Schattenspiele

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48 | Wissen
Sonntag, 3. September 2017
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Sonntag, 3. September 2017
Blick in die Historie
Aus Keilschriften geht hervor, dass den Babyloniern ab etwa 800
v. Chr. schon Finsterniszyklen bekannt waren. Diese galten in der
Antike und bis in die frühe Neuzeit als Unheil bringende Zeichen
göttlicher Mächte. Bekannt ist etwa die von Herodot überlieferte
Anekdote, wonach Thales von Milet für die Zeit eines Krieges
zwischen den Medern und den Lydern eine Sonnenfinsternis vorausgesagt habe. Als diese tatsächlich eintrat, hätten die Gegner
den Kampf erschreckt beendet und Frieden geschlossen. Dabei
könnte es sich um die Sonnenfinsternis vom 28. Mai 585 v. Chr.
handeln, einige Argumente sprechen jedoch auch für die Sonnenfinsternis vom 16. März 581 v. Chr. (Quelle: Wikipedia).
Kosmische
Oben: Totale
Sonnenfinsternis am 21.
August 2017,
in der Nähe
von Mitchell
in Oregon.
Links: Partielle
Mondfinsternis am
7. August in
Frankfurt/
Main.
Schattenspiele
Vor wenigen Tagen wurde quer durch
die USA eine totale Sonnenfinsternis
bestaunt – das erste Mal seit 99 Jahren.
Wie kommen Finsternisse zustande und
weshalb sind diese so selten?
Von Robert Seeberger
S
owohl Sonnen- als auch
Mondfinsternisse
sind
Schattenspiele. Die beteiligten Himmelsköper sind Sonne, Mond und Erde. Von sich
aus leuchtet nur die Sonne. In
deren Inneren verschmilzt Wasserstoff zu Helium und anderen
Elementen. Dabei werden unvorstellbare Energiemengen frei.
Jedes Schulkind lernt Einsteins
berühmte Beziehung zwischen
Masse und Energie: E = mc2.
Im Inneren der Sonne ist anschaulich erkennbar, was diese
berühmte Formel für praktische
Auswirkungen hat. In jeder Sekunde werden in der Sonne vier
Millionen Tonnen Wasserstoff
in reine Energie umgewandelt.
Diesen Masseschwund kann die
Sonne locker verkraften, denn
deren Gesamtmasse ist in Kilogramm ausgedrückt eine Zwei
gefolgt von 30 Nullen. Andererseits ist die gewonnene Energie
so gewaltig, dass die Sonne seit
mittlerweile etwa 4,6 Milliarden
Jahren Licht, Wärme und andere
Energiearten in alle Himmelsrichtungen abstrahlen kann.
Und sie wird es noch einmal
so lange tun können, bevor ihre
Energievorräte erschöpft sein
werden. Die Sonne, dieser 1,4
Millionen Kilometer große Feuerball, spielt also die Rolle der
Lichtquelle im Schattenspiel.
Der Mond, so sehr dieser auch
die Nächte erhellen kann, ist
nichts anderes als ein unreiner
Spiegel, der einen gewissen Teil
des Sonnenlichts zurückwirft.
Zeit für Finsternis. Beobachtet
wird klarerweise von der Erde
aus, und diese kann zu gewissen
Zeiten genau zwischen Sonne
und Mond stehen. Dann ist es
Zeit für eine Mondfinsternis:
die Sonne strahlt die Erde an,
der Erdschatten fällt genau auf
den Mond, und der Vollmond
ist verdunkelt in unheimlichen
Farbtönen zu sehen, die von
grau über orange bis rötlich reichen können. Das Sonnenlicht
wird dabei in der Erdatmosphä-
re gestreut. Je mehr Staub in der
Lufthülle ist – zum Beispiel nach
einem größeren Vulkanausbruch ist viel Staub vorhanden –,
umso rötlicher wird das Aussehen der Finsternis.
Zu anderen Zeiten steht der
Mond genau zwischen Erde und
Sonne. Die Mondscheibe vermag genau die gesamte Sonnenscheibe abzudecken. Eine unbeschreibliche Stimmung: es wird
am Tage für wenige Minuten
komplett dunkel, die Sterne am
Himmel werden sichtbar, und
ein geheimnisvoller Lichtsaum
– Korona genannt – umgibt die
Sonne. Diese hat nämlich einen
eigenartigen Temperaturverlauf,
wenn von derem Innersten immer weiter nach außen gegangen
wird. 15 Millionen Grad im Zentrum reichen aus, um die Kernverschmelzung sicherzustellen.
Geht man radial nach außen
wird die Temperatur immer geringer, bis zirka 6000 Grad an der
Sonnenoberfläche erreicht sind.
Die Sonne wird von einem
dünnen Gas umgeben, das nur
AFP/APA
während einer Sonnenfinsternis sichtbar wird. Die Helligkeit
der Korona, das Wort bedeutet
Kranz oder Krone, ist um mehr
als eine Million lichtschwächer
als jene der Sonnenscheibe. Die
Temperatur der Korona liegt
infolge spezieller Heizmechanismen wieder im Bereich von
Millionen Grad.
Niedrigere Temperatur. Wäh-
rend einer Sonnenfinsternis
wird es auch fühlbar kühler. Am
20. März 2015 gab es über Vorarl­
berg eine partielle Sonnenfinsternis, bei der der Mond bis zu
70 Prozent der Sonnenscheibe
verdeckte. Neben meinem Teleskop hatte ich damals ein Thermometer dabei. Die Temperatur
fiel um fünf Grad ab. Auch die
Daten von Photovoltaikanlagen
zeigten während der Teilverfinsterung einen deutlichen Knick
in der Energieausbeute.
Wenn die Erde zwischen Sonne und Mond steht, wird von
Vollmond gesprochen. Im zweiten Fall, wenn der Mond zwi-
schen Erde und Sonne steht ist
Neumond. Weshalb ist nicht jeden Monat bei Neumond eine
Sonnen- und bei Vollmond eine
Mondfinsternis zu beobachten?
Um das zu erklären, muss angesehen werden, wie das Sonnensystem entstand ist: vor 4,6
Milliarden Jahren wurde es aus
einer Staub- und Gaswolke gebildet. Das Rohmaterial stammte
aus einer früheren Sternengeneration. Durch zufällige Stöße
zwischen Staub- und Gasteilchen bekam das System einen
Drehimpuls. Durch die eigene
Schwerkraft zog sich die Sonne zusammen, und die Rotation
wurde rascher. Die Sonne war
von einer flachen Scheibe aus
Staub und Gas umgeben. Aus
dieser Materie, die sich auf einer
Ebene konzentrierte, bildeten
sich die Planeten. Daher drehen
sich die Planeten ziemlich genau
in einer Ebene um die Sonne.
Der Mond wiederum bildete
sich aus einer Katastrophe in der
Urzeit des Planetensystems. Ein
Himmelskörper von der Größe
des Mars kollidierte mit der noch
jungen Erde. Ein Klumpen Material wurde der Erde entrissen
und formte sich in der Folge zu
deren Trabanten. Der zufällige
Einfallswinkel bei der Kollision
bewirkte, dass die Mondbahn
heute um fünf Grad gegenüber
der Bahnebene der Planeten geneigt ist. Daher sind nicht jeden
Monat zwei Finsternisse zu beobachten, denn meist befindet
sich der Mond einige Grad oberhalb oder unterhalb der Ekliptik,
der scheinbaren Sonnenbahn.
Verschiedene Termine. Das er-
klärt, weshalb häufig Mond- und
Sonnenfinsternisse zwei Wochen auseinanderliegen. Denn
der Mond ist nach zwei Wochen
noch relativ genau in der Bahn­
ebene. Auf die Halbschattenfins­
ternis des Mondes vom 10./11.
Februar 2017 folgte eine ringförmige Sonnenfinsternis am 26.
Februar. In den Abendstunden
des 7. August war von Vorarlberg
aus kurz vor Mondaufgang eine
partielle Verfinsterung zu beo-
bachten. Zwei Wochen später
ereignete sich die USA-Sonnenfinsternis.
Mondfinsternisse sind von
größeren Gebieten auf der Erde
aus zu sehen als Sonnenfinsternisse. Der Streifen Totalität, also jene Gegenden, in denen die
komplette Sonnenscheibe vom
Mond verdeckt wird, ist nur 100
bis 150 Kilometer breit.
Eine Laune der Natur hat dafür gesorgt, dass von der Erde
aus betrachtet der scheinbare
Durchmesser von Sonne und
Mond gleich groß ist. Die Sonne ist etwa 400 Mal größer als
der Mond, aber auch zirka 400
Mal weiter entfernt von der Erde. Nur so ist es möglich, dass
der Mond die Sonnenscheibe
komplett abdecken kann. Noch
ein kleines Detail: die Bahnen
der Erde um die Sonne und des
Mondes um die Erde sind zwar
fast Kreise, aber eben nur fast.
Die leichte Ellipsenform verändert den obengenannten Faktor
400 geringfügig. So kann es vorkommen, dass die Sonne etwas
näher an der Erde als im Durchschnitt ist (in den Wintermonaten) und der Mond etwas weiter von der Erde entfernt ist als
im Mittel. Eine größere Sonne
kann von einem kleineren Mond
nicht ganz abgedeckt werden,
ein ­schmaler Sonnenring bleibt
während der Finsternis. Eine solche ringförmige Sonnenfinsternis gab es heuer am 26. Februar.
Pro Jahr treten maximal sieben
Finsternisse auf. Typisch sind
zwei bis drei Sonnen- bzw. ein
bis zwei Mondfinsternisse pro
Jahr weltweit. Totale Sonnenoder Mondfinsternisse treten im
langjährigen Durchschnitt nur
alle 18 oder 17 Monate auf. Für
einen speziel­len Ort auf der Erde
ist eine totale Sonnenfinsternis
ein Jahrhundertereignis. 1999 gab
es in Österreich eine, die nächste
im Bodenseeraum wird erst am
3. September 2081 erwartet.
Die nächsten totalen Mondfinsternisse, die von Vorarlberg aus
zu sehen sind, werden am 27./28.
Juli 2018 und am 21. Jänner 2019
erwartet.
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