Echokardiographie bei angeborenen Herzfehlern

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Kompetenznetz Angeborene Herzfehler
© 2006
Schattauer GmbH
Echokardiographie bei angeborenen
Herzfehlern
A. Rentzsch1, P. Böttler2, M. Vogel3, H. Abdul-Khaliq1
Deutsches Herzzentrum Berlin, Klinik für angeborene Herzfehler/Kinderkardiologie, Berlin (Leiter:
Prof. Dr. Felix Berger), 2 Universitätsklinikum Freiburg, Abteilung für Pädiatrische Kardiologie/Angeborene Herzfehler, Freiburg (komm. Leiter: Prof. Dr. Sven Dittrich), 3 Deutsches Herzzentrum München, Klinik für Kinderkardiologie und angeborene Herzfehler München (Leiter: Prof. Dr. John Hess)
1
Schlüsselwörter
Echokardiographie, Gewebedoppler-Echokardiographie,
Strain, Strain Rate, Myokard
Zusammenfassung
Die echokardiografische Untersuchung bei Patienten mit
angeborenem Herzfehler gestaltet sich besonders hinsichtlich der Beurteilung des rechten Ventrikels auf Grund dessen komplexer Geometrie schwierig. Klinisch zuverlässige
Parameter zur Quantifizierung rechtsventrikulärer Dysfunktion fehlen. Die Standardisierung von Aufnahme und Auswertung echokardiografischer Daten mit der Erstellung von
Normalwerten ist ein Ziel des Kompetenznetzes Angeborene Herzfehler. Insbesondere neue Techniken, wie Gewebedoppler-Echokardiographie und Strain/Strain Rate Imaging sollen Anwendung finden und für die zuverlässige
Nutzung in der klinischen Routine standardisiert werden.
Eine Vielzahl an Studien erbrachte bereits ermutigende Ergebnisse in der Anwendung dieser Methoden bei Patienten
mit angeborenem Herzfehler.
J
ugendliche und Erwachsene mit angeborenem Herzfehler sind eine Patientengruppe mit stetig steigender Prävalenz. Sie benötigen eine lebenslange Begleitung sowohl durch spezialisierte Zentren als
auch durch niedergelassene Kardiologen.(1)
Die Echokardiographie bei Patienten mit
angeborenen Herzfehlern gehört neben
EKG, Spiroergometrie, Magnetresonanztomographie und Fragebögen zur subjektiven
Belastbarkeit (SF-36, KINDL) zu den klinischen Standardmethoden zur Routinebetreuung von Patienten mit angeborenen
Herzfehlern aller Altersgruppen. Sie stellt
bei dieser Patientengruppe spezielle Anforderungen an den Untersucher, da die komplexe Anatomie insbesondere des rechten
Ventrikels oftmals nur unzureichend dargeMed Welt 4/2006
Keywords
Echocardiography, Tissue Doppler Echocardiography (TDE),
strain, strain rate, myocardium
Summary
Echocardiography in patients with congenital heart disease
remains difficult due to the complex right ventricular geometry. Clinically approved parameters for the quantification of right ventricular dysfunction are lacking. The standardisation of the acquisition and analysis of echocardiographic data in numerous patients and the determination
of normal values have to be achieved. Particularly new
techniques like Tissue Doppler Imaging and Strain/Strain
Rate provides a new approach to non-invasive assessment
of myocardial function and could be implemented into
clinical practice. Encouraging results have been obtained in
patients with congenital heart disease.
Echocardiography in congenital heart disease
Med Welt 2006: 57: 176–9
stellt werden kann. Darüber hinaus ist die
Nutzung echokardiografischer Techniken
sehr untersucherabhängig.
Schwerpunkt des Querschnittsprojekts
Echokardiographie im Kompetenznetz Angeborene Herzfehler ist es daher zunächst,
eine Standardisierung sowohl der Aufnahmetechniken als auch der Auswertungsmodalitäten zu erreichen. So ist es möglich,
anhand einer großen Anzahl von Patienten
zuverlässig altersbezogene Normwerte für
die echokardiographische Beurteilung des
rechten Ventrikels zu erstellen. Darauf folgend sollen anhand der in den Hauptprojekten des Kompetenznetzes eingeschlossenen
Patienten diagnosebezogen echokardiographische Parameter isoliert werden, mit denen zuverlässig der natürliche, postoperative/-interventionelle Verlauf dargestellt wer-
den kann und z. B. Therapieentscheidungen
getroffen werden können.
Da die Wandbewegungsanalyse mittels
herkömmlicher echokardiographischer Parameter (B-Mode, M-Mode, PW/CWDoppler, Farbdoppler) lediglich visuell und
damit semiquantitativ bleibt, sowie keine
verlässliche Quantifizierung regionaler
myokardialer Dysfunktion möglich ist,
scheint der Einsatz neuer Techniken wie der
Gewebedoppler-Echokardiographie viel
versprechend zu sein. Mit der Entwicklung
der
Gewebedoppler-Echokardiographie
und der Berechnung von Strain- und StrainRate-Werten ist eine neue nichtinvasive Beurteilung der regionalen Myokardfunktion
möglich geworden. Aus den Gewebedopplerdaten lassen sich Informationen über die
regionale und globale rechtsventrikuläre
Funktion unabhängig von der komplexen
Morphologie des jeweiligen Ventrikels gewinnen (2). Erfahrungen mit der breiten klinischen Anwendung dieser Methode liegen
jedoch noch nicht vor und sollen daher im
Rahmen des Kompetenznetzes Angeborene
Herzfehler gewonnen werden.
Die echokardiografisch erhobenen Daten sind auch Bestandteil des Basisdatensatzes aller klinischen multizentrischen Studien des Kompetenznetzes Angeborene Herzfehler (Abb. 1). Gegenstand der fünf Hauptstudien des Netzes sind die Nachlast des
rechten Ventrikels (Pulmonalarterienstenose und pulmonale Hypertension), die kombinierte Druck- und/oder Volumenbelastung bei Patienten nach operativer Korrektur einer Fallot'schen Tetralogie und die Diagnose und Therapie einer rechtsventrikulären Myokardinsuffizienz. Dabei werden zunächst Jugendliche und Erwachsene untersucht – in Zukunft auch Kinder und Säuglinge.
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Echokardiographie
Von den Patienten, die in die Hauptprojekte des Kompetenznetzes Angeborene
Herzfehler eingeschlossen sind, werden
standardisiert konventionelle Echokardiographieuntersuchungen (2D, PW/CW- und
Farbdoppler) sowie Gewebedopplerdatensätze als Teil des Basisdatensatzes jedes Patienten aufgenommen und pseudonymisiert
ausgewertet. Dadurch werden standardisierte und qualitätssichernde Daten sowohl für
die Hauptprojekte als auch für eigene Querschnittsstudien geschaffen (Abb. 1). Der gesamte Datensatz steht zentral gespeichert
neuen Studien zur Verfügung und kann als
Ausgangswert für vergleichende Untersuchung der selben Patienten dienen. Im
Rahmen der integrierten Patientenversorgung soll dieses Konzept der zentralen Speicherung standardisierter Parameter unterschiedlicher Methoden in die Routinebetreuung von Patienten mit angeborenen
Herzfehlern aller Altersklassen durch Spezialisten in Klinik und Niederlassung durch
lebenslange patientenbezogene Speicherung übertragen werden.
Gewebedoppler-Echokardiographie
Die Echokardiographie hat als nichtinvasive
Untersuchungsmethode die Diagnostik angeborener Herzfehler wesentlich erleichtert
und verbessert. Ohne Strahlenbelastung
werden pathologische Veränderungen
schnell nachgewiesen oder ausgeschlossen.
Daher kann die Untersuchung zur Verlaufskontrolle beliebig oft wiederholt werden.
Sie ist einfach, preisgünstig, transportabel
und gibt Informationen über die Morphologie des Myokards (Wanddicke, Herzhöhlen,
Klappen) und die Funktion der Herzklappen. Mit Hilfe der Dopplerechokardiographie können Blutflüsse innerhalb des Herzens und der großen Gefäße dargestellt werden.
Eine quantitative Wandbewegungsanalyse ist mit der herkömmlichen Echokardiographie nicht möglich. Die Messung der
Geschwindigkeit des Myokards mittels Gewebedoppler-Echokardiographie (Tissue
Doppler Imaging, TDI) stellt einen neuen
Abb. 1
Horizontales Forschungsnetz: Die im Basisdatensatz im Rahmen verschiedener Forschungsprojekte
abgelegten standardisierten Daten werden zentral
gespeichert und stehen
u. a. neuen Projekten
oder zum Erstellen von
Leitlinien zur Verfügung.
Ansatz der quantitativen Myokard-Funktionsanalyse dar. Erste Veröffentlichungen
von McDicken und Sutherland aus dem Jahr
1992 führten zur Wiederbelebung des Gedankens einer Funktionsbeurteilung der
Myokardwand durch Dopplermessungen (3).
Basierend auf den Prinzipien des Farb- bzw.
PW-Spektraldopplers werden durch veränderte Filtereinstellungen hochfrequente
Blutsignale unterdrückt und niederfrequente
Signale aus den Bewegungen des Myokards
hervorgehoben. Die zeitliche Auflösung liegt
heute bei 200–350 Bildern pro Sekunde.
Strain und Strain Rate
Durch eine spezielle Anwendung des Dopplerverfahrens am Herzen ist es möglich, die
örtliche Deformierung einer Myokardregion darzustellen und zu quantifizieren.
Strain ist definiert als Grad der Deformierung eines Objekts bezüglich seiner ursprünglichen Größe. Bei eindimensionalen
Objekten ist die einzig mögliche Deformierung als Verlängerung bzw. Verkürzung einer Strecke zwischen zwei benachbarten
Punkten im Raum anzusehen (4). Als Strain
Rate bezeichnet man die zeitliche Veränderung, mit der die Deformierung stattfindet,
sie ist äquivalent zur Verkürzungsgeschwindigkeit pro Faserlänge (Abb. 2).
Die echokardiografische Beurteilung
der regionalen linksventrikulären Funktion
mit Strain und Strain Rate wird bereits in der
Diagnostik der koronaren Herzkrankheit
zur Unterscheidung zwischen infarzierten
und ischämischen Myokardarealen verwendet (5). Eine ähnlich genaue Beurteilung
einzelner Myokardregionen ist bisher nur
mit der aufwändigeren MRT-Diagnostik
möglich. Einerseits sind regionale Funktionsstörungen des linken Ventrikels in der
pädiatrischen Kardiologie sehr selten (z. B.
Fehlabgang der linken Koronararterie aus
der Pulmonalarterie), andererseits kann in
der Regel die globale linksventrikuläre
Funktion mit den bereits in die Routinediagnostik angewendete Methoden der M- und
B-Mode-Echokardiographie (z. B. diastolisch/systolische Faserverkürzung, Änderung des Areals des linken Ventrikels) relativ zuverlässig bestimmt werden.
Erstellung von Normalwerten
Um Vergleichswerte basierend auf einer
großen Anzahl von Patienten unterschiedlichen Alters zur Verfügung zu stellen, wurden bislang insgesamt 209 herzgesunde
Vergleichspersonen untersucht (Abb. 3).
Bei Kindern im Alter von 0–18 Jahren fand
sich erstmals eine Herzfrequenzabhängigkeit einiger Strain- und Strain Rate-Parameter unter Ruhebedingungen (6), wobei der
systolische Strain und die spätdiastolische
Strain Rate maßgeblich von der Herzfre-
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Rentzsch et al.
Abb. 2
Schematische Darstellung
der myokardialen Geschwindigkeits-, Strainund Strain Rate- Kurve
während eines Herzzyklus
(S = systolisch,
E = frühdiastolisch,
A = spätdiastolisch).
Die Strain Rate wird aus
einem Geschwindigkeitsvektor einer bestimmten
Länge berechnet. Der
Strain entsteht durch Integration der Strain Rate
über der Zeit. Die Platzierung von sample volumes
erfolgt für Geschwindigkeitsmessungen basal und
für Strain/Strain Rate
Messungen basal, mittig
und apikal (IVA = isovolumetrische Akzeleration,
SR = Strain Rate).
quenz beeinflusst werden. Andere Einflussfaktoren wie Alter und Länge haben einen
geringeren Einfluss auf diese Werte (7). Die
Erklärung dieser neuen Erkenntnis ist eine
Abhängigkeit der Strain-Werte von der Länge der systolischen bzw. früh- und spätdiastolischen Herzphase bei gleichbleibender
Abb. 3
systolischer und frühdiastolischer Strain
Rate. Diese hierbei neu erhobenen pädiatrischen Normwerte bieten quantitativ standardisierte und damit qualitätssichernde
Daten, die dieAnwendung der neuen Strain-/
Strain Rate-Methode im klinischen Alltag
zuverlässig ermöglichen.
Anwendung bei angeborenen
Herzfehlern
Es gab bereits ausschlaggebende Studien
bei Patienten mit angeborenen Herzfehlern
unter Anwendung der GewebedopplerEchokardiographie. So wurde die Bedeutung des interventrikulären Septums bei
Links- und Rechtsherzbelastung untersucht
und Hinweise auf eine funktionelle Zweiteilung des Septums gefunden (8). Möglicherweise ist anhand der Septumfunktion eine
Aussage über den Remodeling-Prozess des
belasteten rechten Ventrikels möglich, sodass sich daraus eine Beurteilung der
rechtsventrikulären Funktion ergeben könnte.
Anhand der Evaluation longitudinaler
Myokardwandgeschwindigkeiten bei Patienten mit univentrikulärem Herzen nach
cavopulmonaler Anastomose konnte das
Vorliegen einer Abnormalität der Myokardwandbewegungen auf der Seite der rudimentären Kammer mittels GewebedopplerEchokardiographie bestätigt werden (2),
was möglicherweise zur Beeinträchtigung
der globalen systolischen und diastolischen
Funktion des univentrikulären Herzens beiträgt (9, 10).
Altersverteilung der herzgesunden Vergleichsgruppe (n = 209).
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Echokardiographie
Studien über den rechten Ventrikel bei
Patienten mit operativ korrigierter Fallot'scher Tetralogie zeigten eine reduzierte
regionale und globale ventrikuläre Funktion
unter Einsatz der Gewebedoppler-Echokardiographie (11). Ebenfalls war die mit Gewebedoppler beurteilte regionale Funktion
des rechten Vorhofs bei Patienten mit korrigierter Fallot'scher Tetralogie gegenüber
einem Normalenkollektiv reduziert (12).
Dies könnte seine Ursache in präoperativen
hypoxischen Bedingungen (13), atrioventrikuläre Interaktionen oder in der chirurgischen Manipulation am Vorhof während der
Korrekturoperation haben. Weiterhin wiesen Patienten nach Korrekturoperation einer Fallot'schen Tetralogie mit eingeschränkter rechtsventrikulärer systolischer
Funktion eine relativ verstärkte longitudinale atriale myokardiale Verkürzung im Sinne
einer erhöhten atrialen Pumpfunktion auf,
was als adaptiver kompensatorischer Mechanismus des rechten Vorhofs bei eingeschränkten rechtsventrikulären hämodynamischen Verhältnissen angesehen werden
kann (12).
Bei Patienten mit ASD II konnte anhand
von Strain Rate Messungen eine bessere
atriale und ventrikuläre Funktion nach interventionellem Verschluss gegenüber chirurgischem Verschluss nachgewiesen werden
(14).
Auch bei Patienten nach Vorhofumkehroperation bei D-TGA sind die systolischen
Fazit für die Praxis
Durch die standardisierte und pseudonymisierte Auswertung echokardiographischer Parameter im Rahmen des Kompetenznetzes für angeborene Herzfehler
werden qualitätssichernde Daten erzeugt, die sowohl multizentrischen Studien als auch der Routinebetreuung von
Patienten mit angeborenem Herzfehler
vom Säugling bis zum Senium zur Verfügung stehen. Die Einbindung der Gewebedoppler-Echokardiographie zeigt viel
versprechende Ergebnisse hinsichtlich
der Beurteilung der regionalen und globalen Funktion bei angeborenen und erworbenen Herzerkrankungen.
und diastolischen Myokardwandgeschwindigkeiten sowie Strain und Strain Rate Werte des morphologisch rechten Systemventrikels gegenüber denen eines rechten bzw.
linken Ventrikels bei normalen Kreislaufverhältnissen deutlich eingeschränkt (15).
In Verlaufsbeobachtungen akuter Abstoßungsreaktionen von Kindern nach Herztransplantation gewinnt die Gewebedoppler-Echokardiographie zunehmend an Bedeutung (16).
Asynchronie
Durch die hohe zeitliche Auflösung von Gewebedopplerloops ist es möglich, asynchrone Bewegungsmuster zu detektieren. Die
ersten Studien bei angeborenen Herzfehlern
zeigten, dass die Evaluation der kardialen
Asynchronie am zuverlässigsten anhand der
Messung der elektromechanischen Antwort
und der regionalen Myokarddeformation
(Strain) zu erfassen ist. Bei Patienten mit
Rechtsschenkelblock nach Korrektur einer
Fallot'schen Tetralogie konnte nachgewiesen werden, das bei mehr als 50% dieser Patienten die Asynchronie des linken Ventrikels mit einer damit assoziierten globalen
und regionalen linksventrikulären Dysfunktion einhergeht (14). Die Gewebdopplerechokardiographie kann wertvolle Beiträge
zur Diagnostik intra- und interventrikulärer
asynchroner Bewegungsmuster und zurVerlaufskontrolle nach kardialer Resynchronisationstherapie (CRT) liefern (17).
Die vorliegende Arbeit wurde unterstützt durch das
Bundesministerium für Bildung und Forschung
(KompetenznetzAngeborene Herzfehler, 01GI0210).
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Korrespondenzadresse:
Prof. Dr. Hashim Abdul-Khaliq
Universitätsklinikum des Saarlandes
Klinik für pädiatrische Kardiologie
Kirrberger Straße, Gebäude 9
66421 Homburg/Saar
Tel.: 0 68 41 /16 28 306, Fax: 0 68 41 / 16 28 330
E-Mail: [email protected]
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