Übersicht - Arznei

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arznei-telegramm 3/92
Übersicht
SICHERHEIT UND KOSTEN –
RATIONALER EINSATZ
NICHTIONISCHER KONTRASTMITTEL
#4
Intravasal zu verabreichende wasserlösliche Kontrastmittel finden hauptsächlich bei venösen und arteriellen Angiographien, Urographien, Cholezystographien und
zunehmend auch bei der Computertomographie Verwendung. In Deutschland verursachen Kontrastmittel jährlich
Kosten von mehr als 600 Mio DM, wovon bereits 60 bis
80% auf die neuen nichtionischen Substanzen entfallen.
Gegenüber den konventionellen ionischen Kontrastmitteln
sind nichtionische hierzulande um das 3- bis 6fache teurer, in den USA um das 13- bis 25fache. Die nichtionischen Kontrastmittel dürften bei uns eine Kostensteigerung um mehrere 100 Mio DM, in den USA um etwa
1 Mrd. Dollar pro Jahr verursacht haben.1 Dies wirft die
Frage auf, ob unter Berücksichtigung von Sicherheitsinteressen für den Patienten durch gezielten Einsatz der
neuen Kontrastmittel Kosten eingespart werden können.
Zur vergleichenden Beurteilung der Häufigkeit
von Kontrastmittelreaktionen werden pragmatisch vier
Schweregrade unterschieden:2,3
• leichte Reaktionen (Lokalreaktionen, leichter lokaler
Schmerz, kurzes Hitzegefühl, Kopfschmerz, Geschmacksstörungen, Angstgefühl, Speichelfluß, Brechreiz, Niesen, Hüsteln u.a.), die keiner therapeutischen
Intervention bedürfen,
• mittelschwere Reaktionen (Schwindelgefühl, Erbrechen, Blässe, Schweißausbruch, Urtikaria, passagerer
Blutdruckabfall und Anstieg von Puls- und Atemfrequenz), die sich durch symptomatische Maßnahmen
und ggf. kurzfristige Volumengabe und Sauerstoff beherrschen lassen,
• schwere Reaktionen (Kreislaufkollaps, Dyspnoe,
Broncho- und Laryngospasmus, Larynxödem, spontaner Urin- und Stuhlabgang, anaphylaktoider Schock mit
Oligurie/Anurie, Atem- und Kreislaufstillstand), die eine
stationäre und meist intensivmedizinische Behandlung
erfordern,
• Reaktionen mit tödlichem Ausgang.
Die konventionellen ionischen Kontrastmittel sind,
abhängig von der Jodkonzentration, stark hyperton. Der
hohe osmotische Druck (hohe Osmolalität) ionischer Diagnostika wird für einen Teil der auftretenden leichten bis
mittelschweren Störeffekte verantwortlich gemacht (vgl. a-t
1 [1988], 4). Unterschiede in der Häufigkeit von Störeffekten einzelner Kontrastmittel sind um so schwerer nachzuweisen, je seltener sie auftreten. Um bei der derzeit zu
erwartenden Häufigkeit tödlicher Kontrastmittelreaktionen
unter nichtionischen Mitteln eine Minderung auf beispielsweise 20% im Vergleich zu den ionischen statistisch signifikant nachweisen zu können, wären etwa 0,5 bis
2 Millionen Anwendungskontrollen nötig, für den Beleg einer Reduktion auf lediglich 50% gar 1,6 bis 6 Millionen.1
Zum Vergleich der Verträglichkeit ionischer und nichtionischer Kontrastmittel werden deshalb oft Hilfsparameter
herangezogen und einzelne Organsysteme getrennt betrachtet.
KARDIOVASKULÄRE VERTRÄGLICHKEIT: Puls
und enddiastolischer Druck im linken Ventrikel steigen
durch nichtionische Kontrastmittel bei Ventrikulographien
weniger an als bei Verwendung von ionischen. Der systolische Druck fällt geringer ab. Die negativen Einflüsse auf
Kontraktilität und diastolische Relaxation des linken Ventrikels sind bei den ionischen Kontrastmitteln vergleichbar
oder ausgeprägter.4,5 Ein koronardilatatorischer Effekt mit
Zunahme der Durchblutung scheint koronarangiographisch bei ionischen Kontrastmitteln deutlicher hervorzutreten, läßt sich aber auch bei nahezu plasmaisotonen
nichtionischen Kontrastmitteln noch deutlich nachweisen.6
Anstieg des Pulses und Abfall des Aortendrucks sind unter
den Kontrastmitteln mit geringerer Osmolalität nur graduell
vermindert.5,6 Diese hämodynamischen Veränderungen
lassen sich nur über wenige Minuten nachweisen, so daß
die klinische Relevanz der Unterschiede unklar bleibt. Klinische Symptome brauchen unter den ionischen Mitteln
nicht häufiger zu sein.5
Ventrikuläre Extrasystolen scheinen unter nichtionischen Kontrastmitteln kurzfristig deutlicher zuzunehmen
als unter ionischen.5 Schwerwiegende ventrikuläre
Rhythmusstörungen (Kammertachykardien, Kammerflimmern treten bei Kontrastuntersuchungen nahezu ausschließlich im Rahmen von Koronarographien auf (um 1%)
und sollen in erster Linie durch die Katheterisierung bedingt sein.7Signifikante Häufigkeitsunterschiede zwischen
den verschiedenen Kontrastmitteln sind bisher nicht belegt. Häufungen ergeben sich in Vergleichsstudien tendenziell sowohl für die nichtionischen7,8 als auch für die
ionischen Diagnostika.9
In einer kleineren randomisierten Vergleichsstudie
sind bei Koronarographien unter ionischen Kontrastmitteln
häufiger Veränderungen von Hämodynamik und EKG beschrieben.10 In zwei Doppelblindstudien mit mehr als je
1.000 Patienten treten behandlungsbedürftige Bradykardien und Hypotonien jedoch gleich häufig auf.8,9
RENALE STÖREFFEKTE: Vergleichsstudien zur
Häufigkeit von Kontrastmittel-Nephropathien unter ionischen und nichtionischen Präparaten kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion steigt nach Koronarographien
mit ionischen Mitteln das Kreatinin signifikant häufiger
stärker an als unter nichtionischen. Die Häufigkeit akuten
Nierenversagens nimmt jedoch nicht signifikant zu.11 Auch
Patienten mit vorbestehender Nierenfunktionsstörung gehen nach einer anderen Vergleichsstudie unter ionischen
Kontrastmitteln kein höheres Risiko akuten Nierenversagens ein.12 Mit passagerem Kreatininanstieg um mehr als
25% des Ausgangswertes ist bei Personen mit leichter
Funktionseinschränkung nach intravenöser Gabe ionischer Kontrastmittel (Kontrastmittel-CT's) häufiger zu
rechnen. Wie bei Verwendung nichtionischer Mittel sind
die Kreatininanstiege jedoch immer reversibel, klinisch
unbedeutend und bedürfen auch bei Patienten mit Diabetes mellitus keiner therapeutischen Intervention.13
Bei normaler Nierenfunktion erweisen sich Koronarographien mit ionischen Diagnostika so sicher wie mit
nichtionischen. Risikopatienten (z.B. Herzinsuffizienz, Diabetes) sind zwar insgesamt mehr gefährdet, Kreatininanstiege jedoch auch bei diesen unter beiden Kontrastmitteltypen gleich häufig.14
GLOBALE VERTRÄGLICHKEIT: Zur globalen Verträglichkeit ionischer und nichtionischer Kontrastmittel liegen mehrere große Beobachtungsstudien vor. Bei mehr
als 50.000 intravenösen Kontrastmitteluntersuchungen mit
einem nichtionischen Kontrastmittel sind Reaktionen in einer Häufigkeit von 2,1% dokumentiert. Nur 0,01% verliefen schwer. Bei Patienten mit Risikofaktoren kommt es
unwesentlich häufiger zu Störwirkungen. Diese Ergebnisse sind deutlich günstiger als historische Vergleichswerte für ionische Kontrastmittel.15 In einer nicht-randomisierten Vergleichsstudie liegt die Rate von Störeffekten
nach i.v.-Gabe eines nichtionischen Kontrastmittels mit
0,5% etwa 10fach niedriger als unter ionischen. Bei den
schwereren Reaktionen finden sich keine Unterschiede.16
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