialekte der
iranischen Sprache zunehmend vom Aserbaidschanisch-Turkischen
verdrangt. Aber die persische (iranische) Sprache, die beim einfachen
Volk in Vergessenheit geriet, blieb nach wie vor die Sprache der
herrschenden Oberschichten und der Dichter, beispielsweise bei
Nisami.
Im 13.-14. Jahrhundert kam die Region unter die Herrschaft der
Dynastie der Hulagiden, die bis 1385 herrschten, als sie von den
turkischen Einheiten des Timur vertrieben wurden. Unter der Fiihrung
des Herrschers der Kisilbasch, Schah Ismail I. (1487-1524), begann
ein neuer Eroberungsfeidzug der Kisilbasch aus Gilan. Im Jahre 1501
eroberten die Kisilbasch Tabris, und gegen 1514 herrschten sie iiber
die riesigen Territorien von den Grenzen des Osmanischen Reiches
bis nach Afghanistan. In der zweiten Halfte des 16. Jahrhunderts fiel
Nord-Aserbaidschan erneut unter die Herrschaft des Osmanischen
Reiches, bis sich die Kisilbasch in den Jahren 1603-1607 Schirwan
wieder zuriickholten. Bis zum Zerfall des Safawidischen Reiches 1722
gehorte Aserbaidschan zu diesem Imperium. Der erste persische
Herrscher w ar Luksch Kerim-Khan Sent. Unter Peter dem GroBen
untemahm Russland in den Jahren 1722-1723 einen Feldzug an die
Westkiiste des Kaspischen M eeres, war aber schon nach einigen
19
Jahren (1728-1734) unter dem Ansturm des Osmanischen Reiches16
und des Safawiden-Staates, zwischen denen die halbautonomen
ortlichen Khane lavierten, zum Riickzug gezwungen.
Im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts wurden 11 nordaserbaidschanische Khanate russisches Hoheitsgebiet. Nach dem Krieg
zwischen Russland und Persien in den Jahren 1804-1813 fielen die
nordaserbaidschanischen Khanate Gjandscha (Ganca), Karabach,
Schirwan, Kuba, Derbent, Scheka und Baku an Russland. Nach dem
Russisch-Persischen (Kadscharischen) Krieg von 1826-1828 folgten
die Khanate Lenkoran, Talysch, Nachitschewan und Eriwan. Der
Vertrag von Turkmantschai zwischen Russland und dem
Kadscharenstaat von 1828 zog die Grenze zwischen diesen Staaten
entlang des Flusses Araxes (Aras) und machte die Aserbaidschaner
wieder zu einem geteilten Volk.
M it dem Ziel der Schaffung einer christlichen ,,Pufferzone“ im
siidlichen Kaukasus forderte die russische Regierung organisatorisch
und fmanziell die planmaBige Umsiedlung der Armenier aus dem
Osmanischen Reich und dem Kadscharenstaat (Persien) in das Land
nordlich und nordostlich des Araxes. Zur planmafiigen Umsiedlung
kam auch eine beachtliche spontane, unvorhergesehene Umsiedlung
der Armenier aus diesem und anderen Landern in das Russische
Reich. Gegen 1846 wurden im Transkaukasus bereits iiber 200.000
Armenier gezahlt, und gegen 1915 waren es hier schon rund 1,7
M illionen.17
Russland starkte seine Macht im Transkaukasus zunachst durch
eine M ilitarverwaltung, danach durch Umgestaltungen in Zivilverwaltungen und durch Einbeziehung der moslemischen Aristokratie
(der Khane, Beys u.a.) in das bestehende Machtsystem. 1846 wurde
die moslemische Aristokratie rechtlich dem russischen Adel gleichgestellt. In den Jahren 1864-1871 wurden im gesamten Territorium
von Nord-Aserbaidschan auch einige Einschrankungen fur die Bauem
16 Der Vorlaufer der modemen Republik Tiirkei war das 600-jahrige
Osmanische Reich. Gegriindet im 13. Jahrhundert und mit seiner Bliitezeit im
16. Jahrhundert unter Suleiman I. dem GroBen, umfasste es europaische und
afrikanische Lander sow ie Lander des Nahen Ostens. Im Jahre 1923 wurde
nach dem Sieg der nationalen Befreiungsbewegung (1918-1923) unter der
Fuhrung von Mustafa Kemal die Republik Tiirkei ausgerufen.
17 Vgl.: Imranli Kamala. Tschjomaja sudba tschjom ogo sada (Das schwarze
Schicksal des schwarzen Gartens). Ladamir, Moskau, 2006.
20
aufgehoben. Ab 1872 floss auslandisches Kapital in die Region durch
die VerauBerung von staatlichem Land au f Apscheron und die
Erteilung von Konzessionen fur die hiesige Olforderung. Bereits 1898
wurde hier die Halfte der Olfordermenge der gesamten Welt gefordert.
D er Bau einer Eisenbahnlinie vom Kaspischen Meer iiber Tiflis bis
zum Schwarzen Meer im Jahre 1883 und die Schaffung eines stabilen
Telefonnetzes im Transkaukasus machten Baku zum wichtigsten
Bindeglied Russlands zwischen Europa und Asien. Die Stadt entwickelte sich rasch zu einer multinationalen Metropole mit vielen
europaischen Ziigen.
Die rasche Industrialisierung, die relativ starke Konkurrenz der
Kapitalstrome neben den raschen demographischen Veranderungen,
hauptsachlich durch den verstarkten Zustrom der armenischen
Bevolkerung aus dem Gouvernement Tiflis, dem Osmanischen Reich
nach Baku und andere GroBstadte, flihrten zu einer erhohten
Politisierung der Bevolkerung und zu gestiegenen Spannungen in den
Beziehungen zwischen den Ethnien. Die W iderspruche trugen sowohl
politischen (Handlungen der zaristischen Verwaltung) als auch
okonomischen Charakter (verstarkte Konkurrenz seitens des
aggressiven armenischen Handelskapitals). Diese Spannungen flihrten
bisweilen auch zu bewaffneten ZusammenstdBen recht groBen
Ausmafles (1905-1906). Neben den russischen sozialdemokratischen
Kreisen entstand (1904) auch die aserbaidschanische Partei (eher eine
linkslastige nationale Bewegung) ,,Hummet“ (Energie). Daraus gingen
M amm ed
Amin
Rasulzade
und
andere
Regierende
der
Demokratischen Republik Aserbsidschan (DAR, 1918-1820), sowie
18
N. Narimanow, der zu dieser Zeit nicht die Mehrheit hatte, hervor.
18 Narimanow Nariman Kerbalaji Nadschaf ogly (1870-1925) war Politiker und
Schriftsteller. 1917 Vorsitzender des Komitees ,,Hummet“. 1920 Vorsitzender
des aserbaidschanischen Revolutionskomitees, Vorsitzender des Sowjets der
Volkskommissare (SNK) der Aserbaidschanischen SSR. Ab 1922 Vorsitzen­
der des Unionssowjets der Transkaukasischen Sozialistischen Foderativen
Sowjetrepublik (ZSFSR). D ie Griinde fur seinen plotzlichen Tod in Moskau
sind bis jetzt dunkel und unerklart. Seine wichtigsten literarischen Werke sind
der Roman „Bahadur i Sona“ (Bahadur und Sona) (1896), die historische
Tragodie ,,Nadirschah“ (Nadirschach) (1899), Stiicke, literaturkritische
Artikel.
21
1911 wurde die nationaldemokratische Partei „Mussawat" (Gleichheit) gegriindet.19
Diese Partei griindete unter der Fiihrung von Mammed Amin
Rasulzade am 28. Mai 1918 die Demokratische Republik A ser­
baidschan (DRA), in der sie Regierungspartei war, bis Ende April
1920 von den Infanteristen der 11. Roten Armee in Aserbaidschan die
Herrschaft der Bolschewiken errichtet wurde. Am 5. Juli 1921 wurde
unter Garantie seitens der Ttirkei gemaB den Artikeln des M oskauer
Abkommens20 die Schaffung der Autonomie von Berg-Karabach
beschlossen; am 7. Juli 1923 wurde dieser Beschluss durch bolschewistisches Parteidekret bestatigt. Ab dem 12. Marz 1922 gehorte
Aserbaidschan neben Armenien und Georgien zuerst zur Foderativen
Union Transkaukasien und ab dem 13. Dezember 1922 zur
Foderativen Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken Transkaukasiens, die am 30. Dezember 1922 auch den Unionsvertrag
unterzeichnete. Nachitschewan erhielt die Autonomie nach dem
Beschluss vom 31. Dezember 1923 auf der Basis des Dekrets vom 9.
Februar 1924. Erst nach Auflosung der Transkaukasischen Sozi­
alistischen Foderation (1936) wurde Aserbaidschan eine Unionsrepublik in der Sowjetunion, die Sozialistische Sowjetrepublik Aser­
baidschan.
Entscheidende Veranderungen nahm die bolschewistische
Herrschaft in Aserbaidschan von der zweiten Halfte der zwanziger
Jahre bis zur ersten Halfte der dreiBiger Jahre des 20. Jahrhunderts
vor. Das waren: die Massenenteignung von Land; die Umstellung auf
das lateinische Alphabet (1927), der A ngriff auf den Islam und die mit
ihm verbundenen Traditionen und Institute (1925-1928); die
Zwangskollektivierung (ab 1929) und die mit der Industrialisierung
14 ,,Mussawat“ (Gleichheit) ist eine politische Partei in Aserbaidschan. Im
September 1918 kam die Partei in der Demokratischen Republik
Aserbaidschan (DRA) an die Regierung. Sie regierte bis zur Okkupation des
Landes durch die Rote Armee im April 1920.
20 Vgl.: Ilgar Mammadow und Tofik Mussajew. Armjano-aserbajdschanskij
konflikt. Istorija. Prawo. Posrednitschestwo. (Der armenisch-aserbaidschanische Konflikt. Geschichte. Recht. Vermittlung.) Tula, Grif i K. 2006. Kapitel
1, Abschnitt 9 „Nagomyj Karabach w sostawe Aserbajdschanskoj Demokratitscheskoj Respublike (Berg-Karabach innerhalb der Demokratischen
Republik Aserbaidschan) (1918-1920); Kapitel 2, Abschnitt 2.2 „Nagornyj
Karabach w sostawe Aserbajdschanskoj SSR“ (Berg-Karabach innerhalb der
Aserbaidschanische SSR).
22
verbundene Umsiedlung von Menschen in groBem MaBstab. In der
zweiten Halfte der 30er Jahre des 20. Jahrhunderts fiel fast die
gesamte nationale politische und kulturelle Elite Aserbaidschans der
stalinistischen Repression zum Opfer.
Im Zweiten W eltkrieg keimte die Hoffnung auf Wiederherstellung
der Einheit des geteilten aserbaidschanischen Volkes wieder auf.
Sowjetische Truppen riickten in den Nordiran ein (August 1941) und
es wurde ein „Iranisches Aserbaidschan" proklamiert (D. Gasanly),
das sich bis zum Abzug der sowjetischen Truppen (April 1946) hielt.21
Nach dem Krieg wurden in Aserbaidschan viele wichtige
Industrieprojekte (Sumgait, Ali Bairamli, Mingetschaur u.a.) realisiert,
wahrend die Bedeutung der aserbaidschanischen Erdolforderung fur
die UdSSR im Vergleich zu den Fordermengen in den anderen
Regionen der Union abnahm. V or 1988 war Aserbaidschan eine der
bliihendsten Republiken der UdSSR.
Jedoch entstanden durch die Gebietsanspriiche der Armenier seit
dieser Zeit immer groBere innere ethnische und soziale Spannungen in
der Republik. Diese waren einer der wichtigsten Katalysatoren flir das
Erstarken der nationalen Bewegung der Aserbaidschaner. Das
Ergebnis war die Entstehung der Nationalen Front Aserbaidschans
(am 23. Juli 1989), die am 23. September 1989, am Tag der
Proklamation der Souveranitat von Aserbaidschan, aus dem
Untergrund kam. In den Jahren 1988 und 1990 gab es an vielen Orten
der Republik Unruhen und ZusammenstoBe (im Februar 1988 in
Sumgait, im November 1988 in Gjandscha, im Januar 1990 in Baku),
denen antiaserbaidschanische Pogrome in Armenien vorausgingen.22
Gewaltige Fliichtlingsstrome gingen aus Armenien nach Aser­
baidschan und aus Aserbaidschan nach Armenien. Die groBte
Spannung wegen der Blockade seitens Armeniens entstand im Winter
21 Vgl.: das hervorragende Werk des aserbaidschanischen Professors Dschamil
Gasanli „SSSR-Iran: Aserbaidschanskij krisis i natschalo cholodnoj wojny.
UdSSR-Iran Die aserbaidschanische Krise und der Beginn des Kalten
Krieges, 1941-1946“. Moskau, „Geroi otetschestwa“, 2006, Kapitel VII
„Obrasowanie nazionalnogo prawitelstwa".
22 Vgl.: Samuel A. Weems. „Secrets o f a „Christian" terrorist state Armenia.
The armenian great deception series - volume 1. St. John Press (Shortened
Version), 2007, Chapter six: What Kind o f Christians Are the Armenians.
Who Claim to be the First Christian State? Armenian Terrorist Activities.
23
1989/90 in Nachitschewan, einem an den Iran grenzenden aser­
baidschanischen Territorium.
Im Januar 1990 marschierten die Truppen der Sowjetarmee in
Baku ein, wobei Zivilisten umkamen (rund 170 Tote). Der
Parteifuhrer A. Wesirow wurde durch Ajas Mutalibow abgelost, der
im Mai 1990 zum Prasidenten von Aserbaidschan gewahlt wurde. Am
6. Februar 1991 wurde die offizielle Bezeichnung des Landes
„Republik Aserbaidschan“. Am 30. August 1991 proklamierte A ser­
baidschan seine Unabhangigkeit. Dieser Entschluss wurde vom Parlament am 18. Oktober 1991 bestatigt. Am 21. Dezember 1991 trat
Aserbaidschan der Gemeinschaft Unabhangiger Staaten (GUS) bei.
Die Eskalation des Konfliktes um Berg-Karabach und der Zerfall
der UdSSR trugen zum Riicktritt von A. Mutalibow*’ am 6. Marz
1992 bei, nachdem der Staatsrat, in dem die Nationale Front
Aserbaidschans (NFA) eine entscheidende Rolle spielte, die Republik
proklamiert hatte. Der Versuch M utalibows (am 14. Mai 1992) wieder
an die Macht zurtickzukehren, wurde durch Massendemonstrationen,
organisiert von der Nationalen Front, vereitelt. Deren Vorsitzender A.
Eltschibei24 wurde (am 7. Juni 1992) zum Prasidenten der Republik
gewahlt. Unter ihm trat Aserbaidschan aus der GUS aus und schlug
den politischen Kurs der starkeren Orientierung iiber die Tiirkei zum
Westen hin ein.
Jedoch bewegten sich im Juni 1993 militarische Einheiten unter
Fuhrung von Suret Guseinow25, nachdem sie Gjandscha eingenommen
23 Mutalibow, Ajas Nijasi ogli (geb. 1938), Staatsmann und Politikcr. Ab 1982
stellvertretender Vorsitzender des Ministerrats der SSR Aserbaidschan, 19891990 Vorsitzender des Ministerrats der SSR Aserbaidschan. 1990-1991 Erster
Sekretar des ZK der KP Aserbaidschans. 1990-1992 Erster President von
Aserbaidschan. Nach seinem erzwungenen Riicktritt wurde gegen ihn ein
Strafprozess angestrengt, der noch anhangig ist. Er lebt seit 1992 in Moskau,
wo er Zweiter Vorsitzender der Aserbaidschanischen Sozialdemokratischen
Partei ist
24 Eltschibei, Abulfas, bekannter aserbaidschanischer Politiker und Staatsmann,
Vorsitzender der allnationalen Volksbewegung NFA (Volksfront Aser­
baidschan, gegriindet 1988), Zweiter President der Republik Aserbaidschan
(1992-1993). Er starb am 22. August 2000 in einem Krankenhaus in der
Tiirkei.
“5 Guseinow, Suret, Oberst der aserbaidschanischen Armee, Anflihrer des
Aufstands in Gjandscha (am 10. Juni 1993), Regierungschef von Aser­
baidschan (von Juni 1993 bis Oktober 1994). Nach Unruhen in Gjandscha
(1994) flieht Guseinow nach Moskau. Im Marz 1997, nach seiner Festnahme
24
hatten, au f Baku zu. President Eltschibei lud Heidar Alijew zur Rettung der Republik vor dem Biirgerkrieg, der schlimmsten Katastrophe
fur jeden Staat, ein und floh aus der Hauptstadt.26 Am 24. Juni 1993
wurden ihm die entscheidenden Regierungsvollmachten in der
Republik iibergeben. Am 3. Oktober 1993 wurde Heidar Alijew zum
Prasidenten gewahlt. Davor war Aserbaidschan (am 24. September
1993) em eut der GUS beigetreten, jedoch unter der Bedingung der
Nichtstationierung der Streitkrafte dieser Organisation auf ihrem
Territorium und der Nichteinmischung in ihre Energiepolitik.
Im Mai 1994 schloss Aserbaidschan einen Waffenstillstand mit
Armenien, das rund 20% seines Territoriums besetzt hatte und begann
sich a u f die okonomische Entwicklung des Landes zu konzentrieren,
wofiir viele giinstige Voraussetzungen vorlagen: eine des Lesens und
Schreibens kundige und arbeitswillige Bevolkerung, die reichsten
naturlichen Ressourcen, eine vorteilhafte geographische Lage und eine
pragmatisch orientierte Fuhrungsspitze und Elite. Im Oktober 1994
und Marz 1995 wurden Putschversuche gegen President H. Alijew
niedergeschlagen.27
im Gebiet Tula lieferte ihn Russland an die Republik Aserbaidschan aus. Zur
Auslieferung trug ein Skandal bei, der mit illegalen Waffenlieferungen
Russlands (darunter auch Raketen, die Atomsprengkopfe tragen konnen) nach
Armenien verbunden war.
2fi Alijew, Heidar Alijewitsch (Ali Rsa ogly), 1923-2003, Allnationaler Fiihrer
des aserbaidschanischen Volkes und dritter President von Aserbaidschan,
1993-2003. Held der Sozialistischen Arbeit (1979, 1983). 1964-1967
Stellvertretender Vorsitzender des KGB, 1967-1969 Vorsitzender des KGB
beim Ministerrat der Aserbaidschanischen SSR. Von 1969 Erster Sekretar des
ZK der KP Aserbaidschans. 1976-1982 Kandidat des Politburos, 1982-1987
Mitglied des Politburos des ZK der KPdSU. 1982-1987 Erster Stellvertreten­
der Vorsitzender des Ministerrates der UdSSR. Ab 1991 Vorsitzender des
Obersten Medschlis der Autonomen Republik Nachitschewan. Juni-Oktober
1993 Vorsitzender des Obersten Sowjets von Aserbaidschan. Besonders
schwierig waren die ersten Regierungsjahre von President Heidar Alijew.
Einzelheiten Vgl.: Johannes Rau. Der Nagorny-Karabach-Konflikt (19882002), Berlin, Verlag Dr. Koster 2003, 3.3. Die Lage Aserbaidschans, S. 57-
76 .
27 Einer dieser Versuche war der ortliche Putsch von Oberst Alikram
Humbetow, der fur die Umverteilung der Vollmachten und der Finanzen
zwischen Baku und den Regionen eintrat. Mitte Juli 1993 erklarte er die
Griindung einer „autonomen Republik Talysch-Mughan“ und stellte entlang
der Chaussee nach Baku, von den Aufstandischen ,,Verteidigungslinie“
genannt, alte Waffen auf. Diesem Ereignis maB man in Baku nicht allzuviel
25
Danach blieb Aserbaidschan politisch stabil und entwickelte sich
wirtschaftlich aufwarts. Seit 2003, unter dem neuen Prasidenten Ilham
Alijew, der unter Beibehaltung eines starken Rechtsstaates
marktwirtschaftliche Prinzipien der wirtschaftlichen Entwicklung
unterstiitzte, wurde diese Entwicklungslinie der Republik A ser­
baidschan nur gestarkt, wie auch ihre Bedeutung in der internationalen
Energiepolitik.
Die riesigen Ol- und Gasreserven des Landes, die unbestrittenen
Erfolge bei ihrer ErschlieBung, beim Transport und der Verarbeitung
und die giinstige geographische Lage der Republik m achten
Aserbaidschan fur die Europaische Union und die USA zum
begehrten Partner bei der Sicherstellung der internationalen Energieversorgung. In nicht geringem Umfang verstarkte sich im Zusammenhang mit diesen Prozessen in den letzten Jahren auch die Aktivitat der
Republik in Richtung einer gerechten Losung des Problems der von
den Armeniem besetzten aserbaidschanischen Territorien.
Karabach - dessen bergiger Teil und dessen Ebene schon immer
wirtschaftlich, sozial, kulturell, administrativ
und politisch
miteinander verbunden waren - liegt zwischen dem Kleinen Kaukasus,
den Fliissen Kura und Aras und ist eines der Gebiete von
Aserbaidschan - „...ein Land, das von aserbaidschanischen Tiirken
besiedelt ist, einem Volk, das die Region besiedelt hat, die sich von
den Nordhangen der Kaukasusberge entlang dem Kaspischen Meer bis
zur Iranischen Hochebene erstreckt“.28
In den Jahrhunderten der Antike und des friihen Mittelalters
gehorte Karabach zu einem Staat, der vom 4. Jahrhundert v. Chr. bis
zum 8. Jahrhundert als Kaukasisch-Albanien bekannt war, dessen
Territorium sich von den Bergen des Kaukasus im Norden bis zum
Aufmerksamkeit bei und nach zwei Monaten wurde der „Putsch" von
Truppen des KGB aus Baku niedergeschlagen. Im Folgenden wurde der
Oberst, nach der Flucht nach Lenkoran und einer Reihe von Zwischenfallen
gefasst und zu lebenslanger Haft verurteilt. 2005 wurde er aus der Haft
entlassen und ihm wurde die Staatsangehorigekit entzogen.
Den OMON-Aufstand im Marz 1995 und die Attentatsversuche auf
Prasidenten Heidar Alijew konnen wir hier nur erwahnen. Einzelheiten Vgl.:
in: Johannes Rau. Der Nagomy-Karabach-Konflikt (1988-2002). Berlin,
Verlag Dr. Koster, 2003, Seiten 74-76.
28 V g l: Swietochowski Tadeusz. Russia and Azerbaijan: A Borderland in
Transition. New York. Columbia University Press 1995, p. 1.
26
Fluss Araxes im Siiden erstreckte und von Iberien im Westen bis zum
Kaspischen Meer im Osten. Die Bevolkerung Albaniens bestand aus
tiirkisch sprechenden, kaukasisch sprechenden und anderssprachigen
Stammen. Im ersten Jahrhundert n. Chr. kam das heutige Gebiet von
Berg-Karabach zur Provinz Arzach-Orchistena (nach Autoren der
Antike) oder Karabach, und die Provinz selbst gehorte zu KaukasischAlbanien.24
Als unabhangiges Staatsgebilde bestand Kaukasisch-Albanien vom
3. Jahrhundert n. Chr. bis zum 10. Jh. n. Chr. Die Hauptstadte waren
in den verschiedenen Zeiten Kabalaka und Partaw (Barda). Das Land
wurde von den Basilen, Gargaren, Hunnen, Kaspier, Uthier, Hasaren
und anderen Volkern besiedelt. Ab dem 4. Jahrhundert befand sich
Kaukasisch-Albanien unter der Herrschaft des Sassanidenreiches,30
und ab dem 8. Jahrhundert der Araber. Ab dem 10. Jahrhundert gehort
ein groBer Teil von Kaukasisch-Albanien zu Schirwan, dem aser­
baidschanischen Staatsgebilde.31
Die friiheste Erwahnung des albanischen Wortes ,,Arzach“
(moglicherweise von ,,er sak“ ) Findet sich in der Awesta.32 Im 4.-5.
29 Vgl.: Schnirelman B. Byt alanami: intellektualy i politika na Sewernom
Kawkase w XX weke. (Das Leben von Alanen: die Intellektuellen und die
Politik im Nordkaukasus im 20. Jahrhundert) Moskau 2006. Zum Terminus
(Toponym) ARZACH. Das Udinische ,,arzi“ bedeutet ,,sesshaft“, „Mcnschen.
die eine sesshafte Lebensweise haben“, und das udinische ,,arzesun“ bedeutet
«sitzen, sich setzen». Arzach ist aus der Wurzel „арци“ und der Pluralform
ach“, die charakteristisch fur kaukasische Sprachen ist, gebildet. In Dagestan,
Tschetschenien und Aserbaidschan gibt es viele Toponyme, die die
Formanten -ach, -ich, -uch, -och und -ech haben: Urkarach, Tschirach,
Chindach, Botlich, Anzuch, Katech u. a. Naheres Vgl.: Sadi Nuriew, Rauf
Gusejnow. Neskolko slow о familijach i imenach armjan (Einige Worter zu
den armenischen Familien und Namen), In: IRS (Nasledie), Moskau 6/2006,
S. 50-51.
30 D ie Sassaniden, die Dynastie der Schahs in den Jahren 224-651. Der Griinder
war Ardaschir I. Der Sassanidenstaat wurde im 7. Jahrhundert von den
Arabern erobert. Die wichtigsten Schahs nach Ardaschir waren: Schapur I.,
Schapur II., Kowad I., Chosrow I. Anuschirwan, Chosrow II. Parwis.
31 Vgl.: Dasxuranci M. History o f the Caucasian Albanians, London 1961.
32 D ie ,,Awesta“ ist ein alter religioser Uberrest; im Zoroastrismus eine
Sammlung heiliger Bucher. Die „Awesta" entstand offenbar in der ersten
Halfte des ersten Jahrtausends vor unserer Zeitrechnung. Der Text der
,,Awesta“ wurde unter den Sassaniden (3. - 7. Jh.) kodifiziert und enthalt eine
Zusammenstellung religioser und juristischer Vorschriften, Gebetsgesange,
27
Jahrhundert n. Chr. erfolgt die Christianisierung der Bevdlkerung
Kaukasisch-Albaniens, die einige Jahrhunderte andauert. Im Jahre 313
wurde das Christentum in Albanien zur Staatsreligion erklart. M it dem
Einfall der Araber ab dem Beginn des 8. Jahrhunderts wurde der Islam
die vorherrschende Religion in der gesamten Region. Ein GroBteil der
Albaner wurde islamisiert und von den Tiirken assimiliert, die auch
den Islam angenommen hatten, und der Teil der Albaner und einiger
anderer Stamme, die in Arzach lebten, blieb beim Christentum.33 Nach
dem Zerfall Kaukasisch-Albaniens im 9.-10. Jahrhundert n. Chr.
wurde sein Territorium von Vasallen der Schirwanschahs kontrolliert.
Im 11. Jahrhundert wurden die niederen Steppenteile des nordostlichen Teils von Kaukasisch-Albanien rasch von den Tiirken-Oghusen
besiedelt.
W ahrend der Mongolenherrschaft (der Herrschaft der Hulaguiden34) in der Region trat die Bezeichnung ,,Karabach“
(aserbaidschanisch „Schwarzer Garten“ oder „GroBer Garten“) fur die
Bewohner, die Albaner des bergigen Teils der Region, auf. Im 15.-16.
Jahrhundert wurde die Region in Meliktumer aufgeteilt, die von den
ortlichen Herrschem, den Meliks, regiert wurden35 und beachtliche
administrative und religiose Autonomie von der Safawidischen
Hymnen auf die Zoroastrischen Gottheitheiten mit vielen mythologischen
Elementen.
33 Vgl. Einzelheiten im Kapitel „Die Armenische Kirche im Kampf mit der
Kirche von Kaukasisch-Albanien“.
34 Die Hulaguiden, die Mongolendynastie der ilchanen, die von 1256 bis Mitte
des 14. Jh. in einem Staat herrschte, der das heutige Gebiet des Iran, einen
GroBteil des modemen Afghanistan, von Turkmenien, des Irak, des ostlichen
Teils von Kleinasien einschlieBt. Der Griinder Chulagu-Khan (1256-1265) ist
ein Enkel Tschingis-Khans. Aus dieser Dynastie ist Gasan-Khan am
bekanntesten.
15 Ein Melik oder Malik (arab.) ist ein Herrscher (iiber ein Land, ein
Territorium), ein Herrscher, ein Obmann. Unter persischer Herrschaft wurden
haufig sogar die landlichen Obmanner im Transkaukasus als ,,Melik“
bezeichnet. Und erst am Anfang der russischen Herrschaft in den
entsprechenden Regionen wurden die Meliks den Agas, Khanen und Beys
gleichgestellt, vorbehaltlos anerkannt als Personen eines privilegierten
Standes, die das Recht auf dauerhafte Nutzung des Landes hatten. Den
Bauem, die sich im Gebiet der Meliks niedergelassen hatten, wurde das Recht
der dauerhaften Nutzung des Bodens zuerkannt, auf Grund des
mjulkadarischen Rechts. Spater, nach der Beseitigung der Meliktumer,
stellten diese Bauem den Korpus der staatlichen ,,Posjaljan“, d.h. sie
unterstanden nicht der Leibeigenschaft.
28
Dynastie36 und etwas spater, von den von ihnen emannten regionalen
Herrschem, der Beylerbeys, erhielten.
Der erste Beylerbey von Gjandscha-Karabach war Schahwerdi, ein
Sultan aus dem Geschlecht der Sijad-oglu des aserbaidschanischen
Stammes der Kadschar, den in den 40er Jahren des 16. Jahrhunderts
Schah Tachmasp I. zum Stellvertreter emannte.37 Die nominale
Herrschaft des Gjandscha-Karabachischen Beylerbeys erstreckte sich
iiber ein riesiges Gebiet - von den Grenzen Georgiens im Gebiet der
Briicke ,,Synyk-Kerpju“ (das heutige „Krasny M ost“) bis zur
Chudaferinischen Briicke iiber den Aras.
Die Nachfahren von Sultan Schahwerdi waren die Beylerbeys von
Gjandscha-Karabach mit den Titeln eines Khans vor 1736, als Nadir
Schah das eigentliche Karabach Sijad-oglu entzog und ihm nur
Gjandscha mit dem Umland lieB, das er und seine Erben bis 1804
regierten.38 Der Safawiden-Staat horte 1736 nach zweihundert Jahren
offiziell auf zu bestehen. Es entstand ein neues Reich, zu dem das
Gebiet vom Schwarzen M eer bis nach Indien gehorte. Der Griinder
dieses Imperiums war Nadir Schah aus dem aserbaidschanischen
Stamm der Afscharen.
Schon wahrend des Bestehens des Safawiden-Staates hatte Nadir
Khan ein wichtiges Am t inne. Er war Heerfuhrer und errang viele
Siege iiber die Feinde der Safawiden. Gerade Nadir Khan, der noch
Safawidischer Feldherr gewesen war, forderte von Russland die
Aufgabe der Transkaspischen Gebiete. Im Marz 1736 erklarte Nadir
36 Die Dynastie der Safawiden 1502-1736 wurde von Ismail 1. begriindet, dem
Nachfahr des Griinders des Ordens der Sefewien, nach dem die Dynastie
benannt ist. Die Sefewien (Sefewijen) sind ein sufischer Derwisch-Orden, der
von Scheich Sefi ad-din Ischak (1252-1334) begriindet wurde. Ende des 15
Jhs. erhoben sich die Nachfahren der Sefewien unter der Fiihrung von Ismail
I. gegen den Staat der Tiirken-Oghusen von Ak-Kojunlu (Aq-Qoyunlu) und
bildeten den Staat der Safawiden. Die wichtigsten Vertreter waren Ismail I.,
(1502-1524, Tachmasp 1.(1524-1576), Abbas 1.(1587-1629).
37 Vgl.: Istoritscheskaja geografija Aserbajdschana. (Historische Geographie
Aserbaidschans) Baku 1987, S. 114—116; Rachjani A. Aserbajdschan: granizy
i administratiwnoe delenie w X V I-X V II wekach. (Aserbaidschan: Grenzen
und administrative Teilung im 11.-17. Jahrhundert) In: Istoritscheskaja
geografija (Historische Geographie), S. 123; Istorija armanskogo naroda
(Geschichte des armenischen V o lk e s), Eriwan 1980, S. 189;
Vgl.: Sbornik statej po istorii Aserbajdschana, (Sammlung von Artikeln zur
Geschichte Aserbaidschans) Ausg. 1, Baku 1949, S. 250; Mirsa Adugesalbek. Karabachname. Baku 1950, S. 47.
29
Khan auf dem Gurultaj in Soguwuschan (Mughan), dass der
Safawidisehe Schah Abbas III. noch ein Kind und nicht zur Fiihrung
des Staates geeignet sei. Nachdem Nadir-Khan sich bereit erklart
hatte, Schah zu werden, entstand ein Staat unter der Fiihrung eines
Aserbaidschaners. Durch seine gezielten Erweiterungen wurde dieser
Staat rasch zu einem Imperium.
A u f den Gurultaj stellte Nadir Schah Afschar drei Bedingungen fur
seine Regierung: 1). Verzicht auf Unterstutzung der Safawiden; 2).
Einfuhrung des Treueeids auf Nadir Schah und seine Nachkommen;
3). Abwendung vom Schiismus. Nach dem Plan Nadir Schahs sollte
die schiitische und die sunnitische Geistlichkeit daran arbeiten, dass
ein W eg zur Vereinigung von Schiismus und Sunnismus gefunden
werden konnte und damit die jahrhundertelange Teilung des Islam, die
jahrhundertelange Opposition seiner beiden Stromungen, einer
Opposition, die von Feinden des Islam ausgenutzt wurde, liberwunden
werden konnte.39 Nadir Schah wurde auch durch die Reform des
Staatsapparates beruhmt, der wesentlich reduziert wurde. Selbst das
Amt des Obersten Wesirs wurde abgeschafft.40
Die nach seiner Ermordung (1747), deren Umstande bis heute
nicht ganz geklart sind, entstandenen inneren Unruhen flihrten zur
Schwachung des Landes. Mit der Schwachung der Zentralmacht ging
eine Starkung der Macht der M ehrheit der faktisch autonom
gewordenen aserbaidschanischen Khane und Sultane NordAserbaidschans einher.
Die unumschrankt herrschenden Khane stiitzten sich au f ihre
Vasallen: die Beys, die Meliks und die anderen kleinen Feudalfursten
sowie a u f eine Streitmacht, die aus Moaphern und Nukern bestand, die
fur die Aufrechterhaltung der Ordnung im Land verantwortlich waren.
Die Grundbevolkerung der Khanate bestand aus Bauem, die in
mehrere Kategorien einzuteilen waren.41 Die zahlenmaBig groBte
Gruppe von Bauem stellten die sogenannten „Rajaten". Sie hatten
eigene W irtschaften und Inventar und waren gleichzeitig ihrem Khan,
39 Vgl.: Einzelheiten Amir Ejwas. Prawiteli-reformatory Aserbajdschana. (Die
Reformherrscher Aserbaidschans) In: YOL. Nautschno-populjarnyj schumal,
2, 2008, S. 77-78.
40 Vgl.: YOL, 2008, N2, S. 77-78.
41 Lewiatow W.N. Otscherki is istorii Aserbajdschana XVII] weka. (Abrisse aus
der Geschichte Aserbaidschans im 18. Jahrhundert). Baku 1946.
30
dem Beschiitzer, durch diverse Abgaben in Form von Arbeit,
Naturalien und Geld verpflichtet. Eine arme Gruppe der Landbevolkerung bildeten die ,,Randschbary“, die Landarbeiter, die keine
eigene Wirtschaft und kein eigenes Inventar hatten und verpflichtet
waren, fur ihren Herrscher zu arbeiten. In der besten Lage befanden
sich dann, abgesehen von den unabhangigen Handwerkem, Kaufleuten und „freischaffenden" Kiinstlem, die nomadisierenden
Viehziichter, die auch Landwirtschaft betrieben. Die nord-aserbaidschanischen Khanate waren nicht gleich stark und unterteilten
sich „...in Khanate mit unumschrankter Herrschaft und abhangige
Khanate, davon Erstere in starke und schwache“ 42
Kaukasisch-Albanien war das fruheste Staatsgebilde auf dem
Territorium von Nord-Aserbaidschan (nicht zu verwechseln mit dem
Begriff Aserbaidschan, der sowohl Nord- als auch Siid-Aserbaidschan
umfasst, das nach dem Vertrag von Gulistan (1813) und den
Vertragen von Turkmantschai zwischen Russland und dem Iran an
letzteren fiel). Die Sprache der Mehrheit der Bevolkerung von
Kaukasisch-Albanien gehdrte der nord-ostlichen Gruppe der
kaukasischen Sprachen an 43 In Kaukasisch-Albanien entstanden ein
eigenes Alphabet und eine ungewohnliche Kultur. Die albanischen
christlichen Kulturdenkmaler unterscheiden sich deutlich von den
armenischen.44 Mit dem Niedergang der albanischen Staatlichkeit und
Kultur wurden viele Kulturdenkmaler ,,armenisiert“. Eine Reihe von
42'0pisanie oblastej aserbajdschanskich w Persii i ich polititscheskoe sostojanic,
sdelannoe prebywajuschim pri ego wysotschetswe zarc kartlinskom Iraklii
Timurasowitsch polkownikom i kawalerom Burnaschewym w Tiflise w 1786
g.“ (Beschreibung der aserbaidschanischen Gebiete in Persien und ihre
politische Lage, verfasst von dem dort unter seiner Hoheit Konig Iraklij
Timurasowitsch von Kartali-Kachetien verbleibenden Oberst und Ordensritter
Burnaschow im Jahre 1786), S.2.
41 Viele der 26 Stamme, die sich in Kaukasisch-Albanien angesiedelt hatten,
waren tiirkischsprachige.
44 Der bekannte russische Kulturforscher P.D. Baranowskij, der auf die
Verbindung in der Architektur zwischen der Alten Rus und dem Kaukasus,
Byzanz und den Balkanslawen hingewiesen hatte, machte hervorragende
Entdeckungen im Gebiet des ehemaligen Kaukasisch-Albanien in der
Republik Aserbaidschan. Im Dorf Lekit entdeckte er eine alte Basilikakirche,
und im D orf Kum eine Rundkirche des V.-VII. Jahrhunderts. Vgl.: Новый
мир, 2006, 12, S. 150. Aus dem Artikel von Wladimir Desjatnikow.
31
Stammen, die Kaukasisch-Albanien bewohnten, gilt als V orlaufer der
heutigen Aserbaidschaner.45
Berg-Karabach (Arzach - Er-saka) war eine der wichtigsten
Provinzen von Kaukasisch-Albanien. Zur Geschichte dieser Region
und ihrer angesiedelten Stamme und zu deren politischen, m ateriellen
und geistigen Kultur haben in den letzten Jahrzehnten die
aserbaidschanischen Forscher Farida Mamedowa und Sija Bunijatov
einen herausragenden Beitrag geleistet.46 Bekannte Herrscher von
Berg-Karabach (Arzach) waren Abkommlinge aus dem Geschlecht
der Arschakiden (6. Jahrhundert) und der Michraniden (8. Jahr­
hundert). Arzach war in verschiedenen Quellen unter verschiedenen
Namen bekannt: als Orchestan bei den Autoren der Antike im ersten
Jahrhundert vor Christi Geburt; als Arzach in den albanischen und
armenischen Quellen; als Karabach in den georgischen und iranischen
(persischen) Quellen.
In den Werken der arabischen Autoren (Gelehrten und Reisenden)
des Mittelalters wie Jakubi, al-Kufi, al-Istarchi, Mukaddasi und Jakut
Chamawi wird betont, dass die Bewohner Nord-Aserbaidschans,
einschlieBlich derer, die in Berg-Karabach wohnten, ,,aranisch“
sprachen, d.h. in einer der in Kaukasisch-Albanien verbreiteten
Sprachen. Das Gebiet zwischen den Fliissen Kura und Araxes (Aras)
wurde au f Bestehen des Historikers aus Kaukasus-Albanien, Moisej
Kalankajtuklu, ,,Arran“ genannt.47 Dieser albanische Name wurde im
14. Jahrhundert durch das Wort ,,Karabach“ ersetzt.
Rund 1200 Jahre lang (vom 4. Jahrhundert v. Chr. bis zum 8.
Jahrhundert n. Chr.) gehorte Karabach zu Kaukasisch-Albanien. Nach
dem Niedergang des albanischen Staates gehorte Karabach im 10.
45 Einer der Stamme von Kaukasisch-Albanien waren die Udinen, die das
Christentum angenommen hatten, und die in den Werken der antiken
griechischen Autoren erwahnt wurden. Ihre Nachfahren (uber 6000) leben
auch heute noch im Ort Nij bei der Stadt Gabala im Norden der Republik
Aserbaidschan.
46 Vgl.: z.B.: Mamedowa F., Ursachen und Folgen des Karabach - Problems.
Eine historische Untersuchung. In: Krisenherd Kaukasus (U w e Halbach /
Andreas Kappeler - HRSG.), Baden-Baden, Nomos Verl.-Ges., 1995.
Bunijatow S. М.: Aserbajdschan w VII- IX wekach (Aserbaidschan im 7.-9.
Jahrhundert.) Baku 1999 u.a.
47 Vgl.: Gadschiew G. Karabach w Srednewekowje (Karabach im Mittelalter) in
IRS, Moskau, 2-3 (14-15), S. 20.
32
Jahrhundert zum Sadschiden-Staat48, im 11.-12. Jahrhundert zum
Salariden-Staat und im 12. Jahrhundert zum Scheddadiden-Staat. Alle
diese Staatsgebilde befanden sich zum groBen Teil auf aserbaidschanischem Territorium. Zur wesentlichen Schwachung und zum
endgultigen Zerfall des albanischen Staates fuhrte der erstarkende
Einfluss der Turken und Seldschuken, der sich im V erlauf von uber
einem Jahrhundert intensivierte49 Im ersten Viertel des 12. Jahr­
hunderts war Karabach integraler Bestandteil des aserbaidschanischen
Staates der Eldegisiden-Atabeys. Im Jahre 1136 ernannte der
Seldschuken-Sultan Masud den Atabey Schamsatdin Eldegisid zum
Regenten von Arran (Karabach). Im 12. und 13. Jahrhundert erfolgt
im Bergteil von Karabach unter der Herrschaft der albanischen
Konige der Aufstieg des Furstentums Chatschen, das nach Meinung
des bekannten Experten I. Orbeli, „Teil des alten Albaniens“ war.50
Ab dem 15. Jahrhundert trugen die Herrscher von Karabach den
Titel ,,Melik“ („Herrscher"). Bemerkenswert ist der Umstand, dass es
Melikttimer zunachst nur in Berg-Karabach gab. Spater traten sie auch
im Khanat Scheki (Scheka) auf.51 Und hier waren die Meliks in der
Regel Nachkommen der Khane von Karabach. In Briefen an die
russischen Zaren nannten sich die Meliks von Karabach „Erben der
albanischen (nicht der armenischen - I. R.) Arschakiden11. Die
albanischen Fursten trugen den Namen ,,M elik“ im Unterschied zu
den armenischen Titeln ,,Ter“ , „Nacharar" u.a. Albanische Meliks
arm enischer Abstammung wurden in den bis heute zuganglichen
Quellen vom Autor nicht entdeckt. Und in der Periode vom 16. bis
48 Die Sadschiden, eine arabischer Herrscherdynastie in Siid-Aserbaidschan von
879-929; Die Salariden: aserbaidschanische Herrscherdynastie vom I0 .-II.
Jahrhundert; die Schaddadiden: aserbaidschanische Herrscherdynastie von
Gjanscha, Arran und anderen Gebieten Aserbaidschans 951-1199.
49 Turken-Seldschucken, benannt nach dem Dynastiegriinder. Die Seldschucken
(10. -1 1 . Jh) waren ein Zw eig des Stammes der Tiirken-Oghusen. Im II.
Jahrhundert eroberten sie nicht nur Kaukasus-Albanien, sondern auch einen
Teil Zentralasiens, Iran, Irak, Kleinasien, Georgien und andere Territorien.
Unter Melik -Schah (1073 - 1092) erreichten sie den Gipfel ihrer Macht.
50 Vgl.: Orbeli I.A. Gasan Dschalil - knjas Chatschenskij. (Gasan Dschalil,
Fiirst von Chatschen), In: Istoritscheskie trudy. Eriwan 1963, S. 146.
51 Heute ist Scheki eine Stadt im Norden der Republik Aserbaidschan. Die
Meliktiimer waren kleine autonome Besitztumer, der Titel ,,Melik“ wurde
dem Namen des Herrschers eines Territoriums hinzugefugt.
33
zum 20. Jahrhundert wurden Karabach, Irewan,52 Gjandscha und
Sangesur53 in den zahlreichen historischen, politischen und
ethnographischen
Quellen
ausschlieBlich
als
tatarische
(aserbaidschanische, eine Bezeichnung fur aserbaidschanisch vor der
Oktoberrevolution in Russland) Gebiete anerkannt, in denen auch
armenische Bevolkerung wohnte. Das von Oganes Schachtachtun, der
sich ,,Schretz“ (Opferprister) nennt, erstellte Verzeichnis der
eriwanischen Khane, auf das sich auch armenische Forscher beziehen,
kann als Bestatigung des oben Gesagten gelten. Unter alien
Herrschem des Khanats Eriwan von 1410 bis 1827 gab es keinen
einzigen Herrscher (Khan) armenischer Abstammung (Im Anhang ist
die Liste dieser Herrscher angegeben worden).54
Unter Gasan Dschalal (1215-1261), einem Nachfahren der
albanischen Dynastie der Michraniden, begann die W iederemeuerung
Albaniens und es wurde die Gjandschasar-Kathedrale erbaut, die er,
nach einer Inschrift, „Kronungskathedrale Albaniens“ fur „mein
albanisches Volk“ nannte. Die Kathedrale wurde au f W unsch des
Patriarchen der autonomen Albanischen Apostolischen Kirche gebaut.
Im 15. Jahrhundert gehorte Karabach zum aserbaidschanischen
Staat Garagojunlu und danach Aggojunlu. Das Geschlecht des Gasan
Dschalal (die Dschalaladdin) erhielt vom Herrscher Dschachanschah
von Garagojunlu den Titel Melik. Danach wurde die politische
weltliche Macht durch das Geschlecht der Dschalaladdin abgelost,
und die Vertreter dieses Geschlechts wurden die geistlichen Fiihrer
des Landes - die Patriarchen und die Katholikos der Albanischen
Autokephalen Orthodoxen Kirche vor 1836.
Das Geschlecht der Dschalaladdin zerfiel in ffinf Zweige, und in
der Folge entstanden fiinf Vasallen-M eliktiimer (Kleinfurstentumer):
Disag, Waranda, Chatschin, Dschilaberd und Gulistan. Die
albanischen Ftirsten trugen den Titel M elik, im Unterschied zu den
5~ Irewan-Khan griindete im 16. Jahrhundert die Festung Irewan-gala.
Das siidliche Grenzgebiet zum Iran entlang dem Araxes (Aras) mit Verwaltungszentrum im Ort Gerjusa. 1912 waren von einer Gesamtbevolkerung von
214.000 60% Aserbaidschaner, 39,1% Armenier und weniger als ein Prozent
Russen, hauptsachlich ,,Sektierer“, die von der Orthodoxen Kirche abgefallen
waren.
54 Armjanskaja Sowjetskaja Enziklopedija (Armenische Sowjetenzyklopadie),
Eriwan 1977, Bd. 3, S. 571.
34
armenischen Titeln Ischchan, Ter u.a. Keine einzige Familie der
Meliks von Karabach geht zuriick auf armenische Geschlechter.55
Das vom Khanat Karabach (Garabach) seit Beginn des 16.
Jahrhunderts eroberte Territorium wurde in eine administrativterritoriale Einheit des Safawiden-Staate, in das Beylik Gjandscha
(Ganca)-Karabach56, mit dem Zentrum in Gjandscha eingegliedert.
Dieses Beylik umfasste Land vom Aras im Siiden bis zur sogenannten
„Roten Briicke" (Gyrmysy Korpti) - einem Ort an der heutigen
aserbaidschanisch-georgischen Grenze und zur Kura im Norden, vom
Zusammenfluss von Kura und Aras im Osten bis einschlieBlich zu den
ostlichen Massiven des Kleinen Kaukasus in Westen.
Das Beylik Gjandscha (Ganca)-Karabach befand sich wahrend der
Regierungsperiode der Safawiden bis 1737 in Erbfolge der Vertreter
des Geschlechts der Sijad-oglu aus dem ttirkischen Stamm der
55 Vgl.: Mamedow Farid. Istina о Karabachskoj probleme (Die Wahrheit iiber
das Karabach-Problem.) In: „Aserbajdschan i Aserbajdschanzy“ (Aser­
baidschan und die Aserbaidschaner), 2001, N 7 - 8, S. 23-24.
56 Beylik ist die Bezeichnung einer Safawidischen oder einer osmanischen
Verwaltungseinheit. Beylerbey oder Beglerbey bedeutet „Herr der Herren",
der Titel der Stellvertreter des Sultans oder Schahs in den Provinzen. Mitte
des 17. Jahrhunderts gab es im Osmanischen Reich 22 Beyliks, die von
Beylerbey verwaltet wurden. Beylerbeyi ist auch eine Ortschaft am Bosporus
bei Skutari mit einem Park und Ruinen des Herrscherpalastes. Bey, Khan,
Beylerbey, Kajmakam, erster Minister des Schahs, Schah - das ist die
Hierarchie der feudalen Beamtenschaft in Persien. Der Beylerbey (Beglerbek)
ist auch der Bey der Beys, der Stellvertreter des Sultans oder Schahs in den
Provinzen. Im persischen Staat waren das in der Regel die Grenzprovinzen. In
der Tiirkei bedeutete Beg oder Bey (in den ostlichen Gebieten) Herr,
Herrscher und nicht selten Fiirst. Das Wort wurde den Eigennamen
nachgestellt, beispielsweise Ulug-Bey, Birdi-Bey. In der Tiirkei wurde der
Titel ,,Bey“ auch den Herrschem von Gebieten gegeben, den .Solirien der
Paschas, den auslandischen Gesandten, den Ahnherren eines nomadisierenden
Stammes u.a. In Persien trugen den Titel ,,Bey“ die Staatsdiener, insbesondere
das Militar. Im Kaukasus bezeichnete der Titel ,,Beg“ (Bey) in der Zeit der
russischen Eroberungen einen adligen Gutsbesitzer. Damit belohnte der Khan
seine Dienste zusammen mit dem Recht, iiber die Giiter zu herrschen. Im
tiirkischsprachigen Zentralasien wurde ,,Beg“ zu ,,Bij“ und bezeichnete
sowohl die im Volk angesehenen Menschen, in der Regel Richter, als auch
die hoheren Verwaltungsbeamten (insbesondere in den Khanaten Buchara und
Chiwa). Uberall in Zentralasien wurde die Bezeichnung ,,Bij“ herausragenden
Dienern und dem Khan verliehen. Vgl.: Enziklopeditscheskij slowar F. A.
Brokgausa i I. A. Efrona (Enzyklopadisches Worterbuch von F.A. Brockhaus
und I. A. Efron), St.-Petersburg, 1902, Bd. 1-2.
35
Gadscharen (Kadscharen). Nach den Mitteilungen ,,Karabachnam e“ ,
in denen die Geschichte des Khanats Karabach beschrieben wird,
auBerten auf dem im Jahre 1736 in Mugan einberufenen Gurultaj die
Khane und Meliks von Gjandscha-Karabach ihr Missfallen iiber die
Politik von Schah Nadir.57 Letzterer trifft den Beschluss zur
Abschaffung der Khane aus dem Geschlecht Sijad-oglu, beschneidet
planmaBig ihre Vollmachten, entzieht ihnen die Mahals Gasach
(Kasach) und Bortschala58 und unterstellt dieses Land dem Herrscher
(Wali) von Georgien. Damit nicht genug, erlasst Nadir Schah den
Befehl zur Umsiedlung der in Karabach lebenden turkischen Stamme
der Dschawanschiren, Otusiki und Kjabirli in den Rayon von Serascha
in der Provinz Chorasan.
Nach dem Tod Nadir Schahs und dem Beginn langer innerer
Unruhen in Persien wurden Sijad-oglu in Gjandscha zu ortlichen
halbautonomen Khanen, die in ihren Handen nur den Rayon
Gjandscha behielten. Der letzte von ihnen, Dschawad-Khan, fiel
wahrend der Erstiirmung der Festung Gjandscha durch General und
Fiirst Zizianow am 3. Januar 1804.
In ,,Karabachname“ heiBt es, Nadir Schah habe, nachdem er die
Kontrolle iiber Karabach, Gjandscha, Tiflis und Irewan (Eriwan)
erlangt habe, Erkundigungen iiber dort lebende tiichtige und fahige
Menschen eingeholt und diese zum Wehrdienst herangezogen,
nachdem er ihnen Rang und Namen gegeben hatte. Einer von ihnen
war Panah-Bey aus dem Stamme der Dschawanschiren. Panah-Bey,
der sich im Krieg mit dem Osmanischen Reich ausgezeichnet hatte,
stand dem Schah nahe. Aber Neidem, denen das Wohlwollen Nadir
Schahs gegeniiber Panah-Bey nicht passte, gelang die Zerstorung ihrer
Beziehung, und 1743 kehrte Panah-Bey, dem Dienst von Nadir Schah
57 Imranli Kamala. Tschjomaja sudba tschjom ogo sada (Das schwarze Schicksal
des Schwarzen Gartens) Ladamir, Moskau, 2006, S. 5.
58 Borschaly ist eine Stadt und ein Rayon in Georgien im Tal der Fliisse Chram
und Alget, rechte Nebenfliisse der Kura. Im Jahre 1911 wohnten im Rayon
bei einer Gesamtbevolkerung von 164000 36,9% Armenier, 29,5%
Aserbaidschaner, 16,6% Griechen, 7,3% Russen, 6,5% Georgier und 1,9%
Deutsche. Die Bortschala ist ein rechter Nebenfluss des Chram (Kura-Tal),
der im Dschadurskij Gebirgspass in der heutigen Republik Armenien
entspringt. Vgl.: Enziklopeditscheskij slowar F. A. Brokgausa i I. A. Efrona
(Enzyklopadisches Worterbuch von F.A. Brockhaus und I. A. Efron), St.Petersburg, 1902, Bd. 1-2.
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entflohen, nach Karabach zuriick. Ab dieser Zeit beginnt auch die
Geschichte des eigentlichen Khanats Karabach. Nadir Schah sandte
dem Beylerbey von Aserbaidschan, den Herrschem von Gjandscha,
von Tiflis und von Schirwan Befehle zur Ergreifung von Panah-Bey,
aber deren Anordnungen wurden nicht ausgefuhrt.
AuBer dem Khanat Gjandscha schuf Panah-Bey auf dem Land des
Beyliks Karabach gegen 1747 das von Dschawad-Khan unabhangige
Khanat Karabach. Die nach dem Tod von Nadir aus der Vertreibung
nach Chorsan zuriickkehrenden Stamme der Dschawanschiren,
Otusiki und Kjabirli um sich scharend, beginnt Panah-Bey einen
eigenen Staat/Khanat zu schaffen. Die von der immer starker
werdenden Macht Panah-Khans bedrohten Khane von Schirwan und
Scheki beginnen GegenmaBnahmen zu suchen. Panah erbaut
seinerseits 1748 im Mahal Kjabirli die Festung Bajat. Die
wiederholten Angriffe der Khane von Schirwan und Scheki auf diese
Festung waren nicht erfolgreich, was alle angrenzenden Khane
veranlasste, noch mehr au f Panah zu zahlen.
Nachdem Nadir Schah seinen Neffen Aligulu-Khan, bekannt unter
dem Namen Adil-Schah, auf den Thron gebracht hat, ernennt er
Amirslan-Khan zum Beylerbey von Aserbaidschan. Amirslan-Khan
sucht in Gestalt des erstarkten Panah-Bey einen Verbiindeten, trifft
sich mit ihm und fordert ihn auf, zusammen mit Adil-Schah zu
handeln. Panah stimmt zu und im Jahre 1748 verleiht ihm der Schah
in einem Fjarman (Erlass) ein Khanat. Die Festung Bajat wird
Verwaltungszentrum des Khanats Karabach.
Nachdem Panah-Khan die Bedrohung seitens der Khanate Scheki
und Schirwan beseitigt hatte, plante er, sich die albanischen
christlichen Meliktiimer zu unterwerfen, von denen es zu diesem
Zeitpunkt immer noch fiinf gab. Die Zwistigkeiten zwischen den
Meliks ausnutzend, zog er den M elik Schachnasar II. au f seine Seite.
Dieser Melik war unzufrieden damit, dass iiber Waranda sein Bruder,
Melik Owsep, herrschte. Sein Unwille war so groB, dass er diesen
Herrscher von W aranda totete. Dieses Verbrechen rief die vier
anderen Meliks von Karabach au f den Plan. Der Melik von Gulistan,
Owsep Melik-Begljar, der Melik von Tscheliberd, Allachgulu-Sultan
M elik-Israel, der Melik von Chatschyn, Allachwerdi, und der Melik
von Disag, Esai, schlossen sich Melik Awan an, um Melik
37
Schachnasar II. zu stiirzen, was zu inneren Unruhen fuhrte.59 Es
bestanden auch andere Zwistigkeiten zwischen den M eliks, die
insbesondere dadurch hervorgerufen worden waren, dass sie sich nach
dem Tod von Melik Awan von Disag nicht einen Hauptmelik wahlen
konnten. Alle diese Umstande beriicksichtigte auch Panah-Khan. Die
Namen dieser Meliktumer zeugen unzweifelhaft von ihrer albanischen
Abstammung und haben mit Armenien nichts zu tun.
Nach seinem Sieg bei Ballygaja iiber das Meliktum Chatschyn und
dessen Unterwerfung setzte er den dortigen Melik ab und berief seinen
eigenen, Melik Mirsu. Danach lieB er die Festung Schachbulag bauen,
wohin er 1752 seine Hauptstadt fiir 4 Jahre verlegte. Jetzt waren zwei
der fiinf Meliktumer von Karabach - Waranda und Chatschyn - auf
der Seite von Panah-Khan. Die restlichen drei M eliktumer waren
Gjulustan, Dschilabert und Disag. Die immer neuen Nachrichten iiber
die wachsende Macht Panah-Khans und die sich mehrenden Berichte
iiber seine Starke erwiesen sich als eine fiir den Khan von Karabach
positive Einwirkung auf die umliegenden aserbaidschanischen
Khanate.
Die Khane von Scheki, Gjandscha, Eriwan, Nachtschywan
(Nachitschewan), Tabris und Garadag (Karadag) senden Gesandte mit
Briefen zu Panah und auBem den Wunsch, sich mit ihm
freundschaftlich zu verbiinden. Diese Wtinsche unterstrichen sie mit
kostbaren territorialen Geschenken: Vom Khan von Garadag erhielt er
Mechri sowie die Mahals Gjuna und Tschuldur, vom Khan von
Nachtschywan die Mahals Tatjew und Sisian, vom Beylerbey von
Tabris erhielt er Mahal Gafan, vom Khan von Irewan das Land am
Ufer des Terter, von den Wohnorten in der Siedlung Uschadschyg der
Bauemgemeinden Kolanly bis zu den Grenzen von Gjojdscha. Ab
1755 begann die erfolgreiche W iederherstellung der zentralen Macht
durch die Bestrebungen von Muchammedhasan Gadschar (Kadschar)
und Fatali-Khan Afschar in Siid-Aserbaidschan. Panah-Khan
beschloss den Bau der neuen uneinnehmbaren Festung Schuscha.60
Bereits 1756 wurden alle Rajaten (steuerpflichtigen Bewohner), die in
59 Raffi. Die Kleinfurstentiimer Chamsi ( 1 6 0 0 - 1827), Nairi, Eriwan, 1991, S.
48 - 49.
60 Qarabagnameler. 1 kitab. Baki, Yazici, 1989, seh. 34, 113, 114, 116, 117-120;
2 kitab. Baki, Yazici, 1991, s. 15,22-24, 212, 213, 214. Verwendung mit Hilfe
eines Ubersetzers.
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Schachbulag wohnten, in die neue Festung iibergesiedelt.61 Die
geographische Lage der drei Panah-Khan feindlich gesonnenen Melik­
tumer von Karabach war so, dass es fiir sie schwierig war, sich zu
vereinigen und gemeinsam gegen den Khan von Karabach vorzugehen; Disag war geographisch durch die Festung Schuscha sowie die
Meliktumer Chatschyn und Waranda von seinen Verbiindeten
getrennt. Nur die Meliktumer Gtilistan und Dschiljaberd, die eine
gemeinsame Grenze hatten, konnten ihre Krafte vereinen. Auch die
Meliks, die erkannt hatten, dass sie aus eigener Kraft Panah-Khan
nicht bezwingen wurden, begannen machtige Verbiindete zu suchen.
Sie nutzten den Feldzug des Fatali-Khan Afschar von Urmia nach
Nord-Aserbaidschan. Fatali-Khan, der Siid-Aserbaidschan erobert
hatte, wollte auch das Khanat Karabach erobem und untemahm einen
Feldzug zur Eroberung von Schuscha.
Der Melik von Giilistan, Owsjep, und der Melik von Tschiljaberda,
Awan, wurden seine Verbiindete. Aber Fatali-Khan erlitt eine
Niederlage durch Panah-Khan und die beiden Meliks flohen nach
Gjandscha.
Diese beiden Meliks hatten verwandtschaftliche Bande zu Schahwerdi-Khan. Die Mutter des M eliks von Giilistan Owsep, Gamjarsoltan, war die Tochter des Bruders von Schahwerdi-Khan, MamedKhan. Spater versohnten sich diese Meliks unter Vermittlung des
Khans von Gjandscha scheinbar mit Panah-Khan und kehrten in ihre
M eliktumer zuriick, fuhrten jedoch insgeheim den Kampf gegen
Panah-Khan fort. Dieses Mai wandten sie sich an Katharina die
GroBe, sich auf deren Plane zur Schaffung eines neuen albanischen
Staates stiitzend, und auf die Unterstiitzung des albanischen
Katholikos von Gjandschasar (Gancasar).
Panah-Khan starb zwischen 1761 und 1763 und wurde in Agdam
beigesetzt. Kerim-Khan, der nach dem Sieg iiber Fatali-Khan Afschar
Herrscher des gesamten Landes, ausgenommen Chorosan, geworden
war, rief Ibrahim, den Sohn von Panah-Khan, zu sich und ernannte ihn
zum Khan von Karabach. Nach dem Tod von Kerim-Khan im Jahre
1779 in Schiras wurde das Land in ,,Wirren“ geworfen.
Der K am pf der verschiedenen Anwarter auf den Herrscherthron
fuhrte zum Aufstieg von Alimurad-Khan, der Isfahan eingenommen
61 Raffi. D ie Kleinfiirstentiimer Chamsi (1600 - 1827), Nairi, Eriwan, 1991, S.
49 - 50.
39
hatte. G egen 1784 konnte sich Alimurad-Khan einen groBen Teil der
G ebiete des Irans unterwerfen, m it Ausnahme der Randprovinzen,
u n ter denen auch das K hanat von Nord-Aserbaidschan war. Sein
ein zig er em sthafter K onkurrent w ar Agamahammad-Khan von
A strabad. A lim urad-K han ging davon aus, dass er seine M acht iiber
den Iran nur starken konne, indem er sich der guten Beziehung der
russischen R egierung zu ihm versicherte.
Im Jahre 1784 sandte Alimurad-Khan seinen Gesandten zu
G eneralleutnant Potjom kin an die Kaukasuslinie mit einem Brief, der
das G esuch um seine A nerkennung als Schah und ein Gesuch um
H ilfe gegen die Osm anen enthielt. Daffir wollte er ein fur Russland
sehr vorteilhaftes H andelsabkom m en abschlieBen und zugunsten
R usslands a u f die Transkaspischen Provinzen Derbent, Baku, Giljan,
M asandaran und Astrabad verzichten, die in seiner Zeit von Peter I.
erobert w orden waren. AuBerdem verzichtete er auf die Khanate
K arabach, K aradag, N achitschew an und Erewan.
Fiirst Potjom kin erhielt von Zarin Katharina strengsten Befehl,
diese V orschlage anzunehm en, die Russland grofie Vorteile,
erhebliche Landgew inne und die M oglichkeit des ungehinderten
H andels bis nach Indien verhieBen. Danach schickte Potjomkin den
F eldherren T om arra nach Isfahan zusammen mit dem Gesandten
A lim urad-K han. ' Eine Reihe von Instruktionen, die Tomarra von
P otjom kin gegeben worden waren, betrafen die Meliks von Karabach.
In der zw eiten Instruktion wurde Alimurad-Khan vorgeschlagen:
„Erstens. E r m oge anerkennen, dass uns Derbent und die anderen Orte
gehoren, die w ir brauchen und deren Angliederung wir beschlossen
haben. Z w eitens. Er moge m it uns einen klaren und ausffihrlichen
Staatsvertrag schlieBen, in dem die genauen Grenzen des persischen
R eiches festgesetzt sind. Drittens. Das Land von Konig Iraklion moge
entsprechend unserem Vorschlag durch Grenzen genau festgelegt
w erden. V iertens. Das arm enische Gebiet moge in seiner Unabhangigkeit w iederhergestellt w erden.63 Fiinftens. Es moge iiber das Land, das
62 V gl.: P.G .Butkow . Materialy dlja nowoj istorii Kawkasa s 1722 po 1803 god,
tschast 1, (M aterialien ftir eine neue Geschichte des Kaukasus von 1722 bis
1803), T eil 1. St. Petersburg., 1869, Bd. II S. 148-150.
63 Istorija arm janskogo naroda. (Geschichte des armenischen Volkes)
H istorisches Institut der AN der Armenischen SSR, „Ajpetrat", Eriwan, 1951,
T. 1, S. 267 und „Armjanskaja biografija VII weka“ (Armenische Biographie
40
zur Schaffung des Gebiets oder des Konigreichs Albanien bestimmt
ist, ein klarer Beschluss erfolgen. Sechstens. Es moge ein gesonderter
Handelsvertrag geschlossen werden, woriiber man im Vorfeld
nachdenken miisse. Siebtens. Dieser Khan moge mit uns ein
Verteidigungsbiindnis gegen die Ottomanische Pforte schlieBen“ .64
Was das armenische Gebiet oder das Staatsgebilde sein sollte, geht
aus dem Plan des armenischen Erzbischofs Iosif Argutinskij hervor,
der im Jahre 1783 erstellt und im unmittelbaren Zusammenhang mit
den Verhandlungen mit Potjomkin von ihm aufgezeichnet wurde. In
dieser Zeit wurde viel iiber die ,,Zukunft“ gesprochen. Nach diesem
Plan wurde die Schaffung eines armenischen Staates im Gebiet Ararat
mit der Hauptstadt W agarschapat oder Ani vorgeschlagen. Dieser
Staat sollte Land gegen W esten und Siidwesten des Dwin auf
tiirkischer Seite umfassen.
1783 teilte Fiirst Grigorij Aleksandrowitsch Potjomkin, die
Situation in den aserbaidschanischen Khanaten beschreibend,
Katharina der GroBen mit: „...jetzt ist die Zeit gekommen, den schon
lange von Ihrer Kaiserlichen Hoheit vorgeschlagenen Plan iiber die
Schaffung eines Albanischen Reiches“ zu verwirklichen.65 Spater
schlug Potjomkin vor, das Khanat Gjandscha mit dem Konigreich
Kartli-Kachetien zu vereinigen, und aus den restlichen Gebieten, die
von Persien abgetreten wurden, einen armenischen und einen
albanischen Staat zu schaffen, um dadurch das christliche Element in
der Region zu starken.
Tamarra fuhr im Januar 1785 mit dem Gesandten Muchamed-Khan
von Mosdok nach Georgien, erhielt jedoch unterwegs Nachricht vom
Tod des Alimurad-Khan und kehrte nach Tiflis zuriick, und den
Planen der dem Khan von Karabach feindlich gesinnten Meliks war
des 7. Jahrhunderts). Unter „armenisches Gebiet" verstand man das
Territorium der fiinf albanischen Meliktumer.
64 Vgl.: A.R. loannisjan. Rossija i armjanskoe oswoboditelnoe dwischenie w 80ch godach XVIII stoletija. (Russland und die armenische Befreiungsbewegung in den 80er Jahre des 18. Jahrhunderts) Eriwan 1947, S. 16.
Zentraljnyj Woenno-istoritscheskij archiv (ZWIA) (Zentrales Militarhistorisches Archiv), f. 52, d. 25, Bl. 9-12. Weiteres Zitieren in der Form:
lonannisjan, S.
65 Vgl.: Archiw Wneschnej Politiki Rossijskoj Imperii (Archiv der AuBenpolitik
des Russischen Imperiums (AWPRI), f. 5, op. 5/1, 1779-1783, d. 591, T. 1.,
Bl. 224.
41
der Erfolg wiederum nicht vergonnt (siehe weiter iiber die
entsprechenden Bestrebungen der M eliks unter der Fiihrung von I. Ori
Ende des 17. bis Anfang des 18. Jahrhunderts).
Uber den albanischen Staat und seine ,,Pradestination“ ist in den
Tagebiichem von A.W. Chrapowizkij, der iiber zehn Jahre
Staatssekretar unter Katharina der GroBen war, nachzulesen. 1787
schrieb er, er habe „... den Geheimplan von Potjomkin, Fiirst von
Taurien, dass unter Ausnutzung der persischen Ungeregeltheiten Baku
und Derbent eingenommen werden sollten und Albanien nach dem
Anschluss von Giljan als zukiinftiges Vermachtnis des Groflfursten
Konstantin Pavlowitsch genannt werden sollte“66 gefunden und
gelesen.
Bereits im 17. und in der ersten Halfte des 18. Jahrhunderts, als
Karabach zum Schlachtfeld zwischen dem Safawiden-Staat und der
Osmanischen Tiirkei wurde, begannen die albanischen Meliks sowohl
in Russland als auch in den anderen europaischen Landem nach
Moglichkeiten des Schutzes ihrer Bevolkerung zu suchen. W ie bereits
erwahnt, besuchte Israel Ori (1691 - 1711, der Sohn eines Meliks von
Karabach), Deutschland, Italien, Frankreich und Russland, wo er von
den europaischen M achten Unterstiitzung gegen die osmanische und
die persische Unterdriickung zu bekommen suchte.67 Durch seinen
friihen Tod konnte Ori das Vorhaben nicht zu Ende flihren.
Der Khan von Karabach, Ibrahim-Khalil-Khan (Ibrahim-Khan),
erhielt offensichtlich Kenntnis von den Planen der opponierenden
Meliks und blieb nicht untatig. Er begann mit einem seiner aktivsten
Gegner, Melik Dschilabert M edschlum.
Der Khan versprach M isael-Bey, dem Sohn von AllachwerdiJusbaschi aus Gjuljatag in Dschilabert, ihn nach seinem Wunsch zum
Melik zu emennen, wenn er M edschlum beseitigen wiirde. Aber
schlieBlich entdeckte Melik M edschlum diese Verschworung und lieB
Misael-Bey toten; er wollte dessen gesam te Familie ausloschen, aber
der jiingste Bruder von M isael-Bey, Rustam-Bey, versammelte alle
66 Ioanissjan, S. 129-130; Pamjatnye sapiski A.W.Chrapowizkogo. Tschtenija w
Imperatorskom obschtschestwe istorii i drewnostej rossijskich pri Moskowskom uniwersitete, (Erinnerungen A.W. Chrapowizkijs. Vorlesungen in der
Zarengesellschaft fur Geschichte und Altertum der Russen an der Moskauer
Universitat) 1862, Buch 2, S.37.
67 Vgl.: Istorija armanskogo naroda (D ie Geschichte des armenischen Volkes)
Eriwan 1980, S. 163-170
42
und floh zu Ibrahim-Khan. SchlieBlich widerstanden den Verbiindeten
des Khans mit den Meliks von Waranda, Chatschyn und den
Katholikos des Klosters Erek Mankunk die Meliks von Gulistan,
Dschilabert und die Katholikos von Gjandschasar und Karabach.68
Ibrahim-Khan nutzte die Umstande, die von den oppositionellen
Meliks selbst geschaffen worden waren. Er wusste, dass der
Katholikos von Erek Mankunk, Israel, der sich in Gjandscha
niedergelassen hatte, Katholikos von Gjandschasar werden wollte, wo
zu der Zeit Owanes saB - einer der wichtigsten Gegner des Khans von
Karabach. Jedoch hatte Owanes einen Gegenspieler nicht nur in Israel,
sondem auch in seinem eigenen Bruder. Dieser Bruder, AllachguluBey, trug Ibrahim-Khan zu, dass gemeinsam mit dem Katholikos von
Gjandschasar und Karabach, Owanes, die Meliks neue Botschaften an
die russische Zarin geschickt hatten mit der Bitte, die Russen mogen
die Herrschaft iiber ihr Land iibemehmen.
Ibrahim-Khan, der iiber diese Information verfiigte, die ihm durch
Vermittlung von Allachgulu-Bey vom Katholikos Israel iiberbracht
worden war, handelte entschlossen. Er lud den Melik von Dschilabert
Medschlum, den Melik von Gjulustan Abow und den Melik von Disag
Bachtam unter dem Vorwand der Besprechung dringender
Angelegenheiten ein und setzte sie in der Festung Schuscha test;
Melik Bachtam iiberstellte er den persischen Behorden als politischen
Verbrecher, der das Eindringen der Russen in den Kadscharen
(Gadscharen)-Staat gefordert hatte. Danach ergriffen Ibrahim-Khans
Leute Katholikos Owanes, und er starb 1786 im Gefangnis von
Schuscha. Die Meliks Meschum und Abow flohen aus der Festung,
und an ihrer Stelle ernannte Ibrahim-Khan neue Meliks.
Katholikos Israel erhielt fur die erwiesenen Dienste von IbrahimKhan den Thron des Katholikos von Albanien. Zu seinem
Aufenthaltsort wurde das Kloster Amaras bestimmt, denn im Kloster
Gjandschasar residierte zu dieser Zeit Bischof Sargis, ein Bruder des
verstorbenen Katholikos Owanes.
1787 begann ein neuer Russisch-Tiirkischer Krieg und General
Burnaschow69 erhielt von Potjomkin den Befehl, die Truppen aus den
6S Raffi, Die Kleinfurstentiimer Chamsi (1600-1827), Nairi, Eriwan. 1991, S.67-
68 .
64 Burnaschow Stepan Danilowitsch diente auch unter dem georgischen Konig
Iraklion Tejmurosowitsch, Autor von „Opisanie oblastej aserbajdschanskich
43
ehemaligen persischen Provinzen nach Russland abzuziehen.70 Die
Meliks Medschlum und Abow, die immer noch auf die Hilfe
Russlands hofften, machten sich zusammen mit den russischen
Truppen nach Tiflis auf.
Dort wandten sie sich mit einem Brief an G eneral-A nschef
Tekellij, in dem sie alle ihre erlittene Not schilderten, beginnend m it
dem Tag, an dem sie - den Versprechen von Generalleutnant Potjomkin erlegen - ihr Schicksal in die Hande Russlands gelegt hatten und
Krieg gegen Ibrahim-Khan begannen. Sie ersuchten erneut die Zarin
um Schutz und versuchten, sich eine Reihe von Bedingungen
auszuhandeln.
Es waren insbesondere folgende Bedingungen: „1. Fur ihre
Befreiung von dem Joch der Barbaren ihnen tatsachliche Untersffitzung des Heeres, wenn auch in geringer Zahl zu gewahren, denn sie
konnen durch Biindelung ihrer Streitkrafte mit dem russischen Heer,
allein durch ihren dort furchteinfloBenden Namen, die Streitkrafte der
Perser iiberwinden und die Herrschaft des Khans von Schuscha
beenden. Dafur baten sie unterwiirfigst um W iederherstellung der
Oberherrschafit des georgischen Konigssohns David, des Enkels von
Konig Iraklion iiber sie, oder eines anderen nach Konnen und
Verdienst Geeigneten. 2. Wenn die genannte Gnade sie nicht erhalten
konnen, so erinnem sie an die Bitten, die von ihren Vorfahren an
Imperator Peter den GroBen vorgebracht wurden, und sich griindend
auf dem ihren Bitten erzeigten Wohlwollen des Imperators, und bitten
untertanigst um Uberfuhrung und Ubersiedlung in die Umgebung von
Derbent, an der Kiiste des Kaspischen Meers, und iiber die
Bestatigung des Besitzes der von ihnen besiedelten Orte, die den
Meliks und ihren Erben ihr voiles Recht a u f ihre Untertanen gibt“.71
Die Meliks legten Konig Iraklion nahe, die Krafte zu bundeln und
die Macht von Ibrahim-Khan zu vemichten. Iraklion sagte anfanglich
seine Unterstiitzung zu. Ibrahim-Khan schlug ihm jedoch vor, die
Meliks Medschlum und Abow zu ergreifen und sie in seine Hand zu
w Persii ets. (Beschreibung der aserbaidschanischen Gebiete in Persien usw.)
(Kursk, 1793) und „Opisanie gorskich narodov (Beschreibung der Bergvolker) (Kursk 1794).
70 Vgl.: P.G. Butkow, Teil 2, S. 195.
71 Raffi, Die Kleinfurstentiimer Chamsi (1600-1827), Nairi, Eriwan, 1991, S.
81-82.
44
geben im Austausch gegen die Ruckkehr von 3.000 tiirkischen
Familien, die frtiher georgische Untertanen waren, aber von
Bortschala nach Karabach gezogen waren und in der Umgebung der
Festung Askeran wohnten. Iraklion beschloss, das Angebot
anzunehmen und die Gaste, die bei ihm Zuflucht genommen hatten,
festzusetzen. Die Meliks, die das erfuhren, flohen von Tiflis nach
Gjandscha.
Dschawad-Khan aus Gjandscha nahm sie bereitwillig auf, gab
ihnen in Gjandscha eine Ehrenresidenz und die fur den Aufenthalt
notigen Mittel. Ibrahim-Khan ersuchte Dschawad-Khan wiederholt
um Auslieferung der Meliks, aber Dschawad-Khan schlug ihm dieses
Gesuch stets ab. 1788 verlieBen auBerdem 500 Familien aus Giilistan,
Untertanen von Melik Abow, ihre Heimat und ubersiedelten nach
Gjandscha. Dschawad-Khan wies ihnen einen Wohnplatz in Schamkir
zu. Gleichzeitig verlieBen rund tausend Familien der Untertanen von
Melik Medschlum Tschiljaberd und zogen ebenfalls nach Gjandscha.
Dschawad-Khan siedelte sie in Schamschaddil an.
Nachdem beide Meliks nach Gjandscha iibersiedelt waren, holte
Medschlum seinen Onkel, Bischof Sargis im Jahre 1791 nach
Gjandscha. Mit ihm kam auch Bagdasar, der Sohn Daniel-Beys, des
Bruders des verstorbenen Katholikos Owanes und Sargis, der spater
die wichtigste albanische Geistlichkeit in Gjandscha wurde.72 Nach
einigen Jahren zog Melik Abow zusammen mit seinen Untertanen von
Gjandscha nach Bolnisi, wo er sich sodann mit den georgischen
Konigen tiberwarf und dort nicht bleiben konnte. 1795 verlieB Melik
Abow Bolnisi und kehrte nach seiner Versohnung mit Ibrahim-Khan
nach Karabach zuriick, wo er sich in seiner Heimat Giilistan niederIieB.
Um das Jahr 1760, als Ibrahim-Khan von Karabach seinen Vater
Panah-Khan abloste, wurde Owanes auf den Thron von Gjandschasar
durch die Bemiihungen des Meliks von Dschilaberd Atam erhoben,
und die Albaner in Gjandscha fiihrten Bischof Israel zum Thron des
Katholikos (zweites albanisches Katholikat) des Klosters Erek
Mankunk. Experten wissen, dass sich die kirchlichen Fragen jener
Zeit und der Charakter ihrer Losung in vielem als entscheidend fiir das
Schicksal des albanischen Volks des Siidkaukasus erwiesen.
72 Raffi, Die Kleinfurstentiimer Chamsi ( 1 6 0 0 - 1827), Nairi, Eriwan, 1991, S.
83-88.
45
Die Sicherheitsprobleme von Karabach und sein weiteres Schicksal wurden in Russland ab dem 18. Jahrhundert unter Katharina der
GroBen erneut einer lebhaften Prufung unterzogen. Dies ist aus dem
oben genannten Plan von Fiirst G.A. Potjomkin ersichtlich.73 Unter
Ausnutzung der giinstigen politischen und historischen Lage beabsichtigte die russische Regierung die Schaffung eines albanischen
Konigreiches, das Moskau unterstehen sollte. Fur die groBe
Befreiungsaktion in Karabach wurde A. W. Suworow vorgesehen74,
dessen Frau in ihrer Abstammung eine Reihe von Vorfahren aus dem
Karabach-Adel hatte. Bei den Planen von Suworow ging es nicht nur
um das Territorium von Karabach, sondem auch um das Land um
Eriwan, das zum Khanat Irewan gehorte.75
Im Jahre 1795 leistete das Khanat Karabach den kadscharischen
Eroberem erbitterten Widerstand. Bereits im 18. Jahrhundert hatte
man begonnen, die Moglichkeiten von Biindnisbeziehungen zwischen
dem Khanat Karabach und Russland zu sondieren. Ein groBes
Verdienst bei den Bemiihungen in dieser Richtung kom mt dem
aserbaidschanischen Dichter, Gelehrten und Staatsmann Molla Panah
W agif (,,Wissender“, 1717-1797) zu.76
Nach den offiziellen russischen Daten im Jahr 1810, d.h. bereits
nach Abschluss des Staatsvertrages iiber die Eingliederung des
73 Potjomkin Grigori Aleksandrowitsch (1739-1791), Staatsmann und
Heerflihrer, Generalfeldmarschall, einer der Teilnehmer an der Palastrevolution 1762, Giinstling und engster Mitarbeiter von Zarin Katharina der GroBen.
Unterstiitzte die Eroberung der nordlichen Schwarzmeerkuste, leitete den Bau
der Schwarzmeerflotte. Nach der Eroberung der Krim erhielt er den Titel
„Swetleischij Knjas Tawritscheskij“ (Fiirst von Taurien). Feldmarschall der
russischen Armee im Russisch-Tiirkischen Krieg von 1787-1791. Vgl.:
Chranowskij A.P In: Tschtenija w imperatorskom obschtschestwe istorii
drewnostej rossijskich pri Moskowskom Uniwersitete. (Vortragsreihe in der
zaristischen Gesellschaft der Geschichte des russischen Altertums an der
Universitat Moskau) Buch 2, Moskau 1872, S. 37.
74 Suworow, Aleksandr Wassiliewitsch (1730-1800), Graf Suworow-Rymnikski
(1789), Fiirst Suworow-Italijskij (1799) und Generalissimus (1799). Wahrend
der Russisch-Tiirkischen Kriege (1768-1774 und 1787-1791). In diesen
Kriegen errang er Siege bei Kosludscha (1774), Kinburn (1787), Fokschan
(1789) und Rymnik (1789) und eroberte im Sturm die Festung Ismail (1790).
75 Vgl.: Istorija armjanskogo naroda (Die Geschichte des armenischen Volkes).
Eriwan 1951, S. 266; Istorija armjanskogo naroda (Die Geschichte des
armenischen Volkes) Eriwan 1980, S. 171 ff.
76 A ls Dichter war Molla Panah W agif beriihmt fur seine weltliche hedonistische
Liebeslyrik und seine philosophischen Gedichte.
46
Khanats in Russland, befanden sich im Khanat Karabach bis zu
12.000 Familien, darunter 9500 aserbaidschanische und nur 2500
armenische.77 Urkunden von 1823 zeugen davon, dass es im Khanat
Karabach eine Stadt Schuscha gab und rund 600 Dorfer (davon 450
aserbaidschanische und rund 150 armenische), in denen rund 90000
Menschen wohnten, davon in Schuscha rund 1048 aserbaidschanische
Familien und 474 armenische, und in den Dorfem jeweils 12902 und
4331 Familien.78
Fiir die objektive Betrachtung des Problems ist es wichtig zu
betonen, dass die sogenannte „armenische" Bevolkerung der
Meliktiimer iiberwiegend aus christlich-monophysitischen Albanem
bestand, die in den offiziellen Urkunden aufgrund ihres christlichen
Glaubens zu den Armeniem gezahlt wurden. Das wussten auch die
Experten des Zaren. Insbesondere W. Welitschko schrieb dazu: „eine
Ausnahme bilden die falschlich Armenier genannten Bewohner von
Karabag (Albanien oder Agwanien), die sich zum armenischgeorgischen Glauben bekennen, jedoch von den Bergstammen und
den tiirkischen Stammen abstam men...»79
Genau davon schrieb auch der armenische Autor B. Ischchanjan,
der die These aufstellte, dass „die Armenier, die in Berg-Karabach
leben, zu den Ureinwohnern gehoren, den Nachfahren der alten
Albaner..., und zum Teil zu den Fluchtlingen aus dem Osmanischen
Reich und dem Safawiden-Staat, fiir die das aserbaidschanische Land
eine Zuflucht vor den Nachstellungen und Verfolgungen" wurde.80
Die historischen Daten ermoglichen die These, dass Karabach
(Arzach) integraler Bestandteil dieser Staatsgebilde war, die sich auf
dem Territorium der heutigen Republik Aserbaidschan befanden. Das
77 Vgl.: Akty, sobrannye Kawkasskoj archeografitscheskoj komisseju (Akten
zusammengestellt von der kaukasischen archeographischen Kommission)
Herausgegeben unter der Redaktion des Vorsitzenden der DSS-Kommission
A. D. Bersche. Tiflis: Tipografija glawnogo uprawlenija namestnika Kawkasskogo 1870 (Archiv der Hauptverwaltung des Kaukasischen Statthalters).
Dokument 37, S. 38-39.
78 Beschreibung der Provinz Karabach, verfasst 1823 von Staatsrat Mogilewskij
und Oberst Jermolow. Tiflis 1866.
79 Vgl.: Welitschko Wasilij. Kawkas: russkoe delo i meschplemennye woprosy
(Der Kaukaus: Die russische Sache und Fragen der zwischenstammlichen
Beziehungen, Faksimile-Ausgabe), Baku Elm, 1990. 1990, S. 154.
80 Zit. nach: Igrar Alijew. agomyj Karabach: Istorija. Fakty. Sobytija. (BergKarabach: Geschichte. Fakten. Ereignisse). Baku, Elm 1989, S. 73-74.
47
Khanat Karabach war eines der wichtigsten der aserbaidschanischen
Staatgebilde im 18. Jahrhundert.81 Arzach-Chatschen-Karabach hat
nie zu irgendeinem armenischen Staat oder anderem arm enischen
Staatsgebilde gehort und konnte nicht dazugehoren, weil die
armenischen Staaten oder Staatsgebilde sich auBerhalb der G renzen
des Siidkaukasus bildeten und bestanden.82 Aus den Arbeiten von
Armeniem selbst ist bekannt, dass die Umsiedlung der Arm enier aus
ihrer geschichtlichen Heimat in den Balkan und nach Kleinasien im 8.
Jahrhundert vor Christus erfolgte, und das Erscheinen einer
beachtlichen Anzahl von ihnen im Kaukasus fallt in das erste Drittel
des 19. Jahrhunderts.83 Die zusatzlichen Argumente zugunsten dieser
These werden in den folgenden Teilen dieser Studien erortert.
81 Vgl.: Mamedowa Farida: Ursachen und Folgen des Karabach- Problems.
Eine historische Untersuchung. In: Krisenherd Kaukasus. Uwe Halbach/
Andreas Kappeler (Hrsg.). - 1. Aufl. Baden-Baden, Nomos Verl. - Ges.,
1995, S. 110-127.
82 Der letzte (von Byzanz) halbunabhangige armenische Staat der Bagratiden
bestand von 886 bis 1045 im Nahen Osten. Aus der Konigsdynastie der
Bagratiden (Bagratuni) am bekanntesten sind: Aschot I., Sambat I., Aschot II.
der Eiserne, Aschot III. der Gnadige, Gagik I.
83 Vgl.: Adonz N. Armenija// Nowyj enziklopeditscheskij slowar BrokgausaEfrona, (Neues enzyklopadisches Worterbuch Brockhaus-Efron) Bd. 3. St.Petersburg 1912.; Istorija armjanskogo naroda (Die Geschichte des armeni­
schen Volkes). Eriwan, 1980, S. 7; Abegjan M. Istorija drewnearmjanskoj
literatury (Die Geschichte der altarmenischen Literatur). Eriwan, 1975, S. 12;
Kapanzjan G.A. Istoriko-lingwistitscheskie raboty. К natschalnoj istorii
armjan. Drewnjaja malaja Asija. (Historisch-linguistische Arbeiten. Zur
Entstehungsgeschichte der Armenier. Das Kleinasien der Antike. Eriwan,
1956.
48
3. Die Armenische Kirche im Kampf mit der Kirche von
Kaukasisch-Albanien
,, Aristoteles behauptete, den machtigen Gottern sei
nur eines nicht gegeben: die Macht, die Vergangen­
heit zu andern. Aber einige „Historiker “ andern die
Vergangenheit nach Belieben und mehrfach, indem
sie sie jed es M ai in das Korsett bestimmter
politischer Interessen oder ideologischer Skizzen
pres sen. “
Weijngold, Jurij Julianowitsch
Das Christentum wurde bei den Armeniern erstmals in den Jahren
vierzig - fiinfzig n. Chr. schriftlich erwahnt. Der Uberlieferung nach
wurde das Christentum von Konig Abgar Uchomo (Ukkama)84 als
erstem hoherem Vertreter des Edessischen Reiches85 angenommen,
und nach seiner Einladung hatten Anhanger des Apostels Thomas bei
den Armeniem des Edessischen Konigreichs zu predigen begonnen.
Die armenische Geschichtsschreibung geht davon aus, dass das
Christentum von den Arm eniern im Jahre 302 angenommen wurde.
Eine herausragende Rolle dabei spielte die Predigttatigkeit Gregors
des Erleuchters. Das Christentum verbreitete sich unter den
Armeniern unter dem starken Einfluss von Predigern aus Syrien. Um
260 wird bereits der arm enische Bischof Meruschan erwahnt. Und
schon nach ihm begannen die Prediger von Kleinarmenien und
Kappadokien zu wirken, an deren Spitze Gregor der Erleuchter aus
84 Die Nachfahren des Griinders des Edessischen Konigreichs trugen den
Ehrentitel Abgar (d.h. „der Machtige"). Der Uberlieferung nach stand Abgar
Uchomo (Ukkama), d.h. „der Schwarze“, der in den Jahren 13-50 n. Chr.
regierte, im Briefwechsel mit Jesus Christus; auf seine Bitte sandte ihm
Christus sein eigenes „nicht von Menschenhand geschaffenes“ Bild, von dem
viele spatere Kopien gemacht wurden. Die Erzahlung daruber findet sich in
der syrischen Handschrift „Doktrina Addaei“ (Erstdruck 1876 durch Georg
Philipsom in London). Der Grund fur die Bekehrung war eine schwere
Erkrankung Uchomos. Genau unter diesem Abgar hatte der Apostel Thomas
den Thaddaus nach Edessa gesandt, einen seiner 70 Junger, der zur Heilung
des Konigs und zur Verbreitung des Christentums beitrug.
85 Das Edessen-Konigreich wurde im Jahre 137 v. Chr. gegriindet und wurde
auch Orroenskisches oder Osroenskisches Konigreich, friiher Antiochien
genannt.
49
dem Geschlecht der Arschakiden stand. Die Taufe der A rm enier
erfolgte in den Jahren 29 - 30. Es gibt Mitteilungen iiber Fakten der
Verfolgung der armenischen Christen im Jahre 312.86
Am wahrscheinlichsten ist jedoch, dass das Christentum von den
Armeniem als offizielle Religion im Jahre 314 angenommen wurde,
d.h. nachdem Kaiser Konstantin I. im Toleranzedikt von M ailand im
Jahre 313 endgiiltig das Christentum in die Reihe der vom Reich
anerkannten Religionen aufnahm.87
Zunachst breitete sich das Christentum bei den Armeniem recht
langsam aus - bis Bischof Mesrob 403 das armenische Alphabet schuf
und Patriarch Isaak die Bibel aus dem Griechischen ins Armenische
iibersetzte. Im Jahre 430 revidierten Mesrob und Isaak die Liturgie
und stellten eine Reihe neuer Gebete zusammen, und damit war der
Prozess der Entstehung der armenischen christlichen Kirche praktisch
abgeschlossen.
Vor dem Konzil von Chalcedon im Jahre 451 war die armenische
Kirche Hand in Hand mit der christlichen (byzantinischen) Ostkirche
gegangen. Aber die Beschltisse des Konzils von Chalcedon wurden
von ihr nicht angenommen. A uf Grund dieser Meinungsverschiedenheiten begannen die Armenier ihre Kirche als autonome Kirche zu
betrachten und nannten sie nach Gregor dem Erleuchter Gregorianisch.
Im 5. Jahrhundert wurde die Armenische Kirche sowohl von
Byzanz als auch von der Kirche Roms unabhangig. Bereits ab dem 6.
Jahrhundert war die Armenische Kirche monophysitisch, d.h. glaubte,
dass die beiden Naturen Jesu Christi - die menschliche und die
gottliche Natur - in ihm in einem einzigen gottlich-menschlichen
W esen vereinigt seien.
Im Jahre 551 trennt sich die albanische Kirche von der Kirche von
Byzanz und erklart ihre Autokephalie. Im Unterschied zur
armenischen monophysitischen Kirche teilte die albanische Kirche
genau wie die gregorianische das Dogma des Diophysitismus, d.h. die
86 Vgl.: Jewsewij Kesarijskij, Z.erkownaja istorija (Kirchengeschichte) Buch 9,
S. 8.
87 Konstantin I. der GroBe (um 285-337), romischer Kaiser ab dem Jahr 306.
Unterstiitzte die christliche Kirche, wobei er auch heidnische Kulte beibehielt,
darunter auch den Geburtskult der Flavier. 324-330 griindete er die Stadt
Konstantinopel an der Statte der Stadt Byzanz.
50
Anerkennung der gleichzeitigen Existenz der menschlichen und der
gottlichen Natur in Christus. Um den Einfluss des Byzantinischen
Reiches abzuwenden, iiberftihrte das Kalifat - als Vorwand die
Denunziationen der Vertreter der Armenischen Apostolischen Kirche
nutzend - die Albanische christliche Kirche in den Monophysitismus
und unterstellte sie der monophysitischen armenischen gregorianischen Kirche.
Wie dies geschah, mit welchen Methoden und durch wen das
erreicht wurde, erklart die sehr aufschlussreiche These aus dem Werk
des bekannten russischen Kaukasusexperten W. Welitschko: „Der
Armenische Katholikos Ilija nutzte die Situation - die Ausbreitung des
Islam - und teilte dem arabischen Kalifen Abd al-Malik mit, die
albanischen Christen planten vermutlich einen Aufstand gegen die
Araber. Der Kalif, der keine weiteren Recherchen anstellte, befahl die
Aufnahme der albanischen Christen in die Armenische Apostolische
Kirche.“88 So begann der Prozess der sogenannten ,,De-Ethnisierung“
der Albaner von Karabach, ein Prozess, der im Verlauf der
Jahrhunderte zum Verlust der Identitat der Albaner gefiihrt hat. Jedoch
blieb die Albanische christliche Kirche auch danach, wie noch
aufgezeigt werden wird, viele Jahrhunderte relativ selbststandig, bis
Karabach russisches Gebiet wurde.
Und schlieBIich wurde 1837 das Albanische Patriarchat im
Russischen Imperium aufgelost und sein Vermogen an die Arme­
nische Apostolische Kirche ubertragen. In den Jahren 1909-1910
wurden die Reste und die zahlreichen urkundlichen Spuren der
Albanischen christlichen Kirche vernichtet. Der Heilige Synod des
Russischen Imperiums erlaubte dem armenischen Synod in
Etschmiadsin84 die Vernichtung des Archivmaterials einer Reihe
88 Welitschko, W.L. Kawkas (Der Kaukasus), Sankt Petersburg 1904, S. 65-66;
Bunijatow, S. M. Aserbajdschan w VII-IX wekach - Aserbaidschan im 7.-9.
Jahrhundert). Baku 1999, zweites Kapitel.
84 Etschmiadsin (bis 1945 Wagarschapat) ist das Zentrum der Armenischen
Apostolischen Kirche (AAK) und die Residenz des Katholikos. Seine
Hauptkathedrale wurde im Jahre 303 erbaut und danach mehrfach umgestaltet
und verschonert. Zwei andere hier bekannte Kirchen (Ripsime und Gajane)
wurden in der ersten Halfte des 7. Jahrhunderts n. Chr. erbaut. Bei
Etschmiadsin befinden sich die Ruinen einer anderen Kathedrale der AAK,
Swartnoz, erbaut in 20 Jahren (641-661 n. Chr.). Vgl.: Rossijskij
enziklopeditscheskij slowar (Russisches enzyklopadisches Worterbuch).
Moskau 2002, Bd. 2, S. 1861. Dem Autor ist die erstaunliche Ahnlichkeit des
51
albanischer Eparchien. Viele Forscher sind davon iiberzeugt, dass es
dieser Beschluss des Heiligen Synod Russlands war, der zum
endgiiltigen Verschwinden der noch verbliebenen Dokumente der
Albanischen christlichen Kirche beigetragen hat.90
Von Anfang an war die Armenische Apostolische Kirche (AAK)
einerseits einer der Hauptfaktoren beim Zusamm enschluss der
Armenier und trennte andererseits die Armenier von alien anderen
Christen. Die Apostolische und die Gregorianische Armenische
Kirche sind nach den Aposteln Thaddaus und Bartholomaus, die als
erste die Lehre Christi in den von Armeniem besiedelten Gebieten
gepredigt haben und hier den Martyrertod erlitten haben, und dem
Griinder der AAK Gregor dem Erleuchteten, dem ersten Katholikos
von Armenien, dem ersten religiosen Oberhaupt aller Armenier,
benannt.
Eine Zeitlang gait sie in Rom als ketzerisch. Aufgrund der Gefahr,
von der romischen Kirche absorbiert zu werden, wurde 1441 der
Katholikosthron von Kilikien91 nach Etschmiadsin verlegt, das in der
Namens „Etschmiadsin" mit dem turkischen Ausdruck „Utsch muedsin"
(„Drei Muezzine") aufgefallen. Die Wurzeln dieser Ahnlichkeit erfordem
eine zusatzliche Erforschung.
Vgl.: Dschamal S.: Karabach w administratiwno-polititscheskoj sisteme
Rossijskoj imperii w XlX-natschale XX wekow (Karabach im administrativpolitischen System des Russischen Reiches 19,-Anfang 20. Jahrhundert). In:
IRS, Moskau, Nr. 2-3, 2005; Gejuschew, R.B. Christianstwo w Kawkasskoj
Albanii (Das Christentum in Kaukasisch-AIbanien.) - Baku, 1984; Mamedow,
D.M.: Kawkasskaja Albanija (Kaukasisch-AIbanien). - Baku, 1993; Esai
Chasan-Dschaljaljan, Kratkaja istorija strany Albanskoj (1702-1722) (Kurze
Geschichte des Landes Albanien von 1702-1722), Baku, Elm, 1989.
Kilikien war im Altertum das siidostliche Gebiet von Kleinasien, das
aufgrund seiner Fruchtbarkeit frtih griechische Siedler angezogen hatte. Zur
Zeit der feindlichen Auseinandersetzungen mit den Selewkiden war Kilikien
eine echte Holle von Seeraubem und Piraten. In dieser Zeit entstand die
griechische Redensart: „drei der schlimmsten Worter mit К sind Kappadokier,
Kreter und Kilikier“. Im ersten Jahrhundert v. Chr. wurden die Kilikischen
Piraten so stark, dass sie Ostia, den Hafen von Rom, besetzten, die dort
befindlichen Schiffe verbrannten und den Anlieferungsweg fur Getreide aus
Sizilien und Agypten nach Rom versperrten. Ihre Vertreibung gelang erst
Pompeji. Einmal wurde Kilikien von Zizero regiert, der in seinen Briefen
dieses Land gut beschrieben hat. In der Epoche des Niedergangs von Byzanz
ging Kilikien an die Armenier, die es mithilfe der Templer einige Zeit lang
vor den Muselmanen schutzten. Vgl.: Neumann. Zur Landeskunde und
Geschichte Kilikiens. In: Jahrbucher fur Philologie, Berlin 1883.
52
Nahe von Eriwan gelegen ist. Seit dieser Zeit hat ihre Bedeutung in
der armenischen Geschichte besonders zugenommen. Etschmiadsin
wird die politisch fuhrende Kraft aller Armenier, die in viele Lander
zerstreut sind und keinen eigenen Staat haben. Die armenischen
Katholikoi waren schon immer die einzigen Vertreter des gesamten
armenischen Volkes, unabhangig davon, in welchen Gebieten seine
einzelnen Mitglieder lebten, unter den Regierungen verschiedener
Staaten.
Seit dem Fall von Konstantinopel (1453) begannen die osma­
nischen Sultane die Lander zu erobem, die den Safawiden unterstanden, in denen auch Arm enier lebten. Sultan Selim stiefi an der
Spitze eines riesigen Heers bis nach Tabris vor, schlug Schah Ismail
und nahm das Land des Schahs bis Erzurum im Norden und Urmien
im Suden (1514) ein. Schah Tachmasp versuchte das Verlorene
zuriickzugewinnen, wurde jedoch von Sultan Suleiman I. (1533-1555)
vemichtend geschlagen.
Durch die militarischen Auseinandersetzungen zwischen dem
Osmanischen Reich und dem Safawidischen Imperium, die Jahrzehnte
andauerten und in den Gebieten stattfanden, wo traditionell ein
GroBteil der armenischen Bevolkerung lebte, wurden diese Orte
endgiiltig zerstort. So wurde die gesamte Flache des zukiinftigen
Khanats Eriwan aufgrund einer zerstorten Landwirtschaft und von
Hunger und Epidemien zu einer Zone andauernden Elends.
Sultan Murad III. siedelte 1580 bis zu 60.000 Moslems und
Armenier aus diesem Gebiet in andere Gebiete um, so dass dieses
Land fast unbevolkert war. Schah Abbas fuhrte 1605 zwangsweise
noch zehntausende Familien islamischen und christlichen Glaubens
aus dem Araxes-Tal heran und siedelte sie in verschiedenen Teilen des
Safawidischen Reiches an. Wenn man davon ausgeht, dass damals die
,,Familien“ groB waren (10 und mehr Menschen), so stehen
„zehntausende Familien" (N. Adonz) fiir hunderttausende Menschen.
Die Armenischen Katholikoi erwiesen der leidenden Glaubensgemeinschaft angemessene Hilfe und vertrauten meist auf die Hilfe
und Einmischung der christlichen Staaten Europas gegen die
Musulmanen der Tiirkei oder Persien. Die Idee der Befreiung der
christlichen Armenier und anderen Christen aus der Herrschaft der
M oslems unter Hilfe der christlichen europaischen Machte kam
Katholikos Sefan V. (1541-1556) zu. Als Mensch mit herausragender
53
Bildung, der in jungen Jahren in Europa gewesen war, wandte er sich
1547 personlich an den Westen und versuchte iiber den Papst die
Aufmerksamkeit der europaischen Machte auf die schwere Lage der
Christen zu lenken. Sein Nachfolger, Michail Sewastijskij (15561570), sandte mit dem gleichen Ziel eine Sondergesandtschaft nach
Europa, an deren Spitze Abgar Tokatskij stand, der durch die
Geschichte des Buchdrucks bei den Armeniem bekannt ist.
Unter Katholikos Jakow (1655-1680), einem der herausragendsten
armenischen Patriarchen, fand in Etschmiadsin (1678) ein geheimes
Treffen statt, an dem 6 Bischofe und 6 weltliche Personlichkeiten
teilnahmen. A uf dieser Versammlung wurde beschlossen, eine
Sonderabordnung unter der Leitung eines Katholikos nach Europa zu
entsenden. Sie sollte sich um Hilfe fur die Armenier und andere
Christen und ihre Befreiung bemiihen. Der Katholikos starb in
Konstantinopel; seine Begleiter kehrten zuruck, m it Ausnahme des
albanischen Meliks Ori, der den Weg nach Europa fortsetzte.
Ori stammte aus Karabach und w ar albanischer Christ, der von
Meliks abstammte. Er fuhr nach Frankreich und trat in den Wehrdienst ein. Es war eine Zeit, in der Ludw ig XIV., der zusammen mit
dem Papst die Idee einer heiligen Allianz der Christen gegen das
Osmanische Reich hegte, bereitwillig die M itteilungen iiber die
oppositionellen Gesinnungen der osmanischen Armenier und der
anderen Christen aufnahm. Von Frankreich ging Ori in den Dienst des
Rheinischen Kurfursten Johann-W ilhelm iiber, um auch ihn ftir die
Lage der Christen in der moslemischen Umgebung zu interessieren.
A uf Anraten dieses Kurfursten begann Ori Kontakte zum russischen
Zaren zu suchen, und zu versuchen, seine Unterstiitzung zu
bekommen. Bevor er nach Russland reiste, kehrte Ori nach Karabach
zuriick und arrangierte ein Geheimtreffen mit den Meliks in Gansasar
und in Angelakot. Mit Beglaubigungsschreiben von ihnen reiste er als
bevollmachtigter Vertreter der M eliktiimer nach Russland.
Zu dieser Zeit waren von den Christen des Siidlichen Kaukasus in
Russland die Kaufleute, die Armenier, am bekanntesten. So wurde
1660 von armenischen Handlem dem M oskauer Zaren ein iiberaus
wertvolles Geschenk iiberreicht: ein Thron (hoher Tisch ftir die
Orthodoxe Kirche), der mit Diamanten, Rubinen und Saphiren, Perlen,
ostlichem Tiirkis und turkischer Finift (Emaille) verziert war. Ori
erhielt eine personliche Audienz bei Peter dem GroBen und erlauterte
54
ihm seinen Handlungsplan fur die Zukunft. Der Zar nahm ihn
freundlich auf, nahm ihn im Rang eines Obersten in russische Dienste
und kommandierte ihn nach Persien ab zum „Nutzen des Zaren“.
Ori starb jedoch au f dem Riickweg in Astrachan, was dem ganzen
Plan der Meliks einen Riickschlag versetzte. Der georgische Konig
Wachtang und die albanischen Meliks riefen ihre Truppen zusammen
und warteten auf die Ankunft der russischen Tmppen. Aber Peter I.
kam nur bis Derbent und lieB dadurch seine Verbiindeten angesichts
der Bedrohung der Zerstorung durch die Truppen des Safawidischen
Schahs in einer verzweifelten Lage.
Parallel zu den oben geschilderten Ereignissen liefen wichtige
religiose und organisatorische Prozesse in der Albanischen Christlichen und der Armenischen Apostolischen Kirche ab. Zwischen 1651
und 167542 griindete die Albanische Christliche Kirche in der Person
des Simeon von Chotaraschen das Kloster Erek Mankunk, der
Katholikos dieses Klosters wurde. Das altere Kloster Gjandschasar
befand sich im Meliktum Chatschyn, und das neu errichtete Kloster
Erek Mankunk im Meliktum Tschiljaberd. Nach dem Tod von Eremi
1700 und Semion 1701 wird Esai 1702 albanischer Katholikos in
Gjandschasar, und Nerses in Tschiljaberd. Nach Esais Tod 1728 wird
Nerses albanischer Katholikos.
Nach dem Tod von Nerses 1763 wird Israel, der Sohn der
Schwester von Nerses, mit Unterstiitzung von Schahwerdi-Khan von
Gjandscha und anderen Meliks, die sich zu dieser Zeit in Gjandscha
befanden, zum albanischen Katholikos gesalbt. Dies fuhrte zu
Konfrontationen zwischen Katholikos Owanes in Gjandschasar und
von Israel in Gjandscha.
In ,,Dschambr“, dem Gedenkbuch, dessen Verfasser Simeon
Erewanzi43 ist, wird darauf hingewiesen, Israel habe sich nicht unterstellt, weil er sich, wie auch andere albanische Katholikoi, fur einen
kirchlichen Hierarchen gehalten habe, unabhangig von dem von
Eriwan und diesem gleichgestellt. In seinem B rief an den georgischen
Konig Iraklij II. erklart Israel seine Rechte damit, dass die Christen
von Karabach und von Gjandscha nicht Armenier, sondern Albaner
42 Die Daten bei Raffi und Simeon Erewanzi, dem armenischen Katholikos
(1763-1780) unterscheiden sich.
w S. Erewanzi, Dschambr, Isdatelstwo Wostotschnoj literatury (Verlag der ostlichen Literatur), Moskau, 1958.
55
sind, d.h. eine andere Ethnie, die mit der armenischen (Hai-) Ethnie
nichts gemeinsam hat.
Ein anderer, sehr bemerkenswerter Aspekt von ,,Dschambr“
besteht in der Bestatigung durch Simeon Erewanzi der Tatsache, dass
die Armenier nach Karabach in verschiedenen Zeiten iibergesiedelt
sind. In den 1790-er Jahren zogen aufgrund der langjahrigen Diirre,
gefolgt von Missemten, Hunger und Epidemien, viele Bewohner
Karabachs in andere Gebiete. Unter ihnen war auch die albanische
Bevolkerung des Meliktums Giilistan, die den M eliks-Beylerbeys
unterstand, und des Meliktums Waranda, die dem M elik der
Schachnasaren unterstand. Die Untertanen von M elik Medschlum, der
in Gjandscha gestorben war, lieBen sich dort auch nieder, die
Bewohner von Chatschen und Disag blieben teilweise an ihren Orten,
und ein Teil iibersiedelte in andere Lander.
A u f Befehl des russischen Zaren Paul I. erhielt der Melik von
Dschumschud, Melik-Schachnasar, vom georgischen Konig Georgij
den Ort Lori94 in seinen damaligen Grenzen und einen Teil von
Bortschala, wo er sich auch m it seinen Untertanen niederlieB. Der
Melik von Firuddin, Melik-Begljar, erhielt den restlichen Teil von
Bortschala und den Ort Adschi-gale. Und Melik Abow (der Onkel von
Melik Firuddin) erhielt Bolnisi. In der Folge erwarben die genannten
Meliks noch weiteres Land entsprechend der stetig wachsenden
Anzahl ihrer Untertanen.
Wahrend der Umsiedlung der albanischen Bevolkerung von
Karabach nach Georgien befanden sich die albanischen Katholikoi
von Karabach an verschiedenen Orten. Zwei von ihnen blieben in
Karabach: die Residenz von Katholikos Israel befand sich im Kloster
Amaras, die Residenz von Katholikos Simon dem Jungeren im Kloster
Erek Mankunk. Der dritte albanische Katholikos, Sargis ChasanDschalal, befand sich auBerhalb Karabachs, in der Stadt Gjandscha
(Ganca). In diesem Jahr (1798), als die Meliks mit ihren Untertanen
nach Georgien tibersiedelten, zog Katholikos Sargis Chasan-Dschalal
mit seinen Leuten von Gjandscha nach Tiflis.
94 Lori - Stadt und Festung im Ujesd Aleksandropol des Gouvernements Eriwan.
das damals eine wichtige Rolle in Kaukasisch-Albanien spielte. Ihre Ruinen
waren bis zum Ende des 19. Jahrhunderts am linken Ufer des Flusses
Kamenka erhalten.
56
Die wichtigste armenische Eparchie in Georgien war zu dieser
Zeit Erzbischof - spater (1831-1842) Katholikos - Owanes, der die
hochste geistliche Autoritat von Etschmiadsin war. Zu dieser Zeit gab
es in Georgien drei armenisch-gregorianische Eparchien: 1.
Etschmiadsin, 2. Achpat und 3. Sanain.95 Zwei dieser Kloster (Achpat
und Sanain) waren albanische Kloster, die auf dem Territorium des
historischen Kaukasisch-Albanien gegriindet worden waren.96 Die
Ankunft von Katholikos Sargis in Tiflis rief den Unwillen von
Owanes hervor. Sargis wollte geistlicher Hirte aller in Georgien
lebenden albanischen Ubersiedler aus Karabach werden. Das wollten
auch die Fliichtlinge selbst. Die Albaner, wie Raffi richtig bemerkte,
waren gewohnt „unabhangig von Etschmiadsin zu leben, ihre eigene
geistliche Leitung zu haben, deren Rolle im Lauf der Jahrhunderte das
Katholikat Agwanka“ erfullt hatte.97
Konig Georg von Georgien schlug dem Etschmiadsinischen
Katholikos Gukas vor, Katholikos Sargis zum Pastor der karabachischen Fliichtlinge, der Albaner, zu bestimmen. Gukas lehnte den
Vorschlag Georgiens ab. Da erklarte der georgische Konig, er wiirde,
wenn sein Vorschlag nicht ausgefuhrt wiirde, keinem einzigen
Vertreter von Etschmiadsin erlauben, die Grenze zu Georgien zu
iiberqueren und von den dort ansassigen Armeniem Kirchensteuem
einzuholen, und Gukas war gezwungen, den Albaner Sargis zum Abt
des Achpat-Klosters und gleichzeitig zum Pastor der karabachischen
Fliichtlinge, der Albaner, zu ernennen.98 Sargis wahlte gerade dieses
Kloster, weil es seit seiner Entstehung albanisch war und von Rechts
wegen von einem Albaner geleitet werden sollte.
Die „Albanische Frage“ war offenbar gelost, aber der armenische
Erzbischof Owanes mischte sich weiterhin in die Belange der
albanischen Glaubensgemeinschaft ein. Das geht aus der Antwort
hervor, die von I.B. Gudowitsch am 11. Marz 1807 auf die
Beschwerde des albanischen Katholikos Sargis iiber unrechtmaBige
Einmischungen des Armeniers Owanes in die Angelegenheiten des
95 Vgl.: AKAK. Tiflis, 1866, Bd. l,D o k . 661, S. 539.
96 Vgl.: Moisej Kagankatwazi: Istorija Agwan (Die Geschichte der Agwanen)
St.-Petersburg, 1861, S. 363.
97 Vgl.: Raffi, Die Kleinfurstentiimer Chamsi (1600 - 1827), Nairi, Eriwan,
1991 ,S. 126.
98 V gl.: Raffi, Die Kleinfurstentiimer Chamsi (1600 - 1827), Nairi, Eriwan,
1991, S. 127.
57
albanischen Achpad-Klosters gegeben wurde. In seiner A ntw ort w irft
der Oberbefehlshaber der russischen Streitkrafte im Kaukasus S argis
vor, dass „Erzbischof Ioanes (Owanes - J.R.), der von Patriarch D aniil
als der armenischen Geistlichkeit in Georgien Vorstehender eingesetzt
worden war, auch als solcher von S.K.H.(Seiner Kaiserlichen H oheit J.R.) bestatigt worden ist, deshalb miisst auch Ihr ihm in allem als
Untergebener Ehre erweisen, und ich kann aufgrund dieser hochsten
Anordnung Eure Bitte nicht erfullen, nicht unter seiner Leitung stehen
zu miissen. A ber von m einer Seite aus, der ich wunsche, im m ir
anvertrauten kaiserlichen Land in alien Angelegenheiten einen
ordentlichen V erlauf zu sehen, bitte ich Eure Eminenz, alle
Forderungen des Erzbischofs Ioanes zu erfullen“."
Der albanische Katholikos Israel, der zu dieser Zeit im Kloster
Amaras in Karabach war, teilte in seinem Schreiben an Gudowitsch
vom 19. August 1806 m it:“ Das Gebiet Agwan fiel ihm (d.h. Grigoris,
Katholikos von Albanien - J.R.) in die Eparchie zu, zu seiner (d.h.
Grigoris- J.R.) besonderen kompletten personlichen Verfiigung,
welches Recht fur dieses Kloster bis zum heutigen Tag besteht, und
die friiheren Patriarchen von Ararat hatten nichts damit zu tun und
waren nie davon beruhrt, sondem es war immer in der vollen
Verfiigung vom Amarrischen (Amarassischen - J.R.) Patriarchen
abhangig, was vollig unbestreitbar ist und wofiir die Eparchie im
Kloster mehrere Schenkungsurkunden hat, die ihr von den vorigen
autokratischen Personlichkeiten verliehen wurden; und aufgrund
dieses Rechts und auf Bitten der Elisawetpolischen Gemeinde (von
Albanern - J.R.) bin ich zu Euch gekommen zwecks der seitherigen
Verwendung, denn es ist nun schon iiber 40 Jahre, dass ich mich in
diesem Kloster und dieser Eparchie im Rang des Patriarchen befinde.
Aber nun wurde ich au f Anordnung der Obrigkeit entlassen, weil
angeblich das dortige Volk au f Vorschlag des verstorbenen Oberbefehlshabers von Georgien Fiirst Zizianow dem Tiflisser Erzbischof
Ioann (Owanes - J.R.) unterstellt werden soli; aber mir ist nicht
bekannt, aufgrund welchen Rechts oder aus welchen Griinden dies
getan wurde, sei es nur deshalb, weil Elisawetpol vom russischen Heer
eingenommen wurde, und auch Karabach sich freiwillig ergeben hat
99 Vgl.: Prisoedinenie Wostotschnoj Armenii к Rossii (Der Anschluss Ostarmeniens an Russland). Urkundensammlung, Bd. 1 (1801-1813). Verlag „AN
Armjanskoj SSR“, Eriwan, 1972, Dok.343, S. 401.
58
und alle gleichermaBen an Georgien angeschlossen sind unter der
Herrschaft von S.K.H., folglich auch kein Anlass zur Krankung des
genannten Klosters Amarr bestand, das zu keiner Zeit und von keinem
autokratischen Herrscher je so gekrankt wurde“ .l<)0 Aber Gudo­
w itsch101 bevorzugte erneut ohne jegliche vemunftige rechtliche
Grundlagen (siehe dessen Antwort an Israel102) Owanes „in
Anerkennung des Eifers und der Loyalitat“, die dem hochsten
mssischen Thron von Owanes zuteil geworden waren.
Hier sei angemerkt, dass es nicht nur in Georgien zwei albanische
Eparchien gab, sondem auch das Konsistorium Astrachan bereits
friiher unter der Jurisdiktion des albanischen Katholikats Ganschasar
stand und erst 1768 durch eine Urkunde von Katharina der GroBen
vom 30. Juli unter Etschmiadsin kam .103 Wie zu dieser Zeit die
Beziehung der Armenier und der Albaner im Konsistorium Astrachan
zueinander war, ware noch zu erforschen.
i(wVgl.: AKAK, Bd. Nr. Dok.149, S. 79-80.
101Gudowitsch, (wan W assiliewitsch (1741-1820), Graf (1797), Generalfeldmarschall (1807). Hatte eine europaische Bildung (studierte an den
Universitaten Leipzig, Konigsberg und anderen deutschen Universitaten). Im
Russisch-Osmanischen Krieg 1787-1791 nahm er Chadschibej ein
(14.9.1789), zwang er die Festung Kilija zur Kapitulation und erstiirmte
Anapu (22.6.1791). Danach wurde er zum kaukasichen Generalgouverneur
ernannt und konnte mit harten MaBnahmen die Ausbreitung der Pest
vcrhindern. Schamchal von Dagestan und der Khan von Derbent schlossen
sich selbst Russland an nach der ,,Aufklarungsarbeit“ Gudowitschs. Danach
wurde er von Paul 1. in den Grafenstand erhoben. Von 1800 bis 1806 war er
in Ungnade gefallen und aus dem Dienst entlassen. Wahrend des russischosmanischen Krieges 1806-1812 war er Oberbefehlshaber der Truppen in
Georgien und Dagestan, vertrieb aus Derbent den aufstandichen Khan, nahm
Baku ein, unterwarf das Khanat Scheki und einen Teil des Lesginen-Landes
und besiegte die turkischen Truppen am FIuss Arpatschaj (18.6.1807), wofiir
er den Rang des Generalfeldmarschalls erhielt. Seine Bemiihungen,
Achalkalaki (1807) und Eriwan (1808) einzunehmen, waren nicht erfolgreich.
Ab 1810 Mitglied des Staatsrates. 1814 wurde nach der Einnahme von Paris
sein Bruder, Graf A. Gudowitsch. damals Kommandeur des Ulanenbataillons,
weithin bekannt durch seine Lieder, die den franzosischen Weinhandler Louis
Chavron besingen. A u f A. Gudowitsch geht auch die in ganz Russland
bekannte Redensart “Trockne das Kristall! - Trink aus!“ zuriick.
H,2Vgl.: Prisoedinenie Wostotschnoj Armenii Rossii (Der Anschluss Ostarmeniens an Russland) Dok. 323, S. 388.
l01Vgl.: G.A. Esow, Natschalo snoschenij Etschmiadsinskogo patriarschego prestola s russkim prawitelstwom (Der Beginn der Beziehungen des Etschmiadsiner Patriarchenthrones zur russischen Regierung).Tiflis, 1901, S. 5-7.
59
Im Jahre 1808 starb der albanische Katholikos Israel. Sein T od g a b
dem armenischen Erzbischof Owanes den gewiinschten A nlass z u r
schon lange von ihm geplanten Auflosung des A lb an isch en
Katholikats. Er konnte sich auch auf eine ihm bereits friiher g e g e b en e
entsprechende Zusage des Fiirsten Gudowitsch stiitzen. In e in e m
Bericht von Owanes steht: „E.D. (Eure Durchlaucht - J.R .) B ei
Riickkehr aus Eriwan mit dem russischen Heer und bei der N achricht
iiber den Tod des Titular-Patriarchs Israel Agwanskij beliebten Sie z u
versprechen, dass Ihr bei G. I. (Gosudar Imperator - J.R.) ansuchen
wiirdet, au f W unsch unseres verstorbenen Patriarchen Daniil die
Armenier (eigentlich geht es hier um A lbaner - J.R.), die in den in
dieser Region neu erworbenen Gebieten leben in meine Eparchie
einzugliedem, damit sich meine M acht au f kaiserlichen bestatigten
Befehl sich auch auf sie erstrecken moge. Weshalb ich mir auch zu
bitten erlaube, die sehr gnadige Zusage E.D. zu verwirklichen. U nd
damit bin ich Euch bis ins Grab zu Dank verpflichtet...".104
Erfolgreich war auch die Eingabe des Etschmiadsinischen Patriarchats
an die russische Regierung um Unterstellung der in Russland lebenden
Armenier-Gregorianer. Dieser W unsch wurde im Jahre 1810 erfullt
und ab dieser Zeit beginnt die Geschichte der Schaffung des
zukiinftigen Etschmiadsiner Armenisch-Gregorianischen Synod.
Gleichzeitig hatte es die russische Regierung nicht eilig, die
Absicht der armenischen kirchlichen Hierarchen zu verwirklichen und
liefi sich Bedenkzeit. Nach dem Tod von Israel sandte Sargis, der
Erzbischof von Achpat den W ardapet (Gelehrten) Bagdasar, seinen
Neffen, nach Karabach. Als im Kloster Gjandschasar alles in Ordnung
gebracht war, verlieB Katholikos Sargis Georgien und siedelte 1812
vom Kloster Achpat nach Karabach iiber, wo er sich mit Hilfe des
Karabachischen Mechdigulu-Khan (des Sohnes von Ibrahim-Khan)
als vollig unabhangig vom Etschmiadsinischen albanischen Katholi­
kos erklarte. Dagegen protestierte das Etschmiadsinische Katholikat.
Nach drei Jahren Streit zwang die „geistliche Leitung von Etschmia­
dsin mit Unterstiitzung der russischen Behorden", Sargis 1815 auf den
Titel Katholikos zu verzichten und den Titel Metropolit anzunehmen.
l04Vgl.: AKAK, Bd.3, Dok. 152, S. 81.
60
Nach dem Tod von Sargis 1828 folgte diesem Bagdasar, sein Neffe,
ebenfalls im Stand des M etropoliten.'05
Aber auch der Stand des Metropoliten hatte eine gewisse Freiheit
und es erhebt sich die Frage, weshalb Russland das albanische
Katholikat nicht sofort aufgehoben hat. Vermutlich war man nicht
ganz davon iiberzeugt, dass man die Dienste der Albaner nicht noch
einmal brauchen wiirde. Andererseits gab man der armenischgregorianischen Kirche zu verstehen, dass fiir die vollige Abschaffung
des albanischen Katholikats die armenischen Hierarchen sich noch
befleiBigen miissten, die russischen Interessen im Kaukasus im Lichte
des ,,Erwerbs“ weiterer tiirkischer und persischer Gebiete zu fordern.
Die ,,freundschaftlichen“ Beziehungen der russischen Regierung
zur armenischen Geistlichkeit unter Erzbischof'06 Nerses waren zu
Beginn des neuen Krieges mit dem Kadscharenstaat im Jahre 1826
besonders eng. Der Erzbischof „bemiihte sich nach Kraften, seinen
Eifer unter Beweis zu stellen: er ermahnte das armenische Volk,
machte sich daran, zuverlassige Informationen iiber den Feind zu
liefern, u. a.“.107 Dieser ,,Eifer“ trug nach Beendigung dieses Krieges
im Jahre 1828 auch die gewiinschten Friichte.
Der Vertrag von Turkmantschai 1828 zwischen Russland und dem
Kadscharenstaat (Persien) enthielt Artikel 15, der die Moglichkeit der
Umsiedlung der Arm enier in die Russland angegliederten aser­
baidschanischen Khanate Eriwan und Nachitschewan gab, die im
gleichen Jahr aufgelost wurden, und an deren Stelle das Gebiet
Armenien gegriindet wurde. Die Umsiedlung von rund 40.000
Armeniern war ein groBes Geschenk an Erzbischof Nerses, dessen
Glaubensgemeinschaft sich rasch vergroBerte. Nerses, der schon 1808
beim Zar die Verfiigung erw irkt hatte, dass „alle armenischen
Geistlichen Albaniens und Gansasars vom Obersten Rat des HI.
Etschmiadsiner und Ararater Thrones abhangig sein miissen“ wurde
durch Zarenreskript vom 25. Januar 1828 mit dem Orden des HI.
105V gl.: Raffi, Die Kleinfurstentumer Chamsi (1600-1827), Nairi, Eriwan,
1991,S. 154-155.
l06Erzbischof ist ein geistlicher Name und Ehrentitel, Altester Bischof, Autseher
iiber mehrere Eparchien.
107Vgl.: AKAK, Tiflis, 1878, Bd. MP, Dok. 436, S. 486.
61
Alexander Newskii fiir Verdienste um Russland, „insbesondere im
1OB
jetzigen Krieg mit den Persianem“ ausgezeichnet.
GemaB dem Vertrag von Andrianopol, der nach Ende des K rie g e s
mit dem Osmanischen Reich 1829 geschlossen wurde, vergroB erte
sich die Glaubensgemeinschaft von Nerses noch um rund 9 0 .0 0 0
Menschen, mit denen auch zwei armenische Bischofe, die groB en
Einfluss au f das Volk hatten, unter die russische H errschaft k am en.
Und am 11. Marz 1836 wurde die „Verfugung uber die L eitung d e r
armenisch-gregorianischen Kirche“ erlassen. Die weitere B ezeichnung
der Albaner als gregorianische Armenier wurde erst nach d er
Annahme dieser Verfugung moglich, wie auch die Bezeichnung selbst
erst 1836 auftrat. Im gleichen Jahr forderte auch die russische
Regierung von der Armenischen Kirche, sie moge der arm enischen
Glaubenslehre ebenfalls die Bezeichnung Kirche geben. Erst dann
erschien in der veroffentlichten „Verfugung" der A usdruck
„Armenisch-Gregorianische Kirche“.
Die Griinde der nachfolgenden Unterstutzung der arm enischen
Geistlichkeit auf Grund einer immer starkeren Beschneidung der
Rechte der albanischen Geistlichkeit beschrieb 67 Jahre spater relativ
iiberzeugend der geschaftsfuhrende Prokuror des Etschm iadsinischen
armenisch-gregorianischen Synod, Frenkel. In seinem Bericht vom
22.4.1903, geschrieben in Zusammenhang mit der Aktivierung der
Tatigkeit der armenischen Opposition in Russland schrieb er: „Leider
erhielten die Armenier, - schreibt er - als vor 70 Jahren, im
Zusammenhang mit der Verscharfung der ostlichen Frage, der von Zar
Nikolaus I. ausgesprochene Gedanke iiber die bevorstehende Teilung
„des kranken M annes“ (des Osmanischen Reiches - J.R.) entstand,
sofort groBe Bedeutung und es wurden Hoffnungen auf sie gesetzt, die
vollig unberechtigt sind. Unsere Gesandten bei der Ottomanischen
Pforte, und zusammen mit ihnen auch das AuBenministerium, legten
der Regierung des Zaren den Gedanken nahe, es sei von groBter
Bedeutung, sich fiir die Interessen der russischen Politik die
Unterstutzung der tiirkischen Armenier zu sichem;... Dieser grundlegend falsche Gedanke brachte eine ganze Reihe von Zugestandnissen und eine Milde seitens unserer Regierung hervor, die auch als
l08Vgl.: G. A. Esow: Snoschenija Petra W elikogo s armjanskim narodom, C.
CXXIX-CXXX. (D ie Beziehungen Peters des GroBen zum armenischen Volk
von 79-80)
62
Prazedenzfall fiir zukiinfitige Ansuchen (Unterstreichung von mir J.R.) der armenischen Katholikoi zur Schaffung einer fiir sie
personlich und fur ihre Glaubensgemeinschaft exklusiven Situation,
die durch die Verfugung von 1836 geregelt wurde, dienten.l09“
Nach Annahme dieser Verfugung entfaltete sich unter der Leitung
des Etschmiadsiner Patriarchats unbeschrankt die Politik der
Assimilation des albanischen Volkes durch die Armenier kraft der
Tatsache des gleichen Glaubens. Es begann die Herausgabe von
Biichem mit umgeschriebener armenischer Geschichte, in denen
uralbanische Gebiete zu armenischen erklart wurden und das
albanische Volk dem armenischen zugerechnet wurde, obwohl diese
Deutung vollig an der W ahrheit vorbeigeht.
Die elementare Tatsache der Zugehorigkeit der albanischen
Sprache zur nachisch-dagestanischen ibero-kasachischen Sprachfamilie und das Vorhandensein von 52 Phonemen in ihrem Alphabet,
obgleich die armenische ein separater Zweig der indoeuropaischen
Sprachfamilie ist und ihr Alphabet 36 Buchstaben enthalt, dient als
unwiderlegbares Zeugnis der ernsthaften und tiefen Unterschiede
zwischen den Albanern und den Armeniem. Schon 1867 konnten in
den meisten landlichen Kirchengemeinden der Eparchie Karabach die
Mehrzahl der Laien weder armenisch lesen noch schreiben, und viele
auch nicht sprechen.110
Zahlreiche Fakten, die unwiderlegbar von der Politik dcr
assimilierenden ,,Umwandlung“ der Albaner zu Armenier zeugen,
werden im Werk von K. Imranli „Das schwarze Schicksal des
Schwarzen Gartens" angefiihrt.111 Wir reflektieren hier nur die
Meinung des bekannten russischen Denkers, Theologen, Mathematikers und Ingenieurs Pawel Florenskij, des Sohnes einer Albanerin
aus dem Geschlecht der M elik-Begljarows, der Meliks von Gulistan,
die aktiv an den Beziehungen der Albaner zu Russland beteiligt
waren. In seinem B rief vom 20. September 1916 an seine Familie
schrieb er: „Die Karabachischen Armenier sind eigentlich keine
104Vgl.: RGIA, f. 821. op. 7, d. 96, T. 3, Bl. 203ob-204.
ll(lVgl.: Raffi, Die Kleinfurstentiimer Chamsi (1600-1827), Nairi, Eriwan, 1991,
S. 158-159.
111 Vgl.: Imranli Kamala: Tschjomaja sudba tschjornogo sada (Das schwarze
Schicksal des Schwarzen Gartens) Nautschno-issledowatelskij zentr
,,LADAM IR“
(wissenschaftliches
Forschungszentrum
,,LADAM1R“),
Moskau 2006.
63
Armenier, sondem ein besonderer Stamm der Udiner... im A lte r tu m
nannten sie sich Albaner, und die Arm enier nennen sie A c h a w a n e r
(Agawaner - J.R.)...“ ." 2 Florenskij berichtet, seine M utter h ab e n ic h t
armenisch sprechen oder etwas uber Armenien und die A rm e n ie r
lesen wollen oder - selbst nicht aus Neugier - in eine a rm e n isc h e
Kirche gehen wollen. Die Last einer negativen h isto risc h e n
Erinnerung hielt diese Albanerin vom ehm er Herkunft davon ab, d ie s
zu tun.
Viele Forscher verweisen auf die Unvermeidbarkeit der re a le n
Trennung der armenischen Kirche vom Staat, wie sie in der R e p u b lik
Armenien, obwohl sie sich auch fur einen demokratischen Staat halt,
nicht gegeben ist. Ein iiberaus groBer Einfluss der Kirche a u f die
112Vgl.: P. Florenskij: Detjam moim, Wospominanja proschlych dnej,
Genealogitscheskie issledowanija. Is Solowezkich pisem. Saweschtschanie.
(Meinen Kindern, Erinnerungen an vergangene Tage, G enealogische
Forschungen. Aus den Solowezker Briefen. Vermachtnis.), Moskau, 1992, S.
376. Andere heute interessante Werke von Florenskij: Florenskij, Pawel:
swjaschtsch. Sobranie sotschinenij, Statji i issledowanija po istorii i filo so fii
iskusstwa i archeologii. (HI. Sammlung von Aufsatzen, Artikeln und
Untersuchungen zur Geschichte und Philosophie von Kunst und Archaologie)
М., 2000, S. 190-259; Florenskij, P.A.: Ikonostas (Die Ikonenwand) М.,
1995, S. 64, 166. Sein Hauptwerk ist „Stolp i utwerdschdenie istiny. Opyt
prawoslawnoj teodizei“ (Die Saule und Stiitze der Wahrheit. Erfahrung einer
orthodoxen Theodicae.) Das durch seine geistliche Ausdruckskraft herrliche
Werk von Pawel Aleksandrowitsch Florenskij, das klar auf seine kaukasischalbanische Abstammung hinweist, ist im Gemalde von M Nesterow
,,Philosophen“ wiedergegeben, auf dem Florenskij und der andere
herausragende russische Philosoph S.N. Bulgakow abgebildet sind. Vgl.:
A.A. Rusakowa: „Michail Nesterow". Leningrad, Verlag ,,Awrora“ 1990. 111.
81, 82. A uf der Postkarte mit dem Bild von M.W. Nesterow „Widenie otroku
Warfolomeju“ (Dem Knaben Bartholomaus erschienenes Gespenst) schrieb
Olga, die Schwester von Pawel Florenskij: „Lieber Pawel, ich sende Dir Dein
Portrat. Ljusja und ich sagten gleich, dass das Dir unheimlich ahnlich sieht
und kauften es“. Vgl.: Nowyj schumal, N ew York 2007, Dezember, S. 142.
Der Familienname der Schwester von Olga, Melik-Begljarowa Elisaweta
Pawlowna zeugt von ihren albanischen Vorfahren. Eine der Schwestem von
Pawel Florenskij, Florenskaja Elisaweta Aleksandrowna (1886-1967)
heiratete Georgij Georgiewitsch Koniew (Koniaschwili), ein Mitglied des
Wissenschaftsrates der Menschewiki-Regierung von Noe Schordanija. Sie
lebte ihr ganzes Leben lang in Tiflis und wurde die Ahnherrin des
georgischen Zweigs der Nachkommen der Familie Florenskij. Sie war es
auch, die das Tiflisser Familienarchiv der Familie Florenskij unterhielt. Vgl.:
Nowyj schumal, N ew York, 2007, S. 123. Artikel: Pawel Florenskij: Jahr
1908.
64
staatliche Politik hat noch nie gute Friichte getragen - zu unterschiedlich sind die kirchlichen und die staatlichen Aufgaben.113
113Vgl.: W eems Samuel. Armenia. Secrets o f a „Christian" Terrorist State.
Dallas, St. John Press, 2002, pp. 10, 44, 46.
65
4. Die historischen und kulturellen Denkmaler K a u kasisch-Albaniens (bis Ende des 18. Jahrhunderts)
,, Es gibt keine Opposition, keine Feindschaft, k e in e n
Konflikt der Kulturen. Das widerspricht dem B e g r if f
„Kultur" selbst. In ihrer gegenseitigen B eeinflussung
bereichern die Kulturen einander. “
Elke F isch e r
Die friihesten Zeugnisse der Besiedelung von N ord-A serbaidschan
haben ein ,,Alter“ von iiber 200 000 Jahren (materielle Spuren in
Chanlar, Baku, Kedabek und anderen Orten). Abbildungen des
Jungsteinzeitalters und spaterer prahistorischer Zeitalter (K upfersteinzeit u.a.) wurden in G obustan"4 (Kreidezeichnungen), bei M ingentschaur, Chodschala u.a. Orten entdeckt. Die Abbildungen zeigen
Menschen bei der Jagd, beim Fischen, beim Viehhiiten. Es w urden
auch Spuren davon gefunden, dass die damaligen Bewohner N ordAserbaidschans das Kupfer kannten - den wichtigsten Zeugen des
Beginns der Bronzezeit.
In der Antike und im 6. Jahrhundert v. Chr. gab es auf dem G ebiet
von Aserbaidschan einen Staat, der von griechischen Q uellen
Kaukasisch-AIbanien und von arabischen Quellen Arran genannt
wird.lls Die Einbindung von Nord-Aserbaidschan in das entstandene
ll4Einige Abbildungen, genauso w ie auch die Ablagerungen auf den Felsen
geben nach Meinung des Autors dieser Studie, der sie gesehen hat. die
Moglichkeit zu vermuten, dass ein Wasserweg der alten Zivilisation des
Umlandes des Kaspischen Meeres mit dem Russischen Norden bestanden hat.
einerseits, und mit dem nord-ostlichen Teil des Schwarzmeerbeckens und des
Beckens des Asowschen Meeres andererseits. Vgl.: auch Zeichnungen 5. 8. 9
in: S.N. Rustemow. Die Steinzeichnungen von Gobustan, Baku -“Kooperazija‘\ Buch 1 (in aserb. Spr.).
115Vgl.: Mamedowa Farida: Polititscheskaja istorija i istoritscheskaja geografija
Kawkasskoj Albanii. (Politische Geschichte und historische Geographie
Kaukasisch-Albaniens.) Baku, Elm 1986. Der bekannte georgische Historiker
und Archaologe Bakradse Dmitrij Sacharowitsch (1826-1890) beschrieb in
seinem klassischen Werk „Kawkas w drewnich pamjatnikach christianstwa"
(Der Kaukasus in alten Denkmalern des Christentums), Tiflis 1875) 321
christliche Denkmaler im Kaukasus, von denen viele albanisch waren. Das
umfangreiche Material, das er in den letzten 15 Jahren bis zu seinem Tod
gesammelt hat, ist nicht veroffentlicht und nur Archivaren zuganglich. Die
ersten funf Bande wurden von der Kaukasischen Archeographischen
66
Reich der Achaemenider116 (bis 330 v. Chr.) war dem Erscheinen von
Objekten und Denkmalern der antiken Kultur auf seinem Territorium
nicht forderlich. Wahrend im Stiden bereits der Staat Medien
existierte, formte sich im nordlichen Teil des Landes, in KaukasischAIbanien, ein Verband von Stammen, Albanem, die im 1. Jahrhundert
v. Chr. Widerstand leisteten gegen die romischen Eroberungsversuche
von Nord-Aserbaidschan. Die Bildung eines albanischen Staates auf
der Basis der Vereinigung von 26 Stammen forcierte den Entwicklungsprozess einer ortlichen Kultur. Jedoch ist die albanische
materielle Kultur dieser Periode relativ wenig erforscht, aufgrund des
Umstandes, dass viele Statten von Festungen, groBen Siedlungen,
Klostem und Stadten, die von den antiken Autoren iiberliefert sind,
noch nicht entdeckt wurden.
Emsthafte archaologische Ausgrabungen sind an vielen, wenn
auch nicht den meisten Orten, noch nicht durchgefuhrt worden aus
politischen, fmanziellen, organisatorischen und nicht zuletzt informatorischen Griinden. Es gibt seltene Ausnahmen, und eine davon ist die
Stadt Kabala (Kabalakau bei den antiken Autoren), die um das 1.
Jahrhundert v. Chr. Hauptstadt von Albanien war. Ihre Uberreste in
Form der starken Festungsmauem sind um den Ort Tschuchur-Kabala,
Kutkaschenskij Rayon (heute Gabala oder Kabala), erhalten. Kabala
ist das meist erforschte stadtebauliche Denkmal KaukasischAlbaniens. Die Ruinen dieser einmal beriihmten Stadt sind noch langst
nicht ausreichend erforscht. Im 1. Jahrhundert v. Chr. wurde Kabala
die Hauptstadt Albaniens und blieb es bis zum 5. Jahrhundert, als die
Kommission herausgegeben unter der Tatigkeit von Dmitrij Sacharowitsch
selbst, der alle georgischen Urkunden ins Russische iibersetzte, die von
diesem Organ herausgegeben wurden. Bekanntlich wurde Bakradse zum
korrespondierenden Mitglied der Akademie der Wissenschaften des Zaren
gewahlt. Kurz vor seinem Tod schrieb er fur die Archaologische Kommission
des Zaren einen ausfuhrlichen Bericht (rund 100 Seiten!) in russischer
Sprache iiber die Erhaltung der wertvollsten alten christlichen Denkmaler im
Kaukasus. Dieser Bericht ist noch nicht studiert worden.
ll6Die Achemeniden sind eine altpersische Konigsdynastie (558-330 v. Chr.).
Der Begrunder ist Kyros II. Seine Blutezeit erreichte der Staat der
Achemeniden unter Darius I, als er die meisten Lander des Nahen und
Mittleren Ostens umfasste. Der Staat der Achemeniden horte auf zu existieren
aufgrund seiner Eroberung durch Alexander der GroBen. Die wichtigsten
Personlichkeiten der Achemenidendynastie sind Kyros II., Darius I., Xerxes I.
und Ataxerxes III.
67
Hauptstadt nach Barda verlegt wurde. Nach den Daten a rc h a o lo gischer Ausgrabungen war Kabala eine groBe Stadt, die ein V e rte id igungssystem, eine stattliche Zahl groBer Gebaude und ein e n twickeltes Infrastruktursystem einschlieBlich Wasserleitungen hatte.
Bekannt ist die Georgskirche (9. Jahrhundert) im Kloster T a tew ,
die wahrend des Erdbebens 1931 stark beschadigt wurde. V or d e r
Vereinigung in einen Stammesverband im 4.- 3. Jh. v. Chr. hatten d ie
albanischen Stamme unterschiedlicher Sprachen ganz eigene A rten
von dekorativem Kunsthandwerk geschaffen, vertreten durch graues
Steingut aus dem Ort Kasachbeijl, Kasachskij Rayon, toneme Stem pel
aus der Stadt Kasach, bemerkenswerte Typen von Topferw are,
Glyptik (Gravurkunst bei Edelsteinen oder Halbedelsteinen) und
kunstlerisch bearbeitete Metallerzeugnisse, die in M ingentschaur,
Berg-Karabach und anderen Gebieten gefunden wurden.
Nach der Vereinigung der Stamme fand die sogenannte
jalojlutepische Kultur (3.-1. Jahrhundert v. Chr.) auf dem Gebiet von
Kaukasisch-Albanien in den Steppen und im Vorgebirge von
Aserbaidschan weite Verbreitung. Ihre kiinstlerischen Traditionen
entwickelten sich in der Kultur der Grablegung in bauchigen Kriigen
(2. Jh. v. Chr.-2. Jh. n. Chr.), die im gesamten Gebiet der Lander in
der Periode der Bildung des Staates Kaukasisch-Albanien vorherrschend war. Die dominierende Art des Kunsthandwerks war vom
6. Jh. v. Chr.-4. Jahrhundert n. Chr. die Keramik. Die alten albani­
schen Meister des Topferhandwerks schufen GefaBe in Gestalt von
Tieren und kommunizierende GefaBe, machten TrinkgefaBe, Vasen
und viele andere Erzeugnisse. Hier kann auf Ausgrabungen im
Agdschabedinskij Rayon und in der Milsker Steppe vervviesen
werden. Eine bedeutende Entwicklung in Kaukasisch-Albanien in den
ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung erfuhr die Herstellung von
Erzeugnissen aus Glas, die in groBer Zahl in Chanesly und im
Ismaillinskij Rayon entdeckt wurden. GroBes Interesse fand die 1946
in der Ortschaft Chanysly, Schemachanskij Rayon, gefundene monumentale Statue (letzte Jahrhunderte des 1. Jahrtausends v. Chr.) aus
ortlichem Kalkstein. Der in M ingentschaur entdeckte menschliche
M iniaturkopf aus Bernstein gibt eine Vorstellung vom alt-albanischen
Bildhauerportrat des 1.-2. Jahrhunderts n. C hr.117
W ahrend der Zeit des Bestehens von Kaukasisch-Albanien wurden
viele historischen Stadte Aserbaidschans gegriindet: Gjandscha
(Ganca), Kabala, Barda, Bajlakan, Baku u.a. Uber Barda, Bajlakan
und Gjandscha fiihrten die wichtigsten KarawanenstraBen jener Zeit.
Mit der Ausbreitung des Christentums bauen die Baumeister
Kaukasisch-Albaniens Kirchenkomplexe, unter denen die interessantesten, wie gesagt, die Rundkirche im D orf Lekit und die
Basilika im Ort Kum sind. Diese beiden Denkmaler, die um das 6.
Jahrhundert datieren, befinden sich unweit von einander im
nordwestlichen Teil des heutigen Aserbaidschans, der im friihen
M ittelalter das geographische Zentrum Kaukasisch-Albaniens war.
Die neue Hauptstadt Kaukasisch-Albaniens Barda wurde in vielen
Quellen als „Hiesiges Baghdad" bezeichnet. Nach Berichten von
Reisenden und Historikem gab es in der Stadt viele bertihmte
architektonische Anlagen: Moscheen, Karawansereien, Badehauser,
Markte, die aus besonderem Pflasterstein in Verbindung mit
gebranntem Ziegel erbaut wurden. Barda gilt als Zentrum der
friihesten mittelalterlichen Architekturschule auf dem Gebiet des
modernen Aserbaidschan. Ein bemerkenswertes Muster dieser Schule
war das Minarett von Schamchor des 12. Jahrhunderts. Es war aus
gebranntem Ziegel mit turkisfarbener Glasur. Das Minarett hatte eine
Hohe von 60 Metern und dem minimale Durchmesser fur diese Hohe
von 2,5 Metern. Besondere kunstlerische Bedeutung hat das Mauso­
leum in Barda und im Ort Karabalgar. Das Mausoleum in Barda
wurde von Baumeister Achmed ibn Eijub Nachitschiwani im Jahre
1322 erbaut. Es ist ein zylindrischer, aus Ziegeln erbauter Turm mit
zwei reich dekorierten Portalen. Das komplizierte geometrische Bild
der Verkleidung entsteht durch die Komposition aus einem einfachen,
den Hintergrund schaffenden, und einem glasierten Ziegel, die die
vielfach wiederholte Inschrift ,,Allah“ bilden.
W eltweit bekannt wurden die wunderbaren, sehr gut erhaltenen
Kacheln des groBen, an der StraBe gelegenen Chanega-Komplexes am
117Vgl.: Istorija iskusstwa narodow SSSR (Geschichte der Kiinste der Volker der
UdSSR Volker) Bd. 1 „Isobrasitelnoe iskusstwo" (Bildende Kunst), Moskau
1971, S. 218-222.
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Fluss Pirsagat, der hochstwahrscheinlich die reichen K araw anenfuhrer
bediente.
Uber einige architektonischen W erke von N ord-A serbaidschan
schrieb das Mitglied der Akademie der Wissenschafiten der U dS S R A.
W. Alpatow: „Eine so entwickelte Kunst der Form, eine so klassisch e
Vollendung der Komposition und die Perfektion der Ausfiihrung ist in
diesen Jahren nicht in der Architektur Mitteleuropas anzutreffen. A us
dem nachitschewaner Mausoleum weht die Ewigkeit wie aus den
besten Werken... der Literatur des Ostens von der Art des ... Poem s
,,Schahname“ von Firdausi (10.-11. Jahrhundert) oder von „Lejla und
Medschnun“ von Nisami (12. Jahrhundert)".118
Unter den historischen Stadten Aserbaidschans, in denen nicht nur
einzelne Denkmaler der Architektur und des Kunsthandwerks erhalten
sind, sondern auch eine interessante Planungsstruktur vorherrschte,
sind unter anderem Schuscha und Scheki zu nennen.
Unter den anderen Stadten von Nord-Aserbaidschan jener Z eit hob
sich Scheki klar hervor durch seine Architektur und sein stilistisches
Ensemble. Das ist mit dem Umstand zu erklaren, dass die Stadt auch
gleichzeitig neu gebaut wurde. Scheki (spater Nucha, dann w ieder
Scheki) ist eine Stadt, die von alters her beruhmt war fiir die
Seidenweberei. Gelegen an den Hangen des GroBen Kaukasus ertrinkt
die Stadt auf dem Hintergrund der schneeweiBen Bergspitzen im
Griinen. Ihre wichtigsten Bauwerke wurden nach der Uberschwemmung 1772 gebaut, die fast die gesamte Altstadt vemichtete. Trotz
dieser Katastrophe erholte sich Scheki, das an der Trasse der
bekannten Handelswege gelegen war und ein althergebrachtes
Zentrum der Seiden- und Handwerksproduktion war, rasch.
Die Stadt ist mit ein- bis zweistockigen Gehoften bebaut und ist
von den sie umgebenden Hiigeln aus gut zu sehen: schone Ziegel118V gl.: Alpatow, M. W.: Wseobschtschaja istorija iskusstw - Allgemeine
Kunstgeschichte) Bd. 1., Moskau, 1948, S. 249. Nisami Gjandschewi Abu
Muhammed Ilja ibn Jusuf (1141-ca. 1209), groBer aserbaidschanischer
Dichter und Denker. Sein Hauptwerk ,,Funfer“ (,,Chamse“) besteht aus 5
Gedichten: „Sehatzkammer der Geheimnisse" (zwischen 1173 und 1180).
„Chosrow und Schirin“ (1181), „Leila und Medschun“ (1188), „Sieben
Schonheiten“ (1197) und ,,Iskander-name“ (um 1203), in dem eine
einzigartige soziale Utopie geschaffen und das Bild des idealen Herrschers
gezeichnet wurde. Erhalten ist auch ein Teil des lyrischen Diwans, einer
Sammlung von Gedichten des Dichters.
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dacher auf dem Hintergrund des Gruns von Garten bilden ein
farbenreiches Mosaik ihres Panoramas. Ihre Originalitat erhalt die
Stadt auch von dem beim Bau von alters her verwendeten besonderen
Flussstein in Verbindung mit Ziegel. Ein naturliches Ordnungselement
der architektonischen Planungsstruktur der Stadt ist der Fluss
Gurdschana-tschaj, der die Stadt ,,klassisch“ in zwei Teile teilt - einen
nordlichen, hoher gelegenen, und einen siidlichen, der in der Ebene
liegt.
Der altere und der hohere Teil der Stadt Juchary basch enthalt die
Schekinsker Festung mit dem darin gelegenen Palast der Schekiner
Khane und der HaupthandelsstraBe, entlang derer die Karawansereien
und die Laden der Handwerker standen, von denen viele bis heute
erhalten sind. Um die HandelsstraBe herum konzentrieren sich die
Wohngebiete, die Mechelle, die noch die alten Namen tragen: Gilejli,
Gyrytschi, Gullar.
Beruhmt war Scheki auch fur die Gilejli-Moschee, die nicht mehr
erhalten ist. Und der Palast der Schekiner Khane nimmt eine
besondere Stellung unter den Khan-Palasten ein, die zu jener Zeit in
Baku, Schuscha, Kuba, Gjandscha und anderen Stadten gebaut
wurden.
Nach dem Aufenthalt in diesen Gebieten schrieb der Freund von
Alexander S. Puschkin, General N. N. Rajewskij 1826 an seine
Verwandten: „Ich befinde mich in einem Lager, zwei Tagesmarsche
von Nucha, der Hauptstadt des Khanats Scheki... Das Land, durch das
ich reise, ist wunderschon, unser Lager steht in einem Wald von
Granatapfelbaumen, Tamarisken und morgenlandischen Platanen. ...
Nucha ist wunderbar, es ist Bachtschisaraj auf hochstem Niveau.
Darin gibt es 14000 Einwohner, 3000 Hauser und eine malerische
Lage am FuBe der Dagestaner Berge... Dort gibt es einen Palast der
fruheren Khane dieses Gebietes, der sehr schon ist und von dem der
Palast von Bachtschisaraj nur eine schwache Vorstellung gibt...“ il4
"9VgI.: Bretanizkij, L. S.: Dworez schekinskich chanow (Der Palast der Khane
von Scheki) In: Architektura Aserbaidschana. Baku 1952, S. 344. Rajewskij
N.N. (Junior). Enger Freund von A. S. Puschkin seit der Schulzeit und
wahrend des Militardienstes von Rajewskij im Kaukasus. Nicht zu
verwechseln mit Rajewskij N.N. (Senior) (1771-1829), Infanteriegeneral
(1813), Teilnehmer an den Kriegen gegen die Tiirkei, Schweden und
Frankreich.
71
Diese sehr starke Begeisterung des viel gereisten Generals R a je w sk ij
bedarf einiger Erlauterungen.
Dieser Palast und seine Umgebung sind eine Synthese d er b e s te n
Errungenschaften der damaligen aserbaidschanischen Kunst a u f d e m
Gebiet der Architektur, der W andmalerei und des d ek o rativ en
Kunsthandwerks. Im Inneren des Palastes der Schekiner K hane sin d
von groBtem Interesse die W andmalereien, die gleichzeitig m it d e m
Bau des Palastes ausgeflihrt, jedoch in der Folge mehrmals e m e u e rt
wurden, vor dem Beginn des 20. Jahrhunderts von bekannten M e istem
(Usta Gambar, M. Dschafar u.a.). Der Khan-Palast von Scheki ist ein
seltenes Beispiel ftir die Verbindung des Volksschaffens m it der
Tradition der hofischen mittelalterlichen Architektur Aserbaidschans.
In Scheki ist ein ungewohnliches Gebaude: das Haus der Fam ilie
Schekichanowyj. AuBerst interessant sind die W andmalereien dieses
Hauses. Besonders interessant ist eine Figurenkomposition einer
Familie unter dem ersten Rang. Forscher vermuten, dass sie die
unsterblichen Helden des Gedichtes Nisami darstellt. Besonders
augenfallig unter ihnen ist die Abbildung des legendaren Farchad, der
den Berg Bisitun zerteilte. Nach den Motiven des Ornaments, der
Komposition und der Ausfuhrungstechnik haben die W andmalereien
des Flauses der Schekichanowyj Parallelen in vielen Denkmalem von
Scheki und anderen Stadten Aserbaidschans. Ihrer Thematik nach sind
sie jedoch ein einzigartiger Ausdruck des dekorativen Kunsthand­
werks.
Schuscha wurde im 18. Jahrhundert als Hauptstadt des Khanats
Karabach gegriindet und fast gleichzeitig von Panah-Khan, dem
Herrscher von Karabach erbaut; ihr endgultiges Erscheinungsbild
erhielt sie gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Die Stadt liegt auf einer
breiten Hochebene mit stark zerkliiftetem Relief. Von drei Seiten ist
die Hochebene, deren hochster Punkt rund 1600 Meter iiber dem
Meeresspiegel liegt, umgeben von hohen, zum Flussbett hin
abfallenden Hangen, was die Stadt, in den Worten von Augenzeugen.
komplett unzuganglich machte. Mit der malerischen Lage hoch in den
Bergen, auf einem bewaldeten unzuganglichen Plateau, mit der
allfalligen Verwendung von Natursteinen beim Bau, mit denen auch
die StraBen der Stadt befestigt waren, mit ihrer interessanten Architek­
tur und tippigen Begriinung rief die Stadt Bewunderung und oft
Begeisterung bei den Reisenden hervor, die dort waren. Eine ganze
72
Reihe von Zeichnungen und Notizen hat iiber Schuscha der Maler W.
Wereschtschagin hinterlassen. Er schrieb zum Beispiel: „Ihre Hauser
sind gerade, schon, hoch und m it zahlreichen wunderbaren Fenstem
geschmiickt. Die Stadt ist aus Stein erbaut, der aus den steilen Felsen
stammt, auf denen sie gelegen ist. Die StraBen sind uberall mit breiten
Platten befestigt, die Dacher sind aus Schindeln - wie die euro­
paischen".120 Die eigenwillige Planungsstruktur der Stadt mit dem
unregelmaBigen, komplexen und malerischen StraBennetz ist direkt
von der Natur und dem Relief dieses Ortes diktiert.
Die Trassierung der StraBen erfolgte nach einem Relief, das den
natiirlichen Abfluss des Regenwassers von den StraBen und Platzen
der Stadt gewahrleistete. Alle Bauten hatten ein nur Schuscha eigenes
architektonisches Aussehen. In Schuscha fand man viele Muster der
urspriinglichen Wohnarchitektur. So waren die Wohnhauser der
Bruder Mechmandarow und das Wohnhaus auf der StraBe von Fisuli
Einfamilienhauser des wohlhabendsten Teils der Bevolkerung. Bei
ihrer architektonischen Ausstattung wurden Loggien, Balkone und
riesige Fenster mit Vitrage - ,,Schebeke“ - eingesetzt. Besondere
Aufmerksamkeit gait in diesen Einfamilienhausern der Gestaltung des
Interieurs. Die Verwendung von Wandmalereien, farbiger Vitrage und
Teppichen gaben dem Ort ein prunkvolles und lebensfrohes Aussehen
und schufen die besondere Atmosphare eines W ohnhauses des Ostens,
wie W. Wereschtschagin geistreich bemerkt.
Die Badehauser, die es in der Regel in alien wichtigen Ortschaften
gab, waren Gebaude, die in einige untereinander verbundene einzelne
Gebaudeteile (Abteilungen fur Auskleiden, Waschen u.a.) unterteilt
waren, in der Regel durch Kuppeln iiberdacht. In Orten mit sehr
heiBem Klima wurden die Badegebaude zur Beibehaltung des
Temperaturregimes ohne zusatzlichen Energieverbrauch in die Erde
versenkt und erschienen dem europaischen Betrachter von auBen
auBerst extravagant, sogar phantastisch, als Kuppeln, die direkt auf der
Erde standen.
l20Wereschtschagin, Wassilij W assiljewitsch (1842-1904) - russischer Schlachtenmaler, den ,,Peredwischniki“ nahestehend. In den Kriegsbildern des vielgereisten Kunstlers sind Kriegshandlungen im Kaukasus, auf dem Balkan, in
Zentralasien und im Vaterlandischen Krieg Russlands 1812 ausgedriickt.
Starb 1904 wahrend des Russisch-Japanischen Krieges bei der Explosion des
Panzerschiffs ,,Petropawlowsk“.
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Die Badehauser waren in Nord-Aserbaidschan wie auch im A lte n
Griechenland und im Alten Rom nicht nur ein Ort fiir die R ein ig u n g
des Korpers, sondem auch ein Ort der Erholung, des ungezw ungenen
Umgangs
mit
vertrauenswiirdigen
M enschen
und
neuen
Bekanntschaften zwischen ihnen. In vielen Fallen dienten die
Badehauser und ihre einzelnen Raum e auch als Orte fiir die
zeremonielle Waschung. Das alles erklart, weshalb die einzelnen
Auskleideraume vieler Badehauser in Hyxa, Schemacha, Baku u.a.
Stadten reich dekoriert waren, unter groBztigiger V erw endung
kunstvoller Eleganz.
Mit der Eroberung Kaukasisch-Albaniens im 7. Jahrhundert durch
die Araber und der Verbreitung des Islams zeigen sich neue Arten von
Gebauden: Moscheen, Medressen, Badehauser, iiberdachte M arkte,
Karawansereien u.a. Der Einfall der Truppen des Kalifats bereitete
dem geeinten Albanischen Staat ein Ende, aber M itte des 9. Jahr­
hunderts bildeten sich auf seinem Gebiet halbautonome Fiirstentumer,
die wahrend des ganzen M ittelalters eine eigenstandige albanische
Kultur bewahrten und entwickelten. Die Vorfahren der heutigen
Aserbaidschaner, die Albaner, hatten bereits im 4. Jh. das Schrifttum
und schufen eine Literatur. Das bei archaologischen Ausgrabungen
entdeckte Geschirr und Erzeugnisse aus Metall und Keramik zeugen
von der Bliite des Handwerks und des Kunstgewerbes. Am
deutlichsten von alien kulturellen Errungenschaften von KaukasischAIbanien sind, kraft eines relativ guten Erhaltungszustandes im
Vergleich zu anderen Kulturdenkmalem, die Denkmaler der
Architektur, die biirgerlichen und die sakralen Bauwerke. Es ist
allgemein bekannt, dass sich in diesen Denkmalern nicht nur die
materielle, sondem auch die geistliche Kunst des Volkes
widerspiegelt.
Die geographische Lage und die Naturschatze KaukasischAlbaniens haben auslandische Eroberer von jeher angezogen. Fiir den
Schutz der Grenzen des Staates wurden starke Verteidigungsbauwerke
errichtet, haufig in ganze Systeme verbunden. Das wichtigste war das
Transkaspische Festungssystem, das aus den Verteidigungsbauten von
Derbent, Giltschaj und Beschbarmak bestand, die in die Geschichte
eingingen, ebenso wie die kaspischen oder albanischen Tore, die Tore
von Tschora. Die Ruinen zahlreicher Festungen und Zitadellen, die in
Nachitschewan, Kedabek, Sakatal und in anderen Teilen von Aser74
baidschan erhalten sind, zeugen von dem hohen Entwicklungsstand
der Baukunst.
Der am haufigsten vertretene und kiinstlerisch wertvollste Teil des
architektonischen Erbes von Kaukasisch-AIbanien ist die sakrale
Baukunst. In die sakralen Bauwerke flossen die besten Ideen fiir die
raumliche Komposition ein und die kiihnsten strukturellen Losungen
sowie das groBe handwerkliche Konnen der albanischen Baumeister.
Nach Zeugnissen historischer Quellen und archaologischen Ausgra­
bungen wurden in der Antike in Albanien Feuertempel und der Mitra
und der Mondgottin Selene geweihte Tempel gebaut. Uberreste von
heidnischen Sakralbauten wurden bei archaologischen Ausgrabungen
in einer kleinen Stadt bei Mingjatschewir, im Ort Bojuk-Emili des
Gabalinskij Rayons und anderen Orten entdeckt. Von besonderem
Interesse sind die bei Ausgrabungen in der ersten Hauptstadt
Albaniens, Kabala, gefundenen offentlichen und sakralen Bauwerke,
die das gesellschaftliche Zentrum der Stadt bildeten. Ab dem 4.
Jahrhundert nach der Annahme des Christentums als Staatsreligion
begann die Errichtung von Kirchen und danach von Klosterkomplexen, zu denen neben sakralen Bauwerken auch gesellschaft­
liche Bauwerke und W ohngebaude gehorten.
Die groBten Denkmaler des 4. -7. Jahrhunderts sind die Kumsker
Basilika (5. Jh.) und die Basilika von Agoglantschaj (6. Jh.), die
Rundkirchen in Lekit (5. Jh.) und Mamruk (4.-5. Jahrhundert), der
Klosterkomplex Eddikilse (6.-7. Jh.) und andere. Ein besonderes
historisches Kleinod ist die Kirche im Ort Kisch, Schekinskij Rayon,
die im 5. Jahrhundert an dem Ort erbaut wurde, wo der Apostel Elisa
die Grundlage fur die alteste Kirche nicht nur Kaukasisch-Albaniens,
sondern auch des gesamten Kaukasus legte. Das 4.-7. Jahrhundert ist
gekennzeichnet durch das Aufkommen und die Bildung der
Grundtypen der christlichen Architektur. In der Anfangsperiode sind
Kirchen
und dreischiffige
Basiliken121,
in der gesamten
vorderasiatischen
Region weit verbreitet.
Daneben werden
Rundkirchen errichtet - eine fiir die albanische Baukunst spezifische
Komposition, die schon in der Antike (Kirche in der Ortschaft BojukEmili) entstanden war. Im Entwicklungsprozess der albanischen
121Das S ch iff ist ein langlicher Raum im Inneren eines Kirchengebaudes
(gewohnlich einer Basilika), begrenzt von einer oder beiden Seiten.
75
122
Rundkirchen entstand der Tetrakoncha-Typ
mit Rundgang (L ekit),
den sich in der Folgezeit in der Architektur die benachbarten
christlichen Volker aneigneten. Im 4.-7. Jahrhundert erlebt die
albanische Architektur eine Blutezeit. In dieser Zeit wird der G rund
gelegt, auf dem die weitere Entwicklung basiert. Nach A nschluss
Kaukasisch-Albaniens an das Arabische Kalifat begann der Prozess
der schrittweisen Islamisierung seiner Bevolkerung. In einem Teil
seines Gebietes jedoch, insbesondere in den Bergregionen, blieb das
Christentum noch lange die vorherrschende Religion, was zahlreiche
Denkmaler in Karabach, Scheki, Kadabek, Kasach und anderen Orten
belegen.
Die christliche und die islamische Baukunst glichen sich in dieser
Zeit der engen gegenseitigen Beeinflussung einander an, was nicht nur
durch die jahrhundertelange gemeinsame architektonische Bautradition bedingt war, sondern auch durch die erhalten gebliebene
ethnische, wirtschaftliche und politische Gemeinsamkeit. Und aus
dieser Entwicklungsphase der aserbaidschanischen Architektur sind
nicht nur einzelne Gebaudetypen der vorislamischen Periode erhalten.
sondern auch viele Methoden der Bautechnik.
Im 11.-13. Jahrhundert war die groBte Bliite der Kultur und Kunst
der Staaten im Gebiet von Nord-Aserbaidschan zu verzeichnen. Die
hiesigen Stadte, die sich an den wichtigsten intemationalen
Karawanen-HandelsstraBen in der Region befinden, waren weit iiber
die Grenzen ihres Landes hinaus beruhmt. A uf den lebhaften
KarawanenstraBen Derbent-Schaberan-Schemacha-Gjandscha (Ganca)
und Baku-Schamchor-Tiflis-Ani-Trapesund und anderen wurden
Gjandscher Seide, Brokat- und Wollstoffe aus Tabris, kunstvoll
gepragte Metall- und Kunstschmiedeerzeugnisse Nachitschewaner
Meister, Glas- und SteingutgefaBe aus Gjandscha, Schaberan und
Bajlakan tran sp o rter!
Bemerkenswert ist, dass es im M ittelalter in Nord-Aserbaidschan
mehrere Architekturschulen gab. Die friiheste Arranische Architekturl22Tetrakoncha ist in der friihchristlichen und mittelalterlichen Baukunst der Tvp
einer Zentralkirche mit 4-blattrigem Grundriss: an den quadratischen
Innenraum schliefien sich 4 Apsiden an. Bei diesen handelt es sich urn einen
Gebaudevorsprung mit halbrundem, polygonalem oder rechtwinkligem
Grundriss, von einer Halbkuppel bedeckt oder mit einem Halbgewolbe abgeschlossen. In christlichen Kirchen erfullt die Apsis die Rolle eines Altarvorsprungs.
76
schule entwickelte sich in den Stadten Barda, Schamchor, Bajlakan
und Gjandscha. Im 10. und 11. Jahrhundert wird die sogenannte Schirwano-Apscheronskaja Architekturschule gegriindet; im 12. Jahr­
hundert breitet sich das schopferische architektonische Potential der
Einwohner Aserbaidschans in den Siiden aus, und ab dem 14.
Jahrhundert steht an erster Stelle die Schule von Tabris. Die
mittelalterlichen Bauwerke von Aserbaidschan bekamen groBe Anerkennung von Spezialisten und Beriihmtheit unter den Liebhabem
monumentaler Kunst. Sie wurden zur Arbeit in die Staaten
Zentralasiens und des Nahen Ostens herangezogen.123
Im Zusammenhang mit dem allgemeinen Umfang der Staatlichkeit, Okonomie und Kultur von Aserbaidschan ab dem 11.
Jahrhundert beginnt in den erstarkenden albanischen Fiirstentumern
ein neuer Aufschwung der Architektur, der seinen Hohepunkt vom 12.
bis 13. Jahrhundert erreicht. Ein besonders groBes AusmaB und hohes
Niveau des handwerklichen Konnens erreicht die Architektur des
albanischen Furstentums Chatschen. In dieser Periode wurden auch so
beriihmte Klosteranlagen wie Chotawank (Kelbadschar Rayon),
Gandsasar, Gjutawank und Chatrawank (Karabach), Chamschiwank
(Kedabekskij Rayon), Kysylbank (Nachitschiwan) und andere erbaut.
Die albanische sakrale und weltliche Architektur entwickelte sich vor
dem 17. Jahrhundert. Diese Errungenschaften von KaukasischAIbanien sind unverzichtbarer Teil des architektonischen Erbes von
Aserbaidschan.
Die Geschichte Aserbaidschans im 17.-18. Jahrhundert ist charaktcrisiert durch bewaffnete ZusammenstoBe des Safawiden-Staates und
des Osmanischen Reiches. Auch die inneren Unruhen der ortlichen
Staatsgebilde wirkten sich negativ au f die Entwicklung der materiellen
und geistlichen Kultur der Region aus. Die Geschichte dieser Periode
ist auch gekennzeichnet von der Forcierung der gegenseitigen
Beziehungen zwischen Nord-Aserbaidschan und dem Russischen
Reich.
Die Entstehung und Entwicklung der kleinen aserbaidschanischen
Khanat-Staaten trug bei zur Entstehung neuer Stadte, Festungen und
Siedlungen und zur Starkung der bereits bestehenden. Mit diesen
Prozessen stehen das Handwerk und Kunsthandwerk, die Inten123Vgl.: Gijasi Dsch.: W daljokich i bliskich krajach (In fernen und nahen Gebieten) Baku 1985 (in aserb. Spr.).
77
sivierung des intemen und des intemationalen Handels sow ie des
Transithandels iiber die Khanate in Verbindung. In der zweiten H alfte
des 18. Jahrhunderts stellten die haufigen Einfalle der Eroberer, die
Rivalitaten der Khane und die oppositionellen Bewegungen einiger
Meliks die Baumeister vor die Aufgabe der Befestigung der Stadte,
Festungen und Ortschaften. So wurden Panahabad (Schuscha) und
Scheki (Nucha) befestigt, erscheinen groBe Anlagen in Schem acha
(dort lebten bereits in der ersten Halfte des 17. Jahrhunderts bis zu
50.000 Menschen), Baku, Gjandscha, Nachitschewan, Kuba. Es
wurden Verteidigungsanlagen gebaut: die Festungen von Schuscha
und Scheki, die Verteidigungsturme der Sakatalsko-Belokanskaja
Zone, die Khanzitadelle in Fit-Dag und die Festung Askeran. Die
Wohnhauser der Sakatalsko-Belokanskaja Zone waren in der Regel
voneinander entfemt, da sie in der Nahe der Verteidigungsturm e
gebaut wurden, die nicht nebeneinander standen.
Begeistert vom damaligen Gjandscha, schrieb der franzosische
Abbe Philippe Aurel, dass die Kysylbaschen ftir diese Provinz nur den
Namen „Blumenbeet des Imperiums“ hatten. Die Basare und Markte,
die in der Stadtmitte liegen, hielt Aurelius fur die schonsten und
herrlichsten von alien, die er im Osten gesehen hatte. Das Zentrum des
architektonischen Komplexes der Vorstadt von Gjandscha war die
beriihmte Dschuma-Moschee. Die kennzeichnendsten Wohngebaude
von Gjandscha jener Zeit waren die Kuppelhauser, in denen der
Ausschmiickung des Interieurs, insbesondere den dekorativen
Wandmalereien, den Kuppeldachern und den Friesgurteln groBe
Aufmerksamkeit gewidmet wurde. Eine bedeutende Anlage des 18.
Jahrhunderts war auch der Palast der Khane von Baku, der sich durch
die Originalitat der planerischen und architektonischen Losungen
auszeichnete.
Von architektonischem Interesse sind die kleinen achtflachigen
Mausoleen in Schemacha auf dem Friedhof von Eddigjumbes
(Mausoleum von Gadschi-Khan), in Agdam das Mausoleum PanahKhans, das Mausoleum auf dem Friedhof von Kara-Agatsch u.a. Eines
der bedeutendsten Baudenkmaler des 18. Jahrhunderts ist das
Mausoleum Imamsade auf dem Friedhof von Nachitschewan. Im 18.
Jahrhundert spielte im Leben der Region die Herstellung von Seiden-.
Baumwoll- und Wollstoffen eine wichtige Rolle. Allein in Schemacha
wurden beispielsweise rund 1500 Websffihle betrieben. Das Sortiment
78
der Seidenstoffe von Schemacha war recht umfangreich. Nach
literarischen Dokumenten vom Anfang des 19. Jahrhunderts zu
urteilen, wurden hier einige Sorten Seidenstoffe, wie Darai, Taft
(fester, glanzender Seidenstoff mit Leinwandbindung mit feinen
Querrippen), Kamcha, die sich in der Herstellungs- und
Farbungstechnik voneinander unterschieden, hergestellt. Die hohe
Qualitat erlaubte ihre Ausfuhr in den Nahen und M ittleren Osten, nach
Kleinasien und nach Russland. Uber die Qualitat der Baumwollstoffe
jener Zeit kann man nach dem Hemd des Muhammed-Bey
Dschawanschira, des Herrschers von Karabach urteilen, das im
Staatlichen Museum der Aserbaidschanischen Literatur namens
Nisami aufbewahrt wird. Zu den herausragenden Mustern des
Kunsthandwerks gehort auch die in Tambumaht 124 ausgefuhrte Miitze
des Khans von Karabach.125
Fur ihre Teppicherzeugnisse sowohl fur den inlandischen Bedarf
als auch ftir den Export waren im 18. Jahrhundert viele Regionen und
Stadte Nord-Aserbaidschans beriihmt: Karabach, Kuba, Kasach,
Ardabil, Baku, Schemacha, Gjandscha u.a. Zu den besten erhaltenen
Mustern gehoren kardierte Teppiche aus den Dorfern Surachan und
Chila (Bakinskij Rayon), ein kardierter Teppich aus Kasach und
besonders interessant nach seinem Sujet ein unkardierter Teppich aus
Berg-Karabach. In vielen Museen der Welt (St. Petersburg, Bern,
Moskau u.a.), ebenso wie auch in den Museen von Baku werden
Zeugnisse des hohen Niveaus der kiinstlerischen Verarbeitung von
Metall, insbesondere Buntmetall, in Nord-Aserbaidschan (in Schema­
cha, Gjandscha, Tabris, Karabach u.a.) aufbewahrt.
Eines der Zentren des Kunsthandwerks und des feinen Handworks
war das bei den Experten weithin bekannte Stadtchen Lagitsch.
Besonders beriihmt war es fur die ganz besondere Pragung von
Geschirr und Waffen. Erzeugnisse mit dieser Pragung waren nicht nur
im gesamten Transkaukasus, sondern auch in Siidrufiland sehr
begehrt. Und in architektonischer Hinsicht war Lagitsch vollig
einzigartig: das hohe W ohlstandsniveau, die komplette urspriingliche
l24Tambur - Art des Strickens oder Stickens in Schlingen.
l25Vgl.: Istorija iskusstwa narodow SSSR (Geschichte der Kiinste der UdSSR
Volker), Bd. 4, „Isobrasitelnoe iskusstwo“, Moskau 1976, S. 409.
79
Pflasterung von StraBen und Platzen trug zur besonderen S auberkeit
und Ordentlichkeit des Stadtchens b ei.126
Ist eine solche Bliite der Baukunst, des H andw erks und des
Kunstgewerbes moglich ohne das entsprechende W issen in den
verschiedensten Bereichen der m enschlichen Tatigkeit und des
technischen Konnens, die sich auf das entsprechende W issen stiitzen?
Die Frage ist rhetorisch. Nicht nur der aserbaidschanische D ichter
jener Zeit Molla W agif war ein ,,W issender“, sondem auch die
wissenschaftlich-technische, kiinstlerische Elite der dam aligen
Gemeinschaft und der qualifizierteste Teil der H andw erkerschaft
waren es.
l26Vgl.: A rif Mustafaew. Proiswodstwo ognestrelnogo oruschija w Aserbaidschane (Die Herstellung von Feuerwaffen in Aserbaidschan). In: IRS N:asledie, 1/2008, S. 36. Weiter in dieser Abhandlung benutzte Arbeiten: Musta­
faew Arif. Tradizionnoe kowrodelie w Karabache. (Traditionelle Teppichherstellung in Karabach) IRS. Nasledie. 2007. Karabach. Wremja sobirat kamni.
S.32-35; Gadschiewa Ulwija. Aserbaidschan - edinstwennyj nasledie etnokultumogo bogatstwa Karabacha (Aserbaidschan das einzige Erbe des ethnokulturellen Reichtums von Karabach, a.a.O., S. 36-39; Gadschiew Gasym.
Srednewekowye pamjatniki Karabacha - Denkmaler des Mittelalters in Kara­
bach, a.a.O., S. 40-41.
80
5. Zum Problem der Abstammung der Armenier und
ihrer territorialen Zerstreuung
„Nicht die Beschwertheit der Politiker mit
moralischen Eisenketten, sondem der Umstand, dass
ihre gesellschaftlichen Taten durch den Nutzen fiir
die Partei, den Staat und die Politik selbst bedingt
sind. Das sin d der Charakter und die Motivation
ihrer Tatigkeit. Ausnahmen sind selten. “
Michail Korol
In den vergangenen Jahrhunderten verbanden viele Armenier ihre
alte Geschichte mit Erzahlungen, die sich auf das Alte Testament
beziehen. Nach dieser Variante der Geschichte war das Land der
Armenier das Zentrum der antiken Welt, dem vier groBe Strome
(Euphrat, Tigris, Kura und Araxes) entsprangen. Nach der Sintflut, die
in der Bibel beschrieben ist und vor der nach dem heiligen Buch der
Christen nur das Bergmassiv Ararat verschont blieb, wurde dieses
Land die zweite Wiege der Menschheit. Dieser bergige Ort wird in
den Keilschriften der Assyrer Land Urartu genannt. Nach der
,,biblischen“ Hypothese ist der Ahnherr der Armenier Gajk, der Sohn
des in der Bibel erwahnten Togarma, infolge dessen sie sich Gajkaner
(Haikaner) nennen, und Armenien auch Gajastan (A jastan).127
Uber die „Konigreiche Ararat“ heiBt es beim Propheten Jeremia:
„Richtet auf das Banner au f Erden, blast die Posaune unter den
Volkern! Heiligt die Volker zum Kam pf gegen die Stadt Babel! Ruft
wider sie die Konigreiche Ararat, Minni und Aschkenas! Sammelt
Kriegsleute gegen sie, bringet Rosse herauf, zahlreich wie Heuschrecken".128
Im zweiten Buch der Konige wird ebenfalls vom ,,Land“ Ararat
gesprochen: „Und als er anbetete im Haus seines Gottes Nisroch,
l27Altes Testament, Erstes Buch Mose. Genesis, Кар. 10, Vers 3. Hier wird
Togarma Fogarma genannt. In der deutschen Bibel: Die Bibel nach der
Ubersetzung Martin Luthers, Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart 1985, S.
11 heiBt er Togarma. In: Lexikon zur Bibel, herausgegeben von Fritz
Rienecker, R. Brockhaus Verlag 1992, S. 1404 heiBt er Thogarma. S. auch S.
107, dieser Ausgabe, Artikel „Ararat11
l2><Prophet Jeremia 51, 27. Aschkenasi ist auch heute ein bekannter Familienname in Georgien.
81
erschlugen ihn mit dem Schwert seine Sohne A dram m elech und
Sarezer und sie entkamen ins Land Ararat. Und sein Sohn A sarhaddon
wurde Konig an seiner statt.“ 129
Erwahnt wird Urartu, auch Land der Chaldaer, nach dem N am en
des Hauptgottes Chaldi. Die Bezeichnung Urartu oder A jrarat w ar
auch Herodot als Bezeichnung eines Volkes bekannt. Der Staat U rartu
fiel unter der Ankunft der Kimmerer, begleitet von der groBen
Volkerwanderung bis zum 7. Jahrhundert v. Chr. Danach zogen die
Kimmerer unter dem Ansturm der sie zuriickdrangenden Saken in den
Westen an das Ufer der Donau. Herodot halt die A rm enier fur
Umsiedler aus Phrygien.130 Und Ewdoks (408 - 355 v. Chr.) glaubte,
„die Armenier sind eine Sippe aus Phrygien und der Sprache nach
ihnen sehr ahnlich“ . Viele Gelehrte der Antike glaubten, dass die
Armenier von phrygischen Stammen abstammen, die in Thrakien
lebten.131 Die bei Strabon (Geographie, Buch 11., S. 503) erhaltene
Sage iiber die Abstammung der Arm enier aus der thessalischen Stadt
Armenion erklart sich damit, dass aus Thrakien ein Teil der Arm enier
nach Thessalien vertrieben wurden. Die Ansichten der klassischen
Autoren werden gestiitzt durch die Analyse der armenischen Sprache,
die im Grunde ihres Wesens nicht kaukasisch, sondem indoeuropaisch
ist.
Einer der Nachkommen des oben genannten Gajka war Aram, der
sein Land territorial stark erweiterte. Von Aram oder von Armenak,
dem Sohn Gajkas, leiten viele armenische Historiker die Bezeichnung
m 2. Chronik 19, 37 In den assyrischen Quellen findet sich der Name des Gottes
Nisroch nicht. Nach den assyrischen Quellen wurde jedoch der assyrische
Konig Sennachir tatsachlich von seinem Sohn 681 v. Chr. ermordet und nach
ihm regierte Assyrien tatsachlich ziemlich lange (681-669 v. Chr.) dessen
Sohn Assardan. „Land Ararat" wurde in der Antike der Staat Urartu genannt.
l30Phrygien, antikes Land im nordwestlichen Teil Kleinasiens. Im 10.-8.
Jahrhundert v. Chr. war es ein Konigreich mit der Hauptstadt Gordion.
131Thrakien, ein historisches Gebiet im Siiden der Balkanhalbinsel zwischen
dem A g a isc h e n , Schwarzen und Marmarameer. Bei jungsten Ausgrabungen
im siidostlichen Bulgarien fanden Archaologen in einem alten Grab in der
Nahe des Dorfes Dopolschana (290 km von Sofia), eine goldene Maske. die
vor 2400 Jahren hergestellt wurde, die als ein Indiz fur die Theorie der
,,thrakischen“ Abstammung der Vorfahren der Armenier gesehen werden
kann, nach dem Artikel: Frakija-Frigija-Blischnij Wostok (ThrakienPhrygien-Naher Osten). Vgl.: Wedomosti. Nedelja, 20.7.2007, S. 15.
82
132
Armenien ab,
obschon die Griechen und die Romer diesem Namen
entweder phrygische Abstam m ung zuschreiben oder ihn vom Namen
des Thessaliez Arminij, des Begleiters Jasons beim Feldzug der
Argonauten, ableiten.
Die Vorstellungen iiber die so alte und sogar von der Bibel
erwahnte Geschichte des armenischen Volkes konnen ihre Vertreter
natiirlich nicht gleichgiiltig lassen. Und einige von ihnen beginnen, ihr
Volk als besonders vornehmes, fiir hohe Ziele erwahltes Volk mit
besonderen Rechten zu sehen.
Einige armenische Historiker sprechen direkt von der Abstam­
mung der Armenier von den Urartem, um sich die Geschichte von
Urartu anzueignen, wie dies von anderen armenischen Historikern
auch in Bezug auf Kaukasisch-AIbanien getan wird. Jedoch neue
Daten iiber die Friihgeschichte von Urartu entziehen der These uber
die urartaische Abstammung der Armenier endgiiltig den Boden.
Der bekannte osterreichische Experte auf diesem Gebiet, E. Feigl,
kam nach dem Studium der Steinzeichnungen von Ostanatolien, die
vom 15. Jh. v. Chr. datieren, zu dem Schluss, dass sie ein Zeugnis der
alten Verbindung zwischen der Bevolkerung von Ostanatolien und
den Volkern von Innerasien darstellen.
Insbesondere bemerkenswert sind die Verbindungen zum
Altaigebiet, der Wiege der Turkvolker. „Es bestand eine starke
kulturelle Einheit in der Zone, die vom Kaukasus im Norden, dem
Urmia-See im Osten, Nordsyrien im Siiden und der Region um
Malatii-Elasig gesaumt wird“ . 133 Alle diese Kulturen hatten eine
gemeinsame hurritische Abstammung. Sie gehorten zur Kulturgruppe,
deren Sprache den Sprachen der Volker der ural-altaiischen
Sprachfamilie nahe steht. Linguisten vermuten, dass die Hurriter aus
Zentralasien kamen und die kulturell-zivilisatorischen Voraussetzungen schufen, auf Grundlage derer das Konigreich Urartu entstand.
Die Urartaer selbst zogen auch nach Anatolien aus Zentralasien. Die
urartische Sprache war weder semitischer noch indo-europaischer
Herkunft. Sie war eine asiatische Sprache, verwandt mit der hurritischen Sprache. Heute ist unter den Experten eindeutig bekannt, dass
l32Vgl.: Enziklopedija Granat i K., 1910, Bd. 3, S. 523.
1J3Vgl.: Mammadow I., Musaew T. Armjano-aserbaidschanskij konflikt. Istorija,
prawo, posrednitschestwo (Der armenisch-aserbaidschanische Konflikt. Ge­
schichte, Recht, Vermittlung). Tula, Verlag Grif i K. 2006, S. 10.
83
es keinerlei historische Verbindung zwischen der hurritischen o d er
urartischen und der indo-europaischen armenischen Sprache g a b .134
Die armenische Sprache gehort zum phrygisch-thrakischen Z w eig
der indoeuropaischen Sprachen. Die Hypothese ihrer Zugehorigkeit zu
den iranischen Sprachen kann nicht aufrechterhalten werden. D ie
Existenz persischer Wurzeln in der armenischen Sprache und die
Ahnlichkeit vieler Namen sind mit einfacher Entlehnung zu erklaren.
Die Verwandtschaft der armenischen Wurzeln mit griechischen,
slawischen und germanischen zeugt klar von ihrer gem einsam en
Abstammung. Namen wie Afsarjan -(pers. Afsar - Kranz, Krone).
Arschakjan - (pers. Arschak - Mann, mutig), Asarjan - (pers. A sar Feuer), Ajasjan - (pers. Ajas - Zephir, laues Luftchen), A sadjan (pers. Asad - edelmiitig, frei), Kagramanjan - (pers. Gachram an Bezwinger, Held), Kalantarjan - (pers. Galandar - heimatloser, sich
von der Welt befreit habender, reisender Derwisch), Chosrowjan (pers. Chosrow - gutes Geriicht), Schirinjan - (pers. Schirin - suB),
Babajan - (pers. Baba - Vater, Heiliger Vater), Babadschanjan (pers. Baba und Dschan - Seele, gnadig, Babachanjan - (Baba und
Khan - Herrscher), Bagraman (pers. Bachram - siegreich),
Bachadurjan - (pers. Bachadur - Held, Recke), Garibjan - (pers.
Garibe - nicht hiesieger), Dawljatjan - (pers. Dawljat - Gliick,
Reichtum), Dostjan - (pers. Dost, Dust - Freund), Nasarjan - (pers.
Nasar - Gnade), Tawekkjuljan - (pers. Tauakkal - auf Gott
vertrauend) u.a. sind hochstwahrscheinlich persischer Abstamm ung.1"'
134Vgl.: Feigl Erich. A Myth o f Terror, Armenian Extremism: Its Causes and Its
Historical Context. Salzburg - Freilassing: Edition Zeitgeschichte 1986. pp.
9-11, 28. Der Leser sei darauf hingewiesen, dass diese Untersuchung von
Feigl viele Jahre vor der Verscharfung des Konfliktes zwischen Armenien
und Aserbaidschan gemacht wurde. Uns ist ein Gedicht iiber den Jager Kessi
iiberliefert, das urspriinglich in der alten hurritischen Sprache niedergeschreiben ist. Sie wird im Archiv der Hettiterkonige in Chattusas-Bogaske
im Norden der Tiirkei aufbewahrt. Die weltweit bekannten russischen
Gelehrten I.M. Djakonow und S.A.Starostin haben nachgewiesen, dass die
hurritische Sprache mit den modemen nordostkaukasischen Sprachen
verwandt ist. Vgl.: Alise Mouton. Reves Hittites- Contribution a une histoire
et une anthropologie du reve en Anatolie ancienne.-Leiden: Brill, 2007. Der
Verfasser dieser Monographic, A. Mouton, lehrt hettitische Sprache an der
Universitat StraBburg.
l35Vgl.: Gukasjan W. Udino-aserbaidschansko-russkij slowar (Udinisch-aserbaidschanisch-russisches Worterbuch) Baku, 1974; Bojs М.: Soroastrism.
Werowanija i obytschai. (Zoroastrismus. Glaube und Brauche) Ubersetzung
84
Das Konigreich Urartu entstand im 9. Jahrhundert v. Chr. in den
Gebieten des siidlichen, ostlichen und nordlichen Ufers des Van-Sees,
die danach erweitert wurden. Anfang des 7. Jahrhunderts v. Chr.
zerfiel dieses Konigreich, und sein Land ging an den Staat Medien
und danach an den Achemenidischen Staat.
In der dreisprachigen (altpersisch, babylonisch und elamitisch)
Bechustinskij-Inschrift des altpersischen Konigs Darius I. (in den
Jahren 521 (Thronbesteigung) - 484 v. Chr.), des machtigsten
Herrschers des Staates der Achemeniden, wird fiir die Bezeichnung
des Kerns des Territoriums des Konigreichs Urartu die Bezeichnung
,,Uraschtu“ (eine Dialektform von Urartu) und ,,Armina“
verwendet.136 Die letztere Bezeichnung verbinden Experten mit dem
Land Arma, das sich siid-ostlich des Van-Sees befand, und von dieser
Bezeichnung kann die Bezeichnung „Armenien" ihren Anfang
nehmen. Darius I. zahlt Armenien in der Bechustinskij-Inschrift zu
einer seiner Satrapien.
So erhielten die Gebiete im Norden Mesopotamiens und siidlich
des Van-Sees die doppelte Bezeichnung ,,Armina-Armenien“. Und
,,Armina“ und ,,Armenien“ sind in den altgriechischen Quellen rein
geographische Begriffe, die zu jener Zeit keinerlei Verbindung zur
Ethnie der ,,Armenier“ hatten und die Gebiete bezeichneten, die sich
jenseits des Sudkaukasus befanden.137
aus dem Englischen, Moskau 1987; Nuriew Sadi, Gusejnow Rauf: О
familijach i imenach armjan (Uber die Nach- und Vornamen der Armenier)
In: IRS Nasledie, 2006, N6, S. 50-51.
l16Die Inschriften wurden vom Englander Henry Kreswik Rawlinson entziffert,
der 1837 genaue Kopien der Inschriften machte und sie im Jahre 1846 in
„Royal Asiatic Society" veroffentlichte. Der Inhalt der Inschriften ist eine
Beschreibung der Schwierigkeiten, die er bei seinem Herrschaftsantritt
uberwinden musste. Nach dem Brauch aller persischen Konige ab Kyros ist
diese Beschreibung in drei Sprachen erstellt: Persisch, Medisch und
Assyrisch. A uf den Inschriften befindet sich ein riesiges Basrelief, das Darius
auf dem Thron darstellt und vor ihm 9 Figuren von Gefangenen, verbunden
durch eine gemeinsame Kette, die um ihren Hals gelegt ist. Diese Gefangenen
symbolisieren Aufstandische, darunter auch armenische, die Darius schlug
und verurteiite. AuBer diesen Inschriften von Darius I. sind noch eine
pechlewische (altpersische) und eine griechische Inschrift bekannt, die auf
Erlass von Ardeschir, Babekan und anderen Konigen aus der Sassanidendynastie angefertigt wurden.
n7Vgl.: auch Columbia Encyclopedia. N ew York, Columbia University Press,
5th ed., 1993, p. 149
85
Hochstwahrscheinlich zogen die Armenier von dort aus iiber
Phrygien aus Siidosteuropa in den Staat Urartu. Die Selbstbezeichnung der Armenier ,,Hai“ geht zuriick auf einen ihrer gleichnam igen
mythischen Vorfahren, und die auch als Armenien bekannte R egion
ist nicht der Ort ihrer Abstammung. Forschungen von Feigl lassen den
Schluss zu, dass die Armenier aus den Balkan zogen und sich in
kleinen Grupen ostlich des Euphrat niederlieBen. Diese U m siedlung
fand erst im 6. Jahrhundert v. Chr. statt. Sie haben w eder eine
linguistische noch eine ethnische Verbindung zur hurritisch-urartischen Familie.
Andererseits geben die letzten archaologischen und historischen
Entdeckungen, die im Nordwesten der Tiirkei, im Sudkaukasus und in
Westsibirien gemacht wurden, eine Vielzahl von Argum enten zugunsten dessen, dass in prahistorischen Zeiten bereits eine V erbindung
zwischen Ostanatolien und den Kulturzentren der Steppen
Aserbaidschans und Sibiriens bestand, ebenso wie auch den Gebirgsregionen des Altai, der urspriinglichen Heimat der Turkvolker.
Heute ist weltweit bekannt, dass die albanische Ethnie m it ihrer
Sprache, ihrem physischen Typ und ihrer Religion, in der Periode des
138
friihen Mittelalters die endgiiltigen Ziige erworben hat.
Die Hai, wie
sich die Armenier selbst nennen, sind weder eine autochthone
Bevolkerung des Siidkaukasus noch Ostanatoliens, das von alters her
von Proto-Tiirken besiedelt ist.134
Die erste wirklich nationale Dynastie war die armenische Dynastie
der christlichen Arschakiden. Uber die armenischen Konige der
Periode der Arschakiden (nach den Tigraniden) und den K am pf um
den armenischen Thron berichtet S. Tacitus (um 55-120), der dem
romischen Heerfiihrer Worte in den Mund gelegt hat, die die
„Flexibilitat" der romischen Politik charakterisieren: „Jegliche fremde
Greueltat (gemeint ist die verbrecherische Besetzung des armenischen
Throns durch den iberischen Prinzen Radamist - J.R.) m uss mit
Freude aufgenommen werden; man m uss sogar die Samen des Hasses
streuen; wie oft die romischen Herrscher unter dem Mantelchen der
l3HVgl.: George de Melleville. Armjanskaja tragedija 1915 goda (Die
armenische Tragodie von 1915). Baku, Elm 1990, S. 15-16.
l34Vgl.: Justin MacCarthy, Caroline MacCarthy: Tjurki i armjane: Rukowodstwo po armjanskomu woprosu. (Tiirken und Armenier: eine Handleitung zur
armenischen Frage), Baku, Asemeschr 1996, S. 13.
86
Grofiziigigkeit irgend jem and dieses Armenien fur das Anzetteln von
Aufstanden unter den Barbaren iiberlieBen. Moge Radamist die
Fruchte seines verabscheuenswiirdigen und verachtenswerten Verbrechens emten, denn das wird uns bald mehr zugute kommen, als
wenn er die Macht mit Ruhm erreicht hatte.“ I40
Armenien in diesen Grenzen hat sich fast nie oder nur kurzzeitig
(einige Jahrzehnte lang) als ganzer Staat, unter einer einzigen
zentralen Regierung befunden. Gleichzeitig kann man relativ
iiberzeugt von einer Vielzahl kleiner Herrscherdynastien armenischer
Abstammung sprechen, deren Herrscher an der Spitze der kleinen
Staatsgebilde standen, die einige Zeit die praktische Unabhangigkeit
errungen hatten. Das sind beispielsweise die Bagratiden- (Bagratuni)141 Dynastie, die Isaw rier-Dynastie142, die Makedonische
Dynastie143, die Herrscher des Kilikischen Konigreichs; die
Sachariden-Dynastie (Dolgoruki) u.a.144
l4(lTas., Ann., XII, 48. Die echte Bezeichnung der „Annalen" ist „Ab excessu
divi Augusti“ („Geschichte nach dem Tod des gottlichen Augustus")
141 Die Bagratiden sind eine armenische Dynastie (886-1045). Bekannte
Vertreter: Aschot I., Sambat I., Aschot II., der Eiserne. Aschot III. der Giitige
und Gagik I. Nach armenischen Uberlieferungen nahm an der Belagerung
Jerusalems als Verbundeter Nowuchodonosors der armenische Konig Gajk II
teil. Unter den Gefangenen, die er mit sich wegfuhrte, war die Gelehrtenfamilie von Schambat, dessen Sohn Bogorat hiefi. Durch Intelligcnz und
Schlaue gelang es seinen Nachfahren, den Bagratiden, (im 9. Jahrhundert), die
hochste Macht auch in Georgien zu ergreifen, wo die Dynastie mit der Zeit
den Namen Bagrationy erhielt.
l4T)ie Isawrier-Dynastie (genauer die Syrische Dynastie), cine Dynastie
byzantinischer Kaiser (717-802). Der Begriinder dcr Dynastie ist der
Ubersiedler aus Syrien Leo III., den man falschlicherweise zur Sippe der
Isawrier im siidlichen Teil von Kleinasien zahlte.
l4’Die Makedonier-Dynastie, eine Dynastie byzantinischer Kaiser (867 - 1056).
Begrundet von Wassilij I. aus der Fema (militarischer Verwaltungsbezirk) in
Makedonien (daher auch der Name). Bekannte Vertreter sind Leo VI.,
Konstantin VII., Wassilij II.
l44A uf die Abstammung von Fiirst Dolgorukij gehen auch die Fiirsten
armenischer Abstammung Begtabegowy zuriick, die zuerst in der Stadt Ani
lebten und nach der Eroberung dieser Stadt durch die Perser nach Georgien
iibersiedelten, wo im 17. Jahrhundert Konig Teimuras 1. die Begtagegowye in
den Stand der Tawade (Fiirsten) erhob und dem Altesten von ihnen den
Erbtitel Lediwanbeg (kaiserlicher Berater) verlieh. Furst Solomon
Iwanowitsch Begtabegow starb im Range des Generalmajors der Russischen
Armee am 6. Mai 1860. A ls herausragender Artilleriekommandant tat er sich
wahrend des GroBen Kaukasuskrieges hervor. Davor hatte er gegen die
87
Um 189 v. Chr. beginnt die Bildung des unabhangig gew ordenen
Staates, der den Namen GroBarmenien erhalten und seine Bliite im 1.
Jahrhundert v. Chr. unter Konig Tigran II. erreicht hat. Sich von der
Provinz Aserbaidschan im Osten und Norden bis zum E uphrat im
Siiden erstreckend, hatte dieses GroBarmenien (Armenia m aior) eine
Flache von 220.000 Quadratkilometem und war in 150 Provinzen, 190
Kreise und 620 kleine Kreise unterteilt. Jedoch erobert bereits 66 v.
Chr. der romische Feldherr Gnei Pompei (106-48 v. Chr.) im V erlau f
des Krieges gegen Midridat VI. das armenische Konigreich und
entzieht ihm die Staatshoheit, die es iiber 30 Jahre lang hatte. Die
romische Herrschaft dauerte hier bis zum 4. Jahrhundert n. Chr. an.
Vom 1. Jahrhundert v. Chr. bis zum 4. Jahrhundert w urde das
Konigreich mehrfach zwischen Rom, dem Sassanidenreich und
Byzanz aufgeteilt. Unter Kaiser Justinian I. (483-565) w urde das
Territorium dieses nun schon Vasallen- Konigreichs au f 138.000
Quadratkilometer reduziert. Im Jahre 390 wurde das Konigreich
emeut zwischen Rom und dem Sassanidenreich aufgeteilt und faktisch
von ihnen und nicht von den armenischen Konigen regiert. Nach
vielen Jahrhunderten des Kampfes war dieses Puffer-Konigreich
zwischen den groBen Imperien schlieBlich zwischen Persien und
Byzanz aufgeteilt.
Unter Kleinarmenien (Armenia minor) verstand m an das
historische Gebiet am O berlauf des Euphrat. Kleinarmenien gehorte
zum Hetitischen Staat, danach zum Alten Persien, und von 302 bis
Ende des 2. Jahrhunderts v. Chr. war es ein halbautonomes armenisches Fiirstentum mit der Hauptstadt Ani-Kamach. Ab der byzantini­
schen Periode beginnt die intensive Zerstreuung der Armenier in die
ganze Welt. Einige Forscher halten die Bevolkerung Kleinarmeniens
fiir die Ahnherren der Armenier, was im Widerspruch sowohl zur
Hypothese Herodots als auch zu m odem en wissenschaftlichen Daten
steht. Nachdem das Territorium von Kleinarmenien anfanglich unter
der Herrschaft des Pontinischen Staates und danach des Romischen
Lesginer von Dschar und Belokan gekampft. Vgl.: Wasiljew M.P.: Wisantija i
araby. Polititscheskie otnoschenija za wremja Amorijskoj dinastii (Byzanz
und die Araber. Die politischen Beziehungen wahrend der Amorier-Dynastie.
St. Petersburg., 1900; Derselbe: Polititscheskie otnoschenija sa wremja
Makedonskoj dinastii (Die politischen Beziehungen wahrend der
Makedonier-Dynastie. St. Petersburg., 1902.
Reichs stand, wurde es Ende des 1. Jahrhunderts n. Chr. GroBarme­
nien angeschlossen.
Die Araber, die im 7. Jahrhundert einen groBen Teil der Gebiete, in
denen es auch eine armenische Bevolkerung gab, erobert hatten,
indem sie geschickt die Streitigkeiten der vielen feudalen Herrscher
armenischer Abstammung ausnutzten, vermochten sie in ihre
Machtstrukturen einzubinden.145 Dieser Umstand der relativen
Loyalitat der fuhrenden armenischen Kreise gegeniiber den arabischen
Herren machte sich einer der Bagratiden Aschot I. (885-890) fiir die
Schaffung eines Vasallen-Fiirstentums mit der Hauptstadt in der Stadt
Ani zu Nutze. Dieses Konigreich blieb bis zur Eroberung durch
Byzanz im Jahre 1045 bestehen.
Ab 1080 untemahm Bagratid Ruben Versuche der Schaffung eines
neuen, von Byzanz unabhangigen Armenier-Staates in Kilikien.
1198/99 festigte sich dieses neue Konigreich der Armenier unter
Lewon (1187-98) und blieb m it Unterstiitzung der Kreuzfahrer bis
1375 bestehen. Danach war es den agyptischen Mamelukken
unterstellt146 und wurde danach in das Osmanische Reich
eingegliedert. Hier wurde ab 1461 den Armeniern der Status einer
autonomen Gemeinde unter nationalreligiosen Vorzeichen gegeben
(Millet-i-sadiga).
Konkludierend kann festgestellt werden, dass armenische
Staatsgebilde im Altertum und im frtihen Mittelalter nicht auf dem
Territorium des Siidkaukasus bestanden, sondern im Gebiet des VanSees, im Territorium ostlich des Euphrats und spater an der nordostlichen Kiiste des Mittelmeers.
Die Schicksale der Arm enier im Siidkaukasus und den umliegenden Regionen im M ittelalter und vor der Etschmiadsinischen Periode
konnen am Beispiel der Geschichte der bereits genannten
Sacharidendynastie (der Dolgoruki) verfolgt werden. Zentrum des
gesellschaftlichen armenischen Lebens unter den Dolgoruki war Ani.
141In den armenischen Literaturdenkmalem des 5.-7. Jahrhunderts werden bis zu
50 Fiirstenterritorien gezahlt. Die armenischen Feudalherren wurden Nacharar
und Ter genannt, das alteste Mitglied einer Sippe wurde Nachapet und
Tanuter (d.h. Oberhaupt der Familie, der Sippe) genannt.
I4(Mameluk: hier Mitglied der vom 13. bis 16. Jahrhundert herrschenden
agyptischen Dynastie. Andere Bedeutungen sind Leibwachter eines ostlichen
Herrschers, Tagelohner eines islamischen Feldherm und zuweilen einfach
Knecht.
89
Die Seldschuken verkauften Ani an die Scheddadiden, die m it d e n
armenischen Bagratiden durch verwandtschaftliche Bande verbunden
waren (1072). Als ihre Gegner traten die georgischen Bagrationen auf,
die sich fiir die rechtmaBigen Erben der arm enischen B agratiden
hielten.
Nach wiederholten Versuchen, den M oslems Ani zu entreiBen,
erreichten die Georgier im Jahre 1174 ihr Ziel. Die Arm enier zeigten
ebenfalls eine deutliche Neigung zur Annahme der georgischen als wie sie annahmen - weniger harte Herrschaft, im Vergleich zur
musulmanischen. Die Vereinigung der christlichen Krafte diente auch
als Grundlage fur die erfolgreiche Vertreibung der M oslems aus Ani.
Die georgische Armee wurde von den arm enischen Fiirsten, den
Briidern Sacharija und Iwan Dolgoruki angefiihrt. In kurzer Zeit
eroberten sie alle Besitztiimer der armenischen Bagratiden von
Erzurum bis Sjunik (sudostlicher Teil des heutigen Armenien) zuriick.
Konigin Tomara unterstellte 1191 das eroberte Land der Herrschaft
der Bruder Dolgoruki, die alle Privilegien der praktischen Autonomie
genossen. Deshalb nannten sich Sacharija und seine Nachfolger selten
Konige von Armenien.
Konkurrenten von Dolgoruki waren lange Zeit die Fiirsten
Orbeljany. Zuerst waren sie im W ettstreit mit ihnen iiber die
Beherrschung der zuriickeroberten Gebiete, mussten diese jedoch,
nachdem sie das Vertrauen des georgischen Thrones verloren hatten,
ihren Konkurrenten iiberlassen. Um sich vor den Verfolgungen der
georgischen Bagratiden (Bagrationen)147 zu retten, floh Fiirst Elikum
Orbeljan ins persische Aserbaidschan und erhielt nach einiger Zeit
(um 1186) die Herrschaft in Sjunik.
Das Sjunik-Konigreich blieb bis 1166 bestehen, und die Orbeljans
erhielten einen Teil des Gebietes dieses Konigreichs in dessen
westlichem Teil. Aber nach und nach dehnten die Orbeljans ihren
Einfluss au f das gesamte Gebiet des friiheren Konigreichs aus.
Angrenzend an Sjunik befand sich das Fiirstentum Chatschen, und
diese beiden Staats- und Verwaltungsgebilde konnten den Einfall der
Mongolen iiberstehen.
Unter den Dolgorukis kam iiber den gesamten Sudkaukasus und
das persische Aserbaidschan eine schreckliche Not. Zuerst zog
Choresm-Schah Dschelalad-din der von Dschingis-Khan geschlagen
worden war, mit einem verheerenden Uberfall auf Nord- und SiidAserbaidschan nach Kleinasien, kehrte jedoch, nachdem er dort auf
heftigen Widerstand gestoBen war, zuriick und kam 1231 in den
Bergen Kurdistans um. Danach fiel das riesige Heer Dschingis-Khans
im siidlichen Transkaukasus und in Persien ein und bei der Teilung
des Imperiums der Khane gerieten Persien und dem Transkaukasus zu
Chulagu (G ulagu)148, dessen Nachkommen Ilchane genannt wurden.
Ihre Herrschaft endete im zweiten Viertel des 14. Jahrhunderts.
Unter der Mongolenherrschaft hatten die Fiirsten armenischer
Abstammung, ebenso wie alle Christen allgemein, beachtliche
Freiheit. M it dem Niedergang der Mongolen wurden auch die Fiirstendynastien armenischer Abstammung fast spurlos vom Orkan der
Invasion von Tamerlan zerstort. In Persien erstand die DschelairenDynastie (1336-1411), die sich fast den gesamten Transkaukasus
unterwarf. Aber 1378 wurden die Dschelairen von den Oghusenstammen der Qara Qoyunlu („Schwarze Hammel“ ) und der AqQoyunlu („WeiBe Hammel“) gestiirzt.
der armenischen Dynastie der Bagratiden (Bagrationen) wurden einige
ihrer Mitglieder imeretische, kartalische und kachetische Konige. Ein
imeretischer Konig, Michail (gest. 1329), dessen Nachfahren in Imeretien bis
zum Anschluss an Russland 1810 herrschten, gilt als Ahnherr der
imeretischen Konige sowie der Fiirsten Bagrationow-Imeretski und
Bagrationow-Dawydowy. Letztere wurden durch Erlass des russischen Zaren
vom 6. Dezember 1850 mit der Fiirstenwiirde ausgezeichnet. Die
Abstammung der meisten Fiirsten von Georgien geht gut aus dem siebten Teil
von „Obschij rossijskij gerbownik“ (Allgem eines russisches Wappenbuch)
hervor, das am 4. Oktober 1803 von Zar Alexander I. bestatigt wurde, worauf
ich auch den wissensdurstigen Leser verweise.
l4SDer persische Historiker Raschid-ad-din (1247-1318) schrieb die „Istorija
mongolow" (Geschichte der Mongolen) mit den Worten der Mongolen, die
mit Chulagu (Gulagu)-Khan 1235 nach Persien zogen. In diesem Werk wird
auch das Volk der „Ujschun (,,Ujsyn“) genannt: die Armee von Gulagu
(Gulagu) zog iiber das Semiretschje 1253-1254, als beim Fluss Tschu auf den
Bergen die Ujschunen lebten, von denen ein Teil mit Chulagu wegzog und
nach Nordpersien kam. Dies betrifft auch das Volk der ,,Dschalairen“. Die
Dschalairen-Dynastie regierte sogar einmal in Nordpersien und eine zeitlang
in Baghdad (um 1253 -1370). Vgl.: Muchamedschan Tynaschpiew. Materialy
к istorii kirgis-kasachskogo naroda (Materialien zur Geschichte des
kirgisisch-kasachischen Volkes). Taschkent 1925.
I47A u s
90
91
Tamerlan vertrieb den Aserbaidschaner K ara-Jusuf und d e n
Anfiihrer der Tiirken-Oghusen Qara-Qoyunlu aus dem Kaukasus, a b e r
nach dem Tod des ersteren (1405) nahm der zweite fast alle seine
friiheren Besitztiimer wieder ein. Die Tiirken-Oghusen des Schw arzen
Hammel herrschten bis 1469, als die M acht an den Stamm des W eiBen
Hammel iiberging. In der Schlacht bei Scharur (1502) schlug d er
Safawidische Schah Ismail die Tiirken-Oghusen und nahm ganz N ordAserbaidschan ein (vgl. die Studie iiber die Geschichte von
Aserbaidschan und Karabach).
Die Anspriiche des Osmanischen Reiches, des Safawiden-Staates
(Persiens), und danach auch des Russischen Imperiums flihrten zur
wiederholten Umverteilung der Gebiete, in denen auch eine
armenische Bevolkerung lebte.149 Seit 1763 strebte das Russische
Reich die intemationale Anerkennung seiner besonderen Rechte beim
Schutz der christlichen Arm enier an, wobei es offen die neuen Gebiete
auf Kosten seiner alten Gegner, des Osmanischen Reiches und des
Kadscharenstaates, anvisierte.
Ein gutes Beispiel ftir Fiirsten arm enischer Abstammung, die keine
eigenen Lander/Staaten hatten, sind die Fiirsten Bejbutowy.150 Ihre
Ahnentafel beginnt mit Aschchar-Bek, einem Armenier und Melik
von Tiflis (Statthalter) unter dem georgischen Konig Tejmuras II.
Aschchar-Bek w ar der Sohn von M elik-Aga, der bei der Taufe den
Namen Wassilij erhalten hatte. Letzterer begleitete den minderjahrigen Konigssohn Iraklij zum H o f des Kysylbasch-Schahs Nadir,
nahm am Feldzug nach Indien teil und erhielt fur Tapferkeit vom per­
sischen Schah den Diamantensabel und den Rang eines Min-Baschi.
(,,Oberst“) am Kysylbasch-Hof. W ahrend der Regierung von Iraklij
war Wassilij (M elik-Aga) Bejbutow tiflisser Melik und hinterlieB zwei
l4)Vgl.: zum Beispiel: E. Lehmann. Materialien zur alteren Geschichte
Armeniens und Messopotamiens. In: Abhandlungen der Koniglichen
Gesellschaft der Wissenschaften von Gottingen. Band 9, Berlin 1907; Adonz
W.: Armenija w epochu Justiniana; polititscheskoje sostojanie Armenii na
osnowe nachararskogo stroja (Armenien in der justinianischen Epoche; der
politische Zustand Armeniens auf der Grundlage der Gesellschaftsordnung
der Nachararen). St. Petersburg 1908; Gelzer F. Abriss der byzantinischen
Kaisergeschichte. Krumbacher, Miinchen 1987.
A uf einem intemationalen Kongress widersprach mir ein amerikanischer
Teilnehmer emsthaft dahingehend, dass nachdem im Kaukasus die
armenischen Dynastien und die armenischen Fiirsten waren, dort dann auch
armenische Staatsgebilde sein miissten.
92
Sohne: Iwan Wassiljewitsch und Iosif Wassiljewitsch. Ersterer war
Melik von Tiflis und M is-Karbasch am Hofe von Konig Iraklij; der
zweite, Iosif, erhielt nach dem Tod von Iwan auch den Titel
kaiserlicher Mis-Karbasch. Nach dem Anschluss von Georgien an
Russland erhielt er den Titel „Berater bei Hofe“ . Ftir den Sieg iiber die
unter Hussein-Kulikhan aus dem Khanat Eriwan nach Georgien
eingefallenen Truppen erhielt Bejbutow von Zar Alexander
Pawlowitsch den Rang des Obersten zuerkannt. Vier seiner Sohne
waren Militars, die hohe militarische Range und Wurden in der
russischen Armee innehatten. So wurde Fiirst Wassilij Beybutow von
A.P. Ermolow als begabter M ensch und Kenner der Gegend zum
Adjutanten berufen. Er begleitete Ermolow a u f vielen Feldztigen und
diplomatischen Missionen. Fur erfolgreiche militarische Tatigkeit bei
Achalkalaki und Achalzich in Dagestan gegen Imam Schamil u.a.
erhielt er viele militarische Auszeichnungen und administrative
Positionen. Besonders zeichnete er sich am 24. Juli 1854 aus, als er in
der Schlacht bei Kurjuk-Dara die 60.000-kopfige osmanische Armee
vemichtend schlug. Buybutow selbst hatte nur 18.000 Soldaten und 64
Geschtitze. Er hatte sich ein Jahr davor (1853) auch in der Schlacht
bei Bojandur (Gouvernem ent
Eriwan,
10 Kilometer von
Aleksandropol) hervorgetan, als er eine Abteilung des Fiirsten
Orbeliana vor den zahlenmaBig weit iiberlegenen osmanischen
Streitkraften rettete, und in der siegreichen Schlacht bei BaschKadyklar, Karrskaja Oblast am Fluss M awrjak-tschaj.151
Er regierte den Kaukasischen Kraj, wurde 1857 zum Infanteriegeneral befordert und 1858 zum Mitglied des russischen Staatsrates.
Wassilij Bejbutow regierte auch acht Jahre die Armenische Oblast als
Verwaltungseinheit des Russischen Imperiums, die voriibergehend auf
dem Gebiet der ehemaligen Khanate Eriwan und Nachitschewan
geschaffen worden w ar.152
151Vgl.: Bogdaniwitsch S.: Wostotschnaja woina 1853-1856 (Der Ostkrieg
1853-1856), St. Petersburg 1872,T. 1, S. 67, 122.
l52Ein anderes Beispiel eines ahnlichen Geschlechts ist das alte Geschlecht der
Lasarjanen, Umsiedler aus Isfahan. Der bekannteste von ihnen war Owanes
Lasarjan, der in Russland Iwan Lasarew wurde und 1774 der Titel Graf
verliehen bekam. Auch als hervorragender Diplomat erfullte er auf Befehl der
russischen Regierung sehr diffizile Aktionen, die an Spionage grenzten. Ein
gutes Andenken verschaffte er sich damit, dass er den Bau des Instituts fur
ostliche Sprachen finanzierte, das bis heute in Moskau existiert... Vgl.: AiF
93
Der russische VorstoB in den Siidkaukasus im Laufe der drei
Jahrzehnte des Krieges gegen das Osmanische Reich und den
Kadscharenstaat erfolgte durch die Annexion der K hanate des
ostlichen Transkaukasus Larabal und Lori (Vertrag von Giilistan von
1813)153, der westlichen transkaukasischen Khanate Eriw an und
Nachitschewan (Vertrag von Turkmantschai von 1828), sowie der
Paschaliken Achalkalaki und Achalzich (Vertrag von Andrianapolis
von 1829 ) und anderer Gebiete.
A uf der Grundlage von Zusatzen zu den genannten Vertragen in
den Jahren 1828-29 wurden allein in die oben genannten
zuriickeroberten Territorien 130.000 Armenier umgesiedelt. Wenn
1827 im ehemaligen Khanat Eriwan 20.000 Armenier lebten, so waren
es Ende des 19. Jahrhunderts mindestens 700.000. Im gesamten
Siidkaukasus wurden 1897 nach dem Glaubensbekenntnis 1218081
Armenier gezahlt und 1173096 nach der Sprache. Bei diesen 44985
„christlichen Armeniern", die der armenischen Sprache nicht machtig
waren, handelte es sich um kaukasische Albaner, die statistisch als
Armenier galten. Im Schuschenskij Okrug im Gouvemement
Elisawetpol machten die Christen 1897 53% der Bevolkerung aus.
Wie viele davon ,,Armenier“ waren, die der armenischen Sprache
nicht machtig waren, ist in der Statistik nicht ausgedriickt.154
(Argumenty i fakty), N 1, 2008. A uf der Ausstellung „Islamische Handschrift
aus Moskauer Sammlungen“, die 2004 im Staatlichen Historischen Museum
(Moskau) stattfand, wurde auch das Werk des Theologen, Philosophen Sufi
Abu Chamid al-Gasal „Die Renaissance der Wissenschaften iiber den
Glauben" ausgestellt. Das letzte Datum, das diese Handschrift begleitet, ist
der 25. Marz 1939 mit dem Vermerk: „Dem Raum fur Ostwissenschafien der
Staatlichen Historischen Bibliothek als Geschenk von der Bibliothek des
Instituts des Ostens namens Narimanow am Eroffnungstag des Raumes."
Vgl.: Nesawisimaja gaseta, 1.9.2004, S .8.
Der Vertrag, der Aserbaidschan in zwei Teile teilte, in Nord- und
Siidaserbaidschan, wurde am 12. Oktober 1813 unterzeichnet. Der Staat
anerkannte und bestatigte die Sicherung der gesamten Khanate Karabach
(Garabach), Gjandscha, Scheki, Schemacha, Derbent, Guba und Baku und
Ostgeorgiens, sow ie eines Teils des Khanats Lenkoran fiir das Russische
Reich. Die Fragen iiber den Status des Khanates Lenkoran wurden zum Grund
fur die Auseinandersetzung zwischen dem Russischen Reich und dem
Kadscharenstaat. Vgl.: Mamedowa I.M. О pritschinach posdnej ratifikazii
Gjuljustanskogo dogowora (Uber die Griinde der spaten Ratifizierung des
Vertrags von Giilistan.) In: Woprosy istorii, 2008, № 4, S. 155-158.
134Vgl.: Ewfron und Brockhaus , Bd. 1, S. 597, Anmerkung.
94
Im Jahre 1828 wurden durch ein Dekret des Zaren Nikolai I. die
aserbaidschanischen Khanate Eriwan und Nachitschewan aufgelost
und durch ein anderes Dekret des Zaren ein bis dahin nicht
existierendes politisches Gebilde „Armjanskaja oblast“ (Armenisches
Gebiet) aus den aserbaidschanischen Bezirken (Ujesdi) Eriwan und
Nachitschewan um den Kreis (okrug) Ordubad geschaffen. 1840
wurde die Armjanskaja oblast aufgelost. Stattdessen wurden Gouvernements eingerichtet: Eriwan, Nachitschewan und der Kreis Ordubad.
AbschlieBend kann festgestellt werden, dass wahrend sich die
Anzahl der Aserbaidschaner im Gouvemement Eriwan von 1829 bis
1916 um das 4,5-fache erhoht hat, die Zahl der Armenier in der
gleichen Periode um das 8-fache gestiegen ist. Und infolge dessen
verlief die VergroBerung der Bevolkerungsdichte der Armenier auf
Kosten der Verringerung der Bevolkerungsdichte der Aser­
baidschaner. A. Ionisjan schreibt, „ein Viertel der Bevolkerung der
Stadt Eriwan wurde von den Armeniern gestellt, und die Aser­
baidschaner machten die M ehrheit aus“.i55
Die iibergesiedelten Arm enier nahmen nicht nur Land in
Anspruch,
sondern
erreichten
1836
in
Verfolgung
ihrer
weitreichenden Ziele die Auflosung der Albanischen Apostolischen
Autokephalen Kirche, die in Berg-Karabach aktiv war, und des
albanischen christlichen Patriarchats sowie die Riickfdhrung der
Albanischen Kirche in das Bistum der Armenischen Kirche mit
Ubertragung des gesamten Vermogens (Unterstreichung von mir - R.
J.).i56 durch die russischen Behorden.
Spater vernichtete die Armenisch-Gregorianische Kirche mit
Zustimmung des Russischen Synods in einigen alten Archiven auch
das Archiv der Albanischen Kirche, wobei sie sorgfaltig Muster der
albanischen Literatur vertuschte. Die gleiche Arbeit verrichtete die
armenische Geistlichkeit mit den albanischen sakralen christlichen
Denkmalern. Im Unterschied zum echten Volkermord wurden hier
zielgerichtet nicht die M enschen selbst, sondem ihr historisches
l55Abgar Ionisjan. Armjano-russkie otnoschenija w ХУШ stoletii (Die
armenisch-russischen Beziehungen im 18. Jahrhundert), Band 2, Teil 1.
Eriwan 1964, S. 23.
'%Vgl.: die ausffihrlichere Darlegung „Armjanskaja zerkow i zerkow
kawkasskoj Albanii (D ie Armenische Kirche und die Kirche KaukasischAlbaniens)“.
95
Gedachtnis, ihre geistliche Kultur und ihre m ateriellen Schatze e in e s
aufgrund seiner Einzigartigkeit einm aligen V olkes und d e sse n
Literatursprache vemichtet.
Ohne Staatlichkeit und kirchliche A utonom ie w urden die w estlichen Gebiete des ehemaligen Albaniens in der Region K arabach
vom 9. bis Anfang 20. Jahrhundert w eiterhin m it arm enischer
Bevolkerung besiedelt, wobei sich zunehm end der Prozess der
Gregorianisierung und Arm enisierung der ortlichen albanischen
Bevolkerung verstarkte. Nichtsdestotrotz konnte ein Teil der A lbaner
seine Identitat bewahren. Das sind die Udiner, die bis heute im
Ogusskij Rayon und im Gabalinskij Rayon von A serbaidschan
leben.157
Nach dem Erfolg Russlands im Russisch-Tiirkischen K rieg von
1877-1878 entstand gleichzeitig in Russland und im O sm anischen
Reich eine armenische Nationalbewegung und auf intem ationaler
Ebene die „armenische Frage".158 Die Einnahme der Stadte Kars,
Ardagan, Batumi, Erzurum, Bajased und Alaschkert durch russische
Truppen gab den Arm eniem die Hoffnung au f die Vereinigung mit
den ostanatolischen Arm eniem der fmheren Gebiete der Tiirkei und
den siidkaukasischen Arm eniem in Russland. Paragraph 16 des
Vertrages von San Stefano (1877) sah russische Sicherheitsgarantien
fiir die Armenier der ostlichen Provinzen des Osmanischen Reiches
vor.
Die russische Politik war von Peter dem GroBen bis zu Beginn des
20. Jahrhunderts relativ widerspruchlich. Die Handels- und Wirtschaftsbeziehungen und die Finanzbeziehungen zwischen Russland
und den armenischen Geschaftsleuten waren bereits unter Zar Alexej
Michajlowitsch recht beachtlich, und unter Peter I. hatten sie den
Charakter politischer Beziehungen erlangt. Unter ihm beginnt die
geplante Besiedelung von Teilen der Kuste des Kaspischen Meeres
mit Armeniem. Unter Katharina II. begannen nach dem Vertrag von
Kutschuk-Kajnardschij die Arm enier in Massen aus dem
157Vgl.: Mamedowa, F.: Polititscheskaja istorija i istorija geografija Kawkasskoj
Albanii (Politische Geschichte und historische Geographie KaukasischAlbaniens..., S. 238-239; Mamedowa Farida. Istina о Karabachskoj Probleme.
(Die Wahrheit uber das Karabach-Problem), S. 29 .
Naheres dazu Vgl.: Aufsatz „Kurzer Uberblick iiber die armenisch-tiirkischen
Beziehungen im 19.-20. Jahrhundert im Licht der Weltpolitik jener Zeit und
der territorialen Ansprilche der Armenier".
96
Osmanischen Reich au f die Krim zu emigrieren und dort zunachst
Landwirtschaft zu treiben. Zar Paul I. gab seinen armenischen
Untertanen mit Urkunde von 1799 einige Privilegien und Rechte, die
von Alexander I. im Jahre 1812 bestatigt wurden. Wahrend der Kriege
Russlands mit dem Kadscharenstaat (Persien) im ersten Drittel des 20.
Jahrhunderts erwiesen unter Leitung von Erzbischof Nerses (spater
Katholikos Nerses V.) die Arm enier Russland groBe Dienste. Dazu
wurden besondere Reserven zusammengestellt, die in den ersten
Reihen der Russen kampften. Nach dem Vertrag von Turkmantschai
von 1828 wurden 40.000 Arm enier allein aus dem Kadscharenstaat
(Persien) nach Russland umgesiedelt. Gleiches geschah auch nach
dem Frieden von Andrianopol m it dem Osmanischen Reich (1829),
als 90.000 „osmanische" Arm enier nach Russland emigrierten.
Und bis zum Krieg zwischen Russland und dem Osmanischen
Reich von 1877-1878 hatten die Armenier die Unterstutzung der
russischen Regierung. Jedoch blieb in diesem Krieg die gewiinschte
Einwirkung der „russischen" Armenier au f die „osmanischen"
Armenier und die erwartete antiosmanische Aktivitat der letzteren aus.
Um 1882 begann die Russifizierung der armenischen Bevolkerung des
Russischen Imperiums. Die RussifizierungsmaBnahmen waren recht
streng und wurden von den Armeniem auBerst feindselig
aufgenommen. 1885 schloss der Oberbefehlshaber im Sudkaukasus
Dondukow-Korsakow
rund
500
Schulen
von
armenischen
Kirchengemeinden, in seinen Augen „Herde der nationalen
Erziehung". Eine neue Welle von SchlieBungen armenischer Schulen
folgte im Januar 1896. Als Anlass bezichtigte man die Armenier der
Schaffung
revolutionarer
Organisationen,
separatistischer
Bestrebungen und des „aktiven" Mitgefuhls fur die Armenier im
Osmanischen Reich, die dort einer zunehmenden Unterdriickung
unterworfen waren. Der Teil des kirchlichen Vermogens, der fur die
Unterhaltung der Gemeindeschulen vorgesehen war, fiel an den Staat.
Die Armenier wurden aus leitenden Positionen entfernt, ihre sozialen
und Bildungseinrichtungen wurden geschlossen, fast die gesamte
armenische Presse war verboten. Und 1903 kam eine Verordnung
heraus, nach der das gesamte Vermogen der Armenischen Kirche an
den Staat fallen sollte (die Verordnung wurde am 1. August 1905
aufgehoben). Die Arm enier antworteten mit stiirmischen Protesten,
die angefuhrt wurden von der Partei Daschnakzutjun, die ihre
97
Aktivitat aus dem Osmanischen Reich nach Russland verlegte. D ie
Proteste nahmen sowohl passive (Boykott) als auch aktive Form en an,
bis hin zum Terror und hatten ein solches AusmaB, dass die Regierung
des Zaren beschloss zu ihrer Neutralisierung auch die Feindseligkeit
der moslemischen Bevolkerung gegeniiber den arm enischen Christen
zu nutzen.
A uf dem intemationalen Berliner Kongress (1878) wurde die
Verordnung des Vertrages von San Stefano (1877), hauptsachlich
unter dem Druck Englands, faktisch aufgehoben: Die europaischen
Machte befiirchteten ein ubermaBiges Erstarken Russlands in dieser
Region. Der nachfolgende Abzug der russischen Truppen aus den
bereits eroberten osmanischen Territorien brachte nicht nur einen
neuen Strom armenischer Um siedler im Transkaukasus hervor,
sondern fiihrte auch zur betrachtlichen Radikalisierung der politischen
Bewegung der enttauschten Armenier. Eine Folge dieser Radikali­
sierung der politischen Stimmung der Arm enier im Osmanischen
Reich war die Griindung der Foderation Armenischer Revolutionare
(Daschnakzutjun) im auslandischen Feindesland des letzten Krieges,
dem Osmanischen Reich, im Russischen Imperium. Sie wurde 1890 in
Tiflis gegriindet mit dem offiziellen Ziel der Selbstverteidigung und
Emanzipation der Armenier.
Viele Jahre intemationaler Forderungen nach Reform der Lage der
armenischen Bevolkerung des Osmanischen Reiches und der
Zuerkennung der administrativ-kulturellen Autonomie fmchteten
langsam und unbefriedigend und waren von der weiteren Radikali­
sierung der politischen Organisationen der Armenier begleitet. Die
erneute blutige Niederschlagung der gesteigerten politischen Aktivitat
der Armenier fiihrte zu zahlreichen Opfem beim armenischen Volk in
den Jahren 1894-1896 und zur Massendeportation von Armeniem
wahrend des Ersten Weltkrieges.
Die diplomatischen Schritte der europaischen Machte zum Schutz
der Interessen der Armenier des Osmanischen Reiches wurden dort
nicht seiten als beleidigende und emiedrigende Einmischung in die
inneren Angelegenheiten des Reiches aufgenommen. So bereits nach
dem Vertrag von Paris 1856, der den Armeniem des Osmanischen
Reiches unter dem ,,Schutz“ der europaischen Machte, eine Zentral­
regierung verschaffte und sich die Beziehungen der Osmanen
insgesamt zu den Armeniem wesentlich abkiihlten. Noch mehr
abgektihlt wurden diese Beziehungen unter Sultan Abdul-Hamid II.159
Der Berliner Vertrag von 1878 bestatigte in seinem Paragraph 61 den
16. Artikel des Vertrages von San Stefano uber die Schaffung einer
besonderen armenischen Provinz in der Karskaja Oblast im
Osmanischen Reich, was von der Mehrheit der osmanischen Elite als
Emiedrigung aufgenommen wurde, die von der englisch-ttirkischen
Konvention vom 4. Juni 1878 noch verstarkt wurde, nach der
Kleinasien ein Protektorat Englands wurde. Seit dieser Zeit erhob sich
die „armenische Frage" im Osmanischen Reich in ihrer ganzen
Bedeutung. Die Osmanen begannen radikale Methoden zur Losung
dieser ,,Frage“ zu suchen. Der erste Schritt der radikalen Losungen
war die Schaffung der Gamidie-Kavallerie, die ausschlieBlich aus
Kurden bestand, die seit jeher den Armeniem auBerst feindselig
gegeniiberstanden. Ziel dieser MaBnahme war die Vertreibung der
Armenier aus den fiinf Vilayets, wo sie zu jener Zeit die Mehrheit
ausmachten (Bitlis, Musch, Bajaset und Diarbekir) und die Auflosung
von Provinzen mit kompakter armenischer Bevolkerung. Seit dieser
Zeit begann die kurdische Kavallerie, mit geheimer Unterstiitzung der
osmanischen Administration, die ihr gestellte Aufgabe zu losen: die
gewaltsame Vertreibung der Arm enier aus den genannten Vilayets.
Vielerorts wurde diese „Vertreibung" von schrecklichen Verbrechen
begleitet.160
lwAbdul-Hamid 11. bestieg den Thron am 31. August 1876 in einer schweren
Zeit des Reiches. Der Staatsbankrott 1875 schnitt die Moglichkeit der
Kreditierung ab; in Bulgarien und Herzegowina begannen revolutionare
Unruhen, Serbien und Montenegro traten mit Unterstiitzung Russlands in den
offenen bewaffneten Widerstand gegen das Osmanische Reich, das praktisch
ohne Verbiindete dastand. Die erste staatliche MaBnahme des neuen Sultans
war die Proklamierung der Gleichberechtigung aller ihm unterstehenden
Reiehe, darunter auch der Armenier, (Erlass vom 23. Dezember 1876).
Russland, das die Schwache des Osmanischen Reiches ausnutzte, erklarte
diesem am 24. April 1877 den Krieg, der mit der Entstehung der
unabhangigen Staaten Rumanien, Serbien und Bulgarien, wesenlichen
Kontributionen zu den Militarausgaben Russlands und der Eroberung der
Gebiete Serbien und Montenegro fur Russland endete. Der Berliner Kongress
vom 13. Juli 1878 kostete dem Sultan unter anderem den Verlust von Bosnien
an die Osterreicher, Zypem an die Englander, ein Sechstel von Thessalien an
die Griechen. Alle diese Verluste mussten zur Erhohung der inneren
Spannung im Reich fiihren.
l60Vgl.: deren Beschreibung in Granat i K, 1910, Band 3, S.530-531.
99
Nun waren die Hoffnungen der Arm enier w ieder a u f den
Transkaukasus gerichtet, wohin eine neue W elle arm enischer
Fluchtlinge stromte und ihre politische Aktivitat iibertragen w urde.
Jedoch auch die Regierung des Zaren war nicht geneigt, das Streben
der Armenier nach einer irgendwie gearteten Autonomie zu begriiBen:
Die Tatigkeit der mildtatigen und kulturellen arm enischen O rganisationen wurde eingeschrankt, nationale revolutionare G ruppen w urden
verfolgt. M it der Zeit ging es so weit, dass das Vermogen der A rm eni­
schen Kirche an den Staat fiel. Arm enische Radikale erw iderten in
dem ihnen eigenen Geist: Terror gegenuber den zaristischen Beamten,
Geiselnahme, vereinzelt kleine Putsche u.a. Von 1905-1907 gab es
blutige ZusammenstoBe der A rm enier mit den Aserbaidschanem auf
dem Territorium von Nord-Aserbaidschan, insbesondere in BergKarabach.
Schon diese Vorkommnisse lieBen bei vielen Politikem Zweifel an
den M oglichkeiten der Schaffung eines armenischen Staatsgebildes im
Siidkaukasus, das friedlich mit seinen nichtarmenischen Nachbam
zusammenleben wiirde, aufkommen. Nach der Schaffung der
Republik Armenien (28.5.1918) a u f Initiative von Daschnakzutjun,
was fiir das armenische Volk ein historisches Ereignis war, und das
durch viele bewaffnete Konflikte der jungen Republik mit den
aserbaidschanischen, georgischen und tiirkischen Nachbam wegen
ihrer territorialen Anspriiche auf Sangesur, Karabach, Nachitschewan.
Bortschaly und andere Gebiete getrubt wurde. Am 29. November
1920 festigte sich in der Republik Armenien die Bolschewistische
M acht16', die den ,,Ostvertrag“ (16.3.1921) mit der Tiirkei abschloss.
Darin verzichtet Sowjetmssland a u f Kars, das Araratgebiet und andere
Gebiete und es wurde eine verbindliche Grenzziehung beschlossen.
Im Oktober 1921 wurde dieser Vertrag von alien transkaukasi­
schen Republiken ratifiziert. Paragraph 3 des Vertrages bestimmte die
Autonomie Nachitschewans unter aserbaidschanischem Protektorat.
wahrend Sangesur an die Republik Armenien ging. Am 7. Juli 1923
wurde per Dekret das „Autonome Gebiet Berg-Karabach“ innerhalb
der Republik Aserbaidschan geschaffen. Von 1922 bis 1936 bildete
Armenien zusammen mit Georgien und Aserbaidschan die Transkaukasische Federative Sozialistische Sowjetrepublik (SSFSR), nach
161Die gegen die Bolschewiki opponierende Regierung des sogenannten „BergArmenien“ hielt sich in Sangesur bis Juli 1921.
100
deren Zerschlagung Armenien Unionsrepublik wurde. Die DreiBiger
Jahre in Armenien waren, wie uberall in der UdSSR, Jahre der
Zwangskollektivierung, erschreckenden Repressalien gegen das
armenische Kleinbtirgertum und die nationale Intelligenz und der
Industrialisierung auf Kosten einer verarmenden Landwirtschafit.
1954 erfolgte die Teilrehabilitierung der unterdruckten Armenier.
Und das in nicht geringem Um fang auf der Gmndlage der Bemiihungen des damaligen Handelsministers Anastas Mikojan. Armenien
wurde fur die Riickkehr der Arm enier aus der Diaspora geoffnet, was
ein bis dahin nie dagewesener Schritt der kommunistischen Machthaber war.
Ich erlaube mir ausfiihrliche Zitate aus der Arbeit des beruhmten
aserbaidschanischen Historikers Dschamil Gasanly „Aserbaidschanskij krisis i natschalo Cholodnoj W ojny 1941-1946 (Die aser­
baidschanische Krise und der Beginn des Kalten Krieges. 19411946)“, Moskau, „Geroi otetschestwa“, 2006, der Einleitung und aus
seinem Artikel „Neobosnowannye pretensii armjan na Karabach w
sowjetskoe wremja (Die unbegrtindeten Anspriiche der Armenier auf
Karabach in der sowjetischen Zeit“) in IRS, Nasledie. Meschdunarodnyj aserbaidschanskij schumal, N6, 2006, S. 24-28.
„Im November 1945 gab das Politburo des ZK der WKP(b) die
Erlaubnis auf Repatriierung der im Ausland lebenden Armenier nach
Sowjet-Armenien, und am 2. Dezember wurde der entsprechende
Beschluss des Rates der Volkskommissare der UdSSR in der Presse
veroffentlicht. Dieser Schritt w ar bedingt durch das Streben der
russischen Regierung, die Gebietsanspruche I. Stalins gegenuber der
Tiirkei zu begriinden, der rund 360.000 - 400.000 Armenier nach
Armenien umgesiedelt hatte und danach der ganzen Welt erklaren
wollte, dass die Arm enier zwar in ihre Heimat zuriickgekehrt waren,
aber nirgendwo wohnen konnten.
Die Anspriiche der UdSSR bezuglich der ostlichen Gebiete der
Tiirkei wurden von W. Molotow in Moskau bei den Verhandlungen
mit dem tiirkischen Botschafter S. Sarper am 7. und 18. Juni 1945
geauBert. Eilends wurde die Flache des Gebietes vermessen, das die
UdSSR der Tiirkei wegnehmen wollte. Es wurden entsprechende
Karten erstellt und es wurde an der Aufteilung dieser Gebiete
zwischen Armenien und Georgien gearbeitet." Der Lowenanteil des
Gebietes von 26.000 qkm sollte an Armenien gehen. Die Uber101
zeugung des Kremls, neue Gebiete zu erhalten, war so groB, dass
selbst ein Sekretar (ein Arm enier) des Karrskij G ebietskom itees d er
Kommunistischen
Partei
Arm eniens
em annt
wurde.
D ie
Unnachgiebigkeit der Tiirkei und die Unterstutzung ihrer neuen
Verbiindeten im Westen m achten jedoch die Plane der M achthaber in
Moskau und Eriwan zunichte.
Die Ereignisse des gleichen Jahres in Sud-Aserbaidschan und die
W ahrscheinlichkeit seines Anschlusses
an
das
sowjetische
Aserbaidschan gaben dem sowjetischen Arm enien neue Eloffnungen
auf die territoriale Erweiterung, nun bereits au f Kosten von
Aserbaidschan. „Am 28. Novem ber iibergab der Sekretar des ZK der
WKP(b) G. M alenkow dem Fiihrer von Aserbaidschan M. Dsch.
Bagirow einen Brief des arm enischen Fiihrers Arutjunow zur
Kenntnisnahme, der insbesondere schrieb:“ ...Der Anschluss BergKarabachs an Armenien wiirde seiner Entwicklung sehr forderlich
sein und wurde die W irtschaft verbessem.... Davon und von dem
Wunsch der Bevolkerung von Berg-Karabach ausgehend, legen das
Zentralkomitee und der Sownarkom (Volkskommisariat) von
Armenien dem ZK der W KP (b) und der Unionsregierung die Frage
des Anschlusses des Gebietes Berg-Karabach der Aserbaidschani­
schen SSR an die Armenische SSR als Karabachskaja Oblast zur
Erorterung vor." Wir weisen darauf hin, dass sich auch im Falle eines
hypothetischen Anschlusses des Gebietes Berg-Karabach Armenien
eine „Reserve41 auch fur die weiteren territorialen Anspriiche offen
hielt: bekanntlich ist Karabach nicht nur Berg-Karabach, sondem auch
das Flachland. Und die von Am tjunow geplante Bezeichnung „Kara­
bachskaja Oblast“ weist klar auf die M oglichkeit weiterer territorialer
Anspriiche hin.
Am 10. Dezember 1945 sandte M. Dsch. Bagirow eine Antwort an
G. Malenkow, in der er iiber Berg-Karabach als historisches
aserbaidschanisches Gebiet schrieb, a u f dem viele Jahrhunderte lang
aserbaidschanische Staatsgebilde bestanden und auf dem die
Armenier, eine zugewanderte Ethnie, eine ungewohnliche Aggressivitat gegeniiber der angestamm ten Bevolkerung an den Tag legten.
Beziiglich der Verbesserung der „Leitung der Wirtschaft" von BergKarabach merkte M. Dsch. Bagirow an, Aserbaidschan leiste „eine
riesige Arbeit beziiglich der wirtschaftlich-politischen und kulturellen
Entwicklung der Region Berg-Karabach" und nannte dafur viele
102
konkrete Beispiele. Gleichzeitig bestand der Fiihrer von Aser­
baidschan darauf, „...dass bei der Priifung der Frage iiber den NKAOAnschluss an die Armenische SSR auch die Frage des Anschlusses der
Rayone Asisbekowskij, Wedinskij und Karabaglarskij der Armeni­
schen SSR, die an die Republik Aserbaidschan angrenzen und bevorzugt von Aserbaidschanern besiedelt sind, an die Aserbaidschanische
SSR zu erortem ist".
Der Anschluss von Berg-Karabach an die Armenische SSR gelang
zu diesem Zeitpunkt nicht, aber im Zusammenhang mit der
Ubersiedlung auslandischer Arm enier nach Sowjet-Armenien wurde
beschlossen, mit Unterstutzung Armeniens und mit Zustimmung
Moskaus, 100.000 Aserbaidschaner aus ihren Heimatorten in
Armenien in die Aserbaidschanische SSR zu deportieren (Beschluss
4083 des Ministerrats der UdSSR vom 23. Dezember 1947, unterzeichnet von Stalin). Ab diesem Zeitpunkt begann der Prozess der
Bildung einer monoethnischen Bevolkerung auf dem Territorium der
Armenischen SSR, der nach dem Zerfall der UdSSR und der
Griindung der Republik Armenien erfolgreich abgeschlossen wurde.
Nach dem Beschluss iiber die Umsiedlung der Armenier aus der
Diaspora in die Armenische SSR konnte Armenien ein „Zentrum" der
armenischen Welt werden, der gesamten armenischen weltweit
verstreuten Diaspora. Mit der Festigung dieses „Zentrums" war die
schreckliche Tragodie des armenischen Volkes von 1915 allmahlich in
der internationalen Diplomatie kein Tabu mehr, und es wurden immer
deutlicher die territorialen Anspriiche der Armenier artikuliert.
Zum Katalysator fur diese Anspriiche wurde wahrend der Zeit der
Perestrojka Gorbatschows der K am pf der armenischen Gemeinde von
Berg-Karabach, zuerst fur den Anschluss an die Republik Armenien
und danach fiir die Unabhangigkeit. Dieser Streit eskaliert nach der
1994 erfolgten Besetzung von rund 20% des aserbaidschanischen
Territoriums durch die Arm enier und einem befristeten Waffenstillstand zum Krieg. Am 23. August 1990 proklamierte das Parlament
von Armenien die Republik zu einem souveranen Staat und benannte
sie in Republik Armenien um. Im Referendum von 21. September
1991 stimmten 99,3 der Abstimmenden fiir den Austritt der Republik
Armenien aus der UdSSR. Armenien blieb jedoch eines der aktivsten
Mitglieder der GUS und erlaubte Russland im Marz 1995 die
Errichtung einer Militarbasis in Gjumri, an der tiirkischen Grenze. Mit
103
der Annahme einer neuen Verfassung im Juli 1995 ging A rm enien
zum Modell der M arktwirtschaft iiber, festigte die Grundlagen des
Rechtsstaates und die demokratischen Prinzipien der Innenpolitik.
6. Der Safawiden- (Kisilbasch-) Staat in der ersten
Halfte des 18. Jahrhunderts im Kampf mit den
Khanaten von Nord-Aserbaidschan
„In der Rede des Menschen ist nicht die objektive
Wahrheit wichtig; nicht sie wird angestrebt, sondem
die Moglichkeit der Einflussnahme a u f den M en­
schen. “
Rafik Abdrachmanow
Zu Beginn des 18. Jahrhunderts erfuhr der Safawidische Staat,
dessen Herrschaft die aserbaidschanischen Beyliks und die Khanate
unterstanden, den wirtschaftlichen und politischen Zerfall. Der
Niedergang von Handel und Gewerbe war bedingt durch die
abnehmende Bedeutung der KarawanenstraBen iiber Land und des
europaisch-asiatischen Transithandels in Folge der ErschlieBung des
Seewegs nach Indien um Afrika im 17. Jahrhundert durch die
Europaer, der bereits an der Schwelle des 15. und 16. Jahrhunderts
eroffnet worden war. Je mehr sich die Kassen der Schahs leerten,
desto schwerer wurden die Abgaben, die auch die aserbaidschanischen
Beyliks, Meliktiimer, Khanate und die anderen nachfeudalen
halbstaatlichen Gebilde zu entrichten hatten. Besonders schwierig
wurde die wirtschaftliche Lage dieser aserbaidschanischen Gebilde
unter Schah Hussein (1694-1722), einem sehr schwachen Herrscher,
der ganz unter dem Einfluss der schiitischen Geistlichkeit und einer
habsuchtigen Hofclique stand. Von 1698-1701 wurden die Steuern so
radikal erhoht, dass die meisten Ortschaften unabhangig von ihrem
Umfang und der Anzahl der Bewohner bis zu je 30 Tum an162 zahlen
mussten, und durch die Steuern entstand wirkliche Armut. Erhoht
wurden die Steuern auch fur die nomadisierenden aserbaidschanischen
Stamme und erstmals wurden der christlichen Geistlichkeit Steuern
auferlegt, die unter den vorherigen Schahs Privilegien hatte.163
lwEin Tuman war damals eine persische Wahrungseinheit (ein Goldstiick im
Wert von zehn Rubel).
lwZur Steuerpolitik von Schah in Aserbaidschan Vgl.: Histoire d'Aghovanie
„Collection d'historienc Armeniens“, traduits par M. Brosset, t.II, SPb., 1876,
p. 203-205 (weiter als „Collection...“ bezeichnet); „Schurnal Wolynskogo".E. S. Sewakin: Aserbaidschan w natschale XVIII weka (Aserbaidschan Anfang des 18. Jahrhunderts) „Iswestija obschtschestwa obsledowanija i
104
105
Der Steuerdruck war von einem religiosen Druck begleitet. Schah
Hussein nahm die grausame Verfolgung der Sunniten w ieder auf, die
in Nord-Aserbaidschan (Scheki, Schemacha, Derbent und anderen
Regionen und Orten) zahlreich waren. Es kam so weit, dass die
Sunniten fur vogelfrei erklart, die sunnitische Geistlichkeit verboten,
sunnitische Mullahs zum Tod verurteilt und sunnitische M oscheen
entweiht oder zerstort wurden. Die Folge der Verstarkung der
staatlichen Abgaben und der religiosen Intoleranz war eine ganze
Periode von Aufstanden gegen die M acht des Schahs. Einer der ersten
Aufstande ereignete sich in Siid-Aserbaidschan, in der Gegend von
Soudschbulak, wo sich die aserbaidschanischen Nomadenstamme
,,Terekeme“ erhoben.164 1711 begann eine aufstandische Bewegung in
Dagestan, die rasch Nord-Aserbaidschan ergriff. An der Spitze der
Bewegungen stand, wie zu erwarten war, ein V ertreter der
sunnitischen Geistlichkeit, Hadschi Dawud, der sowohl in Schirwan
als auch in Scheki viele Anhanger hatte. Einige Urkunden lassen den
Schluss zu, dass Dawud unter starkem osmanischem Einfluss stand.
Weitere Anfiihrer dieser Aufstande wurden Tschulak-Surchaj-Khan,
Achmed-Khan-Uzmij von Kajtag und Ali-Sultan von Elisui. Ersterer
hatte kurz vor den Aufstanden ein gesondertes Khanat in KasiKumych gegriindet (friiher, vor 1640, war Kasi-Kumuch Herrschaftsgebiet eines Schamchals), der zweite wirkte hauptsachlich in Dagestan
und der Dritte hatte Einfluss auch auf die Dscharo-Belakansker
sogenannten freien Vereinigungen (,,Dschamaaty“).
1711 fielen die Truppen des Hodscha Dawud in das Khanat Kuba
ein, belagerten und eroberten die Festung Chudat, die Residenz der
ausgelieferten Safawidischen Regierung von Sultan Achmed-Khan
von Kuba, wobei der Khan selbst getotet wurde. 1712 zogen SurchajKhan von Kasi-Kumych und Hodscha Dawud nach Schemacha und
eroberten es m it Hilfe der ortlichen Sunniten. Schweres Leid wurde
dabei dem schiitischen Adel und den dort befindlichen russischen
Kaufleuten zugefijgt (letzteren wahrscheinlich durch Aufhetzung
seitens der osmanischen Regierung).165
Gleichzeitig nahmen Ali-Sultan Ilisujskij und die DscharoBelikanzy die Gebiete Scheki, Kabala, Kasach, Segam und Schamchor bis zur Umgebung von Gjandscha ein. 1717 nahmen die aser­
baidschanischen Nomadenstamme der Muganer Steppe den vom
Safawidischen Schah gesandten Herrscher (Khan) nicht an und
wahlten an seiner statt einen Fiihrer aus den eigenen Reihen. Die
Aufstande nahmen so bedrohliche AusmaBe an, dass der Schah zu
ihrer Niederschlagung groBe Truppenverbande entsandte, denen es
gelang, Schemacha einzunehmen. Surchaj-Khan und Hadschi Dawud
fuhrten den Krieg in den Bergen weiter fort und bedrohten
Schemacha, bis sie 1719 besiegt wurden. Hodscha Dawud wurde
ergriffen und in Derbent gefangen gesetzt.166 Einer der Griinde fiir die
Niederlage war, dass der sunnitische Fanatismus der Anffihrer der
Bewegungen die Aserbaidschaner abstieB, die mehrheitlich (auBer in
den Gebieten Scheki, Schemacha und Kuba) Schiiten blieben.
Die Hilflosigkeit der Schah-Regierung unter Hussein-Schah war so
groB, dass sie zu Beginn des Aufstands der Afghanen in Persien
Hodscha Dawud aus der Gefangenschaft entiieB und den Khanen von
Dagestan groBe Subventionen gab in dem Versuch, sich nun im
Kampf gegen die Afghanen au f diese zu stiitzen. Unter Ausnutzug
dieses Umstandes erklarten Hodscha Dawud, Surchaj-Khan und
andere Khane von Dagestan dem Schah und dem Schiismus erneut
den Krieg. Sie nahmen die Stadt Schabiran ein, eroberten Schemacha,
veranstalteten dort ein Massenblutbad unter dem schiitischen Adel
und dem Kaufmannsstand, unternahmen einen Feldzug nach SudAserbaidschan und nahmen die Stadt Ardabil ein. Gegen 1722 war
Schirwan fast ganzlich von den Aufstandischen besetzt. Das
Osmanische Reich, das an der Schwachung Persiens interessiert war,
untersttitzte nach Kraften die Khane von Dagestan und Hadschi
Dawud. 1723 marschierten die Truppen des Osmanischen Reiches
nach Georgien und danach nach Nord-Aserbaidschan.
Diese Ereignisse veranlassten die russische Regierung, sich in die
kaukasischen Angelegenheiten einzumischen: Eine Militarexpansion
isutschenija Aserbaidschana“, №8, Ausg. 4, Baku, 1929), S. 12 (Nachfolgend
als „Schumal A. Wolynskogo“ bezeichnet).
l64Collection..., t.II, p. 206.
I65E s wurden - nach einer Reihe von Hinweisen - bis zu 300 russische Kaufleute
ermordet, denen Waren im Wert von 400 Tuman (4 Millionen Rubel Silber).
damals ein riesiger Betrag, geraubt wurden. Die Hinweise iiber die Kaufleute
kamen aller Wahrscheinlichkeit nach von osmanischen Spionen.
'“’Vgl.: Butkow P.G.: Materialy dlja nowoj istorii Kawkasa s 1722 po 1803
godu (Materialien fiir eine neue Geschichte des Kaukasus von 1722 bis 1803).
Teil I. St. Petersburg., 1869, S. 3; Collection..., Bd. П, S. 214 ff.
106
107
des Osmanischen Reiches in die transkaukasischen Lander und eine
Besetzung der kaspischen Hafen durch das Osmanische R eich wiirde
der weiteren Entwicklung der Handelsbeziehungen zwischen
Aserbaidschan und Russland groBen Schaden zufiigen. Z u A nfang des
18. Jahrhunderts wurden aus Aserbaidschan und im Transit iiber Aser­
baidschan Seiden-, Woll- und Baumwollstoffe, Teppiche, Schals,
bearbeitete Schaffelle, Fayencegeschirr, Rohseide, Baumwolle,
Saffian167, Tabak, Reis, Trockenfriichte und Kaffee nach Russland
ausgefiihrt. Von Russland wurden nach Aserbaidschan eingefiihrt:
hollandische, englische und russische Tuche, gefarbte Leinwand,
Stoffe16*, Spitze, Nadeln, Schreibpapier, Glas, Felle und selbst Waren,
deren Ausfuhr aus Russland verboten war: Stahl, M etalleinfassungen
fur Heiligenbilder aus Buntmetallen, Honig, Zinn, Schweinefleisch
u.a.
Peter I. nutzte als Vorwand fur die Bewegungen der russischen
Truppen in den Kaukasus den Tod der russischen Kaufleute, die in
Schemacha ermordet worden waren, sowie den Schutz der Christen im
Kaukasus.169 Aber das eigentliche Ausrticken konnte erst 1722 nach
Beendigung des Krieges mit Schweden beginnen. Tatkraftige Unterstiitzung fur die russische Offensive bekam der Zar von W achtang VI.
von Kartli und den Christen (Albanern und Armeniem, insbesondere
dem Kaufmannsstand), die in Karabach, Sangesur und Nachitschewan
lebten. 1722 erhoben sie sich unter dem Anfuhrer Dawid-Bek
zunachst gegen Persien, danach (ab 1724) gegen das eindringende
Osmanische Reich bis 1730, als dieser Aufstand, der 12 Jahre
gedauert hatte, von den osmanischen Tmppen niedergeschlagen
w urde.170
Die russischen Truppen kamen zu der Zeit in die Transkaspischen
Gebiete, als auBerhalb Persiens der Krieg der Schah-Regierung gegen
die aufstandischen Kurden und Afghanen tobte. Der Anfuhrer der
l67Saffian - feines, weiches, gewohnlich farbig mit Pflanzen gegerbtes Leder aus
Hammel- und Schaffell. Wird fur den Bezug von Mobeln, fur Schuhe und
Galanteriewaren u.a. verwendet
lftSS to f f - dekoratives, glattgestrichenes Tuch mit komplizierter Stoffzeichnung.
Der Hauptgrund fur die Expansion Peters war jedoch die Seide - seinerzeit
die wichtigste strategische Ware aufgrund ihrer sanitaren Funktion: es gab
damals kein besseres Mittel gegen Flohe und Lause, die Seidenbekleidung
nicht ,,ausstehen“ konnten.
l70Vgl.: David-beg. - Collection..., t. II, p. 221-254
108
aufstandischen Afghanen, Mahmud, die Unordnung in Persien
ausnutzend, nahm im Herbst 1722 nach siebenmonatiger Belagerung
die safawidische Hauptstadt Isfahan ein, sturzte Schah Hussein
Safawid vom Thron, setzte ihn gefangen und erstieg selbst den SchahThron. Deshalb hielt es Peter I. ftir notwendig, mitzuteilen, dass
Russland nach der Okkupation des Transkaspischen Gebiets nicht
Krieg gegen Persien fiihren wiirde, sondern nur „die Aufstandischen
bestrafen“ (Hadschi Daud und Surchaj-Khan von Kasikum) und den
,,rechtmaBigen“ Anwarter auf den Schah-Thron Tachmasp II. unter­
stutzen wolle, den Sohn des von den Afghanen abgesetzten und
gefangen gehaltenen Schah Hussein.
Im Herbst 1722 besetzten russische Truppen Derbent und im
Sommer 1723 Baku. Am 12. September 1723 wurde zwischen Russ­
land und dem Botschafter von Tachmasp II., der in den transkaspi­
schen Gebieten von Ismail-Bek gefangen gehalten wurde, das
Petersburger Abkommen geschlossen, nach dem Russland Tachmasp
II. seine Unterstiitzung im K am pf gegen die Afghanen zusagte, wofiir
es im Gegenzug den Kiistengiirtel Dagestans und Nord-Aserbaidschans, sowie Giljan und Masanderan erhalten sollte, d.h. die
gesamte West- und Sudkuste des Kaspischen Meeres. Jedoch anerkannte der wankelmiitige Tachmasp II. unter dem Druck einflussreicher Hoflinge und einer turkischen Lobby das Petersburger
Abkommen nicht an. Danach zogerte Peter I. mit weiteren Kriegs­
handlungen und die Tiirkei, von Frankreich unterstiitzt, entsandte
Truppen nach Georgien und in das nordaserbaidschanische Gebiet.
1723-1728 leisteten die Meliks von Karabach unter Dawid-bek den
Truppen von Tachmasp II. den starksten Widerstand. In einer Reihe
von erbitterten Kampfen schlugen sie die Verbande des Schahs und
erklarten daruber hinaus das gesamte Gebiet der Meliktiimer von
Karabach zum autonomen Furstentum. Tachmasp II. ernannte
voriibergehend Dawid-bek zum Fiirsten und verlieh ihm das
Miinzrecht. Aber 1728 zerstorten Truppen des osmanischen Sultans
das Meliktum von Dawid-bek.
1724 wurde unter Einflussnahme der franzosischen Regierung
zwischen Russland und dem Osmanischen Reich der Friede von
Konstantinopel geschlossen, nach dem das Osmanische Reich die
Herrschaft Russlands iiber alle im Petersburger Abkommen 1723
aufgefiihrten Gebiete anerkannte. Gleichzeitig wurden nach dem
109
Abkommen die restlichen Teile von Nord-Aserbaidschan, O stgeorgien
und groBe Teile Persiens an das Osmanische Reich abgetreten. Die
Anerkennung von Tachmasp II. als Schah des Safawiden-Staates
durch beide Machte wurde von der Erfiillung durch ihn der
Bedingungen des Vertrages von Konstantinopel 1724 abhangig
gemacht. Die formal Vasallen des Osmanischen Reiches gewordenen
Surchaj-Khan von Kasi-Kumuch und Hodscha Dawud, der vom
Osmanischen Reich in den Rang des Khans von Schirwan erhoben
worden war, veriibten Einfalle in das an Russland iibergegangene
Territorium.
Durch die Uberwindung der Zentrifugalkrafte im Safawiden-Staat
und die Bestatigung seiner Staatlichkeit in den 30-er Jahren des 18.
Jahrhunderts durch Nadir-Schach gelang es letzterem dem
Osmanischen Reich eine Reihe von Niederlagen zuzufugen und erneut
auch das gesamte Safawidische Reich einschlieBlich des Gebietes von
Nord-Aserbaidschan zu beherrschen. Gegen Ende der 20er Jahre des
18. Jahrhunderts profilierte sich Heerfuhrer N adir171 aus einer Sippe
der Kysylbasch, eines Nomadenstammes der Afscharen abstammend,
im Safawidischen Reich durch herausragende militarische Erfolge.
Unter seiner Leitung wurden die Afghanen aus dem Land vertrieben
und die Osmanen erlitten zahlreiche Niederlagen. 1730 wurden die
osmanischen Truppen aus dem gesamten Siidaserbaidschan ver­
trieben. Russland hatte es nun mit dem erstarkten Safawiden-Staat zu
tun. Gleichzeitig verschlechterten sich die Beziehungen Russlands
171 Dies schrieb iiber ihn der bekannte kasachische Denker und Historiker
Schakarim Kudajberdiew: “Wahrend der Regierungszeit von As-Tauke. als
die Kasachen am Amu-Darja lebten, brachte der tiirkische Stamm Aschkol
(Afschar), der frtiher den Persern unterstellt war, aus seinen Reihen einen
starken Mann namens Nadirschah hervor, der ganz Persien zu erobem wusste.
Aus Angst vor ihm ziehen die Kasachen erneut weiter, nun bereits zu den
Ufern des Syr-Darja“. Vgl.: Schakarim Kudajberdiew. Rodoslownaja
(Stammbaum). In: Kasachi (Die Kasachen), Band 3. Genealogija.
Redakzionno-isdatelski zentr ,,IDK-TIPO“, Almaty 1998, S. 210. Uber die
Art der „Srednego schusa kanly“: (Kanly (Kangly) - bedeutet „arba". d.h..
wer einen Arba fahrt. Die friihere Bezeichnung ,,enli“ bedeutet Abkommlinge
aus einem Zw eig der Uiguren. Sie waren ein starkes und kluges Geschlecht.
Die osmanischen Tiirken in Stambul sind ebenfalls Nachfahren der Kanly"
Vgl.: a.a.O., S. 224. Viele dieser interessanten Angaben von Kudajberdiew
halten der Kritik auf der Grundlage zeitgenossischer historischer Daten nicht
stand.
110
zum Osmanischen Reich. Die Regierung von Zarin Anna (1693-1740,
Zarin ab 1730), die sich ein Militarbundnis mit dem Safawiden-Staat
gegen das Osmanische Reich sichem wollte, verzichtete zugunsten
des Safawiden-Staates auf Giljan und Masanderan (1732), und gemaB
dem Vertrag von Gjandscha 1735 trat man dem Safawiden-Staat die
Herrschaft iiber Nord-Aserbaidschan und Dagestan ab mit der
Bedingung, dass der Safawiden-Staat das Militarbundnis mit Russland
aufrecht erhalten und nicht einen Separatfrieden mit dem
Osmanischen Reich schlieBen wiirde.
Wahrend dessen nahm N adir 1734 Schemacha ein, besiegte in
Dagestan Suraj-Khan von Kasi-Kumych, den er auch in die Flucht
schlug, der in Schirwan seit 1728 als Statthalter des Osmanischen
Reiches geherrscht hatte, unterw arf einen Teil Dagestans und eroberte
1735 Gjandscha. Der Vertrag von Gjandscha desselben (1735) Jahres
verletzte Nadir: 1736 schlossen Bevollmachtigte Nadirs in Erzurum
einen Vertrag mit dem Osmanischen Reich, das dem Reich NadirSchahs (dieser Staat entstand an der Stelle des Safawiden-Staates nach
Gurultaj 1736) alle Gebiete zuriickgab, die gemaB dem Vertrag von
1724 an ihn gefallen waren. Der gesamte ostliche Transkaukasus und
ein Teil Ostgeorgiens fielen erneut unter die Herrschaft Persiens.
Noch im Jahre 1732 setzte Nadir den Safawidischen Schah
Tachmasp II. zugunsten seines Sohnes Abbas III. vom Thron ab. Nach
dem Ende des siegreichen Krieges gegen das Osmanische Reich
beschloss Nadir den Titel Schah anzunehmen, nachdem er sich cine
„VolkswahT geschaffen hatte. Im Marz 1736 berief Nadir auf dem
Territorium von Nord-Aserbaidschan, in der Muganer Steppe, in der
Nahe des Zusammenflusses von Kura und Araxes, einen Gurultaj
(Versammlung) des feudalen Adels, der moslemischen Geistlichkeit,
sowie von Altesten der Stadte und sogar einigen Vorstehern von
Stadtvierteln und Dorfern, insgesamt iiber 20.000 Menschen aus dem
gesamten Staat und seinen Untergebieten, darunter auch der
nordaserbaidschanischen Territorien. A uf diesen Kurultaj wurde auch
der Etschmiadsiner Patriarch-Katholikos Abraam Kretazi eingeladen,
der eine farbenreiche Schilderung des Kurultajs gibt. Die
Versammelten wurden in Gruppen eingeteilt, damit sich die Vertreter
jedes Gebietes zusammen versammeln konnten. Danach wurde ihnen
der „Erlass des groBen Khans“ (Nadirs) offenbart: Nadir gab vor, dass
er selbst „iiberanstrengt und miide geworden sei und nicht mehr weiter
in
Krieg fuhren kann“ und forderte die Versammelten auf, aus ihrer
Mitte einen zuverlassigen Schah zu wahlen. Die Teilnehm er dieses
von Nadir gut vorbereiteten Gurultaj, die teils mit Geschenken gekauft
und teils mit ihren friiheren ,,Sunden“ eingeschiichtert w orden waren
und einander nicht trauten, beschlossen keinen anderen zum
Kandidaten zu bestimmen als Nasir, der an der Versammlung nicht
direkt teilnahm.
Mit dem gefassten Beschluss erschienen die M itglieder des
Gurultajs auch zur festgesetzten Zeit „und sogar friiher, aus Angst sich
zu verspaten“ in Nadirs Hauptquartier. Letzterer lie/3 sich, die
Komodie der angeblichen W eigerung zu Ende spielend, schlieBlich
bewegen und erklarte sich zur Ubemahme des Schah-Throns bereit.
Dabei verpflichteten sich die Teilnehmer des Gurultajs zu Folgendem:
zur Zustim mung zu einer Union von Schiiten und Sunniten zur
Versohnung mit den Sunniten; zur Schaffung einer neuen
Kompromiss-Staatsreligion; den neuen Schah von jeder feindseligen
Handlung oder Verschworung gegen ihn zu unterrichten; Nadir nicht
daran zu hindem , seine Gegner hinzurichten u.a.172 1736 wurde Nadir
als Schah eingesetzt. Die Dynastie der Safawiden wurde abgesetzt und
an ihrer Stelle wurde die Afscharen-Dynastie bestatigt. Zum
Oberbefehlshaber (Sipachsalar) im Transkaukasus wurde NadirSchahs Bruder Ibrahim-Khan ernannt.
Die Beliebtheit Nadirs im Staat erklarte sich aus seinen Erfolgen
bei der Befreiung des Landes von der Besetzung durch die Afghanen
und der Osmanen.
A uf die
breite
Unterstiitzung eines
Befreiungskrieges unter Leitung Nadirs durch die Bevolkerung des
Landes weist der Zeitgenosse Nadirs, Scheich Muhammed-AIi-Chasin
in seiner Autobiographie hin. In Bezug auf Nord-Aserbaidschan und
den
restlichen
Transkaukasus,
auf Kurdistan, Afghanistan.
Turkmenistan und die usbekischen Khanate erwies sich Nadir als
auBerst unersattlicher, grausamer Eroberer.
Die Wiederherstellung der Herrschaft des Imperiums im
Transkaukasus unter Nadir-Schah (1736-1747) erwies sich, trotz des
militarischen Talents des neuen Schahs, als nicht dauerhaft. Nadir
musste wiederholt Aufstande in Nord-Aserbaidschan und Dagestan
niederschlagen. 1738 erhoben sich erfolgreich die Dscharo-Belakanl72Mon histoire et celle de Nadir, ehah de Perse, par Abraham de Crete,
catholicos. - Collection..., v. II, p. 280ff.
112
sker freien Vereinigungen, die „Dschamaaty" (bereits im 16. Jahr­
hundert im Nordwesten von Nord-Aserbaidschan gegriindet). Im
K am pf mit den Dschamaaten wurde die persische Armee in der
Schlacht bei Kach im Herbst 1738 vemichtend geschlagen. Dabei fiel
auch der Oberbefehlshaber im Transkaukasus selbst, Ibrahim-Khan,
der Bruder Nadir Schahs.173
Von den Aufstanden in Nord-Aserbaidschan und anderen Teilen
des Landes muss ein Aufstand 1738 und ein besonders groBer im
Jahre 1743 erwahnt werden. Eine direkte Voraussetzung fiir die
Aufstande 1743 war paradoxerweise mit der reichen Kriegsbeute
Nadir Schahs nach dem erfolgreichen Indienfeldzug (1738) verbunden. Der Schah befreite nach dem Indienfeldzug alle Untertanen
drei Jahre lang von der Zahlung von Abgaben, schaffte aber danach
selbst dieses Privileg wieder ab, und 1743 wurde mit der Eintreibung
der Abgaben fur die vergangenen drei Jahre begonnen. AuBerdem
wurde der Umfang der Abgaben drastisch erhoht. Die Eintreibung der
Abgaben bei nicht zahlungswilligen Schuldnem war von Misshandlungen und Folterungen, dem Abschneiden von Nase und Ohren und
dem Ausstechen der Augen u.a. begleitet. Das Ergebnis waren Auf­
stande in diversen Teilen von Persien 1743.
Im Herbst 1743 brach ein Aufstand in Schirwan aus. Nach den
Worten von Muhammed-Kasim beteiligten sich an diesem Aufstand,
den der ortliche Adel initiiert hatte, bereitwillig „das einfache Volk
und der РбЬеГ.174 Die Aufstandischen nahmen die Stadt Schabiran
ein, danach Ak-su, die von Nadir-Schah gegriindete neue Hauptstadt
Schirwans. Den Aufstandischen schloss sich auch der Teil der
Kysylbasch-Truppen an, der aus aserbaidschanischen Nomadenstammen (Muganly - Bewohner der Muganer Steppe) bestand. Die
Aufstandischen wurden jedoch in der Schlacht bei Bagischach
geschlagen, die Stadt Ak-su wurde von den Truppen des Schahs
’Muhammed-Kasim (in anderen Quellen Muhammed-Ali Chasin genannt - I.
R.). Tarich-i alem araj-i Nadiri. - Institut fur Ostwissenschaft der Akademie
der Wissenschaften der UdSSR, Handschriftenabteilung, дело 430 (in
persiseher Sprache), Bd. 2, Blatt 6-a ff, Blatt 173z-1786 (nachfolgend genannt
Muhammed-Kasim, Bd., Blatt); Scheich Muhammed-Ali Chasin in: Mirsa
Muhammed Mechdi-Khan Asterabadskij. Tarich-i Naridi. Teheran, 1846, S.
167, 251-252 (Institut fur Ostwissenschaft der Akademie der Wissenschaften
der UdSSR).
l74Muhammed-Kasim, Bd. 3, Blatt 130a.
113
zuriickerobert und ausgepltindert. Der Aufstand in Schirw an w u rd e
vom Statthalter des Schahs, M uhammed-Ali-Khan m it auB erordentlicher Harte niedergeschlagen.175
Im gleichen Jahr gab es auch in Siid-Aserbaidschan A ufstande, die
ebenfalls von den Truppen des Schahs niedergeschlagen w u rd en .176
1744 wurde durch die Truppen des Schahs mit Unterstiitzung der
georgischen Freunde, Tejmuras von Kartli und seinem Sohn Iraklij
von Kachetien im Transkaukasus die gefahrliche Bew egung des
selbstemannten Safi-Mirsa, eines angeblichen Sohnes von Schah
Hussein, niedergeschlagen. In der Landwehr Safi-M irsas w aren viele
gewohnliche Aserbaidschaner und Georgier, die besonders unzufrieden mit den Abgaben ftir den Schah waren.
Im gleichen Jahr kam Nadir Schah in den Transkaukasus und
pliinderte und verwtistete Nord-Aserbaidschan und Dagestan noch
einmal. Bei diesem Uberfall belagerte Nadir Schah erfolglos die
Festung „Gelersen ve gorersen“, in der die Aufstandischen des Kreises
Scheki mit ihrem Anfuhrer (Hadschi Tscheljabi-Effendi), einem
Abkommling der alten ortlichen Khandynastie, U nterschlupf gefunden
hatten.
1744 war in Nord-Aserbaidschan ein Jahr schrecklichen Zerfalls.
Der Transit- und der Binnenhandel sanken praktisch a u f Null, die
Stadte leerten sich. Schemacha, das in der ersten Halfte des 17.
Jahrhunderts bis zu 50.000 Einwohner hatte, war nun fast menschenleer. Aber am meisten litt die landliche Bevolkerung.
Und mit den folgenden Strichen skizziert Abraam Kretazi 1736 das
Leben eines nordaserbaidschanischen Dorfes: “ Ich kam im tatarischen
(d.h. aserbaidschanischen - J.R.) D orf Chynzorek (Chynsyrak) an, das
Kurtschi-Bek Pisianskij gehort, gelegen zwischen groBen, sehr hohen
Felsenbergen... in schwindelnder Hohe waren in die Felsen Grotten
oder Hohlen gegraben, in denen die Familien wohnten, die sich dort
niedergelassen hatten.... mittels Ledergiirteln kamen sie herab und
gingen sie hinauf; die Frauen hielten ihre Kinder auf den Riicken
gebunden, und dort hatten sie auch GefaBe mit Wasser und andere
notige Dinge. Nach oben gingen sie auf die gleiche Weise: der Giirtel
wurde mit einem Seil hochgezogen, so dass kein Auslander Zugang zu
ihnen hatte. Ihre Hauser (in den Orten im Tal - J.R.) waren von den
175A.a.O., Band 3, Blatt 100a-1046.
l76A.a.O., Bd. 3, Blatt 130a.
114
Osmanen und von Raubern, von Kurden und Karatschorlu
zersto rt..."177 Von alien Einwohnern dieses Dorfes blieb nur ein
Drittel unverletzt. 1747 starb N adir Schah nach einem Putsch am Hof.
In Chorosan und im gesamten Transkaukasus und in NordAserbaidschan begann eine neue historische Epoche.
l77„Collection...“, T. 11, S. 315.
115
7. Die Russisch-Persischen Kriege um den Sudkaukasus
und die Rolle des Khanats Karabach bei der E n tw ick­
lung der aserbaidschanischen Staatlichkeit
„Nur wenige Gltickliche sind zufrieden u n d glucklich
mit dem, was sie haben. “
B ogom olow A. S.
Wahrend der (aserbaidschanischen) K ysylbasch-D ynastie der
178
Safawiden (1501-1736)
waren die aserbaidschanischen G ebiete in
vier Beyliks aufgeteilt: Schirwan, Karabach oder Gjandscha (Ganca),
Tschuchursaad oder Eriwan, Aserbaidschan oder T a b ris.179 Die
Regenten der Beyliks waren die Statthalter des Safawidischen Schahs.
Unter der Schachwerdendynastie (ab 1737) trugen die R egenten der
Beyliks den Titel ,,Khan“ . Nach dem gewaltsamen Tod (1747) von
Schah Nadir Afschar180 und der nachfolgenden Schwachung der
Zentralmacht im Staat entstanden a u f aserbaidschanischem Gebiet 20
Khanate und andere halbautonomen Gebilde. Zum Beylik Gjandscha
(Ganca)-Karabach gehorte ein groBes Gebiet zwischen den Fliissen
Kura und Araxes, auf dem sich viele Ortschaften befanden - die
Festungen: Kasach, Schamschadil, Lori, Pumbak u.a.
In der zweiten Halfte des 18. Jahrhunderts gab es in den aser­
baidschanischen Territorien folgende Staatsgebilde. Am Nordhang der
Hauptkette des Kaukasus waren weiterhin die Khanate Kuba und
Derbent (1765 vereinigt). A uf der Halbinsel Apscheron entstand das
ntiDer Begriinder der Dynastie der Schahs der Safawiden (1502-1736) war
Ismail I., der Nachfahr des Griinders des sufitischen Derwischordens der
Sefewie, nach der die Dynastie genannt ist. Ismail I. griindete im Verlauf des
erfolgreichen Aufstandes gegen den Staat der Tiirken-Oghusen Ak-Kojunlu
den Staat der Safawiden. Die wichtigsten Vertreter der Dynastie: Ismail 1
(1502-1524), Tachmasp I. (1524-1576) und Abbas 1. (1587-1629).
l7,Vgl.: Rachmann A.A. Aserbajdschan w konze ХУ1 i w Х У 11 weke (15901700 gody) (Aserbaidschan Ende des 16. und im 17. Jahrhundert (15901700), Baku 1981, S. 87-89. Beyliks sind autonome Staatsgebilde, die von
Beys (Fiirsten) regiert werden.
l80Schah Nadir Afschar (1688-1747), Iranischer Schah seit 1736. Kam an die
Macht nach dem Ende des von ihm angefuhrten Kampfes zur Vertreibung der
Afghaner und Osmanen aus dem Iran. Eroberte groBe Gebiete in Iran.
Zentralasien und im Transkaukasus.
116
kleine schwache Khanat Baku. Im Gebiet von Schemacha bildete sich
erneut das Khanat Schirwan.
Die westlichen Nachbam von Schirwan waren die kleinen
Sultanate Kutkaschen und Aresch. Im Bereich der Stadt Scheki (oder
Nucha) hatte sich ein Nachkomme der alten ortlichen Khandynastie,
Hadschi Tscheljabi, schon unter Nadir-Schah Afschar erhoben und
sich in der Festung „Gelersen ve gorersen“ verschanzt und sich 1749,
nachdem er den ortlichen Melik, einen Verbtindeten der Zentralmacht,
beseitigt hatte, zum Khan von Scheki ausgerufen. W eiter westlich lag
das Sultanat Elisujskoe und die Union der sechs sogenannten
Dscharo-Belakansker freien Vereinigungen (Dschamaaty). Siidlich der
Kura lag das Khanat Gjandscha mit der Khan-Dynastie der Sijad-oglu
vom aserbaidschanischen Nomadenstamm der Kadscharen sowie das
Khanat Karabach.
Im Marz 1803 zogen russische Truppen, angefuhrt von Generalmajor Guljakow nach Dscharo-Belokany. Ziel des Feldzuges war die
“ Bandigung“ der Vereinigungen, deren Bevolkerung hautlg rauberische Einfalle nach Kachetien veriibten. Am 15. Januar 1804 wurde
Guljakow bei der Verfolgung der dscharo-belokansker Einheiten
getotet und seine Truppen zogen sich zuriick. Aber auch die Dscharobelokaner erlitten so schwere Verluste, dass sie unverziiglich einen
Unterhandler zu Fiirst Orbeliani, dem Nachfolger Guljakows, schicktcn. Am 3. April 1804 kamen Delegierte der Dscharo-Belokanskie
nach Tiflis, die Russland ewigen Gehorsam versprachen und eine
jahrliche Abgabe in Form von 220 Pfund Seide. Endgultig wurden
diese Dschamaaty 1830 an das russische Imperium angeschlossen,
zunachst als Militarbezirk des Tiflisser Gouvemements, der spater in
Sakatalskij okrug umbenannt wurde.
Das Khanat Karabach wurde in dieser Zeit eines der politisch
bedeutendsten und flachenmaBig groBten Khanate Aserbaidschans.
Der Griinder des Khanats Karabach war Panah A li-bek Dschewanschir, ein Oberhaupt in Erbfolge des aserbaidschanischen Nomadenstamms Dschewanschirs (1747-1763) - einer der herausragendsten
Staatsmanner des aserbaidschanischen Volkes im 18. Jahrhundert.181
m Vgl.: Petruschewskij I. R. Aserbaidschanskie khanstwa i wosniknowenie
russkoj orientaziju. (Die Khanate Aserbaidschans und das Entstehen der
Orientierung nach Russland) Mitteilungen der Akademie der Wissenschaften
Aserbaidschans. Gesellschaftswissenschaften. Ausgabe 11. 1946, 5, S. 100.
117
Ein GroBteil der Bevolkerung des Khanats bestand aus a se rb a id sc h a ­
nischen Stammen Dschewanschirs, Kjabirli u.a. In den g e b irg ig en
Teilen Karabachs entstanden, wie bereits erwahnt, ffinf M eliktixm er:
Chatschen, Waranda, Talisch oder Giilistan, Disak und D scharabert.
Regiert wurden sie von M eliks albanischer (kursiv-J.R.) A b sta m ­
m ung.'82
Diese Meliks kamen nach den inneren U nm hen und d e r
gewaltsamen Einmischung von Panah Ali-Khan in die U nion m it dem
Melik von Waranda in die vollige Abhangigkeit des K hanes von
Karabach und fuhrten offiziell keine autonome Politik aufierhalb d er
Meliktiimer. Einige Meliks suchten immer w ieder die U nabhangigkeit
zu erlangen, und Panah Ali-Khan versetzte w ahrend seiner
,,erzieherischen“ Feldziige diese widerspenstigen M eliks in den
Ausgangszustand. Zum Khanat Karabach gehorten auch die aser­
baidschanischen Nomadenstamme der M ilsker und der K arabacher
Steppe und ein GroBteil von Sangesur. Panah Ali-Khan fiihrte bis zu
20.000 bewaffnete Kampfer vor und erkannte nom inal sogar die
oberste Macht der Kadscharen nicht an.
Zwischen der Sangesur-Kette und dem Fluss Araxes lag das
Khanat Nachitschewan, mit einer Khandynastie aus Nachfahren der
Fiihrer des aserbaidschanischen Halbnomadenstammes der Kengerli.183 In der Muganer Steppe lagen das Sultanat Rudbar und das
Gebiet Saljan'84, zum Khanat Kuba gehorend. Siidlich der Kuramiindung lag das Khanat Talysch mit seinem Zentrum in Lengerkunan
(jetzt Lenkoran). In der zweiten Halfte des 18. Jahrhunderts verstarkte
sich der Einfluss von Ostgeorgien, eines Verbiindeten Russlands. Im
Nord-ostlichen Teil Aserbaidschans erstarkte das Khanat Kuba. In der
Reihe der iibrigen Khane Aserbaidschans profilierte sich neben Panah
Ali-Khan von Karabach die Figur von Fath Ali-Khan (sprich: Fatali)
von Kuba (1758-1789). Ein entschiedener Verbiindeter der Union mit
l82Vgl.: loannisjan A. R. Rossija i armjanskoe oswoboditelnoe dwischenie w 80ch godach XVIII stoletiju. (Russland und die armenische Befreiungsbewegung in den 80er Jahre des 18. Jahrhunderts) Eriwan 1947, S. 16.
1 Den letzten Khan von Nachitschewan erwahnt zustimmend A. Solschenyzin
in „Rasmyschlenija nad Fewralskoj rewoljuziej“ (Gedanken zur Februarrevolution) in „Rossijskaja gaseta“, 27.2.2007, S. 9.
l84Bei Saljan befand sich an der Kura-Mundung und war beriihmt flir sein Fischund Meereshandwerk. Dieses Handwerk war besonders niitzlich im Frtihjahr.
wenn der gratenlose Fisch die Kura und den Araxes hinaufschwamm.
118
Russland und Ostgeorgien, konnte Fath Ali-Khan unter seiner
Herrschaft den ostlichen Teil Aserbaidschans vereinigen. Das Khanat
Kuba, das im letzten Viertel des 17. Jahrhunderts entstanden war, war
nicht groB. Das Heer von Kuba und Saljan umfasste nur 860
M enschen.185 Im Khanat Kuba (ohne Saljan) wurden Mitte des 18.
Jahrhunderts etwas iiber 100 Ortschaften mit 30.000 Einwohnem
gezahlt. Fath Ali-Khan (1758 - 1789) schloss das Khanat Derbent an
(1765) und unterwarf das Khanat Baku.186 1767 eroberte er im
Bundnis mit Hussein-Khan von Scheki das Khanat Schirwan. Erfolg
war Fath Ali-Khan nicht beschieden. Gegen ihn bildete sich ein
Bundnis aserbaidschanischer und dagestaner Khane, die durch das
Erstarken seiner Herrschaft eingeschiichtert waren. Sie schlugen Fath
Ali-Khan in der Schlacht au f dem Gawduschaer Feld (1774) und
vertrieben ihn aus dem Khanat; nur mit Hilfe mssischer Truppen
(unter dem Oberbefehl von General M edem )187, die von Katharina II.
entsandt worden waren, konnte er seine Herrschaftsgebiete wieder
zuriickerobem (1775). Gegen Ende der 80er Jahre des 18.
Jahrhunderts erobert Fatali-Khan die Kiiste des Kaspischen Meeres
von Derbant bis Ardebil188; der Einfluss des Khanats Kuba erstreckte
,S5„Taskirat-al-muluk: anonyme Gedenkschrift iiber die Administration des
Safawidischen Irans, zusammengestellt um 1725“. Hrsg. W. Minorskij,
Cambridge, 1943, Blatt 113a (persischer Text), S. 102 (englischer Text).
I86„ 1765 nahm ich die Stadt Derbant ein und fugte noch das Khanat zu mcinem
Besitztum hinzu, dann eroberte ich Schamacha, legte dem Khan von Baku
Abgaben auf und so brachte ich fast ganz Schirwan in meinc Abhangigkeit,
wobci ich die Wirren ausnutzte, die in Persien nach dem Tod von Schah Nadir
aufbrachen". Vgl.: „Noweischie geografitscheskie i istoritscheskie iswestija о
Kawkase" (Neueste geographische und historischc Nachrichtcn iiber den
Kaukasus), zusammengestellt und erganzt von S. Bronewskij. St. Petersburg
1823, S. 377-378.
IH/Zum Grafen- und Baronsgeschlecht Medemow Vgl.: Enziklopeditscheskij
slowar. (Enzyklopadisches Worterbuch) Hrsg. F.A. Brockhaus und I. A.
Efron, St. Petersburg, 1897 Bd. 21.
lxf<Ardebil (Erdebil) ist eine Stadt im nordostlichen Teil der persischen Provinz
Aserbajdschan am Fluss Karasu. Wurde bekannter, als es Residcnz des
Prinzen Abbas Mirsa war. Damals wurde die Stadt unter Leitung des
franzosischen Generals Gardann nach europaischen Normen befestigt und
zum Bollwerk im Kampf gegen die Russen gemacht. Im Russisch-Persischen
Krieg 1826-1828 wurde die Stadt von den Russen eingenommen, aber im
Frieden von Turkmentschai wieder an Persien zuruckgegeben. Die
einzigartige Bibliothek von Ardebil wurde, genau wie auch viele
Kulturdenkmaler (Vasen u.a.) nach Petersburg gebracht. Vgl.: auch Nestor,
119
sich au f einen Teil Dagestans, Giljans und sogar Tabris. Jed o ch hatte
die Erweiterung des Khanats K uba keine feste G rundlage in der
wirtschaftlichen Entwicklung des Landes und konnte sich nicht halten.
Nach dem Tod Fatali-Khans nahm die M acht des K hanats K ubaDerbent territorial stark ab, obwohl darin auch ein relativer
W irtschaftsaufschwung zu verzeichnen war: 1796 w urden im K hanat
Kuba (ohne Derbent, Saljan und die anderen Besitztiimer) bereits 252
Dorfer und bis zu 60.000 Bewohner gezahlt. Die auBenpolitische
Orientierung zum Russischen Reich, die Fatali-Khan von K uba und
Ibrahim Khalil-Khan von Karabach angenommen hatten, erw ies sich
unter diesen Bedingungen als strategisch richtig und trug zur
Festigung dieser Khanate und ihrer Entwicklung bei.
Im V erlauf des Kampfes um die Starkung der M acht des Khans
von Karabach spielten die W ahl der Residenz des K hans und der
Hauptstadt des Khanats eine groBe Rolle. Unter Panah A li-K han
erhielt zunachst die wieder aufgebaute (1748) Festung Bajat den
Status der Residenz. Danach war die Festung Askeran und die Festung
Schah-Bulak Residenz. Und schlieBlich wurde die wieder auferbaute
Festung (1751) Panahabad, die spater Stadt wurde, H auptstadt von
Schuscha. Nach der Rtickeroberung der neuen Hauptstadt begann
Panah Ali-Khan die anderen aserbaidschanischen Khanate um sich zu
scharen.
Das entsprach keinesfalls der regionalen Politik des Staates der
Kadscharen, und 1752 fiel der Anwarter au f den Schah-Thron und
bekannte Heerfuhrer Muhammed Gasan-Khan K adschar189 in das
Khanat Karabach ein. Aber sein Feldzug war nicht erfolgreich, sowohl
aufgrund des starken W iderstandes, den er hier antraf, als auch
deshalb, weil sich im Staat der K am pf um den Thron verscharft hatte.
Gasan-Khan Kadschar lieB das Khanat Karabach in Ruhe und kehrte
eilends in die Hauptstadt zuriick.
Aber der Friede fiir die Bevolkerung von Karabach hielt nicht
lange an, und bereits nach sieben Jahren drang 1759 die 30.000 Mann
starke persische Armee unter Fatali-Khan Afschar, eines der
bekanntesten Heerfuhrers Nadir-Schahs, in die Gebiete des Khanats
Karabach ein. Fatali-Khan gelang die Besetzung aller siidlichen
Regionen Nord-Aserbaidschans und einiger Gebiete des Khanats
Karabach. Jedoch siegten bei der entscheidenden Schlacht um
Schuscha und Umgebung die Streitkrafte von Panah Ali-Khan. Diese
Niederlage und der eintretende Winter zwangen Fatali-Khan, mit
Panah Ali-Khan einen W affenstillstand zu schlieBen.190 Dieser
Feldzug und sein Ausgang demonstrierten alien Khanaten und dem
Kadscharenstaat selbst die wachsende Macht und den zunehmenden
Einfluss des Khanats Karabach. Panah Ali-Khan gelang selbst im
Biindnis mit dem neuen Herrscher von Persien Kerim-Khan Send die
Vemichtung seines Feindes Fatali-Khan. Jedoch verbrachte Panah
Ali-Khan seine letzten Jahre infolge der Hinterlist des persischen
Schahs als Gefangener in Schiras, das in der zweiten Halfte des 18.
Jahrhunderts Hauptstadt des Kadscharenstaates geworden war. Er ist
in der kleinen Ortschaft Imaret bei der Stadt Agdam begraben. Das
Khanat Karabach blieb jedoch ein souveraner autonomer Staat. Unter
der Leitung von Ibrahim Khalil-Khan (1763-1806), des Sohnes Panah
Ali-Khans, wurde es gegen Ende des 18,-Anfang 19. Jahrhunderts.141
eines der machtigsten aserbaidschanischen Staatsgebilde. Der
Transkaukasus spielte in der Zeit der Russisch-Osmanischen Kriege in
der zweiten Halfte des 18. Jahrhunderts eine aufierst wichtige Rolle.
Deshalb stieBen die Versuche der Kadscharenherrscher192 und der
osmanischen Sultane, die territorialen Eroberungen im Transkaukasus
zu erneuern, bei der russischen Regierung auf Widerstand. In dieser
Lage orientierten sich einige Khane verstarkt nach Russland. Wahrend
des Russisch-Osmanischen Krieges 1768-1774 sandte der osmanische
Sultan den aserbaidschanischen und dagestanischen Khanen einen
2007, N11 Mironow B.N. Rossija i sapad w XVIII - natschale XX wekow:
soziologitscheskie obrasy i istoritscheskaja realnost.“ (Russland und der
Westen vom 18.-Anfang 20. Jahrhundert: soziologische Studien und die
historische Realitat)
l89Die Dynastie der Kadscharen-Schahs herrschte von 1796 bis 1925. Der
turkischsprachige Stamm der Kadscharen, dessen Mehrheit Moslems
(Schiiten) waren, besiedelte viele Provinzen und Stadte von Aserbaidschan (in
Karabach, Urmija, Tabris, Karadag u.a.).
l40Vgl.: Mirsa Adugesal-bek. Karabachname. Baku 1950, S. 70.
1‘,i Vgl.: Petruschewskij I. P. Otscherki po istorii feodalnych otnoschenij w
Aserbajdschane i Armenii w XVI-X1X wekach. (Studie zur Geschichte der
Feudalbeziehungen in Aserbaidschan und Armenien im 17. - 19. Jahrhundert.)
Leningrad 1949, S. 137.
l4:Der Titel ,,Schahinschah“ erschien spater unter Mohammed Resa Pahlewi.
1934 begann sich Persien nach einem Erlass von Resa-Schah Pahlewi „Schahin-Schah-Staat Iran“ zu nennen.
120
121
B rief und entsandte Spione, um diese zum Aufstand gegen Russland
anzustacheln, hatte jedoch keinen Erfolg. Der gleiche M isserfolg w ar
dem Versuch des Sultans Abdul-Gamid I.193 auch wahrend des
Russisch-Osmanischen Krieges 1787-1791 beschieden. Fatali-Khan
von Kuba lehnte nicht nur den Vorschlag des osmanischen Emissars,
sich gegen Russland zu wenden und in das Konigreich KartliKachanta Uberzugehen, sondem erwies Iraklij II.194 Hilfe gegen die
Osmanen, ersetzte den Firman des Sultans durch die russische
Regierung und bat sie, das Khanat Kuba unter den Schutz Russlands
zu nehmen. Schon 1783 hatte sich der Khan von Karabach mit einer
ahnlichen Bitte an Petersburg gewandt, und Anfang der 90er Jahre, im
Zusammenhang mit einem drohenden persischen Angriff, taten dies
auch die Khane von Kuba, Baku, Talysch, Schirwan, Scheki und
Derbent.
Gegen Ende 1794 erstarkte Schah Agamuchammad-Khan (17811797), vom Stamm der K adscharen195 beachtlich und wuchs die
potentielle Gefahr eines Angriffs von Stiden fur die aserbaidschani­
schen Khanate. Nachdem er seine Konkurrenten im K am pf um die
Beherrschung des Staates uberwunden hatte, stellte er sich als nachste
Aufgabe die W iederherstellung der Zentralm acht und in den
Khanaten, die sich vom Imperium getrennt hatten. Um 1795 besetzte
l93Abdul-Hamid 1.: 27. Sultan, bestieg den Thron zum Zeitpunkt der groBten
Schwache des Osmanischen Reiches. Die entfemten Provinzen des
Imperiums, Syrien, Agypten u.a. erkannten kaum die Macht des Sultans an.
Der russische Heerftihrer Rumjanzew stand mit seinen Truppen an der Donau.
Nach dem Frieden von Kutschuk-Kajnardscha vom 21. Juli 1774 erhielt
Russland Kabarda, Kertsch, Asow und andere Gebiete, den freien Zugang
zum Schwarzen Meer sow ie die Schutzmacht iiber Moldawien und die
Walachei. Den Krimtataren wurde die Unabhangigkeit von Osmanischen
Reich gegeben, aber 1783 schloss Russland sich die Krim an. Der Krieg von
1787 -1791 endete mit der Vemichtung der osmanischen Flotte und der
Einnahme von Otschakow am 17. Dezember 1788, und kaum ein halbes Jahr
spater starb der Sultan (7. April 1788).
|94Iraklij II. (1720-1798), Konig von Kachetien seit 1744, des Konigreichs
Kartli-Kachetien ab 1762, bemiihte sich um Vereinigung der georgischen
Besitztiimer, richtete ein stehendes Heer ein und schloss mit Russland 1783
das Abkommen von Georgien.
195Kadscharen: tiirkisch-aserbaidschanische Stamme, die im 18. Jahrhundert im
Iran auftauchen und die sich in Karabach und Astrobad ansiedelten. Die
Kadscharen von Astrobad (oder Gorgan) waren der Beginn der gleichnamigen
Dynastie der persischen Schahs, zu der auch Fath-Ali-Schah gehorte.
122
er alle stidaserbaidschanischen Khanate. Nachdem er auf das linke
Ufer des Flusses Araxes (Aras) iibergesetzt hatte, sandte er seinen
Bruder Aligulu-Khan mit Truppen gegen Eriwan (Irewan).
Als schwieriger erwies sich die Unterwerfung der anderen
nordaserbaidschanischen Khanate. Ibrahim-Khan sandte, nachdem er
die Forderung Agamahammad-Khans erhalten hatte, er miisse eine
Geisel schicken, eine Gesandtschaft nach Russland mit der Bitte um
Hilfe und zerstorte, nachdem er eine positive Antwort erhalten hatte,
die historische Briicke von Chudafera iiber den Araxes und
versammelte 15-20.000 Mann zum Widerstand gegen die Truppen des
Schahs. Es wurden Kontakte zur russischen Armee im Nordkaukasus
gelegt und Angebote zur Zusammenarbeit unterbreitet.
A uf Initiative Ibrahim-Khans entstand eine gegen den KadscharenSchah gerichtete Koalition der Aserbaidschaner (Karabach, Irewan,
Talysch). Alle Meliks, auBer dem Medschlum von Tschiljaberd,
kampften auf der Seite Ibrahim-Khans. A uf der Grundlage der guten
Beziehungen mit dem georgischen Konig Iraklij II. konnte Ibrahim
Khalil-Khan auch ihn als Verbundeten im Kam pf gegen Kadschar
gewinnen. Als Sondergesandter zu Fragen dieser Verbindung wurde
Molla Panah W agif nach Tiflis gesandt.196
Diese Handlungen des Khans von Karabach und der anderen
aserbaidschanischen Khane veranlassten den Herrscher Aga Muhammed-Khan zu neuen Drohungen gegen diese Khanate. Die Drohungen
zeigten Wirkung, und alle aserbaidschanischen Khane erklarten ihre
Unterwerfung unter Persien. N ur der Khan von Karabach war bereit,
die Souveranitat und Autonomie seines Khanats durch bewaffneten
Kampf zu verteidigen.197
Dieser ,,Ungehorsam“ war fiir den Schah nicht zu tolerieren, und er
begann einen Feldzug gegen Karabach. Die erste Offensive schlug der
Khan von Karabach 1794 im Bundnis mit dem Konig von KartliKachetien Iraklij II. zuriick.198 A ber ein Jahr spater (1795) unternahm
Aga M uhammed-Khan, nachdem er die Briicke von Chudafera hastig
l%Vgl.: Mustafa Dsch. M. Sewernye chanstwa Aserbajdschana i Rossii (konez
XVIII- natschalo XIX wekow) (D ie nordlichen Khanate von Aserbaidschan
und Russland (Ende 18.-Anfang 19. Jahrhundert), Baku 1989, S. 73.
197Vgl.: Potto W. A. Kawkasskaja wojna (Der Kaukasuskrieg). Т. 1, Stawropol
1994, S. 259.
l4xDie georgischen Einheiten fuhrte Aleksandr, der Sohn des Zaren Iraklij II., in
den Kampf.
123
wieder aufgebaut hatte, den zweiten Versuch der ,,Bandigung“ des
Khanats Karabach. Mit einer Arm ee von 85.000 M ann, die von
franzosischen Offizieren angefuhrt wurde, bewegte er sich a u f
Karabach zu. Schuscha, das von 15.000 Karabachem verteidigt wurde,
wurde belagert, konnte aber in der Schlacht, die 33 Tage dauerte,
standhalten.199 Nachdem der Schah auf starke Verteidigungsanlagen
gestoBen war, beschloss er keine Zeit zu vergeuden und unterbreitete
Ibrahim-Khan einen Verhandlungsvorschlag. A ber der Khan zog es
vor, den W iderstand fortzusetzen, und diese Entscheidung verschaffte
ihm mit der Zeit eine Atempause.
Gleichzeitig wurde fast ganz Nord-Aserbaidschan schrecklich
verwiistet: die Truppen des Schahs verbannten Dorfer und fiihrten
Menschen in die Sklaverei weg. Die Bewohner flohen a u f die Berge
und in die W alder. In diesem Jahr wurden die Felder nicht bestellt und
im nachsten Jahr konnte man fast kein Getreide emten; die Bauem
ernahrten sich von Aas, W urzeln und Eicheln. Die Pest trat auf.
Schemacha und Ak-Su wurden verwiistet. Die nordaserbaidschanischen Khane waren gezwungen, sich als Vasallen des Schahs zu
sehen. Die beiden auf der Seite von Agamuhammed-Khan stehenden
Herrscher, Khan Dschawad von Gjandscha und Melik Meschlum von
Tschiljaberd, rieten - um ihren Misserfolg bei der Belagerung von
Schuscha zu relativieren - zum A ngriff auf Tiflis. Danach bewegten
sich die Truppen von Agamuhammed-Khan nach Ostgeorgien und
besetzten am 12. September 1795 Tiflis, raubten die Stadt aus und
verwiisteten sie und brannten sie praktisch vollig nieder.200 Im Winter
zogen die Schah-Truppen in die M uganer Steppe ab und Iagerten sich
dort entlang des Flusses Aras mit dem Ziel, im Friihjahr ihre
Kriegshandlungen wieder aufzunehm en.20'
Als Agamuhammed-Khan vor Mugan stand und ein Teil seines
Heeres Schirwan besetzt hielt, machte Russland bereits (ca. im
November 1795) Plane fiir eine militarische Operation, die die
folgenden Schritte beinhaltete. Die Kriegshandlungen wurden von drei
Seiten erfolgen: 1) die Kaspische Flottille sollte in Richtung Baku und
Ktiste von Talysch operieren; 2) die Truppen aus Georgien wurden
l9,Vgl.: Potto W. A. Utwerschdenie russkogo wladytschestwa na Kawkase (Die
Bestatigung der russischen Herrschaft im Kaukasus). T .l Tiflis 1904, S. 241.
200Vgl.: P.G.Butkow, T. 2, S.336-337.
201 Vgl.: P.G.Butkow, T.2, S. 339-341.
124
nach Gjandscha und Karabach geschickt;202 3) die russischen
Haupttruppen sollten von Kisljar aus operieren iiber Derbent und
Baku bis zur Miindung von Aras und Kura.203
In der Militaraktion gegen Agamuhammed-Khan deckten sich die
Ziele der russischen Regierung mit denen, die bereits 1784, unter
Alimurad-Khan formuliert worden waren.204 Ermutigt durch das
Nahen der russischen Truppen stimmte der Konig von KartliKachetien, Iraklij II., einem gemeinsamen Vorgehen mit IbrahimKhan von Karabach und der Bestrafung des Dschawad-Khans von
Gjandscha und des Meliks M edium von Tschilabert zu: gerade sie
waren Wegbereiter fur den verheerenden Feldzug AgamuhammedKhans nach Tiflis gewesen. Nach ihrem Einfall in Gjandscha
belagerten ihn die Verbiindeten lange. SchlieBlich ergab sich
Dschawad-Khan und es wurde Frieden geschlossen, und Melik
M edschlum wurde getotet.205
Im Februar 1796 musste Agamuhammed-Khan iibereilt aus NordAserbaidschan abziehen. In seinem Reich war eine neue innere Fehde
entbrannt und es gab einen Aufstand in Chorosan, und Russland
sandte im Mai den ,,Durchlauchtigsten“ Fiirsten, General Subow, P.A.
auf einen Feldzug.206 Noch vor dem Eintritt der Sommerhitze kamen
2(LDas Khanat Irewan und die anderen an das Osmanische Reich grenzenden
Gebiete wurden bewusst nicht Ziel dieses Feldzuges: Russland wollte die
Osmanan nicht provozieren.
20’Vgl.: P.G.Butkow, T. 2, S. 360-361.
2"4Vgl.: A.a.O., S. 365.
■0?Vgl.: Qarabagnameler, I kitab, seh. 124; 2 kitab, seh. 132. Ilier sei
angemerkt. dass wahrend der Zeit der so verhassten tiirkischen Suzeriine die
oppositionellen albanischen Meliks und die Albaner wohl alle Rechte hatten,
die auch die anderen Bewohner der aserbaidschanischen Beyliks und Khanate
hatten. Niemand mischte sich in ihre kirchlichen Angelegenheiten ein, als
Fthnie wurden sie geschiitzt angesichts des bekannten Zusammcnlebens mit
den Tiirken-Muselmanen. [tin vollig anderes Schicksal erwartete die Albaner
nach der Unterwerfung der arabischen Khanate unter Russland.
2llf’Platon Aleksandrowitsch Subow (1767-1822), russischer Staatsmann,
Durchlauchtigster Fiirst (1796), Generaladjutant (1792), Infanteriegeneral
(1800). Ab 1789 Giinstling der Zarin Katharina II., ab 1792 taurischer
Generalgouverneur und Generalfeldzeugmeister. Teilnehmer an den Verhand­
lungen iiber die 3. Teilung des Staates Polen-Litauen (1795). Kommandierte
1796 die Schwarzmeerflotte. Befurwortete die Ubertragung des Thrones an
GroBfurst Aleksandr Pawlowitsch unter Umgehung von Paul I. und war an
einer Verschworung mit dem Ziel des Sturzes des letzteren (1801) beteiligt,
1801-1802 Mitglied des Nepremennyj Sowjet (Rat des Zaren).
125
die russischen Truppen bis Schirwan. Derbent hatte sich d en
russischen Truppen unter dem D ruck der stadtischen B evolkerung
ergeben. Die Einwohner Bakus nahmen die Proklam ation Subow s
erfreut auf und iiberlieBen die Stadt freiwillig seinen Truppen. D ie
Khane von Baku, Scheki und Gjandscha unterwarfen sich Russland.
In Schirwan wurde der Verbiindete des Kadscharenstaates M ustafaKhan von den ortlichen Beys abgesetzt und von seinem Vetter, einem
Verbiindeten Russlands, Kasim-Khan ersetzt. Ibrahim Khalil-K han
von Karabach sandte, um einen Einfall in sein Khanat zu verhindem ,
seinen Sohn mit teuren Geschenken zu Subow und bat darum, Zarin
Katharina II. seiner Zuverlassigkeit zu versichem . Subow bereitete
den Anschluss Nord-Aserbaidschans bis zum Araxes (Aras) im Siiden
vor. Dieses Mai waren die Russen jedoch nicht lange in den Gebieten
Nord-Aserbaidschans. Im Novem ber 1796 starb Katharina II., und der
neue Zar Paul 1. zog sich aus der aktiven Politik in den Landem des
Transkaukasus zuriick und konzentrierte seine ganze Aufmerksamkeit
auf europaische Angelegenheiten. Anfang 1797 wurden General G raf
Subow und seine Truppen auf Befehl vom 4. Dezember 1796 nach
Russland abgezogen.
Agamuhammad-Khan nahm die russischen Ereignisse als Geschenk des Schicksals und belagerte im Friihjahr 1797 erneut die
Hauptstadt des Khanats Karabach, Schuscha. Seine Absicht war, nach
der Vernichtung des Karabacher Khans Ibrahim einen groBen Feldzug
in das Konigreich Kartli-Kachetien zu untemehmen und die Bewohner
der Khanate Schemacha, Scheki, Saljan und Talysch sowie des
Konigreichs Kartli-Kachetien und anderer in seine Erbguter in
Masandaran und Astrabad hineinzutreiben. Das vom Hunger und der
Pest geschwachte Land konnte nicht lange Widerstand leisten. Nach
harten Kampfen, der Anwendung einer Kriegslist und der Tauschung
seitens der Oberbefehlshaber des Schahs fiel Schuscha. In dem
Massaker, das die Schah-Truppen in der Stadt veranstalteten, kam
auch Molla Panah W agif („der W issende“), Oberwesir des Khanats.
Gelehrter und der begnadetste unter den damaligen aserbaidschani­
schen Dichtern, um. Aber auch Schah Agamuhammed-Khan selbst
wurde im Mai 1797 in Schuscha von einigen Vertrauten getotet, die
um ihr Leben furchteten.207
207V gl.: Ahmed-bek Dschewanschir. О polititscheskom suschtschestwowanii
Karabachskogo chanstwa s 1747 po 1805 g. (Ober die politische Existens des
126
Wahrend der Belagerung von Schuscha gelang Ibrahim KhalilKhan mit einer kleinen Abteilung ein erfolgreicher Ausfall, bei der die
gesamte Bedienung der Artillerie des Gegners vemichtet wurde.
Jedoch gelang es den Truppen des Schahs, den Rtickweg in die
Festung abzuschneiden. Mit unglaublicher Anstrengung gelang es
dem Khan und seiner kleinen Abteilung, sich quer durch die Reihen
des Feindes nach Dschara und Tali durchzuschlagen. In das zerstorte
Schuscha konnte er erst nach drei Monaten zurtickkehren. Der neue
Herrscher des Imperiums Fatali (Fath-Ali)-Khan (1797-1834), Neffe
von Agamuhammed-Schah versuchte auf Ibrahim Khalil-Khan uber
die Bruderdiplomatie einzuwirken, was ihm auch gelang.208
Nach der Ermordung von Agamuhammed-Khan in Schuscha
forderte dessen Neffe Fatali-Schah, bekannt unter dem Namen BabaKhan, indem er Kuriere zu Ibrahim-Khan schickte, von diesem die
Herausgabe der sterblichen Uberreste seines Onkels und auBerte den
Wunsch, Ibrahim-Khan moge sich ihm unterstellen. Ibrahim-Khan
sandte unter Beriicksichtigung der schwierigen Lage seines Landes
und der Feindseligkeit der oppositionellen Khane, den Leichnam von
Agamuhammed-Khan mit den hochsten Ehrenerzeugungen nach
Teheran. Fatali-Schah war zufriedengestellt und schlug Ibrahim-Khan
vor, sich verwandtschaftlich zu verbinden. Zwischen der Tochter
Ibrahim-Khans Agabajim-aga und Fatali-Schah wurde die Ehe
geschlossen. AuBerdem gab der Schah Ibrahim-Khan das Recht zum
Steuereinzug nicht nur vom Khanat Karabach, sondern auch von
Karadag. So erhielt der Khan von Karabach eine langjahrige
Atempause, wobei er gleichzeitig verstand, mit welchem Endziel
Fatali-Khan ihn begunstigte. Im Khanat Schirwan wurde Mustafa
(Mustafaj)-Khan wieder eingesetzt. Zuerst zeigte Fatali-Khan keine
groBe Aktivitat im Transkaukasus.
Anfang des 19. Jahrhunderts wurden die Politik und die
militarische Aktivitat Russlands im Kaukasus stark aktiviert. Die
Khanats Karabach von 1747 bis 1805), Schuscha, 1901, S. 1-30; Potto W.A..
Kawkasskaja wojna (Der Kaukasuskrieg)..., S. 270. Aga-Muhammed wurde
von zwei seiner nahestehenden Diener umgcbracht, denen er am Vorabend
erklart hatte, dass sie ihm heute - wegen des Freitags-Feiertages - noch
dienen konnten, und morgen wiirde er sie exekutieren. Vgl.: P. G. Butkow,
T.2, S.427, 430-431.
20*Vgl.: Bersche A. Fatali-Schach i ego deti. (Der Schah und seine Kinder)
Russkaja starina, 1886, Bd. 50, S. 553.
127
grundlegenden Bemiihungen waren zunachst auf das K onigreich
Kartli-Kachetien ausgerichtet und spater in Richtung
der
aserbaidschanischen Khanate. Das Konigreich Kartli-Kachetien w urde
am 12. September 1801 durch M anifest Alexanders I. an Russland
angeschlossen. Als Grundlage dieses M anifestes diente ein anderes
Manifest, das vom Vorganger Alexanders, Paul, am 22. Dezember
1800 unterzeichnet, jedoch aufgrund seines Todes am 12. M arz 1801
nicht umgesetzt worden war.
General Zizianow (seit 1802 Oberbefehlshaber der russischen
Armee in Tiflis) unterwarf sich 1803 das autonome Gebiet DscharoBelakanskij (bestand aus sechs ,,Dschaamaty“, die sich zu autonomen
Territorien vereinigt hatten) und 1804 das Khanat Gjandscha (Ganca)
(die gleichnamige Hauptstadt des Khanats wurde am 3. Januar 1804
eingenommen).209
Es war offensichtlich, dass auch das Khanat Karabach nicht vor
einem russischen Angriff sicher sein konnte. Deshalb erwies Ibrahim
Khalil-Khan Dschawad-Khan von Gjandscha angemessene Hilfe und
versteckte die beiden Sohne des Khans in Schuscha. Dschawad-Khan
rettete diese Hilfe nicht, und Ibrahim Khalil-Khan selbst war vor eine
tragische Wahl gestellt.
Die strategisch wichtige Lage von Karabach, seine natiirlichen
Reichtiimer und der militarische R uf seines Khans uberzeugten
Zizianow davon, mit Ibrahim Khalil-Khan eine Politik von Zuckerbrot
und Peitsche zu beginnen. In recht unverbliimtem, an Grobheit
grenzendem Ton legte Zizianow dem Khan von Karabach nahe, sich
Russland zu unterstellen.210 Zizianow scheute sich nicht, sowohl mit
Einschiichterung als auch mit „moralischem Druck“ (Ajdyn Aslanow)
zu kalkulieren. Davon zeugt klar sein Brief vom 8. Januar 1804 an den
karabachischen Khan Ibrahim Khalil-Khan: „Ich bin sehr erstaunt.
dass ich mich mit den beriihmten und unbesiegbaren russischen
Truppen seit uber einem Monat hier (in Gjandscha -R.J.) befinde, und
dass bereits 6 Tage vergangen sind nach der Erstiirmung und Einnahme der Festung aufgrund der Hartnackigkeit und Gewalttatigkeit
des Dschewad-Khan von Gjandscha, der mit seinem Sohn Hussein20,Vgl.: Archiwnyj sbornik: „Akty Kawkasskoj archeografitscheskoj komissii"
(AKAK) (Akten der kaukasischen archographischen Kommission.) Band 2.
Tiflis 1868, Dokument 1387, S. 685.
2l0Vgl.: А КАК, Bd. 2, Dokument 1387, S. 303.
128
Kuli-aga gefallen ist, und mit 1500 Mann russischer Infanterie, und
Ihr, die Ihr in so naher Nachbarschaft sind, und den starksten Schutz
suchen mtisstet, mir keinen WillkommensgruB schickt... Ich weiB,
dass wahrend ich vor Gjandscha stand, Ihr wie Espenlaub gezittert
habt und gleichsam nicht geantwortet habt; ich weiB, dass vor meiner
Ankunft bei Gjandscha Ihr als angstlicher Hase und listiger Fuchs ...
es nicht wagtet in dem Stil zu reden, wie jetzt, da Ihr mich in der
Feme wahnt. Aber glaubt mir, dass auch die Truppen von Gjandscha
ausreichen, um Euch zu vernichten: glaubt mir, dass die
Uneinnehmbarkeit Eurer Festung fiir die Russen ein Leichtes sein
wird: Ihr werdet das zu seiner Zeit sehen, - wie auch Dschewad-Khan
sagte, solange er das Land plagte. Ich kann mein Wort halten. Hat
man schon auf der Welt gehort, dass eine Miicke mit einem Adler
Verhandlungen gefuhrt hat; dem Starken ist es zu eigen, zu befehlen,
und der Schwache ist dazu geboren, dass er dem Starken untergeben
ist.... Ich rufe Euch auf, Euch zu unterstellen und - wenn Ihr in
Frieden leben wollt - das von mir in diesem Brief Geforderte zu
erfullen“ .2"
Die wiederholten Einfalle der kadscharischen Tippen in Karabach
zwangen Ibrahim Khalil-Khan, nach langen Uberlegungen die
Forderung Zizianows anzunehmen und sich mit ihm am Ufer des
Kjuraktschaj zu treffen und sein Khanat ohne bewaffneten Widerstand
an Russland auszuliefern. A uf den Einfall der Truppen von
Agamuhammed-Khan 1797 in die nordaserbaidschanischen Khanate
folgte eine dreijahrige Diirre und schwere Missernte, was zu groRcm
Hunger in der Bevolkerung fuhrte. Karabach war verwiistet und ein
grofier Teil der Bevolkerung war auf der Suche nach etwas Essbarcm
gezwungen, ins Konigreich Kartli-Kachetien, Gjandscha, Irewan,
Scheki, Schirwan, Karadag und andere Orte zu gehen.21" Zunachst gab
der Kadscharenstaat Ibrahim-Khan iiber die Ehe der Tochter des
Khans mit dem Kandscharen-Schah einen unerwarteten Ausweg aus
dieser schweren Lage.
Andererseits verstarkte sich die russische Expansion nach NordAserbaidschan. Die Besetzung von Gjandscha durch die Russen, der
Tod Dschawad-Khans und seines Sohnes wahrend der Erstiirmung
von Gjandscha und der Drohbrief von Fiirst Zizianow zeugten von
21' AKAK, Bd 2, Dokument 1436, S. 703
2l2Vgl.: Qarabagnameler, 1 kitab, seh. 129; 2 kitab, seh. 34.
129
einer wachsenden neuen todlichen Bedrohung sowohl ftir den Khan
und seine Familie selbst als auch fur sein Khanat. Angesichts dei
veranderten Situation in Nord-Aserbaidschan und im Konigreick
Kartli-Kachetien erkannte Ibrahim Khalil-Khan klar, dass er
unmoglich siegen konnte, w enn er allein gegen die Kadscharen oder
Russland kampfte.
Erst uber ein Jahr spater schickte Ibrahim-Khan schlieBlich seiner
Gesandten zu Zizianow m it dem Ausdruck der Unterwerfiing, una
Zizianow ubertrug dem M ajor des 17. Jagerbataillons, Lisanewitsch
D. T .' J die Organisation der Unterzeichnung des „Abkommens". Zur
Unterzeichnung dieses ,,Abkom m ens“ zwischen dem Khanat Kara­
bach und dem Russischen Reich kam Ibrahim Khalil-Khan selbst mit
seinem Neffen nach Elisawetpol (dem umbenannten Gjandscha), und
hinterlieB in Schuscha bis zu seiner Ruckkehr seinen altesten Sohn.
Nach Abschluss des ,,Abkom m ens“ (Text des Abkommens siehe
Anhang) im Lager am Fluss Kjuraktschaj in der Nahe von Elisawetpol
kehrte der Khan bereits m it russischen Truppen nach Schuscha
zuriick.
Der 1804 beginnende Krieg zwischen dem Russischen Reich und
dem Kadscharenstaat stellte den Khan vor die Notwendigkeit einer
schwierigen und schnellen Wahl: ,,Raum“ zum Lavieren blieb nicht.
Beide benachbarten M achte, der Kadscharenstaat und Russland,
schickten sich an, sich das Khanat Karabach einzuverleiben. Als
kluger Politiker, der das Khanat schon 43 Jahre regiert hatte, traf
Ibrahim Khalil-Khan, in A nbetracht der schwierigen Umstande, die
richtige Entscheidung und w ahlte das kleinere Ubel.214 A uf der
Grundlage des Vertrags vom 15. Mai 1805 schloss sich das Khanat
Karabach als erstes aserbaidschanisches Khanat, das nicht erobert
w urde215, Russland an.
Lisanewitsch, Dmitrij Tichonowitsch: Generalleutnant (1778-1825). Diente
sich hoch bis zum Generalleutnant und wurde 1824 zum Befehlshaber iiber
die Truppen im Kaukasus ernannt. Einen Tag nach der bekannten Schlacht bei
Gersel-aul (bei Aksaj), wo die Gebirgslandwehr vemichtend geschlagen
wurde, wurde Lisanewitsch von den unversohnlichen Kampfem todlich
verwundet.
Vgl.: Segal I. Elisawetpolskaja gubernija (Das Gouvernement Elisawetpol).
In: Kawkasskij westnik, 1902, 3.
Vgl.: Abkommen zwischen dem Khan von Karabach und dem Russischen
Reich iiber den Anschluss des Khanats Karabach an die Russische Herrschaft
130
Am 10. September 1806 wurde dieser Vertrag durch Erlass des
russischen Zaren Alexander I. bestatigt, und 1813 wurde das
„Abkommen iiber ewigen Frieden und Freundschaft“ (Friede von
Giilistan) zwischen dem Russischen Reich und dem Kadscharenstaat
international anerkannt. A uf der Grundlage aller dieser Urkunden
gelang es dem Khanat Karabach 17 Jahre lang (bis 1822 ) wenigstens
seine innere Autonomie zu bewahren. 1822 wurde das Khanat
Karabach aufgelost und in eine Provinz Russlands unter Militarregierung umgewandelt. Da der Vertrag am Ufer des Flusses
Kjuraktschaj in Karabach unterzeichnet worden war, ging er auch als
Vertrag von Kjuraktschaj (,,tschaj“ bedeutet auf aserbaidschanisch
,,Fluss“ oder ,,Wasser“ ) in die Geschichte ein. Unterzeichnet wurde er
auf russischer Seite von Pawel Zizianow und auf karabachischer Seite
von Ibrahim-Khan, der hier Khan von Karabach und Schuscha hieB.
Bis 1822 wurde Karabach von Mechtigulu-Khan regiert, dem Sohn
Ibrahim Khalil-Khans, als Vasalle des Zaren, danach bis 1918, vor der
Schaffung der Demokratischen Republik Aserbaidschan, regierten
Karabach verschiedene Personen aserbaidschanischer Nationality, die
von den zaristischen Behorden ernannt wurden.
Bei den jetzigen Auseinandersetzungen iiber das Schicksal von
Berg-Karabach zeigt die aufmerksame Lektiire dieses Vertrages jedem
unvoreingenommenen Leser, dass darin die Rede ist von einem
aserbaidschanischen Staatsgebilde ostlichen Typs, das die Notwendig­
keit des Anschlusses an Russland anerkennt. In der friedlichen
politischen und gerechten Beilegung des Karabach-Konfliktes kann
die Beriicksichtigung dieses Umstandes nur forderlich sein.
Im Friihjahr 1806 fiel die kadscharische Armee mit 20.000 Mann
erneut in Karabach ein. Ibrahim Khalil-Khan kampfte auf russischer
Seite und stellte gegen die Kadscharen 1.000 Reiter. Damals war er
der einzige aserbaidschanische Khan, der im Bundnis mit Russland
dem Kadscharenstaat W iderstand leistete.216 Und trotz dieses ganz
offensichtlich loyalen Verhaltens Ibrahim Khalil-Khans gegenuber
vom 14. Mai 1805. In „Bolschaja Sowjetskaja Enziklopedija (GroBe
Sowjetenzyklopadie). Chefredakteur O. J. Schmidt. Moskau 1939, Bd. 41, S.
17 heisst es, dass das Khanat Karabach 1913 an Russland angeschlossen
wurde, was nur vom Standpunkt des intemationalen Vertragsrechts wahr ist.
2l6Potto W.A.. „Utwerschdenie russkogo wladytschestwa na Kawkase (Die
Festigung der russischen Herrschaft im Kaukasus). T. 1-4, Tiflis 1901 - 1908,
Band 2, S. 6.
131
Russland waren seine letzten Tage voller Tragik und ungerechter
Schicksalsschlage. Als sich 1806 die Kadscharenarm ee Schuscha
naherte, wurde Ibrahim Khalil-Khan zusam m en mit seiner Fam ilie
verraten, von Major Lisanewitsch festgenommen und hingerichtet.
Nur ein Sohn des Khans, M edingulu-aga, konnte der V erhaftung
entkommen und sich retten. Im Erlass von Zar Alexander I. wurde die
Hinrichtung des Khans von Karabach als „tragischer Fall“ bezeichI 7
net.
22 Jahre spater wurde das Khanat Karabach aufgelost und an
seiner Stelle die Provinz Karabach gegriindet. Und dennoch blieb die
Autonomie des Khanats Karabach im Laufe dieser Jahrzehnte
bestehen, w enn auch in geschwachter Form, fiir die Elite des Khanats
in alien inneren Angelegenheiten eine Realitat, deren Grundlagen
Ibrahim Khalil-Khan gelegt hatte. W ahrend des russischkadscharischen Krieges 1826-1828 leistete die Kavallerie von
Karabach, nach dem Zeugnis von General Ermolow A .P.218, einen
nicht geringen Beitrag zum russischen Sieg.219 Die Geschichte des
Kampfes der Beyliks von Karabach und des Khanats Karabach spielt
in der Entwicklung der Staatlichkeit von Aserbaidschan eine wichtige
Rolle. Diese Rolle, ihre innen- und auBenpolitische Bedeutung fiir
Aserbaidschan wird heute in der Weltoffentlichkeit und den
intemationalen Organisationen unzureichend berticksichtigt.
2l7Vgl.: „Die zweihundertjahrige Tragodie Karabachs, oder die Folgen des
Vertrages
von
Kuraktschaj“.
In:
Serkalo,
15.2.2005;
Zeitung
„Aserbajdschan11, 8.11.1989.
2l8Ermolow Aleksej Petrowitsch (1777-1861), russischer Heerftihrer und
Staatsmann, General der Infanterie und Artillerie. Mit 15 im Kapitansrang in
den Militardienst eingetreten (1792) und Teilnehmer an der polnischen
“Versohnung” 1794. 1798 wurde er wegen eines Briefes an Kachowskij.
seinen Schwager, mit einer scharfen Meinung uber die Leitung in der Festung
Petropawlowsk gefangen gehalten und nach Kostroma in die Verbannung
geschickt, spater begnadigt und in den Feldzugen von 1813 war er sogar
Generalinspektor der Artillerie aller auslandischen Armeen. 1815 wurde er
zum Oberbefehlshaber im Kaukasus emannt und blieb es bis 1827. als er
aufgrund voji Meinungsverschiedenheiten mit Paskewitsch seinen Posten
verlieB. Es ist bemerkenswert, dass er im Kaukasus, wohin er faktisch
verbannt wurde, bei den ihm zur Verfugung gestellten unzureichenden
Mitteln und bei der geringen Anzahl Truppen, hier herausragende Siege der
russischen Armee organisieren konnte. Im Kaukasus wurde Ermolow jedoch
vor groBen Unannehmlichkeiten in Verbindung mit der Sache der Dekabristen
Alexander Sergeewitsch Gribojedows bewahrt. Aleksej Petrowitsch starb
1861 in Moskau. Das Grab dieses Helden der russischen kolonialen Siege ist
hier nicht erhalten. Es steht schlecht um die Sache des historischen
Andenkens in Russland.
2l9Vgl.: Halibejli Ibrahim H.M. Rossija i Aserbajdschan w perwoj treti XIX
weka (Russland und Aserbaidschan im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts
(aus der militarisch-politischen Geschichte), Moskau 1969, S. 106.
132
133
8. Schirwan und das Khanat Schirwan bei der
Entwicklung der aserbaidschanischen Staatlichkeit
„In der Jugend eines Staates werden dessen mili­
tarische Qualitaten besonders hoch geschatzt. “
F. Bacon
Schirwan ist ein Gebiet des transkaspischen Transkaukasus
zwischen Georgien im Westen, dem Kaspischen Meer im Osten und
dem linken Ufer des Unterlaufs der Kura im Siidwesten (mit den
Stadten Schemacha, Nucha (Scheki), Kuba, Baku, zeitw eise auch
Derbent). Zu Zeiten der Griechen und Romer war es der nordostliche
Teil Kaukasisch-Albaniens (die Armenier nannten es Agwan); im
arabischen Mittelalter war es der nordostliche Teil von Arran. Die
Kura trennte Schirwan vom siidwestlichen, oder Kem-Arran, gelegen
zwischen dem rechten Ufer der Kura und dem Fluss Araxes. Die
Hauptstadt von Kern-Arran war Gjandscha (Ganca), noch friiher
Barda, das dann verodete. Nach der Angliederung an Russland kam
das Gebiet von Schirwan zum Gouvemement Baku, und Kem-Arran
wurde zum Gouvemement Elisawetpol. 1918-1920 entstand auf dem
Territorium dieser Gouvem ements und des ehemaligen Khanats
Nachitschewan die Republik Aserbaidschan.
Die souverane Republik Aserbaidschan liegt weitgehend auf dem
Territorium Kaukasisch-Albaniens - dem historischen Land des
aserbaidschanischen Volkes, umfasst jedoch langst nicht alle
historischen aserbaidschanischen Lander (von Derbend im Norden bis
Chamadan im Siiden, vom Kaspischen Meer im Osten bis Kleinasien
im W esten).220
Im 6. Jahrhundert, als Aserbaidschan sich innerhalb des Sassanidenstaates befand, wurden vier Statthalterschaften oder „Kusty"
(,,Seiten“) geschaffen. Der nordliche ,,Kust“ wurde „Aserbaidschani­
scher" genannt und zu ihm gehorten alle historischen Lander
Aserbaidschans.221 A uf den Wanden des alten Derbent ist folgende
Inschrift zu sehen (Kopie des Textes siehe Anhange), die in der
220Vgl.: Achmedowa Firdowsija. О toponime „Aserbajdschan11 (Uber das
Toponym „Aserbaidschan11. In: IRS Nasledie, N1 2007, S. 26.
22lVgl.: Kasumowa S. Ju. Aserbajdschan w III. VII. Wekach (Aserbaidschan im
3.-7. Jahrhundert. Baku, 1992, S. 43
134
(mittelalterlichen persischen) Pahlawi-Schrift geschrieben
ist:
„Barsadisch, amargar (Finanzinspektor) Adurbadagana“.222 Der
arabische Autor des 10. Jahrhunderts Ibn Chaukal bezeichnet das
Gebiet am Meer von Derbend im Norden bis Gilan im Siiden auf der
'“ Vgl.: Pachomow E.A. Pechlewijskije nadpisi Derbenda// Iswestija
Obschtschestwa obsledowanija i isutschenija Aserbajdschana (Die PahlawiInschriften von Derbend//Nachrichten der Gesellschaft fur die Erforschung
und das Studium Aserbaidschans) Ausgabe V, N8, Baku, 1929; Njuberg G.S.
Materialy po istolkowaniju pechlewijskich nadpisej Derbenda (Materialien
zur Auslegung der Pahlawi-Inschriften// A.a.O., Kasumowa S. Ju.
Srednepersidskaja grafika Kawkasskoj Albanii) Die mittelpersische Schrift
Kaukasisch-Albaniens), Baku, 1994. Derbent liegt auf einem Auslaufer des
Tabasaran-Gebirges und bildet den Abschluss des schmalen Kiistenstreifens,
der als „Tor (oder Flaschenhals) von Derbent11 bekannt ist. Dieser ist der
einzige geeignete naturliche Durchgangsweg vom Kaukasusvorland zum
Transkaukasus. Schon die Autoren des Altertums erwahnten die „Albanischen
Pforten11 (Pylae albanicae) an der Westkiiste des Kaspischen Meeres. Das
Wort „Derbent11 ist persisch („der11 bedeutet Tiire, „bend11 bedeutet Schranke,
Hindernis), bei den Arabern heisst Derbent „Bab-ul-abwab11 (d.h. Tor der
Tore) oder ,,Bab-ul-chadit“ (eisernes Tor), manchmal auch „Seril-ul-dagab"
(goldener Thron); der tiirkische Name ist „Temir-kapysi11 (eisernes Tor), der
georgische „Dsgwis kari11 (Meerestor). Alle diese Namen weisen klar auf die
strategischen Funktionen des Ortes und der Stadt hin. Die Griindung der Stadt
Ende des 5. oder Anfang des 6. Jahrhunderts wird mit groBer Wahrscheinlichkeit dem persischen Schah Kubad aus der Dynastie der Sassaniden
zugeschrieben. Die endgiiltige Errichtung der Mauern und Zitadellen erfolgte
unter seinem Sohn Chosrow I. Anu-Schirwan (Nuschurwan der Gerechte), der
von 530 bis 578 herrschte. Die Stadt wurde bis zu ihrer Besetzung durch
Russland, groBtenteils von aserbaidschanischen (zum Beispiel von Kuba)
oder persischen Schahs beherrscht. Periodisch fiel sie in die Uande der
Hasaren, der Araber, der Osmanen u.a. Die Russen fuhrten erstmals auf
staatlicher Ebene Verhandlungen iiber Derbent unter Zar Fjodor Iwanowitsch
(1557-1598) mit dem Safawidischen Schah Emir-Gamse, der Derbent gegen
ein Biindnis gegen die Osmanen abtreten wollte, aber die Verhandlungen
brachten nicht die von den Seiten gewiinschten Resultate. 1722 wurde
Derbent wahrend des Feldzuges in den Safawiden-Staat von Peter I.
eingenommen. Eine Russische Garnison befand sich hier bis 1736, als alle
Transkaspischen Besitztiimer, die von Peter I. erobert worden waren, an den
aserbaidschanischen Safawiden-Staat unter der Regentschaft von Nadir-Schah
Afschar zuriickgegeben wurden. 1760 wurde Dagestan vom Khan von Kuba,
Fatali-Khan annektiert, und nach dessen Tod ging die Stadt an seinen Bruder
Scheich-Ali, der bis 1796 iiber sie herrschte, als die aserbaidschanische
Herrschaft iiber die Stadt durch die Einnahme von Derbent durch den
russischen Heerfuhrer Subow beendet wurde. Die endgiiltige Angliederung
Derbents an Russland erfolgte gemaB dem Vertrag von Giilistan zwischen
Russland und dem Kadscharenstaat 1813.
135
von ihm erstellten Karte von K aspien „Aserbaidschan". Bekannt ist,
dass beide Teile Aserbaidschans (Norden und Siiden) mehrmals in der
Geschichte ganz oder teilweise zu einem Staat gehorten. Zu diesen
Staaten gehoren das von den V orfahren der Aserbaidschaner errichtete
M anichaer-Konigreich, die Staaten der Atabeken, der Hulagiden, der
Aq-Qoyunlu, und das bedeutendste in dieser Reihe ist das
Safawidische Reich, zu dem die historischen aserbaidschanischen
Lander ganz gehorten.223
Aus arabischen Quellen des 9.-10. Jahrhunderts ist bekannt, dass
Schirwan
bereits vor der arabischen
Eroberung, in
der
Sassanidenzeit,224 seine eigenen Herrscher (Schirwan-Schahs) hatte.
die als Vasallen von den persischen H osroen abhangig waren, aber
gleichzeitig mit den Hosroen verw andt waren. Diese Schirwan-Schahs
iibten zeitweise den Zoroastrism us und zeitweise das Christentum aus.
Die Araber, die Schirwan im 7. Jahrhundert eingenommen hatten.
errichteten im Khanat dessen alte Dynastie, die sich verpflichtete,
Tribut zu zahlen. Im Land lagen arabische Garnisonen, ein Teil der
ortlichen Bewohner gingen zum Islam uber. Unter dem AbbasChalifen Charun ar-Raschid Ende des 8. Jahrhunderts war die
Regierung Schirwans und Siid-Aserbaidschans in der Hand eines
arabischen Statthalters konzentriert, der in Barda residierte. Ein
solcher Statthalter des Kalifen w ar ab 798 Jasid ibn-Masjad (gest.
801). Sein Geschlecht begriindete in Schirwan die arabische
Erbdynastie der Schirwan-Schahs, der sogenannten Masjadiden, die
bis zur Offensive der Seldschuken-Epoche, d.h. bis 1067 bestand. In
der iiber zweihundertjahrigen Herrschaft der arabischen Dynastie
gelang es ihren Vertretern, sich m it vielen Vertretem der friiheren
ortlichen Dynastie verwandtschaftlich zu verbinden.
Zuweilen ging in inneren ZusammenstoBen die Macht an die
Schwager der M asjadidendynastie, und der vernichtende Feldzug der
,,Rusen“ im Jahre 944 nach Barda ereignete sich gerade unter einem
solchen „unanfechtbaren Nachkom men des Bechram-Gur“ (Ausdruck
des Historikers des 10. Jahrhunderts, Masud).225 Der Feldzug der
,,Rusen“ war bedingt durch die zahlreichen rauberischen Bestrebungen. Der damalige materielle Wohlstand von Schirwan kann
zahlenmaBig auf 1 Million Dircheme (rund 250.000 Goldrubel) jahrlicher Tributzahlung an den aserbaidschanischen Herrscher im Jahre
953 geschatzt werden (dariiber berichtete der Historiker ibn-Chaukal).
In dieser Million war auch der Tribut des Vasallentums Schirwan
Scheki (Nucha) enthalten. Haupteinnahmequellen von Schirwan
waren: Seidenzucht mit Zentrum in der Stadt Schemacha, Olforderung
bei Baku zu militarischen Zwecken („griechisches Feuer") und der
lebhafte Transithandel iiber Schirwan.
Als die Turken-Seldschuken das friihere Asia eroberten, unterwarf
sich ihnen auch Schirwan, und dort trat die Dynastie der Kesraniden
auf. Diese Schirwanschahs existierten iiber 300 Jahre und iiberlebten als Vasallen - die Epoche der groBen Seldschuken-(Tiirken-Oghusen-)
Sultane, und ihre Nachfahren, die „Atabeken", iiberlebten nach ihrer
Epoche die Mongolensultane, die Nachfahren Dschingis-Khans und
der mongolischen Heerftihrer und hielten sich bis zur Zeit Timur
Tamerlans (1336-1405). Die Schirwanschahs der Kesraniden-Dynastie
trugen alle altnationalistische persische Namen (Firibors, Manutscherch, Afridun, Echsitan, Gerschasp, Kejkobad u.a.). Sie zeichneten
sich durch ihre Bemiihungen um die persische Literatur und Kultur
aus, die in der Seldschukenepoche ihr goldenes Zeitalter erlebte.
Die hochste Entwicklung unter der Dynastie der Kesraniden
erreichte Schirwan im 12. Jahrhundert. Zu dieser Zeit ging die Periode
der ersten machtigen Seldschukensultane zu Ende, und im Trans­
kaukasus erlangte das Schirwan benachbarte Konigreich Georgien
zunehmend Einfluss. Vom Konig aus der Dynastie der Bagratiden
David II. dem Erneuerer (1089-1 125) bis zur beriihmten georgischen
Konigin Tamara (1184-1207) wuchs die Kraft und der Einfluss dieses
Konigreichs stctig an. Schahinschah226 Manutschechr (um 1120-1149)
war mit David II. verschwagert.
“ 'V gl.: Gusejnow R.A., Werdiewa Ch. Ju. Istorija Aserbajdschana (Geschichte
Aserbaidschans). Baku, 2000.
D ie Sassaniden waren eine persische Schah-Dynastie von 224-651. Ihr
Begriinder war Ardaschir I. Im 7. Jahrhundert wurde das Reich von
Sassaniden von den Arabem erobert.
" ’ I-ine ausfuhrlichere Beschreibung des Feldzuges der ,,Rusen“ gibt der
arabische Historiker (10.-11. Jahrhundert) ibn-Miskawejch. Die einzige
russische Ubersetzung seines Werkes gehort A. Jakubowskij und befindet sich
im „Wisantijskij westnik“ (Byzantinischer Bote), 1926, Bd. 24.
226Schahinschah bedeutet Schah der Schahs, offizieller Titel des Herrschers von
ganz Persien.
136
137
An seinem H of und am H of seines Sohnes Echsitan I. (um 11491194) lebte ein ganzer Kreis groBer aserbaidschanischer Dichter, die
227
in persischer Sprache schopferisch tatig waren : der groBe Poet und
beriihmte Panegirist Chaqani Schirwani, ein Dichter von W eltruf,
Scheich Nisami Gjandschawi u.a. Unter ihnen wurden ungewohnliche
architektonische Bauwerke in ihren Hauptstadten Gjandscha,
Schemacha und Baku geschaffen. Nisami weihte Echsitan I. das
unsterbliche romantische Gedicht „Leila und M edschnun“ . Chaqani
besang den Sieg Echsitans I. liber die Hasaren, die von Derbent nach
Schirwan eingedrungen waren.
In den Beziehungen von Schirwan zu dem aggressiven benachbarten aserbaidschanischen Atabek Kysyl-Arslan (1186-1191) leistete
Georgien offenbar keine Unterstiitzung, und Echsitan I. musste seine
Residenz aus Schemacha ans M eer, nach Baku, verlegen. Und erst
nach dem Tod des bertihmten Atabeks kam Schemacha an Schirwanschah zuriick. Panegirist Chakani auBerte sich iiber diese Ereignisse
und ihre Folgen sehr diplomatisch: Atabek Kysyl-Arslan ,,schmiickte“
Schemacha und Schirwan-Schah Echsitan I. ,,schmtickte“ Baku.
Die mongolische Besetzung von Schirwan unter Feribors (gest.
nach 1244) verwtistete das Land und fiihrte zur Zunahme der
turkischen Bevolkerung darin. Die Mongolen errichteten in Schirwan
eine Vasallen-Autonomie unter der Herrschaft der Kesraniden, denen
sie einen jahrlichen Tribut von rund 85.000 Goldrubeln auferlegten.
Seit dieser Geschichtsperiode wurde die politische und wirtschaftliche
Lage Schirwans schwieriger, weil im 13. und 14. Jahrhundert sowohl
die Goldene Horde, die auch die Rus beherrschten, als auch die
M ongolen-Hulagiden, deren Hauptstadt sich in Tabris befand sowie
deren Vasallen, die aserbaidschanischen Dschelariden, um sie
kampften.
Eine lange Zeit war Schirwan von den aserbaidschanischen
Herrschern abhangig, und die Goldene Horde fiel regelmaBig mit
Raubztigen in das Land ein. In Schemacha fielen die Sohne des Batyj
Berke in 1260, Usbek in 1318, Dschanibek in 1356 u.a. ein und
nahmen es ein. Das Land und die Dynastie waren erschopft, der letzte
227Die persische Sprache war viele Jahrhunderte lang die Literatursprache fur die
riesige Region von Stambul bis Delhi. Die Dichter in den Staaten der
Grofimogule, von A q - Q o y u n lu und von Qara-Qoyunlu schrieben in persischer
Sprache: die Dichter von Aserbaidschan waren keine Ausnahme.
138
Kesranid Chuscheng Kawus (um 1372-1382) wurde von den eigenen
aufstandischen Untertanen getotet. Danach ging die Macht in
Schirwan an einen entfemten Verwandten der Dynastie, Scheich
Ibrahim, iiber, der bis dahin bescheiden in Scheki gelebt hatte. Seine
Vorfahren hatten einmal iiber Derbent geherrscht und aus diesem
Grund wurde die Dynastie Derbenter genannt.228
Der neu gewahlte Schirwanschah Scheich Ibrahim (1382-1417)
hatte auch mit einem neuen Einfall der grausamen Horde zu kampfen
- sowohl mit dem Mitglied der Goldenen Horde Tochtamysch als
auch mit dem mittelasiatischen Eroberer Timur. Zudem verlief der
Kampf zwischen Tochtamysch und Timur gerade auf dem Gebiet von
Schirwan auBergewohnlich intensiv, was dem Land noch weiteren
Schaden zufugte. Nach dem Tod von Timur (1405) hatte Schirwan 10
Jahre lang noch keine Ruhe - weder vor der Goldenen Horde (Khan
Schadibek) noch vor den Tiirken-Oghusen Qara Qoyunlu (Schwarze
Hammel). Der Fiihrer der Turkmenen Kara-Jusuf, der Schirwan-Schah
Ibrahim 1413 an der Kura schlug, raubte die Staatskasse von Schirwan
bis auf den Grund aus, bis zur letzten teuren Geratschaft.
Erst nach dem Tod Kara-Jusufs (1420) begann fur Schirwan eine
fast hundertjahrige Zeit der friedlichen Entwicklung unter der
langjahrigen Regentschaft der beiden Schirwanschahs Khalil-Ullacha
I. (1417-1462) und seines Sohnes Farruch-Jasara (1462-1501). Die
Bevolkerung von Schirwan w ar im 15. Jahrhundert mehrheitlich
tiirkischsprachig und fur diese Zeit hochkultiviert. Der W iener
Gesandte Ambr. Kontarini konstatierte einen sehr groBen Kontrast
zwischen den kultivierten Schirwanen und den Bewohnern des
,,riickstandigen“ christlichen Georgiens. Kontarini fand, dass
”sSchirwan-Dynastien: 1) die besondere Dynastie der ,,Schirwan-Schahs“ in der
Sassanidenzeit als Vasallenbesitztum der Hosroen bis zum Jahr 798; 2) ab
798 die Dynastic der arabischen Statthalter der Masididen (Autonomic 8611067); 3) die dritte Dynastie entstand nach der kurzzeitigen Vereinigung
Schirwans mit Georgien und bestand von 1106 bis 1382. Die ersten Vertreter
dieser Dynastie sind Manitschohr (Manucher) und Ahsitan (Exitan); 4) nach
der Absetzung der dritten Dynastie wurde von deren eigenen Untertanen
Ibrahim Derbentskij zum Herrscher gekront, der die vierte Dynastie der
Schirwanschahs (1382-1550) griindete. Die Vertreter dieser Dynastie waren
die spateren Vasallen Timurs, die Timuriden, Dschalairen, Turkmenen QaraQoyunlus und Aq-Qoyunlus und des Safawiden-Staates. Im Jahre 1550 wurde
Schirwan von den Truppen Schahs Tachmasp I. besetzt und Anfang des 19.
Jahrhunderts wurde Schirwan von Russland erobert.
139
Schirwan ein reicheres und fruchtbareres Gebiet als Siid-Aserbaidschan sei, wo damals Schah Usun-Hasan Belobarannyj (14671478) mit seiner Hauptstadt Tabris regierte.
Und im westlichen Iran lagerten sich im 15. Jahrhundert um die
Stadte Tabris und Baghdad aserbaidschanische Tiirken-Oghusen,
wobei die Tiirken von Qara-Qoyunlu lange Zeit mit den Ttirken von
Aq-Qoyunlu konkurrierten, und die entscheidende Vormachtstellung
der Fiihrer von Aq-Qoyunlu und tiberzeugte Schiit Usun-Hasan
gewinnen konnte. Diesem Zeitgenossen des osmanischen Sultans
Mehmeds II., der Konstantinopel erobert hatte, raumten die Europaer
einen hohen Rang ein. Die Venetianer und der Papst schlossen mit
ihm Vertrage iiber ein gemeinsames Vorgehen gegen das Osmanische
Reich.
Die Hauptstadt von Schirwan, Schemacha, hielt der bereits
erwahnte Ambr. Kantarini „in jeder Beziehung“ fur besser als Tabris,
nur groBenmaBig etwas kleiner. Kontarini traf in Schemacha auch den
Moskauer Gesandten von GroBfurst Iwan III. Das war hier nicht der
erste Gesandte Moskaus: der bekannte Reisende Afanasij Nikitin hielt
sich auch in Schemacha auf.
Unter Khalil-Ullach I. und unter Farroch-Jasar wurde auch Baku
beachtlich ausgebaut: ein groBer Teil des Kremls von Baku wurde
unter ihm geschaffen. Farroch-Jasar fiel 1501 im K am pf mit dem
Begriinder der Safawidischen Dynastie, Schah Ismail-Safawi (Kysylbasch). Die drei schwachen Vorganger Farroch-Jasars waren gehorsame Vasallen der Safawiden gewesen, zuerst von Schah Ismail (gest.
1524) und danach von Schah Tachmasp I. (1524-1576)229, bis zu dem
Zeitpunkt, als wegen der in Schemacha entstandenen Wirren die
,,Kysylbasch“-Truppen von Schah Tachmasp Schirwan einnahmen
(1538) und die Dynastie Schirwan-Schah abschafften. Die drei Erben
von Tachmasp setzten die ,,Kysylbasch“ nach Gutdunken (1576-1586)
ein und ab. Danach wurde Schirwan in eine regulare SafawidenProvinz umgewandelt, die von Statthaltem des Schahs regiert wurde.
Im 16. Jahrhundert tobte unablassig der Krieg zwischen dem
osmanischen sunnitischen Imperium und dem Safawidischen schiitischen Imperium um das zwischen den beiden Staaten gelegene Land,
darunter auch um Schirwan, iiber das die Tiirken moglicherweise
einen Zugang zum Kaspischen Meer und weiter nach Zentralasien
bekommen konnten. Im Jahre 1578 entsandte Sultan Murad III. unter
der Leitung von W esir Lala-Mustafa von Gjandscha aus ein groBes
Heer iiber Georgien nach Schirwan und Arran. Dieses Heer hielt auch
Schirwan fiir das Osmanische Reich mehr als ein Vierteljahrhundert
besetzt.
Die Safawidische Regierung (zuerst Schah Mohammed Chodabende, dann der junge, noch nicht ,,GroBe“ Schah Abbas I.) war
bereit, den Kiistenteil von Schirwan (Derbent, Baku) an den Moskauer
Zaren Fjodor Iwanowitsch abzutreten, um gemeinsam mit den
Moskowitem die Osmanen aus dem Transkaukasus zu vertreiben.
Aber Moskau hatte noch nicht das Heer fur eine so weite Expedition,
und die Osmanen wurden erst von Schah Abbas I. dem GroBen selbst
vertrieben (1607), nachdem dieser die Starke seines Staates iiber
Reformen wiederhergestellt hatte.
So fuhrte Abbas I. zur Beseitigung der Macht des Heeres iiber die
Schahs eine Heeresreform durch, kraf't derer die Schah-Truppen nicht
mehr aus den ,,Kysylbasch“ (dem Bundnis aserbaidschanischer
Turkstamme) bestand, sondern aus vielen anderen Stammen und
Volkerschaften. Die administrativen Reformen, der Bau von Verbindungswegen, die breite Unterstutzung der Wissenschaft und der
Kunst, die Umsiedlung einer ganzen Kolonie von armenischen
Handwcrkern, Georgiern und Aserbaidschanern in die Hauptstadt sind
nur einige der Richtungen, in die seine Reformbcmiihungen gingcn.
Mit der Herrschaft dieses Schahs kehrte in Schirwan der Friede
ein, und die Reisenden des 17. Jahrhunderts, darunter auch dcr
Deutsche Olearius210, bemerkten den Reichtum Schemachas, das
voller auslandischer Kaufleute war. Die russische Regierung stellte
229Bekannt ist das Handschriftenbuch von Kasi Achmed Gaffari „Nigaristan"
(„Kartinnaja galereja“ (Die Bildergalerie), eine Sammlung historischer Erzahlungen und Andekdoten verschiedener Epochen, Tachmasp I. gewidmet (in
Moskau aufbewahrt). Seinerzeit gehorte diese Handschrift dem deutschen
Grafen Fritz-Detlev von Schulenburg (1902-1944), der 1944 das Attentat auf
Hitler organisierte.
2'(lOlearius, Adam (1603-1671), deutscher Reisender aus Holstein (heute
Bundcsland Schleswig-Holstein), besuchte Russland und den Kaukasus in den
3()cr Jahren des 17. Jahrhunderts. 1643 schrieb er das Buch „Beschreibung
eines Reisenden nach M o s k a u .D a r i n sind wertvolle Zeugnisse zur
Geschichte Russlands enthalten. Das Buch ist mit einer grof3en Anzahl Karten
und Zcichnungen ausgestattet, die an sich schon sehr informativ sind.
140
141
ihren Kaufleuten die Reise in den Safawiden-Staat sogar unter Strafe
(1673) ebenso wie den Handel mit den persischen Kaufleuten in
Astrachan.
Als die Afghanen den Safawidischen Schah Hosein (1694-1722)
stiirzten, konnte einer der safawidischen Prinzen Tachmasp II. zu den
Russen fliehen und erklarte sich bereit, im Gegenzug fur die versprochene russische Hilfe gegen die Afghanen die Transkaspischen
Gebiete an Peter I. abzutreten, darunter auch die ostliche Halfte von
Schirwan, zu dem Derbent und Baku gehorten. Die Osmanen hielten
zu dieser Zeit Schirwan besetzt. Jedoch vertrieb Nadir Schah Afschar,
der den ganzen Staat geeinigt hatte, die Osmanen (1734-1735), und
die Russen verzichteten auf den an sie abgetretenen Teil des
Kaspischen Gebietes (1735). Fiir zw olf Jahre wurde Schirwan w ieder
kysylbaschisch.
Nadir Schah wird von vielen Historikem mit Napoleon Bonaparte
verglichen. Nadir ffihrte den militarischen R uf der Kysylbasch zu
unerhorten Hohen. Besonders bekannt wurde er fiir den sieghafiten
Feldzug 1738-1739 in das Indien des GroBmoguls. Nadir Schah
erbeutete nicht nur eine riesige Kriegsbeute, sondem vermahlte sich
auch mit der Tochter des GroBmoguls. Unter ihm wurden die
usbekischen Stadte Chiwa und Buchara und alle besetzten Gebiete
vom Osmanischen Reich zuriickerobert. Sein groBer Fehler war die
beabsichtigte Abschaffung des Schiitentums im Staat und der geplante
Ubergang zum Sunnitentum zwecks leichterer Eroberung des
gesamten sunnitischen Osmanischen Reiches. Das und seine maBlose
Blutriinstigkeit und die Aufregung der herrschenden Kreise Englands
und Russlands uber seine Erfolge dienten als Anlass fiir eine
Verschworung gegen ihn, der er (1747) auch zum Opfer fiel.
Nach dem Tod Nadir Schahs und der danach im Land ausbrechenden Anarchie wurden Schirwan und der gesamte Trans­
kaukasus frei von der ,,Vormundschaft“ der zentralen Administration.
Und hier entstand eine Vielzahl autonomer aserbaidschanischer
Staatsgebilde (Khanate, Sultanate, Paschalyks u.a.). Im westlichen
Teil von Schirwan, nahe Georgien, erstarkte das Khanat Scheki mit
der Hauptstadt Nucha. Es sei angemerkt, dass diese Gegend und ihre
Herrscher schon immer die Autonomie angestrebt hatten. Die alte
Bezeichnung Schirwan wurde fur das Khanat Schemacha beibehalten.
Am starksten wurde jedoch zu dieser Zeit das Khanat Kuba, im Osten
142
Schemachas. Die Kusten-Khanate (Derbent und Baku) wurden ihm
zwangsweise uberlassen, ebenso wie auch die Khanate auBerhalb des
Gebiets des ehemaligen Schirwan am rechten Ufer (Gjandscha u.a.).
Alle diese Besitztiimer wusste der Herrscher von Kuba Fatali-Khan
(1758-1789) zu vereinigen. Die ehemaligen Khane wurden entweder
seine Vasallen oder wurden einfach „abgeldst" (beispielsweise in
Derbent 1765). Fatali-Khan machte sich zum echten Schirwanschah
und fiihlte sich so stark, dass er schlieBlich Anspriiche an den SchahThron des ganzen Staates anmeldete. Jedoch beendete, wie fast
immer, der Tod die ehrsiichtigen Plane eines so herausragenden
aserbaidschanischen Staatsmannes.
Inzwischen waren die Tiirken-Kadscharen in Person des schrecklich wiitenden Herrschers und Heerfuhrers Aga-Muhammed an die
Macht gekommen. Als er einen grausamen Feldzug (nach seinen
eigenen Worten ein „schreckliches Gericht") in das nicht unterwiirfige
Georgien untemahm, das sich langsam zu Russland hinwendete, litt
auch Schemacha (1795) stark. Vor den aserbaidschanischen Khanaten
stand die Frage, was man wahlen sollte: den Anschluss an das
Kadscharenreich, oder sich wie Georgien Russland zu unterstellen?
Die Mehrheit der Khane fuhrte eine doppelte Politik: scheinbar
unterstellten sie sich der groBen Starke Russlands und unterhielten
heimlich Verbindungen zu den Kadscharen.
Dieses neue Spiel trat auch wahrend des Feldzugs der russischen
Armee 1796 zutage, den Katharina II. unter der Leitung von W.
Subow fuhrte. Aber noch deutlicher zeigte es sich in der Zeit des
Kadscharisch-Russischen Krieges 1804 -1813. Deshalb loste Russland
gleich zu Beginn dieses Krieges im Gegenzug das Khanat Kuba mit
den von ihm abhangigen Stadten Derbent und Baku au f und machte
im ehemaligen Arran dem untreuen Khanat Gjandscha ein Ende. Nach
dem Frieden von Giilistan (12. Oktober 1813) traten die Kadscharen
den ostlichen Transkaukasus an Russland ab. Das hinderte die nicht
aufgelosten Khanate Scheki und Schemacha nicht daran, weiterhin
geheime Beziehungen zu den Kadscharen zu unterhalten mit dem Ziel
der Loslosung von Russland. Die russische Regierung, der das zur
Kenntnis gelangte, schaffte die Khan-Regierung in den Khanaten
143
Scheki (1818) und Schem acha (1820) ab und fiihrte dort e in e
russische M ilitarverwaltung ein.231
W ahrend des neuen Russisch-Kadscharischen Krieges (1826-1828)
hatten die kadscharischen Truppen unter dem Kommando von A bbasMirsa anfanglich groBen Erfolg. Die vertriebenen Khane (M ustafaKhan von Schemacha und Hosein-Khan von Baku) kehrten u n ter
Ausnutzung dieses Um standes in ihre friiheren Besitztiimer zuriick.
Aber danach begannen die russischen Truppen siegreich zu werden,
und im Frieden von Turkm antschai (10. Februar 1828) kam d e r
Transkaukasus endgiiltig an Russland.
231
D om B. Versuch einer Geschichte der Schirwan-schahe. In: Memoires. Rossijskaja Akademija Nauk (Akadem ie der Wissenschaften Russlands), 1841.
Serie VI., Band 4; Derselbe: Geschichte Schirwans unter den Statthaltem und
Chanen von 1534 -1820, a.a.O., Band 5.
144
9. Der VorstoB Russlands in den Kaukasus und die Massenumsiedlung der Armenier in den Sudkaukasus im
19. und 20. Jahrhundert
„Der Geschichtswissenschaftler wird von der Politik
nicht gestort, wenn er sich nicht in ihrer Reichweite
befmdet. Aber ist dies moglich? “
Schirokow Aleksandr
In der zweiten Halfte des 16. Jahrhunderts wurde der Moskauer
Staat nach der Einnahme von Kasan und Astrachan auf der ganzen
Lange Beherrscher des grofiten Handelsweges von Europa nach
Zentralasien, der Wolga. Das damalige Europa konnte nicht ohne
einige asiatische Waren auskommen - hauptsachlich nicht ohne Seide,
einer
damals aufgrund
einiger
ihrer Hygieneeigenschaften
strategischen Ware. Die Regierung in Moskau war bestrebt, den
Seidenhandel zu ihrem Monopol zu machen und erlaubte niemandem
in Astrachan Handel zu treiben, auBer den russischen Kaufleuten.
Aber als das Kaspische Meer mit den umliegenden safawidischen
Gebieten noch nicht unter russischer Kontrolle war, waren starke
Konkurrenten im Seidenhandel die Osmanen, die in Derbent saBen
und bis zum Ende des 18. Jahrhunderts ganz Dagestan vollig unter
ihrer Kontrolle hatten, die gesamte Westkiiste des Kaspischen Meeres.
Die Handelsinteressen veranlasste die russische Regierung, ihre
Blicke von Astrachan nach Siiden zu lenken.
Aber neben dieser Linie der Regierung verlief eine inoffizielle,
jedoch auBerst intensive, Kolonialisierung des Nordkaukasus durch
die Russen uber U m siedler- Kosaken von Don und Wolga. Schon um
das Jahr 1590 siedelten die Kosaken am Terek so dicht, dass sich
zwischen dem damaligen osmanischen Asow und dem osmanischen
Derbent ein russischer Keil bildete, der diese beiden Besitztumer
teilte. Dadurch kamen die Osmanen so in Bedrangnis, dass sie
Moskau mit Krieg drohten. In der Zeit der Wirren (Ende 16.-Anfang
17. Jahrhundert) ffihlte sich das Tereker Kosakenheer so stark, dass es
seinen eigenen Thronanwarter aufstellte, Zarewitsch Peter. Es kam so
weit, dass die Moskauer Regierung Zars Michael Fjodorowitsch
145
Romanows (1596-1645)232 versuchte, die Tereker durch G eschenke
auf ihre Seite zu ziehen.
In der zweiten Halfte des 17. Jahrhunderts siedelten die K osaken
nicht nur am Terek, sondem auch an der Sunscha (einem rechten
Nebenfluss des Terek von Siiden), und sie errichteten ein „Stadtchen"
in Dagestan selbst. Die entstandene Bezeichnung ,,grebenskie“
(greben = Bergkamm - Anm. d. Ubers.) Kosaken zeigt, dass die
russische Kolonisierung nicht nur in den Niederungen verlief, sondem
auch die ,,Bergkamme“, d.h. das Vorland der Kaukasuskette
umfasste.233 Moskau begann die Kolonisierung der osmanischen
Besitztiimer durch die Kosaken nach und nach zu unterstiitzen. Zu
einer aktiveren Kosakenpolitik ging M oskau in den ersten Jahren des
18. Jahrhunderts uber. Noch vor dem Ende des Nordischen Krieges
(1700-1721) beginnt Peter der GroBe einen W eg in den Kaukasus zu
sondieren.
Unmittelbar nach dem Ende des Schwedischen Krieges begann
Moskau, einen Anlass fiir einen Krieg m it den Kysylbasch zu suchen
und fand ihn auch bald miihelos: in Schemacha234 wurden russische
Kaufleute beraubt und die m eisten von ihnen umgebracht. Der
Kaukasus-Feldzug Peters des GroBen begann am 27. Juli 1722 und
endete am 12. September 1723 (Peter war zu dieser Zeit schon lange
in Moskau) mit der Niederlage des Safawiden-Staates, der durch den
Krieg mit den Afghanen auBerordentlich geschwacht war, die zu
diesem Zeitpunkt sogar die dam alige persische Hauptstadt Isfahan
einnehmen konnten.
Die Safawiden traten an Russland die gesamte kaspische Kiiste.
Derbent, Baku, „und die Provinzen Giljan, Masandaran und Astrabad'1
ab. Aber eine praktische Folge dieses Vertrages war die Einmischung
des Osmanischen Reiches, das die Bergbewohner Dagestans unter
232Zar ab 1613, erster Zar aus der Dynastie der Romanows, wurde von der
Standeversammlung des Russischen Reiches gewahlt.
Uber die “grebenskie“ Kosaken und ihre Rolle bei der Eroberung und
Verteidigung des Kaukasus, vgl.: den Artikel von Nikolaj Markelow ..Gde
ryskaet w gorach woinstwennyj rasboj (Wo umherstreift in den Bergen der
krigerische Raub...“. Nowvj mir, 2007, Nr. 9, S. 122-127.
234Schemacha war beruhmt als Zentrum der Seidenzucht im Transkaukasus.
spater fiir Weinbau und Teppichhandwerk, im 9.-16. Jahrhundert Hauptstadt
Schirwans, Residenz der Schirwanschahs, ab Mitte des 18. Jahrhunderts
Zentrum des Khanats Schemacha, kam 1805 zum Russischen Reich.
146
seinen Schutz genommen und mit seinen Truppen Georgien besetzt
hatte. Zu einem Krieg mit dem Osmanischen Reich konnte sich Peter
der GroBe nicht entschlieBen, und die Sache endete fur Russland nicht
sehr ruhmreich mit der Teilung der ,,Einflussspharen“ nach dem
Vertrag vom 12. Juni 1724. Ohne die Unterstutzung Georgiens und
der Safawiden war Russland damals nicht in der Lage, die
Eroberungen Peters zu halten, und 1735 verlieBen die Russen nicht
nur Derbent und Baku, sondem auch die Festung des HI. Kreuzes am
Fluss Sulak, d.h. sie zogen au f der Position der Zeit vor Peter dem
GroBen ab. Fast 100 Jahre spater wiederholt sich nach dem Tod
Katharinas der GroBen die Situation mit den russischen Eroberungen.
In den 60 Jahren nach 1735 war die russische Politik im Kaukasus
von den Beziehungen zum Osmanischen Reich bestimmt. Die
Expansionsfront Moskaus drehte sich von Siidosten nach Siidwesten.
Wahrend des ersten Tiirkenkrieges Katharinas der GroBen besetzten
die Russen emeut Georgien und belagerten Poti, jedoch erfolglos.
Wahrend des zweiten Tiirkenkrieges 1790 nahm Gudowitsch Anapa
ein, das spater wieder abgetreten wurde und erst 1846 wieder zu
Russland kam. Wahrend der Statthalterschaft Pawel Potjomkins, des
Zwillingsbruders des Giinstlings von Katharina, wurde Wladikawkas
erbaut und begann der Bau der Georgischen HeeresstraBe, die eine
zentrale Rolle bei der russischen „Eroberung" des Transkaukasus
spielte. Ganz am Ende des 18. Jahrhunderts wurde durch die
unerwartete Erstarkung des Nachbarstaates unter dem Einfluss der
neuen Kadscharen-Dynastie der Schwerpunkt der russischen Politik
wieder auf den Transkaukasus verlagert. 1796 begann ein neuer Krieg
mit dem Kadscharenstaat, der mit Unterbrechungen bis 1828
andauerte. Trotz der beachtlichen franzosischen (bis 1807) und
englischen (von 1807 bis 1813) Militar- und Finanzhilfe verloren die
Kadscharen diese militarischen Auseinandersetzungen.
Die Epoche vom 18. Jahrhundert bis zum ersten Drittel des 19.
Jahrhunderts - eine Epoche der Gebietsverluste des Osmanischen
Reiches und des Kadscharenstaates - ist die Zeit des Niedergangs
seiner politischen und militarischen Macht, eine Periode vieler
Eroberungen Russlands im Transkaukasus und die Anfangszeit des
GroBen Kaukasuskrieges (1817-1864).235 Dies ist die Zeit der
2,5Zur russischen Expansion in den Sudkaukasus, vgl.: Atkin M. Russia and Iran
1780 - 1828. Minneapolis 1980; Kazemzadeh E. Russian Penetration o f the
147
Erstarkung, der Bliite und des Verlustes der Unabhangigkeit der
meisten selbststandigen oder autonomen Staatsgebilde: K hanate,
Sultanate, Meliktiimer. Die groBten waren die Khanate Karabach,
Kuba und Scheki. Die raumliche Trennung der aserbaidschanischen
Staatsgebilde und der K am pf zwischen ihnen nutzten ihre m achtigen
Nachbam Russland, der Kadscharenstaat (Persien) und das
Osmanische
Reich,
fur
ihre
eigenen
Ziele
aus.
Die
aserbaidschanischen Khanate mussten standig zwischen diesen
Machten lavieren und m iteinander Bundnisse von kurzer Dauer
schlieBen.
Unter Zar Alexander I. (Regierungszeit 1801-1825) fiihrte
Russland erfolgreiche Kriege in verschiedene Richtungen: gegen
Persien (1804 - 1813), das Osmanische Reich (1806-1812), Schweden
(1808-1809) und Frankreich (1812-1814). Unter Alexander I. wurden
Ostgeorgien (1801), Finnland (1809), Bessarabien (1812), eine Reihe
aserbaidschanischer Khanate (1803-1813) und das Fiirstentum
Warschau erobert. Fur seine Verdienste um Russland erhielt
Alexander 1. den Beinamen „der Gesegnete“.
1804
forderte der Kadscharenstaat (Persien) Russland mit
Ultimatum auf, seine Truppen aus dem Sudkaukasus abzuziehen.
Russland weigerte sich, und so begann der Russisch-Kadscharische
(Persische) Krieg (1804-1813), der mit der Niederlage des
Kadscharenstaates (Persiens) endete. Die Rtickgewinnung der von
Russland an der Schwarzmeerkiiste und im Kaukasus erworbenen
Gebiete und das Zuriickdrangen des wachsenden russischen Einflusses
im Balkan wurden auch vom Osmanischen Reich versucht. Der vom
Osmanischen Reich begonnene Krieg (1806-1812) endete mit der
Niederlage der Osmanen. Dies wurde im Frieden von Bukarest von
1812 festgeschrieben.
In den ersten drei Jahrzehnten des neunzehnten Jahrhunderts
verleibte sich Russland, wie bereits dargelegt, zahlreiche Khanate und
andere Staatsgebilde des Sudkaukasus ein. 1801 schloss sich das
Fiirstentum Kartli-Kachetien (Ostgeorgien) an Russland an. Das
Konigreich Kartli hatte sich 1762 m it Kachetien vereinigt und wurde
fortan Fiirstentum Kartli-Kachetien. Bereits 1783 schlossen Russland
und das Fiirstentum Kartli-K achetien ein Abkommen, das das
Caucasus. In: T. Hieczak (ed.): Russian Imperialism from Ivan the Great to
the Revolution. New Brunswick 1974, p. 239-283.
148
Konigreich unter den Schutz Russlands stellte. Initiator des Vertrages
von Georgijewsk war der georgische Konig Iraklij II. (1720-1798).
Der Vertrag sicherte dem Fiirstentum Kartli-Kachetien die Autonomie
in den inneren Angelegenheiten und Schutz im Kriegsfalle zu. Der
Sohn von Iraklij II., Georgij XII. (1748-1800) legte dem russischen
Zaren Pawel I. (1754-1801) nahe, das gesamte georgische Land unter
seinen Schutz zu nehmen.
1803 wurde das Khanat Aw ar an Russland angegliedert (aufgelost
1864 nach Ende des GroBen Kaukasuskrieges).236 1803 - 1804 wurden
Mingrelien und Imeretien an Russland angegliedert. In der gleichen
Zeit leistete das Khanat Gjandscha unter der Fuhrung von DschawadKhan bewaffneten W iderstand gegen den Anschluss an Russland.
1805 wurde das Khanat Schirwan (Khan Mustafa)237 an Russland
anschlossen, und von 1806 bis 1813 wurden unter dem Kommando
der russischen Heerfiihrer Zizianow, Gudowitsch und KotIjarewskij23x
die Khanate Baku und Gjandscha erobert.
1805 schloss sich unter Khan Selim das Khanat Scheki an
Russland an, wo 1919 die Khanherrschaft abgeschafft wurde. 18051806 schlossen sich das Khanat Karabach unter Ibrahim Khalil-Khan
und das Khanat Kuba unter Schah Ali-Khan an Russland an. 1811
gliederte sich Russland das Fiirstentum Gurija an, das bis 1828 die
Autonomie in den inneren Angelegenheiten behielt.234
Nach dem Russisch-Kadscharischen (Persischen) Krieg 1804-1813
kamen au f der Grundlage des Friedensvertrages von Giilistan das
:!,’Das Khanat Awar bestand rund 700 Jahre (1 2 ,-19. Jahrhundert). 1843-1859
kam das Khanat zum Imamat Schamil im Nordkaukasus.
2’ Vgl.: „Geschichte der Mongolen von Monch Magakija", Ubers. V. Patkanow.
St. Petersburg. 1871, c. 23, 55; Orbeljan Stepanos. Istoritscheskaja oblast
Sisakan (Der historische Oblast Sisakan). Ubers. O. Mkrttschan. Tiflis 1910.
Ab dem 10. Jahrhundert war das Staatsgebilde Schirwan mit der Hauptstadt
Schemacha das starkste im Gebiet von Nord-Aserbaidschan. Selbststandig
wurde Schirwan 1748. Bis dahin befand sich Schirwan unter dem Einfluss des
Saf'awidischen Reiches, dem beriihmten Staat der Kisilbasch".
;,fiKotljarewskij Pjotr Stepanowitsch (1782-1851), Infanteriegeneral (1826),
seine Truppen schlugen die Kysylbasch am Fluss Araxes (1810), bei
Aslandus, an der Furt uber den Fluss Araxes, (1812) und erstiirmten Lenkoran
^ (1813).
2!4Gurija ist eine der schonsten Regionen Westgeorgiens, die auf dem Gebiet der
jetzigen Rayons Osurgetwskij, Gochataurskij und Lantschutskij liegt.
Zeitweilig wurde auch Abchasien zum Fiirstentum Gurija gezahlt.
149
Khanat Derbent mit der Hauptstadt Derbent und das Khanat T alysch
im Siidosten der heutigen Republik Aserbaidschan an der siidostlichen
Kiiste des Kaspischen Meeres an Russland.240 Wie bereits gesagt,
waren bereits 1796 russische Truppen im Khanat Derbent, zogen a b e r
auf Befehl von Zar Pawel I. wieder ab. Gegen M itte des 19.
Jahrhunderts fiel das Gebiet Nord-Aserbaidschan an Russland. An d er
Stelle einiger Khanate und anderer aserbaidschanischer Staatsgebilde
wurden zunachst die Gouvemements Schemacha und Elisawetpol
geschaffen. Im anderen Teil der aserbaidschanischen Gebiete w urde
das Gouvemement Irewan geschaffen. Der Vertrag von Giilistan
bestatigte die Besetzung „der Khanate Karabach und Gjandscha, die
spater in eine Provinz mit Nam en Elisawetpolskaja um gewandelt
wurden, sowie der Khanate Scheki, Schirwan, Derbent, Kuba, Baku
und Talysch als Eigentum des Russischen Reiches.“241
Der zweite Russisch-Kadscharische (Persische) Krieg (1826-1828)
um Gebietszuwachs, Einflusssphare und die profitablen Handelswege
im Siidkaukasus endete am 10. Februar (nach dem neuen Kalender am
22. Februar) 1828 mit dem Frieden von Turkmantschai. GemaB
diesem Vertrag fielen an das „Russische Reich in seiner Gesamtheit
das Khanat Eriwan auf beiden Seiten des Araxes sowie das Khanat
Nachitschewan".242
Nach diesem Vertrag sollten auch die aserbaidschanischen Khanate
am Siidufer des Flusses Araxes (Aras) an Russland angegliedert
werden. Dies verhinderte jedoch die Diplomatic von Britannien, die
eine Bedrohung ihrer Interessen im Nahen Osten seitens Russlands
sah und die Russland zwang, diese Khanate an den Kadscharenstaat
(Persien) abzutreten.
Der Friede von Turkmantschai war nicht nur das Ende der
militarischen Auseinandersetzungen zwischen Russland und dem
Kadscharenstaat (Persien), sondern auch der Beginn der nachfolgenden neuen politischen und administrativen Politik der Integration
der nordaserbaidschanischen Khanate in das Russische Reich. Ein
240Das Khanat mit der Hauptstadt Lenkoran war seit dem 18. Jahrhundert ein
selbstandiges Staatsgebilde.
24lVgl.: Gosudarstwennyj istoritscheskij archiw Aserbajdschanskoj Respubliki
(Staatliches Geschichtsarchiv der Republik Aserbaidschan), f. 202, op. 1. Bd.
25, S. 281-283 ob„ Art. 3.
242Vgl.: A.a.O., f. 02, op. 1, d. 71, S. 317-321, Artikel 3.
150
wesentlicher Bestandteil dieser Integrationspolitik war die Christianisierung der eroberten oder freiwillig angeschlossenen Gebiete. Der
Vertrag von Turkmantschai enthielt spezielle Artikel, die die
Massenumsiedlung von Armeniern aus dem Kadscharenstaat (Persien)
und dem Osmanischen Reich in den Kaukasus, in das Gebiet der
aserbaidschanischen und georgischen Khanate, Sultanate, Flirstentiimer und Konigreiche ermoglichten.
Nach der Eroberung Nord-Aserbaidschans durch das Russische
Reich wurden mit Erlass von Zar Nikolaus I. vom 21. Marz 1828 die
Khanate Nachitschewan und Irewan aufgehoben und an ihrer Stelle
eine neue Verwaltungseinheit unter dem Namen „Armenischer
Oblast" gebildet, die von russischen Beamten verwaltet wurde. 1849
wurde dieses Gebiet jedoch in Gouvemement Irewan umbenannt.
Danach begann die von der russischen Regierung geplante und
allseits von ihr unterstiitzte Politik der Umsiedlung Tausender von
Armeniern in den Kaukasus, unter anderem auch in das Gebiet des
ehemaligen Khanats Karabach.243Die Umsiedlerstrome gingen auch
nach Sangesur. Vor den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts lebten auf
dem Gebiet des friiheren Khanats Karabach mindestens 18.000
Armenier. Insgesamt wurden zwischen 1828 und 1830 iiber 100.000
Armenier (Brissaud Alain spricht von 135.000 Umsiedlern) in den
Siidkaukasus umgesiedelt.244
Fiir genauer halten wir die in der Quelle „Istoritscheskij pamjatnik
sostojanija Armjanskoj Oblasti w epochu eja prisoedinenija к russkoj
imperii" (Historisches Denkmal des Zustandes des Armenischen
Gebietes in der Epoche seiner Angliederung an das Russische Reich)
genannten Daten. Dieses Dokument wurde von Staatsrat I. Schopen,
dem Leiter der Verwaltung der Einkiinfte und des Staatseigentums des
Armenischen Oblast, auf Anordnung von G raf PaskewitschEriwanskij ab Anfang 1829 zusammengestellt und im Jahre 1852 in
Sankt Petersburg veroffentlicht.
Nach diesem Dokument wurden in das Gebiet des Khanats Irewan
infolge des Russisch-Kadscharischen Krieges von 1826-1828 23.568
24,Vgl.: Constant Antoine. L’Azerbaidjan. Paris 2002, Editions Karthala, p. 3738.
244Brissaud Alain (in: Islam und Christentum. Gemeinsamkeit und Konfrontation gestern und heute. Albatros Verl. Dtisseldorf 2002, S. 280) spricht von
135.000.
151
Armenier und nach dem Russisch-Osmanischen Krieg von 1828 b is
1829 21.639 Armenier umgesiedelt. In das Khanat N achitschew an
wurden nach dem Krieg mit dem Kadscharenstaat (Persien) 10.652
Armenier und nach dem Krieg m it dem Osmanischen Reich 27.000
Armenier umgesiedelt. In den Ordubadskij Kreis kamen rund 1.340
Armenier aus dem Kadscharenstaat (Persien). Somit betrug die
Gesamtsumme der armenischen Umsiedler aus dem Kadscharenstaat
(Persien) 35.560 und aus dem Osmanischen Reich 21.666, insgesamt
57.226 Personen. Als Ergebnis der Fortfuhrung dieses Kurses
erreichte 1832 die Gesamtzahl der Arm enier in den genannten
Provinzen 82.357 Personen.245
Dieser Autor zeigt auf, dass die Armenier, die sich bereits vor der
Umsiedlung im Gebiet dieser Khanate befanden, Kolonisten aus dem
Osmanischen Reich und dem Kadscharenstaat (Persien) „auch Siedler
sind, die zu verschiedenen Zeiten und unter unterschiedlichen
Umstanden hierher gekommen waren. Im Ubrigen, wenn m an
wirklich alteingesessene Armenier unter ihnen sucht, so muss m an
wahrscheinlich in die Dorfer Wagarschapat, Kulypy, Akulisy und in
den Ordubadskij Kreis gehen“ .246 Der Staat Garagojunlu hatte
zwischen 1429 und 1431 W agarschapat und viele andere Dorfer an die
Armenier verkauft. Gerade in der Hoffnung auf diese Erwerbungen
wird der armenische Patriarchenthron 1441 von Sisa (Kilikien) nach
Etschmiadsin (Kaukasus) verlegt. Diese gekauften Dorfer werden die
ersten Siedlungen von Armeniern im Kaukasusgebiet, deren Umsied­
lung in den Sudkaukasus erst Anfang des 19. Jahrhunderts massiv
erfolgt.247
Die Armenier bildeten in den verstreuten Siedlungen nirgendwo
eine vorherrschende kompakte Masse und waren iiber das gesamte
Osmanische Reich verstreut. Mit solchen raumlich getrennten
24SVgl.: I. Schopen. Istoritscheskij pamjatnik sostojanija armjanskoj oblasti w
epochu ego prisoedinenija к Rossijskoj imperii. (Historisches Denkmal der
Schaffung des Armenischen Oblast in der Epoche seines Anschlusses an das
Russische Reich) Tipografija Imperatorskoj Akademii Nauk, St. Petersburg.
1852, S. 637-642.
246A.a.O., S. 706-707.
247Vgl.: A. D. Papasjan. Agrarnye otnoschenija w Wostotschnoj Armenii w
XV1-XVII wekach. (D ie Agrarbeziehungen in Ostarmenien im 16.- P .
Jahrhundert.) Verlag Akademii Nauk Armjanskoj SSR, Eriwan, 1972, S. 114115.
152
Siedlungen waren sie auch a u f den Territorien der kleinen Staats­
gebilde Gara-gojunlu, Ag-gojunlu, der Safawiden, Nadir-Schahs, und
danach auch den Khanaten Irewan und Nachitschewan vertreten.
Aufgrund dieser geographischen Trennung waren die Armenier nicht
in der Lage, einen Staat zu griinden: die kritische Masse einer
staatsbildenden Bevolkerung reichte nicht einmal fiir den Besitz eines
bestimmten, hinlanglich groBen Territoriums aus.
Aber mit dem Auftauchen Russlands in der Region beginnen die
Ereignisse durcheinanderzukommen, so dass sich in einem
bestimmten Gebiet eine immer groBere Anzahl Armenier anzusammeln beginnt, was unweigerlich zu einer Reihe von Problemen fuhrte,
auf die der groBe russische Schriftsteller und Diplomat A.S.
Gribojedow schon in den friihen Etappen der Umsiedlung aufmerksam
machte. Er schrieb: „... die Armenier werden groBtenteils in den
Wohngebieten der Moslems angesiedelt... Die Moslems werden durch
die Umsiedler eingeengt... W ir haben auch viele Uberlegungen
angestellt, was wir den M oslems suggerieren sollen, damit sie sich mit
der jetzigen Belastung abfinden, die nicht von langer Dauer sein wird,
und um ihre Angst auszurotten, dass die Armenier sich fur immer des
Landes bemachtigen wurden, in das man sie nun hineingelassen
hat“.248 Die Befiirchtungen der ,,Muselmanen“ waren, wie wir heute
wissen, nicht unbegriindet.
Im Werk des amerikanischen Wissenschaftlers J. MacCarthy sind
die folgenden Daten iiber die Besiedlung des aserbaidschanischen
Landes im Sudkaukasus enthalten. In der Periode 1828-1920 wurden
im V erlauf der Umsetzung der Politik, die auf die Umbildung der
dcmographischen Struktur dcr Bevolkerung von Aserbaidschan
abzielte, „mehr als 2 Millionen Moslems vertrieben und eine nicht
bekannte Zahl getotet... Zweimal, 1828 und 1854, drangen die Russen
nach Ostanatolien ein... und zweimal mussten sie wieder abziehcn,
wobei sie 100.000 Arm enier in den Kaukasus mitnahmen, wo sie an
Stelle von tiirkischen Aserbaidschanem , die emigriert oder gestorben
waren, angesiedelt wurden. Im Krieg 1877-1878 nahm Russland den
Rayon Kars-Ardagan ein, vertrieb die Moslems und siedelte dort
70.000 Armenier an ... Rund 60.000 Armenier zogen wahrend der
Ereignisse der Jahre 1895-1896 in den russischen Kaukasus ... In der
24xVgl.: Aleksandr Gribojedow. Gore ot uma. Pisma i sapiski. (Verstand schafft
Leiden (oder: Wehe dem Verstand). Briefe und Notizen), Baku 1989, S. 387.
153
Epoche des Ersten Weltkrieges zeichnete sich die Migration fast durch
den gleichen Umfang aus: 400.000 Armenier aus Ostanatolien a u f
400.000 Moslems aus dem Kaukasus“. Nach Angaben dieses
W issenschaftlers wurden von 1828 bis 1920 mindestens 660.000
Armenier nach Aserbaidschan umgesiedelt".249
Ein unmittelbar an diesen Ereignissen Beteiligter beschrieb diese
sehr ausfiihrlich: „...von 1828 bis 1830 siedelten wir iiber 40.000
persische und 84.000 tiirkische Armenier in den Transkaukasus urn
und siedelten sie auf dem besten staatlichen Land in den
Gouvernements Elisawetpol und Eriwan an, wo die arm enische
Bevolkerung verschwindend gering war (Unterstreichung von m ir J.R.), sowie in den Ujesden Tiflis, in Bortschala, Achalza und
Achalkalak.250 Fiir die Siedlungen wurden ihnen iiber 200.000
24,Justin McCarthy. Armenian Terrorism: History as Poison and Antidote.
Ankara, Ankara University Press 1984, pp. 85-94.
250Die Stadt Achalkalaki wurde der Uberlieferung nach vom ersten georgischen
Konig Farnnaos gegriindet, wurde im 15. Jahrhundert zerstort und wurde im
18. Jahrhundert zu einer bedeutenden osmanischen Festung. Im Mai 1807
versuchte Graf Gudowitsch sie zu ersturmen, aber die Festung widerstand. Im
Jahre 1810 schlug General Tormasow bei Achalkalaki groBe osmanische
Streitkrafte. 18 2 1 wurde die Festung bei einem unerwarteten Einfall von
Oberst Kotljarewskij eingenommen, aber an die Osmanen zuriickgegeben.
Wieder wurde sie von den Truppen des Grafen Paskewitsch im Jahre 1828
eingenommen und zusammen mit dem Kreis vor 1918 an Russland
angegliedert. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurden im Kreis 253 Khane.
Beys und Agalare gezahlt.
Die Stadt Achalzich (georgisch: Achalziche, d.h. „neue Festung".
aserbaidschanisch Achiska). Friiher war Achalzich Hauptstadt des
georgischen Oblasts Samzche oder Semo-Kartli (d.h. Oberes Kartli). In der
ersten Halfte des 19. Jahrhunderts wurde Sarkis II. (1306-1334) unabhangiger
Herrscher von Samzche und nahm den osmanischen Titel Atabek an. infolgedessen das Gebiet Saatabago (d.h. Besitztiimer des Atabeks) genannt wurde.
1579 fiel Achalzich unter die Herrschaft der Osmanen, und 1625 forderten die
Tiirken von Herrschern die Annahme des Islam, in der zweiten Halfte des 17.
Jahrhunderts begannen die Osmanan ihre eigenen Paschas zu emennen. Auf
Jahrzehnte wurde Achalzich zum Hauptsklavenmarkt in der Region, dem die
Lesginen gefangene Christen lieferten. Bei den ZusammenstoBen von
Russland mit dem Osmanischen Reich gab es bei Achalzich wiederholt
schwere Kampfhandlungen. Im November 1810 belagerte eine Einheit unter
dem Kommando von General Tormasow die Festung, war jedoch durch groBe
Verluste, die die Truppen erlitten und die auftretende Pestepidemie zum
Riickzug gezwungen. Im August 1828 bewegte sich Graf Paskewitsch auf
Achalzich zu, schlug bei seinen Mauem die dorthin geeilten osmanischen
Truppen und erstiirmte nach einigen Tagen Belagerung die Festung, trotz des
154
Dessjatinen Staatsland zugewiesen und von den Moslems wurde fiir
iiber 2.000.000 Rubel Privatland gekauft. Der bergige Teil des
Gouvernements Elisawetpol und das Ufer des Goktscha-Sees (heute
Sewan-See) wurden von diesen Armeniern besiedelt. Man muss
bedenken, dass auf die 124.000 offiziell umgesiedelten Armenier auch
eine Vielzahl nichtoffizieller hierher kam, so dass die Gesamtzahl der
Umsiedler 200.000 Personen weit iibersteigt.
Nach dem Krimkrieg (1853-1856 - J.R.) siedelt sich wieder eine
nicht genau erfasste Anzahl Armenier an. Die Periode 1864 bis 1876
ist von unserer verstarkten Tatigkeit zur Besiedelung der Schwarzmeerkiiste durch Armenier und Griechen, die auf Kosten der Staatskasse aus Kleinasien kommen, gekennzeichnet ... Den Neuankommlingen wird das beste Staatsland zugewiesen.
Der gluckliche Ausgang des osmanischen Krieges 1877-1878
bescherte uns einen ganzen Strom von Neuankommlingen aus
Kleinasien: in den Karskaja Oblast251 ziehen rund 50.000 Armenier
und rund 40.000 Griechen, und der seither fast menschenleere Oblast
erhalt eine recht groBe auslandische Bevolkerung. AuBerdem bringt
General A. Tergukasow zu uns in den Ujesd Surmala 35.000 Wagen
mit osmanischen Armeniern, die auch bei uns bleiben.
Danach beginnt ein nicht abreiBender Strom von Armeniern aus
Kleinasien, die als Einzelpersonen und als Familien umsiedeln. In
noch groBerem Umfang beginnt die Umsiedlung der Armenier wieder
in der Periode 1893-1894, wahrend der armenischen Unruhen in der
Tiirkei. Bei Ankunft des neu ernannten Oberkommandierenden Fiirst
erbitterten Widerstandes der Garnison. Besonders zeichnete sich bei dieser
Erstiirmung das Schirwansker Infanteriebataillon aus. Auch in den
nachfolgenden Jahrzehnten zeichnete sich dieses Bataillon durch herausragende militarische Erfolge aus. Es spielte zum Beispiel eine herausragende
Rolle beim Sturm von Gunib und bei der Einnahme von Schamil am 25.
August 1859.
24 Kars ist eine Stadt im Nordosten des Osmanischen Reiches. Ab dem 16.
Jahrhundert, wahrend der Russisch-Tiirkischen Kriege des 19. Jahrhunderts
belagerten und eroberten russische Truppen die osmanische Festung in den
Jahren 1828 und 1855, und 1877 erstiirmten sie sie. 1878-1918 gehort Kars zu
Russland, 1921 zum Osmanischen Reich. Von 963 bis 1064 existierte das von
Byzanz halbunabhangige Konigreich Kars (der Bagratidenstaat), das von
armenischen Fursten (Konigen) regiert wurde und das vollig unter die
Herrschaft von Byzanz kam in Verbindung mit dem Einfall (1064-1065) der
Tiirken-Seldschucken.
155
G.S. Golizin 1897 im Kraj waren es nicht wie 1894 nur 10.000
Armenier, die ankamen, sondem rund 90.000... von den 1.300.000
nun im Transkaukasus lebenden Armeniem, sind iiber 1.000.000
Menschen keine alteingesessenen Bewohner des Krai und wurden v o n
uns angesiedelt (Unterstreichung von mir - J.R.)“ .252 Unter „altein ­
gesessenen Arm eniem 11 wurden die kaukasischen christlichen A lbaner
verstanden, die sich nach konfessionellen Merkmalen als A rm enier
eingetragen hatten und oft fur Armenier gehalten wurden. Tatsachlich
kann man zu den „alteingesessenen11Armeniem nur diejenigen zahlen,
die im 15. Jahrhundert in die von den Armeniem erworbenen D orfer
hierher zogen (s. oben - J.R.).
Der Erste W eltkrieg pragte auch den weiteren Zuwachs der A nzahl
der arm enischen Umsiedler. So ubersiedelten 1914-1916 noch einm al
350.000 Arm enier in den Kaukasus.253 Infolge dieser M assenumsiedlerstrome stieg die Anzahl der Armenier im Gouvernement Eriwan
1916 au f 669.871 an. Das Territorium des Gouvemements Eriwan
bestand aus den ehemaligen Khanaten Eriwan und Nachitschewan. Es
diente als Basis fiir die Schaffung des ersten armenischen Staates im
Kaukasus, der Republik Armenien, die durch Sowjet-Armenien
abgelost wurde, 1991 in die jetzige Republik Armenien um benannt.'''4
So wurde au f dem Weg der planmaBigen Massenumsiedlung, die von
der m ssischen Regierung finanziert wurde, der geographische Boden
fur die Griindung eines armenischen Staates auf kaukasischen
Gebieten, die den Arm eniem nie gehort haben, geschaffen.
Zu Fragen der Umsiedlung wurde ein Sonderausschuss geschaffen.
In Karabach wurden fiir die Umsiedler mit Regierungsmitteln neue
Ortschaften geschaffen: Maragali, Dachanjatag, Juchari Tschajli,
252Vgl.: N.N. Schawrow. Nowaja ugrosa russkomu delu w Sakavvkase.
Predstojaschtschaja rasprodascha Mugani inorodzam (Die neue Bedrohung
der russischen Sache im Transkaukasus. Der bevorstehende Ausverkauf von
Mugan an Auslander) Tipografija Redakzii perioditscheskich isdanij
Ministerstwa Finansow (Typographic der Redaktion der periodischen
Ausgaben des Finanzministeriums), St. Petersburg, 1911, S. 59-60.
" Istorija armjanskogo naroda. (Geschichte des armenischen Volkes) Verlag der
Universitat Erewan, Eriwan, 1980, S. 268.
254Vgl.: Kawkasskij kalendar na 1917 god (Kaukasischer Kalender fur 1917).
Typographie des Konzeljarii des Statthalters S.K.H. im Kaukasus, Tiflis.
1916, S. 219.
156
Aschagi Tschajli u.a.255 Der in den Siidkaukasus strebende, immer
starker werdende Strom von Armeniem, die gute Chancen auf
Einbiirgerung in den neuen Territorien hatten, war von einer
Intensiviemng der Probleme zwischen den Neuankommlingen und der
alteingesessenen Mehrheit der moslemischen Bevolkerung begleitet.
Ab 1840 gehorte das Territorium von Karabach zum neuen
Kaspijskaja Oblast und ab 1846 zum Gouvernement Schemacha
(danach zu Baku). Als in den aserbaidschanischen Gebieten das
Gouvernement Elisawetpol geschaffen wurde, kamen dazu auch zwei
Rayons (Ujesde), der Schuschinskij und der Sangesurskij Rayon, die
ehemals zum Khanat Karabach gehort hatten. 1849 wurde die erst
kurz zuvor geschaffene Armenische Oblast umgebildet. An seiner
Stelle wurden die Gouvemements Eriwan und Nachitschewan und der
Kreis Ordubad geschaffen. Die meisten Bewohner dieser administrativen Einheiten waren Moslems, hauptsachlich Aserbaidschaner.
Bemerkenswert ist auch die Tatsache, dass schon 1827, d.h. ein Jahr
vor der Auflosung der Khanate Nachitschewan und Eriwan, eine
„Ubergangsregierung der Oblast11 (gemeint ist der Armjanskaja Oblast
- J.R.) geschaffen worden war, der auch der armenische Bischof
Nerses Aschtarakskij angehorte.256 Mit Unterstiitzung der russischen
Regierung wurden iiber die Entziehung der kirchlichen Autonomie der
christlichen Albaner auch alle ehemaligen albanischen Meliktiimer
zielgerichtet „armenisiert11 und „christianisiert11.
Die armenische Seite steilt die Geschichte von Karabach und seine
gegenseitigen Beziehungen mit den umliegenden Machten ganz
anders dar. Ich gestatte mir ein langeres Zitat aus einem autoritativen
halboffizieilen Sammelband: „Die Bergregion Karabach, die oft mit
dem aserbaidschanischen Namen Arzach genannt wird, gehorte zur
alten armenischen Provinz Arkaz und war vom Mittelalter bis zur
2' - Selinskij S. P. Ekonomitscheskij byt gosudarstwennych krcstjan Sangesurskogo uesda Elisawetpolskoj gubernii. (Das wirtschaftliche Leben der staatliclien Bauern des Ujesd Sangesur des Gouvemements Elisawetpol) Tiflis
1886; Glinka, S.N. Opisanie pereselenija armjan aserbajdschanskich w
prcdely Rossii. (Beschreibung der Umsiedlung der aserbaidschanischen
Armenier nach Russland.) Moskau 1831.
2y’Vgl.: Griboedow A. S. Sobranie sotschinenij w dwuch tomach, (Gesammelte
Werke in zwei Banden) Verlag “Prawda”, Moskau 1971, Bd. 2, S. 94; The
Modern Encyklopedia o f Russian and Soviet Literatures, Acad. Inter. Press,
1989, V ol.9, pp. 59-63 Glinka..., S. 110.
157
Neuzeit die letzte Bastion der armenischen Unabhangigkeit. Von
Anfang des 17. Jahrhunderts, als die Perser der Tiirkei Ostarm enien
endgiiltig abnehmen konnten, entdeckten sie auf dem Territorium
dieser natiirlichen Festung eine bewaffnete Bevolkerung, die ihre
Fiihrer so stark unterstutzte, dass die Perser es vorzogen, funf von
ihnen den Status eines Meliks zu geben und mit diesem Status
autonome Dynastien, die die Meliktiimer nach eigenem Gutdunken
regieren konnten. Ermutigt durch den siegreichen Feldzug Peters des
GroBen 1722 nach Baku vermochten die Meliks lange Zeit unabhangig zu bleiben. Nachdem sie erneut unter persische Herrschaft
gefallen waren, horten sie nicht auf, auch weiterhin au f die Ankunft
der Russen zu hoffen. Letztere besetzten auch tatsachlich 1797
Georgien und von 1804 bis 1806 den ostlichen Transkaukasus.
Inzwischen schlossen die durch diese Offensive der Russen gegen
das Konigreich Georgien und dessen Annexion durch sie beunruhigten
Englander einen Biindnisvertrag mit Persien. 1802 beauftragte
Bonaparte den Diplomaten Sebastiani, Verhandlungen iiber die
M oglichkeiten eines ttirkisch-franzosischen Freundschaftsvertrages zu
fiihren. AuBerdem sandte er Emissare nach Persien in der Absicht, die
Perser davon zu iiberzeugen, dass Russland mit Hilfe Frankreichs aus
dem Transkaukasus vertrieben werden konne. Und tatsachlich konnte
die Festung Eriwan aufgrund der vom franzosischen Armeeingenieur
Verdell ergriffenen MaBnahmen die Belagerung des russischen
Heerfiihrers Gudowitsch im Jahre 1808 iiberstehen. W enn auch die
Vertreibung der Russen nicht gelang, so doch wenigstens die
Verzogerung ihrer Offensive in den Kaukasus. Dennoch waren die
Perser nach der Niederlage Napoleons in Russland gezwungen, auf
der Grundlage des Vertrags von Gulistan von 1813 die Herrschaft der
Zaren iiber die eroberten Territorien anzuerkennen.
Im Jahre 1826 fiel Abbas M irsa, der alteste Sohn von Fath AliSchah, der den musulmanischen Aufstand im Transkaukasus unterstiitzt hatte, wieder in die Berge von Karabach ein. General
Paskewitsch, der Vizekonig des Kaukasus, nahm mit Hilfe des Armeniers Madatow und einer Gruppe ortlicher Partisanen, die von den
Predigten von Nerses Aschtarak angefeuert waren, die Festung Eriwan
ein und eroberte die Araxes-Niederungen, die die Perser im Vertrag
158
von Turkmantschai von 1828 als zu Russland gehorend anerkannt
hatten“ .257
W enn der Leser den Inhalt dieses Abschnittes mit den Ausfiihrungen in den vorhergehenden Studien vergleicht, wird auch er nur
schwer sagen konnen, was in dem Abschnitt uberwiegt gewissenhafte Irrtiimer, Unwissen, willkiirliche Interpretation der
Fakten, Verschweigen oder schlicht Propaganda. Es geht hier nicht
einmal um die sprachlichen Besonderheiten des Abrisses („fiel in die
Berge von Karabach ein“(!), „Vize-Konig des Kaukasus" (!!)).
Durch einige geschichtliche Auskiinfte zu diesem seltsamen
halboffiziellen armenischen Text werden, wie ich hoffe, die
„Irrtiimer" seines Autors aufgeklart. 1. Nach der glanzenden
Herrschaft Schah Nadirs begannen im Land die Wirren, wahrend derer
die Regenten verschiedener Gebiete M achtkampfe fiihrten. Unter
diesen Wirren tat sich der schon betagte Kerim-Khan aus dem
Geschlecht der Sendiden hervor und griindete innerhalb kurzer Zeit
die Dynastie der Sendiden. Dieser Kerim-Khan (1760-1779) rechnete
erfolgreich sowohl mit Freunden ab, als diese begannen, ihm seine
Erfolge zu neiden, als auch mit Feinden, die auf seinen Tod sannen.
Nach dem Tod des Regenten Masanderan Muhammed-Khan aus dem
Kadscharengeschlecht machte sich Kerim-Khan das gesamte Land
untertan, raumte fur eine Zeit die inneren Streitigkeiten aus und
machte Schiras zu seiner Hauptstadt. Nach dem Tod Kerim-Khans
folgte ein Jahrzehnt des Kampfes um die oberste Macht, bis
schlieBlich der letzte Khan aus der Sendiden-Dynastie, Ljutari-AliKhan 1795 im Kam pf gegen den Kadscharen Aga-Muhammed-Khan
(einem Sohn des masanderanischen M uhammed—Khan, der von
Kerim-Khan ermordet worden war) fiel, der die neue Dynastie dcr
Kadscharen begriindete, die bis 1925 bestehen blieb.
Abbas Mirsa (1783- 1833 ), kadscharischer Prinz, zweiter Sohn
Fath Ali-Schahs. Da die Mutter des zweiten Sohnes von kdniglichem
Geschlecht war, bestimmte der Schah ihn zu seinem Thronfolger
(„W aliahd") und schloss damit den alteren Bruder Muhammad-Ali
Mirsa, dessen M utter eine griechische Sklavin war, von der
257V gl.: Armenien. Wiederentdeckung einer alten Kulturlandschaft. Berlin 1995,
S. 15-16. Der Sammelband enthalt je ein Vorwort der Prasidenten von
Armenien (Lewon Ter-Petrosjan) und von Deutschland (Roman Herzog), was
auch erlaubt, ihn als halboffiziell zu betrachten.
159
Thronfolge aus. Insgesamt hatte Fath Ali-Schah 150 Sohne. Schon in
friiher Jugend, als Statthalter von Aserbaidschan und faktischem
Herrscher iiber das gesamte Land, war er bestrebt, mit Hilfe der
Europaer seine eigene Armee aufzubauen. Wahrend der RussischPersischen Kriege 1811-1813 fuhrte er die kadscharische Hauptarm ee
an, war jedoch im Krieg erfolglos. Nach dem Frieden von Giilistan
(12.10.1813) verlor der Kadscharenstaat (Persien) nicht nur seine
Besitztiimer im Kaukasus, sondem musste auch der russischen
Kriegsflotte Zugang zum Kaspischen M eer geben. Der zweite
Russisch-Kadscharische (Persische) Krieg (1826-1828) wurde von
Fath A li-Schah begonnen, weitgehend unter dem Einfluss von Abbas
Mirsa, der wieder einen Feldzug anfuhrte und wieder gegen Ermolow
und Paskewitsch eine Niederlage erlitt. Diese Niederlage wurde im
Frieden von Turkmantschai (1828) festgeschrieben, nach dem der
Kadscharenstaat (Persien) alle seine Besitztiimer im Osten des
Siidkaukasus - die Khanate Eriwan und Nachitschewan verlor. Mit
A bbas-M irsa verhandelte die russische diplomatische Vertretung
unter der Leitung von S.I. M asarowitsch, und unter M itwirkung von
A.S. Gribojedow.
Die Umsiedlung der Arm enier nach Berg-Karabach wurde 1978,
zum 150. Jahrestag der Umsiedlung, durch die Errichtung und
feierliche Enthiillung des Denkmals in Agdara (jetzt Mardakert)
begangen. Nach Beginn des Berg-Karabach-Konfliktes wurde dieses
Denkmal Ende der 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts geandert,
so dass der Grund seiner Errichtung schwer verstandlich wurde.258
M it den territorialen und demographischen Anderungen der
Regierung des Zaren wurden wichtige auBenpolitische Ziele verfolgt die Schaffung eines strategischen Aufmarschraums an den Grenzen
zum Nahen Osten, Hauptstiitzpunkt der russischen Herrschaft im
Siidkaukasus, Kontrolle iiber die regionalen Handelswege von Siiden
nach Norden und von Osten nach Westen und iiber einen groBen Teil
des Kaspischen Meeres. Da die Georgier - der groBte Teil der
258Vgl.: The series o f „The true facts about Garabagh" Brief Information o f the
history o f Garabagh. Baku 2005, p. 9. Die Umsiedlung von Armeniern aus
dem Kadscharenstaat und dem Osmanischen Reich wurde auch in der
Erklarung des AuBenministeriums der USA im April 2001 vor dem Beginn
der Verhandlungen Aserbaidschan und Armenien in Key West, Florida
erwahnt.
160
christlichen Bevolkerung des Siidkaukasus - vom Standpunkt
Moskaus aus nicht sehr zuverlassige Verbiindete waren, beschloss die
Regierung Russlands auch die Stimulierung der Umsiedlung der
Armenier aus dem Kadscharenstaat (Persien) und dem Osmanischen
Reich in den Siidkaukasus. Dadurch konnte man hoffen, mit der Zeit
ein Ubergewicht der christlichen Bevolkerung iiber die Anhanger des
Islam und anderer Religionen zu erreichen. Die Armenier brauchten
mehr als alle anderen ethnischen Gruppen wahrend der Unruhen und
Krisen einen starken Schutz, und von ihnen konnte dafiir dankbare
und treue Untertanigkeit erwartet werden.
Die Forschungen bekannter Historiker iiber die demographischen
Veranderungen in der siidkaukasischen Region belegen: “Vor den
russischen Eroberungen machten die Armenier rund 20% der
Gesamtbevolkerung (der Region - J.R.) aus und die Moslems 80%;
nach den russischen Eroberungen wurden rund 57.000 Armenier
hierher umgesiedelt. Schon 1828 stellten die Armenier fast die Halfte
der Bevolkerung." 259 Der Zustrom zahlreicher Armenier, die intensiv
und mit Hilfe der russischen Regierung Land von der ortlichen
moslemischen Bevolkerung kauften, ftihrte an vielen Orten ihrer
Zerstreuung zur interethnischen und interreligiosen Spannung. Viele
Jahre und Jahrzehnte war diese Spannung nur potentiell eine
Bedrohung fiir den sozialen Frieden in der Region. Die armenische
Bevolkerung wurde im Gegensatz zu den Russen oder den deutschen
Landsleuten, die hier ebenfalls siedelten und von der Regierung Hilfe
erhielten, eher von der ortlichen Bevolkerung als Landsleute aus dem
:y,Vgl.: Boumoutian G. A.: The Ethnic Composition and the Socio-Economic
Condition o f Eastern Armenia in the First Half o f the Nineteenth Century. In:
Suny R. (i. (ed.): Transcaucasia. Nationalism and Social changc. Ann Arbor
1983, p. 79; Derselbe: Eastern Armenia in the Last Decades o f Persian Rule,
1807-1828, A Political and Socio-Economic Study o f the Khanate o f Erivan
on the Eve o f Russian Conquest. Malibu, Calif. 1982; Glinka S. Opisanie
percselenija armjan aserbajdschanskich w predely Rossii. (Beschreibung der
Umsiedlung der aserbaidschanischen Armenier nach Russland.). Moskau
1831. In Elisawetpol machten auch gegen 1911 die iiberwaltigende Mehrheit
der Bewohner-45.000 von der Gesamteinwohnerzahl (59.000) der Hauptstadt
des Gouvernements Aserbaidschaner aus. Von einer Gesamtbevolkerung des
Gouvernements Elisawetpol machten die Aserbaidschaner 61% aus, die
Armenier 33%, Vgl.: Nowyj enziklopeditscheskij slowar, (Neues enzyklopadisches Worterbuch), Brockhaus -Efron, St. Petersburg 1914, Bd. 11a, S.
456, 459.
161
wohlbekannten Nahen Osten aufgenommen. Gegen Ende des 19.
Jahrhunderts verscharften sich die Beziehungen zwischen den
Arm eniem und den Aserbaidschanem jedoch allmahlich und w urden
in vielerlei Hinsicht antagonistisch. Selbst im Bereich der Kultur und
der Religion wurde es imm er schwieriger, uber die vergangene
Toleranz zu sprechen. Der Strom der Armenier in den Sudkaukasus
wuchs im 19. Jahrhundert auch nach jedem Krieg zwischen R ussland
und dem Osmanischen Reich weiter an. Das geschah nach dem
Krimkrieg von 1853-56, nach dem Krieg von 1876-78 sowie nach
den antiarmenischen Pogromen, die von den kurdischen Stammen
unter Sultan A bdul-H am id II. im Osmanischen Reich in den
Neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts durchgefuhrt wurden. Um
diese Zeit waren, wie ausgewahlte statistische Daten belegen, rund
900.000 Arm enier im Siidkaukasus.260
10. Die widerstreitenden Interessen der europaischen
Machte in der zweiten Halfte des 19. - Beginn des
20. Jahrhunderts und die armenische Frage
Ende des 18. bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts verlief die
russische Expansion, wie bereits ausgeffihrt, in Richtung Osmanisches
Reich und Kadscharenstaat. Einer der Griinde dieser Bewegung war
das Anziehen der christlichen Bevolkerung in die neu erworbenen
kaukasischen Gebiete. Die vereinzelten Auseinandersetzungen
zwischen Christen und M oslems waren fiir Russland nicht seiten ein
erwiinschter Anlass fiir die Einmischung und Annexion einiger
Gebiete. Nicht ausgeschlossen war auch die Provokation dieser
Auseinandersetzungen, die insgesamt fiir jedes Land durch innere
Griinde bedingt sind, durch bestim m te Krafte in Russland. Anfangs
war die russische Expansion a u f traditionell ,,iranische“ Gebiete
gerichtet, danach auf das Osmanische Reich, m it dem Russland seit
1828 eine gemeinsame Landgrenze hatte. Obwohl Russland den
iibersiedelten armenischen Christen keinerlei Autonomierechte
versprach, nahm ihre Um siedlung in das wieder an Russland
angeschlossene Gebiet immer groBere AusmaBe an, und die Armenier
empfanden sie als Segen.
Das armenische Volk, das viele Jahrhunderte lang keinen Staat
hatte, beginnt ab der Mitte dieses Jahrhunderts wieder die erstorbenen
Hoffnungen auf die Schaffung einer nationalen Autonom ie oder eines
unabhangigen Staates zu nahren. Diese Hoffnungen verstarkten sich in
der zweiten Halfte des neunzehnten Jahrhunderts insbesondere nach
der Niederlage des Osmanischen Reiches im Russisch-Osmanischen
Krieg von 1877-1878 und der Schwachung des Osmanischen Reiches
nach dem Verlust des Balkans. Es wurde davon ausgegangen, dass
eine armenische Autonomie oder ein autonom er Staat gerade auf dem
Territorium des Osmanischen Reiches geschaffen wurde, wo immer
noch mehr Armenier wohnten als in jedem anderen Land.
GroBe Bedeutung fiir das Verstandnis der jetzigen armenischaserbaidschanischen Auseinandersetzung hat die sogenannte arm e­
nische Frage, die in der zweiten Halfte des 19. Jahrhunderts
auftauchte. Ab Mitte der 50er Jahre nahmen unter Sultan Abdul-
260Vgl.: Isarow N. I. Nowaja ugrosa russkomu delu w Sakawkasje. (Die neue
Bedrohung der russischen Sache im Transkaukasus) Sankt-Petersburg 1911.
S. 59-61; Swetochonski, Tadeusz: Der Streit um Berg-Karabach..., S. 162.
163
Medschid261 im Osmanischen Reich europaische und am erikanische
Missionare ihre Arbeit auf, die nicht nur fur die osm anische
Regierung Probleme schufen. Sie zersplitterten faktisch die bis dahin
a u f religioser Ebene homogene armenische Gemeinde. N ach
Einschatzung armenischer Autoren hatte nichts einen solchen
zerstorerischen Einfluss auf das Bewusstsein der arm enischen
Identitat wie die Einfflhrung des Katholizismus und Protestantism us
bei ihnen. Frankreich und Osterreich verteidigten die Katholiken.
GroBbritannien und die USA unterstiitzten die Protestanten. Russland
unterstutzte die Christen der monophysitischen Arm enischen
Apostolischen Kirche.
Diesem Verhalten der damaligen GroBmachte lagen wichtige
geostrategische Uberlegungen und Interessen zugrunde. Russland
schickte sich an, die Armenier fur den Zugang zu neuen warmen
Meeren zu nutzen und a u f den Landwegen streckenweise
GroBbritannien von Indien zu isolieren. GroBbritannien benutzte die
protestantischen Armenier zum Schutz seiner Landwege nach Indien
und zur Bremsung der Expansion Russlands und Frankreichs in dieser
Richtung. Fiir die Franzosen waren die katholischen Arm enier fiir die
eigenen Interessen im Nahen Osten erforderlich. Und zusammen
strebten alle diese europaischen Machte unter dem Anschein der
Verteidigung der religiosen Rechte der Christen und der Arbeit ihrer
Missionare tatsachlich die Einnahme eines Teils des Territoriums des
schwachelnden Osmanischen Reiches an. Diese Interessen und die
Bestrebungen der europaischen GroBmachte nutzte der radikale Teil
261 Abdul-Medschid war (seit 1. Juli 1839) der 31. Sultan des Osmanischen
Reiches. Er war von der westlichen Kultur sehr beeindruckt und erlieB am 3.
November 1839 den sogenannten Chatti-scherif (Erlass), nach dem alien
tiirkischen Untertanen der gleiche Schutz zugesagt wurde und der Sultan auf
das alte Sultansrecht verzichtete, iiber den Besitz und das Leben seiner
Untertanen zu verfugen. Die Niederlagen der Russen im Krimkrieg sollten
dem Osmanischen Reich als Mitglied der antirussischen Koalition bestimmte
Vorteile bringen. Aber dies geschah nicht, und der Pariser Vertrag vom 30
Marz 1856, der nicht nur auBere, sondem auch innere Ruhe versprach. war
weder fur die Christen des Reiches noch fiir die Moslems befriedigend. In
Bosnien, Bulgarien und Albanien brachen Aufstande auf und im Libanon und
in Damaskus kam es zu blutigen antichristlichen Ausschreitungen. Als im
gleichen Jahr 1858 der Bankrott der Staatskasse des Sultans bekannt wurde.
war die Autoritat des 31. Sultans endgultig zerstort; er starb 1861.
164
der armenischen Fiihrer dazu, ihre eigenen politischen Ziele zu
verwirklichen.
Da die rechtlichen Auswirkungen des Russisch-Osmanischen
Krieges 1877-1878 Jahre eine direkte Beziehung zum starken
Wiederaufleben der Hoffnung der Armenier auf die kulturelle oder
sogar die staatliche Autonomie innerhalb des Osmanischen Reiches
hatten, wollen wir darauf naher eingehen. Der Armenische Patriarch
Nerses Warschabotjan traf sich zwischen dem 12. Dezember 1876 und
dem 20. Januar 1877 in Istanbul mit dem britischen Botschafter Elliot
und versicherte ihm, dass die Armenier erforderlichenfalls zu einem
Aufstand bereit waren, um die Sympathie und die Unterstiitzung der
europaischen Machte zu erringen. Die Frage ist: Aufstand gegen wen?
Gegen den eigenen Staat, in dem die Armenier seit Jahrhunderten oder
Jahrzehnten lebten. Der Patriarch traf sich auch mit dem Oberbefehlshaber der russischen Armee, Grofifiirst Nikolaj, um ihn zu ersuchen,
einen unabhangigen arm enischen Staat auf dem Territorium des
Osmanischen Reiches (seiner sechs ostlichen Provinzen) zu schaffen.
Worum hat er ersucht? Dass eine auslandische Macht dem Staat, in
dem die Armenier lebten, einen wesentlichen Teil seiner Gebiete
abnehmen solle. Der GroBfurst unterstutzte natiirlich die Illoyalitat der
Armenier, fur die auch Patriarch Nerses sprach, gegeniiber den
Osmanen. Wie darauf das Osmanische Reich und die Mehrheit dieser
,,Osmanen“ reagieren sollten, ist unschwer vorzustellen: wie jeder
Staat auf die Besetzung eines Teils seines Territoriums reagiert.
In dem am 31. Januar 1878 zwischen dem Osmanischen Reich und
Russland in Edirn (Andrianopol) geschlossenen Friedensvertrag war
nur von den Balkanlandern die Rede und wurde nichts iiber die
Armenier gesagt. Die armenische Frage fand im vorlaufigen
Friedensvertrag von San Stefano (3.3.1878) Ausdruck, in dessen 16.
Artikel erstmals in einem internationalen Pakt das W ort ,,Armenien“
benutzt wird. Nach diesem Vertrag erhielt Russland Batumi, Ardagan,
Kars, Bajaset und die Alaschkert-Ebene.262
262Vgl.: Den vorlaufigen Friedensvertrag von San Stefano vom 19. Februar / 3.
Marz 1878. Sbomik dogoworow Rossii s drugimi gosudarstwami 1856-1917.
(Sammlung von Vertragen Russlands mit anderen Staaten 1856-1917)
Moskau, Gosudarstwennoe isdatelstwo polititscheskoj literatury. 1952, S.
159-175.
165
Was geschah denn einen M onat spater zwischen dem genannten
Frieden und dem Vertrag? Es erfolgte das Ersuchen des Patriarchs von
Konstantinopel, N. W arschapetjan am 1. Februar 1878 an die
russische Delegation, in dem er „ersuchte, den Arm eniem die gleichen
Rechte und Garantien zu geben, wie sie den Balkanvolkem gegeben
worden waren".263
Bis zum Frieden von Andrianopol hatten die Arm enier kein
Programm
ausgearbeitet, das sie auf den diplom atischen
Verhandlungstisch legen konnten. Aber den Flauptgrund, warum die
„armenische Frage“ in den Dokumenten des Friedensvertrages fehlt,
enthiillte der russische Botschafter im Osmanischen Reich Ignatjew,
als er mitteilte, dass „vorlaufig Armenien nicht die Freiheit bekommen
kann, die Bulgarien erhalten wird, da sich die Arm enier als nicht
vorbereitet erwiesen hatten und in Armenien zu einem toten Element
wurden“, d.h. sich nicht nach Vorschrift der zaristischen Diplomatic
erhoben hatten, wie das die Slawen getan hatten.264
Als der bulgarische Aufstand 1876 die Osmanen zwang, sich an
alle Untertanen des Reiches zu wenden mit dem Aufruf, der
Regiem ng Hilfe bei der sich abzeichnenden Lage zu geben, waren die
armenischen Christen im Osmanischen Reich vor die Wahl gestellt,
sich entweder zu erheben, dem Beispiel der Slawen folgend, oder sich
offen dafur auszusprechen, dass sie den Aufstand verurteilen und der
Regiemng als treue Untertanen zur erfolgreichen Beendigung des
Krieges verhelfen wurden. Die hochste armenische Autoritat,
Patriarch Nerses (N. W arschapetjan) wahlte auf Anraten der Biirgerversam mlung der Arm enier das zweite.
In der Botschaft von Nerses waren die folgenden Worte enthalten.
die nur in eine bestimmte, pro-osmanische, Richtung ausgelegt
werden konnen: „...Die ihr Land liebenden Armenier (kursiv von mir J.R.), die der Regiemng Unterstiitzung erweisen, erweisen damit der
arm enischen Nation die Zusammenarbeit und den Dienst, denn der
Schutz des Osmanischen Reiches ist Schutz Armeniens, der
263Vgl.: W.A. Parsamjan. Istorija armjanskogo naroda (1801-1900 gg.) (Die
Geschichte des armenischen V olkes (1801-1900). Verlag ,,Ajastan“, Eriwan.
1972, S. 281.
264Vgl.: Borjan B. A. Armenija, meschdunarodnaja diplomatija i SSSR. (Arme­
nien, die intemationale Diplomatic und die UdSSR) Gosudarstwennoe isdatelstwo, Moskau-Leningrad, 1928, S. 231.
166
armenischen Religion, von Schule, Eigentum, Familie, Ehre und
Leben...“. Der Patriarch ruft namens der ,,Gemischten“ (Vereinigten)
Nationalversammlung, die Arm enier zum Schutz der Heimat und des
Thrones von Sultan Murad V. auf. Er m ft die Armenier auf, freiwillig
in die osmanische Armee einzutreten und mit der W affe in der Hand
den Sultan gegen seine Feinde zu verteidigen: „W ir miissen uns
zusammentun und alles opfem im Namen des Schutzes des
Heimatlandes (Hervorhebung von mir -J.R.) und des Sultans, um
unseres nationalen Nutzens und Stolzes willen“. Einen ahnlichen
Beschluss nahm die Generalversammlung der armenischen Gemeinde
des Osmanischen Reiches am 7. Dezember 1877 unter Vorsitz des
Istanbuler Patriarchen nach der Erorterung des Aufrufs des Sultans
iiber den freiwilligen Eintritt der Christen in die Biirgerwehr.265
Und bei einem Treffen m it dem englischen Botschafter im
Osmanischen Reich Layard 1877 sprach Patriarch Nerses davon, dass
die Armenier „damit zufrieden sind, dass sie sich unter der Herrschaft
der Tiirkei befinden und mit dem groBten Vergnugen lieber unter ihr
bleiben wurden als unter die m ssische zu gehen ... und bereit waren in
die tiirkische Armee einzutreten oder in die ortliche Biirgerwehr zur
Verteidigung des turkischen Gebiets (Hervorhebung von mir J.R.)“ .266
A uf der Sitzung der Generalversammlung der armenischen
Gemeinde des Osmanischen Reiches vom 17. Dezember 1877 hoben
die Armenier jedoch ihren eigenen Beschluss vom 7. Dezember des
glcichen Jahres uber die Unterstiitzung des Aufrufs des Sultans zum
freiwilligen Eintritt der Christen in die Biirgerwehr wieder auf.
Griinde fiir diese Kehrtwendung gibt es moglicherweise viele, aber
konzentrieren wir uns darauf, dass am 13. Dezember 1877 Plewna fiel
und die Niederlage des Osmanischen Reiches unausweichlich
wurde.267 Wie die osmanische Regiemng und die Osmanen diese
2^Vgl.: British Documents on Ottoman Armenians. Volume I (1856-1880).
Turk Tarih Kurumu Basimevi, Ankara, 1982, No. 51, pp. 141-142.
2M’Vgl.: British Documents on Ottoman Armenians. Volume I (1856-1880), No
64, p. 159.
267Die in Plewna eingeschlossenen Osmanen versuchten verzweifelt, durchzubrechen, jedoch erfolglos. Die osmanische Armee musste sich ergeben und
der verwundete Osman-Pascha, der Fiihrer der Verteidigung von Plewna,
iibergab dem russischen General Ganezkij seinen Sabel. In Anerkennung des
167
,,Kehrtwende“ ihrer christlichen Mitbiirger und die nachfolgenden
Geheimverhandlungen ihrer Vertreter, zu denen auch ein Sekretar des
AuBenministers des Osmanischen Reiches (ein gewisser A m altschian)
gehorte, mit dem russischen Botschafter im Osmanischen Reich
Ignatjew aufnahmen, kann man sich unschwer vorstellen.268
Nach dem Russisch-Osmanischen Krieg 1877-1878 betrachtete die
russische Regierung die Abspaltung der ostlichen Gebiete des
Osmanischen Reiches, wo neben der moslemischen Bevolkerung auch
zahlreiche christliche Armenier wohnten, als reale M oglichkeit. Die
Beziehung dieses Teils der damaligen osmanischen Gesellschaft zum
Osmanischen Reich anderte sich grundlegend mit den Erfolgen des
russischen Heeres. M oskau unterstiitzte die Traume der arm enischosmanischen Burger („ttirkischen Armenier") iiber die Schaffung
einer Autonomie in den nordostlichen Gebieten des Osmanischen
Reiches m it der Perspektive a u f die Schaffung eines eigenen
unabhangigen Staates: das war schon einmal bei den Balkanvolkem
gelungen, weshalb also sollten das nicht auch die Arm enier im
Osmanischen Reich tun? Artikel 16 des vorlaufigen Friedensvertrages
von San Stefano (3.3.1878) verwies darauf in weicher Form.269
Der Vertrag von San Stefano, in dem das Wort ,,Armenien“
gebraucht wurde, passte auch England nicht, das eine Verstarkung der
russischen Positionen furchtete. Und au f dem intemationalen
Heldenmutes von Osman-Pascha verliehen ihm die Russen in der Gefangenschaft den Rang eines Feldmarschalls.
"fiXVgl.: Borjan B.A. Armenija, meschdunarodnaja diplomatija i SSSR (Arme­
nien, die internationale Diplomatic und die UdSSR, T. 1, S. 231-232.
264„...Die Glanzende Pforte verpflichtet sich, unverziiglich Verbesserungen und
Reformen einzuleiten, die von den ortlichen Bediirfnissen in den von
Armeniem besiedelten Gebieten hervorgerufen sind, und den Schutz der
letzteren vor den Kurden und Tscherkessen zu gewahrleisten“. Vgl.: Sbomik
dogoworow Rossii s drugimi gosudarstwami 1856-1915. (Sammlung von
Vertragen Russlands mit anderen Staaten 1856-1915), S. 168-169. In diesem
Artikel (XVI) des Vertrages von San Stefano wird zum ersten Mai in einem
intemationalen Vertrag die Bezeichnung ,,Armenien“ in diesem Kontext
verwendet:“ Angesichts dessen, dass die Sauberung der von russischen
Truppen in Arm enien (Hervorhebung von mir - J.R.) besetzten Orte durch
d i e s e . U n t e r „Armenien" wurden die Paschalyks Van, Siwas, ein groBer
Teil Diarbekirs und das alte Konigreich Kilikien verstanden, in denen es viele
Armenier gab, obwohl sie auch nicht die Mehrheit der Bevolkerung stellten.
Die Autonomie fur die Armenier war von diesem Vertrag nicht vorgesehen.
womit sie natiirlich nicht zufrieden waren.
168
Kongress in Berlin (8.7.1878), im von England vorgeschlagenen
Artikel LX1, fand das Wort ,,Armenien“ keine Wiederspiegelung. Der
Vertrag von San Stefano und der Berliner Kongress bezeichnen das
Entstehen und Werden der „armenischen Frage“ in der jiingeren
Geschichte.
Nach dem Berliner Kongress kamen Russland und England mit
diversen Reformplanen, die die Verwaltungs- und Rechtslage der
Armenier im Osmanischen Reich perfektionieren sollten. Einer davon,
der 1895 angenommen wurde, sah Reformen in den anatolischen
Vilajets Erzurum, Bitlis, Van, Diarbekir, Memuratelasis und Siwas
sowie die Emennung eines christlichen Stellvertreters ftir jeden
,,Wali“ (Generalgouverneur) vor.270
Ein anderer Reformplan sah die Schaffung zweier Sektoren in
Ostanatolien unter Leitung von zwei auslandischen Inspektoren vor:
dem einem in Erzurum, Trabson und Siwas, und dem anderen in Van,
Bitlis, Charput und Diarbekir. Aber diese beiden Plane erwiesen sich
als nicht durchfuhrbar. Im ersten Fall aufgrund von Aufstanden auf
Kreta und im zweiten aufgrund des beginnenden Ersten Weltkrieges.
Die genannten Reformplane konnten von Anfang an nicht als
schicksalstrachtig fur das armenische Volk bewertet werden. Sie
waren eher Instrumente des Kampfes der europaischen GroBmachte
jener Zeit um die Erhaltung oder Neuverteilung der Einflussspharen
und Interessen. Die Armenier des Osmanischen Reiches wurden unter
der „staatsbildenden Politik“ in diesem K am pf nur benutzt.
Die Bemiihungen der Vertreter der armenischen Gemeinde des
Osmanischen Reiches, die a u f die Schaffung einer autonomen
Verwaltung in den von Armeniern besiedelten Provinzen abzielten,
hatten keinen Erfolg, hauptsachlich wegen der ,,zuriickhaltenden“
Position Russlands, und der Russland ,,einschrankenden“ Politik
Englands.
Gut bekannt ist, dass die Russen selbst die Initiatoren der
Bewegungen der Armenier innerhalb des Osmanischen Reiches gegen
: "Der Sultan ging davon aus, dass es geniigen wiirde, den Text des
entsprechenden Erlasses im Regierungsboten zu veroffentlichen, denn die
Verkiindung des Dokuments wiirde zweifellos Unzufriedenheit und Unruhe
unter den Moslems, der iiberwaltigenden Mehrheit der Bevolkerung des
Landes, hervorrufen. Und erst auf Druck der europaischen Machte, insbe­
sondere Frankreichs, wurde der Erlass am 11. November 1896 in der Zeitung
„Iradeij Senije“ veroffentlicht.
169
das Osmanische Reich waren. Die Osmanen und die A rm enier w urden
von Russland mit der Hoffnung a u f einen eigenen Staat angefeuert,
M oskau strebte die Einbeziehung der Bezeichnung ,,Arm enien“ in den
oben erwahnten vorlaufigen Vertrag an. Anscheinend w ar die starke
Unterstutzung der Unabhangigkeitsbestrebungen der tiirkischen
Armenier durch Russland garantiert. A ber die russische Regierung
verstand sehr gut, dass die Arm enier im Unterschied zu anderen
christlichen Untertanen des Osm anischen Reiches nicht „ihre Existenz
auf der Grundlage der nationalen Unabhangigkeit organisieren“
konnen, da sie dazu nicht die wichtigste Voraussetzung haben - „ein
eigenes Territorium " weil „w eder im sogenannten russischen
Armenien, noch in den tiirkischen Vilajets a u f der anderen Seite der
Grenze, die Armenier aufier in einigen Stadten nirgends die M ehrheit
der ortlichen Bevdlkerung stellen (kursiv - J.R.)“21'
Aufierst interessante Uberlegungen zur Frage der ,,Heimat“ der
Armenier als Nation hat die seinerzeit bekannte klerikal-liberale
Personlichkeit Spandarjan angestellt. Er ging davon aus, dass die
Armenier, wenn sie in einem Gebiet kom pakt hatten siedeln konnen
und die M ehrheit dort gehabt hatten, auf eine selbststandige staatliche
Zukunft hatten hoffen konnen. Deshalb schrieb er, „so lange die
Armenier noch kein gemeinsam es Heimatland haben, konnen sie kein
individuelles Leben (Nation - J.R.) haben“, und „wenn die Armenier
kein Heimatland haben, haben sie folglich nichts (im Bereich der
staatlichen Autonomie - J.R.): Eine Nation ohne Heimatland ist keine
272
Nation14 . Die Uberlegungen sind vollig gerechtfertigt und die Frage
besteht darin, wo dieses Heimatland, egal um welchen Preis, zu finden
oder zu schaffen ist. Patriarch Nerses wies au f ein solches Gebiet, das
seiner M einung nach fur der Schaffung einer armenischen Autonomie
(„ttirkisches Armenien“) geeignet ware, hin, ignorierte jedoch den
Umstand, dass die Armenier in diesem gesamten Gebiet nicht die
Mehrheit hatten und zudem verstreut darin wohnten.273
27lSasonow S.D. Wospominanija. „Meschdunarodnye otnoschenija11 (Erinnerungen. „Internationale Beziehungen11), Moskau 1991 (Nachdruck von 192"
(Buchverlag E. Sijalskoj, Paris 1927), S. 166.
272Zitiert nach: Borjan B.A. Armenija, meschdunarodnaja diplomatija i SSSR.
(Armenien, die intemationale Diplomatic und die UdSSR), T. 1, S. 231-232.
273Vgl.: British Documents on Ottoman Armenians. Volume 1 (1856 -1880). N
64, p. 160.
170
Aber es gab auch andere Umstande, die die Schaffung einer
armenischen Autonomie im genannten Gebiet verhinderten, sogar in
dem Fall, wenn Russland dem mit Berticksichtigung des weiteren
Anschlusses dieses Gebietes an das Russische Reich zustimmen
wiirde. Diese „Umstande" waren erstens die naturliche Abneigung des
Osmanischen Reiches gegen die Schaffung einer solchen Autonomie
mit der Perspektive des endgiiltigen Verlustes eines groBen Gebiets
seines Landes und zweitens eine genauso naturliche Abneigung der
anderen europaischen GroBmachte (in erster Linie der Englander),
eine so wesentliche Erweiterung des russischen Einflusses auf eine fur
die europaische Politik so wichtige Region zuzulassen. Der englische
Botschafter im Osmanischen Reich stellte die begriindete Frage, „In
wie weit kann es den Interessen Englands dienen, dass Russland seine
Herrschaft auf ein so groBes Gebiet Kleinasiens bis zur syrischen
Grenze ausweitet?"274 Denn Russland wiirde bei dieser fur Russland
wiinschenswerten Entwicklung der Ereignisse, unter Ausnutzung der
Schaffung einer armenischen Autonomie und deren nachfolgendem
Anschluss an Russland, die folgenden zusatzlichen geopolitische
Moglichkeiten erhalten: 1) noch starker auf die M oslems Zentralasiens
und Indiens einwirken; 2) sich den Weg der weiteren Besetzung von
Gebieten in Persien und Kleinasien erleichtem; 3) Moglichkeiten
direkter Verbindungswege mit Indien schaffen; 4) Hebei des
Einflusses in den eigenen Interessen auf den Handel von Britannien
und den anderen europaischen Machten mit dem Osten zu erhalten.
Das konnten weder England noch Frankreich noch Deutschland noch
Osterreich zulassen. Die Entschlossenheit zu dieser „Nichtzulassung11
spiegelte sich in Artikel LXI des Berliner Kongresses wider, in dem
,,Armenien“ nicht mehr angefiihrt wird, sondern stattdessen von
„Gebieten, die von Armeniern besiedelt sind“ die Rede ist. Die aktive
Tatigkeit der Englander - auch hinter den Kulissen - gegen Russland
hat damals den Plan der Schaffung einer armenischen Autonomie auf
dem Territorium des Osmanischen Reiches zunichte gemacht."
Das war aufgrund der zu ubereilt und zu hoch gesteckten Ziele,
deren Erreichung nicht von zuverlassigen und starken Verbiindeten
garantiert wurde, eine bittere Erfahrung. Seit dieser Zeit stellten die
;74A .a.O .,S. 160-161.
275Vgl.: Parsamjan W.A. Istorija armjanskogo naroda (1801-1900 gg.) (Die
Geschichte des armenischen Volkes (1801-1900), S. 290.
171
armenischen Fiihrer ihr Volk vor die Aufgabe, Erfolge a u f dem W e g
der Schaffung eines eigenen Staates au f der Grundlage e in e r
doppelten Einstellung zu suchen. Diese Einstellung hat zu zw ei
Haupt-„M ethoden“ gefuhrt: „1) der Sprache der Tranen, der diplom atischen Tatigkeit, Agitation, Propaganda, Schaffung und O rganisation
der offentlichen M einung der zivilisierten Lander und 2) dem Schw ert
der Organisation von ,,Tschetniks“ und dem bewaffneten Aufstand in
Tiirkisch Arm enien“.276
Seit Ende 1880 war bekannt, dass die Armenier im Osm anischen
Reich bewaffnete Aufstande vorbereiteten. Neben der intensiven
Propaganda radikaler Ideen seitens der armenischen Studenten und
anderer Vertreter der ,,Aufklarung“ im Osmanischen Reich waren
daran in zunehmendem MaBe auch auslandische Agenten beteiligt. An
vielen O rten wurden W affen gekauft. Einige amerikanische
Missionare, die in dieser Zeit im Osmanischen Reich waren, in der
Gegend um Etschmiadsin, berichteten, dass sie selbst viele armenische
Freiwillige gesehen hatten, die nach Etschmiadsin gekommen waren.
um Waffen zu kaufen (nicht zur geistlichen Reinigung und Erbauung,
wie das in einem kirchlichen Zentrum hatte sein sollen, das dem Staat
gegenuber loyal ist, in dem es sich befmdet - J.R.). Obermjuller - der
russische Generalkonsul in Erzurum - bestatigt diese Mitteilungen
und erganzt, dass in Tiflis selbst ein Sonderausschuss mit dem Ziel der
Hilfe bei der Erwerbung von Waffen fur die Armenier im
Osmanischen Reich geschaffen worden sei.277 Aus vertraulichen
Berichten im Februar 1881 geht hervor, dass das Komitee in Tiflis
Agenten nach Van entsandte mit dem Ziel der Provokation eines
armenischen Aufstandes gegen das Osmanische Reich und den
Aufstandischen personelle Hilfe in Form eines Korps von 150.000
Armeniern aus Russland zusagte.278 Und diese Zusage kann als
Provokation gewertet werden, ausgerichtet auf einen raschen
bewaffneten Aufstand der Arm enier im Osmanischen Reich. Ein
solches Korps wiirde zahlenmaBig fast die gesamte erwachsene
6Vgl.: Borjan B.A. Armenija, meschdunarodnaja diplomatija i SSSR
(Armenien, die intemationale Diplomatic und die UdSSR), Т. 1, S. 248.
277Vgl.: British Documents on Ottoman Armenians. Volume II (1880-1890).
Turk Tarih Kurumu Basimevi, Ankara, 1983, N 41, p. 151, N 42. pp. 152153, N 5 6 , p. 185.
278V g l.: A.a.O., N 63, p. 198.
172
mannliche Bevolkerung der Armenier des damaligen Russlands
umfassen, wo damals rund 1,2 Millionen von ihnen lebten.
In einer anderen vertraulichen Mitteilung von Anfang Juni 1882
wird dariiber berichtet, dass die armenische Nationalbewegung
Vorbereitungen trifft und Menschen anstachelt, indem sie unter ihnen
das Geflihl des Patriotismus erweckt. Die Bewegung erstreckte sich
dieses Mai bis Musch und Van (eines seiner Basiszentren) und
erstreckt sich bis Erzurum. Geleitet wird diese Bewegung von
..Rossijskaja Armenija“, insgeheim angespomt von Russland. Hauptinitiator der Anstiftung der armenischen Rebellion im Osmanischen
Reich war der Armenier Kamsarakan, der russische Vizekonsul in
W ien.279
Die Armenische Bewegung im Osmanischen Reich hatte anfangs
ganz liberalen Charakter. Liberate Ideen begannen sich Ende des
ersten Drittels des 19. Jahrhunderts in den armenischen Gemeinden
und im gesamten Osmanischen Reich auszubreiten. Sie fanden einen
Wiederhall auch in den Entscheidungen der Herrscher des Reiches. So
garantierte 1839 ein Firman des Sultans „alien Untertanen des
Osmanischen Reiches ohne Unterscheidung der Rasse und Religion
Schutz und Sicherheit". Im Reich wurde eine Volksvertretung der
christlichen Armenier geschaffen, die vom Patriarchat der Arme­
nischen Kirche intensiv unterstutzt wurde.
1863 wurde auch die armenische Verfassung proklamiert,
ratifiziert von alien interessierten Seiten, einschlieBlich Sultan Abdul
Hamid, der sich durch keinerlei Sympathie flir seine armenischen
Untertanen auszeichnete. Sie sah die Schaffung einer Reprasentantenversammlung aus 20 religiosen Fiihrern und 120 vom armenischen
Volk gewahlten Vertretern vor. Die Versammlung hatte das Recht,
den Patriarchen von Istanbul zu wahlen, das Budget der armenischen
Gem einde zu bestimmen und fur alle christlichen Armenier im
Osmanischen Reich verbindliche Verhaltensregeln aufzustellen.
1880 konnte die Reprasentantenversammlung sogar eine Regierung stellen, die der Versammlung gegenuber verantwortlich war.
Dieses System der Organisationen der Armenier im Osmanischen
Reich hielt sich, trotz seiner Unzufriedenheit mit den zentralen
M achten des Imperiums, voile zwei Jahre. Die Sultanskreise sahen in
274 Vgl.:. a.a.O., N 189, pp. 442-443.
173
diesem System nicht ohne Grund den Keim eines arm enischen
Nationalstaates, der bei seiner weiteren Entwicklung durchaus auch
territoriale Fragen auf die Tagesordnung bringen konnte.
Inzwischen war bei der armenischen Bevolkerung der ostlichen
Teile des Osmanischen Reiches kaum etwas von den politischen
Veranderungen und Reformen, die in der fem en H auptstadt
geschahen, zu spiiren. Hier, an den nordostlichen Grenzen des O sm a­
nischen Reiches und im Sudkaukasus, verfolgte die arm enische
Bevolkerung konsequent die staatliche Autonomie. Die Unbestim m theit und Veranderbarkeit der Grenze zwischen Russland und dem
Osmanischen Reich in dieser Periode gaben dieser Bestrebung
zusatzliche Nahrung. Einzig dem kleinen Gebirgsstadtchen Zejtun
gelang selbst vor dem groBen armenischen Aufstand 1895 die
praktisch von der Zentralregierung in Istanbul autonome Existenz.
Ende des 19. Jahrhunderts wurden iiberall in W esteuropa Aufrufe
einer Reihe politischer und intellektueller Kreise zusammen mit vielen
kirchlichen Hierarchen verbreitet, in denen gefordert wurde, den noch
im islamischen Reich verbliebenen Christen, die ganz iiberwiegend
Armenier waren, groBe Freiheiten und Gleichberechtigung zu
gewahren. Der immer starker werdende ideologische Druck von auBen
und die militarischen Niederlagen des Osmanischen Reiches und die
fur diese ungiinstigen abgeschlossenen Vertrage trugen nur zur
Steigerung der christlichen-armenischen Opposition bei. Radikal
gesinnte armenische Kreise konnten zudem auf die erfolgreiche
Befreiung vieler christlicher Volker Europas (insbesondere des
Balkans) von der moslemisch-tiirkischen Herrschaft280 verweisen.
A uf diesem fur das Osmanische Reich vollig ungiinstigen
Hintergrund begannen sich armenische Untergrundkomitees zu bilden.
wurden im Geheimen verbotene armenische Zeitungen gedruckt und
gingen einzelne extremistische Griippchen zum K am pf unter
Gewaltanwendung iiber. Dadurch wurden die Voraussetzungen fur
mogliche StrafmaBnahmen der Zentralregierung gegen die gesamte
armenische Bevolkerung des Osmanischen Reiches geschaffen. Der
Regierung in Istanbul nahestehende nationalistische turkische Parteien
verwiesen a u f den ,,Verrat“ der Balkan-Christen, die sich mithilfe
280Vgl.: im Abschnitt „Chronologie der wichtigsten Ereignisse“ den Verlauf der
Auseinandersetzung zwischen Russland und dem Osmanischen Reich von
April 1877 bis Juni 1878.
174
Russlands vom Osmanischen Reich abgespalten hatten und darauf,
dass die noch darin wohnenden Armenier, Griechen und Juden nicht
nur ein zu groBes wirtschaftliches und fmanzielles Gewicht hatten,
sondem auch „potentielle Verrater“ seien und eine potentielle Gefahr
fur die Integritat des Landes darstellten.281
Damals wohnten im Osmanischen Reich etwas iiber eine halbe
Million Armenier, die im W esentlichen Handel, Bankgeschafte,
Handwerk und Landwirtschaft betrieben. An der russischen Grenze
lebten rund 1,2 Millionen Armenier, die lebhafte Kontakte zu ihren
Briidern im Osmanischen Reich unterhielten. Dabei wurde nicht nur
die Lage der armenischen Kirche, sondem auch Moglichkeiten
gemeinsamer politischer Aktionen erortert, darunter auch koordinierte
Aufstande.
Im August 1895 ereigneten sich in Sasun schwere antiarmenische
Unruhen mit vielen Opfem. Ende 1895 gab es intensive
antiarmenische Unruhen mit einer groBen Zahl Toter und Verletzter in
Trapesund, Diaberkir, Siwas, Urfa, Karput, Arabkir, Egin, Malatej
und an anderen Orten. Russische Quellen sprachen damals von
mindestens 100.000 Toten. Nach diesen Ereignissen erreichten die
Pogrome aufgrund der Einmischung der europaischen Machte ihren
Hohepunkt. 1908 war der Sultan nach dem Kongress der osmanischen
Revolutionsparteien (auch Daschnakzutjun nahm daran teil) in Paris
(Dezember 1907) gezwungen, dem osmanischen Volk eine
Verfassung zu geben. Sie gab den Armeniern formell die
Gleichberechtigung mit den Moslems und ermoglichte den Beginn des
Prozesses der Sauberung aller administrativen Stufen von den offenen
Pogromanstiftern und Erpressern.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts verstarkte sich die Russifizierungspolitik Moskaus auch beziiglich der Arm enier des Sudkauka­
sus. Die uberwaltigende M ehrheit der armenischen Schulen und
Bibliotheken wurde hier geschlossen und viele ,,kulturelle“ Vereinigungen verboten. 1903 wurde auf Erlass des Zaren selbst das
Vermogen der armenischen Kirche konfisziert. D arauf antworteten
extremistisch eingestellte armenische Gruppen mit Terroranschlagen
gegen die Vertreter der zaristischen Vertretung im Sudkaukasus und
die Armenier, die mit dieser Vertretung zusammenarbeiteten.
28lBrissaud A. Islam und Christentum. Gemeinsamkeit und [Confrontation
gestern und heute. Patmos Verlag, Albatros Verlag, Diisseldorf 2002, S. 281.
175
Die Notwendigkeit der ,,Nutzung“ der Armenier durch die e u ro ­
paischen M achte fiel nach dem Berliner Kongress praktisch w eg.
GroBbritannien erreichte eine Eingrenzung des Einflusses v o n
Russland in der Nahostpolitik und erhielt von der osm anischen
Regierung die Insel Zypem im Austausch gegen die Verpflichtung,
das Osmanische Reich vor Russland zu schtitzen, das sich seinerseits
nicht mehr au f die Armenier verlassen konnte nach deren geanderter
Orientierung. Insgesamt verstarkte sich nach dem Berliner Kongress
die intemationale Isolation der Armenier des Osmanischen Reiches.
Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass neue interethnische und
zwischenreligiose ZusammenstoBe nicht auf sich warten lieBen. A us
den armenischen W iderstandsbewegungen wurden politische Parteien
(beispielsweise die Armenkan-Partei). 1887 wurde in G enf die erste
armenische Partei ,,Gntschak“ (Glocke) auf marxistischen Grundsatzen gegriindet. M itglied dieser Partei waren ausschlieBlich
Armenier Russlands, die ihr einen militarisch-revolutionaren Geist
gaben. Auch die Aktivitat der Armenier im Ausland verstarkte sich.
1890 wurde in Tiflis die Federation armenischer Revolutionare, die
Partei ,,Daschnakzutjun“ gegriindet, die alle kleinen terroristischen
Gruppen und revolutionaren Kreise in sich vereinigte.
Diese beiden Gruppen wollten die Schaffung eines autonomen
Tiirkischen Armeniens auf dem Territorium der sechs ostlichen
Provinzen des Osmanischen Reiches, das ein sozialistischer Staat
werden sollte.282 Gleichzeitig fiihrten diese Parteien einen intemen
Kampf, der entscheidend die aktiveren Armenier teilte und die
M oglichkeiten ihrer Einwirkung auf die intemationale offentliche
Meinung stark reduzierte.
Nach den Uberlegungen von „Gntschak" sollte sich nach Erreichen
der Unabhangigkeit des Tiirkischen Armeniens die Revolution auf das
Russische und das Iranische Armenien ausweiten. Der Partei
,,Daschnakzutjun“283 gelang es nach dem Ersten Weltkrieg sogar, in
282V g l.: Mammadow Ilgar, Musaew Tofik. Armjano-aserbajdschanskij konflikt.
Istorija. Prawo. Posrednitschestwo. (Der armenisch-aserbaidschanische
Konflikt. Geschichte. Recht. Vermittlung.) Tula, Grif i K. 2006, S. 24-25.
ARFD-Daschnakzjutjun (Daschnakzjutjun-Partitja), die Armenische Revolutionsfoderation. Im Juli 2007 wurde der Vertrag iiber Zusammenarbeit
zwischen der ARFD und „Gerechtes Russland“ (Vorsitzender Sergej
Mironow) unterzeichnet. Die ARFD ist schon lange in der Sozialistischen
Internationalen und kann der Bewegung „Gerechtes Russland“ helfen. in
176
Armenien an die Macht zu kommen. Jedoch war die Foderation
armenischer Revolutionare seit dem Tag ihrer Griindung eine
terroristische Organisation, die breit den individuellen und sogar den
Massenterror zur Erreichung ihrer politischen Ziele einsetzte. Darin
unterschied sie sich wenig von den Bombenlegem der Narodniki in
Russland.
Ziel der Terrorakte von ,,Daschnakzutjun“ war die Vertreibung der
ortlichen Bevolkerung aus den Vilajets, auf die die armenischen
Nationalisten einen Anspruch erhoben und die Provokation der
moslemischen Bevolkerung zu harten Vergeltungsakten, damit unter
dem Mantelchen dieser Vergeltungsschlage der M oslems die Europaer
zum Schutz der armenischen Christen aufgerufen werden konnten.
Mit dem gleichen Ziel fiihrten die Daschnaken auch einen solchen
schweren Terroranschlag wie die Besetzung der Osmanischen Bank
durch.
Im Lichte dieser Geschehnisse verliefen die Gesprache iiber eine
mogliche administrative Autonomie fur die Armenier, die das
Osmanische Reich von Zeit zu Zeit auf internationalen Foren
initiierte, im Sand. Ab 1899 konnten die Armenier mehr oder weniger
sicher nur in den nordostlichen Teilen des Osmanischen Reiches
leben.
diese Organisation einzutreten. Bei den Prasidentschaftswahlen 2008 in
Armenien stellt ARFD einen eigenen Kandidaten auf. Die ARFD hat einen
groBen Einfluss in der Diaspora. Ihre Biiros funktionieren in iiber 30 Landern
wcltweit. Sie fordert die Teilnahme von Berg-Karabach am Verhandlungsprozess. Bemerkenswert ist der Umstand, dass man ohne Einmischung von
„Daschnakzjutjun11 auch im Konflikt zwischen Georgien und Abchasien nicht
auskam. In Abchasien agiert aktiv die armenische gesellschaftliche Organisa­
tion ,,Krunk“ und deren geistiges Kind, das armenische Batallion namens
Marschall Bagramjan, das gegen die georgischen Truppen kampfte. Unter den
sieben jungen Kampfern, die im Laufe von Spezialeinsatzen von den
(ieorgiern am 20. September 2007 in Abchasien festgenommen wurden,
haben drei die armenische N ationalist. Der Vorsitzende des Obersten Sowjets
der Autonomen Republik Abchasien, Timur Mschawija, teilte der Zeitung
„Georgian Times'1 (27.9.2007, S. 3) im Exil mit, dass „Krunk" von der Partei
„Daschnakzjutjun11 gegriidet worden sei. Vgl. auch: Jurij Simonjan. Interview
mit Armen Rustamjan: ,,W peregoworach Eriwan ne moschet samenit Stepa­
nakert11 (In den Verhandlungen kann Eriwan nicht Stepanakert ersetzen11. In:
Nesawisimaja gaseta, 12.7.7, S.6
177
1907 kamen bei Unruhen in Kilikien284, die von osm anischen
nationalistischen Patrioten und religiosen Extremisten angestiftet
worden waren, viele Tausende von Christen urns Leben, die ganz
uberwiegend Armenier waren. D arauf hin wurde im Osm anischen
Reich ein Gesetz erlassen, das die Griindung einer Vereinigung
politischen und nationalistischen Charakters verbot, das vor allem
gegen die politische Aktivitat der Armenier gerichtet war.285
Am 29. Oktober 1914 beschoss die deutsch-osmanische Flotte
Odessa, Sewastopol, Feodosija und Noworossijsk. Als Antwort darauf
erklarte Russland dem Osmanischen Reich am 2. November den
Krieg. Dieses erklarte England, Frankreich, Russland und alien ihre
Verbiindeten den Krieg. Gemeint waren nicht nur die Verbundeten der
Imperien, sondem auch die „Verbiindeten" der Entente innerhalb des
Osm anischen Reiches selbst.
Kurz vor Eintritt des Osmanischen Reiches in den Ersten
W eltkrieg erklarte die Partei Daschnakzutjun auf ihrem Parteitag, dass
die Arm enier im Falle eines Konfliktes des Osmanischen Reiches m it
Russland keine Aufstande und Unruhen im russischen Hinterland
provozieren wtirden. Diese Einstellung unterschied sich stark von der
Position der im Osmanischen Reich lebenden Georgier, die sich bereit
erklarten, Istanbul diese Dienste zu erweisen. Die Regierung in
Istanbul w ar uber die M itteilungen von Daschnakzutjun emport und
wies darauf hin, dass es nun nicht moglich sei, iiber den Patriotismus
der Arm enier zu sprechen. Und noch wahrend des Krieges
bekraftigten armenische Deputierte in der Russischen Duma
mehrfach, dass ihre Briider im Osmanischen Reich die russischen
Truppen als Befreier begriiBen wurden. Und diese Mitteilungen
konnten naturlich die ttirkische Regierung und Offentlichkeit nicht
"84Ein Ort im Siiden der heutigen Zentralttirkei, wo 1080-1375 der Kilikische
armenische Staat war, der von armenischen Fluchtlingen vor den
Seldschuckenangriffen gegriindet worden war. Das Gebiet ist traditionelles
Siedlungsgebiet der Armenier in der Tiirkei.
Mantran R., Histoire de l'Empire ottoman, Paris, Fayard 1989, Kapitel 14.
Infolge der nach dem Putsch 1908 an die Macht gekommene Partei der
Jungtiirken „Einheit und Fortschritt“ wurde die „armenische Frage“ auf einer
neuen, die dagewesenen extremen und fUr die Armenier todlichen Ebene
gefiihrt. D ie Emiedrigungen, die das Osmanische Reich durch die unbegabten
Heerfuhrer in den beiden Balkankriegen (der erste 1912 - 1913, der zweite
1913, Juni - August) erlebte, verstarkten noch weiter die extremistische
Stimmung, die von jungturkischen Aktivisten angeheizt worden war.
178
freundschaftlich oder auch nur tolerant gegenuber den Armeniern
stimmen. Allgemeine Emporung im Land rief auch die Nachricht
dariiber hervor, dass eine erfolgreiche Offensive der osmanischen
Truppen gerade von armenischen zaristischen Einheiten gestoppt und
selbst zuriickgedrangt worden war. Dass auch viele Armenier
mannhaft unter turkischer Flagge kampften, spielte dabei keine Rolle.
Erst nach der Kriegserklarung durch Russland (2.11.1914)
erwiesen sich die Ergebnisse der Schlachten fur die Osmanischen
Truppen als katastrophal. Enver-Pascha, der die tiirkische Armee an
der Kaukasusfront kommandierte, zog die Strenge des dortigen
Winters nicht ins Kalkiil. Und seine deutschen Ratgeber beriicksichtigten nicht die W iderstandsfahigkeit der ihnen gegeniiberstehenden
russischen Armee. Infolge dessen erlitten die osmanischen Truppen
im Kaukasus im Dezember 1914 und im Januar 1915 eine Reihe
vemichtender Niederlagen.
Aus diesen Niederlagen beschloss die tiirkische Regierung auch
einen Nutzen zu ziehen und machte fur alle Note und Niederlagen
ausschlieBlich die Armenier verantwortlich. Es begannen offentliche
Hinrichtungen der ,,Verrater“ in der Armee und die Entwaffnung aller
dienenden Armenier mit ihrer anschlieBenden Liquidierung.
Die Geschehnisse im April 1915 in der Stadt Van, die sich
geweigert hatte, die Forderungen der Lokalverwaltung nach einem
zusatzlichen Aufgebot zu erfiullen und von kurdischen Truppen
umlagert war, waren der Beginn der mehr als schrecklichen Ereignisse. Nachdem die kurdischen Truppen die Stadt nicht einnehmen
konnten, plunderten sie die umliegenden, von Armeniern besiedelten
Dorfer und toteten dabei rund 50.000 Dorfbewohner. Am 16. Mai
naherten sich der Stadt russische Truppen und zwangen die Kurden
zum Riickzug. Jedoch verlieBen die Russen nach zwei Monaten die
Stadt und den Ort wieder und nahmen rund 200.000 Armenier und
andere Christen mit, die um Asyl ersucht hatten.
Zum schrecklichsten Tag fur die gebildete Schicht der Armenier
im Osmanischen Reich wurde der 24. April 1915, ais die jung­
turkischen Fiihrer286 Talaat-Pascha, Enver-Pascha und Dschemal2X6Die Jungtiirken-Bewegung war anfangs vollig liberal und wurde erst spater
radikal, als die nationalistischen Elemente darin erstarkten. Der Grtinder der
Partei war Achmed Risa, eine herausragende tiirkische Personlichkeit der
Gesellschaft und der Politik. In der Zeit zwischen 1896 und 1899, lebte er,
179
Pascha die Zusam m entreibung aller gebildeten Armenier in Istanbul
und deren Deportation anordneten. A ber schon am ersten Tag der
Deportationen w urden viele von ihnen ermordet.
Der zweite groJ3e Befreiungsakt ftir die Armenier durch die
russischen Truppen ist mit der turkischen Stadt Erzurum verbunden.
Nach einem Bericht von General N. N. Judenitsch wurden am 3.
Februar 1916 die Stadt Erzurum und die gleichnamige Festung von
V erbanden eingenommen, die praktisch zu hundert Prozent aus
Russlanddeutschen bestanden, die auBergewohnliche Standhaftigkeit
und Tapferkeit bewiesen. Die schweren Kampfe dauerten iiber einen
M onat an. Die Folge dieser Operation und ihrer Vorbereitung waren
die Rettung vieler Zehntausender Arm enier und der Verlust der
Kam pffahigkeit der 3. Osm anischen Armee, die mehr als die Halfte
von fast alien Regierungen der europaischen Staaten als „Anarchist11 verfolgt.
inkognito in Europa und machte eine intensive Propaganda auf den Seiten
seiner Zeitung ,,Mechweret“, die in turkischer und franzosischer Sprache
erschien. A u f der Basis seiner Propaganda vereinte Achmed Risa um seine
Zeitung verschiedene oppositionelle Gruppen und grimdete die Partei
„Osmanisches Einheits- und Fortschrittskomitee". Diese Partei war auch ein
organisierter politischer Grund fur die gesamttiirkische Bewegung der
Jungtiirken. 1899 war Achmed Risa als Vertreter der Partei der Jungturken
auf der intemationalen Haager Konferenz, wo er auch die politischen Ziele
seiner Partei erlauterte. Nach dem Kongress kam die Partei aus dem
Untergrund und wurde als politische Kraft sowohl in der intemationalen
Arena als auch im Osmanischen Reich anerkannt. Mit jedem folgenden Jahr
wuchs der Erfolg der Partei und auf dem Pariser Kongress (Dezember 1907).
auf dem oppositionellen turkischen Parteien verschiedener politischer.
sozialer, regionaler und ethnischer Couleur vertreten waren, vereinigten sich
diese Oppositionskrafte unter dem Namen „Biiro der osmanischen Parteien".
Der das ,,Biiro“ lenkende Kern wurde die Partei „Einheits- und
Fortschrittskomitee“ unter der Leitung von Achmed Risa.
Er war Hauptanfuhrer des revolutionaren Aufstandes im Osmanischen Reich,
der am 11. Juli 1908 begann. Derselbe war ein gliihender Anhanger der
erklarten Militardiktatur in Form der beginnenden politischen Reaktion. 1908
erfullte er diplomatische Auftrage des Komitees in den Regierungen der
europaischen Lander. Aus den Wahlen im ersten Parlament des Osmanischen
Reiches ging Achmet Risa als einer der ersten hervor und wurde
Parlamentsprasident. Wahrend der Konterrevolution 1909 war Achmed Risa
gezwungen, aus Konstantinopel zu fliehen und kehrte mit verfassungstreuen
Truppen des Diktators Machmud-Schewked Pascha zuriick. Eines der
wichtigsten theoretischen Werke von Achmed Risa ist das Buch „Terpimost
islama“ - idejnyj fundament swerschiwscheijsja revoljuzii i prinjatoj konstituzii („Die Toleranz des Islam“ - das ideelle Fundament der geschehenen Re­
volution und der angenommenen Verfassung).
180
ihrer Soldaten, 60.000 Mann, und fast die gesamte Artillerie verloren
hatte. Dieser Sieg der russischen Armee wurde nicht besonders
gefeiert, weder in der Zarenzeit (der Krieg wurde gegen Deutschland
geffihrt und die meisten Teilnehmer dieses Sieges waren die
Russlanddeutschen - Hervorhebung - J.R.)* noch in der Sowjetzeit
(denn von der sowjetischen Herrschaft konnte General Judenitsch
schlieBlich nicht als weifigardistischer (kursiv - J.R.) Held anerkannt
werden).
Als die Ereignisse in der Stadt Van bekannt wurden, wurden in
Istanbul gegen die einflussreichsten Armenier der Hauptstadt strenge
MaBnahmen verhangt. Viele Hunderte von ihnen wurden unverziiglich
verhaftet. Uberall au f den StraBen der osmanischen Stadte und Dorfer
wurden Beschuldigungen gegen die Armenier wegen Verbrechen und
Spionage laut. Ende Mai 1915 UberlieB die tiirkische Regierung dem
Armeekommandant, den armenischen Korps und Divisionen die
Verfugung dariiber, dass sie berechtigt seien, die Bevolkerung von
Stadten und Dorfern, in denen Massenverrat oder Spionage festgestellt
wurde, teilweise oder komplett an andere Orte zu deportieren. Um
irgendwie die auBerst unangenehme weltweite Resonanz auf diese
,,MaBnahme“ abzuschwachen, veroffentlichte die osmanische
Regierung in Form eines Gesetzes folgende ,,Garantien“ fur die
Zwangsumgesiedelten:
1. Schutz der personlichen Unantastbarkeit und des Eigentums der
Deportierten bis zur Ankunft am neuen Wohnort;
2. Erstattung der Verluste der Deportierten in Form neuen
Eigentums und Landparzellen;
3. Offizielle Protokollierung des Wertes des Hauses und des
Grundbesitzes des Deportierten bis zur Obernahme durch
moslemische Fliichtlinge. Nach dem Gesetz gehort das Haus und
das Land auch weiterhin dem Deportierten;
4. Verkauf oder Vermietung von Hausern und Land, die nicht von
moslemischen Fliichtlingen besetzt sind. Die aus dieser
VerauBerung oder Vermietung erhaltenen Einkiinfte werden
nach Abzug von Steuern in ein Sonderregister auf den Namen
des deportierten Eigentumers eingetragen;
5. Dem Finanzminister obliegt die Schaffung eines Sonderausschusses zur Kontrolle dieser Verkaufe, zur Veroffentlichung
181
iiber das dem D eportierten erstattete Eigentum und zum Schutz
des nicht verkauften Eigentums;
6. Alle Beam ten verpflichten sich, dieses Gesetz zu erfullen und
der Regierung regelmaBig Bericht zu erstatten iiber dessen
Erfullung.287
Die Frage, ob dieses G esetz es auch heute den Nachfahren der
deportierten und um gekom m enen Arm enier erlaubt, vermogensrechtliche, finanzielle und andere Forderungen an die Tiirkische Republik
zu stellen, ist juristisch ernsthaft zu prtifen.
Vor dem Ersten W eltkrieg griindeten die Armenier im
Osm anischen Reich die sogenannte ,,Millet“, d.h. eine religios-kulturell-administrative autonom e Gemeinschaft, die von religiosen
Autoritaten geleitet wurde. Die wichtigsten davon waren die
Katholikoi aus Sis und A gchtam ar (bei Van). 1916 wurden diese zwei
Katholikate mit den Patriarchaten von Jerusalem und von Konstantinopel in ein einziges Katholikat-Patriarchat in Jerusalem vereint, das
sowohl von den W ohnorten der meisten Armenier als auch von ihren
politischen Zentren entfem t ist. So wurde die armenische ,,Millet“
durch ,,Djemiyet“ ersetzt, d.h. durch eine rein religiose Gemeinschaft
unter der Leitung eines Katholikos-Patriarchen, deren weltliche
M oglichkeiten sehr eingeschrankt waren. Der GroBe Nationalrat der
A rm enier in der Tiirkei wurde aufgelost. Armenische Bistumer
wurden nur in Rayons beibehalten, in denen mindestens 15.000
A rm enier wohnten, Rayons, die eine seltene Ausnahme bildeten. Nach
diesen Um strukturierungen horte die organisierte politisch-religiose
arm enische Opposition in der Tiirkei praktisch auf zu bestehen.
Im Jahre 1917 schied Russland aus dem Ersten Weltkrieg aus, und
am 3.
M arz 1918 wurde zwischen Russland einerseits
und
Deutschland und seinen A lliierten andererseits der Friede von BrestLitowsk geschlossen, nach dem drei vorher durch die Russen eroberte
,,arm enische“ Rayons an das Osmanische Reich zuriickgegeben
wurden.
A ber der K am pf der Armenier dauerte an, und am 30.
O ktober
1918 wurde die Demokratische Republik Armenien im
Kaukasus ausgerufen.
Inzwischen hatte Frankreich mit Hilfe von armenischen
Bataillonen Kilikien besetzt. Rund 100.000 Christen (meist Armenier)
wurden dorthin aus den arabischen Landern, den Orten ihrer friiheren
Deportation, umgesiedelt. Diese Menschen strebten natiirlich nach
Riickgabe ihres Eigentums und waren von dem Wunsch erfullt, Rache
fur die erlittenen Erniedrigungen zu nehmen. Viele erinnerten sich
personlich an ihre Feinde und Beleidiger und machten sie aktiv und
nicht ohne Erfolg ausfindig. Wieder begannen blutige Unruhen in
diesem Teil des tiirkischen Staates. Frankreich suchte jetzt moglichst
schnell dieses Gebiet zu verlassen. In Paragraph 88 des Friedensvertrages von Sevres (10. August 1920) zwischen den Landern der
Entente und dem Osmanischen Reich wurde die Griindung eines
unabhangigen armenischen Staates vorgesehen.
Als am 3. Dezember 1920 in Armenien das kommunistische
Regime an die Macht kam, verlor der neue armenische Staat die
meisten seiner Sympathisanten im Westen. Im Februar 1921 ereignete
sich der von Daschnakzutjun gelenkte Bauemaufstand, durch den fiir
eine Zeit die Rote Armee aus Armenien vertrieben wurde. Jedoch
schon am 2. April 1921 war die kommunistische Ordnung wieder
hergestellt und nach kurzem Widerstand flohen die meisten Anhanger
von Daschnakzutjun nach Persien.
Am 24. Juli 1923 wurde auf der Lausanner Konferenz der
Friedensvertrag zwischen den Landern der Entente und der Tiirkei
geschlossen. Nach ihm blieben die armenische Republik im Sudkau­
kasus und das „tiirkische Armenien11 im Nordosten des Landes. Nach
dem gleichen Vertrag wurde das franzosische Mandat auf Kilikien
abgeschafft und die Hoffnungen der Armenier auf Schaffung eines
Staatsgebildes in diesem Teil der Tiirkei wurden nicht verwirklicht.
Chaliand G., Temon Y., Le genocide des Armeniens, Bruxelles, Complexe.
1984, Kapitel „Evidence".
182
183
11. Der Beginn des armenisch-aserbaidschanischen
Konfliktes oder die Vorgeschichte des Kampfes um
Berg-Karabach
„ D er M ensch denkt zwar, aber in seinem Gehirn gibt
es kein Gedankenzentrum. Daftir hat er ein Sprachzentrum und ein Propagandazentrum. “
Owanes Mkrtjschjan
Die Armenier, wie auch andere christliche Gemeinden im Nahen
Osten, hatten besondere Beziehungen zu einer der groBten
europaischen M achte, die expansionistische Ziele verfolgte. In diesem
Fall war dies Russland. Das Biindnis der Armenier mit Russland war
eine der schicksalstrachtigen Allianzen in der Geschichte des
Siidkaukasus. Die Arm enier erhielten von Russland
in der
Vergangenheit wie auch heute so viel Wohlwollen und groBziigigen
GroBmut wie kaum ein anderes Volk im Siidkaukasus.288
Der Experte R. Achari m eint, dass „die Krise von Karabach, die
eine m ehr als hundertjahrige Geschichte hat, mit der Ansiedlung der
Arm enier in einen Teil des Territoriums des Kaukasus, der von
M oslem s bewohnt war, begann. In der Anfangsphase
war der
Hauptgrund der Entstehung dieser Krise die Politik des zaristischen
Russlands, das die Ausdehnung nach Siiden anstrebte und der
Kaukasusregion groBe Bedeutung zumaB... Die Umsetzung dieses
Planes bestand darin, dass man die Ansiedlung der aus dem Iran, aus
Anatolien, Kleinasien, dem Libanon und den anderen Regionen des
Globus kommenden Arm eniern im Siidkaukasus, insbesondere auf
dem Territorium des heutigen Aserbaidschans, nutzte. Diese
M igrationen wurden mit der jahrelangen Absicht der Armenier, einen
allumfassenden Nationalstaat zu schaffen, umgesetzt“ .289
288Vgl.: Swetochonski, Tadeusz: Der Streit um Berg-Karabach..., S. 163:
Chalilow Aslan. Marz 1918: Aserbajdschan bes aserbajdschanow. Swidete!stwuet
istorija.(Aserbaidschan
ohne Aserbaidschaner. Zeugnis der
Geschichte.) In: IRS, 2008, № 1, S. 22-25.
Resa Nasar Achari: „Organisazija po besopasnosti i sotrudnitschestvu
Ewrope i konflikt Nagornogo Karabacha (Die Organisation fur Sicherheit unc
Zusammenarbeit in Europa und der Berg-Karabach-Konflikt), Amu-Darja.
N11 (Winter-Friihjahr 2002), S. 90.
184
Der Autor beschreibt vollig richtig die Ausgangsgriinde des
Konfliktes zwischen den Armeniern und den Aserbaidschanem des
Siidkaukasus, obwohl die Sprache der Darlegung etwas ,,holzem“ ist.
Nach Ansicht von O. Alstadt sind die Wurzeln des Konfliktes
unbedingt in den historischen Unterschieden zu suchen, durch die die
zaristischen Behorden jahrelang die Forderung von Fanatismus und
selbst Gewalt als Kontrollmittel in ihrer Kolonialpolitik manipulierten.
Die Anderung des territorialen
Status quo auf Kosten
aserbaidschanischen Landes war schon immer das Bestreben der
Armenier, seit dem Ende des 19. Jahrhunderts, als den scharfsinnigeren armenischen Theoretikem klar wurde, dass Gebiete fur
einen neuen Staat kaum zu Lasten der Tiirkei zu erhalten sein
•• л
290
wurden.
T. Swietochowski bemerkt in seiner Schlussfolgerung iiber die
Ursachen des Konflikts zwischen den Armeniern und den Aserbaidschanern zu Recht, dass Russland unter den Volkern des
Transkaukasus eindeutig Armenien bevorzugte. Die bewaffnete
ethnische
Opposition
zwischen
den
Armeniern
und
den
Aserbaidschanem begann bereits am 6. Februar 1905 in Baku. Die
Gewalt dauerte in der Folgezeit an und breitete sich auf andere Teile
des Transkaukasus aus, die gemischte aserbaidschanische und
armenische Bevolkerung hatten. Anstifter der Kampfe, deren Zentrum
sich nach Berg-Karabach verlagerte, waren Armenier. Die Daten der
verschiedenen Quellen uber die Gesamtzahl der „unwiederbringlichen
Verluste“, d.h. der Toten, weichen betrachtlich voneinander ab: 3.100
bis 10.000. Die meisten Toten waren auch damals Aserbaidschaner.291
Am Vorabend des Ersten Weltkriegs erwacht seitens Russlands
vvieder das Interesse an den osmanischen Armeniern, da in diesem
Krieg Russland und das Osmanische Reich Gegner waren, und die
Ausnutzung der Arm enier gegen das Osmanische Reich den
russischen Interessen entsprach. Nach der neuen Situation orientieren
sich die armenischen Politiker wieder anders - nach Russland." " Sie
:,"Vgl.: Andrey Altstadt. The Azerbaijani Turks: Power and Identity Under
Russian Rule. Stanford, Hoover Institution Press, 1992, p.43.
:9iVgl.: Tadeusz Swietochowski. Russia and Azerbaijan: A Borderland in
Transition. New York, Columnbia University Press, 1995, p. 37-40.
2‘,zVor dem Ersten Weltkrieg wurden nach armenischen Angaben in Russland
annahernd 1.220.000 Armenier gezahlt, im Osmanischen Reich rund
1.1 14.000, im Kadscharenstaat rund 100.000, in Indien und Afrika je 5.000
185
stiitzten sich hauptsachlich au f die Hoffnungen, dass nach dem S ie g
der Entente das Osmanische Reich zerschlagen wiirde und d ie
Regierung des Zaren den Am ieniem die Selbstbestim m ung im
Kaukasus und in den ostlichen Vilajets des Osmanischen R e ic h e s
geben wiirde. Russland, das seine Absichten beziiglich der A rm e n ie r
darlegte (im Appell des Zaren von 1914) starkte sozusagen d ie s e
Hoffnungen. Zar Nikolaus der Zweite, der sich an die A rm en ier
gewandt hatte, befahl, dass sie mit ihren Briidem unter dem S ch u tz
des Zaren vereinigt werden und schlieBlich den Segen der Freiheit u n d
der Gerechtigkeit erhalten sollten. „Jedoch verdient die T atsache
Erwahnung, dass in diesem Appell weder eine Andeutung noch ein
W ort iiber Unabhangigkeit, iiber Autonomie oder gar iiber eine
293
autonome Selbstbestimmung enthalten w ar.“
Nichts desto trotz gaben die mitreiBenden Politiker der Partei
Daschnakzutjun die Losung der W iederherstellung des „GroBen
Arm enien“ aus und begannen mit der Bildung von Truppen aus den
aus der Osmanischen Armee desertierten Armeniem. Praktisch eine
zweite Front gegen die osmanische Armee eroffnend, begannen sie
mit Bestrafungsaktionen gegen die nichtchristliche Bevolkerung der
ostlichen Vilajets m it dem Ziel ihrer Aussiedlung oder Vem ichtung
und der Schaffung eines eigenen Staates auf ,,befreitem“ Territorium.
Der AuBenminister des Osmanischen Reiches Talaat-Pascha war zum
Handeln gezwungen und erlieB am 24. April 1915 den Befehl iiber die
Situation der aktivsten ,,Partisanen-“Tatigkeiten der Armenier in der
Region. Im Befehl hieB es, dass die jiingsten Aufstande in Sejtun.
Bitlis, Siwas und Van die anhaltenden Versuche der armenischen
Komitees zeigten, iiber ihre politischen Kampforganisationen eine
autonome Verwaltung fur sich auf dem Territorium des Osmanischen
Reiches zu erreichen. Der Befehl sah die Verhaftung aller Fiihrer des
Komitees und deren Uberfuhrung in andere Provinzen vor. die
Entwaffnung der illegal geschaffenen Kampfgruppierungen der
Arm enier und ihre Bestrafung nach Militarrecht. Aber nach einem
und rund 25.000 in Europa. Insgesamt gab es weltweit rund 3 Millionen.
Armenier. Vgl.: Enziklopedija Granta i K, Bd. 3, 1910, Artikel „Armjane '
(Die Armenier).
29 vgl.: Mammadow Ilgar, Musaew Tofik. Armjano-aserbajdschanskij konflikt
Istorija. Prawo. Posrednitschestwo. (Der armenisch-aserbaidschanische Kon­
flikt. Geschichte. Recht. Vermittlung.) Tula, Grif i K., 2006, S. 26.
186
Monat, am 17. Mai 1915 nahmen die armenischen Verbande Van ein,
riefen eine „Armenische Republik Van“ aus und zerstorten den
moslemischen Teil der Stadt fast vollig. Allein in dieser ,,Republik“
und den umliegenden Gebieten wurden rund 30.000 Moslems
(Angaben von Feigl, S. 75-78) getotet.294 Als Reaktion auf diese
massiven Verratsaktivitaten veroffentlichte die osmanische Regierung
am 1. Juni 1915 einen Erlass iiber die Umsiedlung der unter dem
Einfluss der Agitation der Politiker von Daschnakzutjun stehenden
auBerst unzuverlassigen armenischen Bevolkerung aus den aktiven
oder sich bewegenden Frontzonen. So begann die groBe Tragodie des
armenischen Volkes 1915.
Gleichzeitig spitzte sich die innere Situation in Russland zu, wo
eine Reihe revolutionarer Veranderungen anstand. Nach dem
bolschewistischen Umsturz im Oktober 1917 war die Macht in Baku,
wo sehr viele Armenier wohnten, in den Handen des Sowjets von
Baku. Vorsitzender des Exekutivkomitees des Sowjets von Baku war
das Mitglied der bolschewistischen Partei, der Armenier S.
Schaumjan295, der aktiv in der Partei „Daschnakzutjun" mitgearbeitet
hatte. Die aserbaidschanische Partei ,,Mussawat“ forderte die Autono­
mie fur die Aserbaidschaner innerhalb Russlands. Bekannt ist, dass S.
Schaumjan ein entschiedener Gegner dieser Idee war.
Mit dem Ziel der Diskreditierung dieser Idee veranstalteten die
Truppenformationen des Sowjets, die in beachtlichem Umfang aus
Armeniem bestanden, im Marz 1918 im Ujesd Baku von
Aserbaidschan ein wahres Blutbad - sowohl unter den Anhangern des
genannten Plans der Partei ,,Mussawat“ als auch allgemein unter den
Moslems, hauptsachlich Aserbaidschanern. Nach einigen offiziellen
:,4I)aten nach: Feigl Erich. A Myth o f Terror, Armenian Extremism: Its Causes
and Its Hiatorical Context. Salzburg-Freilassing: Edition Zeitgeschichte 1986,
pp. 75-78.
:v Schaumjan Stepan Georgiewitsch (1878-1918), 1917 Vorsitzender des
Sowjets von Baku, ab 1917 AuBerordentlicher Kommissar des Rates der
Volkskommissare der RSFSR fur Kaukasus-Angelegenheiten, ab 1918
Vorsitzender des Rates der Volkskommissare Baku und Volkskommissar fur
auswartige Angelegenheiten. Erschossen mit den „26 Kommissaren von
Baku“ in 1918.
187
Angaben wurden an einem einzigen Tag, am 31. Marz, in Baku iiber
30.000 Moslems, hauptsachlich Aserbaidschaner, getotet.296
Schaumjan selbst charakterisierte diese Vorkommnisse wie folgt:
„Wir... eroffneten die Offensive auf der ganzen Front... wir hatten
schon Streitkrafte, rund 6.000 Mann. ,,Daschnakzutjun“ hatte auch
ungefahr 3.000-4.000 nationale (Unterstreichung von mir - J.R.)
Verbande, die zur unserer Verfligung standen. Die Beteiligung der
letzteren gab dem Btirgerkrieg teilweise den Charakter eines
nationalen Blutbades ... (Unterstreichung von mir - J.R.) Wir taten das
(d.h. das nationale Blutbad! -.) bewusst... Wenn sie in Baku die
Oberhand gewinnen wurden, wiirde die Stadt zur Hauptstadt von
Aserbaidschan (Unterstreichung von mir - R. J.) erklart“ .297 Aber die
Plane der armenischen Anfiihrer waren ganz andere. Die bewaffneten
Daschnaken-Einheiten setzten die Storung der offentlichen Ordnung
in den Ujesden Schemacha und Guba, in Lenkoran, Chatschmas,
Adschibulag, Saljany und anderen Orten fort. Bis Ende April 1918
wurden von den bolschewistischen Truppen, in denen der aktivere und
aggressivere Teil aus armenischen Kampfem bestand, iiber 50.000
Moslems getotet, die zum ganz iiberwiegenden Teil Aserbaidschaner
298
waren.
Von Marz bis Juli sorgten bewaffnete armenische Einheiten, die
namens der Sowjetmacht handelten, zielgerichtet fur eine so
umfangreiche Vem ichtung der aserbaidschanischen Bevolkerung des
Gouvemements Baku, dass dies als Volkermord bezeichnet werden
kann. Und der erste Schlag war gegen die aserbaidschanische
Bevolkerung Bakus gerichtet. Das Mitglied des AuBerordentlichen
Untersuchungsausschusses, der Jurist A.E. Kluge, bezeugt in seinem
Vortrag „Uber die Gewalt gegen die moslemische Bevolkerung der
Stadt Baku“ nicht nur das AusmaB des Verbrechens (allein 11.000
Tote nur in Baku) und die schrecklichen Verbrechen und
Plunderungen, sondem zieht daraus auch den Schluss, dass diese
296Vgl.: Mitteilung von Milli Medschlis der Republik Aserbaidschan. In: „Aserbajdschan“, 04. 04. 2001.
297Vgl.: Stepan Schaumjan. Isbrannye proiswedenija, tom 2 (Ausgewahlte
Werke, Band 2). Moskau, Politisdat 1978, S. 246.
2<58Fur ausfuhrlichere dokumentarische Daten Vgl.: in den Werken des Dr. Solmas Togida.
188
blutigen Ereignisse keinen zufalligen und spontanen Charakter hatten,
sondem im voraus vorbereitet waren.299
Dieser kurze Exkurs in die Vorgeschichte des Kampfes um BergKarabach ermoglicht eine deutlichere Vorstellung von der Tiefe der
Wurzeln dieses Kampfes, dem Charakter der armenischen Aggression
gegen die Republik Aserbaidschan und der M oglichkeit der Erstellung
zusatzlicher Einschatzungen der realen volkerrechtlichen Moglichkeiten der Losung des Konfliktes.
'"Naheres zu diesen Ereignissen Vgl.: Chalilow Aslan. Marz 1918: Aserbajdschan bes aserbajdschanzew. Swidetelstwuet istorija.(Aserbaidschan ohne
Aserbaidschaner. Zeugnis der Geschichte.) In: IRS, 2008, Nr. 1, S. 22-25.
12. Zur Geschichte von Karabach nach dem Zerfall des
zaristischen Russlands und bis zum Jahre 1923
,, Verandern, um zu erhalten. “
Konfuzius
Die Merkmale der ethnisch-kulturellen „Diskriminierung" der
Armenier im zaristischen Russland zeigten sich immer haufiger am
Anfang des 20. Jahrhunderts. Es erfolgte zunehmend eine
beschleunigte ,,Slawisierung“ der armenischen Bevolkerung des
Reiches, armenische Schulen und Bibliotheken wurden geschlossen,
armenische gesellschaftliche Vereinigungen wurden verboten. 1903
verfiigte Zar Nikolaus II. sogar die Konfiszierung einiger Kleinode der
Armenischen Kirche. Die Armenier antworteten mit Anschlagen auf
die Vertreter des Zarenregimes und die ,,Verrater“ aus ihrer M itte.300
Die Gewaltausbriiche, die auch klare Komponenten interethnischer
Feindseligkeit hatten, begannen in groBem MaBstab mit dem Beginn
der Revolution in Russland 1905 und waren immer dann festzustellen,
wenn der russische oder der sowjetische Staat in der Krise war. Das
war nicht nur 1905-1907 so, sondern auch wahrend des russischen
Biirgerkrieges 1918 - 1922. Uber den scharfen und kompromisslosen
Konflikt 1920, als iiber Karabach „Feuer und Eisen“ hereinbrach,
schrieb eindriicklich Marietta Schaginjan nach der Apotheose der
Gewalt und Harte in dieser Region: „Nach den unbegreiflichen
Grausamkeiten und der ununterbrochenen Erniedrigung blieb der
Bevolkerung gleichsam der bittere Geschmack der Schande im
Gedachtnis. Die wechselseitige Biirgschaft des Vergessens - niemand
erinnert an irgendetwas, die Vergangenheit ist abgeschlossen, und der
stillschweigende Schwerpunkt: Arbeit, leidenschaftliches Verlangen
zur W iederherstellung.“301 Gleiches geschah auch in den Jahren der
Perestrojka, beginnend 1986 und endend mit dem Niedergang der
UdSSR.
In der Periode der Revolution 1905 war Berg-Karabach, ins­
besondere die Stadt Schuscha, eines der Zentren der erbitterten
300Vgl.: Brissaud Alain. Islam und Christentum. Gemeinsamkeit und Konfrontation gestem und heute. Albatros Verl. Dusseldorf 2002, S. 282.
301 Schaginjan M. Nagorny Karabach (Berg-Karabach). Moskau - Leningrad,
Verlag Gosudarstwennoe isdatelstwo, 1927. S. 4 -5.
190
Opposition der Armenier und der Aserbaidschaner.302 Zwecks
Schaffung eines von Aserbaidschanem freien Gebietes in Karabach,
und vor allem im Ujesd Schuscha, begann die gewaltsame
Vertreibung von Aserbaidschanem durch bewaffnete armenische
Einheiten. Im Zusammenhang mit diesen Ereignissen merkt der
osterreichische Forscher Erich Feigl an, dass sich 1905 „in Baku
Anzeichen des beginnenden Chaos zeigten, das sich die Daschnaken
fur die Verstarkung der Propaganda gegen die tiirkische Mehrheit in
Baku, Gjandscha und Schuscha zu Nutze machten. Diese Propaganda
w ar begleitet von unheimlichen terroristischen Akten, die von den
Daschnaken gegen die Aserbaidschaner veriibt wurden. Ziel dieser
Uberfalle war die Migration der Moslems und die Schaffung eines
demographischen armenischen Ubergewichts in der Region...In
Karabach und Schuscha wurden aserbaidschanische Hauser angeziindet, hier kamen 500 Aserbaidschaner und 40 Armenier um “ .303
Nach der demokratischen Februarrevolution in Russland 1917
wurde au f Beschluss der Ubergangsregierung zur Leitung des
Transkaukasischen Kreises mit dem Ziel der Forderung der demokra­
tischen
Umgestaltungen im Transkaukasus das „Besondere
Transkaukasische Komitee" (OSAKOM) gebildet, das der Ausbreitung des Bolschewismus in der Region widerstand. Aber auch
M oskau, die bolschewistische Regierung Russlands, vergaB seine
Interessen im Transkaukasus nicht. Davon zeugt insbesondere das
Dekret (vom 31. Dezember 1917) des Rates der Volkskommissare der
RSFSR iiber die freie Selbstbestimmung von „Tiirkisch Armenien".
Ein Armenischer Staat au f dem Territorium der Tiirkei, und nicht
Russlands, entsprach der Strategic der Moskauer Revolutionare.
Aserwkom (Narimanow304, Gusejnow, u.a.), insbesondere Nari302 Vgl.: Villfri L.: The Fire and Sword in the Caucasus. London 1906; Henry I.
D.: Baku: Eventful History. London 1905; Ordubabi M. S.: Ganlillar. Baku
1991 (aserb.).
303 Feigl Erich. Prawda о terrore. Armjanskij terrorism - istotschniki i pritschiny.
(D ie Wahrheit iiber den Terror. Der armenische Terrorismus - Quellen und
Griinde). Baku 2000.
,04Narimanow Nariman Kerbalaj Nadschaf ogly (1870-1925), Politiker und
Schriftsteller (bekannte Werke sind der Roman „Bachadur i Sona“ und die
Tragodie ,,Nadirschah“). 1917 Vorsitzender des ,,Gummet“-Ausschusses.
1920 Vorsitzender des Aserbaidschanischen Revolutionskomitees, Vor­
sitzender des Sowjets der Volkskommissare der Aserbaidschanischen SSR. С
1922 - Vorsitzender des Unionssowjets der SSFSR
191
manow, wandten sich gegen die Riickgabe von Land an A rm enien,
das diesem in der Vergangenheit von der Tiirkei entrissen w orden
war.
Der Fall des Zarentums 1917 war begleitet von der Em euerung
ethnisch motivierter Konflikte in vielen Ortschaften Berg-Karabachs.
Anstifter dieser Konflikte waren nationalistische Gruppierungen. So
iiberfielen unter der Leitung von Schaumjan, Lalojan, Amasaps und
anderen Leitem bewaffnete armenische Verbande 1917 nicht nur
aserbaidschanische Dorfer in Karabach, sondem auch Siedlungen um
Kuba im nordostlichen Teil Aserbaidschans, wo viele Juden w ohnten,
und die deutsche Siedlung Helenendorf (heute Goy-Gol) im
westlichen Teil Aserbaidschans.305
Am 23. Februar 1918 wurde in Tiflis auf Initiative des am erikanischen Botschafters Smith der Transkaukasische Sejm, das neue
Organ der Staatsmacht im Transkaukasus, mit dem Ziel der
juristischen Bestatigung der Abspaltung des Transkaukasus vom
bolschewistischen Russland einbemfen. Der Sejm wurde vom
Transkaukasischen Kommissariat einberufen. Der Sejm bestand aus
Sozialrevolutionaren, Menschewiki, Daschnaken und dem Khan als
Deputierten der Griindungsversammlung Russlands, gewahlt vom
Transkaukasus. Am 9. April 1918 erklarte sich der Sejm zum
gesetzgebenden Organ des Transkaukasus, bildete die Regierung,
ratifizierte die Vertrage, die vom Transkaukasischen Kommissariat
geschlossen
worden
waren,
und
rief
die
unabhangige
Transkaukasische Demokratische Foderative Republik (SDFR) aus.
Nach der Bildung der autonomen Republiken Aserbaidschan,
Armenien und Georgien loste sich der Sejm auf. Das
Transkaukasische Kommissariat, an dessen Schaffung der amerikanische Botschafter in Tiflis, Smith, aktiv beteiligt war, handelte
vom 24. Novem ber 1917 bis Marz 1918 als Regierung des
Transkaukasus mit der Hauptstadt Tiflis. Chef der demokratischen
Regierung war der Sozialdemokrat (Menschewik) E.P. Gegetschkori,
und ein wesentliches politisches Gewicht darin hatten die damaligen
popularen aserbaidschanischen Politiker Fatali Khan Chojskij und
305Vgl.: Orchan V. D ie bisher unentdeckten Spuren des armenischen Terrors. In:
525(ki gezet,http://www. 525 ci. Com/aze/2006/09/16/read=28; Wajandurlu
I. Armjanskoj terror protiw malenkoj Germanii (Armenischer Terror gegen
das kleine Deutschland). In: “Serkalo”, Baku, 8.9.2006, S. 1.
192
Chasmamedow. Eine ffihrende Rolle sowohl im Kommissariat als
auch im Sejm spielten die georgischen Menschewiki. Die
AuBenpolitik des Kommissariats war offen antibolschewistisch. Das
Kommissariat vereinigte sich mit dem siidostlichen Bundnis der
Kubaner und Tersker Kosaken und schloss ein Bundnis mit dem
Kommando der Kaukasischen Front (Generale Kaledin, Komilow und
Karaulow). Das Kommissariat wurde ftir seine grausamen antibolschewistischen Aktionen bei Schamchor (zwischen Elisawetpol und
Tiflis) und bei Chatschmas (zwischen Baku und Derbent) bekannt.
Im Marz 1918 gingen die von den Deutschen unterstiitzten
turkischen Truppen im Transkaukasus zum A ngriff iiber. Sie eroberten
Erzurum, Ardagan, Kars, Batum, drangen in Gurien ein und besetzten
Osurgeti. MaBgeblich durch diese Ereignisse beeinflusst, erklarte der
Transkaukasische Sejm im Mai den Transkaukasus zur unabhangigen
Foderativen Republik und bildete ein neues Regierungskabinett, das
hauptsachlich aus M enschewiki, Daschnaken und Mussawatisten
bestand.106
Als Ende Mai 1918 der Transkaukasische Sejm aufhorte zu
existieren, wurden in Tbilissi drei unabhangige Republiken proklam iert - Aserbaidschan, Armenien und Georgien. Die neu proklam ierte Republik Armenien hatte jedoch weder ein Territorium noch
eine Hauptstadt. Der Sowjet von Baku konnte die Bewegung des
aserbaidschanischen Volkes zur Unabhangigkeit nicht aufhalten, die
am 28. Mai 1918 ausgerufen wurde.
Im Sommer 1918 begann die Vereinigung der Semipartisanentruppen von General Andranik, die eine Niederlage durch das
O sm anische Heer erlitten hatte und sich von der Kaukasusfront
zuriickzog, eine zielgerichtete Kampagne zur Vertreibung oder
Vernichtung der aserbaidschanischen Bevolkerung in den Territorien,
die von Aserbaidschan an Armenien ubertragen worden waren. Nach
Berichten des Mitglieds des AuBerordentlichen Ausschusses
M ichajlow wurden im Sommer und Herbst 1918 in Sangesur 115
Siedlungen verwiistet oder vollig vemichtet. Praktisch alle diese
Siedlungen waren aserbaidschanische Siedlungen. Es wurden darin
m indestens 7729 Aserbaidschaner getotet, und 50.000 Aser106Barigow M.D. Is istorii bolschewistskoj organisazii Baku i Aserbajdschana
(A u s der Geschichte der bolschewistischen Organisation von Baku und
Aserbaidschan) 3 Verl. Moskau 1949.
193
baidschaner mussten aus Sangesur fliehen. Die A serbaidschaner
stellten in der neu proklamierten Republik Armenien den GroBteil der
Bevolkerung. N ach Daten der Bevolkerungsstatistik Russlands 1897
stellten die Aserbaidschaner in vier von sieben Ujesden des
Gouvemements Erewan (Irewan) die absolute Bevolkerungsmehrheit.
Die armenische Regierung suchte durch Einschiichterungen oder
blanken Terror die Aserbaidschaner zum Verlassen ihrer H eim at zu
bewegen und Platz fur armenische Umsiedler zu schaffen. So w urden
allein im stidlichen Teil des Gouvemements Irewan Hunderte von
aserbaidschanischen Siedlungen zerstort und mussten 150.000
Aserbaidschaner fliehen.307
Mit der Hilfe der Osmanischen Tm ppen, die gemaB dem V ertrag
iiber Frieden und Freundschaft zwischen dem Osmanischen Reich und
der Demokratischen Republik Aserbaidschan vom 4. Juni 1918
erbracht wurde, wurde das Territorium der Republik von der
Herrschaft der Bolschewiki, der Daschnaken und der Sozialrevolutionare befreit.308
W ahrend dessen ging der Erste W eltkrieg zu Ende und am 30.
Oktober 1918 wurde zwischen dem Osmanischen Reich und GroBbritannien der Friede von Mudros geschlossen. In Ubereinstimmung
damit verpflichtete sich das Osmanische Reich, seine Truppen aus
dem zur Einflusssphare GroBbritanniens gehorenden Sudkaukasus
abzuziehen.309
In einem Memorandum, das von der Delegation der Dem okra­
tischen Republik Aserbaidschan den diplomatischen Vertretem der
Entente im November 1918 vorgelegt wurde, sind die folgenden
Gebiete aufgelistet, die zu Aserbaidschan gehorten und als seine
3,17V gl.: Ajdyn Balaew. Aserbajdachanskoe nazionalno-demokratitscheskoe
dwischenie (Die aserbaidschanische national-demokratische Bewegung)
1917-1929. Baku, Elm 1990, S. 50-51.
308Vgl.: den Freundschaftsvertrag zwischen der Kaiserlichen Osmanischen
Regierung und der Republik Aserbaidschan vom 4. Juni 1918. Staatliches
Archiv der politischen Parteien und gesellschaftlichen Bewegungen der
Republik Aserbaidschan, f. 277, op. 2, d. 9, S. 10-11 ob, Artikel 4.
3<wDer Friede zwischen den Alliierten und der Tiirkei, der auf dem britischen
S ch iff „Agamemnon11 im Hafen von Mudros auf der Insel Lemnos am 30.
Oktober 1918 geschlossen wurde. Vgl.: Meschdunarodnaja politika nowejschego wremeni w dogoworach, notach i deklarazijach (Die intemationale
Politik der jiingsten Zeit in Vertragen, Noten und Deklarationen, Teil -.
Moskau. Verlag Litisdata N.K.I.D., 1926, S. 188-189, Artikel 11 und 15.
194
unverbriichlichen Teile angesehen wurden: die Gouvemements Baku
und Elisawetpol (Gjandscha), ein Teil des Gouvemements Erewan
und Tiflis, sowie der Sagatalskij Kreis.
Im gleichen Jahr riickten britische Truppen in Baku ein, und vom
britischen Kommandanten, General W. Thompson, der die Alliierten
reprasentierte, wurde der Bergteil von Karabach zusammen mit dem
benachbarten Ujesd Sangesur unter der Verwaltung von Aser­
baidschan anerkannt. Am 15. Januar 1919 nahm die Regierung von
Aserbaidschan den Beschluss zur Schaffung des Karabacher Generalgouvemements, das sich iiber die Flache von Dschawanschir,
Schuscha und Sangesur erstreckte. Am 29. Januar 1919 wurde der
Aserbaidschaner Chosrow Sultanow zum Generalgouvemeur von
Karabach emannt. Unter Sultanow, der Ende Februar 1919 sein Amt
in der Stadt Schuscha antrat, wurde innerhalb weniger Monate in
Karabach der soziale Friede wiederhergestellt. Nach Planen der
Regierung von Aserbaidschan sollte Karabach seine eigene admi­
nistrative und kulturelle Autonomie entwickeln. Es wurden Bedingungen bestimmt, unter denen die Anzahl der aserbaidschanischen
Gamisonen in Karabach in Friedenszeiten begrenzt wurde.
Im November 1918, nach der Okkupation des Sudkaukasus durch
die Englander, forderte Thompson den unverziiglichen Abzug der
Truppen von Andranik aus Berg-Karabach, wo sie schon seit Monaten
Unruhe stifteten, und ihrer Unterstellung unter die Leitung der
Demokratischen Republik Aserbaidschan. Als Berufsmilitar lieB sich
Thompson von praktischen Uberlegungen leiten. Unter Beriicksichtigung der geographischen Lage von Berg-Karabach, des Charakters der Wirtschaft in seinen Gebieten und der Transportverbindungen
von Berg-Karabach war klar, dass diese Region aufs Engste mit
Aserbaidschan und nicht mit Armenien verbunden ist, das jenseits der
Berge liegt und mit Berg-Karabach nur durch den engen Latschinsker
Korridor verbunden ist.310 Thompson bestatigte die Ernennung von
Chosrow Sultanow durch die Regierung Aserbaidschans als
Gouverneur des Karabachischen Generalgouvernements, zu dem
Karabach und die beiden offiziell anerkannten Regionen gehorten.
3l()Vgl.: Altsradt A.: The Azerbaijani Turks. Power and Identity under Russian
Rule. Stanford 1992, p. 100-106; Hovanissian R. G.: The Republic o f
Armenia. Berkeley 1982, vol. II, p. 195 and 211.
195
Am 22. Januar 1919 anerkannte der Oberbefehlshaber der
Alliierten Streitkrafte im Siidkaukasus, General John M ilton, die
„Regierung von Aserbaidschan als einzige legale Macht“ im gesam ten
international anerkannten Gebiet der Republik.3" Am 3. April 1919
erklarte der Vertreter der Alliierten, Oberst Shuttleworth, bis zur
endgtiltigen Losung der Karabach-Frage auf dem Friedenskongress
von Paris bleibe die Region von Karabach Teil von Aserbaidschan.
Der Kommandant der Alliierten Streitkrafte anerkannte die Regierung
von Chosrow Sultanow als einzige legale Staatsmacht a u f dem
Territorium von Karabach.312
Im Parlament der Demokratischen Republik Aserbaidschan waren
alle ethnischen Gruppen des Landes vertreten. Diese Representation
war garantiert durch das Parlamentsgesetz vom 19. November 1918.
21 von 120 Mandaten erhielten armenische Parlamentarier. 1919
erkannte die armenische Versammlung des Bergteils die Staatsgewalt
3]3
von Aserbaidschan an.
Die Anerkennung wurde am 26. August 1919 in einem Abkommen
zwischen der Regierung von Aserbaidschan und den Armeniern von
Karabach festgeschrieben, nach dem der Bergteil von Karabach, die
von Armeniern besiedelten Rayons Disag, Waranda, Chatschin und
Dschilabert, sich innerhalb der Grenzen von Republik Aserbaidschan
sieht. Nach den Vertragsbestimmungen wurde beim Karabach isc hen
Generalgouvemement ein aus 3 Armeniern und 3 Aserbaidschanem
bestehender Rat gegriindet. Der Rat hatte das Recht der Kontrolle der
Administration des Generalgouvernements, sollte sich jedoch nicht in
ihre Arbeit einmischen. Die Karabach-Armenier hatten das Recht auf
kulturelle Autonomie. Das Recht sollte seitens des armenischen Teils
des Sowjets umgesetzt werden.
Im Generalgouvemement Karabach wurde die Rede- und Pressefreiheit proklamiert, die Gamisonen der Streitkrafte von Aser­
baidschan waren in Schuscha und Chankendi stationiert. Eine
Verlegung der bewaffneten Formationen in den von Armeniern
3llVgl.: Staatsarchiv von Aserbaidschan, Fond 894, op. 3, ed. chran. 5, Blatt 13.;
Balaew A. Karabach ot perioda nesawisimosti ADR к sowetskoj awtonomii.
(Karabach von der Periode der Unabhangigkeit der DRA bis zur sowjetischen
Autonomie) In: IRS, Moskau 2-3 (14-15), 2005.
1,2Hovanissian R., The Republic o f Armenia, Berkeley-Los-Angeles-London,
1971, S. 143.
3l3Vgl.: Swietochowski, pp. 75-76.
196
besiedelten Bergteil Karabachs durfte nur mit Zweidrittelmehrheit der
Ratsmitglieder genehmigt werden. Es wurden auch andere Regeln des
demokratischen Lebens und Garantien fur die Sicherheit der
Bevolkerung des Generalgouvernements verabschiedet.314
Am 29. September 1919 wurde von der Regierung von Aser­
baidschan eine Million Manat fur die W iederherstellung der zerstorten
Dorfer von Karabach bereitgestellt. Der Oberste Kommissar der
Alliierten im Transkaukasus, der amerikanische Oberst Haskell
untersttitzte die Politik Aserbaidschans in der Karabach-Frage.
1918-1920 unterhielt die DRA diplomatische Beziehungen zu 18
Landern.315 Von einer Reihe von Staaten wurden Vertrage iiber die
Prinzipien der Zusammenarbeit unterzeichnet; achtzehn Staaten hatten
eigene Missionen in Baku. Am 19. Januar 1920 erkannte der Oberste
Rat der Alliierten auf der Pariser Friedenskonferenz de facto die
Unabhangigkeit von Aserbaidschan an.
Die armenische Frage wurde auf der Pariser Friedenskonferenz
vertagt, da Armenien die Forderung iiber die Schaffung von „GroBArm enien“ zwischen den drei Meeren stellte. Die territorialen
Anspriiche Armeniens erstreckten sich iiber 11 Regionen des
Osmanischen Reiches (7 in Anatolien und 4 in Kilikien), sowie das
gesam te Gouvemement Erewan, einen Teil der Gouvemements Tiflis
und Elisawetpol (Gjandscha) sowie Kars und Ardagan. Im Zusamm enhang damit wurde die Frage von Armenien behandelt, zusammen
mit der Osmanischen Frage. Lloyd George stimmte den Anspriichen
der Armenier nicht zu und hielt sie fur uberzogen, insbesondere wenn
man beriicksichtigt, dass die Armenier die M inderheit in diesen
Gebieten stellten.316
114Vgl.: Provisorische Vereinbarung der Armenier von Berg-Karabach mit der
Regierung Aserbaischans am 26. August 1919. Vgl.: К istorii obrasowanija
Nagomo-Karabachskoj awtonomnoj oblasti Aserbajdschanskoj SSR. 19181925. Dokumenty i materialy. (Zur Geschichte der Schaffung des Autonomen
Gebiets Berg-Karabach der Aserbaidschanischen SSR. 1918-1925. Dokumente und Materialien) Baku, Aserneschr, 1989, S. 23-25.
3l5Das waren: Georgien, Armenien, die Tiirkei, Iran, Ukraine, Litauen, Polen,
Finnland, USA, Grofibritannien, Frankreich, Italien, Schweden, die Schweiz,
Belgien, die Niederlande, Griechenland und Danemark.
3l6Das spezifische Gewicht der Armenier in den osmanischen Vilajets nach ihrer
,,Massenumsiedlung“ im Jahre 1915 betrug wahrend der Zeit des Pariser
Kongresses in Prozent der Gesamtbevolkerung in den jew eiligen Vilajets:
Van - 24, Bitlis - 34, Dijabekir - 18, Charput - 12, Siwas - 15, Erzurum 197
Die Anerkennung der faktischen Unabhangigkeit von Aser­
baidschan und von Armenien und Georgien erst 1920 und nicht 1918,
als diese gegriindet wurden, war damit verbunden, dass die Alliierten
zunachst die Frage von Aserbaidschan und von Georgien und in
gewissem MaB auch die von Armenien im Kontext der russischen
Frage erorterten und auf die Erhaltung eines einigen, unteilbaren,
jedoch nicht bolschewistischen, sondem liberalen Russland hofften.
Die kurze Geschichte des Generalgouvemements Karabach, die von
vielen Dokumenten schltissig belegt wird, widerlegt die These der
Armenier, Berg-Karabach sei erst 1923 an Aserbaidschan tibertragen
worden.
Schon am 29. Mai 1918, d.h. am Tag nach der Proklamierung
seiner Unabhangigkeit, beschloss die Republik Aserbaidschan, indem
sie sich von den Prinzipien der guten Nachbarschaft leiten lieB und
unter Beriicksichtigung der Appelle der Armenier, einen Teil des
Ujesds Erewan, darunter die Stadt Eriwan als Hauptstadt, an die
Republik Armenien zu ubertragen, der gemaB damals giiltigem
Volkerrecht nicht einmal deren eigenes Gebiet war. Das war durch
den Wunsch der aserbaidschanischen Seite hervorgerufen, in dieser
schwierigen Periode gemeinsam und im Geist der Zusammenarbeit die
ftir das armenische und das aserbaidschanische Volk lebenswichtige
Frage der Schaffung und des Funktionierens unabhangiger Staaten zu
entscheiden. Eine offensichtliche Bedingung dabei sollte jedoch der
Verzicht der Armenier auf ihre Anspriiche auf einen Teil des
Gouvemements Elisawetpol, d.h. Karabach.317
Als Resultat umfasste das Territorium des gebildeten armenischen
Staates nicht mehr als 10.000 Quadratkilometer (heute nach offiziellen
21, Trabson - 5. Vgl.: „Proportions des populations musulmanes grecques et
armeniennes en Asie-Mineure d'apres la statistique du Livre-Jaune. (Affairs
Armeniennes 1893 -1897). M955.05 Archive Editions 1998. In: Anita L. P.
Burdett (ed.), Armenia: Political and Ethnic Boundaries 1878-1948. Wilts,
Archive Edition Limited 1998.
3l7Protokoll Nr. 3 der Sitzung des Moslemischen Nationalrates, die am 29. Mai
1918 in der Stadt Tiflis stattfand. Staatsarchiv der Politischen Parteien und
gesellschaftlichen Bewegungen der Republik Aserbaidschan, f. 970, op. 1,
Bd. 1, S. 51. Vgl.: auch das Schreiben des Vorsitzenden des Ministerkabinetts
der Demokratischen Republik Aserbaidschan, Fatali Khan Chojskij (Chojskij)
an den armenischen Innenminister G. Gadschinskij vom 29. Mai 1918. In:
Zentralnyj gosudarstwennyj archiv Aserbajdschana, (Zentrales Staatsarchiv
von Aserbaidschan) fond 970, Inventarverzeichnis 1, Akt 4, S. 1-2.
198
Angaben 298.000 Quadratkilometer). Die armenischen Historiker sind
sich iiber dieses Gebiet von 1918 nicht einig aufgrund der Unterschiede in der Auslegung des Vertrages von Batumi.318
Die Stadt des ehemaligen Khanats Irewan wurde mit der
Zustimmung der Regierung der Demokratischen Republik Aser­
baidschans die Hauptstadt des neu geschaffenen armenischen Staates.
Der Vorsitzende des Ministerkabinetts der Demokratischen
Republik Aserbaidschan Fatali Khan Chojskij aufierte, dass damit alle
territorialen Anspriiche der Armenier abgegolten seien. Aber er irrte
sich sehr, und dieser Fehler beriihrte auch tragisch sein eigenes
Schicksal. 1920 wurde er in Tbilissi von dem armenischen Terroristen
Aram Erkajan ermordet.
Das Khanat Eriwan (Erewan) selbst, in dem die Mehrheit der
Bewohner Moslems - hauptsachlich Aserbaidschanem - waren,
existierte mindestens seit dem Ende des 14. Jahrhunderts (s. Liste der
Khane von Eriwan im Anhang, die auch den Namen des ersten Khans
Em ir Sad enthalt, der von Ende des 14. Jahrhunderts bis 1410 das
Khanat Eriwan regierte und zuerst Vasalle der Tiirkei, dann spater
Vasalle des Safawiden-Staates war. Die gesamte administrative und
militarische Macht im Khanat war in den Handen eines Sardar, des
Statthalters des Schahs des Safawiden-Staates mit dem Titel Beylerbey konzentriert. Die Herrscher der kleinen Verwaltungseinheiten
des Khanats (Mahals) hieBen Naibas, Mirboljuks usw. Militarisch
3l8So umfasste, laut E. Sarkisjan, dieses Territorium des Rayon Nowo-Bajaseta,
auGer dem siidostlichen Teil von Basarketschar, auch Teile der Rayons
Eriwan, Etschmiadsin und Aleksandropol. Z. Agajan bestatigt, dass die
Daschnaken nach dem Vertrag von Batumi die Ujesds Surmala und den
groGten Teil der Ujesds Aleksandropol, Scharur, Etschmiadsin und Eriwan an
die Tiirkei gleichsam ,,verkauften“. Bei einer solchen Fragestellung ist es
vollig unklar, von welchen Gebieten die Republik Armenien an die Tiirkei
„verkauft wurde“. Denn ihre Grenzen wurden nach Volkerrecht auf der
Grundlage des Vertrags von Batumi festgelegt. Vgl.: Vertrag uber Frieden
und Freundschaft zwischen der Osmanischen Kaiserlichen Regierung und der
Republik Armenien vom 4. Juni 1918.
A us der Geschichte der auslandischen Intervention in Armenien im Jahre
1918. Dokumente und Materialien. Eriwan, Verlag der Universitat Erewan
1970, S. 154-161; ein Autor schrieb: „Das Territorium Armenien wurde zu
zw ei Ujesds zusammengefugt - Eriwan und Etschmiadsin", obwohl das nicht
m oglich war, da nach dem Vertrag von Batumi Teile dieser Ujesde an die
Tiirkei kamen. Vgl.: Wladimir Gurko-Krjaschin. Bolschaja Sowjetskaja
Enziklopedija (GroGe Sowjetenzyklopadie). Moskau 1926, Band 3, S. 437.
199
unterstanden die Khanate Nachitschewan und М ака sowie die
Meliktumer von Karabach und Sjunik dem Sardar von Eriwan. Der
erste safawidische Beylerbey Amirgun-Khan (1604-1628) fuhrte mit
dem Ziel eines besseren Schutzes der eroberten Gebiete vor den
Anspriichen des Osmanischen Reiches einen Teil der Arm enier aus
Persien in das Khanat zuriick.319
Wie wurde nun tatsachlich das Territorium des ersten arm enischen
Staates im Siidkaukasus, die unabhangige Republik Arm enien,
gebildet? Im Mai 1918 holte sich die Tiirkei ungeachtet des Friedensvertrages von Brest320 m it M ilitargewalt ihre Gebiete Kars und
Aleksandropol zuriick und bewegte sich auf Eriwan zu mit dem Ziel,
das gesamte Territorium des neu geschaffenen armenischen Staates zu
besetzen. Nach dem Vertrag, der von der Daschnaken-Regierung mit
der Tiirkei im Juni 1918 geschlossen worden war, wurde das
Territorium von Armenien zusammengelegt zu zwei Ujesden - dem
Ujesd Eriwan und dem Ujesd Etschmiadsin, Gegenden in der AraratEbene und des Sewan-See-Beckens. Nach diesem Vertrag war
Karabach nicht Bestandteil der Republik Armenien.321
Nach dem Ersten W eltkrieg stellte die Entente der Republik
Armenien die Provinz Kars und die meisten Rayons des ehemaligen
Gouvemements Erewan zur Verfugung. Nach der Erweiterung betrug
die Bevolkerung Armeniens 1,5 Millionen. Davon waren m nd
795.000 Armenier, rund 575.000 M oslems (der grofite Teil davon
waren Aserbaidschaner) und 140.000 Vertreter anderer Nationalitaten.
Jedoch war die im damaligen politischen Leben der Republik
Armenien dominierende Partei Daschnakzutjun322 mit diesen
3l9Im Rossijskij enziklopeditscheskij slowar (Russisches Enzyklopadisches
Worterbuch (Moskau, 2001, Buch 1, S. 504) heisst es falschlicherweise, dass
das „Khanat Erewan (Khanat Eriwan), ein Staat in Ostarmenien 1604-1828,
sich im nationalen Befreiungskampf gegen den Iran auf Georgien und danach
auf Russland stiitzte.“
320Friede von Brest, 3.3.1918, Friedensvertrag zwischen Sowjet-Russland und
Deutschland, Osterreich-Ungam, Bulgarien und der Tiirkei. Deutschland, das
auch einen Teil des Transkaukasus annektiert hatte, erhielt eine Kontribution
von 6 Milliarden Mark. Der Vertrag wurde von der Regierung der RSFSR am
13.11.1918 nach der Niederlage Deutschlands im 1. Weltkrieg annulliert.
321Vgl.: Nesawisim ost Grusii w meschdunarodnoj politike (Die Unabhangigkeit
Georgiens in der internationalen Politik). Paris 1924, S. 95-96.
322D ie Armenische Revolutionsfoderation (Daschnakzutjun-Partei) wurde 1890
in Tiflis gegriindet in Form einer Vereinigung der unterschiedlichsten
200
Erwerbungen keineswegs zufrieden und machte Ansprtiche auf das
Territorium von Achalkalaka und Bortschala geltend, die zur Republik
Georgien gehorten, und au f das Territorium von Karabach, das zur
Republik Aserbaidschan gehorte, sowie auf Nachitschewan und
Sangesur (die siidlichen Teile des ehemaligen Gouvemements
Elisawetpol), die auch seit 1918 zur Republik Aserbaidschan
gehorten. Diese Forderungen von „Daschnakzutjun" provozierten
einen Krieg mit der Republik Georgien und einen langanhaltenden,
zuweilen sehr blutigen, Konflikt m it der Republik Aserbaidschan einen Konflikt, der auch bis zum heutigen Tage andauert.
Im
Sommer 1918 riickten Verbande des armenischen
Bataillonskommandanten Andronik nach Sangesur ein und stellten der
aserbaidschanischen Bevolkerung ein Ultimatum. Die Aser­
baidschaner sollten sich entweder der neuen Herrschaft unterstellen
oder ihre Wohnorte verlassen. Nach Angaben der bekannten Michajlow-Kommission, die diese Vorkommnisse untersuchte, wurden allein
im Som m er 1918 in Sangesur iiber 115 aserbaidschanische Dorfer zerstort und iiber 7000 Aserbaidschaner getotet. 50.000 Aserbaidschaner
m ussten aus Sangesur fliehen.323
N ach erbitterten Kampfen gelang es den armenischen Truppen,
auch Berg-Karabach zu besetzen, aber im gleichen Sommer mussten
sie w ieder abziehen. Der Grund fur diesen hastigen Abzug war der
Einfall der tiirkischen Armee in den Sudkaukasus. Aber schon nach
U nterzeichnung des Friedensvertrags von Mudros (30.10.1918)
zw ischen der Tiirkei und der Entente zog die Tiirkei, die zusammen
mit Kaiserdeutschland als ihrem Verbiindeten eine Niederlage erlitten
hatte, ihre Truppen aus dem Sudkaukasus ab. Und die armenischen
Truppen unter dem Kommando von General Andronik drangen wieder
in Berg-K arabach ein. Im Dezember 1918 waren erneut blutige
K am pfe m it den in das aserbaidschanische Territorium eingedrungenen arm enischen Tmppen festzustellen.
arm enischen politischen Gruppierungen. Die Revolutionsfoderation ist
M itglied der Sozialistischen Internationalen. Nach ihrer ideellen Grundlage,
ihren Z ielen und dem Charakter ihrer Tatigkeit kann diese politische
Organisation zu den nationalistischen gezahlt werden.
323V gl.: B alaew A. Aserbajdschanskaja Demokratitscheskaja Respublika (Die
D em okratischen Republik Aserbaidschan) 1991, S. ff.
201
Im Friihjahr 1920 waren em eut bewaffnete U bergriffe der
Daschnakzutjun-Kampfer in den aserbaidschanischen Regionen
Nachitschewan, Ordubad und Schuscha festzustellen. Einzelne
Kampfe gab es auch in Chankendi (heute Stepanakert), Terter,324
Askeran und Sangesur, Dschebrail und Gjandscha. W ahrend dieser
Kampfe litten Dutzende aserbaidschanischer Siedlungen stark oder
wurden ganz zerstort. Die wachsende Spannung in Berg-Karabach
gipfelte im M arz 1920 in einem bewaffneten armenischen Aufstand.
Er ereignete sich kurz vor der Offensive der Roten Arm ee in Aser­
baidschan und bescherte der Republik zusatzliche Schwierigkeiten bei
der Abwehr der ,,roten“ Aggression. Die aserbaidschanische Kommandatur war gezwungen, eine groBe Anzahl Truppen von der Grenze
abzuziehen, was die Aufgabe der Roten Armee zur raschen Eroberung
der aserbaidschanischen Gebiete wesentlich erleichterte. Die bolschewistische Intervention in der Demokratischen Republik Aserbaidschan
unterbrach am 28. April 1920325 bis 1991 die kurze Geschichte der
unabhangigen Existenz Aserbaidschans.
AbschlieBend kann man feststellen, dass wahrend der Existenz der
Demokratischen Republik Aserbaidschan von 1918 bis 1920 BergKarabach zu dieser Republik gehorte. In dieser Periode umfasste das
Territorium der Demokratischen Republik Aserbaidschan offiziell
114.000 Quadratkilometer, 27.400 Quadratkilometer m ehr als ihr
heutiges Territorium.326 Die Sowjetmacht verschonte Aserbaidschan
nicht bei der ,,Beschneidung“ seiner Territorien.
324Nicht zu verwechseln mit dem FIuss Terter in Aserbaidschan, einem rechten
Nebenfluss am Oberlauf der Kura.
325Nach der Einnahme von Baku durch die Rote Armee war die Stadt blutigem
Terror unterworfen. Zu trauriger Beriihmtheit kam hier die Insel Nargen,
wohin die Verhafteten gebracht wurden und wo sie von den Tschekisten
erschossen wurden. Vgl.: La Pensee Russe, 7.11.2007, S. 8.
326Das heutige von der Weltgemeinschaft anerkannte Territorium der Republik
Aserbaidschan umfasst 86.600 Quadratkilometer unter Einbeziehung von
Berg-Karabach und der anderen von Armenien besetzten Gebiete.
2 02
13. Die Schaffung des Autonomen Gebiets Berg-Kara­
bach (NKAO) innerhalb der Aserbaidschanischen
SSR und die Versuche der Anderung seines Status
in der UdSSR vor der Perestrojka
„Mit Worten stehen alle Politiker a u f dem Weg des
Rechts und der Gerechtigkeit, aber je d e r von ihnen
geht seinen eigenen Weg - einen pragmatischen.
Politiker-Idealisten, die „nach Gerechtigkeit “ handeln, leben a u f dem Staats-Olymp nicht lange, “
Eleukulow Koscherbaj
Den nach der Februar- und der Oktoberrevolution 1917 in Russ­
land und in noch groBerem Umfang im Siidkaukasus entstandenen
Zustand des politischen Chaos versuchten die nationalistischen
armenischen Krafte, insbesondere die Daschnakzutjun-Anhanger, zur
Erreichung ihrer Expansionsziele auszunutzen. Der im Oktober 1917
in Tiflis tagende Armenische Nationalkongress forderte namens aller
Armenier, des gesamten armenischen Volkes, ihm die von den
russischen Truppen eroberten nordostlichen Rayons der Tiirkei
abzutreten und hier W estarmenien zu schaffen. Diese Idee wurde auch
von W.I. Lenin unterstiitzt, der per Dekret vom 28. Oktober 1917 das
Recht von Westarmenien auf die voile Selbstbestimmung und die
staatliche Souveranitat bestatigte.327
In den ersten Jahren der Sowjetherrschaft verscharfte sich emeut
der territoriale Streit zwischen Armenien und Aserbaidschan um die
Gebietsanspriiche Armeniens an Aserbaidschan, obwohl die
kommunistischen Herrscher bemiiht waren, diese Probleme zu
entscharfen. Das Aserbaidschanische Revolutionskomitee (Asrewkom) war bestrebt, die Interessen des gesamten Volkes von Aser­
baidschan, die gesamtnationalen Interessen, und nicht nur die der
kom m unistischen Spitze zu vertreten. Im Mai 1920 forderte das
A serw kom ultimativ den Abzug der bewaffneten armenischen Einheiten aus Berg-K arabach und Sangesur. Die Dschnaken-Regierung in
E rew an erfullte die Forderung.
327V gl.: Balaew A. Aserbajdschanskaja Demokratitscheskaja Respublika (Die
Dem okratische Republik Aserbaidschan) Baku 1991, S. 17 ff.; Nachschlagewerk: Dekrety Sowjetskoj wlasti (Dekrete der Sowjetmacht) S. 228 ff.
203
Aber im Juli 1920 begannen neue, von daschnakischen A ktivisten
organisierte bewaffnete armenische Uberfalle in Karabach, Nachitschewan und Sangesur. Die Daschnaken-Regierung in Erewan unterstiitzte diese Uberfalle organisatorisch und materiell. M it W affen aus
GroBbritannien und Italien iiberfielen die Anhanger der Daschnaken
die moslemische, d.h. hauptsachlich aserbaidschanische, Bevolkerung
nicht nur in den genannten Regionen, sondem auch in den
Gouvem em ents Kars und Eriwan.
Im August 1920 zettelte die Daschnaken-Regierung Armeniens
einen abenteuerlichen Konflikt mit der Tiirkei Kemals an. Tiirkische
Truppen drangen erneut in Armenien ein und besetzten, da sie keinen
nennenswerten Widerstand antrafen, Sarykamysch (am 13. Septem ­
ber), Kars (am 30. Oktober) und Alexandropol (am 5. Novem ber) und
bedrohten auch Eriwan. Nach einer ganzen Reihe schwerer
Niederlagen durch die turkischen Verbande unter dem Kommando
von Karabekir und Khalil-Pascha war die Regierung in Erewan
gezwungen, im Dezember 1920 einen fur sie schweren „Friedensvertrag" zu unterzeichnen.328
Dieses Mai erhielt die Daschnaken-Regierung keine Unterstiitzung
und keine staatliche Militarhilfe aus den USA, GroBbritannien,
Frankreich und Italien. Und im November 1920 wurde die Regierung
von den Bolschewiki gesffirzt. Am 2. Dezember 1920 ubernahmen die
arm enischen Kommunisten offiziell die Staatsmacht in Armenien.
Jedoch waren ihre Positionen auBerhalb Erewans noch recht schwach.
Am 1. Dezember 1920 erklarte der Parteisekretar der Bolschewiki
Sowjet-Aserbaidschans, Nariman Narimanow, vermutlich befliigelt
von der kommunistischen ,,Solidaritat“ : „Die werktatige Bauemschaft
von Berg-Karabach erhalt das voile Recht auf Selbstbestimmung.“329
328Vgl.: Bolschaja Sowjetskaja Enziklopedija pod. obsch. red. O.J. Schmidta
(GroBe Sowjetenzyklopadie unter der Endredaktion von O. J. Schmidt),
Moskau 1926, Band 3, S. 437-438. Vgl.: auch Anhang “Kurzer Uberblick
iiber die armenisch-turkischen Beziehungen im 19. und 20. Jahrhundert".
329Vgl.: Kommunistische Partei von Aserbaidschan, Institut Istorii Partii (Institut
fur Parteigeschichte): К istorii obrasowanija Nagorno-Karabachskoj Awtonomnoj oblasti As. SSR, 1918-1925 gg. (Zur Geschichte der Bildung des
Autonomen Gebiets Berg-Karabach der As. SSR, 1918-1925. Dokumenty i
materialy (Dokumente und Materialien). Baku 1989, S. 41. Es ist wichtig
anzumerken, dass das nicht die Meinung eines staatlichen Organs, sondem
des Partei vorsitzenden war, die nicht von dem entsprechenden Beschluss der
gesetzgebenden Versammlung des Staates bestatigt war.
204
Ohne detaillierte Erlauterungen konnte der Inhalt des Ausdrucks
..Selbstbestimmung“, der auch im Rahmen der territorialen Integritat
des Staates realisiert werden kann, und des Ausdrucks ,,Bauemschaft“
I
der Erklarung Narimanows von den radikalen armenischen Nationalisten als Recht auf Abspaltung Karabachs von Aserbaidschan angesehen werden.
In Moskau gingen die M einungen iiber die administrative
Zugehdrigkeit von Berg-Karabach auseinander. Bekannt ist, dass
Wladimir Lenin es ablehnte, sich in das W esen der Grenzstreitigkeiten
beziiglich Berg-Karabach zu vertiefen, auf Grund dessen, dass nach
dem Sieg der Revolution weltweit die Grenzen wie auch die Nationen
verschwinden wiirden. Eine solche Logik der vom heutigen
Standpunkt aus gesehen „seltsamen" Erorterung war damals den
Bolschewiki verstandlich: es lohnte sich nicht, sich iiber aktuelle
fimktionale Probleme den K opf zu zerbrechen, weil nach der Ankunft
am Bestimmungsort - im Kommunismus - diese Probleme von selbst
verschwinden wurden.
Der Volkskommissar fur Nationalitatenfragen Josef Stalin willigte
aufgrund seiner realistischeren Einstellung in die Bildung der
Autonomie im Rahmen von Aserbaidschan ein. Gegen Ende 1920
nahmen jedoch der politische K am pf und der Biirgerkrieg eine solche
Wendung, dass Stalin den armenischen Bolschewiki einen Trum pf
geben musste, wenn er die Volksmassen auf seine Seite ziehen wollte.
Damals veroffentlichte er auch in der Zeitung „Prawda" den Artikel
„Hoch lebe Sowjet-Armenien!“, in dem er territoriale Zugestandnisse
Sowjet-Aserbaidschans an Sowjet-Armenien bekanntgab: „Am 1.
Dezember 1920 verzichtet Sowjet-Aserbaidschan freiwillig auf die
umstrittenen Provinzen und erklart die Ubergabe von Sangesur,
330
Nachitschew an und Berg-Karabach an Sowjet-Armenien*. "
Auflenm inister G. Tschitscherin331 neigte einer anderen Losung zu.
Am 19. Juni 1920 schrieb er: „Karabach, Sangesur, Nachitschewan
und D schulfa332 diirfen weder zu Armenien gehoren, noch an
330Stalin J. W. Da sdrawstwujet Sowjetskaja Armenija! (Hoch lebe SowjetArm enien!), Prawda, 4. Dezember 1920.
331 Tschitscherin Georgij W asiljewitsch (1872-1936), AuBenminister (Volks­
kom m issar fur Auswartige Angelegenheiten) der Russischen Foderation und
der Sowjetunion von 1918 bis 1930.
332D sch ulfa war 1894 eine Ortschaft des Ujesds Nachitschewan, Gouvernement
Eriwan an der Einmundung des Alindsch-tschaj in den Araxes (Aras) mit 700
205
Aserbaidschan angegliedert werden; mit Zustimmung der ortlichen
Sowjets mtissen sie direkt den russischen Truppen unterstellt
werden."333 Ftir die Zugehorigkeit von Berg-K arabach
zu
Aserbaidschan sprechen die Geschichte, das Recht, die G eographie
und wirtschaftliche Faktoren - fur die Zugehorigkeit zu A rm enien
oder fur die Autonomie spricht die armenische M ehrheit der
Bevolkerung, fur „die direkte Unterstellung unter die russischen
Truppen“ nur der diese Truppen bestimmende Wunsch.
Im Mai 1921 wurde bei der Unterzeichnung des sowjetischturkischen Vertrags ein besonderer Status fur den Ujesd N achi­
tschewan bestimmt: er bildet ein autonomes Territorium unter dem
Protektorat von Aserbaidschan ohne das Recht der U bertragung an
einen dritten Staat. Innerhalb der Tiirkei wurden die in der
Vergangenheit von Russland befreiten Gebiete Kars, Ardagan und
Sarykamysch belassen. Ebenfalls 1921 wurden von den Sowjets die
,,Erwerbung“ von Sangesur und eines beachtlichen Teils der Ujesd
Kasach (Gasach) durch Armenien angeordnet, insgesamt rund 9000
Quadratkilometer, deren Bevolkerung im W esentlichen aus
Aserbaidschanem bestand. Infolge der Ubertragung von Sangesur
wurde der Kreis Nachitschewan vom restlichen Aserbaidschan
abgeschnitten. In gleicher Weise verfugte die bolschewistische
Herrschaft 1922 iiber das Land von Dilischan und Gojca (ScharurDaralegeskie Gebiete).
Als Kompromisslosung wurde die Schaffung einer autonomen
Verwaltungseinheit innerhalb Sowjet-Aserbaidschans vorgeschlagen.
Von der hochsten regionalen Autoritat der ortlichen Kommunisten,
Einwohnem. Wichtige Zollstation im Handel mit Persien. Im Altertum war
Dschulfa eine bedeutende Stadt mit mehr als 50.000 Einwohnern. Gegen
Ende des 19. Jahrhunderts waren hier noch die Reste eines riesigen Friedhofes
mit unzahligen Grabdenkmalem sichtbar, die mit Basreliefs und Arabesken
bedeckt waren, sowie die Uberreste von Pfeilem von Briicken iiber den
Araxes (Aras). A u f eine dieser Briicken bezieht sich moglicherweise der Vers
Vergils: „pontem indignatus Araxes“. 1603 wurde Dschulfa vom Safawidischen Schah Abbas verwtistet und zerstort, und alle Einwohner (iiber
50.000) wurden nach Persien weggefiihrt und bei Isfahan angesiedelt, wo sie
den Ort Neu-Dschulfa (Nor-Dschuga) griindeten.
Vgl.: Mamedova Farida: Ursachen und Folgen des Karabach-Problems. Eine
historische Untersuchung. In: Krisenherd Kaukasus. Hrsg. Uwe Halbach,
Andreas Koppeler. I. Aufl. Baden-Baden 1995, Nomos Verlag Gesellschaft,
S. 125-126.
206
dem Kaukasischen Btiro, wurde am 5. Juli 1921 diese Autonomie
beschlossen. Unter Beriicksichtigung der „Notwendigkeit der Wirtschaftsverbindungen zwischen Berg-Karabach und der Ebene
Karabachs und seiner standigen Verbindung zu Aserbaidschan
verbleibt Berg-Karabach, nachdem es breite regionale Autonomie
erhalten hat, mit der Stadt Schuscha als Verwaltungszentrum inner­
halb der autonomen Region, in den Grenzen der Aserbaidschanischen
Sozialistischen Sowjetrepublik."334 Im Protokoll dieser Sitzung des
Kaukasischen Buros war festgehalten, dass sieben M itglieder fur den
Beschluss stimmten und drei sich der Stimme enthielten. Gegen335
stimmen gab es nicht.
Am 7. Juli wurde per Dekret des aserbaidschanischen Exekutivkomitees der Sowjets aus dem Bergteil von Karabach, der friiher zum
Gouvemement Elisawetpol gehort hatte, der Nagom o-Karabachskaja
Awtonomnaja Oblast (NKAO, Autonomes Gebiet Berg-Karabach)
innerhalb der Aserbaidschanischen Sozialistischen Sowjetrepublik
geschaffen. Die neue Verwaltungseinheit umfasste eine Flache von
4400 Quadratkilometem oder 5,1% des Territoriums der
Aserbaidschanischen SSR. Hauptstadt der Autonomie wurde die Stadt
Chankendi336, danach (im Septem ber 1923) umbenannt in Stepanakert
nach dem armenischen Bolschewiken Stepan Schaumjan. Nach dem
territorialen Aufbau 1921 kamen zu Berg-Karabach auch die
abgetrennten Gebiete des Schaumanowskij und des Latschinskij
Rayons der Aserbaidschanischen SSR. Gerade dazu wurde den
Parteiorganen ein schriftliches Gesuch der Arm enier von BergKarabach iibermittelt m it der Bitte, sie innerhalb der Republik
Aserbaidschan zu belassen.
334A us dem Sitzungsprotokoll des Plenums des ZK der KPdSU (B) vom 4. Juli
1921 iiber die Uberweisung der Frage zu Berg-Karabach zur endgultigen
Entscheidung an das ZK der KPdSU. Zentrales Parteiarchiv beim ZK der
K PdSU, f. 8, op. 18, d. 58, Bl. 18. Veroffentlicht in der Zeitschrift „Westnik
archiwow Armenii" (Bote der Archive Armeniens, 1989, Nr 2, Dok. Nr. 14,
77- 78. Vgl.: auch das o.g. Werk von Mamedowa, F. S.92.
335V gl.: Balaew A. Karabach ot perioda nesawisimosti AChK sowjetskoj awtonom ii (Karabach von der Periode der Unabhangigkeit der DRA bis zur
sow jetisch en Autonomie.) In: IRS, Moskau 2-3 (14-15), 2005, S. 62.
136Chankendi in aserbaidschanischer Sprache heisst „Dorf des Konigs": Chan
bedeutet Khan oder Konig; kend bedeutet Dorf, Ortschaft.
207
Die Hauptmotivation w ar die wirtschaftliche Zw eckm aB igkeit und
faktische wirtschaftliche Lage der Armenier von B erg-K arabach, die
sehr viel besser war als die des benachbarten A rm enien.337 Was
Armenien betrifft, so wurde es nach den Ideen der S c h o p fer der
kommunistischen Nationalpolitik dennoch „nirgends entstehen
konnen“, da es sich unter standiger Bedrohung seiten s der
benachbarten Tiirkei befand, mit der Stalin - insbesondere zw ecks
Umsetzung seiner Nationalitatenpolitik - zielstrebig gute B eziehungen
aufbaute. Der in der Sowjetzeit legendare Armeeftihrer der „R oten
Reiterarmee" S. Budjonnyj schrieb spater in seinen M em oiren, der
Befehl Stalins zur Uberlassung von Batumi an die Tiirken sei ihm
unverstandlich gewesen und er habe, sich offensichtlich den U nw illen
Stalins zuziehend, die Stadt entgegen diesem Befehl eingenom m en.
Aber die Batumi-Direktive fiigt sich logisch in das G esam tsystem der
Politik Stalins zur Starkung der Sowjetmacht ein. Mit dem V erzicht
au f Batumi wollte er offenbar einerseits die Biindnisbeziehungen zu
Kemal Atatiirk noch weiter festigen und andererseits sow ohl die
Georgier als auch die Arm enier mit der tiirkischen B edrohung
einschuchtem, vor der nur die Sowjetmacht und der Anschluss an die
zukiinftige Sowjetunion retten konnte.338
Im Gemeinschaftswerk arm enischer Autoren „Armenien. Neuentdeckung einer alten Kulturlandschaft, Berlin 1995“ heiBt es
bezuglich der Schaffung des Autonomen Gebietes Berg-K arabach
innerhalb der Aserbaidschanischen SSR: „Paradoxerweise gehort der
Bei den Beschliissen des Kawbiiro iiber Berg-Karabach wurden die Kriterien
der „Gerechtigkeit11 und des „Volkerrechts" uberhaupt nicht beriicksichtigt.
Es dominierten Uberlegungen der kommunistischen politischen ZweckmaBig­
keit. So konnen auch die hier angefiihrten Verweise auf Beschlusse der
kommunistischen sowjetischen Organisationen wenig zum Verstandnis des
Wesens des Geschehenen beitragen. Innerhalb der sowjetischen Nationalpoli­
tik wurde Berg-Karabach von den sowjetischen Fiihrem hochstwahrscheinlich
als ungewohnliche Zahlung an Aserbaidschan far Loyalitat im Rahmen der
UdSSR gesehen. Jedoch auch der Brief der Armenier von Berg-Karabach hat
33gden Beschluss zugunsten von Aserbaidschan zw eifellos beeinflusst.
Vgl.: Prjachin W. „Tschjornyj sad“ meschdunorodnogo soobschtschestwa:
konflikt w Nagomom Karabache i problemy globalnogo miroustrojstwa posle
„cholodnoj
wojny“ („Der
schwarze
Garten“ der intemationalen
Gemeinschaft: der Konflik in Berg-Karabach und Probleme der globalen
Weltordnung nach dem Kalten Krieg) In: Zentralnaja Asija i Kawkas
(Zentralasien und der Kaukasus) N 6, 2002, S. 19.
208
Kern der alten Provinz Arzach, die sich als das erste der armenischen
Territorien an Russland anschloss, nicht zur Republik Armenien.
I nter dem Namen Berg-Karabach wurde dieses mit dem illusorischen
Status einer Autonomen Region im Osten des Transkaukasus an die
geschaffene Aserbaidschanische SSR angegliedert - getrennt von
Armenien durch einen Korridor, dessen Breite im Latschinskij Rayon
nicht mehr als fiinf Kilometer betragt“ .339 Diese ,,Beschreibung“ der
Geschichte kann nur auBerstes Erstaunen hervorrufen. Daraus geht
hervor, dass angeblich das Khanat Karabach 1806 iiberhaupt nicht an
Russland anschlossen wurde und der Khan von Karabach Ibrahim
1805 uberhaupt nicht das Traktat (Abkommen) iiber den Anschluss
unterzeichnete. Dieses Erstaunen m uss auch den Beigeschmack des
Unverstandnisses haben: das zitierte Werk hat, wie schon bemerkt,
einen halboffiziellen Status, da es als Vorwort GruBbotschaften der
damaligen Prasidenten Arm eniens und Deutschlands enthalt.
Am 13. Oktober 1921 wird in Kars unter Beteiligung der RSFSR
der Freundschaftsvertrag zwischen der Armenischen SSR, der
Aserbaidschanischen SSR und der Georgischen SSR einerseits und
der Tiirkei andererseits geschlossen. In Artikel 5 des Vertrages
driicken die Regierungen der Tiirkei, Armeniens und Aserbaidschans
ihre Zustimmung dazu aus, „dass das Gebiet Nachitschewan... ein
autonomes Territorium unter dem Schutz von Aserbaidschan
bildet.“34<)
Nach einem Jahr und zwei M onaten, am 13. Dezember 1922,
wurde die Transkaukasische Sozialistische Foderative Sowjetrepublik
gegriindet und ihre Verfassung angenommen.34' Im Zusammenhang
j39Armenien. Wiederentdeckung einer alten Kulturlandschaft. Berlin 1995, S.
17.
340V gl.: Vertrag uber die Freundschaft zwischen der Armenischen SSR, der
Aserbaidschanischen SSR und der Georgischen SSR einerseits und der Tiirkei
andererseits, der unter Beteiligung der RSFSR am 13. Oktober 1921 in Kars
gesch lossen wurde. In: Dokumenty wneschnej politiki SSSR (Dokumente der
AuBenpolitik der UdSSR). Moskau, Gospolitisdat 1960, Band IV, S. 423,
A rtikel 5. 1929 wurden einige Dorfer von Nachitschewan abgetrennt und der
A rm enischen SSR angegliedert. Vgl.: Mamedowa F. Istina о Karabachskoj
problem e (D ie Wahrheit iiber das Problem Karabach)... S.33.
341 V gl.: Verfassung (Grundgesetz) der Transkaukasischen Sozialistischen
Foderativen Sowjetrepublik (SSFSR ), 13. Dezember 1922. In: Sjesdy
S o w jeto w Sozialistitscheskich Respublik. Sbomik dokumentow. 1917-1922
gg.
(D ie
Kongresse der Sowjets der Sozialistischen Republiken.
209
damit bestatigte der Transkaukasische Sowjet-Kongress in seinem
Beschluss die administrative Teilung der M itgliedsrepubliken der
Foderation, die am Datum der Griindung der SSFSR g e g e b e n war,
noch einmal.342
Es ist noch einmal zu betonen, dass Armenien und A serbaidschan
den Vertrag von Kars als unabhangige Republiken unterzeichneten. In
dieser Eigenschaft nahmen sie den Beschluss zur S c h affu n g der
SSFSR und ihrer Verfassung. W eder der Vertrag von K ars n o c h die
Verfassung der SSFSR enthielten irgendwelche H inw eise auf
Veranderungen beziiglich des Bergteils von Karabach, da seine Lage
innerhalb Aserbaidschans offiziell von alien Seiten anerkannt w urde,
darunter auch von der Armenischen SSR.
Von 1923 bis zum Niedergang der Sowjetunion nutzte BergKarabach erfolgreich seinen autonomen Status innerhalb der
Aserbaidschanischen SSR. A u f der Grundlage dieses autonom en
Status bewahrten und entwickelten die Karabach-A rm enier ihre
Kultur, Sprache, Literatur und Lokalverwaltung. Die arm enischen
Deputierten aus Berg-Karabach waren im Obersten Sow jet von
Aserbaidschan vertreten, einer der Stellvertreter des V orsitzenden des
Obersten Sowjets war immer von Berg-Karabach abgeordnet.
Erneut stand die Karabach-Frage in den ersten Jahren nach dem 2.
W eltkrieg wieder im Raum. Im November 1945 brachte der Sekretar
des ZK Armeniens A. Arutjunow beim ZK der KPdSU (B) einen
Antrag iiber die Eingliedemng des NKAO in die Armenische SSR ein.
In einem personlichen B rief an J. Stalin schrieb er: „Das Autonom e
Gebiet Berg-Karabach, das zum Gebiet von Armenien gehort, ist seit
1923 Teil der Aserbaidschanischen SSR. Die Bevolkerung dieses
Gebietes sind im Wesentlichen Armenier. Von 153.000 M enschen
sind 137.000 Armenier". W eiter bat er um Untersuchung der Frage
der Ubertragung des NKAO an Armenien. Nach Eingang des
Schreibens sandte der Sekretar des ZK der KPdSU (B) G. M alenkow
auf Anordnung Stalins dem Ersten Sekretar des ZK der KPdSU (B)
Dokumentensammlung 1917-1919) Moskau, Gosudarstwennoe Isdatelstwo
Juriditscheskoj Literatury 1960, Band 2, S. 483-491.
Vgl.: Beschluss im Zusammenhang mit der Annahme der Verfassung der
SSFSR, 13. Dezember 1922. In: Sjesdy Sowjetow Sozialistitscheskich
Respublik. Sbomik dokumentow. 1917-1922 gody (Kongresse der Sowjets
der Sozialistischen Republiken. Dokumenten-sammlung. 1917-1922), Band 2,
S. 482.
21 0
von Aserbaidschan K. Bagirow eine Anfrage mit der Bitte um
Stellungnahme. In der Antwort stimmte K. Bagirow der Eingliedemng
des NKAO in die Armenische SSR zu unter der Bedingung, dass
Armenien drei an Aserbaidschan angrenzende Rayons an Aser­
baidschan abtreten solle. W eiter gediehen die Verhandlungen jedoch
nicht: Armenien war keineswegs willens, einen Teil seines Territoriums abzutreten, obwohl es Anspriiche au f einen Teil der Gebiete des
Nachbarstaates anmeldete.343
Aufgrund des Beschlusses des M inisterrats der UdSSR vom 23.
Dezember 1947 und 10. Marz 1948 nahm Moskau, au f Einwirkung
der armenischen Lobby innerhalb der damaligen Staats- und
Parteispitze, den Beschluss, rund 150.000 Aserbaidschaner, die in
verschiedenen Rayons von Armenien lebten, nach Aserbaidschan
umzusiedeln. Der neue W ohnort der Umsiedler sollte die Muganer
Steppe werden, die in klim atischer und in produktionsstruktureller
Hinsicht ein nicht sehr attraktiver Wohnort war. Es wurde auch ein
Umsiedlungsplan fur Aserbaidschaner geschaffen: 60.000 im Jahre
1947, 40.000 im Jahre 1948 und 50.000 im Jahre 1950.
Als Grundlage fur diesen Schritt dienten Moskau offiziell fehlende
Siedlungsorte fur den Zustrom von Armeniern aus dem Ausland. Der
Zustrom der Armenier erwies sich jedoch als wesentlich niedriger als
erwartet, und es kamen nur 50.000 neue armenische Burger. Das
Resultat w ar die simple ,,Entfem ung“ von 150.000 Aserbaidschanern
aus Armenien ohne irgendeine durch ,,Produktion“ oder ,,Gebiet“
bedingte Notwendigkeit.344
343Vgl.: A liew , Igrar. Nagomyj Karabach: Istorija. Fakty. Sobytija. (BergKarabach: Geschichte. Fakten. Ereignisse). Baku, Elm 1989, S. S. 88-89.
,44Beschluss des Ministerrats der UdSSR Nr. 4083 vom 23. Dezember 1947 ,,0
pereselenii kolchosnikow i drugogo aserbajdschanskogo naselenija is
Armjanskoj SSR w Kura-Arachinskuju nismennost Aserbajdschanskoj SSR“.
(U ber die Umsiedlung der Kolchosniki und der anderen aserbaidschanischen
Bevolkerung aus der Armenischen SSR in die Kura-Araxes-Niederung der
Aserbaidschanischen SSR) Vgl.: Archiv ZSI MID AR; Beschluss des
M inisterrats der UdSSR Nr. 754 vom 10. Marz 1948 „О merach po
pereseleniju kolchosnikow i drugogo aserbajdschanskogo naselenija is
Arm janskoj SSR w Kura-Arachinskuyu nismennost Aserbajdschanskoj SSR(U b er MaBnahmen zur Umsiedlung der Kolchosniki und der anderen
aserbaidschanischen Bevolkerung aus der Armenischen SSR in die KuraA raxes-N iederung der Aserbaidschanischen SSR). Archiv ZSI MID AR;
Schreiben des Standigen Vertreters von Aserbaidschan bei der Genfer UNO211
Aber auch der entgegengesetzte Prozess w ar zu beobachten. In
Sowjetzeiten zogen immer mehr Armenier in die GroBstadte von
Aserbaidschan. In der Hauptstadt Baku beispielsweise betrug in der
Zeit des Niedergangs der UdSSR die armenische Bevolkerung der
Hauptstadt von Aserbaidschan rund 200.000 M enschen, d.h. rund 13%
der Gesamteinwohner der Stadt (1,7 Millionen m it V ororten in 1991),
deren Sprache uberwiegend russisch war. In der A ra nach
Chruschtschow wurde von armenischer Seite der jahrzehntelange
Status von Berg-Karabach allmahlich offen in Frage gestellt. Am 24.
April 1965 gingen in Erewan Zehntausende Arm enier mit der
Forderung nach Riickgabe des armenischen „Territorium s" an die
Republik au f die StraBe.345 1969 erweiterte die arm enische SSR in den
Rayons Kasachskij und Sadaraskij ihr Territorium zu Lasten
aserbaidschanischen Landes.
Eine andere Form des Protests waren die arm enischen Petitionen
an Moskau um Ubertragung des Autonomen Gebiets Berg-Karabach
an die Armenische SSR. 1966 wurde in der Hauptstadt der UdSSR ein
von 45.000 Biirgem unterzeichneter A ufruf vorgelegt, der zur
Ubertragung von Berg-Karabach an Armenien aufforderte. Ein
Offener B rief ahnlichen Inhalts, unterzeichnet von Zehntausenden von
Biirgem, wurde an den 27. Kongress der KPdSU gesandt. Die
Antworten aus Moskau waren stets negativ, aber diese Aktionen
bereiteten der Besetzung von Gebieten der Republik Aserbaidschan
durch Armenien den Boden.
Abteilung vom 26. Mai 1998 an das Sekretariat der UNO-Unterkommission
fur Diskriminierungsverhiitung und Minderheitenschutz. Anhang: „Infermazija о m assowych deportazii Aserbajdschanzew so sw oich istoritscheskich
i etnitscheskich semel na territorii Armjanskoj SSR 1948-1953 gg“
(Information iiber die Massendeportation von Aserbaidschanem aus ihrem
historischen und ethnischen Land in das Gebiet der Armenischen SSR von
1948-1953) UN-Dokument E/CN/Sub.2/1998/27; Schreiben des Standigen
Vertreters von Aserbaidschan bei der Genfer UNO-Abteilung vom 26. Mai
1998 an den Sekretar der UNO-Unterkommission fur Diskriminierungsverhiitung und Minderheitenschutz. Anhang: Erlass des Prasidenten der
Republik Aserbaidschan „Uber den Genozid der Aserbajdschaner" vom 26.
Marz 1998. UN-Dokument E/CN. 4/Sub. 2/1998/ 26.
545Der Terminus „Territorium41 bezog sich sowohl auf die ostlichen Provinzen
der Tiirkei als auch auf Berg-Karabach und Nachitschewan. Vgl.: Nahaylo B.
Svoboda V. Soviet Disunion- A History o f the Nationality problem in the
USSR. N ew York 1990, p. 147-148.
212
14. Die Verscharfung des Konfliktes um Berg-Kara­
bach wahrend der „Perestrojka44 und des Nieder­
gangs der UdSSR
„ Wenn die Elite die Kontrolle iiber die Ereignisse
verliert, wirkt das Gesetz der unerwarteten Folgen.
Die Folgen einer solchen Spaltung vorauszusagen ist
nicht moglich. A ber eine Regel gilt fa s t ohne A us­
nahme: die gespaltene nationale Elite spaltet auch
das Land. Es ist eine Frage der Zeit. “
Chusainow Ural
Auch nach dem Plenum der ZK der KPdSU im April (1985) und
der Perestrojka und dem Demokratisierungsprozess begann die
armenische Bevolkerung von Karabach ihren W unsch nach
Wiedervereinigung des NKAO m it den zu ihm gehorenden Rayons
mit prozentual groBer arm enischer Bevolkerung mit Armenien
auszudriicken. Die Falle der Verletzung der Rechte der armenischen
Bevolkerung in Aserbaidschan und der aserbaidschanischen in
Armenien wurden im Beschluss des ZK der KPdSU und des
Ministerrats der UdSSR „О merach po uskoreniju sozial-ekonomitscheskogo raswitija Nagomo-Karabachskoj awtonomnoj oblasti
Aserbajdschanskoj SSR 1988-1995 godach“ (Uber MaBnahmen zur
Beschleunigung der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung des
Autonomen Gebiets Berg-Karabach der Aserbaidschanischen SSR
1988-1995) vom 24. Marz 1988 dokumentiert und veroffentlicht.
Jedoch fiihrten Glasnost und Perestrojka, vom Sowjetischen
Parteichef M. Gorbatschow proklamiert, nicht nur zu vielem Neuen
und Positiven, sondern gaben auch einen neuen AnstoB zum
Wiedererwachen des Separatismus in diversen Teilen des Sowjetreiches. Das W ort, das beim Startschuss fur unablassige Aktionen des
Karabacher Separatism us eine Rolle spielte, wurde in Paris auf dem
ordentlichen Arm enischen Nationalkongress 1987 gesprochen. Den
Beschluss zu den in der UdSSR beginnenden demokratischen
Umformungen bezuglich der Befriedigung der „legalen Forderungen
des arm enischen Volkes“ iiber die „W iedervereinigung14 des NKAO
mit Arm enien zu nutzen, fand bei der iiberwaltigenden Mehrzahl der
Armenier breite Unterstutzung.
213
In dieser Sache trifft sich in Paris der damalige W irtsc h a ftsb e ra ter
Gorbatschows, Abel Aganbegjan, m it Vertretern der seh r e in flu ss reichen armenischen Diaspora in Frankreich, wonach er fra n z o sisc h e n
Zeitungen ein Interview gibt, in dem er erklart, dass er „froh w a r e zu
wissen, dass Karabach, das im Nordosten der Republik g e le g e n ist,
armenisch wurde. Als Okonom glaube ich, das es mehr m it A rm e n ie n
verbunden ist als mit Aserbaidschan. “346
Gleichzeitig erscheinen in der armenischen und der so w je tisch e n
Presse nacheinander Artikel, in denen der Gedanke ausgedrtickt w ird ,
dass die Aserbaidschaner ein Volk sind, das im T ran sk au k asu s
zugezogen ist, keine historischen W urzeln und keine eigene K u ltu r
hat, sondem das gesamte jetzige Territorium Aserbaidschans sic h als
angestammtes armenisches Gebiet erwiesen hat. Das groBte A usm afi
erreichte diese antiaserbaidschanische Kampagne nach der V ero ffen tlichung der Gedichte von Silwa Kaputikjan347 in der Z e itsc h rift
„Druschba narodow“ (Freundschaft der Volker) (!), in denen die L e se r
aufgerufen werden, den W eg des „beriihmten Andronik“ fortzusetzen
und mit „Flinte und Leichentuch“ durch die aserbaidschanischen
Siedlungen zu gehen.
Bald danach erscheint die russische M assenauflage des b ereits in
armenischer Sprache in mehreren Auflagen gedruckten B uches von
Zorij Balajan ,,Otschag“ (Herd, Heim). In diesem Buch wird K arabach
insgesamt zum ,,Herd“ der armenischen Nation erklart. Das steht im
volligen Widerspruch zu alien historischen Urkunden. Im gleichen
Buch klagt der Autor, die Aserbaidschaner wurden sich zu schnell
,,vermehren“ und schlagt GegenmaBnahmen vor.
Aserbaidschanische Historiker, Publizisten und Politiker konnten
zu dieser absurden These und den Aufrufen an ihre arm enischen
346Azerbaijan in the new Millennium, Baku 2001, Teil “Armjano-aserbajdschanskij konflikt wokrug N agom ogo Karabacha" (Der armenisch-aserbaidschanische Konflikt um Berg-Karabach), S. 282-283. Moglicherweise wusste das
Mitglied der Akademie der Wissenschaften Aganbegjan nicht, dass sich BergKarabach auf aserbaidschanischem Territorium befindet?!
347Kaputikjan Silwa Barunakowna (1919-2006), armenische Dichterin. Sie hat
die Staatspramie (Gosudarstwennaja premija) der UdSSR erhalten (1952). In
ihren Werken „Tschasy oschidanija“ (Stunden der Erwartung) (1983).
„Trewoschnyj den“ (Ein aufregender Tag) (1985), „Idjot sima“ (Winter)
(1997) wird die Schonheit Armeniens besungen und werden die tragischen
Seiten der Geschichte der Armenier beschrieben.
214
,,Kollegen“ naffirlich nicht schweigen. A u f die historische Chronik
zuriickgreifend fuhrten sie urkundliche Belege daffir an, dass allein im
19. Jahrhundert mit Unterstiitzung Moskaus iiber 400.000 Armenier
aus dem Iran und der Tiirkei auf aserbaidschanisches Gebiet
umgesiedelt wurden; danach gelangte aserbaidschanisches Land in
sehr grofiem MaBstab auf legale und illegale W eise in die Hande der
Armenier. Auf dieser Grundlage entsteht unvermeidlich eine
Konfliktsituation. Aserbaidschanische Experten erinnern an viele
Fakten und die langen Jahre, die von den sowjetischen Historikern
verschwiegen wurden. Das sind die Ereignisse von 1905-1907 und
1918-1920, die Marz-Pogrome in aserbaidschanischen Dorfern und
der Tod unschuldiger M enschen, die zielgerichtete Anderung der
historischen aserbaidschanischen Toponyme, die groBangelegte
Geschichtsfalschung. Die Historiker bezogen sich auch auf das
Altertum und auf die jiingste Vergangenheit der siebziger Jahre, als
die Armenier von Karabach lautstark den 150. Jahrestag ihrer
Umsiedlung aus dem Kadscharenstaat nach Aserbaidschan begingen.
1987-1988 fuhrte das Politbtiro des ZK der KPdSU voriibergehend
ein Moratorium iiber die Them atik Karabach in den Massenmedien
ein, in dem Glauben, dass man den Volkern Zeit zum Abkiihlen geben
miisse. Und wahrend Demonstrationen stattfanden und die Leidenschaften aufwallten, berichteten die Zeitungen uber Baumwollernte
und Traubenlese. Genau in diesen Jahren erfolgte jedoch die
Massendeportation von Aserbaidschanem aus Armenien - und die
zentrale Presse breitete dariiber den Mantel des Schweigens.
Ab Ende 1987 begann parallel zum offenen Anmelden der territorialen Anspriiche der Armenier a u f Berg-Karabach die planmaBige
V ertreibung der Aserbaidschaner aus der Armenischen SSR. In
Erew an, Kafan, Masis, Gugarka, Dilischan, Sisian, Kirowakan und
anderen Ortschaften Armeniens waren die Aserbaidschaner Gewalt
und Terror unterworfen, wodurch es 220 Tote und 1154 Verletzte gab.
N ach Aserbaidschan begannen Fluchtlinge aus Armenien zu kommen,
deren Zahl insgesamt au f 243.682 anstieg.348 Besonders schwere
P ogrom e m it Morden und Brandstiftung geschahen in den Siedlungen
G ugarka, M asis und Sisian, in denen Dutzende von Aserbaidschanem
g e to te t und Hunderte von H ausem gepltindert und zerstort wurden. In
348V g l.: The Statistical Information about Refugees and Internally Displaced
P erson s in Azerbaijan. Baku 2000, p. 2.
215
Masis und Gugarka kamen ganze Familien in den Flammen ihrer
Hauser oder selbst in den Moscheen um .349
Die Vertreibungen begannen in Dorfern, die recht weit von Erewan
entfemt waren. Das Prinzip ihrer Deportation war hochst einfach: man
gab den Menschen einige Stunden zum Packen und Verlassen ihres
Heims. Im Falle der Weigerung begann eine Bestrafungsaktion, nicht
selten mit todlichem Ausgang fur die nicht Gehorsamen. Die Pogrome
waren von Gewalt, Schlagen und Morden begleitet. 1987 kamen
Tausende von Aserbaidschanem ums Leben. Daruber berichtete die
Weltpresse nicht, und die Sowjetpresse schwieg dazu. Gegen Ende
Februar 1988 suchten die unglucklichen Massen der Aserbaidschaner
Schutz in Baku. Um die Tatsache der Siedlung von Aserbaidschanem
in Armenien ganz aus der Geschichte zu streichen, wurden in ihren
Gebieten rund 2.000 Siedlungen, die fruher aserbaidschanische
Namen hatten, in armenische um benannt.350
Dieser Strom und die bedriickenden Erzahlungen mussten
geradezu eine antiarmenische Stimmung hervorrufen und die Lage
destabilisieren. Die schrecklichen Ereignisse in Sumgait (Naheres
daruber unten), die sich ereigneten, nachdem sich am 20. Februar
1988 die Tagungsperiode des Sowjets der Volksdeputierten des
NKAO mit der Bitte an den Obersten Sowjet der UdSSR wandte, das
NKAO in die Armenische SSR aufzunehmen (die aserbaidscha­
nischen Deputierten waren dagegen), bestatigten die dunklen Vorahnungen. Im gleichen Jahr wurden im November-Dezember an der
armenischen Bevolkerung in Gjandscha und im Januar 1990 auch in
Baku Gewalttaten veriibt. Auch Aserbaidschaner Helen im Laufe von
1988 und Anfang 1989 in einer ganzen Reihe von Rayons in
Armenien (Masis, Eriwan, Vardenis usw.) Gewalttaten zum Opfer.
Die Fliichtlingsstrome aus den ehemaligen ,,Bruder“-Republiken
wurden groBer.
GroBe Hoffnungen wurden man in das zur Losung vom Presidium
des Obersten Sowjets der UdSSR vom Januar 1989 geschaffene
349A.a.O. und Quelle aus den folgenden Hinweisen - Schreiben des Standigen
Vertreters der AR.
Vgl.: Schreiben des Standigen Vertreters von Aserbaidschan bei der Genfer
UNO-Abteilung vom 9. April 1997 an den Sekretar der UNO-Menschenrechtskommission. Anhang: „Informationen uber grobe Menschenrechtsverletzungen, die wahrend des Angriffs der Republik Armenien gegen die
Republik Aserbaidschan erfolgten“. UNO-Dokument E/CN.4/1997/139.
216
Spezielle Leitungskomitee des NKAO gesetzt. Ziele seiner Tatigkeit
waren eine etappenweise Kompromisslosung des Problems; die
direkte Unterstellung des Gebietes an das Zentrum war unter den
damaligen Bedingungen nicht durchftihrbar. Der erforderlichen
Vollmachten und Ressourcen beraubt, konnte das Komitee die
Situation nicht beliebig verandem. Die nachste W indung in der
Spirale der Eskalation im NKAO begann mit der Verhangung des
Ausnahmezustands mit dem Erlass des Obersten Sowjets der UdSSR
vom 15. Januar 1991 im Autonomen Gebiet. Ziele des Erlasses: die
Neutralisierung und Entwaffnung der illegalen, hauptsachlich
armenischen bewaffneten Gruppen, die strenge Kontrolle des
Passwesens in der Autonomie, die W iederherstellung der gesetzlichen
Ordnung nach dem Grundgesetz auf ihrem Territorium.
Der Autonomie-Status von Berg-Karabach wurde im November
1991 vom Obersten Sowjet der Aserbaidschanischen SSR kurz vor
dem Niedergang der UdSSR abgeschafft. Dieser Schritt des aser­
baidschanischen Parlamentes war eine Reaktion au f die Unabhangigkeitserklarung von Berg-Karabach und seine Abspaltung von
Aserbaidschan. Davor hatte niemand em sthaft die Richtigkeit,
Gerechtigkeit und Legalitat des Autonomie-Status von Berg-Karabach
in Zweifel gezogen, obwohl diverse, nicht aufhorende Provokationen
armenischer nationalistischer Gruppen Ende der 80er und Beginn der
90er Jahre einen solchen Zweifel hatten aufkommen lassen konnen.
Ende Februar 1988 trugen sich in Sumgait, einer bis dahin
bliihenden aserbaidschanischen Stadt, tragische Ereignisse zu und
wurde Gewalt angewandt.351 Dabei kamen uber dreiBig Menschen,
MIn Sumgait begann alles mit einer Demonstration auf dem Zentralen Platz der
Stadt, w o Redner voller Zorn von den beispiellosen Beschliissen zur “Wiedervereinigung" sprachen, die vom Obkom von NKAO getroffen wurden und
vom ZK von Armenien unterstiitzt wurden, tiber das Schweigen Moskaus,
von Randalen und Pliinderungen in den aserbaidschanischen Dorfern
Arm eniens. Und hier springt im Zentrum der Menge eine Frau hervor und ruft
ihren Landsleuten flehentlich zu: „Wo ist eure Ehre, wo ist eure Ehre!“.
Danach bewegte sich die Menge in zw ei Stromen durch die StraBen der Stadt.
Einer dieser Strome fuhrte ein gewisser Eduard Grigorjan, ein in Sumgait
geborener Armenier an, der wahrend dieser Ereignisse personlich fiinf
Arm enier totete und der sich alien Aserbaidschanem unter dem Namen
Pascha vorstellte. A uf das Gewissen dieser Gruppe gehen 28 Morde. Die
M itglieder der anderen Gruppe befassten sich hauptsachlich mit Pliinderung en . In Sum gait starben insgesamt 38 Menschen, darunter 32 Armenier. Den
217
m eist Armenier, zu Tode. Vieles im antiarm enischen Ereignis in
Sumgait konnte bis dato nicht vollstandig aufgeklart w e rd e n . Viele
Fragen bleiben bis jetzt offen: Weshalb verlieBen wohlhabende
armenische Untergrunduntemehmer fur einige Tage d ie Stadt und
zogen armenische Kameraleute ein? Warum hoben z a h lre ic h e wohl­
habende armenische Familien vor dieser Unruhe ihre E rsp am isse in
den Banken ab? Woher hatten die Anstifter dieser U n ru h e n die
genauen Adressen der Hauser und Wohnungen, in d e n e n Armenier
wohnten, die den Komitees ,,Karabach“ und ,,K runk“ 352 keine
moralische und materielle Unterstutzung gaben?
Und schon Anfang M arz 1988 zeigten armenische Kameraleute
schreckliche Bilder der Sumgaiter Tragodie: „Jetzt - so w ar die
Stimme des Sprechers zu vemehmen - konnen Sie sich s e lb s t davon
uberzeugen, dass das armenische Volk mit den Aserbaidschanem
nicht in einem Staatsgebilde leben kann (Unterstreichung v o n m ir - J.
R.), dass die einzige Losung fur das K arabach-P roblem die
Angliederung des NKAO an Armenien ist...“353
Eine andere Beschreibung der Februar-Ereignisse v o n 1988 gab
das Mitglied der Akademie der W issenschaften Andrej Dm itriewitsch
Sacharow in seinem Schreiben an den Prasidenten der U d S S R M.
Gorbatschow.354
Das Interesse einiger „dritter Krafte“ am BlutvergieBen in Sumgait
und danach in anderen aserbaidschanischen Stadten w u rd e faktisch
selbst vom Verteidigungsminister der Republik Armenien S. Sarkisjan
gesamten ZusammenstoB sehen viele Beobachter auch a ls kolossale
Provokation, deren Anstifter bis heute nicht identifiziert werden konnten und
die nicht zur Verantwortung gezogen worden sind.
Die gesellschaftliche Organisation „Krunk11 wurde mit H andreichung von
„Daschnakzutjun11 auch in Abchasien gegriindet. A u f Initiative v o n „Krunk*'
wurde in Abchasien ein „Armenisches Batallion namens M arschall Bagramjan“ gegriindet. Dieses Batallion kampfte in Abchasien gegen die georgischen
Truppen und zeichnete sich nach Bestatigung der Generalstaatsanwaltschaft
in Georgien durch besondere Harte gegeniiber den Georgiern aus. Der
armenisch-abchasische (in Abchasien sind 15% der Bevolkerung Armenier)
Widerstand gegen Georgien horte auch in den Folgejahren nicht auf: von den
sieben Sabotageagenten, die beim Spezialeinsatz des lnnenministeriums
M W D Georgiens am 20. September 2007 in Abchasien verhaftet wurden,
waren drei armenischer Nationalitat. Vgl.: „Georgian Times11, 2 7 .9 .2 0 0 7 p 3353Vgl.: Azerbaijan in the new Millennium, Baku 2001, S. 285.
354Vgl.: „Obschtschaja gaseta11, 26.2.1998, S. 6.
218
in seinem Vortrag auf der am 29.-30. Marz 2005 stattfmdenden
parlamentarischen Anhorung zum Problem von Berg-Karabach
bestatigt.355
Gegen Ende 1989 verblieb auf dem Territorium von Armenien
kein einziger Aserbaidschaner. Insgesamt starben in der Zeit der
ethnischen Sauberungen Armeniens von 1987 bis 1989 314 Aser­
baidschaner.356
Am 20. Febmar 1988 richtete, wie bereits erwahnt, der
Gebietssowjet von Berg-Karabach ein offizielles Ansuchen an die
Obersten Sowjets Aserbaidschans, Armeniens und der UdSSR um
Transfer des Autonomen Gebiets von der Aserbaidschanischen SSR
zur Armenischen SSR. Die Deputierten des Obersten Sowjets der
.Armenischen SSR stimmten fur die Unterstutzung dieses Ansuchens.
Die Obersten Sowjets der Aserbaidschanischen SSR und der UdSSR
lehnten dieses Ansuchen im Juni bzw. Juli 1988 ab.
Am 12. Juli 1988 erklarte die armenische M ehrheit im Gebietssow­
jet von Berg-Karabach - in Abwesenheit der aserbaidschanischen
Deputierten - den Austritt des Autonomen Gebiets Berg-Karabach aus
der Aserbaidschanischen SSR. Dieser Schritt der armenischen Depu­
tierten von Karabach war au f der Sitzung des Obersten Sowjets der
UdSSR im Juli 1988 besprochen worden. GemaB Artikel 78 der
Verfassung der UdSSR (siehe Anhang), nach dem die administrativen
Grenzen einer Unionsrepublik nicht ohne deren Zustimmung und
Entscheidung geandert werden konnen, gilt der vom Gebietssowjet
von Berg-Karabach gefasste Beschluss als gesetzwidrig und illegitim
und nicht rechtskraftig.
M it dem Ziel des Abbaus der Spannungen zwischen den beiden
Inionsrepubliken ergriff Moskau eine Reihe auBergewohnlicher
vlaBnahmen, die jedoch keinen langfristigen positiven Effekt hatten.
Es w urde ein kurzfristiges wirtschaftliches Hilfsprogramm fur die
Autonomie erstellt, und einige hohe Parteifunktionare (der Erste
Sekretar der Kommunistischen Partei Aserbaidschans, Kamran
(iagirow, und der Erste Sekretar der Kommunistischen Partei ArmesR ede des Verteidigungsministers von Armenien Sersch Sarkisjan auf der
parlamentarischen Anhorung zum Problem Berg-Karabach, 29-30. Marz
2 005. Nachrichtenagentur „REGNUM 11:
http//www.rehnum .ru/news/437271.htm l.
\.a .O ., S. 286.
219
niens, K aren Dem irtschan) mussten zurucktreten. In das Gebiet
w urden sow jetische Truppen entsandt, das Gebiet selbst wurde uber
ein Besonderes Kom itee unter Leitung von Arkadij Volskij direkt der
R egierung M oskaus unterstellt.
Das W iederaufleben der alten armenischen Anspruche und die
zunehm ende G efahr direkter ethnischer ZusammenstoBe stimulierte
eine ungestiim e Lebhaftigkeit des politischen Lebens in Aser­
baidschan. Eine solche Starkung des politischen und nationalen
B ew usstseins wurde in den aserbaidschanischen Gouvemements von
1905-1907 beobachtet, als die interethnischen ZusammenstoBe den
C harakter eines Burgerkrieges annahmen. Die armenischen Aktionen
Ende der 80er Jahre w urde von der aserbaidschanischen Offentlichkeit
zunehm end als Beginn eines neuen Feldzugs fiir ein GroB-Armenien
aufgenom m en.357
In dem MaBe wie sich die ethnische Gewalt in verschiedenen
Teilen von A serbaidschan und Armenien ausbreitete, wurde Baku von
Fliichtlingen iiberschw em m t - von Aserbaidschanem aus Berg-Kara­
bach, aus A rm enien und den Grenzregionen zwischen Aserbaidschan
und A rm enien. In diesen Gegenden wurden kriegsahnliche Zustande
zur N orm . G egen Ende 1988 stieg die Zahl der Fliichtlinge aus
A rm enien und den genannten aserbaidschanischen Territorien auf
m ehr als 210.000 M enschen an. Schon im September 1989
verabschiedete der O berste Sowjet der Aserbaidschanischen SSR
3 ^8
unter dem D ruck der V olksfront Aserbaidschan
das Gesetz iiber die
staatliche Souveranitat. Dieses Gesetz bestatigte zusatzlich die
aserbaidschanische Souveranitat iiber Berg-Karabach und Nachi­
tschew an und das verfassungsmaBige Faktum, dass die Grenzen der
A serbaidschanischen SSR nicht ohne deren Zustimmung geandert
357Vgl.: Swietochowski Tadeusz. Der Streit um Berg-Karabach. Geographie.
ethnische Gliederung und Kolonialismus. In: Krisenherd Kaukasus. Hrsg.
U w e Halbach/ Andreas Kappeler. 1. Aufl. Baden-Baden. Nomos Verlag
G esellschaft 1995, S. 171; Junusova L.: End o f the Ice Age. Azerbaijan:
A ugust-Septem ber 1989. In: The Chronicle o f Central Asia and the Caucasus
VIII) 1989, N 6, p. 12; Ibragimow M. Sawtra budet posdno (Morgenist es zu
spat) In: W yschka, 9.2.1989.
358D ie Volksfront von Aserbaidschan war die groGte politische und gesellschaftliche B ew egung des Landes Ende der 80er bis Anfang der 90er Jahre des
vergangenen Jahrhunderts, die fur die Unabhangigkeit der Republik eintrat.
Aus ihr gingen spater mehrere politische Parteien hervor.
220
werden konnen. Dieses Gesetz enthielt auch die Bestimmung des
Rechts auf Abtrennung von der UdSSR iiber ein Volksreferendum.
Moskau war iiber die Verabschiedung dieses Gesetzes alles andere als
359
begeistert.
Am 1. Dezember 1989 nahm der Oberste Sowjet der Armenischen
SSR den gesetzeswidrigen Beschluss uber die Aufnahme von BergKarabach in Armenien. Die M itteilung dariiber, dass das Autonome
Gebiet von Aserbaidschan im Staatshaushalt von Armenien enthalten
ist und dass die Bevolkerung dieses aserbaidschanischen Gebietes das
\\ ahlrecht in Armenien erhielt, waren einer der Griinde, die in Baku
die Januarunruhen (1990) hervorriefen.360 Die Ereignisse von Baku
dienten als Vorwand fiir den Einmarsch von Sowjet-Truppen am Ende
der Unruhen in die Hauptstadt von Aserbaidschan. Das wahre Ziel
dieses Einmarsches war die Unterdriickung der aserbaidschanischen
nationalen Bewegung und die Erstickung der Unabhangigkeitsbestrebungen im Keim. Die Konfrontation zwischen den Demonstranten
und den Heeresverbanden hinterlieB 134 Tote und 700 Verletzte,
meist Aserbaidschaner.361 Im Februar 1990 begannen direkte
Verhandlungen zwischen den Vertretem der Volksfront von
'’’V gl.: Fuller F. Moscow Rejects Azerbaijani Law on Sovereignty. A Moral
Victory for Armenia? In: RFE, RL Research Institute: Report on the USSR, 1.
December 1989, p. 16-18.
',W)Zu diesen Unruhen Vgl.: Johannes Rau. Der Nagorno-Karabach Konflikt
1988-2002. Ein Handbuch. Verlag Dr. Koster. Berlin 2003.
61Zu den Januarereignissen (1990) in Baku Vgl.: Aserbajdschanskaja SSR,
Werchownyj Sowjet. Sajawlenie Komissii po rassledowaniju sobytij,
imewschich mesto w gorode Baku 19 janwarja 1990 g. (Aserbaidschanische
SSR, Oberster Sowjet. Erklarung des Untersuchungsausschusses fur die
Ereignisse in der Stadt Baku vom 19.-20. Januar 1990; Helsinki Watch:
Conflict in the Soviet Union: Black January in Azerbaijan. Memorial Report,
May 1991. Dariiber, dass diese Ereignisse vom Moskauer Zentrum des mit
dem Niedergang kampfenden Reiches begleitet wurden, vgl.: „Der
Ausnahmezustand. In: U kraja; Wsgljad skwos widoiskatel (Blick durch den
Sucher). In: Moskowskie nowosti, 11.12.1988, S .12; Moskowskie nowosti,
4.12.1988, S. 10; Janwar w Baku (Januar in Baku). In: Moskowskie nowosti
16.9.1990, S .9; Tschreswytschajnoe poloschenie (Ausnahmezustand). In:
M oskow skie nowosti, 4.2.1990, S.5; Rassledowanie natschato (Die Untersuchung hat begonnen. In: M oskowskie nowosti, 18.2.1990, S.5; Repetizija?
Daw'ajte rasberjomsja (Wiederholung? Komm lass uns Ordnung schaffen. In:
M oskow skie nowosti, 18.2.1990, S. 10; Bakinskij sindrom (Das BakuSyndrom) In: Moskowskie nowosti, 4.3.1990, S.13; Der Schwarze Januar von
Baku- In: M oskauer Deutsche Zeitung, N 2, Januar 2005, S-18.
Aserbaidschan und der Armenischen Allnationalen Bewegung in der
lettischen Hauptstadt Riga. Sie verliefen ergebnislos.
Nach dem Putsch in M oskau (August 1991) nahm das aser­
baidschanische Parlament (am 30. August 1991) den Beschluss uber
die staatliche Unabhangigkeit Aserbaidschans an. Ab April 1991
kampften Spezialeinheiten der aserbaidschanischen Miliz gem einsam
mit sowjetischen Soldaten gegen bewaffnete armenische Einheiten in
Karabach. Nach dem Augustputsch (1991), den auch der Prasident der
Aserbaidschanischen SSR Ajas M utalibow362 unterstiitzte, erklarte
Moskau, Militaraktionen von Aserbaidschan in Berg-K arabach
wurden nicht weiter unterstiitzt. So erhielten die radikalen arm e­
nischen Krafte in Karabach die Moglichkeit, vom Kreml unbem erkt
die aserbaidschanische Bevolkerung aus den Ortschaften, wo sie noch
verblieben war, zu vertreiben.
Am 2. September 1991 verabschiedeten die armenischen Deputierten des Gebietssowjets von Berg-Karabach die Erklarung daruber,
dass das Autonome Gebiet unabhangige Republik wird.363 So wurde
der administrativ-politische Status von Berg-Karabach innerhalb von
drei Jahren (vom 20. Februar 1988 bis 2. September 1991) drei M ai
geandert (durch die Erklarungen und Beschltisse vom 20.2.1988;
17.7.1988; 1.12.1989 und 2.9.1991), jedes Mai widerrechtlich, und
jedes Mai au f Initiative Erewans.
Der letzte Schritt sollte formal die Befreiung Armeniens von der
Beschuldigung der Aggression gegen den Nachbarstaat sein und der
Darstellung der Armenier von Berg-Karabach als Kampfer ftir die
staatliche Autonomie, und die Kriegshandlungen als bewaffneten
Konflikt der Republik Aserbaidschan mit Berg-Karabach, nicht mit
der Republik Armenien. Bei dieser Wahrnehmung des Konfliktes
konnte die armenische Seite auf eine weniger scharfe Reaktion der
W eltoffentlichkeit hoffen, was viele Jahre teilweise auch gelang.
Als im November 1991 in einem Dorf von Karabach ein Hubschrauber m it hochstehenden aserbaidschanischen Staatsmannem
(Staatssekretar, Generalstaatsanwalt, Prasidentenberater u.a.), Russen
362Mutalibow Ajas, Prasident der Republik Aserbaidschan von 1991-1992. Nach
seinem erzwungenen Rucktritt wurde gegen ihn ein Strafverfahren
angestrengt, das noch anhangig ist. Lebt seit 1992 in Moskau, wo er Zweiter
Vorsitzender der Aserbaidschanischen Sozialdemokratischen Partei ist.
363Vgl.: N ew s from the USA Washington File in Russian, 24.4.2001, p. 1.
222
und kasachischen militarischen Vermittlem zwischen Aserbaidschan
und Armenien abgeschossen wurde, entstand in Baku eine regelrechte
politische Krise. Ende November 1991 revidierte das Parlament von
Aserbaidschan den Autonomen Status von Berg-Karabach, und am 10.
Dezember 1991 wurde in Berg-Karabach ein Referendum abgehalten,
an dem nur die armenische Bevolkerung des Gebietes teilnahm, in
dem die absolute Mehrheit der Teilnehmer fur die staatliche
Unabhangigkeit von Karabach stimmte. Vom volkerrechtlichen Stand­
punkt aus sind dieses Referendum und seine Ergebnisse aus vielen
Griinden nicht legitim, jedoch hauptsachlich deshalb, weil sich die
aserbaidschanische Bevolkerung des Autonomen Gebiets nicht daran
beteiligen konnte.364 Am 6. Januar 1992 wurde es vom neu gewahlten
Parlament von Karabach in Unabhangige Republik Berg-Karabach
umbenannt.365 Der ,,Staat“ wurde von keinem einzigen Land der
Weltgemeinschafit, auch nicht von der Republik Armenien, offiziell
anerkannt.
64Kurz vor Ausbruch des Konfliktes wurden im Autonomen Gebiet Berg-Kara­
bach 189.000 Einwohner gezahlt. Davon waren rund 48.000 Aserbaidschaner.
65 V gl.: Helsinki Watch: Bloodshed in the Caucasus. Escalation o f the Armed
C onflict in Nagomo-Karabagh, September 1992, p.6; Transcaucasus: A
C hronology. A Publication o f the Armenian National Committee o f America,
I (1 9 9 2 ), 1. August, Nr. 88.
15. Die Eskalation des Berg-K arabach-K onfliktes zwi­
schen der Republik Armenien und d er Republik
Aserbaidschan
„Die Geschichte ist in der Vergangenheit umgekehrte
Politik. Diese weitbekannte These e n th a lt einen
grofien Teil einer bitteren Wahrheit. A b e r sie ist
erniedrigend fu r diejenigen Historiker, d ie sich von
der Politik offen distanzieren. Im U brigen s in d auch
sie unvermeidlich m it einer bestim m ten K u ltu r und
Ideologie verbunden, die auch h a u p tsa c h lic h die
Stufe der Subjektivitat ihrer Theorien u n d Schlussfolgerungen bestimmen. Jedoch liegt d e r wichtigste
Mangel dieser These darin, dass sie d ie Objektivitat
der sozialen Vergangenheit selbst, d e r Geschichte
selbst, die von der jetzigen Politik und d e n Politikern
irgendwie nicht abhangig war, leugnen. “
Mamedow G. S.
V or dem Niedergang der UdSSR wurde der K onflikt u m BergKarabach als innere Angelegenheit der Sowjetunion b e tra ch te t. Nach
dem Zusammenbruch der UdSSR wurde dieser K onflikt z u einem
zwischenstaatlichen Konflikt, der sich in einen Krieg z w is c h e n zwei
Subjekten des Volkerrechts, der Republik A serbaidschan und der
Republik Armenien verwandelte. Im Januar 1992 w u rd e n beide
Staaten in ihren wahrend der UdSSR bestehenden G re n z e n in die
Organisation fur Sicherheit und Zusamm enarbeit in E u ro p a (OSZE),
und im Marz 1992 in die UNO aufgenommen.
Wahrend sich die Situation in Berg-Karabach fu r d ie Aser­
baidschaner stetig verschlechterte, lieB sich der aserbaidschanische
President Ajas M utalibow Zeit mit der Griindung einer einsatzfahigen
nationalen Armee. Inzwischen wurden die N iederlagen d e r Aser­
baidschaner in Berg-Karabach immer deutlicher und schrnerzlicher.
Im M ai 1992 nahmen die Armenier zwei wichtige aserbaidschanische
Stadte ein - Schuscha und Latschin. Dieser Erfolg offnete d e n Arme­
niem den strategisch wichtigen Verbindungsweg zw ischen d e r Repub­
lik Armenien und Berg-Karabach iiber die Berge.
224
Drei Monate vor der Okkupation der strategisch wichtigen Rayons
Schuschaj und Latschin richteten armenische Truppen im Februar
1992 unter Beteiligung von 366 in der Stadt Chankendi (Stepa­
nakert)366 stationierten motorisierten Regimentem der russischen
.Armee ein wahres Blutbad unter der aserbaidschanischen Bevolke­
rung in der Stadt Chodschaly an. Im V erlauf der Besetzung dieser
Ortschaft, wo noch 3000 der 7000 Bewohner geblieben waren, wurde
diese grofitenteils zerstort. Zum Zeitpunkt der Besetzung war
Chodschaly voller Kranker, Verletzter, Alter, Frauen und Kinder alle, die nicht hatten fliehen konnen. Vor der Besetzung war die Stadt
vier Monate lang von armenischen Einheiten umstellt gewesen.
Aserbaidschanische Quellen sprachen zunachst von 1.000 Toten bei
dem Blutbad, das wahrend und nach der Besetzung von Chodschaly
angerichtet wurde.367 Der Pressedienst des Verteidigungsministeriums
der Republik Aserbaidschan gab dann offiziell 700 Tote in Cho­
dschaly an.368
An den Besiegten wurden fur eine zivilisierte Gesellschaft unvorstellbare Graueltaten begangen (es wurden Tote skalpiert und deren
Augen herausgerissen). Unter den Toten waren 116 Frauen und 83
Kinder. Sechs Familien wurden vollig ausgeloscht, 25 Kinder verloren
beide Eltem, 130 Kinder verloren einen Eltemteil, 1275 Personen
%Ende August 2005 wurde der Geburtstag der Stadt Stepanowan (Cankendi,
Stepanakert) mit Liedem, Tanzen und Reden feierlich begangen. Zwar konnte
keiner genau sagen, w ie alt sie wirklich wurde. Bekannt ist, dass die Stadt
1924 Dschalologly hiefi. Dann wurde das Stadtchen umbenannt zu Ehren des
„feurigen Revolutionars“ Stepan Schaumjan. A ls alles SowjetischKommunistische schlecht wurde, besann man sich auf die regulare
Umbenennung. Aber der vorherige Name passte angesichts ihrer Zugehorig­
keit zur Tiirkei nicht so richtig. Vgl.: Nesawisimaja gaseta 12.9.2005, S. 16.
Vgl.: Leven Anatol. Leichen bedecken den Hiigel von Karabach, The Times,
2.3.1992; Omer Erzeren, Ein ganzes D orf in Berg-Karabach ermordet,
Tageszeitung, 7.3.1992. Mammadow Ilgar und Musaew Tofik sprechen in
ihrer Arbeit „Armjano-aserbajdschanskij konflikt. Istorija. Prawo. Posrednitsch estw o“ (Der armenisch-aserbaidschanische Konflikt. Geschichte. Recht.
Vermittlung" (Tula, Grif i K. 2006, S. 39) von 613 getoteten Zivilisten (Frau­
en , K indem und Alten). Am schrecklichsten war der Umstand, dass die
A rm enier das Feuer auf den von ihnen errichteten „humaitaren Korridor“ fur
d ie aserbaidschanischen Fliichtlinge eroffneten. Vgl.: Ewropa-Express,
. 2 5 .2 .2 0 0 8 , S. 28.
V g l.: The Independent, London, 12.6.1992.
225
wurden festgenommen, davon waren 487 schon vor ih re r Festnahme
schwer verletzt oder versttimmelt worden.
Das Blutbad in Chodschaly war nichts anderes a ls eine verbrecherische ethnische Sauberung in einer einzigen O rtsch aft, ein
Vorbote weiterer ahnlicher Verbrechen.369 Diese verbrecherischen
Kriegshandlungen verfolgten das Ziel, die aserbaidschanische Seite
einzuschuchtem, und nicht nur das Militar, sondem a u c h d ie Zivil­
bevolkerung, den Aserbaidschanem den W illen zum W iderstand zu
nehmen und damit weitere Siege zu erleichtem. Trotz d e r offiziellen
Leugnung der Schuld an dem Blutbad in Chodschaly d u rc h Erewan entgegen der zahlreichen Fakten, die den Forschem d ie s e r Tragodie
zur Verfugung stehen, sowie Augenzeugenberichten - w ird d ie Schuld
der armenischen Seite indirekt durch die W orte des Verteidigungsministers S. Sarkisjan bestatigt: „...vor Chodschaly d a c h te n die
Aserbaidschaner, man konne mit uns ,,Schlittenfahren“ , s ie dachten,
die Armenier (Unterstreichung von m ir - J.R.) seien nicht in d er Lage,
die Fland gegen die Zivilbevolkerung zu erheben. D iesen Stereotyp
konnten wir zerschlagen. Das ist passiert. Und man m u ss beriicksichtigen, dass unter diesen Jungs Leute waren, die aus B aku und
Sumgait geflohen waren“.370
Ist es denn eine Ubertreibung, die Tragodie in C hodschly nicht nur
einfach als Blutbad, sondem auch als Volkermord (V em ich tu n g einer
ethnischen Gruppe ganz oder teilweise in einer einzelnen Ortschaft),
als Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die M enschheit einzustufen? Die Rechtsverteidiger der intemationalen O rganisation „Human
Rights W atch“ haben die Tragodie in Chodschaly als ,,M assak er“ und
das Blutbad unter der Zivilbevolkerung als K riegsverbrechen eingestuft.
369In der Konvention „Uber die Verhiitung und Bestrafung des V erbrechens des
V61kermords“ vom 9. Dezember 1948 und in Romischen Statut d e s intema­
tionalen Gerichtshofes vom 17. Juli 1998 werden unter Vokerm ord fu n f Arten
von Verbrechen verstanden: Totung von Mitgliedern einer G ruppe an sich;
Verursachung von schwerem korperlichem oder seelischem S ch ad en an Mit­
gliedern der Gruppe, vorsatzliche Auferlegung von Lebensbedingenen die
geeignet sind, ihre korperliche Zerstorung ganz oder teilweise herbeizufiihren,
die auf der Geburtenverhinderung innerhalb der Gruppe gerich tet sind;
gewaltsame Uberfuhrung von Kindem der Gruppe in eine andere Gruppe.
370Zit nach: Thomas de Waal. “Tschjornyj sad. Armenija i Aserbajdschan:
meschdu mirom i wojnoj” (Der Schwarze Garten. Armenien und Aserbaid­
schan: zwischen Frieden und Krieg. Moskau, ,,Tekst“ 2005, S. 2 3 5 .
226
Das Blutbad in Chodschaly ist dem Verbrechen in Srebrenica
vergleichbar, bei dem 7.000 Moslems ermordet wurden. Dieses Ver­
brechen wurde am 26. Februar 2007 in Den Haag vom Intemationalen
Gerichtshof der UNO unter dem Vorsitz der Englanderin Rosalynn
Higgins als Volkermord und als Verbrechen gegen die Menschheit
verurteilt.
Obwohl sich die Groflenordnung der Verbrechen in
Srebrenica und in Chodschaly in der Anzahl der unschuldigen Opfer
unterscheidet (7000 bzw. 1000), der ,,Qualitat“ nach ist das Ver­
brechen in Chodschaly noch schlimmer: in Srebrenica wurden Manner
und Jugendliche in Gefangenschafit ermordet, und in Chodschaly nicht
nur diese, sondem auch Frauen und Kinder. W er auch personlich an
dem Verbrechen in Chodschaly schuld war (das ist Sache eines, so
kann man hoffen, zukunftigen Gerichts), es wird ihm nicht gelingen,
a u f ewig unbekannt zu bleiben.
Die aserbaidschanischen Politiker und die Juristen bestatigten stets,
dass es sich im Falle von Chodschaly zweifellos um Volkermord
handelt und bezogen sich vollig begriindet au f die Definition des
Volkermordes in den Dokumenten der UNO (beispielsweise vom 9.
Dezember 1948) und a u f die Gesetzgebung in einigen europaischen
Landem .372
■571
J 'V gl.: Frankfurter Rundschau, 27.2.2007, S. 1 , 3 , 5. In 2007 wurde beim
Haager Gerichtshof von den Rechtsanwalten Marco Gerritsen und Axel
Hagedom eine 228-seitige Anklageschrift eingereicht wegen Nichtverhinderung des Volkermords in Srebrenica. Es werden der niederlandische
Staat und die UNO w egen der Nichterfullung ihrer direkten Pflichten
angeklagt. Das ist der erste Fall einer Anklage gegen die Vereinten Nationen
w eg en vorsatzlicher Unterlassung. Internationale juristische Unterstutzung
erhielt diese Anklage im Februar 2007, als der Internationale Gerichtshof in
D e n Haag eine Erklarung herausgab, nach der alle Staaten, darunter auch die
R epublik Armenien, verpflichtet sind „die Ausfuhrung eines Genozids zu
verhindem “. Vgl.: Udo Ludwig, Ansgar Mertin. Strafrechtliche Untatigkeit.
In: D er Spiegel, N23, S. 126-128. Die Frage iiber die Verantwortung der
U N O fur die Untatigkeit der niederlandischen Soldaten, die zum Schutz der
E inw ohn er von Srebrenica ausgesandt worden waren, ist strittiger, da die
U N O Immunitat geniefit bei der legalen Verfolgung ihrer Ziele und der
D urchfuhrung entsprechender Aktionen. Bis heute ist die Ermordung von 504
v ietn am esisch en Staatsburgem (meist Frauen, Kinder und Greise) im Dorf
M i-L a y am 16. Marz 1968 durch amerikanische Soldaten nicht als Volker­
m o r d anerkannt. Vgl.: Berliner Zeitung, 15.3.2008, S.8.
i![n Deutschland ist die Beseitigung der Zivilbevolkerung unter ethnischen
V^orzeichen (Volkermord) seit 2002 mit lebenslanglicher Haft (§ 220a StGB)
ш ahnden.
227
Genau so werden Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die
Menschheit in Friedenszeiten bewertet. Unter Kriegsverbrechen
werden Verbrechen von Organisationen oder Einzelpersonen gegen
international anerkanntes Kriegsrecht verstanden. Als Kriegsver­
brechen gilt beispielsweise das Verhohnen und Foltem von
Gefangenen oder eine Geiselnahme unter der Zivilbevolkerung. Nach
dem Londoner Abkommen vom 8.8.1945, in dem genaue Definitionen
von Kriegsverbrechen gegeben werden, weist eine enge Verbindung
der letzteren auf Verbrechen gegen die M enschheit hin. Solche
Verbrechen
sind
beispielsweise
der
VerstoB
gegen
die
Menschenwiirde, gegen die Wiirde der menschlichen Personlichkeit,
verbrecherische Handlungen gegen Gesundheit, Leben, personliches
Eigentum u.a.
Unverstandlich ist die Tatsache, dass fur die Volkermord-Tragodie
in Chodschaly bis heute niemand vom intemationalen G erichtshof zur
Rechenschaft gezogen worden ist. Inzwischen gibt das Volkerrecht
der Republik Aserbaidschan im Falle von Chodschaly ein breites
Spektrum juristischer Moglichkeiten, die heute von der Regierung in
Baku bei weitem noch nicht ausgeschopft sind.373 Oberfalle auf
unbewaffnete Zivilisten, Kinder, Frauen, Alte und Krankenhauser sind
mit keiner Ausrede zu rechtfertigen. Schon vor 2500 Jahren hat der
altgriechische Historiker Fukidid (um 460-400 n. Chr.) in seinem
W erk iiber den Peloponnesischen Krieg (431-404 n. Chr.) zu Recht
behauptet, der Uberfall einer feindlichen Armee auf Zivilisten sei
immer ein Verbrechen.
Ahnliche Verbrechen, die vor relativ kurzer Zeit oder vor vielen
Jahrzehnten veriibt wurden, ihre zahlreichen Opfer und deren heute
noch lebenden Verwandten warten in vielen Landern auf eine gerechte
intemationale gerichtliche Untersuchung. In diesen Fallen ist „Zurtickhaltung“ eine groBe Siinde gegentiber dem Gedenken der unschuldigen Toten. Davon zeugen beispielsweise die Zehntausende von
373In der demokratischen Presse der EG wird der Begriff ,,V6lkermord“ selbst in
Bezug auf illegal getotete Tiere verwendet. Vgl.: Massaker an Berggorillas.
In: Berliner Morgenpost, 23.8.2007, S. 10. In diesem Artikel geht es um vier
von Wilderem getotete Berggorillas.
228
Ermordeten in den polnischen Lagem Stschalkow und Tuchol 19191920.374
Und mit welchen Worten soil man das Entsetzen der 1946 wahrend
des Pogroms in der polnischen Stadt Kelzy umgekommenen Juden
beschreiben, die durch ein Wunder den Todeslagem der Faschisten
entronnen und in ihre Heimat zurtickgekehrt waren.373
Die Tragodie in Chodschaly und der schreckliche Tod von
Hunderten von unschuldigen Frauen und Kindem haben einen solchen
Schock in der aserbaidschanischen Gesellschaft ausgelost, dass Prasi­
dent Ajas Mutalibow sich nicht an der Macht halten konnte und im
Marz 1992 zuriicktreten musste.376 Der im Juni 1992 gewahlte
Prasident Abdulfas Eltschibei377 war ein Jahr nach seiner Wahl in der
gleichen Situation wie sein Vorganger. Die anhaltenden schweren
Xiederlagen Aserbaidschans fiihrten dazu, dass im Friihjahr 1993 die
letzten sich noch widersetzenden Ortschaften im LatschinKorridor
und im Kelbadscharskij Rayon von den Armeniem besetzt wurden.
Zwischen Juli und Oktober 1993 besetzten die Armenier Agdara
(7.7.1993), Agdam (23.7.1993), Gubadli (31.8.1993) und Sangilan
(23.10.1993). Danach besetzten die Armenier auBer Berg-Karabach
auch die strategisch wichtigen Gebiete (insgesamt sieben Rayons) im
Siidwesten Aserbaidschans. Seit dieser Zeit sind rund 20% des
Territoriums von Aserbaidschan vom lebenden Organismus des
Uandes abgeschnitten. Und alle intemationalen Organisationen sind
scheinbar machtlos gegen diesen Raub eines Staates an einem
anderen. Es entstand nach dem Zusammenbruch der UdSSR der erste
Prazedenzfall eines ungestraften Angriffs mit Besetzung fremder
Territorien.
' 4Vgl.: „Poljaki chotjat dobitsja ot nas pokajanija sa okkupaziju“ (Die Polen
w ollen von uns eine Entschuldigung fur die Okkupation). Nesawisimaja
gaseta, 10.4.2007, S.7.
’’Vgl.: a.a.O..
r *Vgl.: Junusov A.: Karabagh War. Another Year Passed. What Next?, in:
Express -Chronic, N 14, 29.3.1993.
" A bulfas Eltschibei, gewahlter Prasident der Republik Aserbaidschan von
1992 bis 1993. Gestiirzt infolge eines Militarputsches und praktisch nach
N a c h itsc h ew an verbannt. War bis zu seinem Lebensende (2000) Vorsitzender
d er Volksfront-Partei von Aserbaidschan.
229
Der UN-Sicherheitsrat hat bezuglich der Besetzung der a s e r­
baidschanischen Territorien durch die Armenier allein in 1993 vier
Resolutionen, die die Besetzung verurteilen, verabschiedet:
Die Resolutionen Nr. 822 vom 30.4.1993, Nr. 853 vom 29.7.1993,
Nr. 874 vom 14.10.1993 und Nr. 884 vom 12.11.1993 (siehe A briss
„Die wichtigsten Dokumente beziiglich der Rechtslage von B ergKarabach, der Okkupation eines Teils des Territoriums der R epublik
Aserbaidschan durch die Armenier und einer moglichen friedlichen
Losung des Konfliktes“). Zusammengefasst enthielten diese R esolu­
tionen die folgenden wichtigsten Bestimmungen (s. Anhang):
- Die armenischen Truppen sind aus den von den A rm eniem
besetzten Gebieten Aserbaidschans abzuziehen und die K riegs­
handlungen von Armenien gegen Aserbaidschan einzustellen.
- Unterstrichen wurde die Unantastbarkeit der territorialen
Integritat von Aserbaidschan und Armenien in den G renzen vor
dem Niedergang der UdSSR.
- Die Gewaltanwendung zum Gebietserwerb wurde verurteilt.
- Armenien wird vom Sicherheitsrat aufgefordert, die W affenlieferungen an Berg-Karabach einzustellen und seinen Einfluss
dahingehend zu nutzen, dass die Resolutionen des Sicherheits­
rates erfullt werden
Sowohl Aserbaidschan als auch Armenien waren m it diesen
Resolutionen unzufrieden. Darin wurde die wichtigste politische
Forderung Bakus, die Okkupation eines Teils des Territoriums von
Aserbaidschan im offiziellen UNO-Dokument als Aggression und
Armenien als Angreifer zu bewerten, nicht erfullt. Die arm enische
Seite machte hingegen geltend, diese Resolutionen gaben der arm e­
nischen Bevolkerung von Berg-Karabach keinerlei Sicherheitsgarantien.
Im Marz 1993 fuhrten die Arm enier die Kelbadschar-Operation
durch. Entlang des Latschin-Korridors wurde einen zweiten Korridor
geschaffen, der Armenien mit Berg-Karabach verband. Es wurde nicht
nur das Territorium von Karabach eingenommen, sondem auch fast
ein Viertel des restlichen Gebiets von Aserbaidschan, darunter ein 17
Kilometer langer Abschnitt der aserbaidschanisch-iranischen Grenze.
Die Rechnung der Armenier auf Anwendung der ,,bewahrten“
israelischen Strategic „Land fur Frieden“ ging jedoch nicht au f - die
Arm enier waren bereit, die besetzten aserbaidschanischen Gebiete im
230
Austausch fur die Anerkennung der Unabhangigkeit von BergKarabach zu raumen. Innerhalb dieser Logik wurde auch vorgeschla2en, dass man sich desto leichter mit Baku einigen konne, je mehr
aserbaidschanische Gebiete die Armenier einnehmen wtirden. Diese
Plane gingen nicht auf: die aserbaidschanischen potentiellen M oglich­
keiten erlaubten der Leitung und der Elite des Landes nicht, an die
Annehmbarkeit solcher Vereinbarungen fur die Bevolkerung auch nur
zu denken.
Die politischen Folgen der Okkupation von Gebieten auBerhalb
Berg-Karabachs erwiesen sich, insbesondere nach dem Verlust von
Kelbadschar und dem Tod zahlreicher aserbaidschanischer Fluchtlinge
aus diesem Rayon378, in Aserbaidschan als verheerend.
Ein Teil der Fluchtlinge aus dem Kelbadscharskij Rayon geriet in
einen Hinterhalt und wurde physisch vemichtet, ein Teil verhungerte
und erfror wahrend der Uberquerung der Gebirgspasse. In vielem
erwiesen sich diese verbrecherischen Handlungen als Folge einer
Position, die von der damaligen Regierung von Berg-Karabach einge­
nommen wurde. So erklarte der Vorsitzende der GKO des Rayons
Berg-Karabach Kotscharjan damals: “Um im wortlichen Sinn zu
iiberleben, muss man die Gegenseite ebenso leiden lassen. Das ist das
Gesetz des Krieges". Nach diesem ,,Gesetz“ handelnd okkupierten
und zerstorten armenische Truppen die meisten aserbaidschanischen
Dorfer und Stadte im ehemals autonomen Gebiet. Aus den Rayons
Latschin und Kelbadschar wurden auch alle Kurden vertrieben.
In Gjandscha begann ein Putsch unter dem aserbaidschanischen
Oberst Suret Guseinow, der m it seinen Regimentern auf Baku
m arschierte.379
Die Regierung entschloss sich zu Verhandlungen mit Guseinow
und rie f den ehemaligen Parteileiter von Aserbaidschan, Heidar
Alijew, aus Nachitschewan zu Hilfe. Am 18. Juni 1993 trat President
Eltschibei zuriick, um ein, wie er es nannte, „brudermorderisches
B lutvergie6en“ zu verhindem, und der erfahrene Staatsmann Heidar
A lijew iibemahm die M acht in der Hauptstadt. Im Oktober 1993
378V gl.: Sowremennaja polititscheskaja istorija Rossii (1985-1997 gody) (Die
jiin gste politische Geschichte Russlands (1985-1997)), Bd. 1. Chronika,
M oskau 1997.
379V gl.: Junusow A. Gjandinskij tajfun (Der Taifun von Gjandscha). In: Ekspress-C hronika, 25.6.1993.
231
wurde er zum Prasidenten der Republik gewahlt und 1998 a u f w e ite re
ftinf Jahre wiedergewahlt. Der erfahrene Politiker Heidar A lijew , der
zu Sowjetzeiten auch Mitglied des Politburos der KPdSU gew esen
war, vermochte Aserbaidschan vor einem herannahenden B tirgerkrieg
zu retten.
Die militarischen Auseinandersetzungen Aserbaidschans m it den
Armeniem endeten Mitte 1994 durch einen W affenstillstand. E r
wurde von Russland und der OSZE vermittelt und im Protokoll von
Bischkek (Mai 1994) festgehalten. Der Krieg wurde ausschlieBlich a u f
aserbaidschanischem Gebiet gefiihrt und kostete 30.000 M enschenleben. Der Konflikt zog 1,3 Millionen Fliichtlinge nach sich, von
denen iiber eine Million Aserbaidschaner waren/’80 Das AuBenministerium der Republik Aserbaidschan schatzt den Aserbaidschan durch die
armenische Aggression zugefugten materiellen Schaden a u f etw a 60
Milliarden US-Dollar. In der Periode der Aggression w urden
zahlreiche Kulturdenkmaler stark beschadigt oder ganzlich zerstort.
Uber die Folgen der Aggression seitens Armeniens, in erster L inie
iiber die zerstorten historischen Denkmaler und andere zugefugten
Schaden werden von der Heidar-Alijew-Stiftung zahlreiche Biicher
und Broschuren herausgegeben. Die Prasidentin dieser Stiftung, Frau
Mehriban Alijewa, ktimmert sich regelmaBig um die Probleme und
Sorgen der Fliichtlingskinder.381
Infolge der Aggression gegen die Republik Aserbaidschan wurden
iiber 17.000 Quadratkilometer Land besetzt - rund 20% des gesamten
Gebietes des Landes starben iiber 18.000 aserbaidschanische Staatsbiirger, wurden iiber 50.000 Aserbaidschaner verletzt oder zu Invaliden, wurden 877 Ortschaften gepliindert und zerstort sowie 100.000
Wohngebaude, uber 1.000 Wirtschaftsobjekte, iiber 600 Schulen und
Bildungseinrichtungen und 250 medizinische Einrichtungen. Die Zahl
380V gl.: The Beginning o f the Garabagh Conflict. Baku, 2005, p. 2. Einige internationalen Quellen sprechen von 600.000 Fliichtlingen in Aserbaidschan.
Vgl.: IDMS/Terre des Hommes und die Karte „Wnutrennie isgnanija globalno
(wyborka)“ Interne Vertreibung weltweit (Auszug)“.
381 Frau Mehriban Alijewa geniesst als erfahrene Abgeordnete des Milli Mejlis
w egen ihrer volksnahen Tatigkeit und gesellschaftlicher Aktivitaten grosse
Popularity unter dem Volk. A ls UNESCO-Friedensbotschafterin sind die
Verdienste von First Lady beziiglich der Darstellung der Kultur des Landes
auf der intemationalen Arena und des Ausbaus der Bildung und Wissenschaft
im Lande hochzuschatzen.
232
jer Fliichtlinge und Binnenvertriebenen (innerhalb des Landes
andemorts untergebrachte Personen) erreichte eine Millionen
Menschen.382
Nach Angaben des Kultusministeriums und des Aufienministeriums der Republik Aserbaidschan wurden 20 Museen stark
beeintrachtigt oder zerstort, darunter die urspriinglichen Geschichtsmuseen in Kelbadschar und Schuscha, 969 Bibliotheken, 89 Kindermusikschulen, 4 Schauspielhauser und 4 Kunstgalerien, 2 Konzertsale,
ein Denkmal der Bronzekultur in Chodschaly, zahlreiche Friedhofe,
Grabstatten und Moscheen in Kelbadschar, Latschin, Gubatli
(Kubatli), Sangilan, Agdam und Schuscha. Und in Armenien selbst
wurden Moscheen und moslemische Friedhofe entweder zerstort oder
anderweitig genutzt. Einige Moscheen wurden in Lagerhauser
umfunktioniert (die Schah-Ismail-Moschee aus dem 16. Jahrhundert,
die Schah-Abbas-Moschee aus dem 17. Jahrhundert, die sogenannte
Blaue Moschee u.a.). Der Agcha-W ewe-Friedhof in Masis und der
Tochmatsch-Friedhof in Erewan wurden aufgehoben. In Baku ist ein
armenisch-christlicher Friedhof erhalten. Im Artikel von Olga
Aleksandrowa „Das Chaos geht weiter“ iiber diese Zerstorung der
aserbaidschanischen Kultur wird dies mit keinem Wort erwahnt, aber
vie! iiber die Zerstorung von Denkmalem der armenischen Kultur in
Nachitschewan gesagt. Und diese selektive ,,Objektivitat“ ist nicht nur
diesem Autor zu eigen.383
Die Frage daruber, ob der militarische Konflikt zwischen Aser­
baidschan und Armenien ein Krieg war und ob in diesem Konflikt die
Regeln der Kriegsfiihrung verletzt wurden, kann ziemlich eindeutig
beantwortet werden. Krieg ist eine organisierte militarische Auseinandersetzung zwischen Staaten (-Biindnissen), Volkern und Stammen,
eine Entscheidung von Streitfragen mit Gewalt zwischen Staaten oder
unterschiedlichen sozialen Gruppen innerhalb des Staates (Biirgerkrieg). Unter Kriegsrecht oder den Rechten der Kriegserklarung,
Kriegsfiihrung und Beendigung eines Krieges werden alle interna­
tional anerkannten Vorschriften und Regeln verstanden, die von den
Kriegsparteien in Bezug aufeinander, auf neutrale Staaten und auf die
Zivilbevolkerung anerkannt werden. Diese Vorschriften und Regeln
miissen nicht nur von Staaten oder Organisationen, sondern auch von
382Azerbaijan in the new Millennium, Baku 2001, S.289.
383Vgl.: Russkaja mysl, Paris, 3.3. 2006, S. 5.
233
Einzelpersonen eingehalten werden. Ihre Rechte und Pflichten w e rd e n
ebenfalls durch die genannten Vorschriften und Regeln b estim m t.
Zwischenstaatliche Vereinbarungen bezuglich des Kriegsrechts g ib t es
seit 1899. Die wichtigsten Grundlagen des Kriegsrechts w urden von
den Haager Konventionen von 1899 und 1907 und der G e n fe r
Konvention (12.8.1949) iiber den Schutz der Kriegsopfer festgelegt.
GemaB der 3. Haager Konvention von 1907 muss ein Staat, d e r in
einen Krieg eintritt, dem Gegner dariiber offiziell vor B eginn des
Krieges eine Erklarung abgeben. Offene Kriegshandlungen o h n e
Kriegserklarung sind ein Verbrechen.
Obwohl Armenien die Okkupation von aserbaidschanischem
Gebiet leugnet und versucht, den Konflikt nur als K am pf u m die
Abspaltung Berg-Karabachs von Aserbaidschan darzustellen, zeu g en
die bisher bekannten Fakten davon, dass die Aggression von A rm e ­
nien gegen Aserbaidschan hauptsachlich au f G ebietsanspruche
zuriickzuffihren ist. Im Lichte aller oben genannten Fakten ist offensichtlich, dass der armenisch-aserbaidschanische Konflikt um B ergKarabach nicht durch die „Diskriminierung der armenischen M inderheit“ in Aserbaidschan und nicht durch die w irtschaftlichen
Schwierigkeiten im NKAO hervorgerufen wurden, sondem durch die
beginnende Umsetzung lang vorbereiteter Expansionsplane, fur deren
Erffillung die giinstigsten Bedingungen in der Zerfallsperiode des
kommunistischen Imperiums entstanden. Denn genau nach diesem
Plan hat Armenien seit Febm ar 1988 unter der Duldung der UdSSR
und dem Schweigen der W eltgemeinschaft die verfassungswidrigen
Handlungen der administrativen Strukturen des NKAO und die
militarische Aggression in groBem MaBstab gegen Aserbaidschan
organisiert.
Da sie keine international anerkannte Entscheidung des Status von
Berg-Karabach haben, glauben die Armenier, dass das auBerhalb
seiner Grenzen besetzte Gebiet ein ,,Sicherheitsgiirtel“ ist. Sie verwandelten den Giirtel der Beriihrung mit den gegnerischen Machten in
eine ,,M aginot-Linie“: Abzug an einer Stelle bedeutet den kompletten
Zusammenbmch. Fiir das Entfemen von dieser Linie verlangen sie
auch einen zu hohen Preis“.384
384Vgl.: Kasimirow W. „Ispytanie Karabachom“ (Die Versuchung durch Kara­
bach) in: „Nesawisimaja gaseta“ 27.10.2003, S. 12. 1993 nahmen die
Armenier sechs zu Berg-Karabach gehorende Rayons ein, die Rayons
234
Der Beschluss des Obersten Sowjets der Armenischen SSR vom 1.
Dezember 1989 iiber den Anschluss von Berg-Karabach an Armenien
wurde auch nach dem Zusammenbruch der UdSSR nicht revidiert.
Auf der Grundlage dieses Beschlusses wurde der ehemalige Bewohner
von Berg-Karabach Robert Kotscharjan 2003 als armenischer
^85
Staatsbiirger zum President der Republik Armenien gewahlt.' Von
1992 bis 1997 war Robert Kotscharjan „President der Republik BergKarabach", 1997 wurde er vom damaligen Prasidenten der Republik
Armenien Lewon Ter-Petrosjan zum Premierminister der Republik
Armenien emannt.
Ein Gericht in Erewan bestatigte im Jahre 2003 die Zugehorigkeit
Berg-Karabachs zu Armenien. Damals beriicksichtigte das Gericht
nicht die Erklarung der fuhrenden Oppositionsparteien von Armenien,
in der Zweifel iiber die armenische Staatsangehdrigkeit Robert
Kotscharjans geauBert wurden. Denn Kotscharjan, so wurde in der
Mitteilung argumentiert, stamme aus Berg-Karabach und sei nach
dem Zerfall der UdSSR automatisch aserbaidschanischer Staatsbiirger
gevvorden. Das Gericht in Erewan lehnte diese Erklarung mit den
folgenden Worten ab: „Die Erklarung iiber den Beschluss der
Parlamente von Berg-Karabach und der Armenischen SSR vom 1.
Dezember 1989 iiber die W iedervereinigung enthalt nicht nur einen
territorialen Faktor, sondern auch den Faktor der Staatsbiirgerschaft.“
Inzwischen konnte Herr Kotscharjan auf der Grundlage der Gesetzgebung der Republik Aserbaidschan als Biirger von Aserbaidschan de
jure far mindestens 35 VerstoBe gegen aserbaidschanische Gesetze
strafrechtlich verfolgt werden.386
So unterstiitzt nicht nur die Legislative, sondern auch die Jurisdiktion von Armenien die armenischen Gebietsanspruche an Aserbaid­
schan. Durch diese Urteile, die innerhalb Armeniens rechtskraftig
sind, obw ohl sie der intemationalen Gesetzgebung widersprechen,
wird zweifelsfrei die „Unterstiitzung" von Armenien im Berg-
Kelbadscharskij, Agdam, Fisulinskij, Dschabrailskij, Gubadlinskij und
Sangilanskij. Bereits friiher war der Latschinskij Rayon eingenommen
worden.
385Vgl.: N ew spaper ECHO/Intemet Edition, 15.2.2003, N30/522/,
http://www2.echo-az.com /facts.shtm l.
386N e w sp a p e r ECHO/Intemet Edition, 15.2.2003, N30/522/,
http://w w w 2.echo6az.com /facts.shtm l.
235
Karabach-Konflikt bewiesen und auch dass es eine militarische
Auseinandersetzung zwischen Armenien und A serbaidschan gab.387
16. Volkerrecht: das Prinzip der territorialen Integritat
und der Unverletzlichkeit der Grenzen im Vergleich
mit dem Prinzip der Selbstbestimmung der Volker
„Es gibt einen wesentlichen Unterschied zwischen
einem gerechten K rieg und gerechtem Verhalten in
einem beliebigen Krieg. “
Gadschiew, M.
Ein ernster Bremsfaktor bei der Losung von Konflikten sind
juristisch—politische Widerspriiche auf der Ebene volkerrechtlicher
Grundsatze und die verschiedenen Methoden der Argumentation auf
der Basis ihrer Streitparteien.388 Die Republik Armenien und die
armenische Gemeinde von Berg-Karabach berufen sich auf das
Prinzip der Selbstbestimmung der Nationen (Volker). Die Republik
Aserbaidschan fuhrt in erster Linie allgemein akzeptierte Prinzipien
der Integritat von Gebieten eines legitimen Staates und die
Unverletzlichkeit seiner Grenzen an.
Bei der Errichtung der UNO im Jahre 1945 wurde der Grundsatz
der Selbstbestimmung in ihrer Satzung nicht als Grundrecht
anerkannt.389 Hingegen wurde der Grundsatz der territorialen Integ­
ritat als ein fundam entals Grundrecht in die Satzung aufgenommen.
In der Allgemeinen M enschenrechtserklarung vom 10.12.1948 wird
das Prinzip der Selbstbestimmung iiberhaupt nicht erwahnt. Hier ist
vom Schutz der Rechte eines einzelnen M enschen, einer einzelnen
menschlichen Person die Rede.
Aus der UNO-Satzung folgt nicht, dass unter dem Recht auf
Selbstbestimmung das Recht au f Abspaltung von einem existierenden
legitimen Staat und das Recht a u f Unabhangigkeit und auf staatliche
Souveranitat zu verstehen ist.390 Hier geht es vielmehr um die
administrative Selbstbestimmung innerhalb einer Autonomie.
387Wenn man die enorme Hilfe berucksichtigt, die die Republik Armenien von
Anfang des Konfliktes an von der internationalen armenischen Diaspora
(Frankreich, USA, Russland, Naher Osten usw.) durch ihre exzellente
Lobbyarbeit in vielen Landern erhielt, so kann man mit Recht von einem
Konflikt zwischen den Armeniem und der Republik Aserbaidschan sprechen.
D iese Frage ist gesondert zu untersuchen.
236
i88VgI.: N abijew Riswan, Nagorny Karabach - Vermittlungsmission und externe
Akteure. In: Wostok. Landerspezial. Aserbaidschan, 2003.
389Vgl.: Hannum H. Autonomy, Sovereignty, and Self-Determination: The
A ccom m odation o f Conflict Rights, University o f Pennsylvania Press
Philadelphia 1990.
3,(lVgl.: D ie Bestimmungen der Satzung der UNO iiber die Regulierung von
Streitfallen und die MaBnahmen im Angriffsfall im nachsten Kapitel und die
w ichtigsten Dokumente zur rechtlichen Lage von Berg-Karabach und einer
237
1960 wurde von der UN-Vollversammlung Resolution 1514 iiber
die Rekolonialisierung von Landem und Volkern verabschiedet. In
dieser Resolution wurde der Grundsatz der Selbstbestimm ung d er
Volker und Nationen als Instrument des Volkerrechts im Prozess der
Dekolonialisierung angenommen. Gleichzeitig wurde in der R eso lu ­
tion betont, dass jeder Versuch, der auf eine teilweise oder ganzliche
Zerstorung der nationalen Einheit und der territorialen Integritat eines
legitimen Staates abzielt, mit den Aufgaben und Grundsatzen d er
Satzung der UNO unvereinbar ist. Das „Selbstbestimmungsrecht d er
Volker", das mit UNO-Resolution am 14. Dezember 1960 im P rozess
des Zerfalls der kolonialen Weltordnung angenommen wurde, steht
klar dem Grundsatz der „territorialen Integritat von Staaten“ entgegen,
das in intemationalen Urkunden letztmals am 14. August 1975 in der
OSZE-Schlussakte von Helsinki festgehalten wurde. Aufierdem kan n
man einen Widerspruch zwischen der genannten Resolution der U N O
und einem der UNO-Prinzipien, das das Recht eines Volkes a u f den
K am pf um seine Rechte bis zum Hochhalten von Aufstanden anerkennt, feststellen.
Nicht hilfreich ist auch der Leitsatz „ein Volk, ein Staat“ , weil uns
die jiingste Geschichte viele Beispiele dafiir liefert, dass es von einem
Volk zwei Staaten gibt (Deutsche, V ietnam eses Koreaner u.a. ) oder
dafur, dass ein Volk au f vielen Staatsgebieten verteilt wohnt (A ser­
baidschaner, Juden, Kurden, Lesginen, Puschtunen, Turkmenen,
Tadschiken, Usbeken, Ungam, Ujguren, Finnen, Tamilen u.a.).
Am 16. Dezember 1966 verabschiedete die UN-Vollversammlung
zwei Dokumente: den „Intemationalen Pakt iiber Biirgerrechte und
politische Rechte“ und den „Intemationalen Pakt iiber wirtschaftliche,
soziale und kulturelle Rechte.“ In beiden Dokumenten wird jew eils im
ersten Absatz darauf verwiesen, dass alle Volker das Recht au f
Selbstbestimmung und Wahl ihres politischen Status und Aufbaus
haben. Aber auch in diesen UNO-Dokumenten wird die Zerstorung
der territorialen Integritat eines legitimen Staates nicht erlaubt. In
einer der Untersuchungen, die von der UNO beauftragt wurden, wurde
folgender Schluss gezogen: „Das Recht der Volker auf Selbstbestim­
mung gilt gemaB dem UNO-System fiir diejenigen Volker, die sich in
kolonialer Abhangigkeit befinden, oder die einer ausiandischen Macht
moglichen friedlichen Regelung des Konflikts und O berw in d u n g der Folgen
des Angriffs der Armenier gegen die Republik Aserbaidschan.
238
unterstellt sind, aber nicht fiir diejenigen, die zu einem legalen
Ilegitimen) Staat gehoren."39'
Im Jahre 1970 nahm die UNO die Erklarung iiber die Grundsatze
des Volkerrechts an. Jedoch brachte auch diese Deklaration keine
Klarheit bezuglich des Grundsatzes der Selbstbestimmung der
Nationen und Volker, die sich nicht in kolonialer Abhangigkeit
befiinden haben. 1984 verabschiedete der Menschenrechtsausschuss
der UNO einen Kommentar zu Paragraph 1 der beiden Dokumente der
LN-Generalversammlung vom 16.12.1966 bezuglich des Inhalts des
Terminus „Selbstbestimmung". Jedoch wurde kein Konsens zwischen
den Ausschussmitgliedem erreicht und der Kommentar erschien nicht
392
in den offiziellen Dokumenten der UNO.
Ein Erforscher der Frage, A. Smith, bestatigt, dass die M ehrheit
der neuen Staaten im Verlauf der Entkolonialisierung entstanden sind
und nicht iiber eine Teilung von Gebieten bereits bestehender Staaten.
„Die Ausnahmen - Bangladesch und Singapur - waren eine Folge
besonderer Umstande."393 Eine Reihe von W issenschaftlern steht auf
dem vollig umstrittenen Standpunkt, die politischen Normen der
Entkolonialisierung seien im Laufe der historischen Entwicklung
zunehmend gleichbedeutend mit dem Recht auf Selbstbestimmung
von Nationen und Volkern geworden.394
Beim Zerfall der UdSSR war der Berg-Karabach-Konflikt kein
intemationaler Konflikt, sondem eine innere Angelegenheit der
Sowjetunion. Jedoch verwendete auch damals die armenische Seite
aktiv den Begriff „Selbstbestimmung". Dabei ging es nicht um Selbst­
bestimmung, die auf volkerrechtlichen Bestimmungen basiert, sondem
um das „leninistische Prinzip der Selbstbestimmung", das vom
Grtinder des Sowjetstaates W.I. Uenin vertreten wurde. Jedoch hat das
„leninistische Prinzip der Selbstbestimmung" wenig gemein mit dem
39lVgl.: Gross Espiel H.: The Right to Self-Determination: Implementation o f
United Nations Resolutions, UN DoS. EICN/SUB. 2/405/Rev. 1, 13-14.
39:Vgl.: Hannum H. Autonomy, Sovereignty, and Self-Determination: The
A ccom m odation of Conflict Rights, University o f Pennsylvania Press
Philadelphia 1990, p. 44.
393V gl.: Sm ith A.: National Identity, University o f Nevada Press, Reno, Nevada
199 1 , p. 136; Hannum H ...., p. 49.
394V gl.: Eisner M. A. Procedural Model for the Resolution o f Secessionist
D isp u tes Harvard International Law Journal, Volume 33, Number 2, Spring
1992, p. 408.
239
modem en Volkerrecht, das auch au f dem Territorium der ehem aligen
UdSSR in den Beziehungen zwischen den neuen Staaten gilt.
In einigen Quellen wird das Recht auf Selbstbestim m ung als
„Anspruch eines Volkes oder einer Nation auf Unabhangigkeit und
au f die Entscheidung uber einen eigenen Staat und dessen C harakter"
interpretiert.395 Die modemen Defmitionen von Nation tragen auch
wenig zur friedlichen Losung des Berg-Karabach-Konfliktes bei. D as
kann am Beispiel ffinf solcher Definitionen studiert werden: „E ine
Nation ist eine Gemeinschaft von Menschen, die durch A bstam m ung,
Sprache, Gebrauche und die kulturelle und politische Entw icklung
verbunden ist, die in den Grenzen eines bestimmten Staates leben und
sich politisch bewusst und aus freiem Willen vereinigt haben.“396 Eine
andere Definition: „Eine Nation - (von lat. Natio - Stamm, Volk) - ist
eine historisch gewachsene feste Gemeinschaft von M enschen, die
sich bei der Herausbildung eines gemeinsamen Territoriums, w irtschaftlicher Bindungen, einer Literatursprache, Besonderheiten der
Kultur und der Mentalitat gebildet hat.“397 Die dritte Definition:
„Nation (von lat. Natio - Stamm, Volk): historische Gemeinschaft von
M enschen, gegriindet auf die Gemeinschaft des Territorium s,
historische, wirtschaftliche und politische Bande, die Literatursprache
und andere kulturelle Besonderheiten. Oft wird die ethnische
Gemeinschaft als Norm betrachtet. In der gegenwartigen Praxis ist ein
weiter verbreiteter Begriff der der Nation als Gesamtheit aller Burger
eines bestimmten Staates unabhangig von deren ethnischer
Zugehorigkeit“ .398 Vierte Definition: „Nation - eine groBe, in der
Regel kompakt lebende Gemeinschaft von Menschen mit gleicher
Abstammung, Geschichte, Sprache und Kultur".399 Fiinfte Definition:
„Nation. Historisch gewachsene feste Gemeinschaft von Menschen,
entstanden au f der Basis einer gemeinsamen Sprache, eines gemein395Vgl.: Wissen.de - Lexikon, Wissen Media Verlag GmbH, Gutersloh/Munchen
2003, S. 925.
3%Vgl.: Wahrig. Deutsches Worterbuch, Bertelsmann Lexikon Verlag 1997, S.
925.
397Vgl.: Sowremennyj tolkowoj slowar russkogo jasyka (Modernes Worterbuch
der russischen Sprache), Sankt Petersburg, ,,Norit“ 2001, S. 394.
398Vgl.: Russkij Enziklopeditscheskij slowar (Russisches enzyklopadisches
Worterbuch), Buch 2. Moskau ,,BRE“, S. 1030.
399Vgl.: Das Fremdworterbuch. Dudenverlag. Mannheim-Leipzig-Wien-Zurich
1997, S. 542.
240
>amen Territoriums, eines gemeinsamen W irtschaftslebens und einer
.emeinsamen psychologischen Verfassung der in der Gemeinschaft
restehenden Kultur. “400
Unter keiner dieser Defmitionen ist die Gesamtheit der Armenier,
die in Berg-Karabach leben, zu fassen: sie sind weder eine besondere
Nation noch ein besonderes Volk (ethnische Gemeinschaft). Wenn die
Bevolkerung von Berg-Karabach als Nachfahren der Albaner aus
Kaukasisch-Albanien, die ihre Sprache, Kultur, Mentalitat usw.
bewahrt haben, sich als Albaner bezeichnen wurden, dann konnte man
von einem bestimmten Volk sprechen, das sich wesentlich von den
Armeniem unterscheidet und besondere Rechte hat.
In der Praxis wird in der Regel die territoriale Integritat eines
Staates dem Grundsatz der Selbstbestimmung vorgezogen, deren
Umsetzung in den letzten Jahrzehnten zu vielen Krisensituationen in
den verschiedensten Weltteilen gefuhrt hat. In den Resolutionen des
UVSicherheitsrates zum Berg-Karabach-Konflikt (Nr. 822, 853, 874
und 884 von 1993) wurde im Anhang zum Abschlussdokument des
Lissabonner Gipfeltreffens der Organisation fur Sicherheit und
Zusammenarbeit in Europa von 1996, in den Resolutionen der
Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom Januar 2005
und in der Erklarung des N A TO-G ipfeltreffens (Staats- und Regierungschefs) in Riga im Dezember 2006 unverandert die territoriale
Einheit von Aserbaidschan betont. Die Organisation fur Sicherheit
und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sprach sich unverandert fur
die Selbstbestimmung der armenischen Gemeinde von Berg-Karabach
innerhalb eines einheitlichen aserbaidschanischen Staates aus.
Vom Standpunkt des Volkerrechts aus ist Berg-Karabach zweifellos ein integraler Bestandteil der Republik Aserbaidschan. Kein
einziger Staat hat weder die Abspaltung Berg-Karabachs von der
Republik Aserbaidschan noch seinen Anschluss an die Republik
Armenien anerkannt. Auch die „Republik Berg-Karabach“, die 1992
ausgerufen wurde, wird von keinem Staat anerkannt. Selbst die
Republik Arm enien hat offiziell diese selbsternannte Republik als
400Vgl.: Slow ar russkogo jasyka (Worterbuch der russischen Sprache), Band 2.
Staatlicher Verlag fur auslandische und nationale Worterbucher. Moskau
1958, S. 572.
241
Subjekt des Volkerrechts nicht anerkannt, obwohl sie faktisch und
gesetzeswidrig Berg-Karabach in ihr Territorium aufgenommen hat.401
In den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts und spater
wurden in Berg-Karabach wiederholt Parlamentswahlen und Prasidentschaftswahlen abgehalten. Deren Legitimitat und Legalitat
wurden von keiner einzigen autoritativen internationalen Organisation
(UNO, OSZE, EG, Europarat u.a.) anerkannt. Die Aktionen zur Wahl
des eigenen Parlaments und Prasidenten wurden in den Resolutionen
des Parlaments des Europarates vom Januar 2006 als ,,separatistisch“
bezeichnet. Verurteilt wurde von den internationalen Organisationen
auch das Referendum zur Annahme einer neuen Verfassung von BergKarabach. Die Europaische Union erkennt das Ergebnis des Referendums nicht an und betrachtet dessen Durchfiihrung als „nicht
vereinbar m it den Verhandlungen". Der Europarat, die OSZE und
andere europaische Organisationen teilen diese Meinung.
Die Republik Aserbaidschan hat dieses Referendum offiziell mit
den W orten von AuBenminister Elmar M ammadjarow402 als unverntinftige „Verschwendung von Zeit, Mitteln und Nervenenergie“ 403
bewertet. Die Wahlen und das Referendum in Berg-Karabach konnen
von der internationalen Gemeinschaft auch deshalb nicht als legitim
anerkannt werden, weil die vertriebenen Aserbaidschaner nicht in ihre
Heimat zuriickkehren konnen.
Als Ergebnis kann bestatigt werden, dass die armenische
Gemeinde Berg-Karabachs, gemaB den angefuhrten Definitionen von
Nation, keine besondere Nation und kein besonderes Volk sind und
deshalb kein Recht auf Selbstbestimmung in Form eines einzelnen
souveranen Staates, eines Subjekts des Volkerrechts haben, jedoch die
401 Es gibt auch Presseorgane, die Berg-Karabach falschlicherweise eine „arme­
nische Enklave... auf aserbaidschanischem Staatsgebiet“ nennen. Vgl.: Moskauer Deutsche Zeitung, N 24,12.2006, S. 12. Es ist unverstandlich, von
welchen volkerrechtlichen Bestimmungen sich die Redaktion dieser Ausgabe
dabei Ieiten lasst.
402Elmar Mammadjarow ist seit 2004 AuBenminister der Republik Aser­
baidschan. Der professionelle Diplomat war bis dahin als Botschaftsrat in
Washington und New York und als Botschafter in Rom tatig. Seine
geschickte Verhandlungstaktik und praktische Herangehensweise sind in den
diplomatischen und politischen Kreisen iiber die Region hinaus hochgeschatzt.
403Vgl.: Interview mit Elmar Mammadjarow in BBC Radio, Russische Redak­
tion, am 11.12.2006.
242
,mienische Gemeinde von Berg-Karabach als die kompakte ethnische
Minderheit ihr Recht auf Selbstbestimmung in der Form einer
Autonomie innerhalb der territorialen Integritat der Republik
Aserbaidschan geltend machen kann.
Die armenische Nation hingegen hat schon ihr Recht auf staatliche
Selbstbestimmung durch die Schaffung der Republik Armenien
venvirklicht. Die Thesen, dass formaljuristische Griinde und Widerspriiche im Hauptgrundsatz der Regelung von Konflikten im postsowietischen Raum die Verhandlungen iiber Berg-Karabach in die Sackgasse fuhren, sind begriindet, aber das ist nicht das Wichtigste. Das
Wichtigste ist das Fehlen der Bereitschaft zur friedlichen Regelung
dieses Konfliktes auf der Grundlage des existierenden Volkerrechts.
Eine gesonderte groBe Frage innerhalb des Volkerrechts ist die
Xutzung der Bodenressourcen durch auslandische Staaten auf den
besetzten aserbaidschanischen Gebieten. Die Republik Aserbaidschan
hat einen Rechtsanspruch darauf, auslandische Untemehmen, die ohne
Erlaubnis Bakus in diesen Gebieten operieren, in internationalen
Instanzen und Gerichten zur Rechenschaft zu ziehen. Es ware richtig,
diesen Firmen, die in den besetzten Gebieten tatig sind, die Tatigkeit
in ganz Aserbaidschan zu untersagen. Eine gewisse Zaghaftigkeit der
aserbaidschanischen Regierung au f dieser Ebene hangt vennutlich mit
dem Umstand zusammen, dass die ErschlieBung der Lagerstatten,
insbesondere der goldhaltigen, in den besetzten Gebieten im WesentJichen von fuhrenden westlichen, darunter auch amerikanischen,
Untemehmen betrieben wird.
Schon Ende 2004 legte Rowschan Nowrusoglu, der Direktor des
Zentrums fur Strategische Forschungen iiber internationalen Terrorismus und Korruption eine ,,lnformationsbank“ , eine Liste von 33
Untemehmen und Organisationen vor, die ihre Vertretungen in BergKarabach und anderen besetzten Gebieten hatten.404 In der Mehrzahl
404Vgl.: Roks Jurij. Rossija pretenduet na Karabachskoe soloto. Baku
predupreschdaet: inwestizii w neprisnannuju respubliku budut blokirowany
(Russland meldet Anspruch auf Karabacher Gold an. Baku warnt:
Investitionen in der nicht anerkannten Republik werden blockiert) „Nesawisimaja gaseta“, 4.9.2007, S.6. In dem Artikel ist die Rede von der Goldlagerstatte Sojudlinskij. Skandalos fur die insgesamt guten georgisch-aserbaidschanischen Beziehungen war auch die Mitteilung iiber die Absichten des
georgischen Untemehmens ,,Madneuli“ zur Ubernahme des armenischen
Unternehmens ,,Ararat“, das sich insbesondere auf Goldabbau spezialisiert
243
der Falle waren das diverse westliche Untem ehm en und F onds, aber
es gibt auch russische. A ber die Bestrafung der abzustrafenden Russen
ist vorerst noch erschwert. Die Sache ist die, dass das russische
Business an der W irtschaft der besetzten Gebiete beteiligt ist, in der
Regel nicht direkt, sondem iiber die armenische W irtschaft u n d iiber
russische Staatsbiirger arm enischer Abstammung.
Ein deutliches System zeigen in Berg-Karabach die russischen
,,Gasprom“ und ,,Itera“. Jedoch auch gegen sie konnte Aserbaidschan
seit 1. Januar 2007 anfangen vorzugehen, als Baku sich offiziell weigerte, russisches Gas zu kaufen. Die genannten russischen
Untemehmen waren die naturlichen Erdgaslieferanten nicht n u r nach
Armenien, woher es auch Berg-Karabach bezieht, sondem auch nach
Aserbaidschan, das vor 2007 fast 50 Prozent des blauen Brennstoffs
aus Russland erhielt.405
Eine militarische Aggression gilt im aktuellen V olkerrecht als
Verbrechen. Die Satzung der UNO (1945) verbietet einen Angriffskrieg, jedoch wurde in der gesam ten Zeit des Bestehens dieser O rgani­
sation kein Staat (dessen Staats- oder Regierungschef) vor Gericht
gestellt wegen der Entfesselung eines Angriffskrieges mit Besetzung
von Gebieten eines anderen Staates. Den Tatbestand der Aggression
muss ein intemationales Tribunal feststellen und den A ggressor zur
Verantwortung ziehen.
Die Frage iiber die strafrechtliche Verfolgungsmoglichkeit der
Aggression und ihrer Initiatoren wurde von der Entente schon nach
dem Ersten Weltkrieg gestellt. Die Siegermachte schickten sich an,
Kaiser Wilhelm II. vor ein intemationales Tribunal zu stellen. Die
Niederlande weigerten sich jedoch, den Kaiser fur eine Verhandlung
auszuliefem. Nichts desto trotz besteht internationale Ubereinstimmung dariiber, dass ein Angriffskrieg nicht nur illegal ist, sondem
auch dass er strafrechtlich geahndet werden muss.
Nach dem Zweiten W eltkrieg verurteilten die intemationalen
Tribunale in Niimberg und in Tokio viele (langst nicht alle) Vertreter
der militarischen und politischen Elite Deutschlands und Japans.
hat. Vgl.: a.a.O. Baku kredituet Tbilisi (Baku gibt Kredite an Tbilisi).
16.8.2007, S. 6, 13.10.2004, S. 5.
Vgl.: Sochbet Mamedow. Naryschkin Ijog na gasowuju ambrasuru (Naryschkin fiel uber die Gas-SchieBscharte). In: Nesawisimaja gaseta, 30.8.2007, S.
244
Jedoch wurden die verbrecherischen Regimes dieser Lander hauptsachlich wegen Volkermord, Verbrechen gegen die Menschheit und
Kriegsverbrechen verurteilt, denen ein militarischer Angriff auf die
Nachbarstaaten zugrunde lag.
Die UNO-Satzung brachte die wichtigste Erlauterung in die
Definition der gerechtfertigten (vom Standpunkt des Volkerrechts
legalen) Kriege ein: ein Krieg ist ausschlieBlich zum Selbstschutz oder
in dem Falle zulassig, wenn die Notwendigkeit von Kriegshandlungen
durch die Autoritat des UN-Sicherheitsrates unterstutzt wird. Jedoch
stoppte die lange Zeit des „kalten Krieges“ die Entwicklung des
Volkerrechts: erst nach den Ereignissen in Jugoslawien und Ruanda,
die den Tod Hunderttausender Zivilisten zur Folge hatten und als
V olkerm ord eingestuft wurden, und nach der Schaffung des
Intemationalen Gerichtshofes (Rom 1998) wurde (militarische)
„A ggression14 auf Forderung vieler Dutzend Lander in die Liste der
strafrechtlich verfolgbaren Taten aufgenommen.
Jedoch kann ein intemationaler Gerichtshof erst dann aktiv
w erden, wenn der Begriff ,,Aggression“ genau definiert ist und genau
die Bedingungen genannt werden, unter denen ein militarischer
Einfall als Aggression bewertet werden kann. Der Liechtensteiner
Experte Christian W enaweser406 ist der Oberzeugung, dass alle diese
Konkretisierungen, in Anbetracht der jetzigen intemationalen
Streitigkeiten darum, nicht vor 2010 erreicht werden konnen.
A lle Beteiligten haben vorerst der Schaffung eines intemationalen
G erichtshofes nur darin zugestimmt, dass Aggression einen bewaffne­
ten Uberfall eines Staates au f einen anderen beinhaltet und dass
A ggression ein Verbrechen des (der) Regierenden des Angreiferstaates ist. Dem konnte auch schwerlich nicht zugestimmt werden:
d ieser Sachverhalt wurde schon auf den Ntirnberger Prozess (Inter­
nationales Kriegsgericht vom 20.11.1945 - 1.10.1946) angewandt.
W as den Volkermord, die Verbrechen gegen die Menschheit und
die Kriegsverbrechen betrifft, so verfolgt sie der Internationale
G erichtshof auf Beschluss des UN-Sicherheitsrates oder eines beliebigen Staates. GemaB der Satzung der UNO wird der Tatbestand der
A ggression selbst durch den Sicherheitsrat festgestellt. Nicht einig ist
m an sich in der Frage dariiber, ob die eigentliche Feststellung des
406V gl.: Christian Wenaweser. Der Angriffskrieg als Verbrechen. In: Neue Zuricher Zeitung. Internationale Ausgabe, 11.10.2007, S. 4.
245
Tatbestandes der Aggression durch den Sicherheitsrat eine
unverzichtbare Bedingung ftir die Heranziehung der Staatschefs zur
individuellen Verantwortung ist. Die Standigen M itglieder des Sicher­
heitsrates vertreten die Position, dass ein intem ationaler G erichtshof
keinen Prozess beginnen kann ohne Feststellung des Tatbestandes der
Aggression durch den Sicherheitsrat. Die Bestimmung, ob eine
Aggression vorgelegen hat oder nicht ist das ausschlieBliche R echt des
Sicherheitsrates.
Damit sind zahlreiche Lander selbstverstandlich nicht einverstanden und verweisen auf die zu groBe ,,Zaghaftigkeit“ des Sicher­
heitsrates bei der Feststellung des Tatbestandes der Aggression: denn
selbst der Uberfall des Irak a u f Kuwait (August 1990-Februar 1991)
wurde nicht direkt als Aggression des Irak bezeichnet.
Um diese Situation zu losen, die keine rechtzeitige Bestimmung
und Bestrafung des Angreifers ermoglicht, konnen folgende Neuerungen vorgeschlagen werden: 1) das Faktum der Aggression kann
festgestellt werden durch Konsens aller Gerichte des Intem ationalen
Gerichtshofes selbst; 2) der Tatbestand der Aggression kann von der
UN-Vollversammlung festgestellt werden; 3) der Sicherheitsrat
konnte dem Intemationalen Gerichtshof signalisieren, dass dieser die
Strafverfolgung eines Aggressionsverbrechens vor der eigentlichen
Feststellung eines Aggressionstatbestandes durch den Sicherheitsrat
beginnen konnte.
Die Situation, dass ein intemationaler Gerichtshof Kriegs­
verbrechen verfolgen und bestrafen kann, und nicht das Recht hat, das
Faktum einer militarischen Aggression festzustellen, die die Moglichkeit solcher Verbrechen schafft, sollte moglichst bald abgeschafft
werden. Im anderen Fall sind auch weitere solche Situationen m og­
lich, dass ein Staat 20% des Territoriums des Nachbarstaates besetzt,
wie im Falle der Aggression der Republik Armenien gegen die
Republik Aserbaidschan, und dabei nicht als Angreifer verurteilt wird.
17. Ist die Lage ausweglos? Zu den Moglichkeiten ihrer
friedlichen Losung
„Der Sieger gewinnt nicht nur den Krieg, sondem a u f
lange Zeit auch das offizielle Gedenken daran. “
Sokolow W. W.
Viele Konfliktforscher, zu denen seit einiger Zeit auch der Autor
dieser Studien zahlt, definieren den Konflikt zwischen Armenien und
Aserbaidschan um Berg-Karabach als zwischenstaatlichen, politischen
und ethnisch-territorialen Konflikt. Die politische, zwischenstaatliche,
territoriale und ethnische Komponente dieses Konfliktes ist die
wichtigste. Aber in erster Linie ist dieser Konflikt m it den territorialen
Anspriichen der Republik Armenien und seinen intemationalen
Ambitionen verbunden. Fur die Republik Aserbaidschan bedeutet
dieser Konflikt in erster Linie die Abspaltung eines ihrer Teile, die mit
der Aggression des Nachbarstaates verbunden ist, der einen Anspruch
auf einen groBen Teil des Territoriums von Aserbaidschan erhebt und
dabei viele Regeln des Volkerrechts verletzt. Der aserbaidschanische
Standpunkt zum Konflikt wird von den meisten Einzelstaaten und
auch von intemationalen Organisationen gestiitzt. So wurde in der
offiziellen Erklarung des State Department der USA, die vor dem
Treffen der Prasidenten Aserbaidschans und Armeniens im April 2001
in Key West, Florida, veroffentlicht wurde, Armenien als Angreifer
bezeichnet und die armenischen Truppen von Berg-Karabach als
Separatisten.407
Bei alien Versuchen einer genauen Bestimmung dieser politischen
und militarischen Auseinandersetzung und Opposition unter der
eingebiirgerten Bezeichnung ,,Berg-Karabach-Konflikt“ wird der
Umstand nicht geniigend berucksichtigt, dass die Armenier (die
iiberwaltigende Mehrheit der armenischen Bevolkerung von BergKarabach, die Mehrheit der Armenier der Republik Armenien und der
einflussreiche und aktivste Teil der Armenier der weltweiten arme­
nischen
Diaspora)
der
Republik
Aserbaidschan
diametral
entgegenstanden. Diese Kraft w ar Ende des 20. Jahrhunderts, beim
407V gl.: Juschnyj Kawkas - sona interesow Soedinjonnych Schtatow (Der Sud­
kaukasus: Interessenszone der U SA ) In: Nesawisimaja gaseta, 20.7.2001, S.
4; und auch http://www.cffpr.kz/show.php7rua2606-02.htm.
246
2 47
Niedergang der UdSSR, ihrer organisatorischen, finanziellen, militarischen und diplomatisch-ideologischen Aktivitat nach offensichtlich starker als die damalige Republik Aserbaidschan, die sich in einer
tiefgreifenden Transformationsphase befand. Die Forderungen der
Armenier Berg-Karabachs nach ,,Abtrennung“, ,,Angliederung“ und
,,Unabhangigkeit“ waren inspiriert von dieser vereinten K raft und
wurden als willkommener Vorwand fur den Beginn der K riegshand­
lungen und der Okkupation eines wichtigen Teils der Republik A ser­
baidschan genutzt.
Folgt man der Logik des ehemaligen Sonderbeauftragten der EU
fur die Lander des Sudkaukasus, H. Talwitie, so mtisste dieser K on­
flikt als ,,aserbaidschanisch-armenisch“ definiert werden. 2003 betonte er, dass das „Problem von Karabach vor allem eine Sache zw eier
im Konflikt miteinander befmdlichen Staaten ist, und gleich danach
die Sache der Co-Vorsitzenden der M insker KSZE-Gruppe“.408 Es ist
eindeutig klar, dass mit den Staaten hier Aserbaidschan und Arm enien
gemeint sind. Denn ein erfahrener Diplomat konnte einen
international nicht anerkannten Staat wie Berg-Karabach nicht ,,Staat“
nennen. Dieser Diplomat sagt auch nichts uber die Rolle der arm e­
nischen Diaspora.
Auch der Umstand ist zu beriicksichtigen, dass der W iderstand und
W iderstreit zwei Etappen durchlaufen hat (die erste ist der K am pf mit
Mitteln der Politik und der Propaganda vor Beginn der Kriegshand­
lungen; die zweite ist der militarische A ngriff und die Okkupation
eines Teils des Territoriums eines Nachbarlandes) und seit 1994 die
dritte durchlauft - Einstellung des Feuers und Verhandlungen auf
Volkerrechtsbasis zur Beendigung der Okkupation und des W iderstreits, zur Ersetzung des Schadens und zur Errichtung normaler zw ischenstaatlicher Beziehungen zwischen der Republik Aserbaidschan
und der Republik Armenien. Die Parlamentarische Versammlung des
Europarates stellte am 25. Januar 2005 in Resolution 1416 fest, Streitkrafte von Armenien und „Separatisten besetzten widerrechtlich aser-
baidschanisches Territorium."409 Die Unverletzlichkeit der territo­
rialen Integritat der Republik Aserbaidschan und anderer legitimer
Staaten der Region wird in den Resolutionen der Vereinten Nationen
iiber den Berg-Karabach-Konflikt von 1993 betont. Der UN-Sicherheitsrat protestierte gegen die Besetzung des aserbaidschanischen
Territoriums durch armenische Truppen und forderte die Regierung
von Armenien zum Abzug ihrer Truppen aus dem besetzten Gebiet
auf und der Geltendmachung seines Einflusses dahingehend, dass
Berg-Karabach die UNO-Resolutionen und die Vorschlage der
M insker KSZE/OSZE-Gruppe befolgte.
Bei der Losung ethno-territorialer Konflikte werden gewohnlich
drei Stufen oder Etappen unterschieden: Entmilitarisierung, wirtschaftliche Rehabilitation, Definition (oder W iederherstellung) des
politischen Status. M it der ersten Etappe der Losung des Konfliktes
geschah absolut nichts - die Entmilitarisierung fehlt. Das Umgekehrte
geschieht: alle Konfliktparteien verstarken weiterhin ihr militarisches
Potential. Damit hat sich die Situation nur verschlechtert. Die zweite
Etappe, die Losung des Konfliktes, verbunden mit wirtschaftlichen
Errungenschaften seiner Seiten, gibt einigen Grund zum Optimismus.
Insbesondere Aserbaidschan hat seine wirtschaftliche Lage wesentlich
verbessert. Nach Angaben des Internationalen W ahrungsfonds (IMF)
betrug das W irtschaftswachstum der Republik Aserbaidschan in 2005
35% , in 2006 26% und in 2007 18%.
Die dritte Etappe bei der Losung des Berg-Karabach-Konfliktes ist
fast kom plett ,,eingefroren“ - es ist keinerlei Annaherung der Parteien
in einer friedlichen Losung des Konfliktes zu beobachten.
Jed er Konflikt, sei er zwischenethnisch oder politisch-territorial, ist
im m er individual, nach Geschichte und Situation nicht wiederholbar.
A llgem eine GesetzmaBigkeiten sind deshalb nur teilweise auf einen
K onflikt anzuwenden und sind immer unvollstandig. Insbesondere die
Logik der Entstehung und der Ausgang eines konkreten Konfliktes
erfordem eine individuelle Bewertung. In vielem nicht wiederholbar
ist auch der Weg der jew eiligen Konfliktpartei zum Frieden. In den
diversen Etappen der Losung des Konfliktes kommt man nicht ohne
direkte Kontakte zwischen Baku und Chankendi (Stepanakert) aus.
408V gl.’. Alijew, Jaltschin. U nowogo presidenta starye problemy (Der neue
President hat die alten Probleme). In: „Nesawisimaja gaseta", 10.11.2003, S.
4f)9V gl.: Parlamentary Assembly. Provisional edition. The conflict over the
Nagorno-Kabagh region dealt with by the OSCE Minsk Conference. Resolu­
tion 1416 2 0 0 4 )/1/, article 1.
11.
248
249
Und nicht nur zwischen den politischen Entscheidungstragem ,
sondem auch zwischen Geschaftsleuten, Vertretem der O ffentlichkeit,
Joumalisten, W issenschaftlem, religiosen W iirdentragem u.a. Die
Bereitschaft der Politiker und der Elite der am Konflikt beteiligten
Parteien, eine ,,Volksdiplomatie“ zu unterhalten, wiirde zw eifellos der
friedlichen Losung des Berg-Karabach-Konfliktes forderlich sein.
Die armenische Konfliktpartei bezichtigt Aserbaidschan, es habe
keine richtige Sozialpolitik in Berg-Karabach gemacht. Diese Politik,
die angeblich die armenische Bevolkerung der Autonom ie in eine
ungleiche Lage mit den Aserbaidschanem gebracht hat, wird au ch in
Erewan und Chankendi (Stepanakert) zum wichtigsten Faktor erklart,
der den Konflikt verursacht hat. Jedoch zeigt eine unvoreingenommene vergleichende Prufung der damaligen statistischen D aten
der sozialen Entwicklung in der Aserbaidschanischen SSR im A utono­
men Gebiet Berg-Karabach, in der Arm enischen SSR und in der
gesamten UdSSR die Unhaltbarkeit dieser Beschuldigungen. In
vielen, wenn nicht sogar den meisten, sozialen Bereichen hat sich die
Entwicklung in Berg-Karabach im Vergleich zu anderen Teilen der
UdSSR positiv hervorgehoben (s. Tabelle im Anhang). Konnte aus
einer solchen Entwicklung die armenische Bevolkerung ausgeschlossen werden, deren M ehrheit in den Stadten, stadtischen Siedlungen
oder in groBen Ortschaften Iebte und nicht nur auf den Bergen die
Schafe hiitete?
Unumganglich ist auch die Beriicksichtigung des Umstandes, dass
die Sozialpolitik in der UdSSR insgesamt und in der Aserbaidschani­
schen SSR insbesondere in ihren wichtigsten Zugen vom Unionszentrum, von Moskau aus, bestimmt wurde. Die Republik- oder die
Gebietsverwaltung konnten diese Politik nur ein wenig zum Besseren
oder Schlechteren korrigieren. Im Berg-Karabach der Sowjetzeit war
diese Korrektur recht erfolgreich zum Besseren. Aus der angefuhrten
Tabelle ist ersichtlich, dass Berg-Karabach mitnichten ein „Naturschutzgebiet“ der Ruckstandigkeit in der sozialen Entwicklung im
Vergleich zu den restlichen Teilen der UdSSR war. Daruber hinaus
zeugen die Berichte von Augenzeugen, die damals in der Autonomie
lebten, davon, das in der Realitat die Situation sogar noch besser war,
als man heute aus den offiziellen Angaben vermuten konnte.
Auch der Autor selbst, der unterschiedliche sowjetische Zeiten
erlebte und sich aufgrund seiner beruflichen Interessen lange in
250
verschiedenen Teilen der UdSSR (von 1945 bis 1996 in Westsibirien,
im nordlichen Ural, in Karelien, in und um Moskau, in Swerdlowsk
(heute Jekaterinburg), in Perm, auf Sachalin, auf Kolyma, in Kirgisien
(Frunse, heute Bischkek, Tschon-Keminskij Rayon), in Workuta, in
Kasachstan (Alma-Ata, Zelinograd - heute Astana, Pawlodarskaja
Oblast), in Belgorod, Charkow und in anderen Regionen der Sowjetunion) aufhielt, kann das au f der Grundlage seiner tagtaglichen
Beobachtungen und der Vergleiche mit den in den Anhangen
angefuhrten Tabellen bestatigen. Das haben auch zahlreiche Gaste des
Autors aus den unterschiedlichen National itaten der verschiedensten
Teile der ehemaligen UdSSR bestatigt. Man kann ruhig sagen, dass
die Armenier von Berg-Karabach nicht ein so hohes soziales
Lebensniveau hatten wie die Einwohner der Hauptstadt Baku. Jedoch
wohnten im Baku der Sowjetzeit mehr Armenier (mindestens
200.000) als in Berg-Karabach.
W enn ein Konflikt lange Zeit nicht gelost wird, „weitet er sich
aus“, tragt in sich immer neue Schwierigkeitsfaktoren, die seine
friedliche Losung behindern. Er wird komplexer, bekommt immer
neue Ebenen. Dann wird er m it der Zeit zunehmend schwerer losbar,
da die Streitparteien zunehmend im Verstandnis der gerechten und
friedlichen Formen seiner Losung auseinanderdriften. Gut vorstellbar
ist auch eine Situation, wenn eine Konfliktpartei an der Verzogerung
seiner Losung interessiert ist. Dabei stutzt man sich nicht selten
darauf, dass sich der Konfliktbereich „von selbst“ und natiirlich
zugunsten dieser ,,verzogernden“ Seite lost.
D ie andere Seite hingegen, die objektiv an einer moglichst raschen
L osung des Konfliktes interessiert ist, begeht den Fehler, nicht aktiv
und entschlossen genug solchen Hoffnungen entgegenzuwirken, und
sei es im breiten aufklarerisch-ideologischen Sinne. Von den auBeren
K raften, die das Bestreben der Partei, den Konflikt moglichst lange
Z eit „ a u f Eis zu legen“ unterstutzen, muss sich die Seite, die an seiner
raschen Losung interessiert ist, moglichst klar distanzieren. Letzten
E ndes zwingen lange „auf Eis gelegte“ Konflikte die Konfliktparteien
zur A nerkennung des Status quo. Objektiv gesehen ist das im Falle
des Berg-K arabach-K onfliktes weder im Interesse von Aserbaidschan
noch von Armenien noch von Berg-Karabach.
O ft konnen die Konfliktparteien mit einer teilweisen Erfullung
ihrer Forderungen au f eine bestimmte Zeit zufriedengestellt werden.
251
In diesem Fall sind Bewegungen, wenn auch langsam e, in eine
positive Richtung wichtig. Davon ausgehend sollten die K onfliktparteien moglichst oft kleine Forderungsvorschlage auf die T agesordnung
der Verhandlungen setzen. Je mehr diese M inim alfordenm gen
umgesetzt werden, desto m ehr kann der Verhandlungsprozess zum
gewiinschten Endergebnis flihren. Fiir Aserbaidschan, A rm enien, die
aserbaidschanischen und die armenischen Gemeinden von BergKarabach ware es niitzlich, eine Liste der M inim alfordenm gen und
der fiir beide Parteien vollig ohne Schaden annehmbaren Forderungen
aufzustellen, diese Liste durch Konsens zu bestatigen und die
Konfliktteilnehmer dem Gericht der Offentlichkeit zu iiberstellen.
Die schrittweise W iederherstellung des Vertrauens zw ischen den
Konfliktparteien spielt eine vorrangige Rolle bei der friedlichen
Losung des Konfliktes. Die Erffillung der o.g. M inim alforderungsvorschlage konnte der W iederherstellung des Vertrauens nur forderlich
sein. Insbesondere W irtschaftsprojekte m it gegenseitigem N utzen,
deren dringende Notwendigkeit fiir die Gesellschaft aller K onfliktpar­
teien offensichtlich ist, und eine beiderseits vorteilhafter
W irtschaftsaktivitat wurden die allmahliche W iederherstellung des
Vertrauens fordem. In dieser Hinsicht wurde es sich insbesondere fur
Aserbaidschan als wirtschaftlich starkerer Konfliktpartei lohnen,
immer neue Projekte zu beginnen und breit bekanntzugeben und
unermiidlich die Niitzlichkeit der Teilnahme der armenischen Seite an
ihnen unter der Bedingung der Befreiung der besetzten Gebiete und
einer gerechten Regelung des gesamten Konfliktes aufzuzeigen. Ohne
den Verzicht der Parteien au f einen unvemiinftigen M aximalismus.
ohne eine echte Suche nach Kompromissen ist die Aufgabe der
friedlichen Regelung des Karabach-Konfliktes nicht zu losen.
Es ist folgende Klassifizierung der VertrauensmaBnahmen denkbar.
Erstens. Eine Garantie eines stabilen, auf Volkerrecht griindenden
und von intemationalen friedensschaffenden Gruppen untersttitzten
Friedens.
Zweitens. Ein gemeinsam er administrativer Schritt. Die Erzielung
einer Vereinbarung, nach der alle Kriegsteilnehmer und Teilnehmer
des gesamten Konfliktes, die keine Verbrechen gegen die Menschheit
oder gegen die Zivilbevolkerung veriibt haben, eine Amnestie
erhalten. Der Austausch von Gefangenen und Geiseln und die Pflege
252
der Graber der Gefallenen werden sich positiv auf die Verhandlungen
und auf das Ubereinkommen auswirken. GroBe Bedeutung fiir das
Ubereinkommen hat die Zusammenarbeit der Justizbehorden der
Republik Aserbaidschan und Armeniens und Berg-Karabachs bei der
Bekampfung der Kriminalitat, insbesondere der Grenzkriminalitat und
des intemationalen Verbrechens.
Drittens. Der Verhandlungsprozess darf nicht unterbrochen wer­
den. Jede Unterbrechung schadet dem Ubereinkommen und erschwert
den weiteren Verhandlungsverlauf, die Losung der aktuellen Probleme
und die Erzielung von Endresultaten.
Viertens. Eine groBe Bedeutung hat die Riickkehr der Fliichtlinge
und Zwangsumgesiedelten an ihren fruheren W ohnort, wenn sie dies
wiinschen, und die Garantie fiir ihr normales Leben und ihre
Sicherheit. Gleichzeitig sind Fragen der materiellen und moralischen
Kompensation sowohl fiir diejenigen zu losen, die zur Riickkehr bereit
sind als auch fiir diejenigen, die sich an neuen Orten niederlassen und
nicht beabsichtigen, zuriickzukehren.
Funftens. Die Riickgabe der besetzten Territorien der Republik
Aserbaidschan durch die Republik Armenien vor der Losung auch der
Frage Berg-Karabachs ware ein guter Schritt zur Starkung des
Vertrauens. Aserbaidschan konnte unter der Garantie internationaler
Beobachter die Hinlanglichkeit und Zuverlassigkeit der Verbindungswege zwischen Erewan und Chankendi (Stepanakert) gewahrleisten.
In der Regel schwachen konkurrierende Machte dann ihre feindseligen Handlungen ab oder stellen sie ganz ein, wenn sie
offensichtlich in die Sackgasse fiihren oder die Konfliktparteien
iiberzeugt sind, dass die Anwendung von Gewalt sowohl ihnen als
auch ihrem Gegner den gleichen Nutzen bringt, oder wenn sie
erkennen, dass die Fortsetzung der feindseligen Konfrontationen sehr
viel teurer ist und viel weniger Privilegien bringt als die allmahliche
friedliche Losung des Problems. Insbesondere die Republik Aser­
baidschan sollte feindselige Sackgassen-Situationen vermeiden: je
baufiger diese auftreten oder provoziert werden und je langer sie
andauern, desto ,,eisiger“ wird der Konflikt. W eder die Republik
A rm enien noch Berg-Karabach zeigen ausreichende Bereitschaft
selbst zu kleinen und vollig vorteilhaften Kompromissen, die auf die
M oglichkeit einer friedlichen Losung des Konfliktes hinweisen
wurden.
253
Gewalt oder Androhung von G ew alt ist kaum eine p roduktive
Form der Regelung des Berg-Karabach-Konfliktes. Die A nw endung
von Gewalt zur Regelung eines Konfliktes ist gew ohnlich ein teures
und riskantes Untemehm en, das nicht selten zu neuen u n d selbst
erweiterten Streitigkeiten fuhrt; die Ergebnisse der G ew altanw endung
sind in der Regel nicht stabil und nicht von langer Dauer. D ie 19911994 besetzten aserbaidschanischen Gebiete sind dafiir ein
augenfalliges Beispiel: niemand denkt em sthaft, dass die R epublik
Aserbaidschan jem als auf ihr eigenes Territorium verzichten wiirde.
Gleich starke Gegner oder Gegner m it gleich starken V erbundeten
neigen eher zur friedlichen Erreichung der von ihnen geregelten
Ergebnisse und sind eher bereit, die MaBnahmen einer V ereinbarung
zu unterstiitzen. Unter gleicher Starke versteht der A utor nicht n u r die
faktische Gleichheit von (wirtschaftlichen, m enschlichen, m ilitarischen u.a.) Ressourcen, sondem auch die Unm oglichkeit einer Partei,
der anderen ihren W illen mit Gewalt aufzuzwingen.
W enn sich eine Konfliktpartei von vom herein als endgiiltigen
Sieger sieht und die andere Partei als Unterlegenen, so ist das
psychologische Fundament eines Konfliktes schon gelegt, u n d die
Hoffnung auf den Erfolg von Verhandlungen ist verloren. W ichtig ist
auch, offiziell keinerlei zeitliche Begrenzung der Verhandlungen
anzusetzen: der Druck offiziell m itgeteilter Fristen verringert die
M oglichkeit des Erfolgs au f dem W eg der kleinen, fur beide
vorteilhaften, Schritte aufeinander zu. Andererseits, was steht denn
hinter den offiziell mitgeteilten vorlaufigen Fristen? Krieg oder eine
komplette und unvereinbare gegenseitige Entfremdung der Parteien,
was einem ,,Einfrieren“ des Konfliktes gleichkommt. Die intem a­
tionale Erfahrung zeigt inzwischen, dass ,,eingefrorene“ Konflikte
frtiher oder spater zu neuem Blutvergieflen und zu einer neuen
m ilitarischen Auseinandersetzung fiihren konnen. Die aktuellen
Ereignisse im August 2008 zwischen Georgien und Russland haben
diese These nochmals bestatigt.
Fur das Fiihren von Verhandlungen sind bevollmachtigte, verantwortliche Vertreter der Seiten erforderlich, die als solche auch von der
Gegenseite anerkannt werden. Ohne die Anerkennung der Realitat der
delegierten Vollmachten sind Verhandlungen sinnlos oder verfolgen
falsche Ziele. Wenn die aserbaidschanische Partei keine Verhand­
lungen m it dem „Prasidenten" von Berg-Karabach fiihren kann, so
254
konnen die Verhandlungen mit dem gleichen Menschen geftihrt
werden als „dem Leiter der armenischen Gemeinde von BergKarabach" oder als dem Leiter der „separatistischen Krafte von BergKarabach" (vielleicht sind darunter auch Vertreter anderer
Nationalitaten). Wenn die friedliche Losung der Frage ernsthaft
angestrebt wird, so gibt es keine Probleme auch fur Gesprache mit
dem klaren Gegner. Das tragt wenigstens dazu bei, dass man ihn
besser kennt und versteht.
Eine qualitative Neuheit wurden dem Verhandlungsdialog
offizielle gegenseitige Entschuldigungen der widerstreitenden
Konfliktparteien fur einander zugefugte Beleidigungen, Ungerechtigkeit und Menschenrechtsverletzung geben. Ein anderer Schritt zur
friedlichen Losung des Konfliktes ware eine Nichtangriffsvereinbarung zwischen der Republik Aserbaidschan und der Republik
Armenien. Ein solcher Pakt konnte Berg-Karabach davon iiberzeugen,
dass Aserbaidschan ein entschiedener Anhanger der friedlichen
Losung des Konfliktes ist. Diese Uberzeugung wiirde den weiteren
Dialog und die Moglichkeiten der friedlichen Losung des Konfliktes
wesentlich erleichtern.
Theoretisch gibt es drei Hauptwege zur Losung von Konflikten. 1.
Eine aufiere Macht diktiert den Konfliktparteien die Losung des
Konfliktes. 2. Der Konflikt kann durch Handlungen einer Konfliktpar­
tei gelost werden. 3. Der Konflikt wird von den Konfliktparteien
gem einsam und friedlich auf politischem Wege gelost.
Der dritte Weg zur Losung von Konflikten ist der aussichtsreichste
und die Resultate, die auf diesem Weg erzielt werden, sind am dauerhaftesten.
Z ur Erreichung eines Friedens ist die rasche Schaffung eines
zuverlassigen „Trenngiirtels" zwischen den Verhandlungspartnern des
Konfliktes wichtig, damit ein direkter Kontakt zwischen ihnen
voriibergehend nicht moglich ist. Hier sind zuverlassige neutrale
auslandische Krafte erforderlich, die rasch zwischen den Verhandlungsparteien des Konfliktes stationiert werden konnten. Diese Krafte
konnten die Entwaffnung der Parteien fordem und die Entwaffnung in
der Konfliktzone kontrollieren. Solche Aufgaben konnen nicht gelost
w erden, wenn zwischen den Verhandlungspartnern des Konfliktes
jegliches Vertrauen fehlt. Solche MaBnahmen wurden offenbar nach
dem W affenstillstand im Berg-Karabach-Konflikt nicht umgesetzt.
255
Um einen neuen Krieg zu verhindem , sind grundlegende
VorsichtsmaBnahmen erforderlich. Das sind laufende Folgem aBnahmen, die bestimmte Ausgaben mit sich bringen. Jedoch ist der Preis
der VorsichtsmaBnahmen, verglichen m it den K osten fur den K rieg,
den W iederaufbau nach dem Krieg und die B eseitigung seiner
psychischen Folgen, nicht zu hoch. Die Republik A serbaidschan d a rf
sich deshalb vom Preis der VorsichtsmaBnahmen nicht abschrecken
lassen.
Ganz wichtig sind die sozialen Aspekte einer friedlichen Losung
des Konfliktes. W ie akzeptieren sich die Gesellschafiten der L ander
der gegnerischen Konfliktparteien gegenseitig? W as m uss unbedingt
getan werden zur Verbesserung der positiven Seiten dieser Akzeptanz? Die Einbeziehung der offentlichen M einung in Debatten uber
die Bedingungen einer gerechten Regelung ist eine unverzichtbare
Voraussetzung fur die Erzielung eines stabilen politischen Resultats
im Kaukasus. Einen Kompromiss einzugehen, der nicht von der
offentlichen M einung getragen wird, ist eine todliche Gefahr fur jede
Regierung in dieser Region. Eine vermeintlich zu groBe Kom promissbereitschaft wird hier von der politischen Opposition als Verrat an den
staatlichen Interessen gesehen. Die blutigen Ereignisse im Oktober
1999 im Parlament der Republik Armenien bezeugen dies deutlich.
Damals begannen die Vereinigten Staaten am Vorabend des OSZEGipfeltreffens in Istanbul mit der aktiven Vermittlung zwischen
Erewan und Baku. Schon schien es vielen, dass ein Boden fur die
Annaherung der Positionen von Armenien und Aserbaidschan im
Verhandlungsprozess gefunden worden war. Aber die ftinf
armenischen Terroristen, die das Parlament stiirmten und sieben
Politiker erschossen, darunter auch den Parlamentsvorsitzenden und
den Premierminister, haben den Annaherungsprozess der Parteien im
Berg-Karabach-Konflikt unterbrochen. Irgendwelche einflussreichen
armenischen Krafte waren gegen diese Annaherung und verschoben
sie auf lange Jahre. Man muss anerkennen, dass sowohl in Aserbaid­
schan als auch in Armenien die offentliche Meinung langst nicht
immer einer entstandenen Situation und den objektiven Anforderungen der Konfliktparteien und ihren langfristigen Interessen
angemessen ist.
Die geschichtlichen W urzeln des Berg-Karabach-Konflikts reichen
so weit zuriick, dass die Stiitzung auf sie auch vom Hauptziel der
256
friedlichen Losung, der Gewahrleistung der Moglichkeit des freien
Lebens der Karabacher in einem gemeinsamen Heimatland
unabhangig von ihrer N ationality, wegfuhren kann.410 Eine „Histo­
rische Argumentation41 ist bei der Prufung und Losung von Konflikten
naffirlich nicht entscheidend, obwohl die Geschichte immer als tiefer
Hintergrund in die Interpretation der Ereignisse einflieBt und nicht
vollig eliminiert werden kann. Die Solidaritat mit den Vorfahren und
die Stutze auf die Geschichte ist eine der Komponenten, die den Sinn
des Lebens des Menschen und der Gemeinschaften von Menschen
bilden. Eine Schwierigkeit bei der Losung des Berg-KarabachKonfliktes besteht darin, dass viele Konfliktbeteiligten aus
entgegengesetzten Positionen von der Uberlegenheit der historischen
Argumente iiberzeugt sind und nicht die Bedeutung des
Volkerrechtes, die reale Krafiteanordnung auf regionaler und internationaler Ebene im Vergleich zur Ausgangslage, die Tendenzen der
historischen Entwicklung und die langfristigen Interessen der eigenen
Seite richtig einschatzen.
Das kollektive Gedachtnis kann als machtiges Mittel sowohl zur
Entfachung als auch zur Verringerung von Gewalt und interethnischen
Konflikten dienen. Bei der Entstehung eines ethnischen Konfliktes
kann das kollektive Gedachtnis ein ausschlaggebender Faktor sein, der
unter bestimmten Bedingungen sogar eine Schliisselrolle spielt. Das
kollektive Gedachtnis enthalt vergangene Krankungen, Zorn und
Hass, die unter bestimmten Bedingungen von den politischen Eliten
als Mittel zur Entfachung eines Konfliktes und eines Krieges
instrumentalisiert werden konnen.411 Jedoch spielt bei der friedlichen
Losung von Konflikten das kollektive Gedachtnis eher eine
brem sende Rolle.
Die offentliche M einung wird im Kaukasus nicht seiten zur
unuberwindlichen Hiirde au f dem Weg zu verniinftigen, gegenseitig
nUtzlichen Kompromissen. Derjenige Regierungschef im Kaukasus,
41(1V g l.: Altstadt Audrey L. О Patria Mia: National Conflict in Mountainous
Karabagh. In Sammelband: Ethnic Nationalism and Regional Conflict. The
Former Soviet Union and Yugoslavia. Ed. By Duncan W. Raymond and
Holm an G. Paul, Jr. USA: W estview Press: Boulde, Co, 1994, p. 112.
4 l,Karagjesow Rauf. Kollektiwnaja pamjat w etnopolititscheskom konflikte:
slutschaj Narodnogo Karabacha. (Das kollektive Gedachtnis im ethnopolitischen Konflikt: Der Fall Berg-Karabach) In: Zentraljaja Asija i Kawkas
(Zentralasien und der Kaukasus), Nr. 5 (47),2006, S. 167-179.
257
der bestrebt ist, unabhangig von der offentlichen M einung zu handeln,
ausgehend von den objektiven Interessen des Landes in der jew eiligen
Etappe, wird fast autom atisch von EU-Politikern des A utoritarism us
und der antidemokratischen Intentionen beschuldigt. B esonders oft
,,gelingt“ dies auf dieser Ebene dem aserbaidschanischen Prasidenten
Ilham Alijew, obwohl seine Republik sowohl die stabilste als au c h die
sich wirtschaftlich am erfolgreichsten entwickelnde in der R egion ist.
Gerade die ideologischen Einstellungen der EU-Staatschefs fuhren
dazu, dass die Republik Aserbaidschan, die materiell so viel gelitten
hat durch den Konflikt, von der EU im Vergleich zu anderen Republiken der Region w eniger Hilfe erhalt.412 Diese Politik schadet nicht
nur Aserbaidschan, sondern auch der EU, deren eigentlicher P latz im
Kaukasus langst von den USA besetzt ist.
In der Republik Aserbaidschan gibt es mehr als 20 nationalethnische M inderheiten, die mehrheitlich in kompakten Siedlungen
leben. AuBer Armeniern wohnen hier Udinen (6000), Krysy (1000),
Chinalygi (2000), Budugi (1000), Ingiloizy (8000), Lesginen
(178.000), Griechen (700), Juden (3.000), Russen (141.000), Kurden
(28.000), Georgier (14.000) u.a.413 Das einzige monoethnische Land
im Siidkaukasus ist Armenien. Die Bevolkerung der Republik besteht
zu fast 98% aus Armeniern, obwohl einst in diesem Gebiet Vertreter
vieler Nationalitaten lebten.
Die religiose Toleranz in Aserbaidschan, wo Moslems, Christen
und andere Religionen friedlich zusammenleben und deren Traditionen eine jahrhundertelange Geschichte haben, wird von auslandischen Experten festgestellt und hoch eingeschatzt. In der Verfassung
der Republik Aserbaidschan von 1995 wird die Gewissensfreiheit und
der weltliche Charakter des Staates garantiert, Moscheen, Kirchen,
Synagogen und Tempel koexistieren friedlich in Baku, wo auch Ende
2005 mindestens 30.000 Armenier lebten, vor allem Arm enier in
Mischehen.
Nationale Minderheiten gibt es in vielen Landem. Multinationale
Lander sind heute eher die Regel als die Ausnahme. „Aber das
4l2Vgl.: Perwye liza. Ilham Alijew, president Aserbajdschana (Fiihrende Personlichkeiten. President von Aserbaidschan.) In: Kommersant, 22.2.2007, S .10.
413
•
•
Vgl.: Guliewa Narida. Etnitscheskie menschinstwa: realnost i perspektiwy
(Ethnische Minderheiten: Realitat und Perspektiven. In: IRS, Nr. 5 (23), 2006.
S. 4-8.
258
Vorhandensein einer nationalen Minderheit bedeutet nicht, dass sie
sich abspalten und auf dem Territorium eines Landes einen eigenen
Staat griinden kann. Stellen Sie sich vor, was ware, wenn die
Armenier beginnen wurden, in alien Landem, wo sie wohnen, eigene
Staaten zu griinden? Wie viele armenische Staaten wurden in diesem
Fall geschaffen? Sie haben bereits einen armenischen Staat!“414
Selbst bei sich gegenseitig ausschlieBenden Standpunkten sprechen
die Verhandlungspartner besser miteinander als iibereinander. Vorurteile werden nicht dadurch beseitigt, dass au f Verhandlungen
gedroht wird, ,,heikle“ Fragen anzusprechen. Es ist wichtig, in welcher
Form sie gestellt werden, den Verhandlungspartner als gleichberechtigten, aufrichtigen Gesprachspartner zu sehen, der Recht auf
seine eigenen Uberzeugungen und Vorurteile hat. Besonders wichtig
ist diese Einstellung, wenn Vermittler bei Verhandlungen anwesend
sind.
Hindemisse fur die friedliche Regelung eines Konfliktes sind die
unzureichende Erkenntnis oder Kenntnis der gegenseitigen Abhangig­
keit der Konfliktparteien; die Unfahigkeit oder die fehlende Bereitschaft, das Wesen, den Kern, die Hauptsache in den Positionen der
Gegenpartei zu verstehen und gemaB diesem Verstehen zu handeln;
das Fehlen politischer Formeln, die vorlauftg fur alle Konfliktparteien
akzeptabel waren und gleichzeitig auf eine mogliche friedliche
Losung des Konfliktes hinweisen wurden; eine zu aktive Einmischung
auslandischer interessierter Machte; der nicht ausreichende Wille (und
W unsch) einer Partei zur friedlichen Losung des Konfliktes.
A us erfolgreichen Verhandlungen gehen alle Verhandlungsteilnehmer leicht unzufrieden heraus. Sonst ist es kein Kompromiss. Weder
die Verhandlungspartner noch die Vermittler erreichen nicht die von
ihnen gesetzten Ziele in der ganzen Ftille und treten, das erkennend, in
die Verhandlungen ein, bereit zu einem bestimmten Kompromissspektrum.
Je m ehr einwirkende auBere Krafte in den Konflikt verwickelt sind
oder dam it verbundene Interessen haben, desto groBer ist die Gefahr,
dass die Konfliktparteien bei der Losung des Konflikts nicht auf sich
selbst hoffen werden, sondem auf die Unterstiitzung der regionalen
oder globalen Player. Die Gegensatzlichkeit und in vielen Punkten
4l4VgI.: D ie Rede des Prasidenten der Republik Aserbaidschan Ilham Alijew, in:
Kom mersant, www.kommersant.ru/leaders. 22.2.2007
259
direkte und bewusste Gegeniiberstellung der Interessen der U S A , der
EU, Russlands, der Tiirkei und des Iran in der Region erschw eren die
Losung des Berg-Karabach-Konfliktes. Es kann kaum v e m e in t
werden, dass gewisse politische und militarische Krafte in R ussland
auch nach dem Zusammenbruch der UdSSR eine wichtige R o lle im
Berg-Karabach-Konflikt spielten und bei dessen kiinstlicher A ufrechterhaltung weiterhin spielen werden.
Von 1992 bis 1994 und zeitweise spater gelangten russische
Waffen und Ausriistung in beeindruckender Menge a u f das
Territorium der Republik Armenien. Diese Lieferungen riefen breite
Proteste in Aserbaidschan hervor. Im Lichte der M itgliedschaft der
Republik Aserbaidschan in der GUS, zu der auch R ussland und
Armenien gehoren, erscheinen solche Lieferungen besonders zynisch.
Die heimliche Lieferung von russischen Waffen an A rm enien w urde
in der Staatsduma in Russland erortert und vom A bgeordneten der
Staatsduma General Lew Rochlin scharf kritisiert. General L. R ochlin
kam spater unter ungeklarten Umstanden zu Tode.
Anfang 2007 waren in alien drei transkaukasischen Republiken
russische Militars stationiert. Eine russische Militarbasis befindet sich
in Gjumri (Armenien). Seit 1997 besteht zwischen Russland und
Armenien
ein
gegenseitiger
Beistandsvertrag.
Im
N orden
Aserbaidschans befindet sich die Gabaia-Radarstation, die Russland
nach dem Vertrag bis 2015 nutzen wird. In Georgien befinden sich
noch die russischen Militarbasen Achalkalaki und Batum i, die
iibrigens fur Russland schon lange keine militarische Bedeutung mehr
haben, und Moskau kann sie leichten Herzens auflosen.
Ohne die USA oder gegen den Willen der USA, ohne Russland
oder gegen den Willen Russlands wird es keinen dauerhaften Frieden
geben, weder zwischen Aserbaidschan und Armenien, noch im
Sudkaukasus insgesamt. Diese zwei Subjekte der Weltpolitik konnten
in Zusammenarbeit miteinander einen entscheidenden Beitrag zur
friedlichen
Losung
des
Berg-Karabach-Konfliktes
leisten.
Aserbaidschan kann sich keine militarische Losung des BergKarabach-Konfliktes erlauben, obwohl die vom Nachbam besetzten
Territorien
der
Republik
Aserbaidschan
eine
schreiende
Ungerechtigkeit und eine grobe Verletzung des Volkerrechts
darstellen.
260
Mit der Zeit wird sich aufgrund der dynamischen Entwicklung
Aserbaidschans in den letzten Jahren die Diskrepanz des wirtschaftlichen, demographischen und militarischen Potentials zwischen
Aserbaidschan und Armenien immer starker bemerkbar machen. Die
soziale Stabilitat und das wirtschaftliche W ohlergehen der normalen
Burger unterscheidet schon heute Aserbaidschan positiv von
Armenien, trotz der enormen Hilfe, die Armenien von tiberall erhalt.
Die Entwicklung Aserbaidschans wird eine wichtige Bedeutung fur
die friedliche Losung des Berg-Karabach-Konfliktes haben.415
415V g 1.: Dmitrij Rupel. Amtierender OSZE-Vorsitzender in: ww w.dav.ax/
p p litic s e 4772.html.; Juschnyj Kawkas - sona interesow Soedinjonnych
Schtatow Ameriki (Der Sudkaukasus: Interessenszone der USA. In: Nesaw isim aja gaseta, Nr. 113, 20.7.2001, S.4; Neftjanoj rekord. Aserbajdschan
rastjot как nikto w mire (Olrekord. Wachstum in Aserbaidschan so hoch wie
nirgends auf der Welt. In: Westi, 23.1.2007, S. A3.
261
18. Zu den Annaherungswegen der Positionen der K on ­
fliktparteien iiber mogliche Kompromisse
„ Die Geschichte lehrt nicht, was man tun muss,
sondem was man nicht tun darf. Sie ist nutzlich, w eil
sie ein warnendes Wissen bereitstellt. “
K ljutschew skij W .S.
Die Organisation fiir Sicherheit und Zusam m enarbeit in E uropa
(OSZE) prtift sowohl den Kompromiss der Riickgabe der sieben an
Berg-Karabach angrenzenden Rayons von der Republik A rm enien an
die Republik Aserbaidschan, die Riickkehr der Fliichtlinge in diese
Rayons, die Stationierung von Friedenstruppen in B erg-K arabach und
in den daran angrenzenden Rayons als auch die D urchfuhrung eines
Referendums in Berg-Karabach iiber dessen zukunftigen Status. Diese
Vorschlage halte ich, gelinde gesagt, fiir nicht durchdacht: es wird
darin unverstandlicherweise angezweifelt, dass Berg-K arabach
Territorium der Republik Aserbaidschan ist.4' 6
Der damalige Premierminister der Republik Arm enien Serge
Sarkisjan brachte den Gedanken des Abschlusses eines Friedensvertrages in Form einer ,,Friedensvereinbarung“ zwischen Aserbaidschan
und Armenien ein: „Es handelt sich um ein Friedensabkommen - mit
diesem Vertrag werden beide Parteien fur immer au f eine gewaltsame
Losung des Konfliktes verzichten miissen. Wenn der Vertrag
unterzeichnet sein wird, beginnen wir, an der Annaherung der beiden
Volker zu arbeiten, und es wird Bewegung in die Sache kom men“ .4n
Ein Friedensvertrag ohne vorhergehende Befreiung der besetzten
Gebiete eines Nachbarlandes?
Fast ein Jahr spater gab der gleiche Politiker, nun schon in der
Position des Prasidenten der Republik Armenien, eine auBerst
interessante Erklarung: „Ich meine, dass - wie paradox es auch
klingen mag - Aserbaidschan das Recht des Volkes von Berg-Karabach auf Selbstbestimmung anerkennen muss und Armenien das
Vgl.: Moskauer Deutsche Zeitung, 3.2.2008, S. 8.
4l7Vgl.: Zwetnaja rewoljutsija w Armenii wosmoschna lisch teoretischeski. (Die
farbige Revolution in Armenien ist nur theoretisch moglich.) Interview des
Premierministers der Republik Armenien Serge Sarkisjan. In: Nesawisimaja
gaseta, 27.4.2007, S. 7.
262
Recht Aserbaidschans auf territoriale Integritat anerkennen muss. A uf
den ersten Blick sind diese Dinge unvereinbar. Aber ich bin
iiberzeugt, dass es nur auf den ersten Blick so ist. Und gerade auf
dieser Basis, wenn das Problem gegenseitig verstanden wird, konnen
wir auch einen vemiinftigen Kompromiss fmden.“418 Dieser
Vorschlag ist recht mysterios und kann ohne Detaillierung seitens
seines Autors nur schwer bewertet werden. Aber zwei Frage werden
aufgeworfen: 1) Was meint President Sarkisjan mit „Volk von BergKarabach“? und 2) Was meint er mit „Selbstbestimmung"? Wenn es
die Selbstbestimmung einer breit gefassten Autonomie oder Republik
innerhalb der Republik Aserbaidschan ist, dann sind Kompromisse
wahrscheinlich moglich.
Eine andere, fur die Republik Aserbaidschan klar unannehmbare
Forderung, stellt der C hef der neuen einflussreichen politischen Partei
„Prozwetajuschtschaja Armenija“ (Bliihendes Armenien) Gagik
Zarukjan: „Wir sind davon iiberzeugt, dass der nachste Schritt die
intemationale Anerkennung der Unabhangigkeit der Region BergKarabach und seine Integration in die Volkergemeinschaft ist. Die
weiteren Fragen im Kontext der Schaffung von Frieden in der Region
und gutnachbarlicher Beziehungen zu Aserbaidschan konnen erortert
und gelost werden“.419
Es ist sehr viel Fantasie dafur erforderlich, an die Unabhangigkeit
von Berg-Karabach zu glauben und den gleichen Glauben von
anderen zu verlangen.
Die Offnung der tiirkisch-armenischen Grenze (1992 geschlossen),
die unter anderem von der Losung des Berg-Karabach-Konfliktes
abhangt, ist nach Schatzungen einer Reihe von Experten geeignet, das
Bruttoinlandsprodukt der Republik Armenien um ein Drittel ansteigen
zu lassen. Weshalb also nicht diese Moglichkeit vernunftigerweise
nutzen?
Die Ausweitung des Separatismus auf dem Territorium der ehem aligen UdSSR begann verstarkt gerade mit dem Beginn des BergKarabach-Konfliktes, der sich danach zum Krieg ausweitete. In
unseren Tagen konnte die friedliche politische Losung dieses
K onfliktes auch einen Impuls fiir die Losung anderer langer Konflikte
des postsow jetischen Raumes geben.
4IRV gl.: Rossijskaja gaseta, 7.3.2008, S. 3.
419V gl.: das Interview von Zarukjan in: ,,Iswestija“,8.5.2007, S. 4.
263
Die Alternative zur friedlichen Losung des B erg-K arabachKonfliktes ist eine weitere M ilitarisierung der Region, eine V erscharfung der hum anitaren Krise in Armenien, A serbaidschan und
Berg-Karabach, eine anhaltende Bremsung der W irtschaftsentw icklung der Region und eine Verstarkung der bei w eitem nicht
uneigenniitzigen Einmischung extem er M achte in das Schicksal der
Lander des Sudkaukasus. Der Konflikt zwischen der R epublik A rm e ­
nien und der Republik Aserbaidschan ist komplex und verw orren und
hat eine enorme zerstorerische Auswirkung, die die w ichtige
geopolitische Region bedroht.
Dieser Konflikt unterscheidet sich von vielen anderen durch die
enorme Zahl seiner falschen W ahmehmungen und Interpretationen.
Die Erklarung daftir ist vielschichtig. In der ersten Etappe des
Konfliktes, in der Zeit der UdSSR, wurden alle Informationen von der
Zentralmacht und den ortlichen kommunistischen Behorden sorgfaltig
dosiert und zuweilen verfalscht. Objektive, gepriifte Inform ationen
iiber Konflikte gab es ganz offensichtlich nicht in ausreichender
Menge. Auch die relative Unkenntnis der vielen Beobachter und W issenschaftler des Berg-Karabach-Konfliktes beziiglich der historischen
und kulturellen Besonderheiten der Region ist offensichtlich.
Die Ursachen des Konfliktes sind in einer Reihe von Faktoren zu
suchen: dem Umstand, dass sich die armenische Bevolkerungsm ehrheit von Karabach sozial, kulturell, wirtschaftlich und politisch
diskriminiert flihlt; im durch die historischen und kulturellen Umstande entstandenen ,,Antagonismus“ der nationalen Identitaten, im
Fehlen demokratischer Institutionen in der ehemaligen UdSSR,
wodurch die armenische Bevolkerung von Karabach nicht die
Moglichkeit hatte, offen ihre Unzufriedenheit zu auBem, in der Unter­
stiitzung der armenischen Diaspora von auBen, in den Bestrebungen
der Anhanger der Schaffung von Grol3-Armenien, in der „Hand Moskaus“, und in vielem anderem.
Besonders wichtig ist eine umfassende Bewertung der Probleme
der bilateralen Beziehungen von Armenien und Aserbaidschan in
Verbindung mit der haufig anzutreffenden These iiber die Existenz
historischer Beweise fur die Zugehorigkeit der aserbaidschanischen
Khanate Karabach, Eriwan und Nachitschewan zu Armenien und mit
den Versuchen, die Eroberung dieser aserbaidschanischen Territorien
264
durch Russland als Anschluss des armenischen Volkes und der
armenischen Gebiete an das Russische Reich darzustellen.
Die Analyse russischen Archivmaterials der vorsowjetischen
Periode und anderer Lander liefert keinerlei Beweise fur die Zuge­
horigkeit der genannten drei Khanate zu Armenien. Im Gegenteil
zeugen, wie der Forscher Sachib Dschamal richtig bemerkt, alle
Dokumentenquellen - im Unterschied zu den Falschungen - vom
aserbaidschanischen Charakter dieser Gebiete und Khanate. Auch in
historischer und demographischer sowie in kultureller und in
politischer Hinsicht waren die Khanate Karabach, Eriwan und
Nachitschewan aserbaidschanische Staatsgebilde, die zuweilen groBc
Unabhangigkeit vom Safawiden- und vom Kadscharenstaat, vom
Osmanischen Reich oder von Russland erreicht hatten, und die eine
wichtige Rolle bei der Entstehung des aserbaidschanischen Staates
gespielt hatten. Der Autor hofft, dass diese Studien auch ihren Teil zur
Erhellung der wahren Geschichte von Berg-Karabach beigetragen
haben.
Die dynamische Entwicklung von Aserbaidschan, seine zunehmende regionale und geopolitische Bedeutung, bedingt sowohl durch
die Politik seiner gegenwartigen Regierung als auch durch seine
geographische Lage und durch seine riesigen Ressourcen, Transitmoglichkeiten und die sich entwickelnde Olindustrie, fiihrt unvermeidlich zu einer Verschiebung des Kraftegleichgewichts in der
Region zu Ungunsten Armeniens. Die von Aserbaidschan zusammen
m it der EU, den USA und anderen Landern realisierten gewaltigen
Energie- und Transportprojekte bringen dieses Land nicht nur der EU,
sondem auch dem W eltmarkt fur Produkte und Dienstleistungen
insgesam t naher.
Im Dezember 2006 wurde zwischen Aserbaidschan und der EU in
Brussel das Memorandum iiber die strategische Energiepartnerschaft
unterzeichnet. Am 22. Marz 2007 wurde von der US-Au6enministerin
Condoleezza Rice und dem aserbaidschanischen Aul3enminister Elmar
M amedjarow in Washington das „Memorandum iiber die Zusammen­
arbeit zwischen den USA und Aserbaidschan im Energiebereich“
unterzeichnet - ein zweifellos auch auf dem Hintergrund der Per-
265
spektiven einer Losung des Berg-Karabach-Konfliktes bedeutendes
Ereignis420.
Geopolitisch ist wichtig, dass sich Aserbaidschan nicht m it der
Rolle eines Lieferlandes fur Energietrager begniigen will, sondem
bereit ist, auch em sthafte Transitfunktionen fur interessierte L an d er zu
iibemehmen und in wachsendem MaBe Erdolprodukte zu produzieren
und damit zu handeln.421 In der M ehrzahl der bereits um gesetzten
Projekte wie etwa der Olpipeline Baku-Tbilissi-Ceyhan, der Gaspipeline
Baku-Tbilissi-Erzurum,
der
im
Bau
befm dlichen
Eisenbahnlinie von Kars iiber Achalkalaki nach Baku und anderen
Projekten ist Armenien hauptsachlich aufgrund der Okkupation von
Teilen des Territoriums Aserbaidschan nicht beteiligt. Ein solches
,,Herausfallen“ aus der regionalen und globalen wirtschafilichen
Zusammenarbeit ist der Republik Armenien kaum niitzlich.
Aserbaidschan stellt Jahr flir Jahr groBere Summen fur m ilitarische
Zwecke in den Haushalt ein. In 2006 tiberstiegen diese Ausgaben 600
Millionen US-Dollar. Diese Ausgaben machten iiber 10 Prozent der
Ausgabenposten des gesamten Haushalts aus. In einer seiner Reden
forderte der President der Republik Aserbaidschan Ilham Alijew: „...
unser M ilitarhaushalt muss dem gesamten Haushalt Arm eniens
entsprechen und ihn womoglich iiberschreiten. So wird es auch sein!
Das werden wir erreichen".422 Und gegen Ende 2007 erreichte die
Republik Aserbaidschan dieses Ziel auch.
Dass die Notwendigkeit einer friedlichen und baldigen Losung des
Konfliktes auBerst dringlich geworden ist, geht auch aus der Rede des
Prasidenten Aserbaidschans Ilham Alijew vor der Offentlichkeit in
Baku im Zusammenhang mit dem nationalen Nowrus-Fest 2007
hervor: „Das hohe Niveau der Kampfbereitschaft der aserbaidschani420Im Bericht des State Department der USA 2006 wird zu den Menschenrechten beziiglich Berg-Karabachs und den Gebieten unter armenischer
Kontrolle vollig zu Recht der Terminus „okkupierte Territorien“ verwendet.
Wie sollte die militarische Einnahme des Gebietes eines anderen Staates sonst
genannt werden?
421 Vgl.: Mischin W. Aserbaidschan menjaet orientaziju (Aserbaidschan orientiert sich um) In: Nesawisimaja gaseta. Energija. 14.8.2007, S. 3; Mamedow
S. Priglaschenie к trube (Einladung zur ,,R6hre“). In: Nesawisimaja gaseta.
7.8.2007, S. 6.
422Vgl.: Plugatarew 1. Baku i Eriwan sapugiwajut drug druga (Baku und Eriwan
schiichtem sich gegenseitig durch Drohungen ein, in: „Nesawisimaja gaseta",
13.11.2005. S. 9.
266
schen Armee und die rasante Wirtschaftsentwicklung des Landes
lassen keinen Zweifel an einer schnellen Losung des KarabachKonfliktes im Interesse des Landes. Mit der Zeit wird die Position
Aserbaidschans auf Grund der erfolgreichen Entwicklung des Landes
sowie der zunehmenden Unterstutzung von immer m ehr Landern und
Organisationen immer starker werden."423 Ebenfalls im Friihjahr 2007
erklarte President Ilham Alijew wahrend seines USA-Besuches im
April erstmalig, sein Land habe den K am pf um Karabach verloren,
nicht gegen Armenien, sondem gegen Russland. Und er betonte, der
Krieg sei noch nicht zu Ende.424
M ir erscheint eine militarische Losung des Berg-Karabach-Konfliktes in den nachsten zwei bis drei Jahren aufgrund der
geopolitischen Situation in der Region und der W elt nicht sehr wahrscheinlich. Man darf nicht vergessen, dass die Republik Armenien zur
OVKS gehort und dass sich auf ihrem Territorium eine russische
Militarbasis befindet (5.000 Mann mit modem en W affen und Kampfflugzeugen). Und das heiBt, dass Aserbaidschan es bei einem gegen
Armenien begonnenen Krieg mit Russland zu tun bekommt. Und im
Falle neuer Kriegshandlungen werden die USA, aufgrund der vielen
Millionen Armenier in der Diaspora in den USA, keine eindeutige
Position beziehen. Und mit der Tiirkei hat Aserbaidschan noch aus der
Zeit Heidar Alijews eine Vereinbarung, nach der Baku ohne
Zustimmung Ankaras keine neuen Kriegshandlungen beginnen kann.
Die Analyse zahlreicher Quellen und Dokumente in verschiedenen
Sprachen und verschiedenen historischen Perioden ermoglicht die
Bestatigung der Schlussfolgerung, dass das Territorium von BergKarabach vom historischen, juristischen (geltendes Volkerrecht) und
politischen Standpunkt aus zur Republik Aserbaidschan gehort,
obwohl die Armenier die ###M ehrheit der dortigen Bevolkerung aus
den externen und bekannten Griinden Armenier ist. Berg-Karabach
war und ist ein integraler Bestandteil jener Staatsbildungen, die auf
42,Vgl.: N e wpolne druscheskij sowjet (Ein ganz und gar nicht freundschaftlicher Rat). In: „Nesawisimaja gaseta“22.3.2007, S. 8; Baku postroit AES
(Baku baut AKW, a.a.O., 10.4.2007, S. 5. Vgl.: auch den Artikel von Jurij
Sim onjan iiber die Tendenzen zur Verschlechterung der Beziehungen Armen i e n - U S A in der Nesawisimaja gaseta (19.4.2007, S.6).
424V gl.: „Argumenty nedeli“ (Argumente der Woche), 18.1.2007, S. 4.
267
dem Territorium der heutigen Republik Aserbaidschan entstanden
sind.
Die Republik Armenien, die den separatistischen Teil der arm e­
nischen Bevolkerung von Karabach vielseits unterstiitzt, und selbst
von der au f intemationaler Ebene sehr einflussreichen arm enischen
Diaspora unterstiitzt wird, untergrabt die M oglichkeiten einer
friedlichen Regelung des Konfliktes. Das zeigen die ganze Geschichte
der Entwicklung des Konfliktes und des Krieges von 1991-1994 und
die ganze Nachkriegsgeschichte des W affenstillstands und der
Verhandlungen. Gerade die unverandert unversohnliche Position der
Regierung der Republik Armenien ist die Hauptbremse einer
friedlichen Losung des Konflikts nach Volkerrecht und den
Bestimmungen der maBgeblichen intemationalen Organisationen.
Vom juristischen Standpunkt ausgehend wird von niem andem auf
der Welt bezweifelt, dass Berg-Karabach zur Republik Aserbaidschan
gehort. Und das Hauptproblem von diesem Standpunkt aus sind die
Garantien fur eine freie administrative, wirtschaftliche und kulturelle
Entwicklung der armenischen Gemeinde von Berg-Karabach
innerhalb der Republik Aserbaidschan. Vom Standpunkt des Autors
dieser Studien konnen diese Garantien von Aserbaidschan und den
intemationalen Organisationen in Kooperation mit Baku gegeben und
unnachsichtig umgesetzt werden.
Ftir die weiteren Verhandlungen konnen nach Ansicht des Autors
folgende Kompromisse zwischen der Republik Aserbaidschan, der
Republik Armenien und der armenischen Gemeinde von BergKarabach vorgeschlagen werden.
Seitens Aserbaidschans
Der Beschluss Bakus iiber die Auflosung des Autonomen Gebiets
Berg-Karabach vom November 1991 wird aufgehoben. BergKarabach erhalt moglichst einen hoheren Autonomiestatuts in Form
eines Gebiets (Oblast) oder Bezirks oder einer autonomen Republik
innerhalb Aserbaidschans. Der Autonomiestatus konzentriert sich auf
die vertikalen Beziehungen zu Baku unter intemationalen Garantien
und intemationaler Kontrolle. Auch irgendein besonderer Status BergKarabachs innerhalb Aserbaidschans, der nicht die territoriale
268
Integritat des Landes und die Unveranderlichkeit seiner Grenzen
verletzt, ware denkbar. Unter der Moglichkeit eines besonderen
Staatsgebildes innerhalb der Republik Aserbaidschan wird ungefahr
folgendes verstanden: die Schaffung einer Freihandelszone; die
Vertretung von Berg-Karabach in Baku in der Position des VizePremierministers mit Vetorecht beziiglich aller Berg-Karabach
betreffenden Entscheidungen der Regierung; die Schaffung einer
Standigen Vertretung von Berg-Karabach in Baku; Garantien fur die
armenische Gemeinde von Berg-Karabach in der Vertretung in alien
Machtorganen der Republik Aserbaidschan.
Die Republik Aserbaidschan garantiert im Falle der friedlichen
Losung des Konfliktes die maximale Offnung der Verbindungswege
und breiteste Informations- und Kulturkontakte zwischen BergKarabach, der Republik Armenien und der armenischen Diaspora.
Die aserbaidschanische Gemeinde Berg-Karabachs verpflichtet
sich, die Kompromissvorschlage Bakus zu unterstutzen.
Seitens der armenischen Gemeinde von Berg-Karabach
Die armenische Gemeinde von Berg-Karabach ist bereit, den
weitgehenden Autonomiestatus mit vertikalen Beziehungen zu Baku
unter intemationalen Garantien und Kontrolle anzuerkennen oder
einem Sonderstatus von Berg-Karabach in einer Form der autonomen
Republik innerhalb der Republik Aserbaidschan bei einer friedlichen
Losung des Konfliktes zuzustimmen. Die Zustimmung ware
dahingehend, dass die Selbstbestimmung der nationalen armenischen
M inderheit in der Republik Aserbaidschan auch in diesen Formen
realisiert werden kann.
D ie Angehorigen der armenischen Gemeinde von Berg-Karabach
werden entwaffnet, ihre Ortschaften werden entmilitarisiert, die
bew affneten Verbande der armenischen Gemeinde von BergK arabach werden aufgelost und in eine Poiizei umgewandelt, die dem
Innenm inisterium von Aserbaidschan unterstellt ist und eine
bestim m te Zeit unter der Kontrolle von intemationalen Inspektoren
unter der Agide der UNO steht.
D ie armenische Gem einde von Berg-Karabach garantiert unter
intem ationalen Garantien und Kontrolle den ruckkehrenden
aserbaidschanischen Fliichtlingen Sicherheit und Gleichberechtigung.
269
Seitens Armeniens
Die Republik Armenien ist zu einer em euten Priifung der bereits
erwahnten Vorschlage von M. Bagirow von 1945-1946 iiber einen
Gebietstausch zwischen Armenien und Aserbaidschan u n d des
Hobble-Plans von 1994, bereit.425
Die Republik Arm enien stimmt zur friedlichen L osung des
Konfliktes mit der Republik Aserbaidschan auch der R aum ung der
besetzten Gebiete der Republik Aserbaidschan zu, entw eder auf
einmal oder etappenweise nach einzelnen Regionen (R ayons) auf
jeden Fall unter intem ationaler Kontrolle und unter den A giden der
UNO zu festgesetzten Fristen. Die Bedingungen werden vertraglich
zwischen den zwei Volkerrechtssubjekten Armenien und A ser­
baidschan festgeschrieben.
Die Republik Arm enien erkennt Berg-Karabach als autonom es
Gebilde mit weitgehenden Rechten oder besonderem Status (A uto­
nome Republik) in den Grenzen von Aserbaidschan und mit vertikalen
Beziehungen zu Baku an.
425In nicht allzufemer Vergangenheit wurde die Wahl des Kompromissweges
der Regelung des Konflikts zwischen der Republik Armenien und der
Republik Aserbaidschan zum Spaltungsgrund in der herrschenden Elite
Armeniens. Der damalige Premierminister Robert Kotscharjan und der
Verteidigungsminister Serge Sarkisjan unterstiitzten nicht den von President
Lewon Ter-Petrosjan vorgelegten Etappenplan zur Regelung des Konfliktes,
was auch zum Riicktritt L. Ter-Petrosjans am 3. Februar 1998 fuhrte. Das
Wesen des Planes bestand darin, dass der Republik Aserbaidschan die sechs
okkupierten Rayons ausserhalb des Territoriums Berg-Karabachs (der
Latschinskij Rayon sollte zunachst ausgenommen sein) zuriickgegeben
werden sollten, damit Friedenstruppen nach Berg-Karabach kommen konnten:
die Kommunikationsblockade aufgehoben werden wurde und man
Verhandlungen iiber den Status des NKAO aufnehmen sollte. Letzten Endes
wurde der vorgeschlagene vemiinftige Kompromiss von den armenischen
,,FaIken“ durch ein Jahrzehnt der Sackgasse im armenisch-aserbaischanischen
Verhandlungsprozess ersetzt. Nach der Wahl eines dieser ,,Falken“, Serge
Sarkisjan, zum neuen Prasidenten am 19. Februar 2008 verging noch kein
Monat, bevor sich Anfang Marz in der Zone der Feuereinstellung ein
emsthafter Schusswechsel mit 16 Toten und Dutzenden Verletzen auf beiden
Seiten ereignete. Der Zwischenfall war so emst, dass der Prasident der
Republik Aserbaidschan, Ilham Alijew, personlich die Waffenstillstandslinie
besuchte und den Angehorigen der Getoteten sein Beileid aussprach. Vgl.:
Der Tagesspiegel, 7.3.2008, S. 7.
270
Die Republik Armenien macht keine weiteren territorialen Anspriiche gegeniiber der Republik Aserbaidschan geltend.
Die Republik Armenien ist bereit, der Republik Aserbaidschan den
ihr zugefiigten materiellen Schaden zu ersetzen.426
426D ie Prasidentschaftswahlen in der Republik Armenien fanden am 19.2.2008
statt. In seinen Reden vor den Wahlen gab der Oppositionskandidat L. T.Petrosjan deutliche Signale an Baku und Ankara iiber die Moglichkeit einer
Versohnung - wenn auch nicht der Volker, so doch wenigstens der Staaten.
Auch diese Signale blieben nicht unbemerkt. Die maBgeblichc aserbaid­
schanische Wochenzeitschrift „Wyschka" auBerte sich folgendermaBen iiber
die Chancen Ter-Petrosjans auf den Prasidentenposten: „Unser Land hat die
reale Chance, nach den Prasidentschaftwahlen im Februar in Armenien einen
wirklich zurechnungfahigen politischen Partner zu bekommen. Safa Kerimow
zitierte in seiner Analyse der Situation vor den Wahlen in Armenien ein
Interview Ter-Petrosjans au f IA REGNUM: ,,...Ja, es ist schwer und
unangenehm, diese Verantwortung anzuerkennen... Aber die Initiierung des
Konfliktes mit Aserbaidschan und die nachfolgende Annexion seiner
Territorien erfordert gleichermaBen eine fin a m ielle Kompensation fiir den
zugefiigten Schaden... (kursiv, J. R.) Deren Umfang zu bestimmen ist mir jetzt
nicht moglich, aber allein die Tatsache der Notwendigkeit ist vollig
unbestreitbar. Wenn man nicht sogar von mehr spricht. Und dariiber reden
m uss man schon in der nahen Zukunfit!“ Vgl.: Europa-Express.N8 (520)
18.2.-24.2.2008, S.21.
271
19. Der Traktat (Staatsvertrag) vom 14.5.1805 zw isch en
dem Russischen Reich und dem Khanat K arabach
Am 14. Mai 2007 war der 202. Jahrestag der U nterzeichnung des
„Traktates iiber die Aufnahme von Ibrahim-Khan von S chuscha und
Karabach samt seiner Familie, Nachkommen und Besitztum in die
Staatsangehorigkeit des Gemeinrussischen Kaiserreiches" am 14. M ai
1805 (vgl. Kopie des Traktats). Diese Urkunde legte den G rundstein
fur den Anschluss eines der seinerzeit einflussreichsten aserbaidscha­
nischen Khanate, des Khanates Karabach, an Russland. Es w a r das
erste Khanat, jedoch nicht das erste aserbaidschanische G ebiet, das
Russland eingegliedert wurde. Bereits im September 1801 hatte Zar
Alexander I. die aserbaidschanischen Sultanate Bortschaly, K asach
und Schamschadil zusammen m it dem Konigreich K artli-K achetien an
Russland gebracht. An sich hatte der „Vertrag von K urektschai“ , in
dem der Khan von Karabach seinen Verzicht auf „jegliche A bhangigkeit von Persien (dem Kadscharenstaat - J.R.) oder einer anderen
Macht“ und die Anerkennung der Herrschaft Russlands iiber sich
erklarte, nicht den Charakter eines vollwertigen Vertrages. Die darin
enthaltenen russischen Pflichten wurden erst 1806 durch Erlass
Alexanders I. bestatigt. Der Traktat von 1805 markierte die Errichtung
von Vasallenbeziehungen zwischen Russland und dem Khanat
Karabach. Der endgiiltige Ubergang des Khanats an Russland erfolgte
im Jahre 1813 durch die Unterzeichnung des „Traktats uber ewigen
Frieden und Freundschaft" von Gtilistan zwischen Russland und dem
Iran. Gerade durch diese Urkunde wurde die erste Seite in der neuen
russisch-aserbaidschanischen Geschichte des Khanats Karabachs aufgeschlagen und de facto der Grund fur seine politische Umorientierung nach Russland gelegt. Es war der Abschluss der seit 1792
unermiidlich andauemden Bemiihungen Ibrahim Khalil-Khans von
Karabach zur Errichtung von Biindnisbeziehungen zu Russland mit
dem Ziel der Schaffung einer militansch-poUtischen Koalition. Diese
Koalition wiirde W iderstand leisten konnen gegen die Versuche des
Irans zur Ubemahme der Kontrolle iiber die von ihm abtriinnigen und
unabhangigen aserbaidschanischen Khanate.
Das Khanat Karabach wurde Russland vom Standpunkt der auf
seinem Territorium vorherrschenden aserbaidschanischen Bevolke­
rung und der aserbaidschanischen Zugehorigkeit der darin herrschen272
den sozialen und politischen Eliten aus als aserbaidschanisches
Staatsgebilde angeschlossen.427 Ende des 18. bis Anfang des 19. Jahr­
hunderts wurde Karabach fur die Transkaukasus-Politik Russlands ein
wichtiges Ziel und ein Brennpunkt diplomatischer und anderer
Bemiihungen. In seiner Note an den russischen Zaren vom 22. Mai
1805
schrieb Fiirst P.D. Zizianow unter Verweis auf die sehr
wichtigen geopolitischen und okonomischen Vorteile, die mit dem
Anschluss Karabachs verbunden waren: „Der Nutzen aus dieser
erfolgten Erwerbung fur Russland besteht darin: 1.) Karabach kann
au f Grund seiner Lage als Tor (...) nach Persien (in den
Kadscharenstaat - J.R.) gelten und wird ihnen deshalb auch Furcht
einfloBen; 2) durch Karabach haben sich Georgien und die Stadt Baku
angenahert, die diesen Herbst besetzt werden sollen; 3) wenn Saljan
befestigt sein wird und Dschewad, ein Ort am Zusammenfluss von
Kura und Araxes, dem Khan von Schirwan abgenommen wird und ein
Ort, der immer dem Khan von Karabach gehorte, dann konnen sie aus
Astrachan hierher nach Dschewad oder Saljan kommen mit Waren,
die keinen Wert hatten, und dafiir Seide aus Karabach und Schemacha
und Alaun aus Elisawetpol erhalten, das durch die Staatskasse S.K.H.
von den Industriellen geme fur 80 Kopeken pro Pud erworben werden
kann, wobei Alaun aus Astrachan fur 15 Rubel pro Pud verkauft
w ird.“4M
Der russische Kaukasusexperte N. N. Schawrow war an den
MaBnahmen der kaukasischen Verwaltung zur Kolonisierung der
transkaukasischen Gebiete direkt beteiligt. In seiner Beschreibung der
G eografie und der Geschichte dieser Region vermerkt er: „Die sesshafte einheimische Bevolkerung, die einem tatarisch-aserbaidschanischen Stamm angehort, siedelte im Altertum entlang des Ufers der
Kura und des Araxes und bei den Bergen von Talysch11.421' Wer au f die
J 2 lstorija Aserbajdschana po dokumentam i publikazijami. (Die Geschichte
Aserbaidschans in Urkunden und Publikationen) Red. S. Bunijatow, Baku
1990, S. 55-56.
42!<A kty Kawkasskoj archeografitscheskoj komissii, (Akten zusammengestellt
von der kaukasischen archeographischen Kommission.) Bd. 2-7, Red. A. P.
Bersche. Tiflis 1867-1878, Bd. 2, Dok. 1425, S. 698 und Dok. 1431, S. 701.
424Schaw row N.N. Nowaja ugrosa russkomu delu w Sakawkasje. Predstojaschtschaja rasprodascha Mugani inorodzam. (Die neue Bedrohung der
russischen Sache im Transkaukasus. Der bevorstehende Ausverkauf von
M ugan an Auslander) St. Petersburg, 1911.
273
Karte schaut, kann sich davon uberzeugen, wie breit das
Siedlungsgebiet der Aserbaidschaner, der Bewohner der Region „seit
Urzeiten“ war. In den „Akten der Kaukasischen Archeographischen
Kommission“ - der wichtigsten Archiv- und Urkundenquelle Qber die
Geschichte des Kaukasus von 1762 - 1863 gilt Karabach als „m oslemisches Herrschaftsgebiet". Im 18. Kapitel des 2. Bandes der „Trans­
kaukasischen moslemischen Besitztiimer“ sind 13 Besitztomer aufgelistet, dam nter auch Eriwan, Karabach und Baku.430
Das erste allgemeine Bevolkemngsregister des Russischen
Imperiums 1897 zeigt, dass in Karabach nach wie vor, trotz des mehr
als ein Jahrhundert andauem den Zustroms armenischer Bevolkerung
aus dem Kadscharenstaat und dem Osmanischen Reich, dennoch die
aserbaidschanische Bevolkerung tiberwog. Nur in einem Ujesd des
Gouvemements Elisawetpol - dem Schuschinskij Ujesd - iiberwog
die armenische Bevolkerung. Der m ssische Kaukasusexperte M.A.
Skibizkij hat schliissig dargelegt, dass das Verhaltnis Arm enier zu
Aserbaidschanem im Bergteil von Karabach Ende des 19.
Jahrhunderts 1:4 betrug, d. h. 72,6 % waren Aserbaidschaner. Eine
seiner Arbeiten enthalt eine Karte der Winter- und Sommerweiden
von Karabach, die eine zusatzliche Bestatigung dieses zahlenmaBigen
Verhaltnisses der armenischen und der aserbaidschanischen
Bevolkerung in Karabach darstellt.431 Der genannte Kaukasusexperte
Schawrow schrieb: „W enn mit der Zeit ein unerschrockener
Erforscher historischer Urkunden den Schleier der vergangenen
Jahrhunderte unserer Eroberung des Transkaukasus liiften wird, so
wird das unweigerlich zu dem Schluss fiihren, dass unsere Politik hier
vom Standpunkt der Vernunft und des gesunden Menschenverstandes
aus ein unlosbares Ratsel darstellt ... weitaus die meisten Migranten
430Nesmatschnaja, S. Perwoe isdanie archiwnych dokumentow na Kawkase.
Kawkasskij sbomik, (Erste Ausgabe von Archivurkunden iiber den Kaukasus.
Kaukasus-Sammelband) Bd.2 (34), Moskau, 2005, Sju 350 -362.
Skibizkij M.A. Materialy dlja ustrojstwa kasjonnych letnich i simnich
pastbischtsch i dlja isutschenija skotowodstwa na Kawkase. (Materialien zum
Anlegen von staatlichen Sommer- und Winterweiden und zum Studium der
Viehzucht im Kaukasus). Tiflis 1889. Tiflis 1889. In der Sowjetperiode
verschwand diese einzigartige Karte aus den Bucharchiven von Sankt
Petersburg, Moskau, Tbilissi und Erewan, blieb jedoch in einem der
Bucharchive in Baku erhalten und dient auch heute der Wiederherstellung der
echten demographischen Karte des Karabachs des 19. Jahrhunderts.
274
sind Armenier: so sind von den 1.300.000 im Transkaukasus lebenden
Armeniem iiber 1.000.000 keine angestammten Bewohner des Gebiets
und wurden von uns umgesiedelt... Unter breiter Verwendung falscher
Zeugnisse haben sich die Arm enier durch die besitzlosen Zuwanderer
ausgedehnten Staatslandes bemachtigt,,.432 In der Liste, die dem
russischen Innenminister O. P. Kosodawlew am 19. Juli 1811
vorgelegt wurde, hieB es: ,,lm Herrschaftsgebiet Karabach werden bis
zu 12.000 Familien gezahlt, davon Armenier bis zu 2500 Familien,
und die iibrigen sind Tataren mohammedanischen Glaubens (damalige
Bezeichnung der Aserbaidschaner- J.R.)“ .433 A uf die zahlenmaBige
Uberlegenheit der islamischen Bevolkerung in Karabach wurde auch
im Bericht des Generalkommandeurs der Armee in Georgien F. O.
Palutschtschi an Zar Alexander I. vom 27. Marz 1812 verwiesen.454
Und Zeugnisse des ,,Zugezogenseins“ der M ehrheit der armenischen
Bevolkerung im Siidlichen Kaukasus sind schliefilich noch die von A.
S. Griboedow erstellten Dokumente. So wird in dem von ihm
erstellten und am 7. September 1828 in Tiflis veroffentlichten Doku­
m ent „Plan zur Griindung der Russisch-Transkaukasischen Kompanie“ iiber die ubersiedelten Armenier als eine Migrationsethnie im
K aukasus gesprochen: „Die Unterzeichner halten es fflr ihre Pflicht,
anbei die Lage der Armenier zu erortem, die neu von jenseits des
A raxes nach Russland gekommen sind. Diese Massenemigration ist
zwar durch den Wortlaut des Vertrages von Turkmantschai verursacht
w orden, konnte jedoch bei dessen Unterzeichnung keineswegs
vorhergesehen werden... Sie erfolgte in den ersten vier Monaten nach
dem Friedensschluss; zu ihrer Aufnahme ist nichts vorbereitct worden
und konnte nichts vorbereitet werden. Dazu reichten die Geldmittel
nicht aus; ihre eigene Unkenntnis eines Gebiets, das fur sie neu ist,
kann fur sie der Untergang sein... ,,.435 A.S. Griboedows kritische Bew ertung der AusmaBe und des Charakters der Umsiedlung der
4’2Schaw row N. N. ... S. 58, 60-61.
w Prosoedinenie wostotschnoj Armenii к Rossii. (Anschluss Ostarmeniens an
R ussland) Erewan 1972, S.560-562. Viele Forscher legen dar, dass in diesem
V erzeichnis zu den ,,Armeniem“ falschlicher Weise die Albaner gezahlt
w urden41 (Sachib Dschamal).
434A .a.O . , S. 597.
415 G riboedow A. S. Poln. Sobr. Sotsch. w dwuch tomach, (Gesammelte Werke
in z w e i Banden) Verlag “Prawda”, Moskau 1971. Bd. 2, S. 94.
275
Arm enier in den Siidkaukasus ist ausfiihrlich von E. N. Z y m b a ew a
dargestellt worden.436
Mit der armenischen Kolonisierung Karabachs im 19. Jah rh u n d ert
ging die Beschneidung der Rechte und der Selbststandigkeit der
Albanischen Apostolischen Kirche einher, die seit dem 4. Ja h rh u n d ert
n. Chr. in Karabach und in anderen historischen Gebieten K aukasischAlbaniens wirkte. Im M ittelalter um fasste dieser Staat fa s t das
gesamte Territorium des heutigen Aserbaidschan, darunter auch
Karabach, sowie das Siidliche Dagestan und das Alasanital v o n Ostgeorgien. Im Jahre 1815 wurde der Rang des albanischen P atriarchKatholikos per Zarenerlass abgeschafft, und ab dieser Zeit w a r der
Vertreter der Albanischen Kirche ein Metropolit. Am 1. M arz 1836
unterzeichnete Nikolai I. eine besondere ,,Bestimmung“, w onach das
albanische Katholikat (Patriarchat Gandsasar) aufgelost wurde u n d an
seiner Stelle zwei Eparchien (Arzach-Schuscha und Schemacha) unter
der Jurisdiktion des arm enischen Katholikats gegriindet w urden.437 Der
Verlust der kirchlichen Selbststandigkeit und die M assenum siedlung
von Armeniern fiihrten zu einer intensiven Arm enisierung der
christlichen Albaner, insbesondere der Udiner - ihrer direkten N achfahren. In der Folge galten sie als „Armenier". In dem 1916 erschienenen Buch von Ischachanjan heifit es: „Die Armenier, die in BergKarabach wohnen, sind zum Teil alteingesessene Nachfahren d er alten
Albaner, und zum Teil Fliichtlinge aus der Tiirkei und dem Iran, fiir
die das aserbaidschanische Land ein Ort der Zuflucht vor V erfolgung
wurde“ .438
Wie die Mehrzahl der Konflikte im postsowjetischen R aum ist
auch der Konflikt um Berg-Karabach in nicht geringem MaGe das
436Zimbaewa E. N. Gribojedow. SchSL. Seriia biografij (Biographienserie). M.
2003, S. 488, 531-532 u.a.
Nikanorow (Ieromonach Aleksij). Istorija christianstwa w Kawkasskoj
Albanii. Dissertazija na soiskanie utschenoj stepeni kandidata bogoslowija.
(Die Geschichte des Christentums in Kaukasich-Albanien. Dissertation zur
Erlangung
des
Grades
des
Doktors
der
Theologie)
http://baku.eparhia.ru/history/albania.; Dschamal, Sachib. Karabach w administratiwno-polititscheskoj sisteme Rossijskoj imperii w X IX - natschale XX
wekow (Karabach im administrativ-politischen System des Russischen
Reiches im 19. - Anfang 20. Jahrhundert). In: Karabach. Nasledie.
Meschdunarodnyj aserbaidschanskij schumal, Nr. 2-3 (14-15), 2005, S. 47.
438Ischachanjan B. Narodnosti Kawkasa (Die Volker des Kaukasus) Petrograd
1916.
276
Erbe der bolschewistischen und spater stalinistischen Nationalitatenpolitik - als am ReiBbrett die Grenzen der Republiken gezogen
wurden, die keinerlei Bezug zur realen Geschichte hatten. Ganze
Volker wurden umgesiedelt und jahrhundertealte Traditionen und das
historische Andenken von Ethnien und Volkern konsequent zerstort.
Das Sowjetreich war deshalb mit langandauemden Konflikten
geradezu tibersat, die offen zu Tage traten und offiziell wurden, als
der totalitare Staat aufhorte zu existieren. Im Falle des BergKarabach-Konfliktes kommt, wie an anderer Stelle in dieser Arbeit
bereits dargelegt, zu diesem Umstand noch ein ausgepragter territorialer Expansionismus einer der Konfliktparteien hinzu.
Text des Traktates
Im Namen des Allmachtigen Gottes439
Wir, d. h. Ibrahim-Khan von Schuscha440 und Karabach und der
Infanteriegeneral des Gemeinrussischen Heeres und der Infante rieinspektor der Kaukasusinspektion Fiirst Pawel Zizianow441 mit der
m ir erteilten Vollmacht und Ermachtigung von S.K.M.442 der
Gemeingnadige und der GroBe Alexander Pawlowitsch und mit Gottes
Hilfe die Bedingungen in der Sache bezuglich der Aufnahme von
Ibrahim-Khan von Schuscha und Karabach samt seiner Familie,
Nachkommen und Besitztum in die Staatsangehorigkeit des Gemein­
russischen Kaiserreiches und von S.K.M. Der heute gliicklich
herrschende GroBe Alexander Pawlowitsch und seiner GroBen Nach-
4'4Hier wird eine inoffizielle Ubersetzung des Traktates aus dem Russischen
vorgelegt.
440D ie Festung Schuscha wurde 1752 gegriindet und war bis 1822 das admi­
nistrative Zentrum des Khanats Karabach, das sich Russland 1805 anschloss
und bis 1917 im russischen Imperium verblieb. Seit 1840 ist Schuscha als
historisch-architektonische Stadt, Kurort und Teppichherstellungszentrum
bekannt.
44lZizianow Pawel Dmitrijewitsch (1754-1806), Infanteriegeneral seit 1804. Seit
1802 Oberkommandierender des russischen Heeres in Georgien, schloss die
Khanate Gjanscha, Karabach, Scheki und Schirwan und das Sultanat Schuragelskij an Russland an. 1806 wurde er bei Verhandlungen mit dem Khan von
Baku ermordet.
442 S ein e Kaiserliche Majestat.
277
kommen auf ewige Zeiten
beschlossen und unterzeichnet:
in
folgenden
Artikeln
vereinbart,
Artikel Eins
Ich, Ibrahim-Khan von Schuscha und Karabach verzichte443
feierlich in meinem Namen und in dem m einer Erben und N achfolger
auf ewige Zeiten au f jegliches Vasallentum oder jegliche A bhangigkeit, unter welchen Namen das auch sei, von Persien oder von anderen
Machten und erklare hiermit angesichts der ganzen Welt, dass ich
iiber mich und meinen Nachfolgem keine andere Herrschaft auBer der
Obermacht S.K.M. von GroB Russland und seiner N achfolger und
Erben anerkenne, und verspreche diesem Thron als sein treuer K necht
die Treue und lege dariiber den Eid auf den Heiligen Koran ab.
Artikel Zwei
S.K.M. nimmt die offenherzigen Versprechungen von Seiner
Exzellenz (Khan, J.R.) an und gibt Sein Kaiserliches Wort in seinem
Namen und dem Namen seiner Erben und verspricht, dass er Seine
Gnade und Fiirsorge fiir S.E. Ibrahim-Khan von Schuscha und
Karabach und seine Erben als seine treuen Untertanen niem als
verw eigem wird, als Beweis dafiir iibemimmt S.K.M. Ihre Kaiserliche
Btirgschaft fur den Erhalt der Integritat des Besitztums von S.E. (Khan
- J.R.) und seiner Erben.
Artikel Drei
Zur Belohnung444 der offenherzigen Anerkennung der Obermacht
aller Russischen Kaiser und ihrer Nachfolger durch S.E. IbrahimKhan von Schuscha und Karabach wird beschlossen, dass bei der
Ubemahme des Khanats der genannte Khan und nach ihm sein altester
Sohn und danach au f diese W eise der Alteste in der Generation nach
der Uberreichung der Investitur, die aus einem staatlich besiegelten
Erlass des Kaisers besteht, durch den Oberverwalter Georgiens
feierlich einen Eid iiber die Untertanentreue und Anerkennung der
oberen und einzigen Macht aller Gemeinrussischen Kaiser iiber sich
443Statt ,,verzichte“ (russisch - ,,otkasywajus“) steht im russischen Text das veraltete Wort „otrizajus" bedeutet etwa „negiere sich“.
444 Statt „Belohnung" (russisch - „wosnagraschdenie") steht im russischen Text
das veraltete Wort „mzda".
278
und seine Nachfolger leisten miissen. Die Form des Treueids wird
dem Traktat beigefiigt, dam it es der prasente Ibrahim-Khan von
Schuscha und Karabach in dieser Zeremonie in Anwesenheit des
Oberverwalters Georgiens und des diesen Beschluss ausfuhrenden
Infanteriegenerals Fiirst Zizianow leistet.
Artikel Vier
Ich, Ibrahim-Khan von Schuscha und Karabach verspreche als
Beweis der aufrechten Untertanenschaft von mir und meinen
Nachfolgem zum Gemeinrussischen Kaisertum und meiner reinen
A nsicht zur Anerkennung der obersten und einzigen Herrschaft des
Kaisertums, ohne vorherige Einwilligung des Hauptverwalters von
Georgien keine Beziehungen mit den benachbarten Herrschem zu
pflegen, beim Empfang von Abgesandten oder Briefen die wichtigsten
von denen an den Hauptverwalter zu schicken, um seine Erlaubnis zu
bitten, ihn von den weniger wichtigen in Kenntnis zu setzen und die
vom Hauptverwalter von Georgien zu mir entsandte Person um Rat zu
fragen.
Artikel Fiinf
S.K.M. nimmt die Anerkennung seiner obersten und einzigen
Herrschaft durch Ibrahim-Khan von Schuscha und Karabach iiber sein
Land mit Wohlwollen an und verspricht in seinem Namen und im
N am en seiner Erben: 1) die Volker dieses Landes als eigene Untertanen ohne Unterschiede zu anderen Volkern des GroBen Russischen
Kaiserreiches zu behandeln; 2) die Hoheit von S.E. Ibrahim-Khan und
seinen Erben und Nachfahren iiber das Khanat Karabach unverandert
bestehen zu lassen; 3) die Angelegenheiten im Zusammenhang mit der
intem en Verwaltung, der Gerichtsbarkeit sowie den Einktinften vom
Land der Hoheit von S.E. (Ibrahim-Khan, J.R.) zu iiberlassen. 4) zum
S chutz von S.E. und seinem Nachfahren sowie seinem Land in der
Festung von Schuscha 500 Soldaten der Russischen Armee mit Stab
und Oberoffizieren samt Kanonen zu stationieren, fiir den Fall einer
groBen Verteidigung diese Truppen durch den Hauptverwalter von
G eorgien zu verstarken, um das Land von S.E. als ein dem Gemein­
russischen Kaiserreich gehorendes Territorium durch militarische
M acht zu schtitzen.
279
Artikel Sechs
Ich, Ibrahim-Khan von Schuscha und Karabach, verpflichte m ich
als Zeichen meines Eifers zur aufrechten Untertanenschaft: 1) gleich
zu Anfang und auch weiterhin das oben genannte Heer m it d e r notwendigen Menge von W eizen und Hirsengriitze zu einem erschw inglichen Preis, der vom Hauptverwalter bestimmt wird, da deren
Lieferung aus Elisawetpol445 schwierig oder iiberhaupt nicht m oglich
ist, zu versorgen; 2) zur Stationierung der Truppen in der F estung
Schuscha die Hauser, die vom Truppenkommandant ausgew ahlt
werden, zur Verfiigung zu stellen und sie mit der erforderlichen
Menge Brennholz zu versorgen; 3) die Steige zur Festung Schuscha
aus Richtung Elisawetpol in Ordnung zu bringen und d o rt den
Verkehr von Kutschen zu ermoglichen; 4) falls die R egierung
beschlieBt, einen W eg von der Festung Schuscha nach D schew ad zu
errichten, daffir Arbeiter zu einer von der Regierung festgelegten
Vergiitung zur Verfiigung zu stellen.
Artikel Sieben
S.K.M. schenkt S.E. Ibrahim-Khan von Schuscha und Karabach
und seinen Erben als Zeichen seines hoheren Wohlwollens und seiner
Gnade eine Fahne mit dem Wappen des Gemeinrussischen Kaiserreiches, die bei ihm und nach ihm beim regierenden Khan aufbew ahrt
und im Krieg als Zeichen des Khanats und der von Seiner M ajestat
verliehenen Macht mit in den K am pf genommen wird.
Mamed-Chasan-Agu als Garant zum standigen Aufenthalt nach Tiflis
zu schicken.
Artikel Neun
Aufgrund seiner besonderen Barmherzigkeit schenkt S.K.M. dem
sich in Tiflis als Garant zur Treue aufhaltenden Enkel von S.E. taglich
zehn Silberrubel.
Artikel Zehn
Dieser Traktat wird au f ewige Zeiten abgeschlossen und soil
keinen Anderungen mehr unterworfen werden.
Artikel Elf
Die Bestatigung dieses Traktats von S.K.M. durch Seinen
Hoheitlichen Erlass mit dem Staatssiegel soli binnen sechs Monaten
nach der Unterzeichnung dieses Dokuments oder friiher, wenn
moglich, geschehen.
Als Beweis der Echtheit des oben genannten werden diese Artikel
im Lager des Kreises Elisawetpol, am Fluss Kurak am 14. Mai (Safar)
im Sommer 1805 nach Christi Geburt (im Jahre 1220 entsprechend
der moslemischen Zeitrechnung) unterzeichnet und besiegelt.
Artikel Acht
Da ich, Ibrahim-Khan von Schuscha und Karabach, die hoheitliche
Genehmigung S.K.M. au f die Nutzung meiner Einkiinfte habe.
verpflichtete ich mich, der Staatskasse S.K.M. in Tiflis jahrlich 8.000
Tscherwonzen446 in zwei Raten, d. h. die erste Halfte zum 1. Februar.
die andere zum 1. September zu zahlen, wobei die erste Rate, d. h.
4.000 Tscherwonzen, bei Bestatigung dieses Traktats durch S.K.M.
geleistet wird, und auBer dem Treueid, entsprechend dem asiatischen
Brauch, den zweiten Sohn Schukur-Ullach meines altesten Sohnes
445Die friihere Siedlung Elisawetpol ist heute die Stadt Gjanscha in Aser­
baidschan.
446 Goldmiinzen.
280
281
20. Schlussbetrachtung
Von den Schrecken, „die der Seele eigen“, konnte nicht n u r eine
Generation der Bevolkerung von Karabach erzahlen. Hier t r a f das
Volk von Aserbaidschan au f eine ganz spezielle Aggression, die nicht
oft in der W eltgeschichte anzutreffen ist. Diese Aggression dauerte
Jahrhunderte und verlief nicht nur in Form der direkten bew affneten
Besetzung fremder Gebiete mit zahlreichen Opfem u n ter der
Zivilbevolkerung und der Deportation der am Leben gebliebenen, wie
das zuletzt in der ersten Halfte des 90er Jahre 20. Jahrhunderts
geschehen war: im V erlauf vieler Jahrzehnte davor w urde die
Geschichte gefalscht, wurden religiose Bekenntnisse und A rchive
vemichtet, wurde Land aufgekauft, wurden die alteingesessenen
Einwohner vertrieben, wurden die Vorstellungen von der Identitat der
Volker und Ethnien zielgerichtet und m it Gewalt geandert, w urden die
Angreifer als Opfer der Aggression dargestellt, wurde die M einung
der W eltoffentlichkeit irregeftihrt usw.
Fiir eine kurze Beschreibung dieser Prozesse, von denen einige
auch in dieser Arbeit erlautert sind (die albanische und die aser­
baidschanische Kultur auf dem Territorium Berg-Karabachs, des
Khanats Eriwan und der sieben von Armenien besetzten Rayons
auBerhalb von Berg-Karabach; die Geschichte der Liquidation der
albanischen Kirche u.a.) ist auch eine kurze Beleuchtung der
grundlegenden Etappen der Entstehung des armenischen Staates im
19.-20. Jahrhundert in einem Gebiet, das ihm nie gehort hatte,
wenngleich aus dem einfachen Grund, dass es dort vor 1918 auch
keinen Staat gab, erforderlich.
In der Geschichtsliteratur wird Armenien als geographischer
Begriff eingestuft, eine geographische Region, die in dem Gebiet
gelegen war, das die Ufer von Tigris und Euphrat umfasst, und um
den Van-See herum, was weit auBerhalb der Grenzen des Siidkauka­
sus war. Das Volk, das heute als die Arm enier bekannt ist und sich
selbst Hai447 nennt, hatte viele Hunderte von Jahren keinerlei
Beziehungen, auBer Handelsbeziehungen, zum Siidkaukasus. V or der
Entstehung des ersten armenischen Staates hier in 1918 waren die
Ansprtiche der Arm enier au f das sudkaukasische Land, aufler einigen
447Diese Selbstbezeichnung ist auch im Namen der Republik Armenien reflektiert: Hayastany Hanrapetutyun.
282
Siedlungen, genauso unserios vom Standpunkt der Geschichte und des
Volkerrechts wie auch ihre Anspruche an das Ufer von Tigris und
Euphrat, wenn diese plotzlich gestellt werden wiirden.
Karabach, im siidostlichen Kaukasus gelegen, hat zu der
historisch-geographischen Region Armenien und zu den in der
Vergangenheit bestehenden Staatsgebilden der Armenier-Hai keinerlei
Verbindung. Im siidostlichen Kaukasus begannen die Armenier-Hai
kompakt und spater auch vereinzelt mit Hilfe der russischen
Regierung erst ab dem 19. Jahrhundert zu siedeln, als Moskau sie
organisiert im W esentlichen aus dem Iran und dem Osmanischen
Reich iibersiedelte.
In der intemationalen Politik tauchte die „armenische Frage“ im
19. Jahrhundert im Kontext der Balkankriege und der Aufstande und
des Versuches der Schaffung einer armenischen Autonomie in den
ostlichen Vilajets des Osmanischen Reiches mit Unterstiitzung
Russlands und anderer europaischen Machte auf. Die armenischen
Fiihrer wechselten oft ihre Verbundeten und ihre Taktik und Strategic
im K am pf um die Nationalstaatlichkeit, die nicht selten auch den
Terror einschloss und verhielten sich bisweilen loyal, bisweilen,
gelinde gesagt, oppositionell zur Regierung des Osmanischen Reiches
wahrend seines Krieges mit Russland. Nachdem sie bei der Schaffung
einer Autonomie oder eines eigenen Staates auf dem Territorium des
Osmanischen Reiches nicht erfolgreich waren, wendeten die
armenischen Politiker ihre Aufmerksamkeit auf die aserbaidschani­
sche und einige andere Gebiete des Siidkaukasus. Und hier unterschied sich ihre Strategie und Taktik, genau wie auch das politische
Verhalten des radikalen Teils der armenischen Fiihrer, wenig von
denen im Osmanischen Reich und war nur in den Jahren des
bolschewistischen totalitaren Regimes (1922-1986) qualitativ anders.
Unerwartete und starke Unterstiitzung erhielt die Idee eines
autonom en armenischen Staates mit der Abschaffung des Zarentums
in Russland und insbesondere mit dem Ubergang zur Herrschaft der
Bolschewiki. Das war sozusagen fiir das armenische Volk ein echtes
,,Schicksalsgeschenk“ . Die Regierung W. Lenins nahm am 11. Januar
1918 das Dekret uber das „tiirkische Arm enien" an, das dem
arm enischen Volk die Unterstiitzung des neuen Russland zusagte und
in dem das Recht der Arm enier auf das „von Russland besetzte
tiirkische Armenien au f freie Selbstbestimmung bis zur vollen
283
Unabhangigkeit11 erklart wurde. Jedoch auch dieses „G eschenk d e s
Schicksals“ wurde von den Bolschewiki selbst zerstort, als sie am 3.
Marz 1918 den Vertrag von Brest-Litowsk unterzeichneten. D a rin
verpflichtet sich Russland „alles in seiner Macht stehende zu tun, u m
die moglichst schnelle Raum ung der Provinzen von Ostanatolien und
deren ordnungsgemafie Riickgabe an die Tiirkei zu gewahrleisten“ .
Der Transkaukasus erkannte die Herrschaft der Bolschewiki n ich t
an, und der im April 1918 in Tiflis tagende Sejm rie f die U nabhangig­
keit des Transkaukasus aus - eine Foderation m it den A utonom ien
Aserbaidschan, Arm enien und Georgien. Die Streitigkeiten zw ischen
den M itgliedem der Foderation und der Tiirkei fuhrten dazu, dass der
Sejm aufgelost wurde und die ehemaligen Autonom ien ihre
Unabhangigkeit proklam ierten. Armenien proklamierte seine U n a b ­
hangigkeit am 28. Mai 1918. GemaB dem Vertrag von Batum i
(4.6.1918) zwischen den neuen Staaten des Transkaukasus, einschlieB­
lich Armeniens und der Tiirkei, umfasste das Territorium des ersten
autonomen armenischen Staates im Kaukasus rund 10.000
Quadratkilometer. Flauptstadt dieses Staates wurde Eriwan, das den
Armeniem von Aserbaidschan am 29. Mai 1918 tibertragen worden
war.
Die Versuche des Daschnaken-Armenien, sich fur die Definition
seiner neuen, erweiterten Grenzen (sie wurden am 22.11.1920 von
US-Prasident W ilson ,,bestimmt“) auf den Vertrag von Sevres
(10.8.1920) zwischen der Sultan-Tiirkei und den Biindnismachten zu
stiitzen, hatte keinen Erfolg, trotz des von den Daschnaken entfesselten groBen M ilitarfeldzugs gegen die Tiirkei. Nach dem erfolglosen Tiirkei-Feldzug unterzeichnen die Daschnaken (am 2.12.1920)
den Vertrag von Gjumrij mit der Tiirkei Kemals und gleichzeitig eine
Vereinbamng mit Sowjetrussland.
Nach der Vereinbam ng m it Russland wurde das Territorium von
Armenien im Vergleich zu den vom Vertrag von Batumi festgestellten
Grenzen wesentlich erweitert. Nach dem Abkommen mit Sowjetruss­
land bekam Armenien einige unbestrittene Gebiete der Demokrati­
schen Republik Aserbaidschan, dam nter die Ujesde Sangesur.
Nachitschewan und Schamr-Daralayaz, einen Teil des Nowo-Bajasetskij Ujesds, einen Teil des Ujesds Kasach/Qasach (heute ist Qasach
eine Stadt im Nordwesten Aserbaidschans) u.a.
284
24 Tage nach dem Abkommen zwischen der RSFSR und Arme­
nien, d.h. am 26.12.1920 wird vom Rewkom von Armenien, vermutlich zwecks der Durchfiihrung einer „Allgemeinen Anfrage“, die
von Artikel 2 des Vertrags von Gjumrij vorgesehen ist, die Erklarung
iiber Nachitschewan ,,herausgegeben“. A uf der Gmndlage dieser
Deklaration stimmte Anfang 1921 die iiberwaltigende M ehrheit der
Bewohner (mehr als 90%) fur den Verbleib des Kraj bei Aser­
baidschan. Dieser Wille des Volkes von Nachitschewan wurde vom
Vertrag von Moskau (16.3.1921) zwischen der Tiirkei und der RSFSR
und dem Vertrag von Kars zwischen den drei transkaukasischen
Republiken und der Tiirkei (13.10.1921) bestatigt.
Aufgrund der Herrschaft der Bolschewiki und der Griindung der
UdSSR erhielten die Arm enier auf Kosten der Territorien von
Aserbaidschan in Form der Staatsbildung der Armenischen SSR eine
staatliche Existenz und in Form eines Autonomen Gebiets des NKAO
eine Autonomie. Und aufgm nd der ,,Sowjetisierung“ Armeniens
erweiterte sich sein Territorium von 10.000 Quadratkilometem auf
29.800 Quadratkilometer - im Wesentlichen a u f Kosten des aser­
baidschanischen Landes. A u f den erhaltenen 9.800 Quadratkilometem
erfolgte eine Politik der langsamen aber stetigen Abwanderung der
aserbaidschanischen Einwohner, einhergehend mit toponymen und
kulturellen Saubemngen. An den freigewordenen Orten siedelten sich
Armenier aus dem Ausland an. Vor Beginn des nicht erklarten
Angriffskriegs gegen Aserbaidschan in 1991 wurden mindestens
200.000 Aserbaidschaner aus ihren historisch besiedelten Wohnorten
in Armenien zur Flucht gezwungen.
Dem offiziellen Erewan ist es trotz aller Bemiihungen in der
ganzen Periode seit Beginn des Konfliktes nicht gelungen, die
intern atio n al Gemeinschaft von der Begriindetheit seiner Anspriiche
a u f einen Teil des Territoriums der Republik Aserbaidschan zu
iiberzeugen. Uber die Unbegriindetheit dieser Anspriiche sprechen die
in diesen Studien dargelegten Dokumente aus der Epoche des
zaristischen Russlands, der UdSSR und der Gegenwart, insbesondere
der intemationalen Organisationen (UNO, KSZE, OSZE, Europarates
u.a.) iiberzeugend.
Die Meinung der einzelnen Nichtregierungsorganisationen, die im
Kern den Einstellungen der oben genannten intemationalen
politischen Organisationen und fundamentalen Daten der Geschichts285
wissenschaft widerspricht, soil noch nicht einmal k o m m e n tie rt
werden: so sehr sind sie ,,aufgesetzt“ und selbst, wie m ir sch ein t,
,,jam mem d“.
Die Normen und Prinzipien des m odem en V olkerrechts, die
danach angenommenen Resolutionen und Beschliisse der U N O und
anderer international anerkannter politischer Organisationen sin d eine
feste und juristisch unbestrittene Basis fur die Losung des arm enischaserbaidschanischen Konfliktes. Die entsprechenden R esolutionen und
Beschliisse bestatigen die Souveranitat, die territoriale Integritat und
die Unantastbarkeit der Grenzen der Republik A serbaidschan und
erkennen Berg-Karabach als unverzichtbaren Teil von A serbaidschan
an.
Das ist auch nicht verwunderlich, denn die Einstellung dieser
internationalen Organisationen zu diesem Konflikt basiert a u f einer
festen Vorstellung iiber dessen politische und juristische N atu r, die
von der neuen und neuesten Geschichte nicht zu trennen ist. Eine
andere Basis fiir die Beschliisse der internationalen O rganisationen
beruht a u f der Uberzeugung, dass die Losung der Problem e einer
M inderheit nicht die Schaffung eines eigenen Staatsgebildes fu r jede
ethnische Gruppe sein kann. Dann mussten in New York, M oskau
oder Berlin Dutzende von „Staatsgebilden" geschaffen w erden,
jew eils ein zusatzliches „Aserbaidschan", „Armenien", „Israel",
„China", „Tiirkei" u.a. Aber solche Anspriiche stellt in diesen M etropolen keiner - aus dem einfachen Grund, dass ihre Umsetzung einem
bestimmten interessierten Staat keinen bedeutenden Gebietszuwachs
geben wiirde, was neben der Bevolkerung das wertvollste „Vermogen" eines Staates ist.
Nicht die Zerstiickelung existierender Staaten in unzahlige kleine
Pseudostaaten, die in den meisten Fallen zu wirtschaftlichen
Schwierigkeiten und neuen Spannungen und Konflikten fiihrt, sondem
der Schutz der Rechte der Menschen an alien Orten, autonom von
ihrer ethnisch-nationalen Zugehorigkeit, die intemationale Kontrolle
dieses Schutzes und seine Stimulierung ist der allgemeine W eg zur
Losung von Konflikten der Art Berg-Karabach.
Die fiihrenden Politiker der Republik Armenien haben kaum eine
em sthafte Basis fur die Hoffnung auf eine zukiinftige Anerkennung
des Angriffs gegen Aserbaidschan und der Besetzung eines groBen
Teils des Territoriums eines souveranen Staates als legal. Wenn das so
286
ist, so muss entsprechend auch das armenische Volk informiert
werden und darf nicht in einem heute klar zu erkennenden Zustand der
Ungewissheit dariiber, au f wessen Seite das Volkerrecht ist, gehalten
werden.
Die derzeitige wirtschaftliche Starke der Republik Aserbaidschan,
ihre wachsende intemationale Autoritat, ihre Bedeutung als
wichtigster regionaler Player im Bereich der Energie- und
Transportpolitik, die in den letzten Jahren gefiihrte stetige „Aufklarungsarbeit" des Staatsprasidenten der Republik Aserbaidschan
Ilham Alijew auf der internationalen Arena mit Erlauterung der wahren Grtinde des Konfliktes zwischen Armenien und Aserbaidschan ist
nicht unbemerkt geblieben. Die offentliche Meinung in vielen
Landern und ganzen Regionen der Welt dreht sich langsam aber stetig
zugunsten der Anerkennung der unbestrittenen Schuldlosigkeit von
Aserbaidschan in diesem Konflikt. Kontinuitat und Stabilitat,
Emeuerung und innovative Entwicklung - diese Schliisselprinzipien
in den auBenpolitischen Aktivitaten des Staatsprasidenten Ilham
Alijew tragen zu dieser Anerkennung bei. President I. Alijew wird
wegen seiner Professionalitat und seines praktischen Herangehens an
fur die Republik wichtigen Fragen in der Innen- und AuBenpolitik
nicht nur im Lande und in der Region, sondern auch in der
internationalen Arena respektiert.
In den letzten Jahren haben die EU und die USA, besorgt iiber die
Energiesicherheit der EU, einen emsthaften Blick auf die Republik
Aserbaidschan. Sie ist nicht nur Olexporteur und wird in nachster Zeit
auch Gas auf den W eltmarkt liefern, sondem spielt die Rolle einer
Briicke und eines Transitlandes fiir Energiestrome zwischen dem
Osten und dem W esten.44x
A ber die Anerkennung der Schuldlosigkeit gibt der im Recht
befindlichen Partei nicht viel, wenn sie nicht von der Wiederherstellung des Rechts und Gerechtigkeit begleitet ist. Und in dieser
Beziehung wurde von der internationalen Gemeinschaft und ihren
44XD ie weltweite Nachfrage nach Energie wachst so rasch, dass schon bald in
vielen Regionen des Planeten die Energie selbst fur die elementare Lebenserhaltung moglicherweise nicht ausreicht. Diese Nachfrage wird auch weiter
w achsen genau so w ie auch die Preise fiir Energieressourcen. Mit der
Erschopfung der Vorrate der Energieressourcen wird die Energie genauso
ein e W affe in den zwischenstaatlichen Beziehungen w ie heute die Rakete.
287
allgemein anerkannten Organen w enig getan. Ratschlage an die
Republik Aserbaidschan, sich m it den Arm eniern „giitlich zu einigen“
kommen von alien Seiten und rufen, das sage ich unverbliim t,
Unverstandnis hervor. M it einem Angreifer, der einen Teil des
Nachbarstaates rechtsw idrig besetzt halt, kann man sich friedlich nur
iiber eines ,,einigen“ - iiber die unverziigliche und bedingungslose
Raumung des okkupierten Gebietes dieses Staates. Und erst danach
kann man unter Beteiligung intem ationaler Vermittler und Experten
Verhandlungen
iiber
andere
Dinge
(zugeffigter
Schaden,
Kriegsverbrechen, zerstorte K ulturdenkm aler u.a.) fuhren.
Eine ,,giitliche“ Einigung gelingt bis jetzt nicht, hauptsachlich
aufgrund der nicht konstruktiven Einstellung der Republik Armenien.
die zusam m engefasst in den folgenden funf Behauptungen
wiedergegeben w erden kann: 1. „Berg-K arabach hat nie zur autono­
men Republik A serbaidschan gehort.“ Bei dieser Behauptung wird ein
besonderer Akzent au f die A blehnung der Aufnahme Aserbaidschans
in den Volkerbund im Jahr 1920 gelegt, unter anderem auch im
Hinblick auf seine angeblichen Ansprtiche au f von den Armeniern
besiedelte Territorien, einschlieBlich Berg-Karabach. 2. Die „Ubertragung“ von Berg-K arabach an Aserbaidschan durch die sowjeti­
schen Parteiorgane w ar illegal. 3. In der Sowjetperiode und
insbesondere im Zusam m enhang m it dem Niedergang der UdSSR
wurde die arm enische B evolkerung von Berg-Karabach von den
Staatsorganen von Aserbaidschan diskriminiert. 4. Die Armenier
Berg-Karabachs haben ihr Recht a u f Selbstbestimmung auf legalen
Grundlagen verw irklicht durch die Abtrennung und Bildung eines
unabhangigen Staates. 5. A serbaidschan hat keine Grundlagen fur den
Anspruch auf die Grenzen der Sow jetzeit angesichts seines Verzichts
auf die sich aus der Sow jetperiode ergebende Staatsnachfolge.
Alle diese funf B ehauptungen halten jedoch emsthafter Kritik nicht
stand.
Beziiglich der ersten These sei daran erinnert, dass am 12. Januar
1920 der Oberste Rat der A lliierten a u f der Pariser Friedenskonferenz
die Unabhangigkeit von A serbaidschan de facto anerkannt hat. Die
Vertreter Aserbaidschans wiesen in ihrem Schreiben an den
Vorsitzenden der V olkerbundversam m lung am 7. Dezember 1920
darauf hin, dass vor dem U m sturz der Bolschewiki am 28. April 1920
die rechtmaBige R egierung A serbaidschans ihre Macht iiber das
288
gesamte Territorium von Aserbaidschan ohne Ausnahme ausiibte,
innerhalb der in der dem Generalsekretar des Volkerbundes iibersandten Karte angegebenen Grenzen. Es wurde angemerkt, dass die
Bolschewiki voriibergehend nur Baku und die umliegenden Gebiete
hielten, wahrend der restliche Teil des Gebietes von Aserbaidschan
sich in der Hand der Regierung befand. Im gleichen B rief wurde
darauf hingewiesen, dass Karabach und Sangesur, auf die Armenien
Anspruch erhebt, integraler Teil Aserbaidschans sind, von der
Regierung Aserbaidschans regiert werden und durch Entscheidung der
ehemaligen Vertreter der Alliierten im Kaukasus unter aserbaidscha­
nische Verwaltung gestellt wurden. Die armenische Seite, die von
einem „Gebiet, das noch nie ein Staat w ar“ spricht, verschweigt die
Tatsache, dass Armenien auch vom Volkerbund nicht als Staat
anerkannt wurde und dass auf dem Territorium von Aserbaidschan im
Verlauf der Jahrhunderte viele aserbaidschanische Staatsgebilde
existierten, wahrend es hier keine armenischen gab.449
Bezuglich der zweiten These sei angemerkt, dass die wiederholte
Behandlung eines sowjetischen Parteiorgans (Kaukasusbiiro des ZK
der KPdSU(B)), das damals die kommunistisch-bolschewistische
Staatsmacht verkorperte, au f der am spaten Abend des 4.-5. Juli 1921
einberufenen Sitzung den Beschluss fasste, Berg-Karabach in den
Grenzen der Aserbaidschanischen SSR zu belassen. War der Be­
schluss dieses Organs legal? Vom Standpunkt Armeniens aus war er
das. Wir erinnern daran, dass in dem von der armenischen Delegation
auf der 61. Sitzung der UN-Menschenrechtskommission verteilten
Dokument behauptet wird, dass der einzig legale Beschluss uber den
Status von Berg-Karabach der Beschluss war, der am Vorabend von
demselben Kaukasischen Biiro gefasst worden war.450
444Vgl.: League o f Nations. Assembly Document 20/48/206, pp. 2-3; League of
Nations. Annex 30 B. Future Status o f Armenia. Memorandum agreed to by
the Council o f the Leagues o f Nations, meeting in Paris on II April 1920.
League o f Nations Document 20/41/9, p. 27.
4MIVgl.: Dokument UNO E/CN.4/2005/5 Add.36, S. 4. Kaukasisches Biiro; am
4,- 5. Juli 1921 wurde in Anwesenheit von J. Stalin tatsachlich die KarabachFrage gepriift und mit einer Stimme Mehrheit der Anschluss von BergKarabach an die Armenische SSR beschlossen. Im Sitzungsprotokoll wurde
jedoch die folgende wichtige Anmerkung gemacht, die faktisch das Inkrafttreten des gefassten Beschlusses verhinderte: „Angesichts dessen, dass die
Karabach-Frage eine emsthafte Meinungsverschiedenheit hervorgerufen hat,
erachtet es das Kawburo der ZK der RKP fiir unumganglich, ihn zur
289
Gegen die dritte These sprechen ausdriicklich alle statistischen
Daten der Sowjetperiode (s. Anhang) ebenso wie auch die Zeugnisse
iiber die arm enische und aserbaidschanische Nationalitat in der
sowjetischen Zeit vor 1987.
Gegen die vierte These sprechen alle Beschliisse der legitim en und
international anerkannten hochsten Gew alt der UdSSR. So w urde am
23. M arz 1988 vom Prasidium des Obersten Sowjets der U dSSR in
seiner Resolution „Uber MaBnahmen, die mit den Eingaben der
Unionsrepubliken beziiglich der Ereignisse in Berg-Karabach, in der
Aserbaidschanischen und der Arm enischen SSR verbunden sind“ „...
die Schaffung eigenm achtiger Gebilde gleich welcher Art, die iiber die
Begrenzung der in der Verfassung der UdSSR festgesetzten nationalstaatlichen und national-adm inistrativen Grenzen hinausgehen, als
unzulassig...“ anerkannt.451 Im Beschluss vom 18. Juli 1988 „Uber die
Beschliisse der Obersten Sowjets der Armenischen SSR und der
Aserbaidschanischen SSR zur Frage iiber Berg-Karabach hat das
Prasidium des Obersten Sowjets der UdSSR entschieden „die
Anderung der Grenzen und die au f Verfassungsgrundlage erfolgten
national-territorialen Teilung der Aserbaidschanischen und der
Arm enischen SSR ist unm oglich.“452 In einem anderen Beschluss des
Presidiums des Obersten Sowjets der UdSSR vom 10. Januar 1990
heiBt es, „die Verkiindung der W iedervereinigung der Armenischen
SSR m it Berg-K arabach ohne Zustim m ung der Aserbaidschanischen
SSR ist eine direkte Verletzung von Artikel 78 der Verfassung der
UdSSR“ 453 Andere juristische Griinde ,,kontra“ die vierte These
endgultigen Entscheidung an das ZK der RKP zu ttberweisen“. V g l.: Is
protokola w etschem ego sasedanija Plenuma Kawbjuro ZK PKB(b) o t 4 ijulja
1921 g. К istorii obrasowanija Nagomo-Karabachskoj awtonomnoj oblasti
Aserbajdschanskoj SSR. 1918-1925 (Aus dem Protokoll der A b e n d s itz u n g
des Plenums des Kaukasischen Buros des ZK der KPdSU(B) vom 4. Juli
1921. Zur Geschichte der Bildung des Gebietes (Oblast) Berg-Karabach der
Aserbaidschanischen SSR. 1918-1925.) Dokumenty i materialy (D o k u m e n ie
und Materialien), S. 90-91.
51Vgl.: Wedomosti W erchownogo Sowjeta SSSR (Mitteilungen des O b erste n
Sowjet der U dSSR), 1988, N 13, S. 27-28.
a.a.O., N 29, S. 20-21;
453a.a.O., 1990, N 3 , S. 38.
290
finden sich in den Werken von Mullerson R„ Cassese A., Mammadow
I., Musajew T.454
Gegen die flinfte These steht das Prinzip ,,uti possidetis juris“ .
Nach diesem Grundsatz gelten im Zeitpunkt der Erwerbung der
Unabhangigkeit der Republik Aserbaidschan die friiheren administrativen Grenzen der Aserbaidschanischen SSR, innerhalb dessen auch
der NKAO lag, als internationale Grenzen und sind durch Volkerrecht
geschiitzt.455 Offensichtlich ist auch, dass Armenien, das Teilnehmer
am Abkommen „Uber die Schaffung der Gemeinschaft Unabhangiger
Staaten“ war und die Erklarung von Alma-Ata unterzeichnet hatte,
damit die territoriale Integritat und Unantastbarkeit der Grenzen der
Republik Aserbaidschan anerkannte, darunter auch des Gebietes, auf
dem friiher das NKAO der Aserbaidschanischen SSR existierte. Erinnert sei auch an Artikel 11 der Wiener Konvention (22.8.1978) iiber
die Rechtsnachfolge von Staaten beziiglich Vertragen, nach dem
„...die Rechtsnachfolge von Staaten als solche nicht beriihrt: a) die
Grenzen, die vertraglich festgestellt wurden.,.“456
Mit dieser nicht sehr optimistischen Note, die die grundlegenden
Abweichungen der Konfliktparteien von einander im Verstandnis des
W esens des Konflikts und der Moglichkeit seiner friedlichen Losung
unterstreicht, beende ich meine kurze Schlussbetrachtung.
4MVgl.: Mullerson Rein. International Law, Rights and Politics: Developments
in Eastern Europe and the CIS. London & New York, Routledge 1994, p. 75;
Cassese Antonio. Self-Determination o f Peoples: Legal Reappraisal. Cam­
bridge University Press 1955, S. 264-266; Mammadow Ilgar, Musaew Tofik.
Armjano-aserbajdschanskij konflikt. Istorija. Prawo. Posrednitschestwo. (Der
armenisch-aserbaidschanische Konflikt. Geschichte. Recht. Vermittlug). Tula,
G rif i К 2006, S. 53-65.
4 'W ie A. Eide bemerkte, ,,...im Rahmen der Organisation der Vereinten
Nationen wurde ein breiter Konsens erreicht in Bezug darauf, dass die
Grenzen der Unionsrepubliken sowohl in der ehemaligen UdSSR als auch im
friiheren Jugoslawien nicht auf der Basis ethnischer Verteilung festgesetzt
werden diirfen, sondern auf der Basis des Grundsatzes “uti possidetis juris'1,
w as bedeutet, dass als neu die Grenzen zu betrachten sind, die friiher als
Grenzen der Unionsrepubliken der Foderation bestanden haben". Vgl.: Eide
Asbjorn. „Territorial integrity o f States, minority protections and guarantees
for autonomy arrangements: approaches and roles o f the United Nations11.
U niDem seminar „Local self-government, territorial integrity and protection
o f minorities11, Lausanne, 25-27 April 1996. Council o f Europe Publishing
1996, p. 282.
456V gl.: Vienna Convention on Succention o f States in Respect o f Treaties,22
A u g u st 1978. In: Evans(ed.),pp. 185-199,atp. 188.
291
Anhang
1722-1730
1. Chronologie der wichtigsten Ereignisse (1711-2008)
„D ie Zukunft wird nie so, wie wir sie uns vorstellen.
D as Gestern ist noch so, die Zukunft aber nie. Die
Sache ist die, dass die Vergangenheit wirkt, d.h. sie
ist wirklich. “
Nersesjans W. S.
1711
1712
1717
1719
1721
1722
1722
22.07.1722
292
Beginn der Aufstandsbewegungen in Dagestan und
Nord-Aserbaidschan. Truppen von Hodscha Dawud
iiberfallen das Khanat Kuba.
Surchaj-Khan Kasi-Kumychskij und Hodscha Dawud
erobem Schemacha. Ali-Sultan Elisujskij und
D scharo-belakaner besetzen Scheki, Kasach, Kabala
und Schamchor.
Aserbaidschanische Nomadenstamme der Muganer
Steppe vertreiben den Statthalter des persischen
Schahs und wahlen ihren eigenen Khan.
Surchaj-Khan und Hodscha Dawud erleiden eine
N iederlage gegen die Schah-Truppen und deren
Verbiindete.
Hodscha Dawud und Surchaj-Khan erklaren im
Biindnis m it den Khanen von Dagestan dem
persischen Schah den Krieg und besetzen Schabiran
und Schemacha.
Schirwan wird von den Rebellen von Hodscha
Daw ud und Surchaj-Khan eingenommen. Russische
Truppen beginnen einen Feldzug in die ostlichen
Teile Dagestans und Nord-Aserbaidschans. Russische
Truppen m arschieren in Derbent ein.
D er A fghanenfuhrer Mahmud erobert die persische
Hauptstadt Isfahan und besteigt den Schahthron.
Peter I. w eist Land zu an die Textilfabrik der
Kaufleute von Satrapesny, deren Fabrik Baumwolle
aus Nord-Aserbaidschan oder im Transithandel durch
Nord-Aserbaidschan erhielt.
1723
1724
1724
12.06.1724
12.06.1724
21.01.1732
10.03.1735
1743
1747
1747-1762
Aufstande der Armenier und der anderen christlichen
Bevolkerung des Sudkaukasus unter der Leitung von
David-Bek457 gegen Persien und das Osmanische
Reich. Der Aufstand wird niedergeschlagen.
Russische Truppen marschieren in die Westkiiste des
Kaspischen Meeres ein. Abkommen von Sankt
Petersburg geschlossen.
Unter Vermittlung Frankreichs wird zwischen
Russland und dem Osmanischen Reich der Friede von
Konstantinopel geschlossen, nach dem der Transkaukasus zwischen Russland und dem Osmanischen
Reich aufgeteilt wird.
Armenier, die Persien verlassen haben, werden an der
siidkaukasischen Grenze Russlands angesiedelt. Die
Mehrzahl wird im Priteretschnyj Rayon angesiedelt,
wo sie den Gartenbau und das Gewerbe entwickeln
und Wachdienste erbringen sollen. Aus diesen
armenischen Umsiedlem werden armenische Truppen
gebildet. Sie nehmen an den Russisch-Kadscharischen Kriegen des ersten Viertels des 19. Jahr­
hunderts teil.
Vertragliche Aufteilung der ,,Einflusssphare“ zwi­
schen Russland und Persien.
Abschluss des Vertrages von Istanbul zwischen dem
Osm anischen Reich und Russland iiber die Abgrenzung der Herrschaftsbereiche im Kaukasus.
Abschluss des Reschter Vertrages zwischen Russland
und Persien.
Abschluss des Vertrages von Gjandscha zwischen
Russland und Persien. Russische Truppen ziehen aus
dem siidostlichen Kaukasus ab.
Antiiranische Aufstande in Schirwan und Scheki.
Tod des persischen Schahs Nadir.
Panah Ali-Bek Dschewanschir wird erster Khan des
aserbaidschanischen Khanats Karabach. Das Khanat
4'7D avid-B ek (7-1728), Anfuhrer des Aufstandes gegen die Safawiden (17221728) und gegen die Osmanen (1726-1728). Beide Aufstande hatten
anfanglich Erfolg.
293
wurde von ihm auf dem Territorium des eh em aligen
aserbaidschanischen Beyliks G jandscha-K arabach
errichtet. Im Khanat leben die albanisch- u n d
turksprachigen Stamme, Udinen, D schaw anschur,
Otusiki, Kjabirli u.a., und eine gewisse A nzahl
Armenier.
1748
Panah Ali-В ек Dschawanschir, K han von K arabach,
erbaut die Festungsresidenz Bajat.
1749
Hadschi Tschelebi em ennt sich zum Khan von
Scheki.
1751
Panah A li-Век Dschawanschir, Khan von Karabach,
erbaut die Festungsresidenz Panahabad.
1752
D er persische Oberbefehlshaber Muhammed Hasan Khan Kadschar fallt in das Khanat Karabach ein.
1755
Tod des Hadschi Tschelebi, des Begrunders des
Khanats Scheki.
1758-1789
Regierungszeit von Fatali-Khan des Khanats Kuba.
1759
Persische Truppen unter Fatali-Khan Afschar fallen
in das K hanat Karabach ein.
1762
Tod des Panah Ali-Век Dschewanschir, des Khans
von Karabach.
1762-1806
Herrschaft von Ibrahim Khalil-Khan in Karabach und
Schuscha.
1765
Die Khanate Kuba und Derbent werden vereinigt.
1767
Fatali-K han von Kuba erobert das Khanat Schirwan.
1768-1774
Russisch-Osm anischer Krieg.
1774
Die Schlacht auf dem Gawduschinsker Feld endet mit
der Niederlage von Fatali-Khan von Kuba.
1774
Botschaft des Khanats Kuba in Sankt Petersburg.
1775
Fatali-K han stellt mit russischer Hilfe die voile
Kontrolle uber die Territorien des Khanats Kuba
w ieder her.
1783
Ibrahim Khalil-Khan von Karabach ersucht (seit
1763) um die Protektion Russlands.
F e b ru a r 1786 A ga M uhamm ed-Khan von Persien zieht iiberstiirzt
aus dem Gebiet der aserbaidschanischen Khanate ab.
294
1786
1787-1791
1787
1790
1794-1795
1795
1796-1925
1796
1797
1801
1803
1804
1804-1813
08.01.1804
Russische Truppen unter dem Kommando von
General Subow nehmen Schirwan, Derbent und Baku
ein.
Russisch-Tiirkischer Krieg.
Gesandtschaft Fatali-Khans von Kuba unter Leitung
von M irsa Sadyg Muhammed Weliew zu Katharina
II.
General Gudowitsch nimmt Anapa ein.
Erfolglose Versuche Persiens zur Eroberung des
Khanats Karabach.
Erster Einfall der Truppen von Aga MuhammedKhan Kadschar in die nordlichen Khanate von
Aserbaidschan und nach Georgien. Heroische Verteidigung von Schuscha.
Im Iran herrscht die Dynastie der Kadscharen-Schahs.
Beginn der bewaffneten Auseinandersetzungen
zwischen Russland und Persien, die bis 1828 mit
Unterbrechungen anhalt. General G raf Subow besetzt
Derbent, Kuba und Baku.
General Subow und seine Truppen werden von Zar
Pawel I. nach Russland zuriickbeordert. Der Schah
von Persien Aga Muhammed-Khan nimmt mittels
einer List Schuscha, die Hauptstadt des Khanats
Karabach, ein. Davor gait die Festung Schuscha als
uneinnehmbar.
Anschluss der Sultanate Kasach und Schamschadil an
Russland.
General Zizianow erobert die Dscharo-Belakan,,Dschaamaty“.
General Zizianow erobert Gjandscha (Ganca).
RegelmaBige Spirale der russisch-persischen militarischen Auseinandersetzungen. Russland schlieBt sich
die aserbaidschanischen Khanate Gjandscha (Ganca),
Karabach, Schirwan, Kuba, Derbent, Scheki und
Baku an.
Furst Zizianow sendet Ibrahim Khalil-Khan ein
schriftliches Ultimatum mit der Aufforderung, um
russische Protektion zu ersuchen.
295
15.05.1805
1805
1806
1806
10.09.1806
1806-1812
1806-1822
1807
1808
1810
1812
1813
13.09.1813
296
Unterzeichmmg des ,,Traktats“ („Staatsvertrages")
iiber den Anschluss des Khanats K arabach an
Russland.
Die Khanate Schirwan und Scheki schlieBen sich
Russland an.
80% der Bevolkerung des Khanats K arabach sind
M oslems (im W esentlichen Aserbaidschaner), 20%
Christen (im W esentlichen Kaukasus-Albaner und
Armenier).
Die iranische Armee dringt in Karabach ein. Unter
den aserbaidschanischen Khanen ist nur Ibrahim
Khalil-Khan
von
Karabach ein
Verbtindeter
Russlands. Ibrahim Khalil-Khan von Karabach und
seine ganze Familie, auBer seinem Sohn Khan Mechtigulu-Aga, werden von den Russen hingerichtet.
Die Angliederung des Khanats Karabach an Russland
wird vom Erlass des Zaren Alexander I. betatigt.
Der Krieg zwischen Russland und dem Osmanischen
Reich endet mit der Niederlage der Osmanen.
Das Khanat Karabach wird von Mechtigulu-Khan.
dem Sohn Ibrahim Khalil-Khans regiert.
Erfolglose Belagerung Erewans durch das Korps von
General Gudowitsch.
Tod des albanischen Katholikos Israel.
General Kotljarewskij P.S. erleidet eine Niederlage
durch die Kadscharen am Fluss Araxes. Im Khanat
Karabach wohnen 12.000 Familien: 9500 moslemische (ganz iiberwiegend Aserbaidschaner) und
2500 christliche (Kaukasus-Albaner und Armenier).
Sieg der Russen in der Schlacht bei Aslandiiz.
Das aserbaidschanische Khanat Schirwan wird gemafi
dem Giilistan-Vertrag an Russland angeschlossen.
Russische Truppen erstiirmen Lenkoran.
Der karabachische Herrscher Mechtigulu-Khan
begibt sich endgiiltig nach dem „Abkommen iiber
ewigen Frieden und Freundschaft“ (Friede von
Giilistan) zwischen Russland und Persien unter
russische Herrschaft und erhalt den Rang eines
1813
01.01.1819
1820
1822-1916
1822
1823
1826-1829
16.07.1826
1826-1828
13.09.1826
russischen Generalmajors. 1822 nach Persien
geflohen aufgrund der Unzufriedenheit der Bewohner
des Khanats mit seiner Regierung und aus Angst,
wegen seiner Staatsausgaben zur Verantwortung
gezogen zu werden. 1827 geht er, nachdem er fur
seine friiheren Siinden gebiifit hatte, wieder auf die
russische Seite iiber.
Anschluss des Khanats Kuba an Russland.
Auflosung des Khanats Scheki und der Sultanate
Kasach und Schamschadil, Bildung der Provinz
Scheki.
Auflosung des Khanats Schirwan und Bildung der
Provinz Schirwan.
Die Verwaltungseinheiten und die Mehrzahl der
Ortschaften im Territorium des ehemaligen Khanats
Karabach werden in Abstimmung mit Russland von
Vertretem der aserbaidschanischen Elite gefuhrt.
Umbildung des Khanats Karabach in eine Provinz
Russlands unter Militarregierung.
Im ehemaligen Khanat Karabach gibt es eine Stadt Schuscha - und 600 Dorfer. In Schuscha lebten 1048
aserbaidschanische und 474 armenische Familien.
Von 600 Dorfern waren 450 von Aserbaidschanern
und 150 von Armeniern besiedelt. Insgesamt lebten in
den Dorfern 12902 moslemische Familien (ganz
iiberwiegend Aserbaidschaner) und 4331 christliche
Familien (Kaukasus-Albaner und Armenier).
Im Territorium des ehemaligen Khanats Karabach
leben nach offiziellen russischen Angaben 45.207
Armenier.
Die Kysylbasch-Armee dringt nach Russland ein und
beginnt den Russisch-Kadscharischen Krieg 18261828.
Die Kavallerie von Karabach kam pft auf russischer
Seite gegen die Kysylbasch.
Schlacht von Elisawetpol (Gjandscha), die mit der
Niederlage der persischen Truppen endet. Die
Schlacht fand in der Niederung statt, sieben Werst
297
von Elisawetpol, wo der Uberlieferung nach d e r
beruhm te Dichter Nisami begraben liegt458, der d e n
Beinam en Gjandschawi hatte, da er aus dem G e s c h lecht von Gjandscha war. W ahrend der Schlacht b e i
Elisaw etpol wird Ugurlu-Khan Gjandschinskij, d e r
sich im Dienst des Schahs befand, g e fa n g e n
genommen. Nach der Gefangenschaft dient er in d e r
russischen Armee.
1828
1830
1832
1832
1 8 2 6 -1 8 2 8 ;
1 8 5 3 -1 8 5 6 ;
1834
1 8 7 6 -1 8 7 8 ;
1 8 9 4 -1 8 9 6 ;
1 9 1 4 -1 9 1 8 ;
1 9 4 7 -1 9 5 0
2 7 .0 6 .1 8 2 7
1828
1 8 2 8 -1 8 3 0
1 0 .0 2 .1 8 2 8
1828
Jahre der groBten Umsiedlerstrome von A rm eniem in
den Sudkaukasus.
Russische Truppen besetzen kampflos N achitschewan, Kerim -Khan flieht.
Russland schlieBt die aserbaidschanischen K hanate
Lenkoran, Talisch, Nachitschewan und Eriwan an.
Die Grenze zwischen Persien und Russland entlang
des Flusses Araxes (Aras) macht die Aserbaidschaner
zu einem geteilten Volk.
In den Sudkaukasus werden rund 130.000 Arm enier
aus Persien und der Ttirkei umgesiedelt.
Friede von Turkmantschai, Vertrag zwischen Russ­
land und dem Osmanischen Reich.
Irewan (Eriwan), Hauptstadt des Khanats Irewan
(Eriwan), zahlt 15.000 Einwohner. Zum Vergleich:
1818 hat Tabris, die Hauptstadt der persischen
Provinz Aserbaidschan und Residenz des Thronfolgers Abbas-M irsa, 90.000 Einwohner.
1837
10 . 04.1840
1846
1846
1849
1867
Nisami Gjandschewi Abu Muhammed lljas ibn Jusuf (ca. 1141-ca. 1209).
groBer aserbaidschanischer Dichter und Denker. Weltbekannt sind seine
Werke ,,Chamse“ (Fiinfer), „Schatzkammer der Geheimnisse“, „Chosrov und
Schirin", „Leyli und Medschun“, „Sieben Schonheiten“ und „Iskander-name".
in dem eine einzigartige soziale Utopie beschrieben und das Bild des idealen
Herrschers gezeichnet wurde.
298
Das Khanat Nachitschewan wird nach dem Vertrag
von Turkmantschai an Russland angeschlossen.
Auflosung der Khanate Nachitschewan und Eriwan.
Eroffnung der ersten Ujesd-Lehranstalt in Aserbaid­
schan in Schuscha.
Ausgabe der ersten Zeitung in aserbaidschanischer
Sprache „Tatarische Nachrichten“ in Tiflis.
Im Territorium des ehemaligen Khanats Karabach
erreicht die Zahl der armenischen Umsiedler 82.357
Personen.
Anstelle der aserbaidschanischen Khanate Nachi­
tschewan, Eriwan und des Kreises Ordubad wird auf
Erlass des Russischen Zaren der „Armenische
Oblast“ (Armenisches Gebiet) geschaffen.
Im russischen Reich wird auf Initiative der Arme­
nischen Kirche das Albanische Patriarchat aufgelost.
Das ganze Vermogen und das Archiv dieses Patriar­
chate ubernahm die Armenische Kirche.
Plan der „Institutionen fur die Regierung uber den
Transkaukasischen Kreis“ . Bildung des Kaspijskaja
Oblast, und der Ujesde Baku, Karabach, Kuba,
Dscharo-Belokan,
Elisawetpol,
Nachitschewan,
Talysch und Schirwan. Das Territorium des ehema­
ligen Khanats Karabach kommt zum Kaspijskaja
Oblast.
Das ehem alige Khanat Karabach wird Teil des
Gouvernements Schemacha.
Im russischen Sudkaukasus leben rund 200.000
Armenier.
Das „Armenische Gebiet“ wird aufgelost und an
seiner Stelle das Gouvemement Eriwan geschaffen.
In den m eisten Kirchengemeinden der Eparchie
Karabach kann die Mehrzahl ihrer Mitglieder weder
arm enisch lesen noch schreiben. Viele altere Mit­
glieder dieser Gemeinden konnen auch nicht arme­
nisch sprechen, werden jedoch in den offiziellen
Dokum enten und der Statistik als Armenier gefuhrt.
299
1877-1878
Im Osmanischen Reich entsteht eine arm enische
Nationalbew egung und in der intem ationalen Politik
die „arm enische Frage“ .
Russisch-Osm anischer Krieg.
1877-1878
21.05.1877
D as Osmanische Reich verliert Rumanien, das ein
unabhangiger Staat wird.
31.07.1877
D as Osm anische Heer zieht vom Schipkinskij
Gebirgspass ab und gibt die Verbindungswege in den
Balkan frei.
18.11.1877
Russische Truppen nehmen die osmanische Festung
Kars ein.
1877
Belagerung und Eroberung der Stadt Plewen durch
russische Truppen.
08/09.01.1878 Sieg der Russen liber die Osmanen bei SchipkaSchejnowo.
20.01.1878
Besetzung von Andrianopol durch russische Truppen.
03.03.1878
Unterzeichnung des Friedensvertrages zwischen
Russland und dem Osmanischen Reich in San
Stefano.
13.6-13.7.1878 Berliner Kongress, einberufen zur Priifung des
Friedens von San Stefano 1878 zwischen Russland
und dem Osmanischen Reich.
1890
Griindung der Partei Daschnakzutjun (Foderation
A rm enischer Revolutionare) in Tiflis. Ihr grundlegendes Betatigungsfeld war zunachst das Osmanische
Reich, danach der Siidkaukasus.
1897
Die Zahl der Armenier im Siidkaukasus erreichte laut
einem Schriftwechsel 1.218.081 Personen. Davon
konnten 44.985 Personen weder armenisch schreiben
noch lesen noch sprechen und zahlten sich nicht zur
A rm enischen Kirche. Anderen Angaben (N.N.
Schawrow, N.I. Isarow) zufolge leben in dieser Zeit
im Kaukasus jew eils 1.000.000 bzw. 900.000
Arm enier.
1905-1907
N ationale und soziale Unruhen in Karabach.
Besonders stark sind die antiaserbaidschanischen
Pogrom e in Schuscha, wo 500 Aserbaidschaner und
40 A rm enier getotet werden. In ganz Karabach
300
1909-1910
1911
1 9 1 4 -1 9 1 6
1915
2 4 .0 4 .1 9 1 5
01 . 05.1915
17 . 05.1915
1916
1 9 1 7 -1 9 2 2
1917
1917
kommen in diesen Jahren 3000 bis 10.000 Menschen
um.
Der Heilige Synod des Russischen Imperiums
erlaubte dem armenischen Synod in Etschmidadzin
das Archivmaterial einer Reihe albanischer Eparchien
zu zerstoren.
Griindung der aserbaidschanischen Partei „Mussawat“ (,,Gleichheit“).
In den russischen Siidkaukasus iibersiedeln mindestens 350.000 Armenier.
A uf der Halbinsel Galliopol fallen im Kam pf
zwischen der Entente und der Turkei mindestens
65.000 Tiirken. Die Alliierten (GroBbritannien,
Frankreich, Osterreich und Neuseeland) beklagen
mindestens 45.000 Gefallene.
Talat-Pascha,
Innenminister
des
Osmanischen
Reiches, erlasst den Befehl zum Kam pf gegen die
armenischen Partisanen in Sejtun, Bitlis, Siwas und
Van.
Die Regierung des Osmanischen Reiches gibt den
Erlass iiber die Umsiedlung von Armeniern aus den
Rayons der Partisanenbewegungen in andere Landesteile heraus. Wahrend der Massendeportation verhungern tausende Armenier oder sterben durch Kalte und
Krankheiten sowie durch die Uberfalle der
kurdischen und tscherkessischen bewaffneten Banden.
Aufstandische Armenier nehmen die Stadt Van ein
und rufen die „Armenische Republik Van" aus.
Die Zahl der Armenier im Gouvernement Eriwan
erreicht 669.871 Personen.
Nationale und soziale Aufstande in Karabach,
angestifitet von den Daschnaken.
Durch Beschluss der Ubergangsregierung wird das
„Besondere Transkaukasische Kom itee“ (OSAKOM)
geschaffen.
Unter Leitung von Schaumjan und Lalojanz werden
die aserbaidschanischen Dorfer von Karabach und
301
1917
28.10.1917
jiidischen Siedlungen im Kreis Kuba iiberfallen. Das
deutsche D o rf H elenendorf ist auch vom arm enischen
Uberfall betroffen.
D er Arm enische Nationalkongress fordert, der nordostliche Teil des Osmanischen Reiches solle dem
arm enischen Volk iiberlassen werden und es solle
hier W estarm enien geschaffen werden.
W.I Lenin bestatigt per Dekret das Recht W estarmeniens au f staatliche Souveranitat.
24.11.191702.1918
In Tiflis w irkt das Transkaukasische Kommissariat.
23.02.-05.1918 In Tiflis wird unter aktiver Beteiligung des
Botschafters der USA, Smith, der „Transkaukasische
Sejm “ geschaffen.
M arz 1918
Im Rayon (Ujesd) Baku und in der Stadt Baku toten
A nhanger von Schaumjan Tausende von Mitgliedem
(fast alle Aserbaidschaner) der Partei ,,Mussawat“.
09.04.1918
D er Transkaukasische Sejm erklart sich zum gesetzgebenden Organ des Transkaukasus und proklamiert
die Grundung der unabhangigen Transkaukasischen
Foderativen Republik.
11.04-04.06.1918 Tiirkische Truppen fallen in den Kaukasus ein und
besetzen Erzurum, Ardagan, Kars, Batumi, Osugeti
und Gurien. In der Transkaukasischen Foderativen
Republik wird der Kriegszustand ausgerufen.
A pril 1918
In Baku, Lenkoran, Chatschmas, Adschibulag.
Salyan, Schemacha und in Kuba kommen infolge der
,,revolutionaren“ Aktionen der Anhanger der Partei
,,Daschnakzutjun“ rund 50.000 Menschen um. die
m ehrheitlich Aserbaidschaner sind.
25.05.1918
Aserbaidschan, Georgien und Armenien erklaren sich
zu unabhangigen Staaten. Aber die Republik Armenien, die a u f Initiative der Partei „Daschnakzutjun"
geschaffen wurde, hat weder ein Territorium noch
eine Hauptstadt. Die Gmndung der Demokratischen
Republik Aserbaidschan wird von Mammed Emin
Rasulsade geleitet.
302
22.05.1918
Gegenangriff der
armenischen
Truppen
bei
Sardarabad.
29.05.1918
Die Republik Aserbaidschan ubergibt, ausgehend
vom Prinzip der guten Nachbarschaft, einen Teil
(zwei Rayons) des Gouvemements Eriwan und die
Stadt Eriwan an die neu geschaffene Republik
Armenien. Der damalige Fiihrer Aserbaidschans,
Fatali Khan Khojskij, wird, nachdem er ein so
groBzugiges Geschenk an die Armenier gemacht
hatte, zwei Jahre spater in Tiflis von dem
armenischen Terroristen Aram Erkajan erschossen.
Sommer 1918 Die Verbande des armenischen Generals Andranik,
die eine Niederlage durch das Osmanische Reich
erlitten hatten, beginnen die aserbaidschanischen
Einwohner mit Waffengewalt aus dem ehemaligen
Gouvem ement Eriwan zu vertreiben. Gegen Herbst
1918 sind in Sangesur 115 aserbaidschanische Dorfer
fast ganzlich vemichtet, 7729 Aserbaidschaner
umgekommen und rund 50.000 Aserbaidschaner zu
Fluchtlingen geworden.
November 1918 General Thompson, der britische Oberbefehlshaber
im Sudkaukasus, befiehlt den Einheiten von General
Andranik den unverziiglichen Abzug aus Karabach
und weist darauf hin, dass Karabach zum
aserbaidschanischen Territorium gehort.
19.11.1918
In der Republik Aserbaidschan wird das Parlamentsgesetz verabschiedet. Von den 120 Sitzen werden 21
von Arm eniem eingenommen.
1918-1920
Die
armenische
Republik
beansprucht
das
Territorium von Sangesur, Karabach, Nachitschewan,
Bortschala und einigen anderen.
13.01.1919
In der Aserbaidschanischen Demokratischen Repub­
lik wird das Generalgouvernement Karabach geschaf­
fen, das sich von Dschewanschir und Schuscha bis
nach Sangesur erstreckt und vom aserbaidschanischen
Generalgouvem eur Chosrow Sultanow regiert wird.
22.01.1919
Die Entente erkennt Karabach als Teil der Aser­
baidschanischen Demokratischen Republik an. Der
303
Oberbefehlshaber der Entente im Siidkaukasus John
M ilton erklart, dass die Regierung der A serbaidscha­
nischen Dem okratischen Republik die einzig legale
Regierung in Karabach ist
Die Entente erkennt em eut Karabach als T e il der
03.04.1919
Republik Aserbaidschan an und die Adm inistration
Sultanow als deren einzig legale R egierung in
Karabach.
Die Regierung von Aserbaidschan und die arme­
26.08.1919
nische Bevolkerung von Karabach kommen zu der
Vereinbarung, dass die karabachischen Bergregionen
Disag, W aranda, Chatschin und Dschilaberd aserbaidschanisches Territorium sind.
Marz 1920
A rm enische Verbande der Anhanger der Partei
,,Daschnakzutjun“ veriiben einen bewaffneten Einfall
in Nachitschewan, Ordubad, Schuscha, Chankendi,
Terter, Askeran, Sangesur, Dschebrail und Gjandscha.
28.04.1920
D ie Rote Armee nimmt die Aserbaidschanische
Dem okratische Republik ein.
19.06.1920
D er AuBenminister Russlands G. Tschitscherin
schlagt eine den Kriegserfordemissen angepasste
Fuhrung von Karabach, Nachitschewan, Sangesur
und Dschulfa aus M oskau vor.
10.08.1920
D er Friede von Sevres (Frankreich), einer der
Vertrage des Versailler-Washingtoner Systems, die
den Ersten W eltkrieg abschlieBen. Unterzeichnet in
der Stadt Sevres von den Landem der Entente und
den ihnen angeschlossenen Staaten einerseits und der
Tiirkei andererseits. E r setzte die Teilung des
Territorium s des Osmanischen Reiches fest, darunter
auch des eigentlichen tiirkischen.
August 1920 M ilitarischer Konflikt von Daschnaken-Armenien mil
der Tiirkei Kemal Atattirks.
November 1920 Die Daschnaken-Regierung Erewans unterzeichnet
den fur Arm enien schweren Vertrag mit der Tiirkei.
13.10.1921
D er Vertrag von Kars zwischen den Sozialistischen
Sowjetrepubliken Aserbaidschan, Armenien und
304
29.11.1920
1922-1936
09.07.1923
09.02.1924
23.12.194710.05.1948
1950
24.04.1965
1966
1969
1978
Georgien und der Tiirkei setzt die Grenzen zur Tiirkei
und den Status von Nachitschewan459fest.
Der Vertrag erstreckte sich auf die Transkaukasischen
Republiken, die die Bestimmungen des M oskauer
Vertrages (1921) unterzeichnet hatten.
Okkupation Armeniens durch die Rote Armee.
Armenien wird Teil der Transkaukasischen Sozialisti­
schen Foderativen Sowjetrepublik.
Griindung des Autonomen Gebiets Berg-Karabach
(NKAO) innerhalb der Aserbaidschanischen SSR.
Griindung der ASSR Nachitschewan innerhalb der
Aserbaidschanischen SSR.
Mit der Zustimmung Moskaus werden aus den BergRayons Armeniens 100.000 Aserbaidschaner in die
Muganer Steppe von Aserbaidschan umgesiedelt.
Weitere 50.000 Aserbaidschaner von Armenien nach
Aserbaidschan umgesiedelt.
Zehntausende Armenier demonstrieren in Erewan mit
der Forderung, das ,,Heimatland“ mit den „arme­
nischen Gebieten“ zu vereinen. Zu letzterem wurde
auch Berg-Karabach gezahlt.
45.000 Arm enier unterzeichnen eine Petition an
Moskau mit der Bitte, Berg-Karabach an Armenien
zu iibertragen. Spater gehen an die letzten Parteikongresse der KPdSU die gleichen Petitionen. Unter­
zeichnet von Tausenden von Armeniern.
Armenien erweitert sein Territorium mit Unterstiitzung M oskaus zu Lasten eines Teils des Kasachund des Sadarak-Rayons von Aserbaidschan.
Die A rm enier begehen den 150. Jahrestag der
Umsiedlung von Armeniern aus Persien in BergKarabach durch Errichtung eines Denkmals
4>4V on 1917-1919 war ein Teil des Territoriums von Nachitschewan von
tiirkischen und englischen Truppen besetzt und 1920 von Truppen der Roten
A rm ee. Im Juli 1920 wurde die Sowjetrepublik Nachitschewan gegriindet. Im
Februar 1923 wurde der autonome Kreis Nachitschewan innerhalb der
Aserbaidschanischen SSR geschaffen; im Februar 1924 wurde er in die
A utonom e Sozialistische Sowjetrepublik Nachitschewan umgebildet.
305
1987
D er Armenische Nationalkongress verabschiedet in
Paris den Beschluss tiber die Notwendigkeit der
Nutzung der in der UdSSR beginnenden dem okratischen Umgestaltung fur die Umsetzung der „legalen
Forderungen des armenischen Volkes“ liber die
,,W iedervereinigung“ von Berg-Karabach m it Armenien.
O k to b e r 1987 Grundung der Vereinigung der nationalen Selbstbestim m ung von Armenien.
17.10.1987
Dem onstration von vielen Tausenden in Erewan.
Provozierende Reden der armenischen Intellektuellen
S. Kaputikjan, M. M arkarjan, S. Balajan u.a.
18.10.1987
D em onstration in Erewan iiber den territorialen
K onflikt im D orf Tschardachlu von Berg-Karabach.
Bei der Auflosung werden Portrats von Gorbatschow
zerfetzt.
21.10.1987
Im Plenum des ZK der KPdSU wird der Antrag von
H.A. Alijew iiber seine Befreiung von den Pflichten
eines M itglieds des Politburos des ZK der KPdSU im
Zusam m enhang mit seiner Pensionierung aus
gesundheitlichen Griinden verabschiedet.
22.10.1987
Veroffentlichung der Beschreibung eines vom
M inisterrat der UdSSR gefassten Beschlusses iiber
em sthafte Mangel in der Tatigkeit des aserbaidscha­
nischen Institute der Volkswirtschaft namens Buniatsade.
18.11.1987
Der Berater M. Gorbatschows, A. Aganbegjan, aul3ert
sich zur Zweckmafiigkeit der Eingliederung des auto­
nom en Gebietes Berg-Karabach in die Armenische
SSR und seiner Herauslosung aus der Aserbaidscha­
nischen SSR. Diese Erklarang spielt bei der
Zuspitzung des Konfliktes eine groBe Rolle.
NovemberDezember 1987Dem onstrationen in Erewan mit Forderungen der
1987
306
A ngliederung des Autonomen Gebiets Berg-Kara­
bach an die Armenische SSR.
In der Zeitschrift „Druschba narodow" (Freundschaft
der Volker) werden Gedichte der bekannten
1987
Ende 1987
J a n u a r 1988
13.02.1988
15.02.1988
16.02.1988
18.02.1988
20.02.1988
armenischen Dichterin Silwa Kaputikjan veroffentlicht. Darin appelliert sie wieder, wie einst General
Andranik, m it der Waffe in der Hand die aser­
baidschanischen Siedlungen von Karabach zu
,,durchkammen“.
In russischer Sprache erscheint das Buch von Sori
Balajan ,,Otschag“ (Heim). Darin erklart der Autor
Berg-Karabach zum „angestammten Heim“ des
ganzen armenischen Volkes. Die These ist fur die
iiberwaltigende Mehrheit der Experten vollig zweifelhaft, aber viele Armenier nehmen sie als nicht anzuzweifelnde Wahrheit an.
In Erewan, Kafan, Masis, Gudarak, Dilischan, Sisian
und Kirowakan beginnt die Vertreibung weiterer
noch verbliebener Aserbaidschaner. Im V erlauf dieser
Kampagne sterben 220 Aserbaidschaner und werden
1154 schwer verletzt.
Die Zahl der aserbaidschanischen Fliichtlinge aus
Armenien erreicht 243.000 Personen. Die Mehrzahl
der Deportierten ist vortibergehend in Baku und
Sumgait angesiedelt. In Armenien werden bei iiber
2000 Siedlungen die aserbaidschanischen Namen
durch armenische ersetzt.
Eine Gruppe (einige hundert Menschen) Armenier
aus Karabach halten auf dem Lenin-Platz in
Stepanakert eine nicht genehmigte Versammlung ab
mit der Forderung der Wiedervereinigung von BergKarabach mit Armenien.
Kongress des Verbandes der Schriftsteller von
Armenien. Rede von Silwa Kaputikjan zugunsten der
Forderungen der Armenier von Karabach.
Dauermeeting fur die Wiedervereinigung mit Arme­
nien in Stepanakert.
“Okologische“ Versammlung in Erewan.
Die Sitzung des Rates der Volksdeputierten des
Gebiets Berg-Karabach fasst den Beschluss, die
Obersten Sowjets von Aserbaidschan, Armenien und
der UdSSR zu ersuchen, die Frage der Ubertragung
307
des NKAO aus der Aserbaidschanischen SSR in die
Armenische SSR zu entscheiden.
21.02.1988
Versammlung zur Unterstiitzung des NKAO in
Erewan.
22.02.1988
100.000 Demonstranten in Erewan unterstutzen die
Forderung der Armenier von Karabach.
23.02.1988
300.000 Demonstranten in Erewan unterstutzen die
Forderungen der Armenier von Karabach.
23.02.1988
Die Wahl von G. Pogosjan zum Ersten Sekretar des
Obersten Komitees der KPdSU des NKAO.
25.02.1988
300.000 Demonstranten in Erewan unterstutzen die
Forderungen der Armenier von Karabach.
25.02.1988
Telefongesprach M. Gorbatschows mit G. Pogosjan.
28/29.02.1988 Unruhen in Sumgait. 32 Menschen kommen um.
17.03.1988
Beschluss des Plenums des Obersten Komitees von
Berg-Karabach der Kommunistischen Partei Aserbaidschans mit der Bitte an das Politburo des ZK der
KPdSU, die Frage iiber die Abtretung von BergKarabach an die Armenische SSR zu losen.
20.03.1988
Massendemonstration mit rund 200.000 Teilnehmem
in Erewan in Unterstiitzung von Berg-Karabach.
21.03.1988
Schreiben von A. Sacharow an M. Gorbatschow mit
dem Aufruf, das Problem des
NKAO und der
Krimtataren auf demokratischem Weg zu losen.
24.03.1988
Das ZK der KPdSU und der Ministerrat der UdSSR
nehmen den Beschluss „Uber MaBnahmen zur
Beschleunigung der sozialen und wirtschaftlichen
Entwicklung des Autonomen Gebiets Berg-Karabach
der Aserbaidschanischen SSR fur die Jahre 19881995“.
04.06.1988
Beginn eines Hungerstreiks von 11 Personen in
Erewan zur
Unterstiitzung der Forderungen des
Gebietssowjets des NKAO.
14.06.1988
Der Oberste Sowjet von Armenien nimmt den
Beschluss iiber die Angliederung des Gebietes Nagorno-Karabach an die Armenische SSR.
17.06.1988
18.06.1988
04.07.1988
05.07.1988
12.07.1988
18.07.1988
09.11.1988
17.11.1988
21.11.1988
23.11.1988
308
Der Oberste Sowjet von Aserbaidschan bestatigt den
Verbleib von Berg-Karabach innerhalb seiner Repub­
lik.
Verabschiedung des Beschlusses des Obersten
Sowjets der UdSSR iiber die Beschliisse der Obersten
Sowjets der Armenischen SSR und der Aser­
baidschanischen SSR zur Frage von Berg-Karabach.
Das Presidium des Obersten Sowjets der UdSSR halt
die Anderung der Grenzen, die auf der verfassungsmaBigen Grundlage der national-territorialen Teilung
der Aserbaidschanischen SSR und der Armenischen
SSR festgesetzt wurden, fur unmoglich.
Generalstreik in Armenien (bis 15. Juli 1988).
A ngriff der Truppen unter dem Kommando von A.
Makaschow auf die Streikenden im Flughafen
,,Swartnoz“ bei Erewan. Ein Mensch wird getotet.
Beschluss des Gebietssowjets von NKAO iiber den
Austritt aus Aserbaidschan und die Angliederung an
Armenien.
Sitzung des Presidiums des Obersten Sowjets der
UdSSR zum Karabach-Problem. Der Sowjet bestatigt,
dass das autonome Gebiet Berg-Karabach integraler
Bestandteil der Aserbaidschanischen SSR ist.
Beschluss zum Bau von Hausern fur armenische
Fliichtlinge in Chatschin (Anlass zu neuer Zuspitzung
des armenisch-aserbaidschanischen Konfliktes).
Eine Welle von Demonstrationen (bis 5. Dezeniber)
in Aserbaidschan mit Forderungen, entweder das
NKAO aufzulosen oder den Aserbaidschanern in
Armenien eine Autonomie zu geben. Der Anfuhrer
der Bewegungen, N. Panahow, fordert die Demons­
tranten auf, zu schworen, „dass den Armeniern kein
Haar gekriimmt wird“.
Beschluss des Vertreters des ZK der KPdSU in
N K AO A. Wolskij iiber die Einstellung des Baus in
Chatschin.
Unterzeichnung des Erlasses des Prasidiums des
Obersten Sowjets der UdSSR iiber SofortmaBnahmen
309
zur W iederherstellung der gesellschaftlichen O rdnung
in der Aserbaidschanischen und der Arm enischen
SSR.
24.11.1988
Sitzung des Obersten Sowjets von Armenien gegen
den W iderstand der Leitung der KP. Verhangung des
Ausnahmezustandes in Erewan.
27/29.11.1988 Antiaserbaidschanische Pogrome in den Stadten der
Arm enischen SSR. Bei den Pogromen kom m en 33
Aserbaidschaner ums Leben.
05.12.1988
Zerschlagung einer Demonstration in Baku, 547
Personen
festgenommen. Verhaftung von
N.
Panahow. Nachts raumen Truppen den Lenin-Platz in
Baku von den Demonstranten, die ihn seit dem 18.
Novem ber besetzt hatten. Zwei Menschen umgekommen.
07.12.1988
Ein Erdbeben zerstort Leninakan und die Region um
Spitak.
10.12.1988
Verhaftung der Ftihrer der Karabachischen Bewegung. Reise von A. Sacharow und E. Bonner nach
Arm enien und Aserbaidschan in dem Versuch, die
verfeindeten Seiten zu versohnen.
Dezember 1988Gegen Ende des Jahres werden aus der Armenischen
SSR mehr als 200.000 Aserbaidschaner vertrieben.
Januar 1989 M oskau griindet einen Sonderausschuss fur die
Leitung von Karabach.
20.01.1989
Rucktritt von G. Pogosjan vom Posten des Ersten
Sekretars des Obersten Komitees Berg-Karabach der
KPdSU.
28.02.1989
Die „M oskowskaja tribuna“ veranstaltet gemeinsam
mit „M em orial" einen Gedenkabend fur die Opfer
von Sumgait.
05.04.1989
Gerichtsverhandlung gegen den Aktivisten der
Karabach-Bewegung A. Ogonjan (zu 2,5 Jahren auf
Bew ahrung verurteilt).
23.07.1989
Griindung der Nationalen Front von Aserbaidschan
(NFA).
29.07.1989
Unaufhorliche
Uberfalle
auf Ziige
in
der
A rm enischen SSR ftihren zur Einstellung des Eisen310
16.09.1989
01.12.1989
02.01.1990
06.01.1990
12.01.1990
13.01.1990
14.01.1990
15.01.1990
17.01.1990
20.01.1990
21.01.1990
bahnverkehrs zwischen Armenien und Aserbaid­
schan. Armenien beginnt mit der Blockade der Auto­
nomen Republik Nachitschewan.
Terroranschlag in einem aserbaidschanischen Bus
von Tbilissi nach Baku. Fiinf Tote, 25 Verletzte.
Der Oberste Sowjet der Armenischen SSR
verabschiedet den Beschluss „Uber die Wiedervereinigung der Armenischen SSR und des autonomen
Gebiets Berg-Karabach“ . Mit diesem Akt verletzt
Armenien die Verfassung der UdSSR und macht
offiziell Gebietsanspriiche an die Nachbarrepublik
geltend.
Beginn einer neuen Welle von ZusammenstoBen in
Berg-Karabach.
Konferenz der Nationalen Front Aserbaidschans
Unruhe in Baku.
Entwaffnung der Miliz von Baku durch Truppen des
Ministeriums fur Innere Angelegenheiten der UdSSR.
Wahrend der folgenden Unruhen in Baku war die
Miliz ohne Waffen.
Beginn von Massendemonstrationen in Aserbaid­
schan und Armenien. Die Aktivierung von Kampfhandlungen in Berg-Karabach und Beginn des
Krieges an der Grenze von Armenien und Aser­
baidschan.
Erlass des Presidiums des Obersten Sowjets der
UdSSR iiber die Verhangung des Ausnahmezustandes
in Berg-Karabach.
Informationsmeeting der armenischen Offentlichkeit
in Moskau.
„Schwarzer Januar in Baku“. Die Sowjetarmee marschiert in Baku ein; bei ZusammenstoBen kamen nach
offiziellen Angaben 131 Menschen um und werden
uber 700 verletzt. In Baku wird der Ausnahmezustand
erklart.
Demonstrationen und Meetings der Offentlichkeit
gegen den Einmarsch des Militars in Baku. Uber eine
Millionen M enschen gehen auf die StraBe. In der
311
25.01.1990
28.01.1990
01.02.1990
03.02.1990
18.02.1990
11.07.1990
15.07.1990
04.08.1990
10.08.1990
23.08.1990
10.09.1990
312
Republik beginnt ein Generalstreik, der 40 Tage
dauert.
Bew affneter Uberfall au f die Standige Vertretung
Aserbaidschans in Moskau.
Uberfall einer Unterabteilung der Sowjetarmee auf
das Stabsquartier der Armenischen Nationalen
Reserve in Erewan, ein Mensch stirbt.
Konsultation zwischen der Armenischen Befreiungsbewegung und der Volksfront von Aserbaidschan
unter Vermittlung der Baltischen Versammlung in
Riga.
Abberufung der armenischen Delegation aus Riga.
Bei Kilom eter 105 der Chaussee Ewlach-Latschin
explodiert ein aserbaidschanischer Autobus, der von
Schuscha nach Baku fahrt. Fast alle Fahrgaste
kom men um s Leben.
Terroranschlag in einem aserbaidschanischen Auto­
bus, der von Terter nach Kelbadschar fahrt. 14 Menschen sterben, 35 werden verletzt.
Sieg der Armenischen Befreiungsbewegung (AOD)
bei der W iederholungswahl zum Obersten Sowjet
(Parlament) in Armenien.
Lewon Ter-Petrosjan wird zum Vorsitzenden des
Obersten Sowjets der Armenischen SSR gewahlt.
Terroranschlag
in
einem
aserbaidschanischen
Autobus, der von Tbilissi nach Agdam fahrt. 20 Menschen sterben, 30 werden verletzt. Die Organisatoren
des Terroraktes A. Owanesjan und M. Tatewosjan
werden gefunden und verurteilt.
Terroranschlag
in
einem
aserbaidschanischen
Autobus a u f der Chaussee Schamkir-Ganca im Dorf
N adel des Chanlar-Rayons; 17 Tote und 26 Verletzte.
Der Oberste Sowjet der Armenischen SSR nimmt die
U nabhangigkeitserklarung an.
Die Situation in Berg-Karabach spitzt sich zu.
Arm enische Kampfer besetzen die Gebaude des
Rajkom s der Partei in Askeran, Hadrut, Martuni.
20.09.1990
21.09.1990
22.09.1990
24.09.1990
30.11.1990
30.11.1990
14.12.1990
09.01.1991
17.04.1991
Auflosung der armenischen Militarorganisation
,,Musch“ im Zusammenhang mit dem Regierungsantritt der Armenischen Befreiungsbewegung (AOD)
in Armenien.
Beim Referendum in Armenien stimmt die Bevolkerung fur die Unabhangigkeit der Armenischen
Republik. Lewon Ter-Petrosjan zum Prasidenten der
Republik gewahlt.
Beginn des Hungerstreiks der Deputierten der UdSSR
S. Balajan, W. Ambarzumjan u.a. mit der Forderung
der W iederherstellung der Verfassungsorgane und der
Einhaltung der M enschenrechte im Autonomen
Gebiet Berg-Karabach.
Parlamentswahlen in Aserbaidschan und Sieg der KP
infolge von Wahlfalschung.
Terroranschlag in einem aserbaidschanischen Auto­
bus in der Nahe des Flughafens Chankendi (Stepana­
kert); zwei Tote, 11 Verletzte.
Umbenennung der Aserbaidschanischen SSR in
Republik Aserbaidschan auf Beschluss des Parlaments.
Im Autonomen Gebiet Nagorno-Karabach verscharft
sich die Lage emeut. Zwei Menschen sterben, ein
Ortsansassiger und ein M ilitarangehoriger der
Truppen des Innenministeriums werden verletzt.
Beschuss
eines
mit
einer
Journalistin
der
aserbaidschanischen
Zeitung
„Molodjosch
Aserbajdschana“ (Jugend Aserbaidschans) und drei
Militarangehorigen besetzten Personenwagens. Alle
kommen ums Leben. Die Terroristen A. Mkrtschan,
G. Petrosjan, A. Mangasarjan und G. Arustumjan
werden strafrechtlich zur Verantwortung gezogen und
zwei Jahre spater entlassen.
Beschluss des Obersten Sowjets von Armenien „Ober
die Nationalisierung des Vermogens der Kommunistischen Partei Armeniens und der ehemaligen
Komsomolorganisation Armeniens, LKSM“.
313
23.04.1991
30.04.1991
30.05.1991
19.06.1991
04.07.1991
31.07.1991
02.08.1991
21.08.1991
30.08.1991
02.09.1991
314
D er Prasident der UdSSR ,,revidiert“ per Erlass den
Beschluss des Obersten Sowjets von Armenien iiber
die Nationalisierung des Partei- und KomsomolVerm ogens in der Republik Armenien.
Beginn der Operation ,,Kolzo“ (Ring) durch die Einheiten der Sowjetarmee und die aserbaidschanische
M ilizeinheiten OMON. 37 Menschen werden getotet.
Terroranschlag in einem aserbaidschanischen Zug
,,M oskau-Baku“ unweit der Station Chasawjurt
(Dagestan); 11 Tote, 22 Verletzte.
Terroranschlag
in
einem
aserbaidschanischen
Kleinbus bei Kilometer 106 der Autobahn EwlachLatschin; 3 Tote, 3 Schwerverletzte.
V eroffentlichung eines Erlasses des Prasidenten der
UdSSR iiber die Aufhebung des Ausnahmezustandes
im Gebiet der zum NKAO gehorenden Rayons
Goranboj (ehemals Schaumjan) und Dschebrail der
Aserbaidschanischen SSR, der mit Erlass des
Presidium s des Obersten Sowjets der UdSSR am 15.
Januar 1990 eingefuhrt worden war.
Explosion im Zug ,,Moskau-Baku“ unweit der Station
Tem irtau in Dagestan; 16 Tote, 20 Verletzte.
Terroranschlag in einem aserbaidschanischen Bus im
D o rf Dolanlar des Rayons Hadrut; 4 Tote, 8
Verletzte.
Terroranschlag in einem aserbaidschanischen Bus
unweit des Dorfes Schadacht des Rayons Hadrut; 2
Tote, 10 Schwerverletzte.
A serbaidschan erklart seine staatliche Unabhangigkeit. Nach dem kommunistischen Putsch in Moskau.
der auch von Ajas Mutalibow unterstiitzt wurde.
entzieht Russland Aserbaidschan offiziell die
m ilitarische Unterstiitzung im Kampf um Karabach.
In Stepanakert wird auf der gemeinsamen Sitzung des
Gebietssowjets von Berg-Karabach und des Sowjets
der Volksdeputierten des Rayons Schaumjan die
Republik Nagom o-Karabach ausgerufen. Annahme
08.09.1991
26.09.1991
19.10.1991
N ovem ber
18.11.1991
20.11.1991
10.12.1991
26.12.1991
1992
des Beschlusses iiber die Schaffung der „Selbstverteidigungskrafte NKR“ (15.000 Mann).
Beschuss
des aserbaidschanischen Autobusses
,,Agdam-Chodschawent“ ; 5 Tote, 34 Verletzte.
Beschuss eines Autobusses, der von Agdama nach
Garadagli fahrt; 8 Tote, 42 Verletzte.
Terroranschlag
in
einem
aserbaidschanischen
Kleinbus, der auf der Strecke Ewlach-Latschin fahrt,
2 Tote, 14 Verletzte.
Terroranschlag
in
einem
aserbaidschanischen
Kleinbus in der Nahe der Ortschaft Sirchawend,
Rayon Agdere; 3 Tote, 2 Schwerverletzte.
1991 Der Oberste Sowjet von Aserbaidschan lost das
Autonome Gebiet Berg-Karabach auf.
Die Republik Aserbaidschan tritt der GUS bei.
Abschuss des Hubschraubers ,,MI-8“ bei der
Ortschaft Karakend, Rayon Chodschawent; 19 Tote:
aserbaidschanische Staatsbeamte und Beobachter aus
Russland und Kasachstan.
In einem Referendum bestatigen die armenischen
Einwohner von Berg-Karabach „die staatliche Unabhangigkeit von Berg-Karabach“ . Die aserbaidschani­
schen Einwohner waren schon vorher vertrieben.
Terroranschlag in zwei aserbaidschanischen PKW bei
4. Kilometer der Autobahn Schuscha-Latschin; 5
Tote, 4 Verletzte.
Den armenischen Lobbyisten, die sich zunutze
machen, dass Aserbaidschan keine Botschaft in den
USA hat, gelingt die Annahme des 907. Abschnitts
zum „Gesetz uber die Unterstiitzung der Freiheit" im
Kongress dieser GroBmacht. Diese Klausel spielt auf
Grund der auBerordentlich groBen Rolle der USA in
der W eltpolitik eine sehr negative Rolle bei der
Bewertung des Konfliktes seitens der Weltgemeinschaft, da Aserbaidschan, das Opfer der Aggression
ist, als Angreifer dargestellt wird, der die Blockade
Armeniens umgesetzt hat.
315
08.01.1992
Terroranschlag auf die Fahre ,,Krasnowodsk-Baku“
im Kaspischen Meer; 25 Tote, 88 Verletzte.
28.01.1992
Abschuss eines aserbaidschanischen zivilen Hubschraubers, der auf der Linie ,,Agdam-Schuscha“
fliegt, 44 Tote, meist Frauen und Kinder.
26.02.1992
Arm enische Armeeeinheiten nehmen die Stadt
Chodschaly ein und richten unter der aserbaidschani­
schen Bevolkerung ein Blutbad an: mindestens 700
Tote unter der Zivilbevolkerung, darunter uber 200
Frauen und Kinder.
06.03.1992
Riicktritt von Mutalibow vom Amt des Prasidenten
von Aserbaidschan. Eskalation der Kriegshandlungen
in Berg-Karabach.
Fruhjahr 1992 Die Tiirkei schlieBt die armenisch-turkische G renze.
08.03.1992
D er letzte GUS-Soldat verlasst das Gebiet von BergKarabach. Die Moskauer Gruppe „Nesawisimaja
graschdanskaja iniziatiwa“ (Unabhangige Burgerinitiative) unter der Leitung von Professor J.
Afanasjew tritt fur die territoriale Integritat von
Aserbaidschan ein.
22.03.1992
Terroranschlag
in
einem
aserbaidschanischen
Kleinbus im Rayon Kasach; 3 Tote, 2 Verletzte.
28.03.1992
Explosion eines aserbaidschanischen ,,Kamas“-LKW;
3 Tote, 2 Verletzte.
18.04.1992
Beschuss eines aserbaidschanischen Kleinbusses auf
der Chaussee Kasach-Dschafarli; 2 Tote.
08.05.1992
Die aserbaidschanische Stadt Schuscha wird von
Einheiten der Streitkrafte Armeniens besetzt. Mit dem
Fall von Schuscha geht eine ethnische Sauberung in
Berg-Karabach einher.
18/19.05.1992 Arm enische Streitkrafte besetzen den aserbaidschani­
schen Latschinskij Rayon auBerhalb des Territoriums
Berg-Karabach, der eine Korridorfunktion zwischen
Berg-K arabach und Armenien hat. Infolge der
Okkupation wurden auch rund 63341 Aser­
baidschaner aus ihren Wohnorten vertrieben. Im
Zusam m enhang mit der Okkupation des Rayons
Latschin wurde ein Treffen der Teilnehmerstaaten der
316
20.05.1992
12.10.1992
28.02.1993
03.04.1993
30.04.1993
02.06.1993
13.06.1993
15.06.1993
22.06.1993
Konferenz iiber Berg-Karabach unter der Agide der
KSZE abgebrochen.
Beschuss eines aserbaidschanischen Kleinbusses bei
der Siedlung Garantschi, Rayon Sangilan; 2 Tote, 2
Verletzte.
Die Prasidenten von Russland und Aserbaidschan
unterzeichnen in Moskau das Zwischenstaatliche
Abkommen iiber Freundschaft, Zusammenarbeit und
gegenseitige Sicherheit.
Terroranschlag im aserbaidschanischen Zug „Kislowodsk-Baku“ beim Bahnhof Gudermes (Tschetschenien); 11 Tote, 18 Verletzte.
Okkupation des Rayons Kelbadschar, der sich
auBerhalb von Berg-Karabach befindet, durch die
Streitkrafte von Armenien. 60.698 Aserbaidschaner
werden aus ihrem W ohnort vertrieben.
Der UN-Sicherheitsrat verabschiedet Resolution 822
beziiglich der Okkupation von Kelbadschar. Es wurde
die Besorgnis iiber die Verschlechterung der
Beziehungen zwischen der Republik Armenien und
der Republik Aserbaidschan und iiber die Eskalation
der feindseligen Handlungen in Berg-Karabach,
insbesondere durch den Einfall ortlicher armenischer
Truppen im Kelbadscharskij Rayon der Republik
Aserbaidschan zum Ausdruck gebracht. Trotz der
iiberzeugendsten Beweise, die von Aserbaidschan
vorgelegt wurden, weigerte sich der Sicherheitsrat,
Armenien als Angreifer anzuerkennen.
Durch die Explosion in einem Zug im Bahnhof von
Baku entstand groBer Sachschaden
Truppen von Suret Guseinow besetzen die Stadte
Barda und Ewlach. Riicktritt des Vorsitzenden des
Obersten Sowjets von Aserbaidschan Isa Gambarow.
Heidar Alijew wird zum Vorsitzenden des Obersten
Sowjet von Aserbaidschan gewahlt.
Verbande von Suret Guseinow ziehen praktisch
kampflos in Baku ein.
317
25.06.1993
23/24.7.1993
25.7.1993
29.7.1993
30.8.1993
20.09.1993
02.10.1993
01.02.1994
18.03.1994
19.03.1994
13.04.1994
09.05.1994
318
Die Volksversammlung von Aserbaidschan enthebt
A. Eldschibei des Amtes. Die Prasidentenvollm achten
werden an Heidar Alijew iibertragen.
Die Arm enier besetzen den Rayon A gdam von
Aserbaidschan, der sich in Berg-Karabach befm det.
158.000 Aserbaidschaner werden aus ihrem W ohnort
vertrieben.
Beginn einer dreitatigen Feuerpause in BergKarabach, verlangert um 7 Tage (bis 04.08.1993).
D er UN-Sicherheitsrat verabschiedet die Resolution
Nr. 853, die „den unverziiglichen, volligen und
bedingungslosen Abzug der am Konflikt beteiligten
Besatzungstruppen aus dem Rayon Agdam und der
anderen vor kurzem besetzten Rayons der Republik
A serbaidschan" fordert.
Im Rayon ITadrut explodieren ein aserbaidschanischer
Personenw agen und ein Bus, 4 Tote und 8
Schwerverletzte.
M illi M edschlis (Parlament) von Aserbaidschan
verabschiedet eine Resolution iiber den Beitritt zur
GUS.
Heidar Alijew wird zum Prasidenten der Republik
Aserbaidschan gewahlt.
Explosion im Zug ,,Kislowodsk-Baku“ auf dem
B ahnhof Baku; 3 Tote, 20 Verletzte.
Bei Chankendi (Stepanakert) Abschuss des Flugzeugs
,,Herkules“ der iranischen Streitkrafte; 34 Diplomaten
und ihre Familienangehorigen sterben.
Explosion in der U-Bahnstation „20. Januar“ in Baku:
14 Tote, 49 Verletzte. 20 Mitglieder der Organisation
,,Sadwal“ konnten vor Gericht gestellt werden.
Explosion im Zug ,,Moskau-Baku“ in der Nahe des
Bahnhofs „Dagestanskie ogni“ (Dagestan); 6 Tote. 3
Verletzte.
Protokoll von Bischkek iiber einen Waffenstillstand
zwischen Aserbaidschan und Armenien mit der
V erm ittlung der Parlamentarischen Versammlung der
GUS.
M ai 1994
0 3 .0 7 .1 9 9 4
2 0 .0 9 .1 9 9 4
0 5 .0 7 .1 9 9 5
12.11.1995
1 2 .1 1 .1 9 9 5
18.01.1996
0 4 .0 3 .1 9 9 7
Der bekannte amerikanische Politologe Paul Hobble
legt eine Skizze des territorialen Austauschs zwischen
Armenien und Aserbaidschan vor, die die Bezeichnung Hobble-Plan erhalt. Sein Kern ist die Ubertragung eines Teils von Sangesur an Aserbaidschan,
der direkt an Nachitschewan gehen wtirde. Im
Austausch daffir wiirde Armenien einen Teil der
aserbaidschanischen Gebiete, die einen direkten
Kontakt m it Berg-Karabach gewahrleisten wtirden,
erhalten. Die Konfliktparteien, insbesondere Arme­
nien untersttitzen den Plan nicht. Auch Russland und
Iran sind von dem Plan nicht begeistert.
Explosion in der U-Bahn auf der Strecke zwischen
den Stationen „28. Mai“ und ,,Gandschlik“ in Baku;
13 Tote, 42 Verletzte.
Aserbaidschan unterzeichnet mit westlichen Energieuntemehmen den ,,Jahrhundertvertrag“ zur Forderung
der Olvorkommen im aserbaidschanischen Sektor des
Kaspischen Meeres.
Parlamentswahlen in Armenien. Sieg des Blocks „Die
Republik“ unter Leitung von Lewon Ter-Petrosjan.
OSZE-Vertreter bewerten die Wahlen als „frei aber
ungerecht“ .
Annahme der ersten Verfassung der unabhangigcn
Republik Aserbaidschan in einem Referendum.
Erste Parlamentswahlen im unabhangigen Aser­
baidschan. Sieg der Regierungspartei „Neues Aserbaidschan“ .
Unterzeichnung des Vertrags zwischen Russland und
Aserbaidschan iiber den Transport des aserbaidscha­
nischen Ols iiber russisches Territorium.
Der AuBenminister von Aserbaidschan Hasan Hasanow iiberreicht dem Botschafter der Russischen
Foderation in Aserbaidschan, Alexander Blochin,
eine Protestnote im Zusammenhang mit „illegalen
W affenlieferungen Russlands an Armenien". Dem
Botschafter wurde auch eine Erklarung des AuBenministerium s von Aserbaidschan iiberreicht, in dem
319
1998
06.11.2000
April 2001
15.10.2003
25.01.2005
November
Dezember
2006
22.03.2007
es heiBt, dass Baku iiber zuverlassige K enntnisse
beztiglich der Stationierung von Raketenkom plexen
in A rm enien verfugt, „die geeignet sind, A tom sprengkopfe in eine Entfem ung von 300 K ilom eter zu
tragen“. Die Summe der geheimen W affenlieferungen
wird au f m ehr als eine M illiarde US-Dollar geschatzt.
Die Co-Vorsitzenden der Minsker KSZE-G ruppe
besuchen Eriwan und Stepanakert und schlagen die
Schaffung eines „gemeinsamen Staates“ zw ischen
Aserbaidschan und Karabach vor. Alle K onfliktparteien lehnen diesen Vorschlag ab.
Parlam entswahlen
in Aserbaidschan und
die
Regierungspartei „Neues Aserbaidschan" gew innt
em eut die M ehrheit der Mandate.
Verhandlungen zwischen den Prasidenten von
A serbaidschan und Armenien in Key West in Florida
unter Verm ittlung des US-AuBenministers Colin
Powell.
Ilham Alijew wird zum Prasidenten der Republik
A serbaidschan gewahlt.
Die Parlam entarische Versammlung des Europarates
stellt in ihrer Resolution 1416 die ,,illegale“
Okkupation von aserbaidschanischen Gebieten durch
die arm enischen Streitkrafte und die Kontrolle von
Berg-K arabach durch die Separatisten fest.
2006 A serbaidschan unterzeichnet in Brussel ein M em o­
randum iiber eine strategische Energiepartnerschaft
mit der EG.
2006 Erklarung der Staats- und Regierungschefs der
N A TO-Staaten auf dem Gipfel in Riga iiber die
U nverletzlichkeit der territorialen Integritat von
Aserbaidschan.
Das W achstum des BIP der Republik Aserbaidschan
betragt 35% . Aserbaidschan nimmt weltweit den
ersten Platz ein.
In W ashington wird das „Memorandum iiber gegenseitige Vereinbarung der Zusammenarbeit im Ener-
04.03.2008
1 5 .10.2008
giesektor zwischen den USA und der Republik Aserbaidschan“ unterzeichnet.
A uf der W affenstillstandslinie in der Konfliktzone
ereignet sich ein schwerer Schusswechsel, infolge
dessen au f beiden Seiten mindestens 16 Menschen
sterben und viele Dutzend verletzt werden. Initiator
des Schusswechsels war aller Wahrscheinlichkeit
nach die armenische Seite. Die Aserbaidschaner
konnten den Schusswechsel kaum beginnen, da der
President der Republik Aserbaidschan, Ilham Alijew
in diesen Tagen die Rayons an der W affenstillstands­
linie inspizierte. Die Armenische Seite hingegen
konnte versuchen, mit diesem Zwischenfall von der
inneren Auseinandersetzung in Erewan abzulenken.460
Ilham Alijew wird mit 77,8% der Wahlerstimmen in
seinem Amt als Staatsprasident bestatigt. Insbesondere sein Regierungsprogramm beziiglich der Entwicklung der landlichen Regionen und des Ausbaus
der Infrastruktur kommt bei der Bevolkerung gut an.
Internationale W ahlbeobachter sprechen von einer
demokratischen und fairen Wahl in Aserbaidschan.
4M,Siehe Nesawisimaja gaseta, 08.03.2008, S. 8.
320
321
2.
Die Herrscher des Khanats Irewan (Eriwan)
Die unten chronologisch aufgefuhrte Liste der H e rrsc h e r der
Staatsbildungen, die entweder das Gebiet des Khanats (F u rsten tu m s)
Irewan (Eriwan)461 mit beinhalteten oder nur au f dem G e b ie t des
Khanats Irewan entstanden, stellen eindeutig unter Beweis, d a s s diese
Herrscher (Emire, Beys, Schahs oder Khane) ausschliefilich
Aserbaidschaner w aren.462
In einigen sehr angesehenen Werken beginnt die G eschichte dieser
Herrscher aus irgendeinem Grund ab 1604.463 Die H errscher dieses
Khanats haben real jedoch bereits 200 Jahre vor diesem D atum
gewirkt. Die angeflihrte Liste464 korrigiert, wie der Autor h offt, diese
Differenz.
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
13.
14.
15.
16.
Emir Sad - Ende 14. Jh. - 1410
Pir Gusejn - Sohn des Emirs Sad - von 1410
Pir Jagub (Sohn des Pir Gusejn) - 1420
Abdul - Sohn des Pir Gusejn - 1430
Usun Hasan - 1471
Jagub Bek - auf Befehl des Dschahan Schahs 1440
Gasan Ali Qara-Qoyunlu - seit 1460
Gasanbek, Enkel des B ajan d u r- 1475
Div Sultan Rumlu - seit 1515
Gusejchan Sultan - bis 1550
Schahgulu Sultan ustadschali - (1550-1575)
Lapa pascha mit dem Namen Gara Mustapha, die Periode
(Sultan Murad) - 1577
Machmudchan Tochmag, die Periode des Schahs Chudaw e n d a - 1576-1583
Pharchadpascha (die Periode des Sultan Murad) - 1583
Muchammed Scharif Pascha - bis 1604
Amirgun Khan Kadschar (die Periode des Schah A bbas) 1605-1621
461 Irewan, Eriwan ist die friihere Bezeichnung von Erewan.
462Armjanskaja Sowjetskaja Enziklopedija (Armenische Sowjetenzyklopadie).
Eriwan 1977, Bd. 3, S. 571.
46,Vgl.: Rossijskij enziklopeditscheskij slowar (Russisches Enzyklopadisches
Worterbuch) Moskau 2001, B d .l, S.504
464 Diese Liste wurde von Oganes Schachtachtun zusammengestellt.
322
17.
18.
19.
20.
21.
22.
23.
24.
25.
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27.
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29.
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31.
32.
33.
34.
35.
36.
37.
38.
39.
40.
41.
42.
43.
Tachmasgulu (Sohn des Amirgun) - 1635
Murtasa Pascha (die Periode Sultan Murad) - 1635
Kjalbali Khan - 1636-1639
Muhammed Khan Tschagata Kotuk - 1639-1648
Chosrow Khan - 1648-1652
Muhammedgulu Khan (Sohn des Lada bei) - 1652-1656
Nadschafgulu Khan - 1656-1663
Abbajegulu Khan (Sohn des Amirgun) - 1663-1666
Saphigulu Khan - 1666-1674
Sarichan-bei - vertretungsweise fur zwei Jahre - 16741675
Saphigulu Khan (Sohn des Rustam Khan von Tabris) 1675-1679
San K han-1679-1688
Murtusagulu (Sohn des Mamedrsi Khan von Nachitsche­
wan) - 1688-1691
Muhammedkulu Khan - 1691-1694
Sochrab Khan - 1691465
Pharsali Khan - Enkel des Amirgun (die Periode des Sul­
tans A chm ed)- 1694-1700
Sochrab Khan - 1700-1705, Abdul Mohammed Khan
1705-1709466
Mechrali Khan - 1709-1719
Allachgulu K h a n - 1719-1725
Radschab Pascha - 1725-1728
Ibragim Pascha und Mustapha Pascha - I728-17 34467
Ali P a sc h a - 1734
Gadschi Gusein Pascha - Stellvertrcter des Ali Pascha I 73446X
Muchammkulu Khan - 1735-1736
Pirmuchammed Khan - 1736
Khalil K h a n - 1732-1745
Gasanali Khan Gadschar 1755-1762
v'' Schahchatun behauptet, dass es 1691 gleichzeitig zwei Khanate Eriwan gab.
лы' In dieser Form ist es bei Schahchatun aufgezeichnet.
46 Schahchatun behauptet, dass 17 2 8 -1734 zwei Khane gleichzeitig regierten.
ш D ie M otive, auch einen Stellvertreter in diese Liste einzutragen, blieben
unergriindet.
323
44.
45.
46.
47.
48.
49.
Gusejnali Khan (Bruder des Gasanali Khan) - 1762-1783
Gulamali Khan (Sohn des Gusejnali Khan) - 1783-1784
Muhhammed Khan (Bruder des Gulamali Khan) - 17841805
Mechtigulu Khan - 1805-1806
Muhammed Khan von M aragala - 1806-1807
Gusejn Khan m it dem Bruder Gasan Khan - 1807-1827
3. Wichtige Dokumente beziiglich der Rechtslage von BergKarabach und Kommentare
3.1 Kopie des Traktats (Staatsvertrages) v o m 14.05.1805 in
russischer Sprache
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Im Verzeichnis der Herrscher von Irewan konnte der A u to r in
einem Zeitraum von 500 Jahren vor 1827, vor den grossen
Umsiedlungen der Arm enier aus Persien und dem Osmanischen Reich
keine armenischen ,,Spuren“ entdecken.
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328
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3.2 Ausziige aus der Anlage z um A b k o m m e n betreffend die
Gesetze und Gebrauche des Landkrieges (Haager
Landkriegsordnung)
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- ^ ,;
Abkommen wurde am 18. Oktober 1907 au f der 2. Haager
Konferenz von 44 Staaten verabschiedet.
Artikel 4 |Gewalthaber|: Die Kriegsgefangenen unterstehen der
Gewalt der feindlichen Regierung, aber nicht der Gewalt der Personen
oder der Abteilungen, die sie gefangen genommen haben. Sie sollen
mit Menschlichkeit behandelt werden. Alles, was ihnen personlich
gehort, verbleibt ihr Eigentum mit Ausnahme von Waffen, Pferden
und Schriftstucken militarischen Inhalts.
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Artikel 6 |Arbeitspflicht|: Der Staat ist befugt, die Kriegsgefan­
genen mit Ausnahme von Offizieren nach ihrem Dienstgrad und nach
ihren Fahigkeiten als Arbeiter einzusetzen. Diese Arbeiten diirfen
nicht ubermaBig sein und in keiner Beziehung zu den Kriegsunternehmungen stehen.
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EC,
Artikel 24. Zum Verband der Aserbaidschanischen Sozialistischen
Sowjetrepublik gehoren die Autonome Sozialistische Sowjetrepublik
Nachitschewan und das Autonome Gebiet Berg-Karabach.
<PO-*L<A. J
Sp**~<?
3.3 Auszug aus der Verfassung der U d S S R 1936
/*^£Сл& *»ъ6
3.4 Ausziige aus der Verfassung der U d S S R 1977
III. Die nationalstaatliche Struktur der U d S S R
K apitel 9. Die Sowjetische Sozialistische Unionsrepuhlik
Artikel 78. Das Territorium einer Unionsrepublik kann ohne ihre
Zustimmung nicht geandert werden. Die Grenzen zwischen den
Unionsrepubliken konnen nach beiderseitigem Ubereinkommen der
entsprechenden Republiken, das der Bestatigung durch die UdSSR
bedarf, verandert werden.
331
Artikel 79. Die Unionsrepublik bestimmt ihre Gliederung in
Regionen, Gebiete, Bezirke und Rayons und entscheidet andere
Fragen der administrativ-territorialen Ordnung.
Kapitel VII. MaBnahmen bei Bedrohung oder Bruch des
Friedens und bei Angriffshandlungen
Kapitel 11. Das Autonom e Gebiet und der Autonome Bezirk
Artikel 87. Der Russischen Sozialistischen Foderativen
Sowjetrepublik gehoren folgende Autonomen Gebiete an: das
Adygeische Autonome Gebiet, das Autonome Gebiet Gorno-Altaisk,
das Jiidische Autonome Gebiet, das Autonome Gebiet der
Karatschaier und Tscherkessen und das Chakassische Autonome
Gebiet.
Der Georgischen Sozialistischen
Siidossetische Autonome Gebiet an.
Sowjetrepublik
gehort
das
Der Aserbaidschanischen Sozialistischen Sowjetrepublik gehort
das Autonome Gebiet Berg-Karabach an.
Der Tadschikischen Sozialistischen Sowjetrepublik gehort das
Autonome Gebiet G om y Badachschan an.
3.5 Auszuge aus der Satzung der Vereinten Nationen
Kapitel VI. Die friedliche Beilegung von Streitigkeiten
Artikel 33
(1) Die Parteien einer Streitigkeit, deren Fortdauer geeignet ist, die
W ahrung des W eltfriedens und der intemationalen Sicherheit zu
gefahrden, bemiihen sich zunachst um eine Beilegung durch
Verhandlung, Untersuchung, Vermittlung, Vergleich, Schiedsspruch.
gerichtliche Entscheidung, Inanspruchnahme regionaler Einrichtungen
oder Abmachungen oder durch andere friedliche Mittel eigener Wahl.
(2) Der Sicherheitsrat fordert die Parteien auf, wenn er dies fur
notwendig halt, ihre Streitigkeit durch solche Mittel beizulegen.
Artikel 34
Der Sicherheitsrat kann jede Streitigkeit sowie jede Situation, die
zu intemationalen Reibungen fuhren oder eine Streitigkeit hervorrufen
konnte, untersuchen, um festzustellen, ob die Fortdauer der
332
Streitigkeit oder der Situation die Wahrung des Weltfriedens und der
intemationalen Sicherheit gefahrden konnte.
Artikel 39
Der Sicherheitsrat stellt fest, ob eine Bedrohung oder ein Bruch
des Friedens oder eine Angriffshandlung vorliegt; er gibt
Empfehlungen ab oder beschlieBt, welche MaBnahmen auf Grund der
Artikel 41 und 42 zu treffen sind, um den Weltfrieden und die
internationale Sicherheit zu wahren oder wiederherzustellen.
Artikel 40
Um einer Verscharfung der Lage vorzubeugen, kann der
Sicherheitsrat, bevor er nach Artikel 39 Empfehlungen abgibt oder
MaBnahmen beschlieBt, die beteiligten Parteien auffordern, den von
ihm fur notwendig oder erwiinscht erachteten vorlaufigen MaBnahmen
Folge zu leisten. Diese vorlaufigen MaBnahmen lassen die Rechte, die
Anspruche und die Stellung der beteiligten Parteien unberiihrt. Wird
den vorlaufigen MaBnahmen nicht Folge geleistet, so tragt der
Sicherheitsrat diesem Versagen gebiihrend Rechnung.
Artikel 41
Der Sicherheitsrat kann beschlieBen, welche MaBnahmen - unter
Ausschluss von Waffengewalt - zu ergreifen sind, um seinen
Beschlussen Wirksamkeit zu verleihen; er kann die Mitglieder der
Vereinten Nationen auffordern, diese MaBnahmen durchzufuhren. Sic
konnen die vollstandige oder teilweise Unterbrechung der
W irtschaftsbeziehungen, des Eisenbahn-, See- und Luflverkehrs, der
Post-, Telegraphen- und Funkverbindungen sowie sonstiger Verkehrsmoglichkeiten und den Abbruch der diplomatischen Beziehungen
einschlieBen.
Artikel 42
Ist der Sicherheitsrat der Auffassung, dass die in Artikel 41
vorgesehenen MaBnahmen unzulanglich sein wiirden oder sich als
u n z u la n g lic h erwiesen haben, so kann er mit Luft-, See- oder
Landstreitkraften die zur W ahrung oder Wiederherstellung des
333
Weltfriedens und der intemationalen Sicherheit erforderlichen
MaBnahmen durchftihren. Sie konnen Demonstrationen, Blockaden
und sonstige Einsatze der Lufit-, See- oder Landstreitkrafte von
M itgliedem der Vereinten Nationen einschlieBen.
Anmerkungen des Autors
Das Gesagte beweist, dass die rechtlichen Moglichkeiten der
Vereinten Nationen gegen ,,Angriffshandlungen“ (= Aggression) sehr
weit gefasst sind, jedoch gegen m odem e Angreifer, wenn iiberhaupt,
dann nur aufierst zaghaft und inkonsequent und nie im vollen Umfang
angewandt werden.
3.6 Auszuge aus der UNO-Konvention uber die Verhiitung
und Bestrafung des Volkermordes v o m 9.12.1948
Artikel II
In dieser Konvention bedeutet Volkermord eine der folgenden
Handlungen, die in der Absicht begangen wird, eine nationale,
ethnische, rassische oder religiose Gruppe als solche ganz oder
teilweise zu zerstoren:
a) Totung von M itgliedem der Gruppe;
b) Verursachung von schwerem korperlichem oder seelischem
Schaden an M itgliedem der Gmppe;
c) vorsatzliche Auferlegung von Lebensbedingungen fur die
Gmppe, die geeignet sind, ihre korperliche Zerstorung ganz oder
teilweise herbeizufuhren;
d) Verhangung von MaBnahmen, die auf die Geburtenverhindemng innerhalb der Gm ppe gerichtet sind;
e) gewaltsame Uberfuhrung von Kindem der Gruppe in eine
andere Gruppe.
3.7 UN-Resolutionen z u m Berg-Karabach-Konflikt
3.7.1 Resolution 822 des UN-Sicherheitsrates v om 30.04.1993
D er Sicherheitsrat,
334
Bezug nehmend auf die vom Vorsitzenden des Sicherheitsrates am
29. Januar /1/ und 6. April Ш 1993, iiber den Berg-Karabach-Konflikt
abgegebene Erklarung,
in Anerkennung des Berichts des Generalsekretars vom 14. April
1993 /3/.
in ernster Sorge im Zusammenhang mit der Verschlechterung der
Beziehungen zwischen der Republik Armenien und der Republik
Aserbaidschan,
m it Sorge beobachtend die Eskalation bewaffneter Kriegshandlungen. und insbesondere den letzten Einfall ortlicher armenischer
Truppen in den Kelbadscharskij Rayon von Aserbaidschan,
beunm higt dariiber, dass diese Situation den Frieden und die
Sicherheit in der Region bedroht,
in ernster Sorge im Zusammenhang mit der Umsiedlung
zahlreicher Zivilisten und dem humanitaren Ausnahmezustand in der
Region, insbesondere im Kelbadscharskij Rayon,
unter erneuter Bestdtigung der Achtung der Souveranitat und der
territorialen Integritat aller Staaten in der Region,
unter erneuter Bestdtigung aueh der Unverletzlichkeit der internationalen Grenzen und der Unzulassigkeit der Gewaltanwendung
zum Gebietserwerb,
im Ausdruck seiner Unterstiitzung des Friedensprozesses, der
innerhalb der Konferenz fur Sicherheit und Zusammenarbeit in
Europa umgesetzt wird, und tief beunruhigt iiber die verheerenden
Folgen, die die Eskalation militarischer Kriegshandlungen fur diesen
Prozess haben kann,
1. fordert die unverziigliche Einstellung aller Kriegshandlungen
und feindseligen Handlungen zwecks Errichtung eines dauerhaften
W affenstillstandes, sowie den unverziiglichen Abzug aller Besatzungskrafte aus dem Kelbadscharskij Rayon und anderen kiirzlich
okkupierten Rayons Aserbaidschans;
2. appelliert eindringlich an die Streitparteien, die Verhandlungcn
zw ecks Losung des Konfliktes innerhalb des Friedensprozesses der
Vlinsker Gruppe der Konferenz fur Sicherheit und Zusammenarbeit in
Europa unverzuglich wieder aufzunehmen und alle Handlungen zu
unterlassen, die die friedliche Losung des Problems erschweren;
3. appelliert, die ungehinderte Umsetzung der intemationalen
T atigkeit der humanitaren Hilfeleistung in der Region zu gewahr335
leisten, insbesondere in alien Regionen, die vom Konflikt beriihrt sind.
um das entstandene Leid der Zivilbevolkerung zu lindem, und
bestatigt erneut, dass alle Parteien verpflichtet sind, die Grundsatze
und Normen des intem ationalen M enschenrechts einzuhalten;
4. ersucht den Generalsekretar, in Konsultationen m it dem
amtierenden Vorsitzenden der Konferenz fur Sicherheit und
Zusammenarbeit in Europa, sowie den Co-Vorsitzenden der Minsker
Gruppe eine Bewertung der Situation in der Region vorzunehmen.
insbesondere im Kelbadscharskij Rayon von Aserbaidschan, und dem
Rat weiter Bericht zu erstatten;
5. beschliefit die Fortsetzung der aktiven Beschaftigung mit dieser
Frage.
Einstimmig verabschiedet auf der 3205. Sitzung.
Quelle: Offlzielle Berichte des Sicherheitsrates,
Resolutionen und Beschliisse fu r das Jahr 1993
/ 1 / S/25199.
/2/ S/25539.
/3 / Offizielle Berichte des Sicherheitsrates, Zweiundvierzigster
Jahrgang, Ergiinzungen fu r A p ril M ai und Juni 1993, Dokument
S/25600.
3.7.2 Resolution 853 des UN-Sicherheitsrates vom 29.07.1993
D er Sicherheitsrat,
in Bekraftigung seiner Resolution 822 (1993) vom 30. April 1993,
nach Prufung des Berichts des Vorsitzenden der Minsker Gruppe
der Konferenz fur Sicherheit und Zusam m enarbeit in Europa vom 27.
Juli 1993 (1),
in ernster Sorge im Zusamm enhang m it der Verschlechterung der
Beziehungen zwischen der Republik A rm enien und der Republik
Aserbaidschan und der Spannung zwischen ihnen,
begriifiend die Annahm e eines Planes ftir dringende MaBnahmen
zur Umsetzung seiner Resolution 822 (1993) durch die Streitparteien,
in Sorge iiber die Eskalation der Kriegshandlungen und
insbesondere die Besetzung des Rayons Agdam in Aserbaidschan,
336
beunruhigt daruber, dass diese Lage weiterhin den Frieden und die
Sicherheit in der Region bedroht,
seiner ernsten Besorgnis Ausdruck gebend im Zusammenhang mit
der Umsiedlung einer groBen Anzahl Zivilisten in Aserbaidschan und
dem humanitaren Ausnahmezustand in der Region,
unter erneuter Bestdtigung der Souveranitat und territorialen
Integritat Aserbaidschans und aller anderen Staaten in der Region,
unter erneuter Bestdtigung auch der Unverletzlichkeit der
Staatsgrenzen und der Unzulassigkeit der Gewaltanwendung zum
Gebietserwerb,
1. verurteilt die Besetzung des Rayons Agdam und aller anderen
kiirzlich besetzten Rayons der Republik Aserbaidschan;
2. verurteilt auch alle feindseligen Handlungen in der Region,
insbesondere den Uberfall au f Zivilisten und die Bombardierung und
den Artilleriebeschuss besiedelter Gebiete;
3. fordert die unverziigliche Einstellung aller Kriegshandlungen
und den unverziiglichen, volligen und bedingungslosen Abzug der am
Konflikt beteiligten Besatzungstruppen aus dem Rayon Agdam und
alien anderen kiirzlich okkupierten Rayons Aserbaidschans;
4. appelliert an die Streitparteien, weitere Vereinbarungen iiber die
Einstellung des Feuers zu schlieBen und diese einzuhalten;
5. bestatigt erneut im Kontext von Punkt 3 und 4 oben seine
vorherigen Appelle zur Wiederherstellung der wirtschaftlichen.
Transport- und Energieverbindungen in der Region;
6. hilligt die fortgesetzten Bemiihungcn der Minsker Gruppe der
Konferenz fur Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa zur
Gewahrleistung einer friedlichen Losung des Konfliktes, einschlieBlich der Bemiihungen zur Umsetzung der Resolution 822 (1993), und
bringt seine tiefe Besorgnis im Zusammenhang mit den schweren
Folgen der Eskalation der Kriegshandlungen fur diese Bemiihungen
zum Ausdruck;
7. hegruf.it die MaBnahmen zur Vorbereitung der Mission der
Konferenz fur Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa zur
Beobachtung, einschlieBlich des Ubersichtsdiagramms sowie die
Prufung der Vorschlage iiber die Gewahrleistung der Konferenz in der
Region innerhalb der Konferenz;
8. appelliert eindringlich an die Streitparteien, alle Handlungen zu
unterlassen, die eine friedliche Losung des Konfliktes behindern, und
337
die Verhandlungen innerhalb der M insker Gruppe fortzusetzen, sowie
direkte bilaterale Kontakte zum Erzielen einer endgiiltigen Regelung;
9. appelliert eindringlich an die Regierung der Republik
Armenien, w eiterhin ihren Einfluss geltend zu machen zwecks
Gew ahrleistung der Einhaltung der Resolution 822 (1993) durch die
Arm enier von B erg-K arabach und dieser Resolution und der Annahme
der Vorschlage der M insker Gruppe durch diese Partei;
10. appelliert eindringlich an die Staaten, die Lieferung von
W affen und M ilitarausriistung zu unterlassen, die zu einer Eskalation
des Konfliktes oder zur Verlangerung der Besetzung des Gebietes
fiihren konnten;
11. appelliert erneut, die ungehinderte Umsetzung der
intem ationalen Tatigkeit der humanitaren Hilfeleistung in der Region
zu gewahrleisten, insbesondere in alien Regionen, die vom Konflikt
betroffen sind, um das entstandene Leid der Zivilbevolkerung zu
lindern, und bestatigt em eut, dass alle Parteien verpflichtet sind, die
Grundsatze und N orm en des intemationalen Menschenrechts
einzuhalten;
12. ersucht den Generalsekretar und die entsprechenden
intem ationalen
Institutionen, der leidenden Zivilbevolkerung
kurzfristige hum anitare H ilfe zu leisten und den Vertriebenen zu
helfen, in ihre H auser zuriickzukehren;
13. ersucht den G eneralsekretar, in Konsultationen mit dem
amtierenden V orsitzenden der Konferenz fur Sicherheit und
Zusam m enarbeit in Europa, sowie die Co-Vorsitzenden der Minsker
Gruppe, dem Rat w eiterhin Berichte iiber die Entwicklung der
Situation zukom m en zu lassen;
14. beschliefit die Fortsetzung der aktiven Beschafitigung mit dieser
Frage.
Einstimm ig verabschiedet auf der 3259. Sitzung.
Quelle: Offizielle B erichte des Sicherheitsrates,
Resolutionen und B eschlusse fu r 1993
/1 / Offizielle B erichte des Sicherheitsrates,
Zw eiundvierzigster Jahrgang. Erganzungen fu r Juli, August und
Septem ber 1993,
D okum ent S/26184.
338
3.7.3 Resolution 874 des UN-Sicherheitsrates vom 14.10.1993
Der Sicherheitsrat,
in Bekraftigung seiner Resolutionen 822 (1993) vom 30. April
1993 und 853 (1993) vom 29. Juli 1993 und bezugnehmend auf die
vom Vorsitzenden des Sicherheitsrats namens des Rates am 18.
August 1993 /1/ verlesene Erklarung,
nach Prufung des Schreibens des Vorsitzenden der Minsker
Konferenz des Rates fur Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa
iiber Berg-Karabach vom 1. Oktober 1993 im Namen des
Vorsitzenden des Sicherheitsrates /2/,
ernsthaft besorgt dariiber, dass die Fortsetzung des Konfliktes im
und um das Gebiet Berg-Karabach der Republik Aserbaidschan und
die Aufrechterhaltung der Spannung in den Beziehungen zwischen der
Republik Armenien und der Republik Aserbaidschan eine Bedrohung
des Friedens und der Sicherheit in der Region sein konnten,
in Anerkennung des Gipfeltreffens, das in Moskau am 8. Oktober
1993 stattfand, und der Hoffnung Ausdruck gebend, dass es zur
Verbesserung der Situation und zur friedlichen Regelung des
Konfliktes beitragen wird,
unter erneuter Bestdtigung der Souveranitat und der territorialen
Integritat Aserbaidschans und aller anderen Staaten in der Region,
unter erneuter Bestdtigung auch der Unverletzlichkeit der
intemationalen
Grenzen
und
der
Unzulassigkeit
der
Gewaltanwendung zum Gebietscrwerb,
erneut
seiner
tiefen
Besorgnis
Ausdruck gebend
im
Zusammenhang mit dem menschlichen Leid, das der Konflikt
verursacht hat, und dem humanitaren Ausnahmezustand in der Region
und insbesondere seine starke Besorgnis ausdriickend im Zusammen­
hang mit der Umsiedlung zahlreicher Zivilisten in Aserbaidschan,
1.appelliert an die Streitparteien, den Waffenstillstand effektiv
und konstant zu machen, der infolge der direkten Kontakte erzielt
vvurde, die unter der M itwirkung der Regierung der Russischen
Foderation in Unterstiitzung der Minsker Gruppe der Konferenz fur
Sicherheit und Zusamm enarbeit in Europa unternommen wurden;
2 .erkldrt erneut seine voile Unterstiitzung des Friedensprozesses,
der innerhalb der Konferenz fur Sicherheit und Zusammenarbeit in
339
Europa realisiert wird, sowie der unermiidlichen Bemiihungen der
M insker Gruppe;
3. begriifil und em pfiehlt der Aufmerksamkeit der Parteien das
„U bersichtsdiagram m
der unaufschiebbaren MaBnahmen zur
Um setzung der Resolutionen 822 (1993) und 853 (1993) des
Sicherheitsrates (3)“, erstellt am 28. September 1993 auf der Sitzung
der M insker Gruppe und den Streitparteien von den Co-Vorsitzenden
der Gruppe bei allseitiger Unterstiitzung der neun anderen Mitgliedem
dieser Gruppe vorgestellt, und appelliert an die Parteien, es
anzunehmen;
4 .g ib t seiner Uberzeugung zum Ausdruck, dass alle anderen
ungelosten Fragen, die sich aus dem Konflikt ergeben und nicht direkt
im „U bersichtsdiagram m " behandelt werden, rasch innerhalb der
Friedensverhandlungen im Kontext des Minsker Prozesses zu klaren
sind;
5 .appelliert, die gem einsam en unaufschiebbaren MaBnahmen, die
im „U bersichtsdiagram m " der M insker Gruppe vorgesehen sind.
unverziiglich um zusetzen. EinschlieBlich des Abzugs der Truppen aus
den kurzlich besetzten Territorien und Beseitigung aller Hindemisse
fur Verbindungsw ege und Verkehr;
6 .appelliert auch, die M insker Konferenz rasch einzuberufen zur
Erzielung einer Regelung des Konfliktes auf dem Verhandlungsweg.
wie im „U bersichtsdiagram m " vorgesehen, gemaB Mandat des
M inisterrates der K onferenz fur Sicherheit und Zusammenarbeit in
Europa vom 24. M arz 1992;
l.e r s u c h t den Generalsekretar, positiv auf den Vorschlag der
Entsendung eines V ertreters zur Teilnahme an der Minsker Konferenz
zu reagieren und jed e erdenkliche Hilfe zu erzeigen fur die
Durchftihrung von Verhandlungen zum Kern der Frage nach der
Eroffnung der Konferenz;
8. unterstutzt die Bildung einer Beobachtungsmission durch die
Konferenz fur Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa;
9. appelliert an alle Parteien, alle Verletzungen des intemationalen
M enschenrechtes zu unterlassen und emeuert seinen in den
Resolutionen 822 (1993) und 853 (1993) enthaltenen Appell, die
ungehinderte
U m setzung
der
intemationalen Tatigkeit der
hum anitaren H ilfeleistung in der Region in alien vom Konflikt
betroffenen Gegenden zu gewahrleisten;
340
10. appelliert eindringlich an alle Staaten in der Region, alle
feindseligen Handlungen und alle Einmischungen oder Einfalle zu
unterlassen, die zu einer Ausweitung des Konfliktes fiihren und den
Frieden und die Sicherheit in der Region zerstoren konnten;
11. ersucht den Generalsekretar und die entsprechenden
intemationalen
Institutionen, der leidenden Zivilbevolkerung
humanitare Hilfe zu leisten und den Fliichtlingen und Vertriebenen zu
helfen. mit Wiirde und in sicheren Bedingungen in ihre Hauser
zuriickzukehren;
12. ersucht den Generalsekretar, den amtierenden Vorsitzenden
der Konferenz fur Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa und die
Co-Vorsitzenden der Minsker Konferenz, dem Rat weiterhin Berichte
uber den Verlauf des Minsker Prozesses und iiber alle Aspekte der
Situation vor Ort, sowie iiber die aktuelle und zukiinftige
Zusammenarbeit zwischen der Konferenz fur Sicherheit und
Zusammenarbeit in Europa und der Organisation der Vereintcn
Nationen in diesem Zusammenhang zukommen zu lassen;
13.beschliefit die Fortsetzung der aktiven Beschaftigung mit dieser
Frage.
E'mstimmig verabschiedet a u f der 3292. Sitzung.
Quelle: Offizielle Berichte des Sicherheitsrates,
Resolutionen und Besch/iisse 1993.
/ 1 / S/26326
/ / / Offizielle Berichte des Sicherheitsrates,
Zueiundvierzigster Jahrgang,
E rgdnzungenfur Oktober, November und Dezember 1993,
Dokum ent S/26522.
/3 / i.a.. Dokument S/26522, Anhang.
3.7.4 Resolution 884 des UN-Sicherheitsrates vom 12.11.1993
D er Sicherheitsrat,
in Bekrdftigung seiner Resolutionen 822 (1993) vom 30. April
1993, 853 (1993) vom 29. Juli 1993 und 874 (1993) vom 14. Oktober
1993,
341
in Bekraftigung seiner vollen Unterstutzung des Friedensprozesses,
der innerhalb der Konferenz fur Sicherheit und Zusammenarbeit in
Europa um gesetzt wird, und der unermudlichen Bemiihungen der
M insker Gruppe der Konferenz,
in Anerkennung des Schreibens des amtierenden Vorsitzenden der
M insker Gruppe der Konferenz fur Sicherheit und Zusammenarbeit in
Europa iiber Berg-K arabach vom 9. November 1993 namens des
Vorsitzenden des Sicherheitsrates und die Erganzungen dazu /1/,
in ernster Sorge dariiber, dass die Fortsetzung des Konfliktes in
der und um die Region Berg-Karabach der Republik Aserbaidschan
und die A ufrechterhaltung der Spannung in den Beziehungen
zwischen der R epublik Arm enien und der Republik Aserbaidschan
eine Bedrohung ffir den Frieden und die Sicherheit in der Region sein
konnen,
m it Sorge festste lle n d die Eskalation der Kriegshandlungen infolge
der Verletzung des W affenstillstands und die iibermaBige Gewaltanwendung in Reaktion a u f diese Verletzung, insbesondere die Okkupation des Rayons Sangilan und der Stadt Hourdis in Aserbaidschan
in Bekraftigung der Souveranitat und territorialen Integritat
Aserbaidschans und aller anderen Staaten in der Region,
in Bekraftigung auch der Unverletzlichkeit der intemationalen
Grenzen und der Unzulassigkeit der Gewaltanwendung zum
Gebietserwerb,
in ernster Sorge iiber den letzten Fall der Migration einer groBen
Anzahl Zivilisten und der Entstehung des humanitaren Ausnahmezustandes im Rayon Sangilan und in der Stadt Hourdis und an
der Sudgrenze A serbaidschans,
1. verurteilt die jungste Verletzung des von den Parteien vereinbarten W affenstillstands, die zu neuen Kriegshandlungen gefuhrt hat.
und verurteilt insbesondere die Okkupation des Rayons Sangilan und
der Stadt Hourdis, den Uberfall au f Zivilisten und den Beschuss des
Territorium s der R epublik Aserbaidschan;
2. appelliert an die Regierung Armeniens, ihren Einfluss geltend
zu m achen, um die Einhaltung der Resolutionen 822 (1993), 853
(1993) und 874 (1993) durch die Armenier von Berg-Karabach der
Region Aserbaidschan zu gewahrleisten und sicherzustellen, dass den
abgezogenen Truppen keine Mittel fur die Fortsetzung ihres
M ilitarfeldzuges zur Verfiigung gestellt werden;
342
3.
konstatiert mit Befriedigung die Erklarung von neun Mitgliedem
der Minsker Gruppe der Konferenz fur Sicherheit und Zusammen­
arbeit in Europa vom 4. November 1993 (1) und schatzt die darin
enthaltenen Vorschlage beziiglich der unilateralen Erklarungen iiber
einen Waffenstillstand hoch ein;
A.fordert die Streitparteien zur unverziiglichen Einstellung der
Kriegshandlungen und feindseligen Handlungen auf und zum
sofortigen Abzug der Besatzungstruppen aus dem Rayon Sangilan und
der Stadt Horadis und zum Abzug der Besatzungstruppen aus den
anderen kiirzlich besetzten Gebieten Aserbaidschans gemaB dem
..Neuen Diagramm der unaufschiebbaren MaBnahmen zur Umsetzung
der Resolutionen 822 (1993) und 853 (1993) des Sicherheitsrates" (2)
mit den daran auf der Sitzung der Minsker Gruppe vom 2.-8.
Novem ber 1993 in Wien vorgenommenen Korrekturen;
5. appelliert eindringlich an die Streitparteien, bald den Waffen­
stillstand wieder einzuhalten, der infolge der direkten Kontakte erzielt
wurde, die unter der Regierung der Russischen Foderation in Unter­
stutzung der Minsker Gruppe unternommen wurden, und ihn effektiv
und konstant zu machen; und die Suche nach Moglichkeiten der
Regelung des Konfliktes a u f dem Verhandlungsweg im Kontext des
M insker Prozesses und dem „Neuen Diagramm" mit den daran auf der
Sitzung der Minsker Gruppe vom 2.-8. November 1993 in Wien
vorgenommenen Korrekturen fortzusetzen;
6. appelliert ausdriicklich erneut an alle Staaten in der Region, alle
feindseligen Handlungen und jede Einmischung zu unterlassen, die zu
einer Ausweitung des Konfliktes fiihren konnten und den Frieden und
die Sicherheit in der Region storen wurden;
7. ersucht den General sekretar und die entsprechcnden internationalen Institutionen, der leidenden Zivilbevolkerung, einschlieBlich d er Bevolkerung im Rayon Sangelan und in der Stadt Horadis und
an d er Sudgrenze Aserbaidschans kurzfristige humanitare Hilfe zu
leisten und den Fluchtlingen und Migranten zu helfen, mit Wurde und
in Sicherheit in ihre Hauser zuruckzukehren;
8 .e rsu c h t erneut den
General sekretar, den amtierenden
V orsitzenden der Konferenz fur Sicherheit und Zusammenarbeit in
Europa und die Co-Vorsitzenden der Minsker Konferenz, dem Rat
auch w eiterhin zu berichten iiber den Verlauf des Minsker Prozesses
und iiber alle Aspekte der Situation vor Ort, insbesondere iiber die
343
Umsetzung seiner entsprechenden Resolutionen, und iiber die aktuelle
und zuktinftige Zusam m enarbeit zwischen der Konferenz ftir
Sicherheit und Zusam m enarbeit in Europa und den Vereinten
Nationen in diesem Zusamm enhang;
9.
beschliefit die Fortsetzung der aktiven Beschaftigung mit dieser
Frage.
Einstimmig verabschiedet auf der 3313. Sitzung
Quelle: Offizielle Berichte des Sicherheitsrates,
Resolutionen und Beschltisse 1993.
/1 / Offizielle Berichte des Sicherheitsrates, Zweiundvierzigster
Jahrgang,
Erganzungen f u r Oktober, Novem ber undDezember 1993,
D okum ent S/26718.
/ 2 / a.a.O., D okum ent S/26522, Anhang.
Anmerkungen des Autors zu den UN-Resolutionen
Die vier 1993 vom Sicherheitsrat verabschiedeten Resolutionen
konnen vom Standpunkt der darin enthaltenen juristischen und
politischen Bew ertungen als entscheidend charakterisiert werden. Die
Betonung der A chtung der Souveranitat und der territorialen Integritat
der Republik A serbaidschan in den Resolutionen, sowie die Annahme
der Formulierung „R egion Berg-Karabach der Republik Aserbaidschan“ m acht die von der armenischen Partei jahrzehntelang
entfesselten Streitigkeiten iiber die Zugehorigkeit von Berg-Karabach
vom volkerrechtlichen Standpunkt vollig unhaltbar. Unter Berticksichtigung der Bestatigung der Unverletzlichkeit der intemationalen
Grenzen, der U nzulassigkeit der Gewaltanwendung zum Gebietserwerb durch den UN -Sicherheitsrat in den Resolutionen und der Verurteilung der Besetzung von Territorien der Republik Aserbaidschan
konnen Handlungen der Gegenseite nicht anders als Verletzung der
wichtigsten Bestim m ung der UNO-Satzung bewertet werden. Und
auch die bisweilen tibertriebene Diplomatic in den Formulierungen.
die alien Dokum enten des UN-Sicherheitsrates eigen ist, kann
niem anden irritieren.
Die Rayons Agdara und Agdam von Aserbaidschan wurden nach
der Annahm e von Resolution 822, in der die Okkupation des
344
Kelbadscharskij Rayons verurteilt wurde, von den Streitkraften
Armeniens besetzt. Der Rayon Fisuli wurde von den Armeniem nach
der Verabschiedung der UNO-Resolution 853 vom 29. Juli 1993
durch den Sicherheitsrat, in der die Besetzung des Rayons Agdam
verurteilt wird, besetzt. Die Einnahme der Rayons Dschebrail und
Gubadli durch die Armenier ging der Annahme der UN Resolution
874 vom 14. Oktober 1993 durch den Sicherheitsrat voraus. In
Resolution 884 vom 11. November 1993 verurteilte der UNSicherheitsrat die Okkupation des Rayons Sangelan und der Stadt
Horadis, sowie den Uberfall auf die Zivilbevolkerung und die
Bombardierung des Territoriums von Aserbaidschan. Welche
Auswirkung haben denn diese Resolutionen auf den armenischen
Angreifer? Wie auf die sprichwortliche Katze des russischen
Fabeldichters Krylow, die zwar zuhorte, aber dann doch machte, was
sie wollte. Aber dennoch sind diese Resolutionen und Beschltisse
autoritativer Instanzen nicht unniitz, selbst wenn sie nicht ausgefiihrt
werden und die verbrecherischen Taten anhalten. Sie geben den
Historikern, den Juristen, den Journalisten und den Politikern Material
fur die Erhebung begriindeter Anklagen gegen die Verbrecher. Einige
Vorwiirfe konnen auch gegen verschiedene Verlage erhoben
,
469
werden.
Aufmerksamkeit verdient auch der Umstand, dass die angefuhrten
Dokumente der intemationalen Organisationen nicht die Nutzung der
okkupierten Gebiete der Republik Aserbaidschan fur den Drogentransit und fur die Organisation von Stutzpunkten auslandischcr
terroristischer Organisationen reflektieren.470
3.8
KSZE/OSZE-Dokumente z u m Berg-Karabach-Konflikt
3.8.1 Erste zusatzliche Sitzung des KSZE-Rates
Helsinki, 24. Marz 1992
'64A u f den Karten von Aserbaidschan und Armenien, die im deutschen
Nachschlagewerk «Das neue Wissen.de» (Wissen Media Verlag GmbH,
Giiterloh/Munchen 2003, S. 60, 62) enthalten sind, sind die sieben
aserbaidschanischen Rayons, die von Armenien besetzt wurden, nicht
aufgefuhrt. Es entsteht der Eindruck, dass Armenien nur Berg-Karabach
besetzt hat.
470Siehe 525-CI, Baku, 12.2.2008, S. 3.
345
II.
3. Die M inister auBerten ihre tiefe Besorgnis iiber die anhaltende
Eskalation des bew affneten Konflikts in und um Nagorny Karabach
und die damit verbundenen noch groBeren Leiden und Verluste an
M enschenleben unter der Bevolkerung. Sie fuhrten eine umfassende
Diskussion iiber M ittel und Wege zur Beendigung des Konflikts unter
Beriicksichtigung der Auswirkungen, die die Fortsetzung und weitere
Ausdehnung des K onflikts auf die regionale und intemationale
Sicherheit haben konnten. Sie riefen alle Seiten zur Zurtickhaltung
auf.
4. Die M inister bekraftigten mit groBtem Nachdruck den Aufruf zu
einer sofortigen und w irksam en Feuereinstellung, einschlieBlich der
Verpflichtung der verantwortlichen Kommandanten vor Ort, sich aktiv
an dessen U m setzung zu beteiligen. Sie erlieBen einen Appell zur
W iederherstellung der Voraussetzungen fur Vertrauen und einen
konstruktiven Dialog, einschlieBlich der Aufhebung wirtschaftlicher
und politischer beschrankender MaBnahmen.
5. Die M inister priifiten die laufenden Aktivitaten im Rahmen der
KSZE und unterstiitzten in vollem Umfang die vom Ausschuss Hoher
Beam ter gefassten Beschliisse. Sie brachten ihre Anerkennung fur die
vom am tierenden V orsitzenden der KSZE diesbeziiglich untemommenen A ktivitaten zum Ausdruck und betonten ihre Bereitschaft, ihm
- w ann imm er erforderlich - jede mogliche Unterstutzung zukommen
zu lassen.
6. Die M inister begriiBten die erganzenden Bemiihungen der
Europaischen G em einschaft und ihrer Mitgliedstaaten, der Mitgliedstaaten der G em einschaft Unabhangiger Staaten, der Mitglieder des
N ordatlantischen Kooperationsrats und insbesondere die Bemiihungen
des G eneralsekretars der Vereinten Nationen.
Sie ersuchten den am tierenden Vorsitzenden der KSZE, mit den
Vereinten N ationen diesbeziiglich engen Kontakt zu halten und einen
regelmaBigen Inform ationsaustausch einzurichten.
Die M inister kam en uberein, dass die KSZE bei der Forderung des
Friedensprozesses hinsichtlich des Konflikts eine bedeutende Rolle
spielen m uss und dass die Situation in und um Nagorny Karabach
weitere KSZE-A ktionen erfordert.
7. Die M inister erteilten dem amtierenden Vorsitzenden des
KSZE-Rates, H erm Jiri Dienstbier, das Mandat, der Region in Kiirze
346
einen Besuch abzustatten, um einen Beitrag insbesondere zur
Erreichung und Aufrechterhaltung einer wirksamen Feuereinstellung
sowie zur Schaffung eines Rahmens fur eine friedliche Gesamtlosung
zu leisten.
8. Die Minister brachten ihre feste Uberzeugung zum Ausdruck,
dass eine Konferenz iiber Nagorny Karabach unter der Schirmherrschaft der KSZE ein standiges Verhandlungsforum fur eine fried­
liche Beilegung der Krise auf der Grundlage der Prinzipien, Verpflichtungen und Bestimmungen der KSZE darstellt. Die Minister
ersuchten daher den amtierenden Vorsitzenden des KSZE-Rates, eine
solche Konferenz so bald wie moglich einzuberufen.
9. AuBerdem vereinbarten die Minister, dass Armenien, Aser­
baidschan, Belarus, Deutschland, Frankreich, Italien, die Russische
Foderation, Schweden, die Tschechische und Slowakische Foderative
Republik, die Tiirkei und die Vereinigten Staaten von Amerika
Teilnehmer dieser Konferenz sein werden, die in Minsk abgehalten
wird. Nach Konsultationen mit den an dieser Konferenz teilnehmenden Staaten wird der Vorsitzende der Konferenz gewahlte und
andere Vertreter aus Nagorny Karabach als interessierte Parteicn zu
dieser Konferenz einladen. Der amtierende Vorsitzende des KSZERates wird den Vorsitzenden der unter der Schirmherrschaft dcr
KSZE stattfindenden Konferenz iiber Nagorny Karabach ernennen.
10. Die Minister forderten dringend alle KSZE-Teilnehmerstaaten
und alle betroffenen Parteien auf, samtliche erforderlichen Schritte zur
Gewahrung humanitarer Hilfe fur alle Bediirftigen durch rasche und
wirksame MaBnahmen zu unternehmen, einschlieBlich Sicherheitskorridore unter internationaler Aufsicht.
11. Die Minister nahmen die Verpflichtung Armeniens und
Aserbaidschans zur vollen Unterstiitzung der Mission des amtierenden
Vorsitzenden des KSZE-Rates in die Region sowie weiterer vom
KSZE-Rat vereinbarter Aktionen zur Kenntnis und appellieren an
diese beiden Lander, ihrer Verpflichtung aktiv nachzukommen, um
eine dauerhafte friedliche Losung zu erzielen.
347
3.8.2 Budapester Dokument 1994
Treffen der Staats- und Regierungschefs der Teilnehmerstaaten
der K S Z E a m 5. und 6. Dezember 1994 in Budapest
II. Regionale Fragen. Intensivierung der KSZE-Bemiihungen
beziiglich des Konflikts in Berg-Karabach
1. Die Teilnehm erstaaten brachten ihr Bedauem uber das Anhalten
des Konflikts und die dam it einhergehende menschliche Tragodie zum
Ausdruck und begrtiBten die Bestatigung der am 12. Mai 1994 durch
die Vermittlung der Russischen Foderation in Zusammenarbeit mit der
M insker Gruppe der KSZE ausgehandelten Waffenruhe durch die
Konfliktparteien. Sie bestatigten ihr Bekenntnis zu den einschlagigen
Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen und
begriiBten die politische Unterstiitzung der Bemiihungen der KSZE
um eine friedliche B eilegung des Konflikts durch den Sicherheitsrat.
Zu diesem Zw eck riefen sie die Konfliktparteien auf, intensive und
umfassende Gesprache, einschlieBlich direkter Kontakte, aufzunehmen. In diesem Zusam m enhang verpflichteten sie sich, die von der
KSZE untem om m enen Bemiihungen und die von ihr gewahrte
Unterstiitzung zu verdoppeln. Sie untersttitzten nachdriicklich die
Verm ittlungsbem uhungen der M insker Gruppe der KSZE und
brachten ihre A nerkennung fur den entscheidenden Beitrag der
Russischen Foderation und die Bemiihungen anderer einzelner
M itglieder der M insker Gruppe zum Ausdruck. Sie vereinbarten, diese
in einer einzigen koordinierten Bemiihung im Rahmen der KSZE zu
harmonisieren.
2. Zu diesem Zw eck haben sie den amtierenden Vorsitzenden
angewiesen, in A bsprache mit den Teilnehmerstaaten so bald wie
m oglich Co-Vorsitzende der M insker Konferenz zu benennen, um
eine gemeinsam e und vereinbarte Grundlage fur Verhandlungen zu
gewahrleisten und eine voile Abstimmung bei alien Vermittlungs- und
Verhandlungstatigkeiten zu erzielen. Die Co-Vorsitzenden, die sich
bei all ihren V erhandlungsbem uhungen von KSZE-Prinzipien und
einem vereinbarten M andat leiten lassen, werden bei Sitzungen der
M insker Gruppe gem einsam den Vorsitz fflhren und gemeinsam dem
amtierenden V orsitzenden Bericht erstatten. Sie werden den Standigen
Rat regelmaBig iiber den Fortschritt ihrer Arbeit unterrichten.
348
3.
Als ersten Schritt bei dieser Bemiihung wiesen sie die CoYorsitzenden der Minsker Konferenz an, sofortige MaBnahmen zu
ergreifen, um mit Unterstiitzung und in Zusammenarbeit mit der
Russischen Foderation und anderen einzelnen Mitgliedem der
Minsker Gruppe das Anhalten der gegenwartigen Waffenruhe zu
fordern, wobei sie auf den bei vorausgegangenen Vermittlungsaktivitaten bereits erzielten Fortschritten aufbauen, und zugige Verhand­
lungen uber den Abschluss einer politischen Vereinbarung beziiglich
der Einstellung des bewaffneten Konflikts zu fiihren, deren
Durchfiihrung wesentliche Folgen des Konflikts ftir alle Parteien
beseitigen und die Einbemfung der Minsker Konferenz ermoglichen
wird. Sie ersuchten die Co-Vorsitzenden der Minsker Konferenz ferner. gemeinsam mit den Parteien auf die weitere Durchfiihrung von
vertrauensbildenden MaBnahmen hinzuarbeiten, insbesondere im
humanitaren Bereich. Sie unterstrichen, dass es erforderlich sei, dass
die Teilnehmerstaaten sowohl einzeln als auch im Rahmen der
einschlagigen intemationalen Organisationen MaBnahmen ergreifen,
um den Menschen in der Region humanitare Hilfe zu gewahren, vor
allem im Hinblick darauf, Fliichtlingen ihre schreckliche Lage zu
erleichtern.
4.
Sie vereinbarten, dass der Abschluss der oben genanntcn
Vereinbarung in Ubereinstimmung mit der Auffassung der Konlliktparteien auch die Entsendung multinationaler Friedenstruppen als
vvesentliches Element der Durchfiihrung der Vereinbarung selbst
ermoglichen wiirde. Sie erklartcn ihren politischen Willen, mit einer
entsprechenden Resolution des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen
eine multinationale Friedenstruppe der KSZE aufzustellen, nachdem
die Parteien eine Einstellung des bewaffneten Konflikts vereinbart
haben. Sie ersuchten den amtierenden Vorsitzenden, so bald wie
moglich auf der Grundlage von Kapitel III des Helsinki-Dokuments
1992 und in voller Ubereinstimmung mit der Charta der Vereinten
Nationen einen Plan fur die Aufstellung, die Zusammensetzung und
den Einsatz einer solchen Truppe zu entwickeln. Zu diesem Zweck
wird der amtierende Vorsitzende durch die Co-Vorsitzenden der
M insker Konferenz und durch die Minsker Gruppe sowie durch den
Generalsekretar unterstiitzt. Nach entsprechenden Konsultationen wird
er fem er eine Planungsgruppe auf hoher Ebene in Wien einsetzen, um
unter anderem Empfehlungen uber GroBe und Art der Truppe,
349
Kommando- und Ftihrungsstruktur, Logistik, Zuweisung von
Einheiten und Ressourcen, Einsatzregeln und Vereinbarungen m it den
beitragenden Staaten abzugeben. Er wird auf der Grundlage der
erklarten Bereitschaft der Vereinten Nationen, technische Hilfe und
Fachwissen zur V erfugung zu stellen, die Unterstiitzung der Vereinten
Nationen erbitten. Er w ird femer die fortgesetzte politische Unterstiitzung des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen fur die mogliche
Entsendung einer Friedenstruppe der KSZE erbitten.
5.
A u f der Grundlage einer solchen vorbereitenden Tatigkeit sowie
der einschlagigen Bestim mungen von Kapitel III des HelsinkiDokuments 1992 und a u f Vereinbarung der Parteien sowie offizielles
Ersuchen der Parteien an den amtierenden Vorsitzenden uber die CoVorsitzenden der M insker Konferenz wird der Standige Rat einen
Beschluss uber die Durchfuhrung der friedenserhaltenden Operation
der KSZE fassen.
- Festlegung des Rechtsstatus von Berg-Karabach in einer
Vereinbarung auf Grundlage der Selbstbestimmung, die BergKarabach das groBtmogliche MaB an Selbstverwaltung innerhalb
Aserbaidschans iibertragt;
- garantierte Sicherheit fur Berg-Karabach und seine gesamte
Bevolkerung, einschliefilich wechselseitiger Verpflichtungen zur
Sicherstellung der Einhaltung der Bestimmungen der Regelung durch
alle Parteien.
Ich bedauere, dass dies fur einen Teilnehmerstaat unannehmbar
war. Diese Grundsatze finden die Unterstiitzung aller ubrigen
Teilnehmerstaaten.
Diese Erklarung wird in die Dokumente des Gipfeltreffens von
Lissabon aufgenommen.
A N H A N G 2. Erklarung der Delegation Armeniens
3.8.3 Lissabonner Dokument 1996
Treffen der Staats- und Regierungschefs der Teilnehmerstaaten
der O S Z E a m 2. und 3. Dezember 1996 in Lissabon
II
A N H A N G 1. Erklarung des amtierenden Vorsitzenden der
OSZE
Sie alle wissen, dass in den letzten beiden Jahren bei der Losung
des Konflikts in Berg-Karabach und der Frage der territorialen
Integritat der Republik Aserbaidschan keine Fortschritte gemacht
wurden. Ich bedauere, dass die Bemiihungen der Co-Vorsitzenden der
M insker Konferenz um einen Kompromiss zwischen den
Standpunkten der Parteien betreffend die Grundsatze fur eine
Regelung erfolglos blieben.
Drei Grundsatze, die Teil einer Konfliktlosung in Berg-Karabach
sein sollten, wurden von den Co-Vorsitzenden der Minsker Gruppe
empfohlen. Diese Grundsatze werden von alien Mitgliedstaaten der
M insker Gruppe unterstutzt. Sie lauten wie folgt:
territoriale Integritat der Republik Armenien und der Republik
Aserbaidschan;
350
Im Zusammenhang mit der Erklarung des Amtierenden
Vorsitzenden der OSZE auBert die Delegation Armeniens ihre
Bedenken zu folgenden Fragen:
1. Die Erklarung entspricht nicht dem Geist und dem Buchstabcn
des Mandats der Minsker Gruppe, das auf dem Gipfeltreffen von
Budapest 1994 festgelegt wurde und Verhandlungen zur Herbcifiihrung einer politischen Vereinbarung vorsieht. Die Frage des Status
war Gegenstand von Erorterungen in direkten Verhandlungen, die
nicht abgeschlossen wurden.
2. Diese Erklarung prajudiziert den Status Berg-Karabachs und
w iderspricht dadurch dem Beschluss des Ministerrats der OSZE von
1992. durch den diese Frage in den Zustandigkeitsbereich der Minsker
Konferenz der OSZE verwiesen wurde, die nach Abschluss einer
politischen Vereinbarung beginnen soli.
3. Die armenische Seite ist uberzeugt, dass eine Losung des
Problems au f der Grundlage des Volkerrechts, der in der OSZESchlussakte von Helsinki festgeschriebenen Prinzipien und in crster
Linie au f der Grundlage des Selbstbestimmungsrechts der Volker
gefunden werden kann.
4. Die armenische Seite ist bereit, sowohl im Rahmen der Minsker
Gruppe als auch auf der Ebene direkter, von den Co-Vorsitzenden
351
dieser Gruppe zu koordinierender Kontakte auBerst intensiv
weiterzuverhandeln, um eine Kompromisslosung herbeizufuhren.
W ir ersuchen, diese Erklarung der Gipfelerklarung beizuftigen.
3.8.4 Dokument von Istanbul 1999
Treffen der Staats- und Regierungschefs der Teilnehmerstaaten
der O S Z E a m 18. und 19. November 1999 in Istanbul
Gipfelerklarung von Istanbul
20.
Wir haben den Bericht der Co-Vorsitzenden der Minsker
OSZE-Gruppe iiber die derzeitige Situation und die jtingsten
Entwicklungen im Zusammenhang mit dem Konflikt um BergKarabach erhalten und danken fur ihre Bemiihungen. Wir begriiBen
insbesondere den verstarkten Dialog zwischen den Prasidenten
Armeniens und Aserbaidschans, deren regelmaBige Kontakte
M oglichkeiten geschaffen haben, den Prozess zur Herbeifuhrung einer
dauerhaften und um fassenden Losung des Problems zu beleben. Wir
unterstiitzen diesen Dialog nachdrticklich und ermutigen zu seiner
Fortsetzung in der Hoffnung, dass die Verhandlungen innerhalb der
M insker OSZE-Gruppe w ieder aufgenommen werden. Wir bestatigen
femer, dass die OSZE und ihre M insker Gruppe, die nach wie vor das
geeignetste Forum fur die Suche nach einer Losung ist, bereit sind,
den Friedensprozess und seine zukiinftige Umsetzung weiter
voranzutreiben, indem sie unter anderem den Parteien jede
notwendige Hilfe leisten.
- ruft die Parteien eindringlich dazu auf, alle Kriegsgefangenen und
im Zusammenhang mit dem Konflikt intemierten Personen
unverziiglich freizulassen und dem IKRK ungehinderten Zugang zu
alien Intemierungsorten und alien Internierten zu gewahren;
- unterstiitzt die Co-Vorsitzenden der Minsker Konferenz in ihren
Bemiihungen, in Absprache mit dem Amtierenden Vorsitzenden eine
politische Vereinbarung iiber die Beendigung des bewaffneten
Konflikts ohne weitere Verzogerung zustande zubringen. Die
Durchfiihrung einer solchen Vereinbarung wurde alle Parteien vor den
schwerwiegenden Konsequenzen des Konflikts bewahren und die
baldige Einberufung der Minsker Konferenz ermoglichen. Die
Unterzeichnung der Vereinbarung wiirde den Standigen Rat in die
Lage versetzen, auf der Grundlage der wertvollen Empfehlungen der
Hochrangigen Planungsgruppe, deren Arbeit weitergehen sollte, einen
Beschluss iiber die Einleitung der friedenserhaltenden Operation der
OSZE zu fassen;
- begriiBt die Zusagen, in Absprache mit den Co-Vorsitzenden
direkte Kontakte aufzunehmen, um eine Vereinbarung iiber die
Grundsatze, nach denen der Konflikt gelost werden soil, zu treffen,
and ruft eindringlich dazu auf, dies rasch zu tun;
- und nimmt Kenntnis von der Bereitschaft der Parteien, sich den
Kernfragen zuzuwenden, um so bald wie moglich einen Kompromiss
zu erzielen.
3.8.6 Neunte Sitzung des Ministerrates
Beschluss Nr. 2. Erklarung des Ministerrates, Bukarest, 3.-4.
Dezember 2001
3.8.5 Fiinfte Sitzung des Ministerrates
Beschluss iiber den Minsker Prozess der OSZE, Budapest, 8.
Dezember 1995
(5)
D er M inisterrat
- bestatigt, dass der M insker Prozess der OSZE auch in Zukuntt
das einzige Forum fur die Beilegung des Konflikts in Berg-Karabach
sein wird;
- begriiBt die Entschlossenheit der Konfliktparteien, die am 12.
Mai 1994 vereinbarte W affenruhe weiterhin einzuhalten;
1.
W ir sind zutiefst besorgt dariiber, dass es nicht gelungen ist, den
Konflikt in Berg-Karabach trotz des intensivierten Dialogs zwischen
den Parteien und der aktiven Unterstutzung durch den Co-Vorsitz der
M insker Gruppe beizulegen. Wir erklaren erneut, dass die umgehende
Losung dieses lang wahrenden Konflikts zu dauerhaftem Frieden,
dauerhafter Sicherheit, Stabilitat und Zusammenarbeit in der
Siidkaukasus-Region beitragen wird.
352
353
2. W ir verw eisen von Neuem au f die Bedeutung einer Fortsetzung
der Friedensgesprache und fordem die Parteien auf, ihre Bemiihungen
zur Herbeiffihrung einer raschen Beilegung des Konflikts a u f der
Grundlage der N orm en und Grundsatze des Volkerrechts fortzusetzen.
Wir erm utigen die Parteien auch dazu, weitere MaBnahmen zu
erkunden, die das gegenseitige Vertrauen verstarken konnen.
einschlieBlich der Freilassung von Kriegsgefangenen.
3. W ir begriiBen das Bekenntnis der Parteien zur Waffenruhe und
zur Herbeiffihrung einer friedlichen und umfassenden Regelung. Wir
ermutigen die Parteien dazu, mit der aktiven Unterstiitzung des CoVorsitzes ihre Bem iihungen zur Herbeifuhrung einer gerechten und
dauerhaften R egelung fortzusetzen.
3.8.7 Zehnte Sitzung des Ministerrates
Erklarung des Ministerrates, Porto, 6-7. Dezember 2002
(4)
1. W ir sind nach wie vor zutiefst besorgt dariiber, dass es trotz des
verstarkten D ialogs zwischen den Parteien und trotz der aktiven
Unterstiitzung durch die Co-Vorsitzenden der Minsker Gruppe nicht
gelungen ist, eine Losung im Konflikt um Berg-Karabach
herbeizuffihren. W ir stellen emeut fest, dass die rasche Beilegung
dieses langw ierigen Konflikts zu dauerhaftem Frieden sowie zu
anhaltender Sicherheit, Stabilitat und Zusammenarbeit im siidlichen
Kaukasus beitragen wird.
2. W ir betonen em eut, wie wichtig eine Fortsetzung der
Friedensgesprache ist, und fordem die Seiten dazu auf, ihre
Bemiihungen um eine rasche Losung des Konflikts auf der Grundlage
der Normen und Grundsatze des Volkerrechts fortzufiihren. Wir
ermutigen die Parteien fem er dazu, weitere MaBnahmen zu erkunden.
die das gegenseitige Vertrauen starken.
3. W ir begriiBen es, dass sich die Parteien zur Feuereinstellung und
zur H erbeifuhrung einer friedlichen und umfassenden Regelung
verpflichtet haben. W ir begriiBen insbesondere die fortgesetzten
Treffen zwischen den Prasidenten von Armenien und Aserbaidschan
und ihren Sonderbeauftragten. W ir ermutigen die Parteien, ihre
354
Bemiihungen um eine gerechte und dauerhafte Losung mit aktiver
Unterstiitzung durch die Co-Vorsitzenden fortzusetzen.
Beilage 3 zu den Erklarungen
Interpretative Erklarung gemaB Punkt 79 (Kapitel 6) der
Schlussempfehlungen der Helsinki-Konsultationen
Die Delegation Aserbaidschans:
..In Bezug auf den soeben verabschiedeten Beschluss des 10.
Treffens des OSZE-Ministerrats mochte ich eine interpretative
Erklarung gemaB Absatz 79, Kapitel 6 der Schlussempfehlungen der
Helsinki-Konsultationen abgeben:
Die Republik Aserbaidschan hat sich dem Konsens zur Erklarung
iiber den Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan ausgehend
von den folgenden Grundsatzen der OSZE angeschlossen, die wie
folgt lauten:
.Die Teilnehmerstaaten werden die territoriale Integritat eines
jeden Teilnehmerstaates achten.
Dementsprechend werden sie sich jeder mit den Zielen und
Grundsatzen der Charta der Vereinten Nationen unvereinbaren
Handlung gegen die territoriale Integritat, politische Unabhangigkeit
oder Einheit eines jeden Teilnehmerstaates enthalten, insbesondere
jeder derartigen Handlung, die eine Androhung oder Anwendung von
Gewalt darstellt.
Die Teilnehmerstaaten werden ebenso davon Abstand nehmen, das
Territorium eines jeden anderen Teilnehmerstaates zum Gegenstand
einer militarischen Besetzung oder anderer direkter oder indirekter
GewaltmaBnahmen unter Verletzung des Volkerrechts oder zum
G egenstand der Aneignung durch solche MaBnahmen oder deren
Androhung zu machen. Keine solche Besetzung oder Aneignung wird
als rechtmaBig anerkannt werden.
Die Republik Aserbaidschan mochte dariiber hinaus betonen, dass
der G rundsatz des Rechts der Volker auf Selbstbestimmung gemaB
dem folgenden Prinzip der Schlussakte von Helsinki auszuuben ist:
,D ie Teilnehmerstaaten werden die Gleichberechtigung der Volker
und ihr Selbstbestimmungsrecht achten, indem sie jederzeit in
U bereinstim m ung mit den Zielen und Grundsatzen der Charta der
355
Vereinten N ationen und den einschlagigen Normen des Volkerrechts
handeln, einschlieBlich jener, die sich a u f die territoriale Integritat der
Staaten b ezieh en /
Ferner erklart die Republik Aserbaidschan, dass der Konflikt
zwischen A rm enien und Aserbaidschan nur auf der Grundlage der
vollen A chtung der territorialen Integritat Aserbaidschans beigelegt
werden kann, das heifit:
eindeutige
Anerkennung
der
territorialen
Integritat
Aserbaidschans, zu dem untrennbar die Region Berg-Karabach gehort,
durch Arm enien
- sofortiger und bedingungsloser Abzug der armenischen
Besatzungstruppen aus alien Gebieten Aserbaidschans, einschlieBlich
der Region Berg-K arabach
- H erbeifuhrung aller Bedingungen, die die sichere Riickkehr der
zw angsvertriebenen aserbaidschanischen Bevolkerung in ihre Gebiete
begiinstigen
Die Republik Aserbaidschan erklart ferner, dass unabhangig
davon, welche Form der Selbstverwaltung fur die in der Region BergKarabach von Aserbaidschan lebende armenische Gemeinde ausgearbeitet wird, sie jedenfalls nur auf der Grundlage der vollen Achtung
der territorialen Integritat Aserbaidschans moglich sein wird.
Ich ersuche, diese Erklarung dem Journal des Tages beizufugen.“
3.8.8 Elfte Sitzung des Ministerrates
Erklarung des Vorsitzenden, Maastricht, 1.-2. Dezember 2003
Die M inister zeigten sich zutiefst besorgt, dass es noch immer
nicht gelungen ist, den Konflikt um Berg-Karabach beizulegen. Sie
bekraftigten ihre Uberzeugung, dass eine rasche Losung dieses seit
langem andauem den Konflikts zu dauerhaftem Frieden sowie zu
Sicherheit, Stabilitat und Zusamm enarbeit in der Region Sudkaukasus
beitragen werde.
Die M inister verw iesen neuerlich auf die Wichtigkeit, neue
Impulse im Friedensdialog zu setzen, und forderten die Parteien auf,
sich noch entschlossener um eine baldige Losung des Konflikts auf
der Grundlage der N orm en und Grundsatze des Volkerrechts zu
356
bemiihen. Sie legten den Parteien auch nahe, iiber weitere MaBnah­
men nachzudenken, die das gegenseitige Vertrauen starken konnten.
Die Minister begruBten das Bekenntnis der Parteien zur
Waffenruhe und zur Herbeifuhrung einer friedlichen und umfassenden
Losung. Nun, da die Prasidentenwahlen in Armenien und Aser­
baidschan voriiber seien, biete sich eine neue Chance auf Fortschritte
in den Gesprachen. Sie forderten die Parteien eindringlich auf, ihre
Bemiihungen um eine gerechte und dauerhafte Regelung mit aktiver
Unterstiitzung der Co-Vorsitzenden der Minsker Gruppe ehestmoglich
fortzusetzen.
Erklarung der Delegation Aserbaidschans
Herr Vorsitzender,
die Republik Aserbaidschan bedauert, dass kein Konsens
hinsichtlich der Erklarung des Ministerratstreffens zum Konflikt
zwischen Armenien und Aserbaidschan zustande kam.
Der Standpunkt meiner Regierung in dieser Frage wurde in der
OSZE bei zahlreichen Gelegenheiten dargelegt. Heute halte ich es ftir
notwendig, die wesentlichen Elemente dieses Standpunkts zu
wiederholen.
Im Prozess der Beilegung des Konflikts zwischen Armenien und
Aserbaidschan gehen wir von den folgenden OSZE-Prinzipien aus:
..Die Teilnehmerstaaten werden die territoriale Integritat jedes
Teilnehmerstaats achten. Dementsprechend werden sie sich jeder mit
den Zielen und Grundsatzen der Charta der Vereinten Nationen
unvereinbaren Handlung gegen die territoriale Integritat, politische
Unabhangigkeit oder Einheit eines jeden Teilnehmerstaats enthalten,
insbesondere jeder derartigen Handlung, die eine Androluing oder
Anwendung von Gewalt darstellt. Die Teilnehmerstaaten werden
ebenso davon Abstand nehmen, das Territorium eines anderen
Teilnehmerstaats zum Gegenstand einer militarischen Besetzung oder
anderer direkter oder indirekter GewaltmaBnahmen unter Verletzung
des Volkerrechts oder zum Gegenstand der Aneignung durch solche
MaBnahmen oder deren Androhung zu machen. Keine solche
Besetzung oder Aneignung wird als rechtmaBig anerkannt werden."
Die Republik Aserbaidschan mochte dariiber hinaus betonen, dass
der G rundsatz des Rechts der Volker auf Selbstbestimmung gemaB
dem folgenden Prinzip der Schlussakte von Helsinki auszuiiben ist:
357
„Die Teilnehm erstaaten werden die Gleichberechtigung der Volker
und ihr Selbstbestimm ungsrecht achten, indem sie jederzeit in
Ubereinstim m ung mit den Zielen und Grundsatzen der Charta der
Vereinten N ationen und den einschlagigen Normen des Volkerrechts
handeln, einschlieBlich jener, die sich auf die territoriale Integritat der
Staaten beziehen.“
Fem er erklart die Republik Aserbaidschan, dass der Konflikt
zwischen Arm enien und Aserbaidschan nur auf der Grundlage der
vollen Achtung der territorialen Integritat Aserbaidschans beigelegt
werden kann, das heiBt: eindeutige Anerkennung der territorialen
Integritat Aserbaidschans, zu dem untrennbar die Region BergKarabach gehort, durch Armenien; sofortiger und bedingungsloser
Abzug der arm enischen Besatzungstruppen aus alien Gebieten
Aserbaidschans,
einschlieBlich
der
Region
Berg-Karabach;
Herbeifuhrung aller Bedingungen, die die sichere Riickkehr der
zw angsvertriebenen aserbaidschanischen Bevolkerung in ihre Gebiete
begunstigen.
Die Republik Aserbaidschan erklart femer, dass unabhangig
davon, welche Form der Selbstverwaltung fur die in der aser­
baidschanischen
Region
Berg-Karabach
lebende armenische
Gem einde ausgearbeitet wird, sie jedenfalls nur auf der Grundlage der
vollen Achtung der territorialen Integritat Aserbaidschans moglich
sein wird.
Zutiefst enttauscht begehen wir den zehnten Jahrestag der
Verabschiedung der Resolutionen Nr. 822, 853, 874 und 884 des
Sicherheitsrats der Vereinten Nationen, in denen der sofortige,
vollstandige und bedingungslose Abzug der Besatzungskrafte aus
alien besetzten Gebieten Aserbaidschans und die Riickkehr der
Vertriebenen in ihre Heimatorte gefordert wird. Bedauerlicherweise
hat Arm enien bisher keine dieser Sicherheitsratsresolutionen umgesetzt.
W ir erwarten, dass die OSZE entschlossen handelt, um den Folgen
der arm enischen A ggression gegen die Republik Aserbaidschan ein
Ende zu setzen, und dass sie - in Umsetzung ihrer eigenen Beschliisse
- sofortige Schritte im Hinblick auf eine politische Vereinbarung iiber
die Beendigung des bewaffneten Konflikts untemimmt, deren
Um setzung die gravierendsten Folgen des Konflikts fur alle Parteien
358
beseitigt und die Einberufung der Minsk-Konferenz der OSZE
ermoglicht.
Ich ersuche, diese Erklarung dem Journal des Tages beizufugen.
3.8.9 Zwolfte Sitzung des Ministerrates
III.
Erklarung des Ministerrates
Konflikt, Sofia, 6-7. Dezember 2004
zum
Berg-Karabach-
Wir wiirdigen die 2004 zur Beilegung des Berg-KarabachKonflikts erzielten Fortschritte, insbesondere die drei Treffen der
Prasidenten Armeniens und Aserbaidschans unter der Schirmherrschaft der Co-Vorsitzenden der Minsker OSZE-Gruppe. Wir
begriiBen auch die Einrichtung des so genannten „Prager Prozesses",
in dessen Rahmen vier Treffen zwischen den AuBenministern beider
Lander die neuerliche systematische Priifung aller Parameter fur eine
kiinftige Konfliktbeilegung ermoglichten. Wir nehmen zur Kenntnis,
dass die Co-Vorsitzenden der Minsker OSZE-Gruppe, ausgehend von
den Ergebnissen des „Prager Prozesses", beiden Prasidenten im
September in Astana einen Rahmen unterbreiteten, der als Grundlage
fur eine Konfliktbeilegung dienen konnte. Wir laden die Prasidenten
Armeniens und Aserbaidschans ein, diesen Rahmen in Bctracht zu
ziehen und davon ausgehend weitere Schritte zu setzen. Wir fordern
die Parteien mit Nachdruck auf, ihre Anstrengungen im Hinblick auf
die rasche Beilegung des Berg-Karabach-Konflikts im Rahmen der
Minsker OSZE-Gruppe zu verdoppeln.
3.8.10 Dreizehnte Sitzung des Ministerrates
III. Erklarung des Ministerrates zu dem Konflikt, mit d em sich
die Minsker OSZE-Gruppe befasst, Laibach, 5.-6. Dezember 2005
Wir nehmen mit Befriedigung Kenntnis von den Fortschritten in
den Berg-Karabach-Verhandlungen im Jahr 2005 durch den „Prager
Prozess" und insbesondere die beiden Treffen der Prasidenten
Armeniens und Aserbaidschans in Warschau bzw. Kasan unter der
Schirm herrschaft der Co-Vorsitzenden der Minsker OSZE-Gruppe.
359
Unserer Auffassung nach sind die Parteien nun bereit, von der
Verhandlungsphase in die Beschlussphase uberzugehen, und
betrachtliche Vorteile sind fur alle in greifbare Nahe geriickt. Wir
erm utigen die Prasidenten Armeniens und Aserbaidschans, die sich
bietende Gelegenheit zu nutzen und im kommenden Jahr im Rahmen
des M insker OSZE-Prozesses entscheidende Fortschritte bei der
Losung des Konflikts zu erzielen.
Anmerkungen des Autors zu den KSZE/OSZE-Dokumenten
Die Diskussion iiber die Anwendbarkeit des Grundsatzes der
Selbstbestim m ung im Kontext der Abspaltung bei der Regelung eines
Konfliktes erreichte au f dem OSZE-Gipfel in Lissabon (1996) ihren
Hohepunkt. Hier w urden die von den Co-Vorsitzenden der Minsker
Gruppe empfohlenen drei Grundsatze, die Teil der Regelung werden
sollten, veroffentlicht: 1. Die territoriale Integritat der Republik
Arm enien und der Republik Aserbaidschan; 2. Der in einer auf
Selbstbestim m ung basierten Vereinbarung definierte und BergKarabach die hochste Stufe der Selbstbestimmung innerhalb von
A serbaidschan verleihende rechtliche Status von Berg-Karabach; 3.
Die garantierte Sicherheit Berg-Karabachs und seiner gesamten
Bevolkerung, einschlieBlich der gemeinsamen Verpflichtung der
Gew ahrleistung der Einhaltung der Bestimmungen der Regelung
durch alle Parteien. Diese Grundsatze wurden von alien OSZETeilnehm erstaaten unterstiitzt, mit Ausnahme von Armenien, das sich
auf die OSZE-Schlussakte von Helsinki und den dort genannten
G rundsatz der Selbstbestim m ung der Volker berief.
Die Selbstbestim m ung wird in den Dokumenten der OSZE
ausschlieBlich im innenpolitischen Kontext genannt und sieht die
Verwirklichung dieses Rechts innerhalb der Grenzen der territorialen
Rahmen der Republik Aserbaidschan vor. Hier sei daran erinnert, dass
die Bestim m ung Uber die Selbstbestimmung in der Erklarung von
Helsinki zwar deren Anw endbarkeit auBerhalb der Grenzen des
kolonialen Kontextes bestatigt, der Bezug auf „alle V6lker“ jedoch
ausschlieBlich die V olker souveraner Staaten und die Freiheit ihrer
friedlichen Selbstbestim m ung meint. Die wechselseitige Beziehung
zwischen der Selbstbestim m ung der Volker und der Einhaltung der
M enschenrechte betonend, erlauterte die Erklarung von Helsinki, dass
360
sie unter ,,innerer“ Selbstbestimmung die fortgesetzte M oglichkeit der
Volker versteht, eine neue soziale oder politische Ordnung zu wahlen
und zur Freiheit von einer autoritaren oder totalitaren Herrschaft zu
streben. Die in Bukarest, Porto, Maastricht und Laibach verabschiedeten Beschlusse bzw. Erklarungen des OSZE-Ministerrates
bestatigten, dass die drei oben genannten Prinzipien nur im Lichte des
geltenden Volkerrechts juristisch korrekt ausgelegt werden konnen.
Einige Schwachen der Tatigkeit der Minsker Gruppe und der
O S Z E zur friedlichen Losung des Berg-Karabach-Konfliktes.
Bekanntlich ereigneten sich die tragischen Geschehnisse in BergKarabach auf dem Hintergrund der Tatigkeit der Minsker KSZEGruppe, die vom UN-Sicherheitsrat Vollmachten zur Ergreifung von
MaBnahmen zur W iederherstellung des Friedens, der Stabilitat und
Ordnung in der Region bekommen hatte. Jedoch schon seit mehr als
16 Jahren ist es der M insker Gruppe nicht gelungen, eine friedliche
Regelung des Konflikts zu erzielen.
Eine Reihe autoritativer Experten ist der Auffassung, dass die CoVorsitzenden der Minsker Gruppe anfanglich das Bestreben hatten,
den Konflikt einzufrieren und keine realen und effektiven Aktionen zu
dessen endgultiger Losung zu unternehmen. Ein Grund dafur konnte
der Wunsch der Vermittlungsstaaten sein, vorrangig ihre eigenen
geopolitischen Aufgaben in einem strategisch wichtigen Fleckchen
Erde, im Sudlichen Kaukasus, zu losen.471
Die Aktivitaten der Minsker KSZE-Gruppe, einschlieBlich der
diversen diplomatischen Bemiihungen, zielten hauptsachlich auf die
Verhiitung von Krieg oder einzelnen militarischen Aktionen in der
international festgelegten Konfliktzone ab. Das bedeutet, dass die CoVorsitzenden der Minsker Gruppe um die Erhaltung eines „negativen
Friedens" bemiiht waren, der jedoch fur Berg-Karabach vollig
unzureichend ist. An sich ist die Erreichung eines solchen Friedens ein
Erfolg, nach dem ein „positiver Friede“ anzustreben ist. Jedoch hat die
M insker Gruppe fur die Erzielung des letzteren wenig unternommen.
Die „relative Untatigkeit" kann folgendermaBen erklart werden. Die
4 'Nuriew I., Salimow K. Realii i perspektivy uregulirowanija karabachskogo
konflikta (Realien und Perspektiven der Regelung des Karabach-Konfliktes),
in: Zentralnaja Asija i Kawkas (Zentralasien und der Kaukasus), Nr. 6 2002,
S. 8.
361
M insker Gruppe ist keine autonome Institution: die Tatigkeit der
V erm ittler wird durch Bereitstellung der entsprechenden Ressourcen
der Staaten, aus denen die Co-Vorsitzenden kommen, sanktioniert und
selbstverstandlich auch realisiert. Die M insker Gruppe wurde eine
Plattform, auf der „politische Spiele“ begannen, die keinen direkten
Bezug zu Berg-Karabach hatten, sondem eher mit den geopolitischen
Interessen im Stidkaukasus verbunden waren.
Die USA hofften, aufgrund der Teilnahme an diesen Verhandlungen ihre politische, wirtschaftliche und militarische Einflusssphare
in der Region auszuweiten, was ihnen teilweise auch gelang. Russland
war als einer der wichtigsten Player in der Region um die Erhaltung
und Festigung seiner Hegemonie bemuht. Frankreich strebte danach,
von der Europaischen U nion untersttitzt, durch seine Gegenwart in der
M insker Gruppe gleichsam eine europaische Beteiligung an der
Losung der grundlegenden wirtschaftlichen Probleme des Sudkaukasus geltend zu machen.
Danach fiihrte die Konfrontation der strategischen Interessen
Russlands, der USA, der Europaischen Union und der NATO und der
regionalen Gegensatze zwischen dem Iran und der Tiirkei zur
Entstehung einer so kom plexen und vielschichtigen Situation, dass die
so zahlreichen V erhandlungen iiber Berg-Karabach wenig erbrachten
und - sagen wir es unverbliimt - nur in eine geopolitische Sackgasse
fuhrten.
AuBerdem haben es die Diplomaten der Minsker Gruppe bis dato
vorgezogen, politische Fragen der Regelung des Konfliktes zu
erortem und sich nur selten daran erinnert, dass der Konflikt auch
ernste rechtliche Aspekte hat. Natiirlich wird die Losung des
Karabach-Konflikts kaum rein politisch - oder eher - juristisch sein
konnen, „sondem auch m it obligatorischer Beachtung der juristischen
A spekte“ .472
Es ist selbstverstandlich, dass die Vermittler, indem sie ihre
Aufm erksam keit au f den tatsachlich wichtigen politischen Aspekt
lenken, die Verm ittlungsschritte nach ihrer Eignung und geeigneten
Dauer danach abstim m en konnen. Dabei ist auch der nicht unwichtige
Um stand nicht zu vergessen, dass Armenien ein strategischer
Verbtindeter Russlands im Siidkaukasus ist, und Verbundete werden
1.
Die Parlamentarische Versammlung bedauert, dass der Konflikt
in der Region Berg-Karabach auch zehn Jahre nach Ausbruch der
bewaffneten
Feindseligkeiten
noch
immer
ungelost
ist.
Hunderttausende sind noch immer vertrieben und leben unter elenden
Bedingungen. Betrachtliche Teile des Territoriums von Aserbaidschan
sind noch immer von armenischen Streitkraften besetzt, und die
Region Berg-Karabach wird weiterhin durch separatistische Krafte
kontrolliert.
2.
Die Versammlung auBert ihre Besorgnis daruber, dass die
militarischen Aktionen und die weit verbreiteten ethnischen
Feindseligkeiten, die diesen vorausgingen, zu einer groBflachigen
ethnischen Vertreibung und der Schaffung mono-ethnischer Gebiete
gefuhrt haben, die dem schrecklichen Konzept der ethnischen
Sauberung gleichen. Die Versammlung bekraftigt, dass die
Unabhangigkeit und Loslosung einer Teilregion von einem Staat nur
durch einen gesetzmaBigen und friedlichen Prozess herbeigefiihrt
werden konnen, basierend a u f demokratischer Unterstiitzung durch die
Bew ohner eines solchen Gebietes und nicht im Nachgang eines
472Siehe den Artikel des Co-Vorsitzenden der Minsker Gruppe von Russland W.
Kasimirow in „Nesawisimaja gaseta“, 27 Mai 2002.
4 ’Siehe: Mihalka M. Restructuring European Security // Transition, Vol.l, No.
11, 30 june 1995. P. 3.
362
gewohnlich unabhangig davon verteidigt, ob sie Recht haben oder
nicht.
Wenn man beriicksichtigt, dass rund 42 Prozent des OSZEHaushalts aus Beitragen der USA, Deutschlands, GroBbritanniens und
Frankreichs gedeckt wird, so wird das grundlegende strukturelle
Ungleichgewicht in dieser Organisation offenbar. Es gibt in der Tatig­
keit dieser Organisation auch andere augenfallige Ungleichgewichte:
ein funktionales, ein geographisches, ein thematisches u.a. Dabei
wollen nach Meinung vieler Experten die Basislander der OSZE
langst nicht immer eine feste Stabilitat in Konfliktregionen herstellen;
vielmehr wird ein Konzept der „kontrollierten Instabilitat“ verfolgt,
nach dem das strategische Ziel die Festigung der eigenen politischen
und wirtschaftlichen Interessen ist.473
3.9 Resolution 1416 (2005) der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
363
bewaffneten Konfliktes, der zu ethnischer Vertreibung und einer defacto-Annexion eines solchen Gebietes durch einen anderen Staat
fuhrt. Die Versam m lung erklart erneut, dass die Besetzung eines
auslandischen Staatsgebietes durch einen Mitgliedstaat eine
schwerwiegende V erletzung der Verpflichtungen dieses Staates als
Mitglied des Europarates darstellt und bekraftigt das Recht der aus
dem Konfliktgebiet vertriebenen Personen au f Riickkehr in ihre
Heimat in Sicherheit und Wurde.
3. Die Versam m lung verweist au f die Resolutionen 822 (1993),
853 (1993), 874 (1993) und 884 (1993) des Sicherheitsrates der
Vereinten Nationen
und
fordert die betroffenen Parteien
nachdriicklich auf, diesen Resolutionen nachzukommen, insbesondere
dadurch, dass sie A bstand von bewaffneten Feindseligkeiten nehmen
und militarische Krafte aus alien besetzten Gebieten abziehen. Die
Versammlung schlieBt sich fem er der in der Resolution 853 (1993)
des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen erhobenen Forderung an
und fordert alle M itgliedstaaten nachdriicklich auf, Abstand zu
nehmen von der Lieferung jedw eder Waffen und Munition, die zu
einer Verscharfung des Konfliktes oder zur fortgesetzten Besetzung
des Gebietes ffihren konnten.
4. Die V ersam m lung verweist darauf, dass sowohl Armenien als
auch Aserbaidschan sich m it ihrem Beitritt zum Europarat im Januar
2001 verpflichtet haben, nur friedliche Mittel fur die Losung des
Konfliktes anzuwenden, indem sie von jeder Androhung des Einsatzes
von Gewalt gegen ihre N achbam absehen. Gleichzeitig verpflichtete
sich Armenien, seinen betrachtlichen Einfluss iiber Nagomo-Karabach
zu nutzen, um eine Losung des Konflikts zu fordem. Die
Versammlung fordert beide Regierungen nachdriicklich dazu auf.
diese Verpflichtungen einzuhalten und vom Einsatz von Truppen und
von der Propagierung m ilitarischer Handlungen abzusehen.
5. Die Versam m lung verw eist darauf, dass sich der Ministerrat der
Konferenz fur Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) im
Marz 1992 in Helsinki darauf verstandigt hatte, eine Konferenz in
Minsk abzuhalten, um ein Verhandlungsforum fur eine friedliche
Losung des Konfliktes anzubieten. Armenien, Aserbaidschan, Belarus,
die ehemalige Tschechische und Slowakische Federative Republik,
Frankreich, D eutschland, Italien, die Russische Foderation, Schweden.
die Tiirkei und die V ereinigten Staaten von Amerika vereinbarten zu
364
diesem Zeitpunkt, sich an dieser Konferenz zu beteiligen. Die
Versammlung fordert diese Staaten auf, ihre Anstrengungen zu
verstarken im Hinblick au f eine friedliche Losung des Konfliktes und
ladt deren nationale Delegationen bei der Versammlung ein, der
Versammlung jahrlich iiber MaBnahmen ihrer Regierungen in diesem
Zusammenhang zu berichten. Zu diesem Zweck fordert die Versam­
mlung ihr Presidium auf, einen Ad-hoc-Ausschuss einzusetzen, dem
unter anderem die Leiter dieser nationalen Delegationen angehoren
sollen.
6.
Die Versammlung wiirdigt die unermiidlichen Anstrengungen
der Co-Vorsitzenden der Minsker Gruppe und des Personlichen
Beauftragten des amtierenden OSZE-Vorsitzenden, insbesondere weil
diese Bemiihungen im Mai 1994 zu einem Waffenstillstand gefuhrt
haben und ab diesem
Zeitpunkt die
Einhaltung dieses
VVaffenstillstandes iiberwacht wurde. Die Versammlung fordert die
Co-Vorsitzenden der Minsker OSZE-Gruppe auf, SofortmaBnahmen
zu ergreifen, um unverziiglich Verhandlungen im Hinblick auf den
Abschluss einer politischen Vereinbarung iiber die Einstellung des
bewaffneten Konfliktes herbeizufiihren. Die Umsetzung dieser
MaBnahmen wird wichtige Konsequenzen des Konfliktes fur alle
Parteien beseitigen und die Einberufung der Minsk-Konferenz
ermoglichen. Die Versammlung fordert Armenien und Aserbaidschan
auf. den Minsk-Prozess der OSZE zu nutzen und sich gegenseitig auf
dem Wege iiber die Minsker Gruppe ihre konstruktiven Vorschlage
fur die friedliche Losung des Konfliktes im Einklang mit den
einschlagigen Normen und Prinzipien des Volkerrechts zu
iibermitteln.
7.
Die Versammlung verweist darauf, dass Armenien und Aser­
baidschan Unterzeichnerstaaten der Charta der Vereinten Nationen
sind und dass sie in Ubereinstimmung mit Artikel 93 Abs. I der
Charta ipso facto Vertragsparteien des Statuts des Internationalen
Gerichtshofes sind. Daher schlagt die Versammlung vor, dass falls die
Verhandlungen unter der Schirmherrschaft der Co-Vorsitzenden der
M insker Gruppe fehlschlagen sollten, Armenien und Aserbaidschan in
Betracht ziehen sollten, die Hilfe des Internationalen Gerichtshofes zu
nutzen im Einklang mit Artikel 36 Abs. 1 des Statuts des Gerichts­
hofes.
365
8. Die V ersam m lung fordert Arm enien und Aserbaidschan auf, die
politische A ussohnung untereinander zu fordem durch Verstarkung
ihrer bilateralen interparlam entarischen Zusammenarbeit im Rahmen
der V ersam m lung sowie in anderen Foren, wie z. B. den Treffen der
Parlam entsprasidenten des Kaukasischen Quartetts. Sie schlagt vor,
dass beide D elegationen sich au f jed er Teilsitzung der Versammlung
treffen, um Fortschritte im Hinblick auf diese Aussohnung zu
iiberpriifen.
9. Die V ersam m lung fordert die Regierung von Aserbaidschan auf.
ohne Vorbedingungen Kontakte zu den politischen Vertretem beider
G em einschaften in der Region Berg-Karabach in Bezug auf den
zukiinftigen Status der Region herzustellen. Sie ist bereit.
Einrichtungen fur derartige Kontakte in StraBburg zur Verfligung zu
stellen und erinnert daran, dass sie dies bei friiheren Anlassen mit
arm enischer B eteiligung in Form einer Anhorung getan hat.
10. Unter Flinweis a u f ihre Em pfehlung 1570 (2002) iiber die Lage
der Fliichtlinge und V ertriebenen in Armenien, Aserbaidschan und
Georgien
fordert
die
Versammlung
alle Mitgliedund
Beobachterstaaten auf, humanitare Hilfe und Unterstiitzung fur die
H underttausende von Vertriebenen infolge der bewaffneten Feindseligkeiten und V ertreibung von Personen armenischer Abstammung
aus A serbaidschan und Personen aserbaidschanischer Abstammung
aus Arm enien anzubieten.
11. Die V ersam m lung verurteilt jede von den Medien in Armenien
und Aserbaidschan zum Ausdruck gebrachte Form von Hass. Die
V ersam m lung fordert Arm enien und Aserbaidschan auf, Aussohnung.
V ertrauensbildung und gegenseitiges Verstandnis zwischen ihren
V olkern in Schulen, Universitaten und mit Hilfe der Medien zu
fordem . Ohne eine derartige Aussohnung werden Hass und Misstrauen die Stabilitat in der Region verhindem und moglicherweise zu
neuer Gew alt fiihren. Ein solcher Aussohnungsprozess muss jeder
dauerhaften Losung vorausgehen und in diese eingebettet sein.
12. Die V ersam m lung fordert den Generalsekretar des Europarates
auf, einen A ktionsplan fur eine gezielte Unterstiitzung von Armenien
und A serbaidschan zu erstellen, der das Ziel eines Aussohnungsprozesses zw ischen beiden Seiten verfolgt, und diese EntschlieBung bei
Beschliissen iiber M aBnahmen in Bezug auf Armenien und Aser­
baidschan zu beriicksichtigen.
366
13. Die Versammlung fordert den Kongress der Gemeinden und
Regionen des Europarates auf, die auf kommunaler Ebene gewahlten
Vertreter von Armenien und Aserbaidschan dabei zu untersffitzen,
Kontakte untereinander und eine Zusammenarbeit zwischen den
Regionen aufzubauen.
14. Die Versammlung beschlieBt, die innerhalb des Europarates
bestehenden Mechanismen zur Konfliktlosung zu analysieren,
insbesondere das Europaische Ubereinkommen zur friedlichen
Beilegung von Streitigkeiten, um ihren Mitgliedstaaten bessere
Mechanismen fur die friedliche Losung bilateraler Konflikte sowie
intemer Streitigkeiten, an denen kommunale oder regionale Gebietskorperschaften oder Behorden beteiligt sind, die die Menschenrechte,
die Stabilitat und den Frieden gefahrden konnten, anbieten zu konnen.
15. Die Versammlung beschlieBt, auf regelmaBiger Grundlage die
friedliche Losung dieses Konfliktes weiterhin zu iiberwachen und
beschlieBt, sich emeut mit dieser Frage auf ihrer ersten Teilsitzung im
Jahre 2006 zu befassen.
Anmerkungen des Autors zu den Dokumenten des Europarates
Das Komitee betont, dass eine langfristige Losung zur Regelung
des Konfliktes nur auf der Grundlage der Einhaltung des geltenden
Volkerrechts, der Grundsatze und der Pflichten der Mitglieder des
Europarates und der OSZE, insbesondere der Unantastbarkeit der
international anerkannten Staatsgrenzen, der vom volkerrechtlichen
Standpunkt territorialen Integritat eines Staates, des Schutzes von
Minderheiten und der Einhaltung der Menschenrechte und den
Grundfreiheiten gefunden werden kann. In den Dokumenten des
Ministerkomitees ist auch eine sehr wichtige Bestimmung enthalten,
nach der zwischen den einzelnen Grundsatzen des Volkerrechts keine
Hierarchie besteht, unabhangig davon, ob sie in einem konkreten Fall
angefuhrt werden oder nicht. Das Ministerkomitee hat auch
wiederholt betont, dass die Anwendung von Gewalt mit dem Ziel der
Besetzung von Gebieten souveraner, international anerkannter Staaten
illegal und inakzeptabel ist und eine grobe Verletzung der Pflichten
der M itgliedsstaaten des Europarates darstellt.
367
4. Tabellen
Tabelle 1: Die Bevolkerung der Region Karabach 1831-1916474
Jahr
Verwaltungseinheit
1831/33 Provinz Karabach
1886
1916
Ujesde
Dschawanschir,
Schuscha und
Korjaga
Ujesde
Dschawanschir,
Schuscha und
Korjaga
Volk
1886
Aserbaidschaner
35046
64%
119818
52,5%
Armenier
19805
36%
1008234
44,2%
A ndere
-
182886
59%
119176
38,4%
8128
2,6%
Verwaltungseinheit
1829
Armenischer Oblast
1831/33 Armenischer Oblast
Volk
Aserbaidschaner Armenier
K.A.
25131
81749
82357
Andere
K.A.
344
414Siehe Mammadow Ilgar, Musaew Tofik. Armjano-aserbajdschanskij konflikt.
Istorija. Prawo. Posrednitschestwo. (Der armenisch-aserbaidschanische Kon­
flikt. Geschichte. Recht. Vermittlung.) Tula, Grif 2006, S. 21. Verwendete
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statistitscheskich dannych о naselenii Sakawkasskogo kraja, iswletschjonnych
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fur 1917) I. P. Strelschtschuk (Red.), Tiflis, Tipografija Konzeljarii Namestnika E. i. B. im Kaukasus, 1916, S. 190-197.
475Mammalow Ilgar, Musaew Tofik. Armjano-aserbajdschanskij konflikt.
Istorija. Prawo. Posrednitschestwo. (Der armenisch-aserbaidschanische Kon­
flikt. Geschichte. Recht. Vermittlung.) Tula, Grif 2006, S. 21.
368
1916
49,7%
165811
37,9%
251057
37,4%
374482
33,4%
Gouvernement
Eriwan
Gouvernement
Eriwan
Gouvernement
Eriwan
50,1%
240000
54,8%
375700
56%
669871
59,8%
0,2%
31908
7,2%
43648
6,5%
175889^
6,8%
Tabelle 3: Daten zur so/ialen Entwicklung des Autonomen
Gebiets Berg-Karabach, der Aserbaidschanischen SSR,
der Armenischen SSR und der U d S S R im Vergleich476
Tabelle 2: Bevolkerung der Region Eriwan 1829-1916475
Jahr
1865
Auf
Einwohner
10.000 N K A
О
Krankenhausbetten
Versorgung mit Arzten
mit hoherer Bildung
aller Fachrichtungen
Versorgung mit Arzten
mit mittlerer Bildung
Anzahl
der
offentlichen
Bibliotheken
Anzahl
der
Kulturhauser
und
Erholungsheime
Anzahl Kinotheater
(Kinoanlagen)
Wohnraum in qm pro
Einwohner
In den Stadten
In den Dorfern
Aserbaidscha Armenie
n
n
UdSSR
101,7
29,1
97,7
38,4
86,2
38,6
130,1
42,7
122,7
93,5
93,5
1 14,7
13
6
4,1
4,1
15
5
3,8
4,8
11,2
3
2,9
5,4
14,6
10,9
13,7
14,9
14,4
14,6
12,2
9,2
13,1
15,0
14,3
16,1
4 6 Quelle: Akademie der Wissenschaften der Aserbaidschanischen SSR, Institut
der Geschichte. Ismajlow, M.A. (Hrsg.). Sobytija wokrug NKAO w kriwom
serkale falsifikatorow (Die Ereignisse um das NKAO im verzerrten Spiegel
von Falschem) Elm, Baku 1989, S. 12.
Tabelle 5: Index der globalen Wettbewerbsfahigkeit nach W E F Version
Tabelle 4: Die Militarausgaben der GUS-Staaten 2005-2008
(in Mio. US-Dollar)
Land
2006
Aserbaidschan
Armenien
Georgien
Moldawien
Kasachstan
Kirgisien
Tadschikistan
Turkmenistan
Usbekistan
WeiBrussland
Russland
Gesamt
600
150
341
10,3
604,4
34,6
43
82,9
809,2
462
23414
28221
% des 2007
BIP in
2006
3,77
3,05
4,9
0,3
1,01
1,3
ГГ/7
0,53
5,2
1,34
2,74
2,24
% des 2008
BIP in
2007
1100
4,5
281
3,43
730
8,7
1),3
10,5
1220
1,2
40,4
1,3
52,2
1,8
113,6
0,6
909,4
4,8
512
1,2
30990
2,63
38394,1 2,31
1300
382,3
600
72,6
T385
43,9
63
213
1080
681
38861
46581,8
% des
BIP in
2008
3,6
3,7
4,95
0,3
1,1
1,3
1,7
0,9
4
1,3
2,73
2,22
Anmerkungen des Autors
Diese Tabelle wurde auf der Grundlage der Analyse der
veroffentlichten Daten iiber die Volkswirtschaften der GUS-Staaten
und ihre Haushalte fur 2008 erstellt.
Fur Turkmenistan sind die Ziffem aus dem Ausgabenteil des
Haushaltes angegeben.
China schloss nach unbestatigten Berichten Vertrage iiber die
Lieferung von 24-26 FC -l-Flugzeugen nach Aserbaidschan ab, die
sowohl als Jagdflugzeuge als auch als Schlachtflugzeuge und Bomber
eingesetzt werden konnen. Die Existenz einer solchen Ausrustung
wiirde die Angriffsmoglichkeiten Aserbaidschans wesentlich erhohen.477
Lander
USA
Schweiz
Danemark
Singapur
Estland
Tschechien
Litauen
Slowakei
Lettland
Ungarn
Polen
Kroatien
Russland
Kasachstan
Usbekistan
Aserbaidschan
Vietnam
Sri Lanka
Brasilien
Ukraine
Rumanien
Georgien
Armenien
M oldawien
Tadschikistan
Kirgisistan
Tschad
G C I 2007-2008
Stelle
im
Rating
1
2
3
7
27
33
38
41
45
47
51
57
58
бГ
62
66
68
70
72
73
74
90
93
97
117
119
131
Index
5,67
5,62
5,55
5,45
4,74
4,58
4,49
4,45
4,41
4,35
4,28
4,20
4,19
4,14
4,13
4,07
4,04
J ,9 9
3,99
3,98
3,97
3,83
3,76
3,64
3,37
3,34
2,78
G C I 2006-2007
Stelle
im
Rating
1
4
3
8
26
31
39
37
44
^38
Г45
56
59
50
-
62
l_64
81
66
h69
73
87
80
86
96
109
121
477Siehe Eksport kitajskich istrebitelej wsletit na rossijskich dwigateljach
(Export chinesischer Jagdflugzeuge im Aufwind mit russischen Motoren. In:
Kommersant, 20.11.2007, S. 10.
370
371
Tabelle 6: Inflation und Wachstum des BIP in der G U S 478
Land
Aserbaidschan
Armenien
Belarus
Georgien
Kasachstan
Kirgisistan
Moldawien
Russland
Tadschikistan
Usbekistan
Ukraine
Wachstum des
BIP in 2007
24,7
11
108,1
12,7
8,7
6,2
3,3
7,6
7,2
7,2
7
Inflation
2007
16,5
6,6
12,0
11,0
18,8
7,3
12,1
11,9
7
7
16,6
478Quelle: Statistischer Ausschuss der GUS und IMF.
372
Prognose fur
2008
17
4
7,5
K.A.
8
5
K.A.
9
10
10
8,5
5.2 Das Monument mit der Inschrift „150 Jahre Umsiedlung“
in Agdara (Mardakert), 1978
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5.3 Das Mo n u m e n t zur armenischen Umsiedlung in Agdara
(Mardakert) im Jahre 1987
D ie Gedenkinschrift fe h lt
Q uelle: M ah m u dov, Y . / S hukurov K ., G arabagh. R e al history, facts, documents, B aku 2005,
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374
375
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