Evaluierungsbericht Evaluierung der Gewerkschaftsarbeit der Friedrich-Ebert-Stiftung in Afrika: Nationale Arbeitslinien im westlichen Afrika Kurzfassung I Hintergrundinformationen zum Projekt Die gewerkschaftliche Organisation in Afrika ist auf nationaler, regionaler und kontinentaler Ebene schwach. Die Strukturen sind von Überalterung, männlicher Dominanz, Mitgliederschwund, knappen Ressourcen, fehlender Kompetenz und Abwesenheit von innergewerkschaftlicher Demokratie geprägt. Fehlende Transparenz, Korruption und Klientelismus sind die Folgen. Die Gewerkschaftslandschaft ist zersplittert und durch Konkurrenzdenken geschwächt. Als Folge wird die klassische gewerkschaftliche Interessenvertretung kaum noch ausgeübt. Die Gewerkschaften werden somit häufig weder ihren eigenen Ansprüchen noch denen ihrer Mitglieder gerecht. In den Ländern, in denen die Tradition der politisch ausgerichteten Einheitsgewerkschaften dominierte, wird der Gestaltung des sozialen Dialogs ohnehin bis heute nur geringe Bedeutung beigemessen. Die Ursachen sind vielfältig, teilweise historisch bedingt, aber auch durch internationale Entwicklungen hervorgerufen, auf die bisher nicht adäquat reagiert wurde. Nichtsdestotrotz spielen die Gewerkschaften in der Politik in den meisten Ländern Afrikas bis heute eine wichtige Rolle. Noch immer sind sie unter den zivilgesellschaftlichen Organisationen diejenigen mit dem höchsten Mobilisierungspotenzial und die einzigen mit landesweiten Strukturen. Dieses Potenzial wird jedoch mehrheitlich von den Gewerkschaften nicht effektiv genutzt, um politische und wirtschaftliche Reformen zu gestalten, arbeitsplatzschaffendes Wachstum zu befördern sowie Verbesserungen für die arbeitende Bevölkerung zu erzielen. Trotz der Internationalisierung von Handelsstrukturen und Finanzmärkten, sowie eines Verlustes an nationalstaatlicher politischer Steuerungskompetenz sind die Gewerkschaften Afrikas überwiegend an den nationalen Kontexten orientiert und nur sehr schwach in internationale und globale politische Diskurse eingebunden. Die FES als Stiftung der Sozialen Demokratie betrachtet freie Gewerkschaften als einen der Eckpfeiler einer demokratisch verfassten Gesellschaft und die Zusammenarbeit mit ihnen dementsprechend als Kernanliegen im Selbstverständnis sowie als integralen Bestandteil von Demokratieförderung. Internationale Gewerkschaftsarbeit gehört somit zum „Kerngeschäft“ der FES. Angesichts dieses Selbstverständnisses, der gewerkschaftspolitischen Herausforderungen in Afrika und sich weiter verändernder Rahmenbedingungen auf den afrikanischen Arbeitsmärkten (Informalisierung, Ressourcenboom, Landnahme, Wirtschaftswachstum, grenzüberschreitend agierende Unternehmen) wurde im Rahmen der Entwicklung einer Kontinent weiten Afrikastrategie der FES entschieden, die Gewerkschaftsarbeit in Afrika wieder stärker in den Mittelpunkt zu rücken. Dabei wurde bekräftigt, dass die Gewerkschaftsarbeit auf nationaler Ebene weiterhin von herausragender Bedeutung ist und die Bearbeitung des Themas Gewerkschaften und Arbeit nicht auf der nationalen, sondern auch auf der regionalen 1/4 und kontinentalen Ebene fortan verbindlich ist. Alle zukünftig zu erstellenden Länderstrategien sollten darauf abgestimmt werden. Der/die AuslandsmitarbeiterIn in dem jeweiligen Projekt trägt die Verantwortung dafür, dass die Bedeutung der Gewerkschaftsarbeit entsprechend in der strategischen Projektplanung berücksichtigt wird und muss begründen, warum dies im Ausnahmefall nicht sinnvoll ist. Thematisch wurde festgehalten, dass die Stärkung der Strukturen der Gewerkschaften, ihrer Organisationsfähigkeit und der innerinstitutionellen Demokratie sowie der Sachkompetenz zu makroökonomischen Fragen die größten Herausforderungen sind, auf die sich die FES in ihrer Gewerkschaftsarbeit in Afrika konzentrieren muss. Und nicht zuletzt zur Verbesserung der Schlagkraft die Kooperation untereinander - also vor allem auch über Landesgrenzen hinweg – sowie mit zivilgesellschaftlichen Akteuren zu befördern. II Fragestellung & Ergebnis der Evaluierung Ziel der Evaluierung ist es, exemplarisch auf Basis einer Analyse nationaler Projektkonzeptionen, Arbeitsansätze und Partnerstrukturen in Nigeria und Ghana, die Konzeption und Wirkung der Gewerkschaftsarbeit der FES im Westlichen Afrika zu beschreiben und zu bewerten sowie Empfehlungen für die zukünftige Fortentwicklung der Gewerkschaftsarbeit zu formulieren. Die Evaluierung stützt sich auf ein Dokumentenstudium für den Zeitraum von 2002 bis 2012, wobei der Fokus der Evaluierung auf den Zeitraum von 2009 (Verabschiedung der Gesamtstrategie Afrika mit Schwerpunkt Gewerkschaftsarbeit) bis 2012 lag. Darüber hinaus beinhaltete die Evaluierung der Gewerkschaftsarbeit in Nigeria und Ghana einen Feldaufenthalt in beiden Ländern. Neben einer Bewertung der Wirkung der nationalen Gewerkschaftsarbeit, sollte ebenfalls dargestellt werden, ob und inwieweit es gelungen ist, diese inhaltlich und strukturell stärker in das Gesamtkonzept der Afrikastrategie aus dem Jahr einzubinden bzw. Vorgaben der Afrikastrategie im Rahmen der nationalen Projektarbeit umzusetzen. III Ergebnisse und Empfehlungen der Evaluierung Verglichen mit anderen Ländern in Subsahara-Afrika und damit auch in Westafrika sind die Gewerkschaften in Nigeria und Ghana relativ stark. In Nigeria verstehen sie sich auch als politische Opposition. In Ghana ist dies weniger ausgeprägt. Hier steht der Blickwinkel der Vertretung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmerinteressen im Vordergrund. Das Profil der FES vor Ort ist dementsprechend geprägt durch die langjährige Partnerschaft in der Gewerkschaftsarbeit. Hauptzielgruppe der Gewerkschaftsarbeit in Nigeria ist der Gewerkschaftsdachverband Nigeria Labor Congress (NLC), gefolgt von Einzelgewerkschaften, die vorwiegend unter NLC aber auch unter dem zweiten Gewerkschaftsdachverband Nigerian Trade Union Congress (NTUC) organisiert sind. Das Partnerspektrum umfasst die Leitung der Gewerkschaft, das Mittlere Management bis hin zu Leitungspersonen auf der Betriebsebene. Neben Gewerkschaftsmitgliedern werden auch Dritte wie AkademikerInnen, PolitikerInnen, JournalistInnen und VertreterInnen aus dem informellen Sektor angesprochen. In Ghana liegt der Fokus auf der Förderung des größeren von zwei Gewerkschaftsdachverbänden, des Ghana Trade Union Congress (GTUC). Seit Jahren wird nur eine Einzelgewerkschaft unterstützt. Es handelt sich dabei um eine Zusammenarbeit zum Thema Klimawandel. Die Zielgruppen bei den Gewerkschaften und bei den Dritten sind mit denen in Nigeria vergleichbar. Inhaltlich werden in beiden Länder die Schwerpunkte der Afrikastrategie der FES aus dem Jahr 2009 umgesetzt. Am stärksten wurde der Schwerpunkt der „Organisationsfähigkeit“, gefolgt von „Interventionsfähigkeit“ und „innergewerkschaftliche Demokratie“ gefördert. Nach Einschätzung des Evaluators leistete die FES in den letzten 10 Jahren in Nigeria und Ghana einen als „gut“ bewerteten Beitrag zu den übergeordneten entwicklungspolitischen Zielen der Länderprogramme. Dafür sprechen folgende Entwicklungen: a) Ein Grund-gerüst an Regelwerken, die die Rechte der Angestellten und ArbeiterInnen in Nigeria und Ghana sichern und ihre Posi2/4 tion schützen, wurde mit Teilhabe der Gewerkschaften seitens der Regierungen eingeführt (siehe insbesondere in Ghana das Arbeitsgesetz und die Einführung der Single Salary Spine Structure); b) Gewerkschaftsdachverbände und Einzelgewerkschaften haben sich entwickelt, die im westafrikanischen Vergleich überdurchschnittlich gut organisiert und inhaltlich fortgebildet sind; c) Eine Teilhabe von Frauen in Führungspositionen der Gewerkschaften hat sich entwickelt, die im mittleren Management deutlich höher liegt als vor 10 Jahren; d) das erhöhte Bewusstsein und die Fähigkeit der Gewerkschaften, Interessenkonflikte mit der Regierung und den Arbeitgeberverbänden zu verhandeln und nach Möglichkeit auf Streiks zu verzichten. Zentrale Empfehlungen Folgende zentrale Empfehlungen hat der Evaluator ausgesprochen: Konzeptionelle Weiterentwicklung und Reflexion der Vorgehensweise im Bereich der Gewerkschaftsarbeit. Ansatzpunkte könnten die konzeptionelle Umsetzung des Modells „Sozialpartnerschaft“, die Reflexion über die verstärkte Einbeziehung von Arbeitgeberverbänden in die Arbeit sowie eine Reflexion des Zusammenspiels der verschiedenen internationalen Ebenen der Gewerkschaftsarbeit sein (Nigeria/Ghana). Prüfung, inwiefern eine Intensivierung der Kontakte zu Einzelgewerkschaften und Vertretern des informellen Sektors neue Perspektiven und Dynamik für die Gewerkschaftsarbeit entwickeln könnte (Nigeria/Ghana). Überprüfung inwiefern es für die Wirksamkeit der Gewerkschaftsarbeit sinnvoll ist, die Kapazitätsförderung von TUC und anderen Gewerkschaften wieder zu intensivieren (Ghana). Reflexion über die partnerschaftliche Zusammenarbeit. Das in die FES gesetzte langjährige Vertrauen ist ein hohes Gut, das es stetig zu wahren und zu entwickeln gilt. (FES Ghana). Januar 2014 3/4 Qualitätsmanagement und Evaluierung in der Projektarbeit der Friedrich-Ebert-Stiftung Für die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) zählen zur Erfolgskontrolle nicht nur die in zeitlichen Abständen erfolgenden externen Projektevaluierungen in einzelnen Ländern und Sektoren, sondern das gesamte System der Planung, Begleitung und Qualitätssicherung der Arbeit. Seit über zehn Jahren verwendet die FES Planungs- und Auswertungsmethoden aus der gängigen Praxis der Entwicklungszusammenarbeit, die in einen kurz-, mittel- und langfristigen Qualitätszyklus eingebettet sind. Mithilfe dieser Instrumente entwickelt das FES-Team gemeinsam mit den Partnern eine Projektstrategie, um gesellschaftspolitische Veränderungsprozesse zu befördern. Externe Evaluierungen dienen dazu, eine objektivierende Erfolgskontrolle zu gewährleisten, die Wirkungen der Projektarbeit zu bewerten und Anregungen für eine Weiterentwicklung der Projekte zu entwickeln. Die gutachterlichen Empfehlungen bilden eine wichtige Grundlage des institutionellen Lernens in der internationalen Arbeit der FriedrichEbert-Stiftung und tragen so zur Qualitätssicherung der Projektarbeit bei. Die Leitfragen der Evaluierungsgutachten der Friedrich-Ebert-Stiftung orientieren sich an den Evaluierungskriterien der OECD/DAC: Relevanz: Tun wir das Richtige? Effektivität: Erreichen wir die Projektziele? Impakt: Tragen wir zu übergeordneten entwicklungspolitischen Zielen bei? Effizienz: Handeln wir wirtschaftlich? Nachhaltigkeit: Sind unsere Wirkungen von Dauer? Kontakt Thomas Mättig Friedrich-Ebert-Stiftung Hiroshimastraße 28, 10785 Berlin [email protected] Tel. (030) 26935 – 7414 4/4