Hochschulschrif ten zur Nachhaltigkeit Gesa Lüdecke Medien und klimabewusstes Verhalten Die Bedeutung des Fernsehens für ein nachhaltiges Alltagshandeln bei Jugendlichen F'+)#'01+% C<D 0"0 !--!%/ Der zentralen Fragestellung folgend ist es sinnvoll, das Phänomen Klimawandel zunächst einmal begrifflich zu bestimmen. Daher wird in Kapitel 2 eine Gegenstandsbestimmung vorgenommen und dabei auf die Ursachen, Risiken und Folgen des Klimawandels auf ökologischer, ökonomischer und sozialer Ebene eingegangen. Es werden Klimamodelle und Szenarien vorgestellt, die aktuell inder Wissenschaft diskutiert werden. Darüberhinaus findet eine Einordnung des Themas sowohl in die politische als auch gesellschaftliche Debatte statt. Die Perspektive auf den Klimawandel und die gesellschaftliche Auseinandersetzung erfolgt zu Beginn des Kapitels aus einer globalen Perspektive und mündet zum Schluss im Blickwinkel des deutschen Diskurses, um von hier aus auf konkrete individuelle Handlungsfelder im Klimaschutz überzuleiten, die Menschen in Deutschland potenziell zur Verfügung stehen. Für erfolgreiche Handlungsstrategien hat die soziale Konstruktion, also die Bedeutung, die dem Klimawandel auf gesellschaftlicher Ebene beigemessen wird, eine entscheidende Funktion. Die zentrale Bedeutung des Kapitel 3 für diese Arbeit ist die Identifizierung der einschlägigen Verhaltensmodelle und Handlungstheorien, die sich mit der Entstehung von umweltbewusstem Verhalten beschäftigen. Es werden entscheidende Einflussfaktoren bzw. Handlungsmotivationen eruiert, die klimabewusstes Handeln befördern können. Ergänzt werden die theoretischen Ansätze und Modelle dieses Kapitels um repräsentative Studien zum umwelt- und klimabewussten Verhalten. Zum Schluss findet eine Fokussierung auf empirische Studien über Jugendliche in Deutschland und ihr Umweltbewusstsein und -handeln statt. Herausgearbeitet wird an dieser Stelle insbesondere die Wahrnehmung und Einstellung der Jugendlichen gegenüber dem Thema Klimawandel sowie damit verbundene Handlungsmotivationen. Kapitel 4 schafft den Übergang von den Erkenntnissen der Umweltbewusstseinsforschung in die Medienrezeptions- und Medienwirkungsforschung. Zunächst wird die Bedeutung der Medien für die gesellschaftliche Kommunikation hervorgehoben und auf die Mediatisierung der Gesellschaft sowie die integrative Leistung der Medien als System zur kollektiven Verständigung als auch der konstruktivistischen Meinungs- und Urteilsbildung eingegangen. In diesem Zusammenhang werden zentrale Medienwirkungsansätze vorgestellt und in Bezug auf die Fragestellung dieser Arbeit diskutiert. Neben den klassischen Modellen und Theorien wird ein besonderes Augenmerk auf die jüngere Mediensozialisationsforschung gelegt, welche die Dimensionen medialer Einflussnahme auf die Identitätsbildung, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen untersucht. In diesem Kontext wird dem Fernsehen ein Unterkapitel gewidmet, da repräsentative Mediennutzungsstudien zu dem Ergebnis kommen, dass das Fernsehen noch immer als Leitmedium betrachtet werden kann und auch bei Jugendlichen nach wie vor einen hohen Stellen- und damit auch Orientierungswert besitzt. Ferner werden empirische Studien vorgestellt, die das Nutzungsverhalten und die Senderpräferenzen der Jugendlichen erfassen, was für die Frage nach den rezipierten Medieninhalten von Bedeu7 F'+)#'01+% tung ist. Daraufhin wird übergeleitet zur Medienberichterstattung über den Klimawandel, denn mit einer erhöhten Nutzung von Medien und einer ebenfalls ansteigenden Klimawandelberichterstattung ist aus der Perspektive dieser Arbeit auch die Erwartung einer vermehrten Auseinandersetzung mit der Thematik auf individueller Ebene verbunden. Dies wird in Unterkapitel 4.5 beleuchtet und es wird überblicksartig aufzuzeigen sein, welche charakteristischen Veränderungen in der Kommunikationsstruktur seit den ersten systematisch erfassten Anfängen in den 1970er Jahren bis in die Gegenwart durchlaufen wurden. Es werden in diesem Zusammenhang Studien vorgestellt, die sich mit der Untersuchung des Themas und seiner Verarbeitung und Entwicklung in den Medien auseinandersetzen. Das daran anschließende Unterkapitel widmet sich konkret der Fernsehnutzung und einem daraus resultierenden umwelt- bzw. klimabewussten Verhalten. Herausgearbeitet werden soll hier insbesondere, dass Studien zum individuellen Umweltverhalten und damit verbundenen Motivationen die Medien meist nicht in die Liste der Handlungsmotivatoren einbeziehen. Um diese Forschungslücke für die vorliegende Arbeit zu schließen, findet zunächst eine Synthese der bisherigen aus der theoretischen Vorarbeit abgeleiteten Erkenntnisse aus beiden Themenfeldern (Umweltbewusstseinsforschung, Medienforschung) statt und setzt die diskutierten Ansätze jeweils zueinander in Bezug. Es werden am Ende des Kapitels theoretische Befunde aus der Synthese der beiden Themenbereiche abgeleitet, die für die weitere empirische Arbeit untersuchungsleitend sein werden. Kapitel 5 widmet sich der empirischen Untersuchung im Rahmen dieser Dissertation. Nach der Überlegung, welches Vorhaben in Bezug auf die Beantwortung der Fragestellung sinnvoll erscheint, findet eine Diskussion und Festlegung der methodischen Vorgehensweise statt. Hier wird zunächst auf die Medieninhaltsanalyse als bedeutsame Analyseeinheit für die Erfassung der medial kommunizierten handlungsrelevanten Anknüpfungspunkte sowie auf die Auswahl der hierfür theoretisch begründeten Formate eingegangen. Diese werden hier ebenefalls analysiert und am Ende des Kapitels diskutiert. Nach der Darstellung der Ergebnisse dieser Analysearbeit schließt Kapitel 6 mit der methodologischen Vorstellung und Auswahl der Befragungsmethode und Interviewpartner sowie der Auswertung der Interviews an. Daran anknüpfend werden die Ergebnisse der Medieninhaltsanalyse und der Interviews zusammengeführt. Es werden mediale Botschaften, die in der Medieninhaltsanalyse identifiziert wurden, den Wahrnehmungen und sozialen Praktiken der Befragten gegenübergestellt. Die Ergegnisse werden in Rückbezug auf den theoretischen Hintergrund in Kapitel 7 diskutiert und es werden Überlegungen angestellt, inwieweit das Fernsehen einen tatsächlichen Beitrag zur Motivation des individuellen Klimaschutzes potenziell leisten kann und welche extra-personalen bzw. intervenierenden Variablen einen Einfluss auf das individuelle Klimaschutzhandeln haben. Abschließen wird Kapitel 8 mit dem Fazit und einem Ausblick, worin noch einmal der 8 F'+)#'01+% Beitrag dieser Arbeit für die Wissenschaft und Praxis zusammengefasst wird. Darüber hinaus werden Handlungsempfehlungen sowie der weitere Forschungsbedarf formuliert. Abbildung 1 gibt nachfolgend einen schematischen Überblick über den Aufbau dieser Arbeit. 1. Einleitung: Hintergrund, zentrale Fragestellung, Einordnung in die Forschungslandschaft, Aufbau der Arbeit 2. Stand der Klimaforschung: Gegenstandsbestimmung: nstand Ursachen, Risiken und Folgen des Klimawandels, politische und gesellschaftliche Bedeutung. Handlungsfeld Klimaschutz, individueller Handlungsspielraum 3. Theoretische che An Ansätze: Klimabewusstes Verhalten: Handlungstheorien und Verhaltensmodelle. Empirische Studien: moderierende Variablen beim individuellen Klimaschutz Klimabewusstes Handeln bei Jugendlichen 4. Theoretische che An Ansätze: Klimawandel und Medienkommunikation: Medien und gesellschaftl. Klimawandeldiskurs. Theorien zu Medienwirkungen Mediensozialisationsforschung Empirische Studien zur medialen Klimaberichterstattung in den Medien (Fokus Fernsehen) Synthese der beiden Theoriestränge: The Präzisierung und Operationalisierung der Forschungsfragen 5. Vorgehensweise und Methoden: Medieninhaltsanalyse problemzentriertes/fokussiertes Interview Auswertung Qualitative Inhaltsanalyse 6. Empirische Ergebnisse: Synthese und nd Diskussion Dis der Ergebnisse, Rückführung auf Theorie 7. Schlussfolgerungen und Ausblick: Zentrale Ergebnisse Beitrag für die Wissenschaft und Praxis Handlungsempfehlungen, Ausblick Abb. 1: Schematischer Überblick zum Aufbau dieser Arbeit (eigene Darstellung) 9 D G#.)'*3+"#) !-'%(3) !';!%)!)/0-3%..!).$"/'%$!0) #!.!''= .$"/'%$!!-.+!&/%2! Can we agree among ourselves about climate change? We are a clever but quarrelsome species – in our public discourses we can sound like a rookery in full throat. (British Council 2005: 3) D<C !-)/$-*+*#!)!'%(3) !'>!#!)./) .!./%((0)# Über das Klima und seine Veränderungen wurde noch nie so viel spekuliert wie in der heutigen Zeit. Seit Mitte des letzten Jahrhunderts machen Klimaaufzeichnungen den Trend zur globalen Erwärmung mehr als deutlich. Durch einen Temperaturanstieg von 0,74° C in den vergangenen 100 Jahren (vgl. IPCC 2007: 5) hat sich das Klima vielerorts bereits verändert.3 Der Begriff Klimawandel umfasst vor allem die (natürlichen) Veränderungen in der Temperatur der erdnahen Oberflächenschichten sowie in Niederschlagsmengen. Seit einigen Jahrzehnten ist ein Wandel des Klimas zu beobachten, der aller Wahrscheinlichkeit nach durch menschliche Aktivitäten in seinen Prozessen beeinflusst und vorangetrieben wird. Grundsätzlich ist ein global gemittelter Anstieg der Lufttemperatur sowie mancherorts die Zunahme von Niederschlägen und andernorts die Ausdehnung von Hitzeperioden zu verzeichnen. Solche Wetterextreme oder klimatischen Schwankungen existieren zwar seit Hunderttausenden von Jahren und zeigen sich auch in zahlreichen geologischen und klimatologischen Untersuchungen, die lange Datenreihen mithilfe von Proxies4 erfassen. Dennoch mehren sich seit einem halben Jahrhundert Untersuchungen der Klimaforscher, die einen ungewöhnlich schnellen Wandel des globalen Klimas feststellen und immer deutlicher den menschlichen Einfluss hierauf in den Fokus der Untersuchungen rücken. Insbesondere die polaren Regionen der Erde sind mit am stärksten von dem sich ändernden Klima betroffen. Hier lässt sich die globale Erwärmung in zunehmender Geschwindigkeit feststellen. Dies liegt an der besonderen Empfindlichkeit vor allem der Arktis als Ökosystem, das sensibel auf minimale Temperaturschwankungen reagiert. Hier stiegen die Temperaturen innerhalb der letzten 100 Jahre fast doppelt so schnell an wie die global gemittelten Temperaturen (vgl. UBA 2009: 16; SRU 2008: 81).5 3 Klimaveränderungen werden von der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) als Durchschnittswetter bezeichnet, das erst durch konstante Veränderungen über einem Zeitraum von 30 Jahren als sich veränderndes Klima beschrieben wird. Die Veränderungen werden üblicherweise an Niederschlag, Temperatur und Wind gemessen (vgl. IPCC 2007: 77). 4 Proxies sind indirekte Klimaindikatoren in der natürlichen Umwelt, wie bspw. Baumringe oder Sedimentationsschichten in Gewässern. 5 Aufgrund des abschmelzenden Meereises wird das Sonnenlicht immer weniger reflektiert (geringerer Albedoeffekt) und sorgt so für eine Erwärmung der Atmosphäre und der bodennahen Luftschichten (vgl. UBA 2008: 5). 10 G#.)'*3+"#) Wenngleich es mittlerweile einen überwiegenden wissenschaftlichen Konsens bezüglich des anthropogenen Einflusses auf das Weltklima gibt (vgl. Rosen/Javier 2008: 120 f.; Latif/Wiegandt 2008: 135; BMU 2005: 4), besteht über zukünftige Projektionen und Prognosen dennoch ein wissenschaftlicher Dissens. Die Belastbarkeit der gegenwärtigen Daten über den anthropogenen Klimawandel ist noch unklar, da die Wissenschaft bislang zu wenig über die komplexen Zusammenhänge und genauen Reaktionen des trägen Klimasystems mit Sicherheit bestimmen kann (vgl. Schellnhuber/Rahmstorf 2007: 7). Bislang offene Fragen sowie vorsichtige Formulierungen deuten auf die Unsicherheit, was den genauen Einfluss des Menschen auf das Weltklima anbelangt, hin: Nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand müssen wir davon ausgehen, dass die Klimaänderung des letzten Jahrhunderts sowohl durch natürliche Faktoren als auch durch den Menschen verursacht worden ist. Während der letzten drei Jahrzehnte wird vermutlich der Beitrag des Menschen sogar dominant gewesen sein (BMBF 2003: 29 f.). Der exponentielle Anstieg von Spurengasen in der Atmosphäre seit der Mitte des 20. Jahrhunderts legte bei vielen Wissenschaftlern den Verdacht nahe, dass der Mensch durch seine industriellen Tätigkeiten einen Einfluss auf das sich wandelnde Klima hat. Der natürlich stattfindende Treibhauseffekt6 steht somit zunehmend unter dem Einfluss der anthropogen verursachten Emission von Treibhausgasen und Aerosolen.7 Mit der industriellen Revolution zu Beginn des 20. Jahrhunderts stiegen die Treibhausgasemissionen, bedingt durch die Verbrennung fossiler Stoffe wie Öl, Gas, Braun- und Steinkohle oder Torf. Die hierbei freigesetzten Treibhausgase verhindern, dass die langwelligen Wärmestrahlungen in das All reflektiert werden und verbleiben in der Erdatmosphäre. Dies führt zu einer weiteren Erwärmung der bodennahen Luftschichten (vgl. Hartmuth 2002: 14). Neben der Verbrennung fossiler Brennstoffe spielen das Bevölkerungswachstum und die voranschreitende Landnutzung (Urwaldvernichtung, Ausweitung von Agrarflächen, Bodenerosion) eine entscheidende Rolle für das Klima auf der Erde (vgl. BMBF 2003: 18f.). 6 Kurzwellige Sonneneinstrahlung wird von der Erdatmosphäre absorbiert, wodurch sich die bodennahen Luftschichten erwärmen. Die hierbei entstehende langwellige Wärmestrahlung wird teilweise in das All reflektiert, teilweise wird sie durch Treibhausgase in der Atmosphäre zurückgehalten. Diese Treibhausgase setzen sich natürlicherweise aus Wasserdampf, Kohlendioxid, Ozon, Methan und Distickstoffoxid zusammen. Hierdurch werden die bodennahen Luftschichten erwärmt und es stellt sich eine globale Durchschnittstemperatur von 15° C ein. Würde der natürliche Treibhauseffekt nicht existieren, läge die durchschnittliche Temperatur der Erdoberfläche bei -18°C. Das Verhältnis zwischen Ein- und Ausstrahlung entscheidet folglich über das Klima auf der Erde bzw. Erdoberfläche (vgl. BMBF 2003: 16; Hartmuth 2002: 14). 7 Das Klima wird durch den Menschen als ein atmosphärischer Zustand wahrgenommen. Tatsächlich sind jedoch wesentlich mehr Faktoren an der Entstehung und Stabilisierung des Klimas beteiligt (siehe Abb. 1): Neben der Atmosphäre besteht das Klimasystem aus den Untersystemen der Hydrosphäre (sämtliche Gewässerarten sowie Grundwasser), der Kryosphäre (Inlandeis und Meereis sowie Schnee) und der terrestrischen Biosphäre (vgl. BMBF 2003:13). 11