IMPLANTOLOGIE Zeitschrift für ORALE IMPLANTOLOGIE Sofortimplantation versus Spätimplantation aus ästhetischer Sicht – ein Fünf-Jahres-Follow-up Ein Beitrag von Dr. medic. stom. IMF Marius Steigmann, Mannheim Der vorgestellte Fall erlaubt einen Vergleich zwischen Sofortimplantation und Spätimplantation im analogen Kieferbereichen bei ein und demselben Patienten. Retrospektiv werden sowohl Diagnose als auch Therapie dieser beiden Behandlungsmethoden dargestellt. Bei der Spätimplantation ist nach fünf Jahren eine leichte Retraktion des Weichgewebes feststellbar, verursacht durch die präimplantäre Knochenresorption. Die Resorption des Knochens und die Rezession des Weichgewebes wird kompensiert durch die Verwendung eines angepassten Implantatdurchmessers. Die Sofortimplantation erhält demgegenüber den Knochen und das Weichgewebe. Abb. 1 Nichtanlage von 12 und 22. In regio 12 ist noch ein Rest des Milchzahnes zu sehen. Dieser Wurzelrest hat sowohl den Knochen als auch das Zahnfleisch erhalten. Bei einem ausreichenden Knochenangebot an der Extraktionsstelle kann heute praktisch jeder Zahn durch ein Implantat ersetzt werden. Die besten Erfolgschancen bietet hierbei die Sofortimplantation. Zu diesem frühen Zeitpunkt steht der Alveolarkamm in der Regel noch in unveränderter Höhe und Breite für die Aufnahme des Implantates zur Verfügung [1, 4]. Dadurch können längere und breitere Implantate mit einem günstigeren KronenWurzel-Verhältnis gesetzt werden, die eine höhere Stabilität gewährleisten. Um dieses zu verdeutlichen, wurde die Sofortimplantation mit der Spätimplantation über einen Zeitraum von fünf Jahren beim selben Patienten verglichen. Die Resorption des Alveolarkamms kann durch die Sofortimplantation verhindert werden [4, 11, 14]. Die Sofortimplantation reduziert zudem noch die Anzahl der Eingriffe und führt daher zu einer besseren Akzeptanz beim Patienten [15]. Eine Sofortbelastung nach Sofortimplantation ist von der Primärstabilität der Implantate abhängig. Diese kann mit verschiedenen Methoden gemessen werden [7]. Aus funktioneller [13] und ästhetischer Sicht stellt sich die Frage, ob bei einer Spätimplantation gleichwertige Resultate zu erzielen sind. Um diese Frage zu beantworten, ist eine genaue Diagnose des Weichgewebes notwendig, da sich nicht alle Gewebetypen nach Extraktion gleich verhalten. In der Literatur werden zwei Biotypen von Parodontium [9] beschrieben: ein dickes und ein dünnes Parodontium. 92 Z Oral Implant Beim dünnen Parodontium sind die Voraussetzungen aus ästhetischer Sicht ungünstig, denn die Veränderungen nach einer Extraktion sind extrem. Der dünne unter dem Weichgewebe liegende Knochen resorbiert stark und das Weichgewebe kollabiert. Beim dicken Parodontium (Abb. 1) ergeben sich nach Extraktion und späterer Implantation keine allzu großen Veränderungen, da der vorhandene Knochen viel dicker und stabiler ist als beim dünnen Biotyp. Beim dickem flachen Parodontium befinden sich die Kontaktpunkte im apikalen Drittel (siehe Abb. 7 und 8) der klinischen Krone, wogegen beim dünnem Parodontium der Kontaktpunkt im inzisalen Drittel liegt. Diese diagnostische Feststellungen sind uns auch beim Provisorium und bei der endgültigen prothetischen Versorgung nützlich. Sie können als ästhetische Regeln in der Prothetik angesehen werden. Die Zeitschrift für ORALE IMPLANTOLOGIE IMPLANTOLOGIE chen. Eine Repositionierung des Lappens nach dem chirurgischen Eingriff, ohne dass dabei Zugkräfte entstehen, ist notwendig. Diagnose Abb. 2 Nach Volumentomographie ist eine viel stärkere Resorbtion in regio 22 zu beobachten. In regio 11 ist mehr Knochen vorhanden. Man kann den persistierenden Milchzahnrest in regio 11sehen.Dadurch ist mehr Knochen und Weichgewebe erhalten und ein Standardimplantat möglich. Abb. 3 In regio 22 ist eine große Knochenresorbtion zu beobachten. In diesem Fall wird eine späte Implantation ohne Knochenabbau vorgezogen. Dazu wird ein konisches Implantat verwendet, um die Knochenlamelle nicht zu perforieren. dreidimensionale Implantatposition scheint einer der wichtigsten Faktoren in der chirurgischen Phase zu sein, wobei die Abstände zu den Nachbarzähnen [16] und zur Schmelzzement-Grenze (Margo gingivalis bei Gingiva-Rezessionen) von Bedeutung sind. Mesio-distal und vestibulo-palatinal sollte das Implantat ideal positioniert sein. Prothetische Planung Abb. 4 Regio 22 Konisches Implantat Abb. 5 Regio 11 Standardimplantat. Zu beobachten ist der Milchzahnrest, der in dem Lappen in der Einheilphase erhalten wird, um einen Weichgewebekollaps zu vermeiden. Eine erfolgreiche Behandlung umfasst eine sorgfältige Planung der Prothetik und eine Beachtung der Veränderungen beim Knochenniveau und an der Gingiva. Ein Wax-up wird hergestellt, um dem Patienten die angestrebte Endsituation zu zeigen und um die Implantate in idealer Position zu inserieren. Durch das Wax-up können ideale Druckverhältnisse auf das Weichgewebe und optimale Abstände zwischen Zahn und Implantat geplant werden, um die Knochenresorption zu minimieren. Die Tiefe der Implantate im Verhältnis zur Schmelz-ZementGrenze kann festgelegt werden, um gute ästhetische Ergebnisse zu erzielen. Der Knochenaufbau an strategischen Positionen muss sorgfältig im Voraus mit geplant werden. Ideale Verhältnisse zwischen den Implantaten sind die Voraussetzung, um ein gutes Platzangebot für das periimplantäre Weichgewebe zu ermögli- Vorgestellt wird der Fall einer Patientin, die zum Behandlungsbeginn 19 Jahre alt war. Klinisch stellt man das Fehlen der Zähne 12 und 22 fest. Bei Zahn 12 ist noch ein Rest des Milchzahnes vorhanden. Zahn 62 wurde zu einem früheren Zeitpunkt extrahiert (vgl. Abb. 1). Die dreidimensionale Bildgebung (Volumentomographie) zeigt im Oberkiefer die fehlenden Schneidezähne 12 und 22. Ein Rest des Milchzahnes 52 ist in Bild, in regio 12 auch röntgenologisch sichtbar. In regio 22 ist ein sehr ausgeprägter Knochenabbau der vestibulären Wand festzustellen (Abb. 2) (Klasse 1 nach Siebert, Abb. 5). Bei der Bestimmung des dreidimensional verfügbaren Platzangebotes in Regio 22 (Abb. 3) ist genügend Knochen in der Vertikalen, aber zu wenig Knochen in der Horizontalen festzustellen. Die Breite beträgt in vestibulär-palatinaler Richtung nur 3,3 mm. Der wichtigste Faktor für die Ästhetik ist die inter-proximale Knochenhöhe [6]. Therapie Um die Knochenstrukturen zu erhalten und eine Rezession des Weichgewebes zu vermeiden, haben wir uns in regio 12 für eine Sofortimplantation entschieden. Die Sofortbelastung ohne Okklusion kam zum damaligen Zeitpunkt nicht in Frage. In regio 22 war die Entscheidung etwas schwieriger. Hier hat man die Möglichkeit, zuerst eine gesteuerte Knochenregeneration (GBR) beziehungsweise Augmentation mit Knochenblöcken durchzuführen oder ein Implantat mit einem kleinen Durchmesser zu inserieren. Gegen die erste Alternative sprechen mögliche Rezessionen an den Nachbarzähnen durch den für die Augmentation aufwändigeren chirurgischen Eingriff sowie die längere Behandlungsdauer. Ein zusätzlicher Eingriff wurde von der Patientin abgelehnt. Aufgrund dieser besonderen Situation ist ein Vergleich der Sofortimplantation mit einer Spätimplantation (ohne Knochenaufbau) möglich. Ein Implantat mit einem kleinem Durchmesser und einer konischen Form wird einem Standarddurchmesser vorgezogen, auch um mesio-distal den notwendigen physiologischen Abstand zu den Nachbarzähnen zu erhalten. Ein konisches Implantat wurde gewählt, um eine Perforation der vestibulären Knochenwand zu vermeiden, da in © 1. Jahrgang 2/2005 93 IMPLANTOLOGIE Abb. 6 Freilegung nach sechs Monaten mit Gingivaformer in situ Zeitschrift für ORALE IMPLANTOLOGIE Abb. 7 Follow-up nach drei Jahren – Zahn 12 Sofortimplantation diesem Bereich eine Verjüngung des Kieferknochens festgestellt wurde. Abbildung 3 zeigt, dass vestibulo-palatinal in krestaler Höhe genügend Knochen vorhanden ist. Die Implantatdurchmesser werden so gewählt, dass zwischen Implantat und Zahn noch genügend Platz für eine Unterstützung des Weichgewebes bleibt (Mindestabstände: 1,5 mm) (Abb. 4 und 5). Nach präoperativer Antibiotikagabe (500 mg Amoxicillin) und Lokalanästhesie wird der Lappen präpariert, ohne die Papillen von dem Periost zu lösen. Der Rest des Zahnes 52 wird erst bei der Freilegung extrahiert. Nach der Extraktion wird die Alveole gut gesäubert, um keine Reste von Weichgewebe zurückzulassen. Nun wird der Knochen nach Protokoll des jeweiligen Herstellers präpariert. Die Primärstabilität bei einer Sofortimplantation im Bereich 12 ist gegeben durch die Verankerung des Implantates apikal über die Restalveole hinaus, deshalb sollte die Präparation hier sehr vorsichtig durchgeführt werden. Inseriert wurde ein Implantat mit Durchmesser/Länge 3,8/13 mm. In regio 22 – 3,5/12 mm – wurde aus den oben genannten Gründen ein stark konisches Implantat inseriert. Bei der Verwendung von Implantaten mit kleinerem Durchmesser ergeben sich häufig zwischen Implantat und Extraktionsalveole Zwischenräume. Die lokalisierten Knochendefekte um Implantate (regio 12), die in Extraktionsalveolen gesetzt werden, sind eine Herausforderung für den Zahnarzt. Verschiedene ältere Untersuchungen haben gezeigt, dass für eine bessere Knochenregeneration bei Sofortimplantation das Abdecken mit einer Membran notwendig ist [2, 3, 8]. Neue Untersuchungen zeigen, dass Membranen nicht erforderlich sind [4, 12, 13]. Bei Defekten zwischen 94 Z Oral Implant Abb. 8 Follow-up nach drei Jahren – Zahn 22 späte Implantation Implantatplattform und Alveolenrand, die kleiner als 2 mm sind, haben wir uns gegen die Auffüllung dieser Defekte entschieden. Auf eine spannungsfreie Positionierung des Lappens wurde geachtet, wobei dessen absolute Primärschließung nicht als notwendig erschien [4, 12, 13]. Fünf Tage nach Implantation wurde eine herausnehmbare provisorische Prothese eingesetzt. Nach sechs Monaten Einheilzeit wurden die Implantate mit Hilfe eines modifizierten Rolllappens [10] freigelegt und die Gingivaformer eingesetzt (Abb. 6). Nach sieben Tagen wurden die Implantate mit einem individuell hergestellten offenen Löffel abgeformt. Anhand des Meistermodells wurden die provisorischen Kronen hergestellt, um das Emergenzprofil der zukünftigen Implantate auszuformen. Acht Wochen nach dem chirurgischen Eingriff beginnt sich das periimplantäre Weichgewebe interproximal wieder zu bilden [5]. Die provisorische Abstützung bedeutet auch eine ständige interproximale Stimulation, was zu einem erhöhten Grad der Keratinisierung führt. Nach zehn Wochen werden dann die endgültigen metallkeramischen Kronen eingesetzt. Es wird vestibulär eine Trinon Q-Implant Zeitschrift für ORALE IMPLANTOLOGIE ® Back to the Roots INNOVATION PRECISION AND PERFECTION Q-IMPLANT ® - Spaltfreies Einphasenimplantat Atraumatisches Vorgehen Möglichkeit der prothetischen Sofortversorgung Einfache Behandlungsabläufe Übersichtliches Instrumentarium Extrem geringe Lagerhaltung Minimaler Kostenrahmen Problemlose Hygienefähigkeit für den Patienten Abb. 9 Gesamtüberblick beider Kiefer in Okklusion. Nach fünf Jahren in Funktion ist eine leichte Rezession bei 22 zu sehen. Abb. 10 Follow-up nach fünf Jahren – Zahn 12 Sofortimplantation leichte Retraktion des Weichgewebes festgestellt (Abb. 7 und 8). Nach fünf Jahren zeigen sich in regio 12 keine weiteren Retraktionen des Weichgewebes, vielmehr scheint sogar eine Verbesserung stattgefunden zu haben mit sehr zufrieden stellenden ästhetischen Resultaten (Abb. 9). Im Bereich 22 wurde eine größere Retraktion um zirka 1 mm in den ersten sechs Monaten festgestellt, die aber in den nächsten Jahren konstant geblieben ist (Abb. 10 und 11). Q-MESH - Dreidimensional geformtes Titan-Mesh Einfache Handhabung Verkürzte OP-Zeit Individuelle Anpassung Geeignet für atrophierte Maxilla Q-MULTITRACTOR - Modularer Distraktor aus Titan Innovative Pin-Basis-Platte Hohe Stabilität Minimalinvasive Chirurgie Für atrophierte Unter- und Oberkiefer Diskussion Abb. 11 Follow-up nach drei Jahren – Zahn 22 späte Implantation Die weitgehende Annäherung an die natürliche Situation wird immer mehr zur Herausforderung in der Implantologie. Sämtliche chirurgischen und prothetischen Maßnahmen sollten ästhetische und funktionelle Langzeiterfolge mit kurzer Behandlungszeit und geringem Trauma zum Ziel haben. Diesem Ziel kann man durch eine bessere Kontrolle über die Veränderungen an Knochen und Gingiva näher kommen. Sofortimplantation und Spätimplantation wurden oft in der Literatur beschrieben. Die Resultate aber sind von einer korrekten präimplantären Diagnose vor der Behandlung abhängig. Ein wichtiger Faktor ist auch die richtige Implantatauswahl, abhängig von dem Knochenangebot. I © 1. Jahrgang 2/2005 95 Q-IMPLANT®MARATHON IN KUBA EINWÖCHIGER INTENSIVKURS IMPLANTOLOGIE In Kooperation mit der Universität Santa Clara/Kuba. Unter der Führung international anerkannter Professoren bietet sich Ihnen eine exzellente Gelegenheit, theoretische und praktische Erfahrungen in der Implantologie zu sammeln. Die Teams werden aus 2 bis 3 Teilnehmern bestehen, von denen jeder 30 bis 50 Implantate in einer Woche einsetzen darf. 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Lehrbeauftragter in der Sektion Parodontologie an der Poliklinik für Zahnerhaltung bei der Universität Mainz. „Senior Associate Lecturer“ bei der Abteilung für zahnärztlichen Implantologie der Universität Temeschburg. Fortbildungsreferent der IAI (International Academy of Oral Implantology). Leiter der Studiengruppe „Junge Implantologen" Fortbildungsreferent D.G.O.I., Senior editor „Dental Tribune“. Kontaktadresse: Dr. Marius Steigmann Leiblstr. 1 68163 Mannheim Abstract The case presented here allows a comparison between immediate implant placement and delayed implant placement in the same regions of the jaw in the same patient. Both diagnosis and therapy relating to these two methods of treatment are presented retrospectively. There was evidence of slight retraction of the soft tissue after five years with delayed implant placement caused by periimplant bone resorption. Resorption of the bone and recession of the soft tissue were compensated for by using the appropriate implant diameter. In contrast, immediate implant placement preserved the bone and soft tissue. Literaturverzeichnis [1] Ashman, A.: Postextraction ridge preservation using a synthetic alloplast. Implant Dent 2000; 2, 168-176. [6] Ochsenbein, C., Ross, S.: A reevaluation of osseous surgery. Dent Clin North Am 1969; 1, 87-102. [2] Becker, W., Dahlin, C., Becker, B.E., et al.: The use of e-PTFE barrier membranes for bone promotion around titanium implants placed into extraction sockets: a prospective multicenter study. Int J Oral Maxillofac Implants 1994; 1, 31-40. [7] Palti, A.: Sofortimplantation und Sofortbelastung – ein Paradigmawechsel in der oralen Implantologie. Implantologie Journal 6/2002, 8–11. [3] Buser, D., Dula, K., Belser, U., et al.: Localized ridge augmentation using guided bone regeneration. 1. Surgical procedure in the maxilla. 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