Ring, Tröller-Reimer_ Limoge 2001

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4/2001
Berichte
zur Denkmalpflege
in Niedersachsen
Limoges - Lüneburg: Ein mittelalterlicher Emailbeschlag aus der
St. Lambertikirche zu Lüneburg
Edgar Ring I Andrea Träller-Reimer
3
Vorbemerkung
größtenteils bis auf die Ebene der Ver­
goldung absprengen. In Bereichen, wo
Während der letzten Kampagne des von
dies nicht möglich war, wurde mit Titri­
1998 - 2000 durchgeführten Ausgra­
plex 111, einem Salz der Ethylendiaminte­
bungsprojektes
traessigsäure, gearbeitet. Dieses ist in
u
S1. Lamberti - Ausgra­
bung einer untergegangenen KircheH in
der lage, Korrosionsprodukte von Kup­
Lüneburg wurde ein kleines Objekt ge­
fer zu lösen. Da der Basiskörper der Fi­
borgen, dessen Bedeutung erst allmäh­
gur aus Kupfer besteht, war hierbei na­
lieh erkannt werden konnte (Kühlborn
türlich äußerste Vorsicht geboten. Die
2001). Der 6,5 cm hohe, rund 2,5 cm
Vergoldung durfte nicht geschädigt
breite Metallgegenstand von Schlüssel­
werden.
loch ähnlicher Kontur war von einer hell­
bis dunkelgrünen Korrosionsschicht be­
deckt (Abb.
1).
Die Restaurierung des Fundes
In den Restaurierungswerkstätten des
4
, Zustand des Fundes bei Einlieferung in
die Restaurierungswerkstatten im Nieder­
sachsischen landesamt far Denkmalpfle­
g'.
2 Die Röntgenaufnahme zeigt deutlich
den Aufbau der Figur.
3 Die Vorderseite der restaurierten Figur.
4 Di e ROckseite der restaurierten Figur mit
deutlich erkennbarer Ziffer.
Das Objekt wurde vor der chemischen
Behandlung längere Zeit in destilliertes
Wasser gelegt, um eine Einwirkung des
Eine französische Emailarbeit des
Mittels in Bereiche unterhalb der Vergol­
Mittelalters
dung zu verhindern. Anschließend er­
folgte eine Badbehandlung mit Titriplex,
Erst nach dieser aufwändigen und be­
nach kurzer Einwirkzeit dann eine Neu­
hutsamen Restaurierung des _Schlüssel­
loch artigen - Metallgegenstandes aus
Niedersachsischen landesamtes für
tralisation, wobei das Bad mehrfach ge­
Denkmalpflege erfolgten erste Freite­
wechselt wurde. Nach dem Trocknen
der St. Lambertikirche wurde dessen Be­
gungsproben. Dabei zeigte sich, dass un­
war deutlich zu erkennen, dass sich die
deutung deutlich. Die Figur hat den Kopf
ter den Auflagerungen eine Vergoldung
Korrosion gelöst hatte. Für die vollständi­
mit welligem Haar leicht nach rechts ge­
liegt. Röntgenspektrometrische Messun­
ge Abnahme wurde die chemische Frei­
neigt, ein Strahlenkranz aus blauem
gen ergaben, dass es sich um eine Feuer­
legung mit der mechanischen kombi­
Email umgibt den Kopf. Die Konturen
vergoidung auf einem Kupfer mit hohem
niert, was sich als besonders effektiv er­
der Strahlen sind durch eine gravierte li­
Nickelanteil handelt. In einem nächsten
wies.
nie betont. Eine weitere Linie begleitet
Schritt wurde das Objekt geröntgt. Im
Mit äußerster Vorsicht musste mit
den Nimbus. Der Körper der Figur ist
unteren Bereich des Objektes sind zwei
dem Email verfahren werden, da sich
leicht konvex ausgebildet. Stege, die Ar­
gleich große löcher zu erkennen, darü­
durch Risse Korrosionsprodukte des Kup­
me und den Faltenwurf eines Gewandes
ber eine Nietung. Deutlich markiert sich
fers über die Emailflächen geschoben
andeuten, umschließen Gruben, die
eine Figur mit Nimbus, unterschiedlich
hatten. Am schonendsten erwies sich
ebenfalls mit blauem Email gefüllt sind.
dicke _StegeH wurden als Gliederung
hier die chemische Reinigung, da da­
des Korpus gedeutet. Die metallischen
durch das teilweise schon SChuppenartig
Bereiche erscheinen im Röntgenbild hell,
aufgeworfene Email nicht geschädigt
der Befestigung. Auf der Rückseite der
die dazwischen liegenden Bereiche dun­
wurde.
kleinen Figur ist zu erkennen, dass ein
kel (Abb
.
2).
Die weitere Freilegung erfolgte an­
Während auf der Vorderseite der Fi­
gur die Vergoldung noch größtenteils
Zwei löcher durchbrechen den Körper
der Figur; diese dienten offensichtlich
Niet den separat auf die konvexe Kupfer­
platte gesetzten plastisch ausgebildeten
fänglich mechanisch mit Dreikantnadel
vorhanden war, zeigten sich auf der
Kopf MIt. Die römische Ziffer I auf der
und Skalpell. Dabei zeigte sich, dass die
Rückseite nur noch im Kopfbereich Res­
Rück.seite verweist darauf, dass diese Ap­
auf dem Röntgenbild dunkel erschei­
te. Hier trat im Laufe der Freilegung zwi­
plikation Teil einer Serie war (Abb. 3,
nenden Flächen aus Email bestehen.
schen den beiden Befestigungslöchern
Die Korrosionsschichten ließen sich
die römische Ziffer I zutage.
'46
412001 Be<ichtt tu. Denbn.llpflege in Nitde<sKhstn
4).
Wichtige Hinweise zur Interpretation
dieses Beschlages verdank.en wir Genevi-
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eve Fran�ois, Mitarbeiterin des "Corpus
des emaux meridionaux " am (entre na­
tional de la recherche scientifique, Mu­
see national du Moyen Age, Paris_ Die Fi­
gur war ursprünglich an einem Kreuz be­
festigt. Nur wenige dieser ca. 30 - 80
cm hohen Kreuze besitzen heute noch
an den vier Enden der Kreuzbalken die
Applikationen. Häufiger werden die Be­
schläge einzeln angetroffen. Sie stellen
u, a. Maria, Johannes und Petrus dar
(Thoby 1953, Katalog 1995).
Der Lüneburger Beschlag war ur­
sprünglich auf dem von vorn gesehen
rechten Arm eines Kreuzes befestigt und
stellt den Lieblingsjünger Johannes dar.
Für die Rekonstruktion wurde das in der
Walters Art Museum in Baltimore ver­
wahrte Kreuz zu Grunde gelegt (Abb.
5)
(Thoby 1953, Katalog 1995, Nr. 90).
Die Arbeit stammt mit Sicherheit aus
einer der großen Emailwerkstätten in Li­
moges. Hier wurden seit dem 12. Jahr­
hundert Metallplatten mit ausgehobenen
Gruben versehen, in die bei Temperaturen
von 700-800 oe farbige Glasmasse ein­
geschmolzen wurde (email champleve).
5 Halbfigur eines
Apostels aus der
Sammlung eule·
mann im Kestner
Museum.
Die klassische Gestaltung des Kopfes, der
als Halbrelief auf den Nimbus genietet ist,
erlaubt eine Datierung an den Anfang
des 13. Jahrhunderts (ca. 1215-1230).
Die vor altem in Verzeichnissen von
kirchlichen Schätzen als �opus Lemovi­
cium �, "Lemovicense", "Lemoviticum"
oder "Lemovice" bezeichneten Produkte
6 Rekonstruktion
anhand eines
Kreuzes aus dem
Walters Art Mu­
seum in Baltimore.
waren weit verbreitet (Stuttmann 1966,
54f.). Ein dem Lüneburger Beschlag ver­
gleichbares Exemplar befindet sich im
Kestner-Museum in Hannover (Abb. 6)
(Stuttmann 1966, Katalog 1995, Nr. 67,
Kloster SI. Michael auf dem Kalkberg, in
Abb. S. 163). Seine Provenienz ist unbe­
SI. Cyriakus oder St. Johannis - wird eben­
Elf enb ein. Bildkatalog des Kestner Museums Hanno­
�rVII I.
H a nn over
1966.
Thoby. P.: Le<; (roix lim ousines de la fin de Xlle sikle
kannt. Zwei weitere Produkte aus Limo­
so wenig zu klären sein wie die Frage,
ges sind in Lüneburg bekannt. Ein Reli­
wann dieses Kreuz oder auch nur der Be­
quienbehälter des 13. Jahrhunderts be­
schlag in die SI. Lambertikirche gelangte.
AOKh,ifren der VerfaSSf!{
Literatur
Stadt Lüneburg
Stadlarchäologie
findet sich im Lüneburger Rathaus
(Michael 1991). Zum Schatz der Golde­
nen Tafel der ehemaligen Benediktiner­
Katalog: L'oouyr e de Limoges. Emaux limousins du
abtei St. Michaelis gehörten zwei Hand­
waschschalen, Arbeiten des 13. Jahrhun­
derts, die heute im Kestner-Museum in
Hannover verwahrt werden (Marth 1994).
Wo sich das kostbare Kreuz, von dem
nur der Beschlag des Johannes bekannt
ist, zunächst in Lüneburg befand - im
Moyen Age. Paris. New York 1995. Kat.Nr. 49 u. 50
Kühlborn, M .. St. Lamberti - Neue<; von LOneburgs
untergegangener Kirche, in: Denkmalpflege in LOne­
burg 2001, 67-74.
Marlh, R .. Der SChatz der Goldenen Tafel. Hannover
1994, Kat. Nr, 23.
Michael, E. (Bearb.):
führer durch die Sammlunge n.
au di!but du XIVe sikle. Paris 1953.
Dr. Edgar Ring
Postfach 2540, 21315 LOneburg
Andrea Tröller-Reimer
Niedersachsisches LandesamI /(jr Oenkmalpflege
AbbildungsfKlchwels
1--4 C. S. Fuchs, 5 (an Tegge, Elke Behrens (Nieder­
sächsische<; Landesamt fOr Denkmalpflege): Walle rs
Lüneburg 1991, 24-26.
Art Museum (Baltimore/IJSA):
Stuttmann, F. (Bearb): Mittelalter I. Bronze, Email,
Hannover,
6
Kestner Museum
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RESTAURIERUNGS
WERKSTÄTIENE,V.
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