Sonderausgabe Parodontologie PROPHYLAXEdialog Zeitschrift für Oralprävention in der Praxis Diabetes mellitus und Parodontitis Diabetes mellitus und Zahnimplantate Diabetes und Mundschleimhautveränderungen Diagnose von Mundgeruch Impressum/Editorial/Inhalt Herausgeber (V.i.S.d.P.): GABA International AG PR & Communication: André Büssers Scientific Affairs: Dipl.-Biochem. Bärbel Kiene Grabetsmattweg · 4106 Therwil · Schweiz [email protected] Gestaltung: eye-con Medienagentur Lechenicher Straße 29 · 50374 Erftstadt Internet: www.gaba.com Die Meinung der Autoren muss nicht in jedem Fall der Meinung des Herausgebers entsprechen. Nachdruck und auszugsweise Veröffentlichung ist bei Quellenangabe gestattet. Literatur zu den Artikeln beim jeweiligen Verfasser Editorial Sehr geehrte Leserinnen und Leser, in dieser Ihnen vorliegenden Sonderausgabe des PROPHYLAXEdialogs legen Ihnen ausgewiesene Kenner der Materie den aktuellen Stand des Wissens zur Problematik der wechselseitigen Beziehungen zwischen Parodontitis und Diabetes vor. Optimale Behandlung des Diabetes und die Elimination oder Reduktion von Risikofaktoren sind die Schlüsselelemente, die auch zur Verbesserung des Parodontalzustandes beitragen können. Umgekehrt ist die Kontrolle der oralen Entzündung durch eine adäquate Parodontaltherapie unerlässlich, um die diabetische Stoffwechsellage zu verbessern. Gelingt es, das parodontale Entzündungsgeschehen zu minimieren, wird auch das Risiko für die gefürchteten Spätfolgen von Diabetes vermindert. Das vorliegende Heft des PROPHYLAXEdialogs wird hoffentlich zu weiteren Diskussionen Anlass geben, aber auch Anregung für das weitere professionelle Handeln sein. Mit freundlichen Grüßen Ihr Thomas Kocher Inhalt Titelbild: Homunculus Xidecaflur & Zinnfluorid Quelle: Kage-Mikrofotografie 02 Parodontologie Diabetes mellitus und Parodontitis Prof. Dr. Jörg Meyle, ZÄ Sarah Sonnenschein, PD Dr. Nils Ewald, ZA Teymour Alimardanov, PD Dr. Jose Gonzales, ZA Gayath Mahfoud, Dr. Jens-Martin Herrmann, Dr. Sabine Gröger, Gießen, Deutschland 3 Risikofaktoren für die Entstehung und Progression von Parodontitiden Prof. Dr. James Deschner, Bonn, Deutschland 8 Parodontitis: „Die sechste Komplikation des Diabetes mellitus“ Prof. Dr. Thomas Kocher, Greifswald, Deutschland 10 Diabetes mellitus und Zahnimplantate Prof. Dr. Dr. Søren Jepsen, Bonn, Deutschland 11 Diabetes und Mundschleimhautveränderungen Dr. Irène Hitz-Lindenmüller, Prof. Dr. J. Thomas Lambrecht, Basel, Schweiz 13 Diagnose von Mundgeruch Frederique Vancauwenberghe, Prof. Dr. Marc Quirynen, Löwen, Belgien 15 European Federation of Periodontology (EFP) 17 Deutsche Gesellschaft für Parodontologie e.V. (DGP) 18 Das Unsichtbare sichtbar machen 19 PROPHYLAXEdialog Sonderausgabe Parodontologie Diabetes mellitus und Parodontitis Prof. Dr. Jörg Meyle, ZÄ Sarah Sonnenschein, PD Dr. Nils Ewald, ZA Teymour Alimardanov, PD Dr. Jose Gonzales, ZA Gayath Mahfoud, Dr. Jens-Martin Herrmann, Dr. Sabine Gröger, Gießen, Deutschland Einleitung Diabetes mellitus (DM) stellt mit einer Prävalenz von 12 % in Deutschland eine der größten ökonomischen Herausforderungen dar. Je nach Ursache der gestörten Insulinsekretion oder -wirkung unterscheidet man 4 ätiopathogenetisch verschiedene Typen: Typ-1-Diabetes mellitus, Typ-2-Diabetes mellitus, andere spezifische Diabetes-Typen und Gestationsdiabetes. Der Typ-1-Diabetes mellitus zeichnet sich durch eine fortschreitende Destruktion der insulinproduzierenden Betazellen des Pankreas aus, die immunologisch vermittelt oder sehr selten idiopathisch verursacht sein kann. Dem Typ-2-Diabetes mellitus, der weitaus häufigsten Form, liegt ursächlich eine vererbte oder erworbene Insulinresistenz in Kombination mit einer Störung der Insulinsekretion zugrunde. Sowohl DM als auch Parodontitis sind chronische multifaktorielle Erkrankungen, die in einer stetig alternden Gesellschaft eine zunehmende Rolle spielen und das Wohlbefinden zahlreicher Patienten beeinträchtigen. Zahlreiche Fallberichte, Querschnittsstudien, Longitudinalstudien und Reviews berichten über die negativen Auswirkungen von DM auf Entstehung, Progression und Schweregrad der Parodontitis (Mealey & Rose 2008; Taylor & Borgnakke 2008). Die Progression beider Erkrankungen bleibt oft über einen längeren Zeitraum unerkannt und kann die Lebensqualität beachtlich einschränken. Pathogenese und Beziehungen zwischen beiden Erkrankungen Der Typ-1-DM wird meist durch eine autoimmunbedingte Zerstörung der Betazellen in den Langerhansschen Inseln des Pankreas verursacht. Typ-2Diabetes mellitus ist die bei weitem häufigste Form des Diabetes. In Deutschland sind wahrscheinlich mehr als 90 % der Menschen mit Diabetes mellitus als Typ-2Diabetiker zu klassifizieren. Ursächlich ist eine mehr oder weniger ausgeprägte vererbte oder erworbene Verringerung der Insulinwirkung (sog. Insulinresistenz) in Kombination mit einer Störung der Insulinsekretion. Diese ist häufig bei Diagnosestellung subnormal bis hoch, qualitativ jedoch immer gestört. Typ-2-Diabetes mellitus tritt meist im mittleren bis höheren Erwachsenenalter auf. Der Krankheitsbeginn ist meist schleichend, die Diagnose meist ein „Zufallsbefund“. PROPHYLAXEdialog Gingivitis und Parodontitis, die durch einen bakteriellen Biofilm auf den Zahn- bzw. Wurzeloberflächen im Bereich des Zahnfleischrandes bzw. der parodontalen Tasche ausgelöst werden, sind in der erwachsenen Bevölkerung ebenfalls sehr verbreitet. So leiden ca. 10 –15 % der 35- bis 44-jährigen Erwachsenen an einer schweren generalisierten Zahnbettentzündung, die mit irreversiblen parodontalen Gewebedestruktionen einhergeht und unbehandelt zum Zahnverlust führen kann. In der wissenschaftlichen Literatur wird seit den 1960er-Jahren ein Zusammenhang zwischen Parodontitis und DM diskutiert. Aus parodontologischer Sicht ist Diabetes ein international anerkannter Risikofaktor für Parodontitis. In der systematischen Übersichtsarbeit von Chavarry et al. (2009) wurde in 27 Studien eine eindeutig größere Schwere und Ausdehnung der Parodontitis bei Diabetikern belegt. Die Meta-Analyse bestätigte auch einen eindeutig höheren Verlust von parodontalem Attachment bei Diabetikern mit Parodontitis. Dabei handelte es sich vor allem um Diabetes Typ 2. Anfänglich wurde eine spezielle orale bakterielle Flora bei Patienten mit Diabetes vermutet. In nachfolgenden Untersuchungen bestätigte sich dies nicht. Von Lalla et al. (2006) wurde in einer Kohortenstudie an Patienten mit vergleichbarer Schwere der Parodontitis mit/ohne Diabetes Typ 1 nachgewiesen, dass sowohl das bakterielle Profil als auch die Serum-AntikörperTiter ähnlich waren. Daraus ergibt sich, dass die Wirtsantwort für die unterschiedliche Schwere der parodontalen Entzündung bei Diabetikern im Vergleich zu Nicht-Diabetikern verantwortlich ist. Außer veränderten Granulozytenfunktionen ergaben sich Hinweise auf eine hyperinflammatorische Reaktion, die durch erhöhte lokale pro-inflammatorische Zytokinspiegel im parodontalen Sulkus charakterisiert war. Dafür werden u.a. advanced glycation end products (AGEs) verantwortlich gemacht, die über einen speziellen Rezeptor (RAGE) an Makrophagen binden können, und diese Zellen geben bei Kontakt mit bakteriellen Antigenen vermehrt proinflammatorische Zytokine ab. Diese Vermutung bestätigte sich in einer experimentellen Gingivitisstudie: Individuen mit Diabetes mellitus entwickelten eine beschleunigte und verstärkte gingivale Entzündung im Vergleich zu Personen ohne Diabetes bei vergleichbarer bakterieller Reizstärke (Salvi et al. 2005). Diese verstärkte Reaktion führt zur vermehrten Exsudation aus den Zahnfleischtaschen, und dieser vermehrte Flüssigkeitsaustritt versorgt die im Bereich der Tasche bzw. des Sulkus liegenden Keime im Biofilm mit Substrat, sodass das Plaquewachstum beschleunigt wird. Im Jahr 2006 stellte U. van der Velden fest: „Menschen mit viel Entzündung bilden viel Plaque“. Parodontologie 30 Sonderausgabe Parodontologie Zahnverlust/Beeinträchtigung der Kaufunktion Parodontitis Bakterieller Biofilm (Zahnplaque) Ungesunde Ernährung Lokale Entzündungsreaktion Vermehrte Freisetzung proinflammatorischer Zytokine (IL-1, IL-6, TNFα, PgE2) Übergewicht Ausschwemmung in die Blutbahn Diabetes mellitus Zunahme der Insulinresistenz Hyperglykämie AGEs Abb. 1: Zusammenhang zwischen Parodontitis und Diabetes mellitus Harald Löe bezeichnete 1993 die Parodontitis als die 6. Komplikation des Diabetes. In einer 2 Jahre umfassenden longitudinalen Studie von Taylor et al. (1996) beeinträchtigte die parodontale Entzündung die glykämische Kontrolle sowohl bei Typ-1- als auch bei Typ2-Diabetes. Patienten mit Parodontitis hatten ein erhöhtes Risiko für Ketoazidose, Retinopathien und Neuropathien im Vergleich zu Diabetikern ohne Parodontitis. Interleukin-1, Interleukin-6 (IL-6) und TumorNekrose-Faktor-alpha (TNF-alpha) sind proinflammatorische Zytokine, durch die die Insulinresistenz ansteigt. Mäuse mit fehlender TNF-alpha-Funktion reagieren nicht mit einer durch Fettleibigkeit induzierten Insulinresistenz. Die Verabreichung von IL-6 an gesunde Freiwillige erhöhte dosisabhängig den Nüchtern-GlukoseSpiegel. Diese Ergebnisse unterstützen die Annahme, dass durch die bei Parodontitis systemisch abgegebenen proinflammatorischen Zytokine die Insulinresistenz ansteigt. Weiterhin werden dieselben Zytokine (IL-6 und TNF-alpha) vom Fettgewebe produziert, d.h. ca. ein Drittel des zirkulierenden IL-6 stammt aus dem Fettgewebe (Mohamed-Ali et al. 1997). Diese Evidenzen machen deutlich, dass sich Übergewichtigkeit, Parodontitis und Diabetes mellitus gegenseitig beeinflussen (Abb. 1). Sowohl Parodontitis als auch Typ-2-Diabetes sind mit Übergewicht bzw. Adipositas assoziiert. 04 Parodontologie Diagnostik bei Patienten mit Parodontitis Obwohl ein Screening der Gesamtbevölkerung nicht empfehlenswert ist, erscheint die Identifizierung gefährdeter Personen mit einfachen Mitteln bei routinemäßigen Arztkontakten als sinnvolle Strategie (Engelgau & Narayan 2001). Eine Verbesserung der Detektionsraten von Glukosestoffwechselstörungen kann über eine Erhöhung der Anzahl von Kontakten noch nicht diagnostizierter Individuen mit Beteiligten des Gesundheitssystems erreicht werden. Hierbei sollten Angehörige des zahnärztlichen Fachpersonals sinnvollerweise miteinbezogen werden. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass das individuelle Diabetesrisiko möglichst exakt ermittelt werden kann, diese Testung aber auch leicht durchführbar und praktikabel ist (Muller 2005; Schwarz 2005). Mit Risikofragebögen ist ein einfaches und kostengünstiges Screening möglich. Dies zeigen verschiedene Fragebögen aus der Vergangenheit, die neben anamnestischen und anthropometrischen Angaben auch Laborwerte erfassen (Anderson et al. 1991; Assmann et al. 2002; Glumer et al. 2004; Lindstrom & Tuomilehto 2003; Saaristo et al. 2005; Silventoinen et al. 2005). Der Findrisk-Fragebogen ist das zurzeit am häufigsten eingesetzte Screening-Instrument. Dieser Risikotest für Typ-2-Diabetes mellitus wurde 2006 von Schwarz erstellt und wissenschaftlich evaluiert (Bergmann et al. 2007). Er ist auf der Webseite der Deutschen DiabetesStiftung unter http://diabetes-risiko.de/fileadmin/ dds_user/dokumente/GesundheitsCheck_201010.pdf abrufbar. PROPHYLAXEdialog Sonderausgabe Parodontologie Modell für das konkrete Vorgehen in der zahnärztlichen Praxis Ein Screening auf Diabetes mellitus in der zahnärztlichen Praxis könnte beispielhaft folgendermaßen aussehen: 1. Der Findrisk-Bogen wird jedem neuen erwachsenen Patienten ausgehändigt. Dieser wird gebeten, ihn gewissenhaft auszufüllen. Entsprechend geschultes Personal wertet den Bogen aus. 2. Bei Vorliegen eines Findrisk-Wertes von über 11 wird der Blutglukosewert im Kapillarblut mittels eines Gerätes zur Selbstkontrolle gemessen. Alternativ kann der Test grundsätzlich bei jedem Patienten durchgeführt werden, dessen Einverständnis vorausgesetzt. 3. Dazu muss das Gerät gemäß Herstellerangaben gestartet, ein Teststreifen eingesetzt und mit einem Tropfen Kapillarblut beladen werden. Hierzu sollte man die Blutentnahme mittels Lanzette an einer zuvor mit Alkohol desinfizierten Fingerbeere oder einem Ohrläppchen vornehmen. Man sollte das Kapillarblut möglichst an der Seite entnehmen, nicht an der Fingerspitze, da die Schmerzempfindung an der Fingerspitze am höchsten ist. Daumen oder Zeigefinger sollten nicht gewählt werden, da es sich dabei um die beiden am meisten belasteten Finger der Hand handelt. Die Haupthand des Patienten sollte möglichst vermieden werden. Bei Vorliegen einer Nüchtern-Blutglukose von über 99 mg/dl, entsprechend 5,5 mmol/l, bzw. einer postprandialen Blutglukose von über 160 mg/dl, entsprechend 8,9 mmol/l, und über 140 mg/dl nach 2 Stunden, entsprechend 7,8 mmol, sollte der HbA1c bestimmt werden. 4. In diesen Fällen ist eine Kontaktaufnahme mit dem Hausarzt des Patienten oder mit seinem Internisten sinnvoll, damit dort eine weitergehende Diagnostik erfolgen kann. Parodontologische Diagnostik Eine sorgfältige klinische Diagnostik mit Erfassung der Sondierungstiefen, Sondierungsblutung (jeweils an 6 Stellen/Zahn) und Furkationsbefall sind eine conditio sine qua non, wenn es darum geht, einen detaillierten Behandlungsplan auszuarbeiten und eine entsprechende Therapieplanung vorzunehmen. Um langfristig Aussagen über die Progression der Parodontitis machen zu können, empfiehlt es sich, bei diesem Patientenkreis zusätzlich die Lage des Gingivalrandes in Relation zur klinischen Krone zu erfassen, um daraus das klinische Attachmentlevel errechnen zu können. Spätestens bei der Abschlussuntersuchung mit Beginn der unterstützenden PAR-Therapie sollte dieser Parameter mit erfasst werden. Zusammen mit einer entsprechenden Röntgendiagnostik, Lockerungsgraden und den allgemein zahnärztlichen Befunden kann dann eine Einzelzahnprognose erhoben werden. PROPHYLAXEdialog Hoffnungslose Zähne sollten frühzeitig extrahiert werden, um nicht beherrschbare Entzündungsherde zu eliminieren. Für den langfristigen Therapieerfolg ist eine überdurchschnittliche Mitarbeit des Patienten von großer Bedeutung, um Frührezidive zu vermeiden. Grundsätzlich gliedert sich das diagnostische und therapeutische Vorgehen in die in Abb. 2 gelisteten Abschnitte. Eingangsdiagnostik (PSI) Spezielle Diagnostik PAR-Status Antiinfektiöse Therapie Reevaluation Korrektive Therapie Abschlussdiagnostik Unterstützende PAR-Therapie Abb. 2: Diagnostische und therapeutische Maßnahmen bei Patienten mit Diabetes mellitus und Parodontitis PAR-Therapie bei Diabetikern mit Parodontitis Bei Patienten mit einem gut eingestellten Diabetes unterscheidet sich der zu erwartende Behandlungserfolg und damit die Behandlungsziele nicht von dem eines systemisch gesunden Patienten (Christgau et al. 1998; Tervonen et al. 1991; Westfelt et al. 1996). Wesentlich ist die Frage, ob der Diabetes metabolisch gut kontrolliert ist. Daher sollte während der Behandlung jeweils der aktuelle HbA1c-Wert abgefragt werden. Wie bereits erwähnt, ist aufgrund der verstärkten lokalen Entzündungsreaktion mit einem beschleunigten Plaquewachstum zu rechnen. Daher ist es nicht sinnvoll, bei Diabetikern mit schwerer Parodontitis zunächst in mehreren Sitzungen Mundhygiene-Unterweisungen zu geben und sich auf die Plaquekontrolle zu fokussieren. Therapeutisch ist es stattdessen von größter Bedeutung, dass zusammen mit dem supragingivalen gleichzeitig der subgingivale Biofilm möglichst vollständig entfernt wird, damit die Exsudation stagniert und die Substratzufuhr für die Keime des Biofilms verringert wird. Parodontologie 50 Sonderausgabe Parodontologie Nach supra- und subgingivaler Reinigung im Rahmen der anti-infektiösen Therapie sollte eine engmaschige Kontrolle mit wiederholten professionellen Zahnreinigungen erfolgen, um die Neubildung des Biofilms zu kontrollieren und die parodontalen Heilungsprozesse nicht zu gefährden. Diese primäre Reinfektionsprävention kann durch zusätzliche lokale antiseptische Maßnahmen unterstützt werden (Abb. 3). Es schließt sich eine sekundäre Reinfektionsprävention an, die nach 6 Monaten durch den Reevaluationsbefund abgeschlossen wird. Dieser bildet die Grundlage für die zu planenden korrektiven Maßnahmen, die, sofern dafür noch eine Indikation besteht, dann durchgeführt werden. Am Ende dieser Phase wird ein Abschlussbefund erhoben, der das erreichte Behandlungsergebnis dokumentiert und die Basis für die Planung der unterstützenden Therapie bildet. Ziele der UPT bei Diabetikern Die Hauptziele der UPT sind 1. ein Neuauftreten parodontaler Erkrankungen und 2. ein Wiederauftreten bereits therapierter Parodontitis zu verhindern (Hancock & Newell 2001). Die American Academy of Periodontology (AAP) formuliert die Ziele der UPT wie folgt (Cohen 2003): 1. Vermeidung oder Minimierung der Rezidive von Parodontalerkrankungen bei Patienten, die bereits wegen Gingivitis, Parodontitis oder Periimplantitis behandelt wurden, 2. Vermeidung von Zahnverlust oder zumindest Reduktion des Zahnverlusts durch Überwachung des Gebisses und eventueller prothetischer Restaurationen, 3. Rechtzeitiges Eingreifen bei eventuell auftretenden anderen Erkrankungen der Mundhöhle. 1. Termin Diagnostik (PSI, PAR-Status) 2. + 3. Termin Antiinfektiöse Therapie (PZR, SRP) AB + Antiseptika Antiinfektiöse Therapie (PZR, SRP) 4. – 9. Termin Primäre Reinfektionsprävention (CHX) + Hygienebetreuung (PLI, Remot, PZR) alle 2 Wochen in den ersten 3 Monaten 10. + 11. Termin Unterstützende Therapie (UPT) bei Diabetikern mit Parodontitis Taylor formulierte 1999 den Einfluss von Parodontitistherapie auf die glykämische Kontrolle und die damit verbundenen Folgen: 1. Verbesserung der glykämischen Kontrolle, 2. Verhinderung, Verzögerung oder Reduktion der Schwere von Diabetesfolgeerkrankungen (Komplikationen), 3. möglicherweise Verhinderung der Entstehung von Diabetes selbst. Sowohl die aktive als auch die unterstützende Parodontitistherapie ist ein wichtiger Bestandteil der Diabetestherapie, um die Insulinsensitivität und die damit verbundene glykämische Kontrolle zu verbessern (Santus Tunes et al.). Parodontologie Um eine Hypoglykämie während der Behandlung zu vermeiden, bietet sich die Behandlung am frühen Vormittag nach der gewohnten Diät und Medikamenteneinnahme an. Es sollte darauf geachtet werden, dass vor der Behandlung lange Wartezeiten vermieden werden (Rees 2000). Bei nicht oder schlecht eingestellten Diabetikern können Speichel und Sulkusflüssigkeit erhöhte Mengen von Glukose enthalten (Ficara et al. 1975; Rees 2000). Dies kann zu einer Veränderung der Plaque-Mikroflora und damit zu einem Einfluss auf die Entwicklung und Progression von Karies und Parodontitis führen (Rees 2000). Sek. Reinfektionsprävention (AF) (3 – 6 M.) Abb. 3: Details der anti-infektiösen Therapie mit FMD(C) und Reinfektionsprävention 06 Spezielle Maßnahmen der UPT Die UPT ist für parodontal erkrankte Diabetiker genauso essenziell wie für Nicht-Diabetiker (Deschner & Jepsen 2008). Bei der Behandlung parodontal erkrankter Diabetiker sollten der Diabetestyp, seine Dauer und die aktuelle glykämische Einstellung (HbA1c-Wert) bekannt sein. Zudem sollten Folgeerkrankungen, weitere Komplikationen und die aktuelle Medikation erfasst werden. Die Kontaktdaten des behandelnden Hausarztes oder Internisten sollten dokumentiert werden (Deschner & Jepsen 2008). Eine gute Patientencompliance ist für die erfolgreiche Behandlung beider Erkrankungen (Parodontitis und Diabetes) wichtig, und die Patienten sollten regelmäßig zu einer sehr guten Mundhygiene motiviert werden. Dies schließt sowohl die regelmäßige Verwendung von Zahnbürste, Zahnseide und Interdentalbürsten zur Entfernung des Biofilms (Deschner et al.) als auch eine regelmäßige Betreuung mit ein. Des Weiteren müssen Patienten mit DM sorgfältig auf Karies überwacht werden, und es empfiehlt sich eine regelmäßige Fluoridprophylaxe (Rees 2000). PROPHYLAXEdialog Sonderausgabe Parodontologie Die metabolische Einstellung sollte streng überwacht und der Patient darauf hingewiesen werden, Gewohnheiten wie Rauchen oder Alkoholkonsum (u.a. Mundspülungen mit hohem Alkoholgehalt) zu vermeiden (Rees 2000). Durch die Verwendung von Mundhygiene-Produkten, welche eine Hemmung des Plaquewachstums und einen entzündungshemmenden Effekt aufweisen, kann die mechanische Plaquekontrolle bei chronischer Parodontitis unterstützt werden (Deschner et al. 2011). Diabetiker leiden gehäuft an Xerostomie. Diese kann aus den medikamentösen Nebenwirkungen der oralen Antidiabetika oder anderer Medikamente sowie aus dem Diabetes selbst resultieren. Des Weiteren können durch die Xerostomie opportunistische Infektionen wie Candidiasis begünstigt werden (Rees 2000). Um den Speichelfluss und somit auch die orale Selbstreinigung zu stimulieren, kann die Anwendung zuckerfreier Kaugummis oder das Kauen natürlicher Stimulanzien wie rohe Karotten und Sellerie empfohlen werden (Rees 2000). Professionelle Zahnreinigung Da der bakterielle Biofilm auf der Zahnoberfläche den Hauptrisikofaktor für eine Parodontitis darstellt und der Patient durch häusliche Mundhygiene-Maßnahmen nicht immer dazu in der Lage ist, diesen perfekt zu entfernen, ist die professionelle Zahnreinigung (PZR) der wichtigste Teil der UPT. Die Zahnreinigung sollte schonend, aber effektiv mit Hand- und maschinellen Instrumenten erfolgen und mit einer Politur abschließen (Eickholz 2007). Remotivation und MundhygieneReinstruktion Für die Patienten ist es häufig schwierig, die während der Therapie trainierten Mundhygiene-Gewohnheiten und die damit verbundene Verbesserung der Hygieneparameter über einen längeren Zeitraum beizubehalten. Daher sollte der Patient für positive Leistungen gelobt werden und sollten noch vorhandene Problemstellen aufgezeigt werden. Neue und erlernte Techniken sollten zur weiteren Verbesserung der Mundhygiene trainiert werden (Kürschner & RatkaKrüger 2008). PROPHYLAXEdialog Subgingivale Instrumentierung Bei unverändert pathologisch vertieften Sondie_ 5 mm) ist eine rungswerten (ST = 4 mm mit BOP; ST < nochmalige Lokaltherapie (Reinstrumentierung) notwendig. Die Behandlung der Resttaschen kann dabei durch erneutes subgingivales Scaling erfolgen. Ergeben sich aus dem im Rahmen der UPT erhobenen Parodontalstatus mehr als 5 bis 6 pathologisch vertiefte Taschen, ist es sinnvoll, ein Rezidiv zu diagnostizieren (lokal oder generalisiert) und den Patienten erneut einer systematischen antiinfektiösen Parodontitistherapie zu unterziehen (Eickholz 2007). Eine weitere Alternative oder Ergänzung zur instrumentellen Behandlung stellt die Behandlung mit topischer Applikation lokaler Antibiotika oder Antiseptika (z.B. Chlorhexidin-Diglukonat 0,1– 0,2 %) dar. Diese Maßnahmen sind insbesondere dann sinnvoll, wenn nach antiinfektiöser Therapie noch einzelne Stellen mit _ 5 mm und BOP) pathologisch vertieften Taschen (ST < vorhanden sind (Eickholz 2007). Die Fluoridierung dient bei Parodontitispatienten besonders der Reduktion des erhöhten Risikos, an einer Wurzelkaries zu erkranken (Kürschner & Ratka-Krüger 2008). Zusammenfassung Durch konsequente Lokaltherapie in Verbindung mit einer kollegialen Kooperation mit den mitbehandelnden Internisten kann der Gesundheitszustand der meisten Patienten signifikant verbessert werden. In einzelnen Fällen bessert sich nach Beseitigung der parodontalen Entzündung die metabolische Kontrolle des Diabetes (Typ 2) so sehr, dass der Patient an Tagen mit ausgeprägter körperlicher Aktivität auf die Insulinsubstitution völlig verzichten kann (eigene Beobachtungen des Autors). Dies bedeutet für die Patienten eine erhebliche Verbesserung der Lebensqualität, die nicht unterschätzt werden sollte. Prof. Dr. Jörg Meyle Universität Gießen Zentrum ZMK . Poliklinik für Parodontologie Schlangenzahl 14 . 35392 Gießen · Deutschland Parodontologie 70 Sonderausgabe Parodontologie Risikofaktoren für die Entstehung und Progression von Parodontitiden Prof. Dr. James Deschner, Universitätsklinikum Bonn, Deutschland Einleitung Parodontitis ist eine entzündliche Erkrankung, die mit dem Verlust von parodontalem Knochen, Kollagen und Attachment einhergeht. Pathogene Mikroorganismen stellen eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für die Entstehung und Progression von Parodontitiden dar. Normalerweise werden die Mikroorganismen durch verschiedene Abwehrmechanismen des Wirts kontrolliert (siehe Abb.). Mikroorganismen können jedoch zur Destruktion des Parodonts führen, indem sie die Wirtsabwehr teilweise umgehen, unterdrücken, fehlleiten oder eine überschießende Wirtsreaktion induzieren. Rauchen und schlecht eingestellter Diabetes Antikörper PMNs Mikrobielle Beläge Antigene Lipopolysaccharide andere Virulenzfaktoren Immunentzündliche Wirtsantwort Entzündungsmoleküle Proteasen Weichund Hartgewebemetabolismus Genetische Risikofaktoren Risikofaktoren und Pathogenese der Parodontitis (modifiziert nach Page & Kornman 1997) Zusätzlich zu den parodontalpathogenen Mikroorganismen sind verschiedene exogene und endogene Risikofaktoren für die Entstehung und das Fortschreiten von Parodontitiden erforderlich. Solche Risikofaktoren können die immunentzündliche Wirtsantwort und/oder den Metabolismus der parodontalen Weich- und Hartgewebe beeinflussen und dadurch zur parodontalen Destruktion beitragen (Kornman et al. 1997; Page & Kornman 1997; Pihlstrom et al. 2005). Parodontale Risikofaktoren Ob ein bestimmter Faktor das Risiko für Parodontitiden erhöht, ist häufig schwierig zu beurteilen. In der Regel sind hierfür longitudinale Studien erforderlich, die zeigen, dass das Vorliegen eines bestimmten Faktors zu einem späteren Zeitpunkt zur Parodontitis 08 Parodontologie führt. Zusätzliche Evidenz bringen Interventionsstudien, wenn sie zeigen, dass durch die Reduktion oder Eliminierung eines solchen Faktors die Entstehung bzw. Progression der Parodontitis vermindert bzw. vermieden werden kann (Albandar 2002; Cronin et al. 2008; Timmerman & van der Weijden 2006; van Dyke & Sheilesh 2005). Bei vielen der bisher diskutierten Risikofaktoren für Parodontitis handelt es sich nicht um echte Risikofaktoren, sondern lediglich um Risikoindikatoren oder -marker. Hierbei ist zwar eine enge Assoziation dieser Faktoren mit der Parodontitis gegeben, es besteht jedoch keine bzw. keine ausreichend nachgewiesene Kausalität. Die Terminologie (Risikofaktor, -indikator, -marker) und die Einschätzung, ob eine direkte Kausalität hinreichend nachgewiesen wurde, ist in der Literatur nicht einheitlich. Im Folgenden wird zwar die Bezeichnung „Risikofaktor“ benutzt, es sei aber darauf hingewiesen, dass gegenwärtig zumeist nur Plaque/schlechte Mundhygiene, Rauchen, unkontrollierter Diabetes mellitus und genetische Disposition als echte Risikofaktoren für Parodontitis angesehen werden. W Mikrobielle Beläge Parodontalpathogene Mikroorganismen stellen eine notwendige Bedingung für die Entstehung und Progression von Parodontitiden dar. Die Mikroorganismen sind in einem Biofilm organisiert. Zahnstein, überstehende Füllungs- und Kronenränder, Karies, Zahnfrakturen, bestimmte Zahnstellungen, -morphologien und -furchen fördern die Entstehung und Akkumulation mikrobieller Beläge. Die Beseitigung solcher Beläge reduziert die Inzidenz, den Schweregrad und das Fortschreiten von Parodontitiden, sodass mikrobielle Beläge als echter Risikofaktor für Parodontitiden angesehen werden können (Axelsson & Lindhe 1981; Axelsson et al, 2004; Lindhe & Nyman 1975; Rosling et al. 1976). Unklar ist jedoch, ob bestimmte Bakterienspezies (z.B. P. gingivalis, T. forsythia, T. denticola, A. actinomycetemcomitans) als echte Risikofaktoren oder lediglich als Risikoindikatoren betrachtet werden sollten (Grossi et al. 1994; 1995; Papapanou et al. 1997; 2002; Tezal et al. 2006), da die erhöhte Anzahl solcher Spezies in parodontalen Taschen nicht notwendigerweise deren Ursache, sondern deren Folge sein könnte. PROPHYLAXEdialog Sonderausgabe Parodontologie W Rauchen W Psychoemotionaler Stress Das Rauchen von Zigaretten, Zigarren und Pfeife zählt zu den am besten untersuchten und bestätigten Risikofaktoren für Parodontitis (Bergström 2004; Tonetti 1998). Raucher leiden häufiger als Nichtraucher an Parodontitis. Die Parodontitis bei Rauchern ist zudem stärker ausgeprägt und schreitet auch schneller vorwärts. Es besteht eine Dosisabhängigkeit, d.h., der negative Einfluss des Rauchens auf das Parodont steigt mit der Anzahl der gerauchten Zigaretten pro Tag an. Obwohl im Vergleich mit Nichtrauchern immer noch erhöht, besitzen ehemalige Raucher ein geringeres Parodontitisrisiko als aktive Raucher (Calsina et al. 2002; Grossi et al. 1994; 1995; Martinez-Canut et al. 1995; Meisel et al. 2004; Tomar & Asma 2000). Ob Stress das Risiko für Parodontitis beeinflusst, wird kontrovers diskutiert (Hugoson et al. 2002; Peruzzo et al. 2007). Veränderte Glukokortikoid- und Katecholaminspiegel können immunentzündliche Prozesse beeinflussen, was zu einem erhöhten Parodontitisrisiko beitragen könnte (Boyapati & Wang 2007; Breivik et al. 1996; Hilgert et al. 2006). Bei Stress kommt es oftmals auch zu Veränderungen der Mundhygiene, des Tabakund Alkoholkonsums sowie der Nahrungsauswahl, sodass möglicherweise auch indirekte Effekte auf das Parodont ausgeübt werden. Interessanterweise scheint weniger das Autreten von psychoemotionalem Stress als vielmehr die insuffiziente Stressbewältigung das Risiko für Parodontitis zu erhöhen (Genco et al. 1998; 1999). W Genetische Disposition Genetische Risikofaktoren können sowohl die immunentzündliche Wirtsantwort als auch den Weich- und Hartgewebe-Metabolismus betreffen. Es wird angenommen, dass der Anteil genetischer Faktoren an der Entstehung von Parodontitiden durchschnittlich 50 % betragen kann (Michalowicz et al. 2000). Für das Vorliegen genetischer Risikofaktoren sprechen die familiäre Häufung von Parodontitiden, Zwillingsstudien, aber auch das vermehrte Vorkommen von Parodontitis bei bestimmten Erkrankungen mit genetischen bzw. chromosomalen Defekten (Hart & Atkinson 2007; Michalowicz et al. 2000; van der Velden et al. 1993). Weiterhin wurden Polymorphismen in zahlreichen Genen, die für Entzündungsmediatoren, Matrixmoleküle oder Rezeptoren kodieren, mit einem erhöhten Risiko für Parodontitis in Verbindung gebracht (Kinane & Hart 2003; Kocher et al. 2002; Loos et al. 2005; Meisel et al. 2002; 2003; 2004). In welchen Bevölkerungsgruppen, in welcher Abhängigkeit von anderen Risikofaktoren und bei welchen Parodontitisformen solche Polymorphismen aber tatsächlich eine klinisch relevante Rolle spielen, muss durch weitere Studien geklärt werden. W Diabetes mellitus und andere Erkrankungen des Gesamtorganismus Über die letzten Jahre konnten zahlreiche Assoziationen zwischen Parodontitis und Erkrankungen des Gesamtorganismus nachgewiesen werden, wobei nicht alle dieser Assoziationen kausaler Natur sein müssen. Als gesichert gilt jedoch, dass ein unkontrollierter Diabetes mellitus das Risiko für Parodontitis erhöht. Diabetiker mit schlechter glykämischer Einstellung haben häufiger Parodontitis; die Parodontitis ist im Durchschnitt stärker ausgeprägt und schreitet auch schneller vorwärts. Ein unkontrollierter Diabetes mellitus muss daher als ein echter Risikofaktor für Parodontitis angesehen werden (Chávarry et al. 2009; Kaur et al. 2009; Khader et al. 2006; Struch et al. 2008; Taylor et al. 1998; Tsai et al. 2002). Ob andere systemische Erkrankungen und Zustände, wie z.B. Osteoporose, Arthritis und Adipositas, echte Risikofaktoren für Parodontitis darstellen, kann derzeitig nicht abschließend beurteilt werden. PROPHYLAXEdialog W Okklusale Störungen Ebenfalls wird kontrovers diskutiert, ob Überbelastung der Zähne das Risiko für Parodontitis steigert. Eine Studie konnte zeigen, dass Parodontitispatienten mit okklusalen Störungen höhere Sondierungstiefen aufweisen als Parodontitispatienten ohne solche Störungen (Harrel et al. 2006; Harrel & Nunn 2001; Nunn & Harrel 2001). W Alter Unklar ist auch, ob Alter das Risiko für Parodontitis erhöht, oder ob es sich lediglich um die Akkumulation der parodontalen Destruktion über die Zeit handelt, so dass im höheren Alter mehr und stärkerer Knochenund Attachmentverlust vorliegt (Albandar 2002; Cronin et al. 2008; Grossi et al. 1994; 1995; Holtfreter et al. 2009). Dass jedoch in hohem Alter tatsächlich eine verminderte Fähigkeit zur Gewebeheilung und immunentzündlichen Infektabwehr besteht, kann nicht geleugnet werden. Da das Alter jedoch nicht beeinflusst werden kann, ist die Frage, ob Alter tatsächlich ein echter Risikofaktor ist, klinisch von untergeordneter Bedeutung. W Geschlecht Eine Vielzahl von Studien hat gezeigt, dass Männer im Vergleich mit Frauen stärker zur parodontalen Destruktion neigen (Albandar 2002; Grossi et al. 1995; Horning et al. 1992). Ein Großteil des erhöhten Risikos könnte jedoch durch schlechtere Mundhygiene oder vermehrten Tabak- und Alkoholkonsum bei Männern zustande kommen. Weiterhin könnten genetische Faktoren für das erhöhte Parodontitisrisiko verantwortlich sein. W Sozioökomischer Status Bildung und Einkommen werden als Risikoindikatoren betrachtet. Sie beeinflussen das Verhalten und das Bewusstsein für Gesundheit sowie den Zugang zu Gesundheitsressourcen und sind daher mit Parodontitis assoziiert (Gundala & Chava 2010; Susin & Albandar 2005). Parodontologie 90 Sonderausgabe Parodontologie W Ethnische Herkunft Parodontitiden kommen z.B. häufiger bei Individuen mit afrikanischer, lateinamerikanischer oder asiatischer Herkunft vor (Albandar 2002; Grossi et al. 1995; Horning et al. 1992). Dafür könnten genetische Faktoren, aber auch sozioökonomische Faktoren verantwortlich sein. Zusammenfassung Für eine verbesserte Prävention und Therapie von Parodontitiden ist die Aufdeckung parodontaler Risikofaktoren von großer klinischer Bedeutung. Als echte Risikofaktoren für Parodontitis können mikrobielle Beläge/schlechte Mundhygiene, Rauchen, genetische Faktoren und ein schlecht eingestellter Diabetes mellitus angesehen werden. Weitere Risikofaktoren werden diskutiert. Von klinischer Bedeutung ist vor allem, ob solche parodontalen Risikofaktoren beeinflussbar sind, wie z.B. die glykämische Einstellung eines Diabetes mellitus. Prof. Dr. med. dent. James Deschner Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Universitätsklinikum Bonn Experimentelle Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde Welschnonnenstraße 17 . 53111 Bonn · Deutschland Parodontitis: „Die sechste Komplikation des Diabetes mellitus“ Prof. Dr. Thomas Kocher, Universität Greifswald, Deutschland In der pan-europäischen PANORAMA-Studie hatte sich gezeigt, dass Diabetes mellitus ein zunehmendes Problem unserer Gesellschaft darstellt (Bradley et al. 2011). In der untersuchten Population waren 45 % der Probanden übergewichtig, 80 % hatten erhöhte Blutdruckwerte, 56 % erhöhte Cholesterinwerte, und bei 38 % blieb der Wert des glykierten Hämoglobins als Zeichen einer diabetogenen Stoffwechsellage über dem angestrebten Wert von HbA1c von 7 %. Die Behandlungsprävalenz des Diabetes mellitus ist in Deutschland (wie auch in anderen Ländern) kontinuierlich angestiegen. Lag sie 1998 noch bei 5,9 %, so ist sie bis zum Jahr 2007 auf 8,9 % angestiegen. Das bedeutet, dass 2007 mehr als 7 Millionen Menschen in Deutschland wegen eines Diabetes mellitus – vornehmlich des Typs 2 – behandelt wurden (Hauner 2011). Bei einer geschätzten Dunkelziffer dürften heute mindestens 10 % aller Deutschen oder mehr als 8 Millionen an einem Diabetes leiden. Besonders problematisch erscheint die zunehmende Häufigkeit von Diabetes auch bei Kindern und Jugendlichen, vornehmlich als Folge von Adipositas. 10 Parodontologie Prävalenz und Inzidenz des Diabetes sind stark altersabhängig: Im Alter zwischen 40 und 59 Jahren gibt es 4 bis 10 % Diabetiker, bei einem Alter über 60 Jahren sind es 20 % und mehr (Rathmann et al. 2009). Mit der Altersabhängigkeit zeigen sich Parallelen zur Epidemiologie der Parodontitis – wie es auch für verschiedene andere Risikofaktoren gilt. Es wird geschätzt, dass bis zu drei Viertel der Diabetiker orale entzündliche Erkrankungen wie Gingivitis und Parodontitis aufweisen (Iacopino 2001). Wenigstens ein Drittel dieser Patienten leidet unter schweren Formen der Parodontitis mit 5 mm und mehr Attachmentverlust. So kann es heute als gesichert gelten, dass die Parodontitis bei Diabetikern schwerere Symptome aufweist und womöglich auch einen fulminanteren Verlauf nimmt. Immerhin schon seit 20 Jahren gibt es die Charakterisierung der Parodontitis als „die sechste Komplikation des Diabetes mellitus“ (Loe 1993). Dieser Begriff muss im Licht heutiger Erkenntnisse sicher auch insofern erweitert werden, als eine Parodontitis auch zu einer Verschlechterung der Glukosetoleranz beitragen kann, d.h. auch ein echter Risikofaktor für Diabetes ist. Vor diesem Hintergrund werden zunehmend Stimmen laut, die eine bessere interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Zahnärzten bzw. Parodontologen und Allgemeinmedizinern bzw. Internisten für eine dringliche Notwendigkeit halten. Herausgefordert sind hier vor allem Zahnärzte vor dem Hintergrund, dass selbst Menschen, die nie eine allgemeinmedizinische Praxis aufsuchen, oft aber beim Zahnarzt vorstellig werden. Der Zahnarzt kann also der Erste sein, der Symptome einer bisher undiagnostizierten Diabeteserkrankung feststellen kann (Strauss et al. 2012). An sich ist die Erkenntnis nicht neu, dass der Zahnarzt in den Mund seiner Patienten schaut und Zeichen einer systemischen Erkrankung erkennt – bei Diabetes ergeben Schwere und Verlauf der Parodontitis zumindest einen Verdacht, der internistisch weiter abgeklärt werden kann. Die bidirektionale Beziehung zwischen Parodontitis und Diabetes erfordert neue Konzepte der Diagnoseund Behandlungsregimes. So wird es zukünftig unerlässlich sein, bei Diabetikern die Behandlungen zwischen zahnmedizinischen und internistischen Spezialisten zu koordinieren (Iacopino 2009). Dazu gehört auch eine effektive Prävention. Wenn man bedenkt, dass Diabetes ebenso stark das Risiko für Parodontitis erhöht wie Rauchen – der stärkste Risikofaktor für Parodontitis –, dann liegt die Erfordernis für interdisziplinäre Zusammenarbeit auf der Hand. Die Tabakentwöhnung ist neben einer optimalen Plaquekontrolle zur wichtigsten Maßnahme bei der Behandlung von Parodontalerkrankungen geworden (Ramseier et al. 2010). Effektive Rauchentwöhnungsprogramme sind wichtig. Sie zeigen Erfolge bei der Parodontitis und sind bedeutsam für viele internistische Disziplinen – wie Kardiologie oder Pulmologie. So scheint es logisch, einer effektiven Glykämiekontrolle einen ähnlich hohen Stellenwert zuzuweisen. Prof. Dr. Thomas Kocher Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald Zentrum ZMK . Abt. Parodontologie Rotgerberstraße 8 . 17495 Greifswald · Deutschland PROPHYLAXEdialog Sonderausgabe Parodontologie Diabetes mellitus und Zahnimplantate Prof. Dr. Dr. Søren Jepsen, Universität Bonn, Deutschland Der Ersatz fehlender Zähne durch Implantate hat sich zu einer erfolgreichen und wissenschaftlich fundierten Methode entwickelt. Besonders ältere Menschen, die sowohl unter Zahnverlust – der häufig durch Parodontitis verursacht wird – als auch unter Diabetes leiden, können von Implantaten profitieren. Der Grund hierfür ist, dass die ungünstigen Auswirkungen einer eingeschränkten oralen Funktion ein zusätzliches Problem bei der Blutzuckerkontrolle darstellen können (Choi et al. 2011). Diabetes mellitus wurde jedoch lange Zeit als relative Kontraindikation zu einer Versorgung mit Zahnimplantaten angesehen (Oikarinen et al. 1995; Beikler & Flemmig 2003). Die Empfehlungen lauten daher, dass Patienten mit gut kontrolliertem Diabetes für eine Implantatversorgung geeignet sein können, während bei Patienten mit unzureichender Blutzuckerkontrolle möglicherweise der Behandlungsnutzen ausbleibt (Oates et al. 2011). Implantatversorgung bei Patienten mit Diabetes – Frühkomplikationen gleich zur Baseline und eine längere Einheilphase festgestellt. Dies weist auf Veränderungen bei der Implantatstabilität hin, die mit einer beeinträchtigten Implantatintegration bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 in direktem Verhältnis zu hyperglykämischen Zuständen übereinstimmen. Implantaterhalt bei Patienten mit Diabetes – Spätkomplikationen Es liegen nur wenige Studien über die Effekte des Diabetes in Bezug auf die Langzeitergebnisse einer Implantatbehandlung vor (Salvi et al. 2008; Oates et al. 2011). Eine retrospektive Kohortenstudie berichtete Implantat-Überlebensraten bei gesundheitlich beeinträchtigten Personen wie z.B. Diabetes-Patienten (Moy et al. 2005). Obwohl bei den meisten Diabetikern eine mittelmäßige bis gute Blutzuckerkontrolle vorlag, zeigte sich bei deren Implantaten eine statistisch signifikant verringerte Überlebensrate. Bei den Diabetikern kam es wenige Monate nach der Platzierung zum Implantatverlust, der sich über den Verlauf von 10 Jahren fortsetzte und zu einer Implantat-Überlebensrate von 68,7 % bei einem relativen Risikoverhältnis von 2,75 im Vergleich zu gesunden Teilnehmern führte (Moy et al. 2005). In einer umfassenden und kritischen Übersichtsarbeit zu Zahnimplantaten bei Diabetikern (Kotsovilis et al. 2006) wurden prospektive (Shernoff et al. 1994; Morris et al. 2000; Olson et al. 2000; Peled et al. 2003) und retrospektive (Balshi & Wolfinger 1999; Fiorellini et al. 2000; Abdulwassie & Dhanrajani 2002; Elsubeihi & Zarb 2002; Farzad et al. 2002) klinische Studien eingeschlossen. Die berichteten Versagensraten bei Implantaten lagen implantatbezogen zwischen 0 und 14 % und personenbezogen zwischen 0 bis 32 % (Abb. 1), was keine klare Aussage über den Einfluss des Diabetes auf den Erfolg des Implantats zulässt. Frühkomplikationen nach Implantatinsertion können bei Patienten mit unzureichend eingestelltem Diabetes mit eingeschränkter Weichteilheilung verbunden sein, was besonders nach Augmentationsverfahren der Fall ist. Diabetes kann auch die Knochenintegration von Zahnimplantaten beeinflussen. In Tiermodellen wurde tatsächlich gezeigt, dass sich eine Hyperglykämie nachteilig auf Knochenbildung und Implantatintegration auswirkt. Der Grad der Implantatintegration war im Vergleich 7,3% Shernoff et al. 1994 12,4% zu Kontrolltieren um 30 % erW Implantatbezogene Versagensrate 0,0% Kapur et al. 1998 niedrigt (Nevins et al. 1998; W Patientenbezogene Versagensrate 0,0% 6,2% Gerritsen et al. 2000; McCracken Balshi & Wolfinger 1999 17,6% et al. 2000). Der Effekt der Blut7,8% Morris et al. 2000 zuckerkontrolle auf die Implann.b. tatintegration bei Personen mit 14,3% Fiorellini et al. 2000 n.b. Diabetes ist jedoch noch weit9,0% Olson et al. 2000 gehend ungeklärt. In einer pro15,7% 5,9% spektiven klinischen Studie zur Farzad et al. 2002 12,0% Beurteilung von Nichtdiabeti0,0% van Steenberghe et al. 2002 kern und Personen mit Typ-20,0% Diabetes (HbA1c-Werte zwischen 2,8% Peled et al. 2003 n.b. 4,7 und 12,6 %) wurde die Sta4,4% Abdulwassie & Dhanrajani 2002 bilität des Implantats über einen n.b. Zeitraum von 4 Monaten nach Moy et al. 2005 n.b. 31,8% Platzierung durch Resonanz4,2% Alsaadi et al. 2008a frequenzanalyse beurteilt (Oates n.b. 2,8% et al. 2009). Bei Patienten mit Anner et al. 2010 8,2% HbA1c > _ 8,1% wurden eine höhe0,0 % 5,0 % 10,0 % 15,0 % 20,0 % 25,0 % 30,0 % 35,0 % re maximale Verringerung bei der Implantatstabilität im VerAbb. 1: Implantatbezogene und patientenbezogene Versagensrate (%) in Studien zu Implantatergebnissen bei Diabetes-Patienten mit Teilinformationen über den Grad der Blutzuckerkontrolle, n.b. = nicht berichtet (aus Oates et al. 2011, mit freundlicher Genehmigung) PROPHYLAXEdialog Parodontologie 11 Sonderausgabe Parodontologie Der Großteil der Ergebnisse deutete darauf hin, dass Diabetes bei guter Blutzuckerkontrolle keine absolute Kontraindikation für eine Implantatinsertion ist. Wie jedoch in einer vor kurzem erstellten Übersichtsarbeit zu Diabetes, Blutzuckerkontrolle und Zahnimplantatbehandlung (Oates et al. 2011) festgestellt, wurde der Blutzuckerstatus der als „gut kontrolliert“ definierten Personen in diesen vorgenannten Studien nicht eindeutig berichtet. Drei jüngere Studien (Dowell et al. 2007; Tawil et al. 2008; Turkyilmaz et al. 2010), die interpretierbare Daten zur Blutzuckerkontrolle mit Versagensraten zwischen 0 und 2,9 % lieferten, konnten keine signifikante Beziehung zwischen Blutzuckerkontrolle und Implantatversagen zeigen. Die Studien müssen vor dem Hintergrund interpretiert werden, dass relativ wenige Patienten mit erhöhten Blutzuckerwerten eingeschlossen waren und sie nur eingeschränkte Informationen über die Langzeiteffekte von Diabetes auf das Implantatüberleben bieten. Daher müssen die Rolle von Implantaten bei der Verbesserung der oralen Funktion im Rahmen einer Diabetestherapie und die Effekte der Hyperglykämie auf die Implantatintegration noch geklärt werden (Oates et al. 2011). Da Parodontitis und Diabetes bekannte Risikofaktoren/Indikatoren für die Entwicklung periimplantärer Erkrankungen sind und da es keine evidenzbasierten Konzepte für die erfolgreiche Therapie einer Periimplantitis gibt (Lindhe & Meyle 2008), gelten die folgenden Empfehlungen: Patienten mit Diabetes, bei denen Implantate gesetzt wurden, profitieren mit hoher Wahrscheinlichkeit von wirkungsvoller persönlicher Mundhygiene und intensiver und häufiger professioneller Erhaltungspflege, um periimplantäre Infektionen zu vermeiden – dies gilt vor allem dann, wenn der Zahnverlust auf Parodontitis zurückzuführen ist. Mechanische Plaquekontrolle durch den Patienten sollte den Gebrauch klinischer Hilfsmittel beinhalten und kann durch die Verwendung von Zahnpasten und Spülungen mit antibakteriellen und antiinflammatorischen Eigenschaften begleitet werden. Darüber hinaus ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Zahnärzten und Diabetologen unbedingt zu empfehlen (Deschner et al. 2011; Preshaw et al. 2012). Abb. 2: Periimplantitis-Läsion 5 Jahre nach Implantatplatzierung bei einem Patienten mit Typ-2-Diabetes und Parodontitis a) klinisches Erscheinungsbild mit Suppuration b) radiographisch nachgewiesener Knochenverlust Zwar wurde die Verbindung zwischen Diabetes und Implantatverlust eingehender untersucht; es gibt jedoch nur eine Studie zur Verbindung zwischen Diabetes und Periimplantitis (Abb. 2). Ferreira et al. (2006) untersuchten in einer Querschnittsstudie das Vorhandensein von Risikovariablen für periimplantäre Infektionen. Die Prävalenz periimplantärer Mukositis und Periimplantitis lag bei 64,6 % bzw. 8,9 %. Das Vorliegen eines Diabetes war statistisch mit einem höheren Periimplantitisrisiko verbunden. 12 Parodontologie Prof. Dr. Dr. Søren Jepsen Zentrum für ZMK · Poliklinik für Parodontologie, Zahnerhaltung und Präventive Zahnheilkunde Welschnonnenstraße 17 · 53111 Bonn · Deutschland PROPHYLAXEdialog Sonderausgabe Parodontologie Diabetes und Mundschleimhautveränderungen Dr. Irène Hitz-Lindenmüller, Prof. Dr. J. Thomas Lambrecht, Universitätskliniken für Zahnmedizin, Basel, Schweiz Diabetes mellitus ist eine chronische Stoffwechselstörung, bei der die Blutzuckerwerte erhöht sind. Es werden zwei Typen unterschieden: Beim Diabetes mellitus vom Typ 1 besteht ein Mangel an Insulin, da die Bauchspeicheldrüse kaum oder gar kein Insulin mehr produziert. Die Krankheit beginnt meist in der Jugend und tritt in 10 % der Fälle auf. Etwa 90 % der Diabetiker leiden unter einem Typ-2-Diabetes. Beim Diabetes mellitus vom Typ 2 wird zwar noch Insulin ausgeschüttet, aber die Körperzellen reagieren unzureichend auf das Hormon. Davon betroffen sind meist ältere Menschen. Oft wird ein Diabetes mellitus spät erkannt, da die Patienten keine oder nur geringe Beschwerden haben. Deshalb wird die Zuckerkrankheit meist im Rahmen einer Routineuntersuchung beim Hausarzt diagnostiziert. Dem Zahnarzt kommt daher eine Schlüsselrolle bei der Detektion einer möglichen Diabetes-Erkrankung zu, obwohl die Symptome relativ unspezifisch sind. Folgende Veränderungen können im Zusammenhang mit einem Diabetes mellitus stehen: W schlecht heilende Wunden, W Pilzinfektionen, W Mundwinkelrhagaden (Cheilitis angularis), W Prothesenstomatitis, W Landkartenzunge (Lingua geographica), W mediane rhomboide Glossitis (Glossitis rhombica mediana), W Speicheldysfunktion und Mundtrockenheit, Da feine Nerven ebenfalls geschädigt sind, empfindet der Patient Wunden nicht als schmerzhaft, sodass diese unbemerkt an Größe zunehmen und erst in einem fortgeschrittenen Stadium entdeckt und behandelt werden können. Diabetes und Pilzinfektionen und Candida-assoziierte Befunde Diabetiker sind von Pilzinfektionen eher betroffen als gesunde Individuen. Der nicht nur im Blut, sondern auch im Speichel erhöhte Glukosespiegel dient als Nahrungsquelle für Mikroorganismen, wodurch deren Vermehrung und Adhäsion an der Schleimhaut begünstigt wird. Unter einer erhöhten Pilzanfälligkeit leiden dabei hauptsächlich Patienten, die zusätzlich rauchen, Zahnprothesen tragen, einen schlecht eingestellten Diabetes aufweisen sowie Steroide und Breitbandantibiotika einnehmen müssen (Willis et al. 1999; Guggenheimer et al. 2000). Neuere Untersuchungen wiesen nach, dass in über 80 % der Fälle Candida albicans für die Prothesenstomatitis (Abb. 1) verantwortlich ist, wobei die Prävalenz der Candida-Spezies bei gut eingestellten Diabetikern mit einem Typ 2 ähnlich derjenigen der gesunden Kontrollgruppe war (Sanita et al. 2011). Auch in der Studie von Bremenkamp et al. (2011) war Candida albicans die am häufigsten isolierte Pilzspezies, wobei kein Unterschied zwischen Patienten mit Typ-1- und Typ-2-Diabetes festgestellt werden konnte. W Geschmacksstörungen, W Mundbrennen, W Oraler Lichen planus Wieso heilen Wunden bei Diabetikern schlechter? Bei Diabetikern ist der Blutzuckerwert erhöht. Bei langjährigem Krankheitsverlauf kommt es dadurch zu einer Schädigung der Blutgefäße (Mikroangiopathie). Daraus resultiert eine mangelnde Sauerstoffversorgung, was bei einer Verletzung (z.B. Prothesendruckstelle, Bissverletzung, Zahnputztrauma) zu einer schlechteren Wundheilung führt. Durch die Mangelversorgung von Sauerstoff und Nährstoffen sind auch Abwehrmechanismen gegen bakterielle, virale oder mykotische Infektionen vermindert. Der Heilungsprozess dauert insbesondere bei schlecht eingestellten Diabetikern bedeutend länger als bei Gesunden, und das Risiko für eine Wundinfektion steigt. PROPHYLAXEdialog Abb. 1: Prothesenstomatitis bei einem Patienten mit schlecht eingestelltem Diabetes mellitus Typ 2 Die anguläre Cheilitis (Abb. 2) als eine weitere Candida-assoziierte Läsion scheint bei Diabetikern öfter als bei gesunden Individuen aufzutreten. Parodontologie 13 Sonderausgabe Parodontologie Zusätzlich sind vermehrt die Glossitis rhombica mediana sowie die Landkartenzunge (Abb. 3) zu beobachten, was mitbedingt ist durch die mikrovaskulären Veränderungen, die von der Grunderkrankung ausgelöst wurden (Guggenheimer et al. 2000; Ponte et al. 2000). Für eine Korrelation könnte sprechen, dass es sich beim Diabetes Typ 1 um einen Autoimmunprozess handelt, bei dem die insulinproduzierenden LangerhansZellen der Bauchspeicheldrüse zerstört werden und das Immunsystem möglicherweise ebenfalls eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung eines Oralen Lichen planus spielt (Petrou-Amerikanou et al. 1998). Da beim Diabetes Typ 2 eine Insulinresistenz vorliegt, kann eine erhöhte Inzidenz des Oralen Lichen planus damit aber nicht erklärt werden. Die mögliche Lokalisation des Oralen Lichen planus kann aufgrund der Literaturrecherche ebenfalls nicht auf einen Ort beschränkt werden. Während BaganSebastian et al. (1993) orale Befunde vor allem an der Zunge fanden, konnten andere Autoren den Oralen Lichen planus typischerweise an der vestibulären Mukosa, dem Gaumen und dem Mundboden lokalisieren (Ponte et al. 2001). Es scheint, dass bei Diabetikern insbesondere die atroph-erosive Form vorherrscht (Torrente-Castels et al. 2010). Abb. 2: Cheilitis angularis bei demselben Patienten wie in Abb. 1 Saini et al. (2010) konnten keinen statistisch signifikanten Unterschied bezüglich oralen potenziell malignen Konditionen (z.B. Oraler Lichen planus) zwischen diabetischen und nicht-diabetischen Patienten finden. Zusammenfassung Abb. 3: Ausgeprägte Landkartenzunge mit Candidiasis bei einem Diabetiker und Raucher Schlecht heilende Wunden, erhöhte Anfälligkeit auf Pilzinfektion sowie Mundbrennen und Mundtrockenheit können im Zusammenhang mit einem schlecht eingestellten oder noch nicht entdeckten Diabetes mellitus stehen. In diesem Fall sollte der Hausarzt zur Abklärung hinzugezogen werden. Ein weiteres Zeichen einer Diabetes-Erkrankung kann eine degenerative Speicheldrüsenerkrankung sein, bei der insbesondere die Glandula parotis beidseits asymptomatisch anschwillt. In der Folge kommt es zu einer verminderten Speichelsekretion, die zu Mundtrockenheit, Geschmacksstörungen, Mundbrennen sowie zu einer erhöhten Gefahr für eine Pilzinfektion führt. Der Speichel ist beim diabetischen Patienten zudem hoch viskös, was wiederum die Anheftung von Mikroben an der Schleimhaut fördert (Negrato & Tarzia 2010). Diabetische Patienten müssen in ein strenges zahnärztlich-stomatologisches Recallsystem eingebunden werden. Zahnärzte haben die Möglichkeit und die Verantwortung, ihre an Diabetes erkrankten Patienten auf die Gefahren eines schlecht eingestellten Diabetes hinzuweisen und aufzuklären. Diabetes und Oraler Lichen planus Im Sinne des Patienten sollte eine interdisziplinäre Betreuung gewährleistet werden. Es wird in der Literatur kontrovers diskutiert, ob ein Zusammenhang zwischen einer Diabetes-Erkrankung und dem Oralen Lichen planus besteht (Ponte et al. 2001; Bastos et al. 2011). 14 Die heutige Aufgabe des Zahnarztes besteht vermehrt darin, nicht nur die dentalen Verhältnisse, sondern auch die Schleimhautsituation zu beurteilen. Veränderungen an der oralen Mukosa sind oft nicht nur als lokales Geschehen, sondern als allgemeinmedizinisches Phänomen zu betrachten. Parodontologie Da sich die Befunde durch einen ungenügend eingestellten Diabetes mellitus und Rauchen zusätzlich verschlechtern, sollte die Aufgabe des Zahnarztes ebenso die Raucherentwöhnung des Patienten beinhalten. Dr. Irène Hitz-Lindenmüller Universitätskliniken für Zahnmedizin Klinik für zahnärztliche Chirurgie, Radiologie, Mund- und Kieferheilkunde Hebelstraße 3 . CH-4056 Basel . Schweiz PROPHYLAXEdialog Sonderausgabe Parodontologie Diagnose von Mundgeruch Diagnose Selbstbeurteilung Frederique Vancauwenberghe, Prof. Dr. Marc Quirynen, Katholische Universität Löwen, Belgien Einleitung Mit dem Begriff Halitosis (wobei „halitus“ „Atem“ und „osis“ „unnormal“ bedeutet) bezeichnet man unangenehmen, aus Mundluft und Atem ausstrahlenden Geruch, ungeachtet seines Ursprungs (Wiley & Sons 2008). Mundgeruch kann die soziale Kommunikation beeinträchtigen. Für die pharmazeutische und kosmetische Industrie ist Mundgeruch ein wichtiger Markt geworden (Bosy 1997). In ca. 80 – 90 % der Fälle hat Halitosis eine intraorale Ursache und wird als Mundgeruch definiert. Ätiologie und Pathogenese Die Selbstbeurteilung von Mundgeruch ist unzuverlässig (Rosenberg et al. 1995). Die meisten Patienten gewöhnen sich sogar an ihren eigenen schlechten Atem und riechen ihn nicht mehr. Unter diesem Gesichtspunkt wäre ein Schnelltest zur Anwendung in der Praxis oder ein Test, den der Patient zu Hause durchführen kann, äußerst hilfreich. Organoleptische Messungen Mundgeruch wird üblicherweise durch direktes Riechen der von den Probanden ausgeatmeten Luft beurteilt (Abb. 1). Dieser Parameter gilt als „Goldstandard“. Ein Zahnarzt kann eine solche Atemauswertung vornehmen. In klinischen Studien verpflichtet man jedoch häufig geschulte Atembewerter. Sie beurteilen die ausgeatmete Luft der Probanden und stufen ihre Bewertungen je nach Schweregrad des Leidens auf einer Sechspunkteskala (0 – 5) ein (Rosenberg et al. 1991). Im Mund kann eine Reihe akuter Krankheitszustände unangenehmen Geruch verursachen (d.h. perikoronale Infektionen, orale Geschwüre, akute Herpesgingivostomatitis, akute nekrotische Plaut-Vincent-Angina ...) (Koshimune et al. 2003). In den meisten Fällen geht Mundgeruch jedoch mit parodontalen Erkrankungen einher oder entsteht aus der chronischen Wirkung von Bakterien, die die Zunge überziehen (Needleman et al. 2004). Zu den extraoralen Ursachen zählen u.a. Erkrankungen des Nasen- und Rachenraums (d.h. chronische Sinusitis, Sekretfluss in den Rachen sowie in der Nase befindliche Fremdkörper, Atemwegsinfekte, Bronchialkarzinom), Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes (d.h. Magengeschwüre, Pylorusstenose), diabetische Ketoazidose, Niereninsuffizienz, Leberinsuffizienz oder seltene Stoffwechselstörungen (Trimethylaminurie) (Delanghe et al. 1997). Abb. 1: Beurteilung der durch den Mund ausgeatmeten Luft Mundgeruch entsteht aus flüchtigen, übelriechenden Substanzen, die anaerobe Bakterien durch den Abbau von Bestandteilen aus Epithelzellen, Proteinen und Nahrungsresten erzeugen (Tonzetich & Richter 1964). Aufgrund ihrer rauen Oberfläche und tiefen Klüftungen ist die Zunge ein Umfeld, das für das Wachstum anaerober Organismen besonders gut geeignet ist. Die Zunge ist von allen Geweben im Mund am stärksten mit Bakterien belastet. Man nimmt an, dass die Bakterienmasse am hinteren Dorsum der Zunge die Stelle ist, an der die meisten übelriechenden Substanzen erzeugt werden (Bosy et al. 1994; Qurirynen et al. 2004). Beurteilt wird der Geruch (a) des Mundes, ohne dass der Proband atmet, (b) der durch den Mund ausgeatmeten Luft, (c) der ausgepressten Luft, (d) der durch das linke oder rechte Nasenloch ausgeatmeten Luft, (e) des getrockneten Speichels (nach Lecken am Handgelenk oder langem Zählen, sodass der Mund austrocknen kann), (f) des Zungenbelags von den vorderen zwei Dritteln oder dem hinteren Drittel und (g) schließlich der Approximal-Plaque. Für die endgültige Diagnose ist dies sehr hilfreich (siehe Tabelle). Bisher richtete man die Aufmerksamkeit vor allem auf flüchtige Schwefelverbindungen (VSC) unter Einschluss von Methylmercaptan, Schwefelwasserstoff und Dimethylsulfid. Allerdings können auch andere Substanzen zu schlechtem Geruch beitragen (d.h. Diamine wie z.B. Putrescin und Cadaverin) oder auch Phenylverbindungen wie z.B. Indol, Skatol und Pyridin). Sulfidmonitor: Es gibt einen gut verfügbaren, tragbaren Sulfidmonitor, das Halimeter ® (Interscan Corporation, Chatsworth, CA, USA). Das Gerät testet die Atemluft auf die Höhe der Schwefelemissionen (Rosenberg et al. 1991). Die Messung erfolgt über einen Trinkhalm, der an dem biegsamen, mit dem Instrument verbundenen Schlauch befestigt ist. Der PROPHYLAXEdialog Instrumentale Messungen Parodontologie 15 Sonderausgabe Parodontologie Bedingung: ausgeatmete Luft: Diagnose mit hoher Wahrscheinlichkeit: + = Geruch Luft ausgeatmet durch Mund + und durch Nase + Systemische Erkrankung wie Diabetes, Niereninsuffizienz, Leberinsuffizienz, seltene Stoffwechselstörungen ... Ausgeatmet durch Mund – aber durch Nase + HNO-Pathologie Luft ausgeatmet durch Mund: R Erster Teil +, danach – R Erster Teil –, gepresster Teil + Mundgeruch Lungenpathologie / Stoffwechselerkrankung Mund ohne Atmen + Mund beim Zählen + Lecken am Handgelenk und trocknen + Mundgeruch Von der Zunge entnommener Belag + Zungenbelag (auch bei Familienmitgliedern um Bestätigung bitten) Tabelle: Leitlinien für eine „Anfangs“-Diagnose Trinkhalm wird 2 cm tief zwischen die Lippen gesteckt, ohne irgendeine Oberfläche zu berühren. Die Zunge wird herausgestreckt, und die Probanden müssen während der Messung den Atem anhalten. Die Ablesewerte (VSC-Spitzenwerte) werden in Teilen pro Milliarde (ppb) angezeigt. Werte über 160 ppb gelten als Merkmal für einen Patienten mit echter Halitosis. Ein großer Nachteil dieses Geräts besteht darin, dass es nicht zwischen verschiedenen Sulfiden differenzieren kann (Furne et al. 2001). Es reagiert hoch empfindlich auf Schwefelwasserstoff, hat aber eine geringere Empfindlichkeit für Methylmercaptan, obgleich Methylmercaptan bei gleicher Konzentration dreimal unangenehmer ist als Schwefelwasserstoff. Es besteht also die Möglichkeit, dass das Halimeter bei Menschen mit hohen Methylmercaptan-Konzentrationen den schlechten Geruch unterschätzt. Ob zwischen der organoleptischen Punktzahl und den vom Halimeter gemessenen Werten eine Übereinstimmung besteht, ist fraglich (Willis et al. 1999). Über die flüchtigen sulfidhaltigen Verbindungen hinaus erfasst das Halimeter keine anderen, zur Halitosis beitragenden Geruchsstoffe (d.h. Polyamine, Alkane, Ketone, flüchtige, kurzkettige Fettsäuren). Weitere Nachteile sind die Empfindlichkeit gegenüber Alkohol (Ethanol) und die im Lauf der Zeit nachlassende Empfindlichkeit des Geräts, die regelmäßige Nachkalibrierungen erforderlich macht (Rosenberg et al. 1992). Gaschromatographie: Gaschromatographie ist die bei Weitem am besten geeignete Methode zum Nachweis von Halitosis unterschiedlichen Ursprungs. Sie ist als Goldstandard zu betrachten. Die Proben (Speichel, Zungenbelag oder ausgeatmete Luft) werden identifiziert, indem man die in den Analysen erzeugten Massenspektren mit den Spektren in einer international zugänglichen, computerisierten Referenzbibliothek vergleicht. Die Hauptnachteile der GC-Messung sind, 16 Parodontologie dass sie vergleichsweise teuer und schwer transportierbar ist sowie hochgradig geschultes Personal erfordert. Hinzu kommen die aufwendigen Nachweis- und Messverfahren. Zurzeit wird eine neue Technologie (Abb. 2) auf dem Markt eingeführt: Es handelt sich um tragbare Geräte wie z.B. das Oral Chroma ® (Abilit Corporation, Osaka City, Japan). Es ist speziell auf die digitale Messung der drei wichtigsten VSC auf molekularer Ebene ausgelegt (Schwefelwasserstoff, Methylmercaptan und Dimethylsulfid; Murata et al. 2006). Abb. 2: Tragbarer Gaschromatograph, der eine mengenmäßige Erfassung folgender drei flüchtiger Schwefelzusammensetzungen (VSC) erlaubt: Methylmercaptan, Schwefelwasserstoff und Dimethylsulfid Frederique Vancauwenberghe Prof. Dr. Marc Quirynen Katholieke Universiteit Leuven Afdeling Parodontologie Kapucijnenvoer 33 . B-3000 Leuven . Belgien PROPHYLAXEdialog Sonderausgabe Parodontologie European Federation of Periodontology (EFP) Wer oder was ist die EFP? Die European Federation of Periodontology ist eine gemeinnützige wissenschaftliche Organisation im Bereich der Zahnmedizin, der mehr als 15.000 Ärzte aus 26 nationalen parodontologischen Fachorganisationen in Europa angehören. Die EFP ist die führende Fachgesellschaft in Europa, die sich mit Fragen aus allen Bereichen der Parodontologie beschäftigt. Vision der EFP ist, in Europa die treibende Kraft im Bereich der Parodontologie zu sein. Die Hauptziele der Organisation bestehen darin, innerhalb der parodontologischen Fachgesellschaften Europas einen hohen wissenschaftlichen Kenntnisstand zu erreichen, insbesondere auf den Gebieten der Parodontologie, der parodontalen Gesundheit und Gesundheitspflege sowie der parodontologischen Aus- und Weiterbildung für Studenten und Hochschulabsolventen. Darüber hinaus setzt sich die EFP für die Anerkennung der Parodontologie als eigenes Fachgebiet ein. Auf diese Ziele wird dank der beständigen Anstrengungen der EFP-Mitglieder durch wissenschaftliche Konferenzen, Aufbaustudiengänge, Workshops in Europa, die Fachpublikation Journal of Clinical Periodontology sowie durch den Newsletter und die Website der EFP kontinuierlich hingearbeitet. EuroPerio-Kongress Der EuroPerio-Kongress, der 1994 seine Premiere feierte und seitdem alle drei Jahre stattfindet, hat sich gleichsam zu einem Markenzeichen entwickelt. Mit Teilnehmern aus mehr als 80 Ländern genießt er weltweit ein hohes professionelles Renommee in der zahnmedizinischen Branche. Bisher haben sieben EuroPerioKongresse erfolgreich zu einem hohen wissenschaftlichen Kenntnisstand auf dem Gebiet der Parodontologie beigetragen – zuletzt EuroPerio7 vom 6. bis 9. Juni 2012 in Wien. European Workshop on Periodontology Seit 1993 bildet sich bei dieser erfolgreichen Workshop-Reihe in Europa ein Konsens der Expertenmeinungen zu wichtigen Fragen auf den Gebieten der Parodontologie und Implantologie, was auch auf die Mitwirkenden der EFP außerhalb Europas ausstrahlt. Die Resultate der Workshops werden veröffentlicht und über 14.000 Personen sowie mehr als 700 Institutionen weltweit zur Verfügung gestellt. PROPHYLAXEdialog Von der EFP anerkanntes Graduiertenprogramm auf dem Gebiet der Parodontologie Die European Federation of Periodontology hat dieses Programm als offiziellen Fortbildungskurs für Absolventen in der Parodontologie übernommen; hierdurch wurden die Standards für die Evaluation parodontologischer Schulungsprogramme neu definiert. Elf Schulungseinrichtungen sind von der EFP anerkannt. Das Fachgebiet der Parodontologie 2005 wurde die europäische Richtlinie zur Anerkennung von Berufsqualifikationen angenommen. Hierdurch wurde die Parodontologie als Fachgebiet in 11 europäischen Ländern anerkannt. Im Juni 2011 veröffentlichte die Europäische Kommission ein Grünbuch zur Spezialisierung innerhalb der Medizin. Demnach soll die Anzahl der europäischen Länder, in denen eine Disziplin als Fachgebiet geführt wird, von einem Fünftel auf ein Drittel erhöht werden, damit eine automatische Erkennung des jeweiligen Fachgebiets durch die Europäische Kommission erfolgen kann. Im August 2011 unterstützte die EFP diesen Vorschlag ausdrücklich in einem Schreiben an die Europäische Kommission. Journal of Clinical Periodontology Im Dezember 1993 wurde das Journal of Clinical Periodontology (JCP) die offizielle Publikation der EFP. Bis 2004 wirkte Jan Lindhe als versierter Herausgeber dieser Fachzeitschrift und wurde anschließend zum „Editor Emeritus“ ernannt. Neuer Herausgeber wurde Maurizio Tonetti, unter dem das JCP ein so hohes Niveau erreichte, dass es mit einem Impact-Factor von 3.933 in den ISI Journal Citation Reports nunmehr den 1. Platz unter 74 Fachzeitschriften in den Kategorien Zahnmedizin, Oralchirurgie und Medizin belegt. Haben Sie Interesse an der European Federation of Periodontology? Dann besuchen Sie www.efp.net ! Informationen für Patienten (mit Videos) sind im öffentlich zugänglichen Bereich der Homepage zu finden, der sich eher an ein allgemeines Publikum richtet, das an näheren Informationen zur Parodontologie interessiert ist. Im Mitgliederbereich sind Anzeigen, ein Anamnese-Fragebogen zum Herunterladen und eine Einverständniserklärung in 13 Sprachen zu finden. Außerdem enthält die Internetseite den offiziellen Newsletter EFP News, der alle Mitglieder über die neuesten Aktivitäten der EFP auf dem Laufenden hält. Parodontologie 17 Sonderausgabe Parodontologie Bei den zentralen Artikeln handelt es sich um Botschaften des Präsidenten und des Herausgebers. Des Weiteren werden Highlights aus den Sitzungen der Geschäftsleitung und der Generalversammlung, die Geschichte der EFP, Nachrichten der nationalen Gesellschaften, Preise und Auszeichnungen, EuroPerio-Sitzungen sowie die European Workshops in Periodontology vorgestellt. Darüber hinaus sind Informationen über die alle zwei Jahre stattfindenden Symposien für EFP-Absolventen zu finden sowie die Profile der von der EFP anerkannten Graduiertenprogramme auf dem Gebiet der Parodontologie. Abgerundet wird der Newsletter durch einen Kalender, in dem Veranstaltungen der nationalen Gesellschaften und Organisationen mit Bezug zur Parodontologie aufgeführt sind. Dr. Joanna Kamma Herausgeberin der EFP News Deutsche Gesellschaft für Parodontologie e.V. (DGP) Parodontitis: In Deutschland in aller Munde Etwa 12 Millionen Bundesbürger leiden an unbehandelten schweren Formen parodontaler Erkrankungen, zumeist Parodontitis. Das wissen wir Zahnärzte seit der 4. Deutschen Mundgesundheitsstudie (DMS IV) von 2006. Seither versucht die Deutsche Gesellschaft für Parodontologie (DGP), für dieses gesundheitspolitische Problem eine breite Öffentlichkeit zu finden. Aber sind sich die Betroffenen ihrer Erkrankung auch bewusst? Das Institut der Deutschen Zahnärzte (IDZ) hat 2008 einige hochinteressante, aber auch erschreckende Antworten gefunden. Nicht nur, dass in der Werbung und sicher auch deshalb in den Köpfen vieler Bundesbürger der falsche Begriff „Parodontose“ für die entzündliche Zerstörung des Zahnhalteapparates immer noch herumgeistert. 10 % von immerhin 1.001 Befragten konnten auf die Frage, was Parodontitis bzw. „Parodontose“ ist, keine Antwort geben. Die Untersuchung des IDZ verdeutlicht eindrucksvoll: Den Bundesbürgern fehlt es an Wissen über und an Bewusstsein für Parodontitis, immerhin die häufigste orale Erkrankung der Erwachsenen. Es ist durchaus plausibel, zwischen geringem Bewusstsein für und hoher Prävalenz von Parodontitis Zusammenhänge herzustellen. Die DGP hat deshalb eine App zum Selbsttesten von Parodontitis herausgebracht. Seit März 2012 ist die App „Selbsttest Parodontitis“ für jeden verfügbar. Mit der neuen Anwendung sollen auf spielerische Art Berührungsängste abgebaut und der Zugang zur Parodontitisbehandlung erleichtert werden. 18 Parodontologie Viele Betroffene scheuen aus Unsicherheit den Weg zum Zahnarzt. Einfach, verständlich und leicht zu bedienen, führt die neue App den Laien zu einer groben Einschätzung, ob eine parodontale Erkrankung vorliegen könnte. Elf Fragen mit je drei Antwortmöglichkeiten ermitteln die persönliche Erkrankungswahrscheinlichkeit. Ist diese hoch, wird dem Selbsttester zum Besuch bei seinem Zahnarzt geraten. Wer einen parodontologisch interessierten Zahnarzt sucht, wird mit der Mitgliedersuche der DGP-Homepage verbunden. Da der App-Anwender sich nicht dem Stress des Zahnarztbesuchs unterziehen muss, um seine Erkrankungswahrscheinlichkeit zu ermitteln, erhofft sich die DGP eine hohe Akzeptanz und damit auch eine breite Anwendung des Tests in der Gesellschaft. Wer oder was ist die DGP? Die DGP nimmt wissenschaftliche und fachliche Aufgaben auf dem Gebiet der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, insbesondere der Parodontologie, wahr. Für ihre fast 4.400 Mitglieder sowie zahnärztliche Organisationen ist sie seit nahezu 90 Jahren beratend und unterstützend in parodontologischen Fragen tätig. Zu den Aufgaben der DGP gehört die Förderung der Forschung auf dem Gebiet der Parodontologie. Im Jahr 2011 hat die DGP u.a. in Kooperation mit ihrem Industriepartner GABA Forschungsförderungen und wissenschaftliche Preise in einer Gesamthöhe von 100.000 Euro vergeben. Ferner kümmert sie sich um die Auswertung, Verbreitung und Vertretung wissenschaftlicher Erkenntnisse. Erstmals veröffentlichte die DGP 2011 ein Jahrbuch mit den 10 klinisch bedeutsamsten Artikeln des Journal of Clinical Periodontology (JCP) 2010 in deutscher Sprache. Im Sommer 2012 erscheint das deutsche JCP-Jahrbuch 2011. Die DGP hat zusammen mit ihrem Industriepartner GABA Patientenratgeber zu den Themen Gesundes Zahnfleisch, Parodontitis, Implantate und Halitosis erstellt, die kostenlos angefordert werden können. Weitere wesentliche Tätigkeitsschwerpunkte sind die Durchführung wissenschaftlicher Tagungen sowie die Fort- und Weiterbildung auf dem Gebiet der Parodontologie mit der Ausrichtung entsprechender Veranstaltungen. Die DGP arbeitet, auch interdisziplinär, intensiv mit wissenschaftlichen Gesellschaften, Arbeitsgemeinschaften und Institutionen des In- und Auslandes zusammen. Sie verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke. Sie interessieren sich für Parodontologie? Werden Sie Mitglied! Weitere Informationen: www.dgparo.de PROPHYLAXEdialog Sonderausgabe Parodontologie DGP-Veranstaltungen 2012 und 2013 19.– 21.7.2012 Update Paro in München Thema: Update Parodontologie und Implantattherapie (Prof. Hürzeler) 24.11.2012 DGP-Teamtag in Heidelberg Thema: Update Mundhygiene – Welches Hilfsmittel soll wo und wann eingesetzt werden? (Prof. Dörfer) 1. – 2.2.2013 DGP-Frühjahrstagung in Frankfurt, Campus West Thema: Implantattherapie heute – die Evolution des Züricher prothetischen Konzeptes (Prof. Hämmerle und PD Jung) 19.– 21.9.2013 DGP-Jahrestagung in Erfurt Thema: Notwendig vs. machbar – parodontale Therapie am älteren Patienten Prof. Dr. Peter Eickholz DGP-Präsident Das Unsichtbare sichtbar machen Colgate und GABA sind gemeinsamer Sponsor einer innovativen Computer-Animation Das Unsichtbare sichtbar zu machen und gleichzeitig eine Faszination für die Wissenschaft zu wecken, ist die Absicht einer neuen hochwertigen Computeranimation, herausgegeben von Quintessenz. „Cell-toCell Communication – Inflammatory Reactions“ lautet der Titel der Animation, in welcher sich in HD-Qualität die Kommunikation zwischen Körperzellen erleben lässt. Der Film zeigt die hochkomplexen Prozesse des interzellulären Zusammenspiels mit Botenstoffen während einer entzündlichen parodontalen Reaktion. Die verschiedenen Zelltypen fungieren als Hauptdarsteller des Films. In einem perfekt aufeinander abgestimmten Prozess kommunizieren sie in dem Bestreben, die bakteriellen Eindringlinge zu zerstören. Die Botenstoffe als Nebendarsteller unterstützen sie darin. Die Premiere dieses neuen und innovativen Fortbildungs-Tools fand auf der EuroPerio7 in Wien statt. Die Animation ist als DVD mit und ohne Begleitbuch verfügbar. Sie wurde durch das „Oral Health Network“, eine gemeinsame Fortbildungsinitiative von Colgate und GABA, gesponsert. Enzyklopädie der Zahnmedizin Ebenfalls mit Unterstützung des Oral Health Networks wird in Kürze ein weiteres Fortbildungs-Tool des Quintessenz-Verlags verfügbar sein: das GOPP (Glossary of Preventive Dentistry and Periodontology). Dieses wird die im Aufbau befindliche universelle Enzyklopädie der Zahnmedizin um Fachbegriffe aus der Prävention und Parodontologie ergänzen. Schon jetzt enthält die Zusammenstellung Definitionen und Beschreibungen von mehr als 5.300 zahnmedizinischen Fachausdrücken, von denen viele illustriert sind. Es handelt sich um ein mehrsprachiges Lexikon, das als weltweite Referenzquelle dient und in den Sprachen Englisch, Spanisch, Französisch, Deutsch, Italienisch und Portugiesisch verfügbar ist. Viele Lexikon-Artikel enthalten Verweise auf andere Einträge. Weitere Informationen: www.quintessenz.de PROPHYLAXEdialog Parodontologie 19