Vorlesung “Nachhaltige Entwicklung 1” WS 2010/2011 1. Vorlesungseinheit Nicht-nachhaltige Trends & NichtGeschichte der Nachhaltigkeit Stefan Giljum www.seri.at Frage Was ist für Sie/Euch nachhaltige Entwicklung? Welche derzeitigen Trends sind nicht nachhaltig? SERI ES GEHT UM WAS ! 2 Nachhaltige Entwicklung ‚Eine nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und ihren Lebensstil zu wählen. ‘ Erstmals beschrieben im Brundtland-Bericht (1987) der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung mit dem Titel „Unsere gemeinsame Zukunft“. Gegründet 1983 von der UN. SERI ES GEHT UM WAS ! 3 Fragen der 1. Vorlesungseinheit • Welche sind die zentralen nicht-nachhaltigen Trends auf weltweiter Ebene? • Welche sind die Hauptantriebskräfe („drivers“) hinter diesen nicht-nachhaltigen Trends? • Welche sind die wichtigsten Meilensteine in der Geschichte der Nachhaltigkeit? SERI ES GEHT UM WAS ! 4 Inhalt I. Ausschnitt aus dem Film: „The planet“ II. Nicht-nachhaltige Trends I. II. III. IV. Bevölkerung Wirtschaft Energieverbrauch & Klimawandel Biodiversität III. Geschichte der Nachhaltigkeit SERI ES GEHT UM WAS ! 5 Inhalt I. Ausschnitt aus dem Film: „The planet“ II. Nicht-nachhaltige Trends I. II. III. IV. Bevölkerung Wirtschaft Energieverbrauch & Klimawandel Biodiversität III. Geschichte der Nachhaltigkeit SERI ES GEHT UM WAS ! 6 Exponentielle Entwicklungen SERI ES GEHT UM WAS ! 7 Bevölkerungswachstum • Ab 1950 dramatische Zunahme. Anstieg von 2.5 Mrd. bis etwa 6 Mrd. um 2000 (Zunahme zw. 1700 und 1900 nur eine halbe Mrd.). • Weltbevölkerung: Wächst derzeit um ca. 76 Mio. pro Jahr (210.000 pro Tag!); UN: 2050: ca. 9 Mrd.; 2100: möglicherweise 11-12 Mrd. • Gleichzeitig Alterung und Schrumpfung in einigen Teilen der Welt SERI ES GEHT UM WAS ! 8 Bevölkerungswachstum SERI ES GEHT UM WAS ! 9 Bevölkerungswachstum SERI ES GEHT UM WAS ! 10 Bevölkerungsverteilung Verteilung der Weltbevölkerung um 1900: 1,5 Milliarden Menschen Quelle: worldmapper. org SERI ES GEHT UM WAS ! 11 Bevölkerungsverteilung Verteilung der Weltbevölkerung um 2000: 6 Milliarden Menschen Quelle: worldmapper. org SERI ES GEHT UM WAS ! 12 Bevölkerungsverteilung Verteilung der Weltbevölkerung um 2050: 9 Milliarden Menschen Quelle: worldmapper. org SERI ES GEHT UM WAS ! 13 Wirtschaft: Entwicklung des BIP Milliarden US $ Entwicklung des Welt-Bruttoinlandsprodukts (Jahr 1000 bis 2000) 45000 40000 35000 30000 25000 20000 15000 10000 5000 0 Quelle: J. Bradford / Berkeley University SERI ES GEHT UM WAS ! 14 Wirtschaft: Entwicklung des BIP Verteilung des Bruttoinlandsprodukts (2002) Quelle: worldmapper. org SERI ES GEHT UM WAS ! 15 Wirtschaft: Verteilung des BIP Verteilung des Bruttoinlandsprodukts (2015) Quelle: worldmapper. org SERI ES GEHT UM WAS ! 16 Wirtschaft: Verteilung des BIP Verteilung des Pro-Kopf Einkommens unter 1 US $ pro Tag (2002) Quelle: worldmapper. org SERI ES GEHT UM WAS ! 17 Wirtschaft: Verteilung des BIP Verteilung des Pro-Kopf Einkommens über 200 US $ pro Tag (2002) Quelle: worldmapper. org SERI ES GEHT UM WAS ! 18 Weitere Entwicklung? • Entwicklungsländer haben Recht auf Entwicklung, Wirtschaftswachstum, bessere Lebensqualität, aber Gefahr, dass die die Lebensweise der Industrieländer übernommen wird • China: bereits 300 Mio. neue KonsumentInnen • Indien: 130 Mio. neue KonsumentInnen • Verbrauch an Material, Energie, Wasser, Fläche, etc. wird weiter steigen SERI ES GEHT UM WAS ! 19 Energieverbrauch Entwicklung des Weltenergieverbrauchs (2006) Quelle: Internationale Energieagentur SERI ES GEHT UM WAS ! 20 Energieverbrauch Zusammensetzung des Weltenergieverbrauchs (2006) Quelle: Internationale Energieagentur SERI ES GEHT UM WAS ! 21 Ölproduktion: “Peak Oil” Oil production in a ‘deep historical perspective’ (millions of barrels per year) Quelle: Douthwaite, 2006 SERI ES GEHT UM WAS ! 22 Energieverbrauch: Verteilung Weltweiter Energieverbrauch pro Kopf (2005) Quelle: Internationale Energieagentur SERI ES GEHT UM WAS ! 23 Klimawandel • Verbrauch von fossiler Energie: vermehrte CO2 Konzentration in Atmosphäre: 280 ppm (Vostok Eiskern), derzeit 370 ppm (seit mind. 650.000 Jahren nicht so hoch wie heute) • Jetziges Niveau wurde 10-100 mal schneller erreicht als Anstiege in letzten 420.000 Jahren • Klimaänderung: Erwärmung (in den letzten 100 Jahren um 0,8°C) und weitere Folgen: Wetterextreme, Anstieg des Meeresspiegels, Rückgang der Schnee- und Eisbedeckung etc. SERI ES GEHT UM WAS ! 24 24 Klimawandel: Vostok Kurven Quelle: UNEP, 1999 SERI ES GEHT UM WAS ! 25 Klimaszenarien Klimaszenarien des International Panel on Climate Change (IPCC) Quelle: IPCC SERI ES GEHT UM WAS ! 26 Schwindende Gletscher Schwund des Sulzenau Ferner (Stubaier Alpen) Quelle: Gletscherbericht des Alpenvereins, 2009 SERI ES GEHT UM WAS ! 27 Ansteigende Meeresspiegel Szenarien für den Süden der USA 2 Meter 1 Meter 6 Meter 4 Meter SERI ES GEHT UM WAS ! 28 Landverbrauch und Biodiversität • 50% der Landoberfläche wurden durch menschliche Aktivitäten bereits verändert Änderungen für Klima, Bodenstruktur, Abnahme der Fruchtbarkeit, Biodiversität • Zwischen 1950 und 1980 wurde mehr Land in Ackerland umgewandelt als zw. 1700 und 1850 • Hälfte der Mangrovenwälder ist zerstört, mehr als 1/3 der Korallenriffe SERI ES GEHT UM WAS ! 29 Biodiversitätsverlust Rote Liste: • Österreich: 3.000 Tierarten (v.a. Insekten), 40% der Pflanzen (Bsp: 1900 3.000 Apfelsorten, heute noch 500) • Weltweit: 12.000 Arten (24% der Säugetiere, 12% aller Pflanzen, 12% der Vögel 42% der Reptilien, 30% der Fische, 16% der Nadelbäume) • Problem: Abholzung des tropischen Regenwaldes (17 von 25 Hot Spots sind in tropischen Regenwäldern) SERI ES GEHT UM WAS ! 30 Biodiversitätsverlust Quelle: WWF / Living Planet Report, 2008 SERI ES GEHT UM WAS ! 31 Globaler Wandel (Global change) • Vielzahl an tiefgreifenden Veränderungen, v.a. seit 1950er Jahren • Hauptursache: Wachstum (Bevölkerung, Wirtschaft, Konsum, Verbrauch an Rohstoffen, Energie, Wasser, Fläche, etc.) • Veränderungen nicht neu (Klimaänderungen, Verschiebung der Kontinente, Auftreten/Verschwinden von Arten) • Aber: sehr große Veränderungen in sehr kurzer Zeit keine ähnliche Entwicklung in der Geschichte der Erde SERI ES GEHT UM WAS ! 32 32 Fazit: jetzige Situation • Vom Menschen verursachte Veränderungen in der Natur: ebenso groß oder sogar größer als von natürlichen Kräften • Schneller als Veränderungen durch natürliche Schwankungen, Geschwindigkeit und ein Ausmaß wie nie zuvor in den letzten 500.000 Jahren der Erdgeschichte • Westl. Wohlstandsmodell (gilt heute für 1 Mrd. Menschen) kann nicht auf 9 Mrd. übertragen werden. Massive Auswirkungen für den Menschen (jetzt und zukünftige Generationen) • Forderung nach Entwicklung, die zukunftsfähig ist SERI ES GEHT UM WAS ! 33 Inhalt I. Ausschnitt aus dem Film: „The planet“ II. Nicht-nachhaltige Trends I. II. III. IV. Bevölkerung Wirtschaft Energieverbrauch & Klimawandel Biodiversität III. Geschichte der Nachhaltigkeit SERI ES GEHT UM WAS ! 34 Nachhaltigkeit – Forstwirtschaft I Hans Carl von Carlowitz: Sylvicultura oeconomica, oder Haußwirthliche Nachricht und Naturmäßige Anweisung zur Wilden Baumzucht. Leipzig 1713 … continuirliche, beständige und nachhaltende Nutzung … (zit in U.Grober 2002 – Zeitschrift “Natur und Kultur”) SERI ES GEHT UM WAS ! 35 Nachhaltigkeit – Forstwirtschaft II Nachhaltige Bewirtschaftung bedeutet, die Betreuung von Waldflächen und ihre Nutzung auf eine Weise und in einem Maß, dass sie ihre biologische Vielfalt, Produktivität, Verjüngungsfähigkeit und Vitalität behalten sowie ihre Fähigkeit, gegenwärtig und in Zukunft wichtige ökologische, wirtschaftliche und soziale Funktionen auf lokaler, nationaler und globaler Ebene zu erfüllen und dass anderen Ökosystemen kein Schaden zugefügt wird. (Wikipedia) SERI ES GEHT UM WAS ! 36 Literatur – Basislegung für NE • R.Carlson: The silent spring 1962 • K. Boulding: Spaceship earth 1966 • Meadows et al: Limits to growth 1972 SERI ES GEHT UM WAS ! 37 Institutionelle Basis Beginn der Umweltbewegung in den 1970er Jahren Gründung von NGOs, z.B. Global 2000 im August 1982 Einrichtung von Umweltministerien in Europa; Österreich: seit 1971 „Bundesministerin für Gesundheit und Umwelt“ SERI ES GEHT UM WAS ! 38 DIE Definition Brundtland-Kommission (WCED, 1987): Sustainable development is a development that “seeks to meet the needs of the present generation without compromizing the abilitiy of future generations to meet their own needs”. SERI ES GEHT UM WAS ! 39 Metaphorologie Deutschland/Österreich: Nachhaltigkeit: Verbrauch und Ersetzen (funktionierender vollwertiger Ersatz), Verbrauchen so, dass man ersetzen kann. Slowenien: Trajnost / ni razvoj: dauerhaft - Trajnostnost: Dauerhaftigkeit Frankreich: Durabilité: Dauerhaftigkeit England: Sustainability: Von unten stützen – die Entwicklung aufrecht erhalten Dänemark: Boeredygtighed: Tragfähigkeit (Brücke), im Wettstreit =dygtidhed; SERI ES GEHT UM WAS ! 40 Globale Prozesse • 1961: Regelung des Walfangs; Schutz der Antarktis • 1972: erste Weltumweltkonferenz in Stockholm • 1987: Brundtland-Bericht und Montreal-Protokoll zum Schutz der Ozonschicht • 1992: UN-Konferenz zu „Umwelt und Entwicklung (Rio de Janeiro) • 2000: UN-Millenniums-Ziele (Millenniumsgipfel) • 2002: Rio+ 10: WSSD Johannesburg • 2012: Rio+20 (Rio de Janeiro?) SERI ES GEHT UM WAS ! 41 Prozesse in Europa • 1997: EU-Vertrag von Amsterdam • Artikel 2: nachhaltige Entwicklung der ökonomischen Aktivitäten • Artikel 6: Integration der Umwelt in alle Politikbereiche • 2001: Göteborg: europäische Nachhaltigkeits-Strategie • 2006: überarbeitete Nachhaltigkeitsstrategie der EU (well-being und Lebensqualität) • 2010: Europe 2020: „A European strategy for smart, sustainable and inclusive growth”: Wissen und Innovation, grünes & ressourceneffizientes Wachstum, sozialer Zusammenhalt SERI ES GEHT UM WAS ! 42 Prozesse in Österreich • 1992 Nationaler Umweltplan • 2002 österreichische Nachhaltigkeitsstrategie • Seit: 2007 Indikatoren-basierte Umsetzungsberichte der Nachhaltigkeitsstrategie SERI ES GEHT UM WAS ! 43 Nachhaltigkeitsstrategie Ö 4 Handlungsfelder: • Lebensqualität in Österreich, • Österreich als dynamischer Wirtschaftsstandort, • Österreich als Lebensraum, • Österreichs Verantwortung Je Handlungsfeld: 5 Leitziele mit • Problembeschreibung, • Zielbeschreibung und Ansatzpunkten • Indikatoren zur Messung der Zielerreichung SERI ES GEHT UM WAS ! 44 NH-Indikatoren in Österreich Bericht von Statistik Austria & Lebensministerium Evaluierung der Umsetzung der Österreichischen NH Strategie (letzter Update: Juni 2009) SERI ES GEHT UM WAS ! 45 NH-Indikatoren in Österreich Auschnitt aus Bereich “Umwelt” SERI ES GEHT UM WAS ! 46 Bsp. THG-Emissionen SERI ES GEHT UM WAS ! 47 Fazit Ö-Bericht 2009 BIP + Einkommensunterschiede (Geschlecht und HH) + Lebenserwartung + Bildung + Kaufkraft ~ Body-Mass-Index Arbeitslosenquote + positiver Trend - negativer Trend Ressourcenverbrauch Flächenversiegelung Emissionen von GHG SERI ES GEHT UM WAS ! 48 Antworten zur 1. Vorlesungseinheit • SERI Welche sind die zentralen nicht-nachhaltigen Trends auf weltweiter Ebene? Bevölkerungszuwachs steigender Reichtum & steigender Konsum bei steigender Ungleichheit steigender Verbrauch von natürlichen Ressourcen zunehmender Druck auf die globalen Ökosysteme ES GEHT UM WAS ! 49 Antworten zur 1. Vorlesungseinheit • Welche sind die Hauptantriebskräfe („drivers“) hinter diesen nicht-nachhaltigen Trends? v.a. exponentielles Wirtschaftswachstum, aber auch Bevölkerungswachstum • Welche sind die wichtigsten Meilensteine in der Geschichte der Nachhaltigkeit? Begriff schon lange in Verwendung, aber erst seit Brundtland und Rio weltweit bekannt; viele Prozesse und Strategien: Erfolgsbilanz? SERI ES GEHT UM WAS ! 50 Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit! www.seri.at/BOKU [email protected] SERI ES GEHT UM WAS ! 51