Versuch 11 - sven.köppel.org

Werbung
Versuch 11:
Messungen am Transformator
Seite 1
_____________________________________________________________________________
Aufgaben:
Messung der Spannungs- und Stromübersetzung und der Leistungsabgabe
eines Transformators bei verschiedenen Windungszahlen in Abhängigkeit
von der Belastung; grafische Darstellung der gesuchten Größen
Messverfahren:
Strom- und Spannungsmessung mit Mehrfachinstrumenten, Phasenmessung mit Oszillograph
Vorkenntnisse:
Induktionsgesetz, Zeigerdarstellung von Wechselstromgrößen, Wechselstromleistung
Lehrinhalt:
Anwendung des Induktionsgesetzes auf die Kopplung elektrischer Kreise,
induktive Rückwirkung bei verschiedener Belastung; Zeigerdiagramm
und Ersatzschaltbild des idealen Transformators
Literatur:
K. KÜPFMÜLLER: Einführung in die theoretische Elektrotechnik
(Springer-Verlag); K. LUNZE: Berechnung elektrischer Stromkreise
(Hüthig Verlag); H. HOFMANN: Das elektromagnetische Feld (SpringerVerlag); BÖDEFELD/SEQUENZ: Elektrische Maschinen (Springer)
1. Einführung
Der magnetische Fluss Φ durch eine Fläche A ist das Produkt aus der die Fläche senkrecht
durchsetzenden magnetischen Flussdichte B und der Fläche:
r r
Φ= B⋅ A
(genauer : Φ = ∫ ∫A (BdA) ) .
Maßeinheit:
1 Wb ("Weber") = 1 T ("Tesla") @ 1 m2 = 1 Vs ' 1 m2 @ 1 m2 = 1 Vs
Die zeitliche Änderung des magnetischen Flusses ist verbunden mit einer "induzierten" elektrischen Spannung längs des Umfangs der betreffenden Fläche (Induktionsgesetz):
u=-
dΦ
dt
(mit u = ∫ ( E ind d r ) .
Das Minuszeichen bezieht sich hier auf ein Rechtsschraubensystem. Das Induktionsgesetz gilt
mit dem jeweiligen B unabhängig davon, ob der Raum mit Materie erfüllt ist oder nicht. Ändert
sich der magnetische Fluss durch eine Spule der Windungszahl n, so tritt an ihren Enden eine
Spannung auf vom Betrag
dΦ
u =n
.
dt
Beim Transformator sind zwei Spulen, zwischen denen keine leitende Verbindung besteht, entweder auf einem Eisenkern übereinander gewickelt oder auf verschiedenen Schenkeln eines geschlossenen Eisenkerns angebracht; die Kopplung erfolgt induktiv durch den im Eisenkern geführten magnetischen Fluss. Sieht man von Streuflüssen ab, die nicht zur Kopplung beitragen, so
gilt für die Beträge der Spannungen an den beiden Spulen (bzgl. der Vorzeichen siehe Anhang)
u1 = n1
dΦ
dt
,
u 2 = n2
dΦ
dt
mit ein und demselben magnetische Fluss Φ. Dieser rührt, wenn sekundär ein Strom fließt, von
I1 und I2 gemeinsam her.
Physikalisches Anfängerpraktikum 2 – ElektrizitätslehreInstitut für Angewandte Physik der Goethe-Universität Frankfurt am Main
Versuch 11:
Messungen am Transformator
Seite 2
_____________________________________________________________________________
2. Aufgaben
Die im folgenden angegebenen Messungen bzw. Auswertungen sind für zwei verschiedene
Windungszahlverhältnisse auszuführen:
a)
n1 = 500,
n2 = 1000
b)
1.)
Bestimmung der Leerlauf-Spannungsübersetzung in Abhängigkeit von der Primärspannung: U1/ U2o = f ( U1) (grafische Darstellung).
2.)
Bestimmung des Primärstroms als Funktion des Sekundärstroms bei fester Primärspannung: I1 = f ( I2) für U1 = 20 V (grafische Darstellung).
Erfassen Sie gleichzeitig die jeweilige Sekundärspannung für Aufgabe 3.
3.)
Bestimmung des Sekundärleistung als Funktion des Sekundärstroms bei fester Primärspannung: P2 = f ( I2) für U1 = 20 V und Vergleich mit dem Produkt U1 @ I1 (graphische
Darstellung).
4.)
Zusammenstellung der Kenndaten für U1 = 20 V: primärer Leerlaufstrom I1o, LeerlaufSpannungsübersetzung U1/U2o, Kurzschluss-Stromübersetzung I1K/I2K, maximale Sekundärleistung P2max .
5.)
Beschreiben Sie die Wirkungsweise des Transformators und begründen Sie qualitativ die
gefundenen Kurvenverläufe.
6.)
Man fertige eine graphische Darstellung
U 2 ⋅ n1 = f (I ) und
2
U 1 n2
n1 = 500,
n2 = 250.
I 2 n2
⋅
= f (I 2 )
I1 n1
für U1 = 20 V in einer Zeichnung an, jeweils für beide Windungszahlverhältnisse, und
gebe eine Deutung der Kurven.
7.)
Man messe oszillographisch die Phasenverschiebung zwischen U1 und I1 in Abhängigkeit von der Belastung des Trafos und diskutiere sie anhand der Formel für die Leistung
(zur Registrierung des Stromes kann dabei einfach die Spannung am Amperemeter benutzt werden). - Wegen der verzerrten Kurven ist die Messung allerdings nur qualitativ.
8.)
Beim Windungszahlverhältnis n1 = 500 / n2 = 250 ist an jeder Spule noch die zweite
Hälfte frei. Man untersuche und diskutiere die Spannung an dieser jeweils unbelasteten
Spulenhälfte primär und sekundär für verschiedene Belastungen des Transformators. Weisen Sie qualitativ den Streufluss mit Hilfe einer freien Spule und des Oszillographen
auf beiden Seiten des Trafos in Abhängigkeit von dem jeweiligen Strom nach.
9.)
Man überlege durch Vergleich mit den Messergebnissen, wo in etwa die Gültigkeitsgrenze der Näherung durch das im Anhang beschriebene ideale Transformatormodell
liegt.
10.)
Man diskutiere anhand der Daten der Messinstrumente, ob man statt der Schaltung nach
Abb. 1 die Spannungen auch jeweils auf der anderen Seite der Amperemeter messen
könnte.
Physikalisches Anfängerpraktikum 2 – ElektrizitätslehreInstitut für Angewandte Physik der Goethe-Universität Frankfurt am Main
Versuch 11:
Messungen am Transformator
Seite 3
_____________________________________________________________________________
3. Durchführung und Auswertung
I1
~
I2
S
R2
V
~
U1
U2
V
R1
A
A
Abb. 1
Schaltung für die Messungen am Transformator. Der nichtlineare Widerstand R1 ist so zu schalten, dass bei kleinen R-Werten, also großer Stromstärke nur das dicke Drahtende durchflossen
wird. Zur Benutzung der Spulen und zur Wahl der Instrumente siehe Gerätebeschreibung in der
Tischanleitung.
Man baue die Schaltung nach Abb. 1 für ein bestimmtes Verhältnis der Windungszahlen auf.
Bei Belastung (Schalter S "ein") können alle vier Größen U1, I1, U2, I2 gleichzeitig abgelesen
werden.
Zur Bestimmung der Leerlauf-Spannungsübersetzung werden bei offenem Schalter S die Spannung am Einbaunetzgerät von Null bis zum Maximalwert geregelt, U1 und U2o auf den Instrumenten abgelesen und das Verhältnis U1/U2o als Funktion von U1 graphisch dargestellt.
Für die übrigen Aufgaben wird die Primärspannung auf U1 = 20 V eingestellt und konstant
gehalten; wenn sie sich bei Belastungsänderung oder Messbereichsumschaltung der Instrumente
ändert, ist sie nachzuregeln, auch gelegentliche Netzspannungsschwankungen sind auszugleichen. Der Sekundärstrom wird mit den Schiebewiderständen R1 und R2 eingestellt. Man nehme
in einem Arbeitsgang bei festem U1 = 20V I1 und U2 als Funktion von I2 auf. Aus diesen Daten
fertige man je eine grafische Darstellung zu den Aufgaben 2.) und 3.) an.
Anschließend stellt man durch Umstecken der Spulenanschlüsse unter Benutzung der Mittelanzapfungen das andere Verhältnis der Windungszahlen her und führt damit die Messungen noch
einmal aus. Man trage die entsprechenden Kurven für die beiden verschiedenen Windungszahlverhältnisse jeweils in eine gemeinsame Zeichnung ein, so weit erforderlich in verschiedenen
Maßstäben.
Unter Benutzung der im Vorangehenden gewonnenen Werte stelle man dann die in Aufgabe 4.)
angegebenen Kenndaten des untersuchten Transformators für beide Windungszahlverhältnisse in
einer Tabelle zusammen.
4. Fehlerbetrachtung
Man überlege unter Bezugnahme auf die beiliegende Gerätekurzbeschreibung, ob hier die zufälligen oder die systematischen Fehler überwiegen. - Man gebe die Messunsicherheit der EinzelPhysikalisches Anfängerpraktikum 2 – ElektrizitätslehreInstitut für Angewandte Physik der Goethe-Universität Frankfurt am Main
Versuch 11:
Messungen am Transformator
Seite 4
_____________________________________________________________________________
messungen und die Unsicherheit der Leerlauf-Spannungsübersetzung und der berechneten Leistung an; diese Unsicherheiten sind als Fehlerbalken an einigen Stellen in die Zeichnungen einzutragen. Für die Messunsicherheit der Sekundärleistung P2 gilt z.B. (rel. Fehler eines Potenzproduktes)
∆
∆ 
∆ P2 =  U 2 + I 2  ⋅ P2
,
I2 
 U2
entsprechende Fehlerausdrücke gelten auch für alle anderen Produkte bzw. Quotienten.
5. Anhang
5.1 Vorzeichenfragen
Für das Vorzeichen der induzierten Spannung an einer Spule gilt bei verschiedener relativer Orientierung der Zählpfeile von Spannung und magnetischem Fluss (die Zählpfeile kennzeichnen
nur die Bezugsrichtungen längs der Schaltelemente, sie stellen nicht die physikalischen Größen
selbst dar):
Abb. 2
Vorzeichen im Induktionsgesetz für eine rechtsgewickelte Spule bei verschiedener relativer Orientierung der Zählpfeile für Spannung und magr
netischen Fluss (das Vorzeichen von Φ entspricht dem von B ).
Dabei wurde eine rechtsgewickelte Spule angenommen; bei Umkehr des Wicklungssinnes ist in
beiden Formeln das Vorzeichen zu ändern. - Gehen wir einmal vom veränderlichen Fluss aus, so
treibt das von diesem induzierte horizontale elektrische Ringfeld die Leitungselektronen im
Draht an die Drahtenden, bis das Drahtinnere feldfrei ist (Influenz bei langsam veränderlichen
Vorgängen). Die Längsspannung zwischen den Buchsen einer Spule ist dann physikalisch die
von dieser Influenzladung herrührende Potentialdifferenz. So erklären sich auch die Vorzeichen
der Spannung bei verschiedenem Wicklungssinn.
5.2 Idealer Transformator
Als einfachstes Modell eines Transformators nahmen wir folgende Idealisierungen an: Ohmsche
Widerstände der Spulen vernachlässigbar, kein magnetisches Streufeld, magnetische Permeabilität des Eisens konstant (d.h. keine Hysterese), elektrische Leitfähigkeit des Eisenkernes gleich
Null (d.h. keine Wirbelströme). Zur Rechnung legen wir das in Abb. 3 angegebene Zählpfeilsystem zugrunde.
Physikalisches Anfängerpraktikum 2 – ElektrizitätslehreInstitut für Angewandte Physik der Goethe-Universität Frankfurt am Main
Versuch 11:
Messungen am Transformator
Seite 5
_____________________________________________________________________________
Dann gilt:
u1 = + n1
Abb. 3
dΦ
,
dt
u 2 = - n2
dΦ
dt
Idealer Transformator mit dem hier bei der Rechnung benutzten Zählpfeilsystem für U, I, Φ. Beide Spulen (Windungszahlen n1 bzw. n2) als
Rechtswicklung angenommen.
mit ein und demselben durchgehenden und in durchgehendem Umlaufsinn gezählten magnetischen Fluss Φ. Mit u1 liegt auch Φ fest. Daher folgt sofort aus dem Induktionsgesetz
u1
n
=- 1 .
u2
n2
Beim idealen Transformator verhalten sich also die Spannungen betragsmäßig wie die Windungszahlen, gänzlich unabhängig von der Belastung.
Wir benutzen im folgenden die komplexe Schreibweise:
U 1 = + j ω n1 Φ , U 2 = - j ω n2 Φ ,
U1
n
=- 1 .
U2
n2
Leerlauf (I2 = 0):
Primärer Leerlaufstrom
I 10 =
1
jω L 1
U1
(der den Fluss Φ erzeugende Magnetisierungsstrom, L1 = Induktivität der Primärseite) wie an
einzelner Spule gegenüber U1 um π/2 nacheilend (keine induktive Rückwirkung der Sekundärseite). Phasenverschiebung U2 gegenüber U1 nach obigem gleich π (vergleiche Abb. 4).
Belastung (I2 > 0):
Bei unverändertem U2 fließt jetzt der Sekundärstrom I2 = U2/R, bei ohmscher Belastung in Phase
mit U2. Mit I2 ist ein magnetischer Fluss Φ2 verbunden. Nach dem Induktionsgesetz auf der Primärseite bleibt jedoch wegen U1 = konst. der resultierende Fluss Φ unverändert. Beim Einschalten der Belastung nimmt der Transformator deshalb primärseitig zusätzlich zum Magnetisierungsstrom I1o einen Zusatzstrom I1z auf, dessen Fluss Φ1z den Sekundärfluss Φ2 nach AmplituPhysikalisches Anfängerpraktikum 2 – ElektrizitätslehreInstitut für Angewandte Physik der Goethe-Universität Frankfurt am Main
Versuch 11:
Messungen am Transformator
Seite 6
_____________________________________________________________________________
de und Phase gerade kompensiert: Φ1z = - Φ2. Die Spannungsquelle regelt nämlich U1 durch
zusätzliches Einspeisen von I1z wieder auf seinen vorgegebenen Wert nach und kompensiert
damit die Auswirkung von Φ2 , also die induktive Rückwirkung des Sekundärstromes auf die
Spannung an der Primärspule. Wegen Φ1z ~ n1 I1z , Φ2 ~ n2 I2 und Φ1z = - Φ2 ist
Primärer Zusatzstrom und Sekundärstrom verhalten sich also betragsmäßig umgekehrt wie die
Windungszahlen, unabhängig von der Belastung.
I 1z = -
n2
I2 .
n1
Abb.4
Zeigerdiagramm des idealen Transformators bei ohmscher Belastung
(n2 = 2n1 ). Erklärung der Größen
im Text.
Für den resultierenden Primärstrom gilt dann
2
 n2  2
Î 1 = Î +   Î 2 ,
 n1 
und zwischen den Flussanteilen gelten die Beziehungen
I1 = I1o + I1z ,
M1 = M + M1z ,
2
1o
M = M1 + M2 .
In Abb. 4 ist das zugehörige Zeigerdiagramm wiedergegeben. Man sieht sofort, dass bei ohmscher Belastung die Phasenverschiebung n1 zwischen Primärstrom und -spannung kleiner B/2
wird.
Physikalisches Anfängerpraktikum 2 – ElektrizitätslehreInstitut für Angewandte Physik der Goethe-Universität Frankfurt am Main
Versuch 11:
Messungen am Transformator
Seite 7
_____________________________________________________________________________
Formelzusammenstellung
U 1 = konst . ,
U2= -
I 1z = -
n2
I2 ,
n1
Φ1o =
U1
L
= 1 I 1o ,
j ω n1 n1
n2
U1
n1
,
I 1o =
U1
jω L1
,
I2=
U2
R
I 1 = I 1o + I 1z
Φ2 =
Φ1z = - Φ 2 ,
L2
I2
n2
Φ = Φ1 + Φ 2 = Φ1o
5.3 Ersatzschaltbild des idealen Transformators
Wegen (ü = n1 / n2)
I2=
U2
U
=- 1
R
üR
ist
I 1 = I 1o + I 1 z = I 1o -
 1
1
1 
+ 2  U 1 .
I 2 = 
ü
 j ω L1 ü R 
Die Stromaufnahme des Transformators kann primärseitig also durch folgendes einfache Ersatzschaltbild mit rein galvanischer Kopplung dargestellt werden:
I 1z = −
I1
1
I2
ü
I1o
U1
Abb. 5
L1
üU2
ü 2R
Primärseitiges Ersatzschaltbild des idealen Transformators mit Belastungswiderstand R. L1 hier Induktivität der Primärseite ohne Berücksichtigung des Streuflusses (sog. Hauptinduktivität); die Bedeutung der übrigen Bezeichnungen siehe
im Text.
Man erkennt, dass der Belastungswiderstand R mit dem Faktor ü2 auf die Primärseite parallel zur
Primärinduktivität transformiert erscheint; für TL1 >> ü2R stellt der mit R belastete Transformator deshalb praktisch einen an die Spannungsquelle geschalteten Widerstand der Größe ü2R dar
(allerdings nur für ü2R >> T(L1(s) + ü2L2(s) ), s. Abschnitt 5.4). Die Betrachtungen gelten entsprechend für komplexe Belastung Z. - Dieses Ersatzschaltbild mit normalen Leitungsverbindungen
verhält sich bzgl. Strömen und Spannungen unter Berücksichtigung der angegebenen Umrechnungen genauso wie der flussgekoppelte ideale Transformator ohne leitende Verbindung zwischen Primär- und Sekundärseite.
Physikalisches Anfängerpraktikum 2 – ElektrizitätslehreInstitut für Angewandte Physik der Goethe-Universität Frankfurt am Main
Versuch 11:
Messungen am Transformator
Seite 8
_____________________________________________________________________________
5.4 Realer Transformator
Das Modell des im vorangehenden behandelten idealen Transformators ist wegen der Vernachlässigung der Streufelder eigentlich unphysikalisch und tatsächlich nur bei kleiner Belastung
anwendbar; bei größeren Strömen ergeben sich grundsätzliche Abweichungen vom wirklichen
Verhalten. Der ideale Transformator ist gleichsam das erste Glied einer "Reihenentwicklung
nach Modellen" zur Beschreibung der tatsächlichen Transformatoreigenschaften. Im Folgenden
sei deshalb noch kurz der Übergang zum realen Transformator (noch ohne Berücksichtigung von
Hysterese und Wirbelströmen) skizziert.
Wir führen die ohmschen Widerstände der Transformatorspulen als Widerstände in der Primärund der Sekundärleitung ein. Wir berücksichtigen ferner die magnetischen Streuflüsse, die jeweils, einen Teil ihres Weges in der Luft verlaufend, nur mit einer Spule verbunden sind und
demnach nicht zur magnetischen Kopplung beitragen, indem wir die ihnen entsprechenden Induktivitätsanteile ("Streuinduktivitäten") in die Leitungen außerhalb des Trafos einsetzen. Von
Hysterese und Wirbelströmen wollen wir weiterhin absehen. Damit erhalten wir das in Abb. 6
wiedergegebene Prinzipschaltbild (Funktionsbild) des realen Transformators.
R
Idealer Trafo
Abb. 6 Prinzipschaltbild des realen Transformators mit Belastungswiderstand R, ohne
Berücksichtigung von Hysterese und Wirbelströmen. R1(i), R2(i) ohmsche Innenwiderstände der Spulen, L1(s), L2(s) Streuinduktivitäten auf Primär- und Sekundärseite. Im Zentrum nach wie vor der nur Hauptflüsse führende ideale Trafo mit
den Spannungen U1(i), U2(i).
Insbesondere ist beim realen Transformator am inneren idealen Modelltrafo definitionsgemäß
nach wie vor U2(i) = - n2/n1 @ U1(i), aber wegen der Spannungsabfälle an Vorlast und Nachlast
durch die ohmschen Innenwiderstände und die Streuinduktivitäten sind die Spannungen an den
äußeren Anschlüssen U1 > U1(i), U2 < U2(i), abhängig von der Belastung. Nach wie vor ist I1z =
- n2/n1 @ I2, I1= I1o + I1z, aber der Magnetisierungsstrom I1o (jetzt besser Im) nicht mehr gleich dem
primären Leerlaufstrom wegen des belastungsabhängigen Spannungsabfalls an der Vorlast.
Im sekundären Kurzschluss wird der Strom durch die ohmschen Innenwiderstände und die
Streuinduktivitäten begrenzt; die primäre Phasenverschiebung von fast 900 dabei zeigt, dass
dann sogar die beim idealen Modelltrafo vernachlässigten Streuinduktivitäten die entscheidende
Rolle zur Strombegrenzung spielen. Physikalisch wächst dann der Sekundärstrom soweit an, bis
sein Streufluss den (durch den Spannungsabfall an der Vorlast selbst verminderten) primären
Magnetisierungshauptfluss aus der Sekundärspule nach außen verdrängt. – Der POYNTINGvekr r
tor ExH , der im Sinn der Elektrodynamik die Energieflussdichte von der Primär- zur Sekundärseite repräsentiert, wird im Raum zwischen den Jochen nach zeitlicher Phasenlage und räumliPhysikalisches Anfängerpraktikum 2 – ElektrizitätslehreInstitut für Angewandte Physik der Goethe-Universität Frankfurt am Main
Versuch 11:
Messungen am Transformator
Seite 9
_____________________________________________________________________________
cher Orientierung von dem vom veränderlichen Magnetisierungshauptfluss induzierten elektrischen Ringfeld um das Joch und dem H-Streufeld des primären Zusatzstromes bzw. des Sekundärstromes gebildet. Die Energieübertragung erfolgt danach also nicht im Eisen. Auch daran
erkennt man wieder, dass die Streufelder für eine echte physikalische Beschreibung des Transformators unerlässlich sind. - Die magnetischen Flussanteile unseres realen Transformatormodells stimmen mit den wirklichen Flüssen umso besser überein, je mehr alle zu einem Hauptfluss beitragenden Induktionslinien durch alle Windungen beider Spulen, und alle zu einem
Streufluss beitragenden Feldlinien nur durch eine Spule, hier aber wieder durch alle Windungen
derselben hindurchgehen.
Das flussgekoppelte Prinzipschaltbild der Abb. 6 ist zu unterscheiden von dem technischen, galvanisch gekoppelten Ersatzschaltbild nach Art der Abb. 5. Durch entsprechende Ergänzungen
der Abb. 5 (Einfügen der Innenwiderstände und Streuinduktivitäten in die Leitungen, auf der
Sekundärseite beide mit dem Faktor ü2) erhält man das technische Ersatzschaltbild des realen
Transformators, das das Betriebsverhalten des realen Transformators mit experimentell bestimmbaren Induktivitätskoeffizienten beschreibt. Dies ermöglicht eine Behandlung des Transformators mit den bekannten Verfahren der Netzwerksberechnung und die Konstruktion des
zugehörigen Zeigerdiagramms. - Auch Wirbelströme im Eisenkern einer Spule können als Sekundärstrom eines Transformators beschrieben werden.
5.5 Transformatorgleichungen
Während die im vorstehenden gegebene Darstellung von den Flüssen ausging und von daher ein
physikalisches Verständnis des Transformators ermöglicht, wird in der Praxis oft ein mehr formaler Ansatz benutzt.
Eine für die rechnerische Behandlung besonders geeignete Form der Gleichungen des realen
Transformators in komplexer Schreibweise erhält man unter Benutzung der Selbstinduktivitäten
L1 , L2 und der gegenseitigen Induktivität M der Spulen (Zählpfeile wie in Abb. 1):
U1 = (R1(i) + j T L1 ) I1
0
=
j T M I1
+
+
j T M I2 ,
(R2(i) + Z + j T L2 ) I2 .
In L1 und L2 sind jetzt die Streuinduktivitäten enthalten: L1,2 = L1,2(h) + L1,2(s), L1,2(h) jeweilige
zur Flusskopplung mit der anderen Spule beitragende Hauptinduktivitäten, L1,2(s) jeweilige nur
mit der betreffenden Spule selbst verbundene Streuinduktivitäten, Gegeninduktivität
M = L1( h ) ⋅ L(2h ) . R1(i) und R2(i) sind die ohmschen Innenwiderstände der Spulen, Z der (im
allgemeinen komplexe) Belastungswiderstand. Das Gleichungssystem kann nach den beiden
Unbekannten I1 und I2 aufgelöst und so auch U2 = I2 Z berechnet werden. - Auch zu dieser Darstellung kann man ein technisches Ersatzschaltbild und ein Zeigerdiagramm angeben.
Physikalisches Anfängerpraktikum 2 – ElektrizitätslehreInstitut für Angewandte Physik der Goethe-Universität Frankfurt am Main
Herunterladen