Skript Nr. 1 Vorbereitung auf die Überprüfung vor dem Gesundheitsamt Im Selbststudium zum Heilpraktiker für Psychotherapie Skript Nr. 7 F4: Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen • • • • • • • Angststörungen Zwangsstörungen Reaktionen auf schwere Belastungen Anpassungsstörungen dissoziative Störungen somatoforme Störungen andere neurotische Störungen Christine Wunderlich Heilpraktikerin für Psychotherapie © 0 Inhaltsverzeichnis (1) Einführung Skript Nr. 7 Seite Seite 1. Hinweise zur Bearbeitung des Skripts............................... 3 1. Einführung.............................................................................. 59 2. Übersicht Krankheitsbilder F4............................................. 7 2. Epidemiologie......................................................................... 61 3. Einführung Krankheitsbilder F4.......................................... 9 3. Ätiologie.................................................................................. 63 4. Symptome.............................................................................. 71 5. Diagnostische Leitlinien.......................................................... 77 6. Therapie................................................................................. 79 7. Differenzialdiagnosen............................................................. 81 Angststörungen 1. Einführung............................................................................. 11 2. Epidemiologie........................................................................ 13 3. Ätiologie.............................................................................. 15 Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen phobische Störungen 1. Einführung................................................................... 23 1. Einführung.............................................................................. 85 2. Agoraphobie................................................................ 25 2. Ätiologie.................................................................................. 89 3. soziale Phobie............................................................. 31 3. akute Belastungsreaktion....................................................... 93 4. spezifische (isolierte) Phobien.................................... 37 4. posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)........................ 99 5. Anpassungsstörungen............................................................ 109 andere Angststörungen © Zwangsstörung 1. Panikstörung............................................................... 43 2. generalisierte Angststörung........................................ 49 Differenzialdiagnosen zu phobischen und anderen Angststörungen..................................................................... 55 1 Inhaltsverzeichnis (2) dissoziative Störungen (Konversionsstörungen) Skript Nr. 7 Seite andere neurotische Störungen Seite 1. Einführung............................................................................. 117 1. Einführung............................................................................. 171 2. Epidemiologie....................................................................... 123 2. Neurasthenie......................................................................... 173 3. Ätiologie................................................................................ 125 3. Burnout-Syndrom.................................................................. 177 4. dissoziative Störungen auf psychischer Ebene.................... 129 4. Depersonalisations- und Derealisationssyndrom................. 179 5. dissoziative Störungen auf körperlicher Ebene.................... 133 6. sonstige dissoziative Störungen 137 Literaturverzeichnis......................................................................... 181 7. Therapie................................................................................ 139 Impressum....................................................................................... 182 somatoforme Störungen © 1. Einführung............................................................................. 141 2. Ätiologie................................................................................ 145 3. Somatisierungsstörung......................................................... 149 4. hypochondrische Störung..................................................... 153 5. somatoforme autonome Funktionsstörung........................... 157 6. Herzangstsyndrom................................................................ 161 7. Hyperventilationstetanie........................................................ 165 8. anhaltende Schmerzstörung................................................. 167 9. Therapie................................................................................ 169 2 Angststörungen - Einführung • Skript Nr. 7 Angst ist ein Phänomen, das jeder Mensch in unterschiedlichen Situationen und Ausprägungen kennt F40, F41 Angststörungen als „normale“ Angst hat sie eine Alarmfunktion für den Organismus: sie löst Aktivitäten zur Beseitigung von Gefahr aus und verschwindet, wenn die Gefahr beseitigt ist ein Übermaß an Angst (= „pathologische“ Angst) hingegen lähmt die körperlichen und geistigen Funktionen F40 Phobien • F41 andere Angststörungen Angst zeigt sich auf verschiedenen Ebenen: a) emotional (Gefühl, „in der Enge zu sein“) b) vegetativ (Erregung des Sympathikus -> führt zu vegetativen Beschwerden, z. B. Schweißausbrüche, Zittern) F40.0 Agoraphobie F41.0 Panikstörung F40.1 soziale Phobie F41.1 generalisierte Angststörung c) kognitiv (Einengung der Aufmerksamkeit auf die Gefahr -> „geistige Blockade“) d) motorisch (Erhöhung des Muskeltonus bis hin zur kompletten Hemmung -> „vor Angst wie erstarrt sein“) • das Symptom „Angst“ ist eines der häufigsten psychopathologischen Symptome: als Begleitsymptom bei sehr vielen psychischen Erkrankungen (am häufigsten mit einer Depression) F40.2 spezifische (isolierte) Phobie als eigenständiges Krankheitsbild (Angststörung) Allgemeine Definition von Angst- und Panikstörungen: • charakteristisch ist eine massive Angstreaktion bei gleichzeitigem Fehlen akuter, extremer Gefahren oder Bedrohungen • Angststörungen können erscheinen: Angst ist kontextabhängig = mit Auslöser Angst ist kontextunabhängig = ohne Auslöser a) frei flottierend (generalisierte Angststörung) b) als phobische Angst c) als Panik © • die Symptomatik umfasst in der Regel psychische und körperliche (v. a. vegetative) Beschwerden • Angststörungen führen zu erheblichem Leid und haben häufig gravierende Folgen im privaten und beruflichen Bereich und ziehen massive Behinderungen nach sich • die Verhaltenstherapie gilt heute als die wirksamste therapeutische Methode bei Angst- und Panikstörungen 3 Angststörungen - phobische Störungen: soziale Phobie (1) Skript Nr. 7 • es besteht eine anhaltende Angst vor Situationen in der Öffentlichkeit, vor der prüfenden Betrachtung anderer (in kleinen Gruppen, nicht in Menschenmengen) und vor der Interaktion mit anderen Menschen die Betroffenen befürchten, durch ungeschicktes oder peinliches Verhalten die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, sich dabei zu blamieren und negativ bewertet zu werden • die Situationen können a) offensichtliche „Herausforderungen“ sein (z. B. eine Rede vor einem größeren Publikum zu halten), aber auch b) alltägliche Dinge, wie z. B. ein Schriftstück zu unterschreiben oder die Einnahme einer Mahlzeit in Gegenwart anderer Kurzbeschreibung • die Situationen können a) klar abgegrenzt sein (z. B. beim Essen, beim Sprechen oder im Kontakt mit dem anderen Geschlecht) oder b) sie sind unbestimmt und treten in fast allen sozialen Situationen außerhalb des Familienkreises auf die Angst wird von den Betroffenen als übertrieben oder unsinnig empfunden und führt in der Regel zu ausgeprägtem Vermeidungsverhalten, das bis zu einer vollständigen sozialen Isolation führen kann Angst besteht: angstauslösende Situationen (Beispiele) in öffentlichen Situationen, z. B.: in sozialer Interaktion, z. B.: • vor Publikum zu sprechen/eine Rede zu halten (= häufigste Situation) • in kleinen Gruppen (nicht in Menschenmengen) • zu essen, zu trinken • vor dem Kontakt mit Autoritäten • eine Unterschrift zu leisten • vor dem Kontakt mit dem anderen Geschlecht • die Toilette aufzusuchen • vor dem Kontakt zu Fremden überhaupt neben den typischen vegetativen Angstsymptomen (im Extremfall bis zu einer Panikattacke), treten noch häufig die folgenden Zusatzsymptome auf: Angstsymptome © • • • • • • Erröten Vermeiden von Blickkontakt Händezittern Übelkeit Harndrang Ängste, zu erbrechen oder die Kontrolle über Ausscheidungsfunktionen zu verlieren 4 Wörterbuch / Prüfungsfragen zu S. 31 1. Ein Patient berichtet Ihnen, dass er sehr zurückgezogen lebt und Partys meide. Bei der Arbeit versuche er, Kundenkontakt soweit wie möglich aus dem Weg zu gehen, aus Angst, er könne etwas falsch machen. Skript Nr. 7 4. 1) Die Ängste treten überwiegend in größeren Menschenmengen auf 2) Die Störung tritt ganz überwiegend bei Männern auf Welche Diagnose trifft am ehesten zu? a) b) c) d) e) 2. Welche der folgenden Aussagen zum Störungsbild einer sozialen Phobie treffen zu? 3) Soziale Phobien sind in der Regel mit einem niedrigen Selbstwertgefühl verbunden Panikstörung Agoraphobie Generalisierte Angststörung Soziale Phobie Klaustrophobie 4) Die Symptome können sich bis hin zu Panikattacken verstärken 5) Soziale Phobien können sich in Beschwerden wie Händezittern, Übelkeit und Drang zum Wasserlassen äußern a) b) c) d) e) Welche Aussage zur Sozialen Phobie trifft zu? nur 1, 2 und 3 sind richtig nur 1, 4 und 5 sind richtig nur 2, 3 und 5 sind richtig nur 3, 4 und 5 sind richtig alle sind richtig a) Es besteht die Furcht vor einem Aufenthalt in geschlossenen Räumen b) Sie entspricht der Agoraphobie c) Das Hauptmerkmal dieser Störung ist ein Verhalten, das den geltenden sozialen Normen krass widerspricht d) Es besteht die Furcht, in einer Gruppe von Menschen im Mittelpunkt zu stehen und deren prüfenden Blicken ausgesetzt zu sein e) Das Leitsymptom ist eine allgemeine, persistierende Ängstlichkeit 5. Welche der folgenden Aussagen zur sozialen Angststörung (soziale Phobie) treffen zu? a) Die intensiven physiologischen Symptome werden meist als vitale Bedrohung gesehen b) Die Ängste treten in Situationen auf, in denen eigenes Verhalten einer Bewertung durch andere ausgesetzt ist c) Erhöhte Selbstaufmerksamkeit und Sicherheitsverhalten tragen zur Aufrechterhaltung der sozialen Angststörung bei d) Die meisten Betroffenen erkranken erst nach dem 30. Lebensjahr 3. Welche der folgenden Aussagen zu sozialen Phobien nach ICD 10 treffen zu? a) Männer sind deutlich häufiger von der Störung betroffen als Frauen b) Soziale Phobien können sich auch im Drang zum Wasserlassen äußern c) e) Das Risiko Substanzmissbrauch oder eine Abhängigkeit zu entwickeln, ist bei Menschen mit ausgeprägten sozialen Ängsten im Vergleich zur Normalbevölkerung vermindert Die Symptome erreichen nie das Ausmaß einer Panikattacke d) Soziale Phobien beginnen meist im mittleren Lebensalter e) Soziale Phobien können klar abgegrenzt sein, z. B. nur auf das Essen in der Öffentlichkeit beschränkt sein © 5 Zwangsstörung – Symptome (1) Skript Nr. 7 es werden 2 verschiedene Zwangsphänomene unterschieden: 1. 2. Zwangsgedanken (Zwangsbefürchtungen, Zwangsimpulse, Grübelzwang) Zwangshandlungen (Zwangsrituale) 1. Zwangsgedanken: Definition • sich immer wieder aufdrängende Gedanken/ Befürchtungen Beispiele • pathologische Zweifel an korrekt ausgeführten Handlungen • Gedanke, sich beim Kontakt mit anderen Menschen oder Objekten zu beschmutzen oder anzustecken (Angst vor Krankheit) • Angst an einer schweren Krankheit zu leiden und Familienangehörige durch Berührung oder gemeinsam benutzte Gegenstände anzustecken Zwangsbefürchtungen CAVE – Abgrenzung zu Hypochondrie (F45.2): • auch hier bestehen anhaltende Befürchtungen, an einer Krankheit zu leiden, ABER: normale Körperempfindungen (z. B. Herzklopfen bei Anstrengung) werden im Sinne einer schweren Erkrankung fehlinterpretiert; es besteht kein Bezug zu äußeren Dingen oder Menschen • zwanghafte Vorstellung, impulshafte Handlungen gegen den eigenen Willen zu begehen Zwangsimpulse (was aber gewöhnlich nicht geschieht) • aggressive Impulse gegen andere Menschen (z. B. die Vorstellung, das eigene Kind mit einem Messer zu attackieren oder vom Balkon zu stoßen) • sexuelle Impulse (z. B. unkontrollierte oder ungewöhnliche sexuelle Praktiken) • autoaggressive Impulse (sich selbst zu verletzten oder von einer Brücke zu springen) • bestimmte Gedanken (häufig banalen Inhalts) müssen immer wieder durchdacht werden Grübelzwang • kann bis zur Unfähigkeit führen, selbst triviale Entscheidungen zu treffen oder Lösungen zu finden • zwanghafte Fragen, Grübeleien, Zweifel, teils banalen oder sexuellen Inhalts, z. B.: „Wo standen die Möbel vorher?“ • endlose, pseudophilosophische Überlegungen, die nie zu einem Abschluss kommen, z. B.: „Wie ist eine unbefleckte Empfängnis möglich?“ die Betroffenen empfinden die Gedanken oder Impulse als äußerst beängstigend, unmoralisch oder quälend um sie wegzuschieben oder sich dagegen zu wehren, entwickeln sie a) gedankliche Rituale (z. B.: bestimmte Gebete, Zählen, leises Wiederholen bestimmter Worte) oder b) Zwangshandlungen (siehe folgende Seite) © 6 Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen – Anpassungsstörungen (1) Skript Nr. 7 Syn.: reaktive Depression, abnorme Trauerreaktion • Störungen beim Anpassungsprozess nach einer einschneidenden Lebensveränderung oder nach einem belastenden Lebensereignis (von einem nicht außergewöhnlichen oder katastrophalem Ausmaß): mit einer starken emotionalen Reaktion (Deprimiertheit, Angst, Besorgnis und Anspannung) Definition die Betroffenen leiden erheblich unter den Symptomen und sind in ihrer Alltagsbewältigung stark eingeschränkt (z. B. in ihrer beruflichen Leistungsfähigkeit) • die individuelle Vulnerabilität spielt bei den Anpassungsstörungen eine größere Rolle als bei den anderen Störungen unter F43 auslösende Belastungen und Lebensveränderungen können akut auftreten oder über einen längeren Zeitraum andauern, z. B.: äußere Belastungen (Beispiele) • • • • • • • • Verlust enger Bezugspersonen (Trennung, Tod) Ehe-/Beziehungsprobleme Probleme mit Kindern Arbeitsplatzprobleme/-verlust finanzielle Probleme schwere körperliche Krankheit Organverlust (z. B. Brustamputation) gravierende Veränderung der sozialen Umgebung (z. B. Emigration oder Flucht) speziell bei Kindern/Jugendlichen: • Schulprobleme • elterliche Zurückweisung • Trennung der Eltern • Umzug (Veränderung des sozialen Umfelds) • Drogen-/Alkoholprobleme Latenz: • in der Regel beginnt die Störung innerhalb 1 Monats nach Beginn der Belastungssituation Zeitkriterium Dauer: • sie dauert meist nicht länger als 6 Monate (Ausnahme: längere depressive Reaktion: F43.21 -> längstens 2 Jahre) © 7 dissoziative Störungen - Einführung (1) Skript Nr. 7 Syn.: Konversionsstörungen, hysterische*) Neurose • bei dissoziativen Störungen kommt es zu psychischen und scheinbaren neurologischen („pseudoneurologischen“) Symptomen, die keine somatische Ursache haben F44 Dissoziative Störungen (Konversionsstörungen) d. h. sie sind rein psychogen und eine Belastungssituation bzw. innere Konflikte gehen der Störung voraus • auf psychischer Ebene auf körperlicher Ebene F44.0 dissoziative Amnesie F44.4 dissoziative Bewegungsstörungen F44.80 Ganser-Syndrom F44.1 dissoziative Fugue F44.5 dissoziative Krampfanfälle F44.81 multiple Persönlichkeit (-sstörung) die Symptome zeigen sich auf: a) psychischer Ebene (z. B. Gedächtnis, Wahrnehmung, Bewusstsein, Identität) und/oder a) körperlicher Ebene (motorische oder sensorische Störungen) CAVE: Eine körperliche Ursache muss fachärztlich ausgeschlossen sein! • sonstige Betroffene verleugnen häufig ihre für andere Personen offensichtlichen Belastungssituationen und Probleme sie beklagen eher die durch die Symptome hervorgerufenen Probleme als deren Auslöser F44.2 dissoziativer Stupor F44.6 dissoziative Sensibilitäts- und Empfindungsstörungen F44.88 sonstige: psychogener Dämmerzustand F44.3 Trance- und Besessenheitszustände Definition gemäß ICD 10: 1. Es liegt keine körperliche Erkrankung vor, die die Symptome erklären könnte. 2. Es liegt ein Beleg für eine psychische Verursachung vor, d. h., ein zeitlicher Zusammenhang mit Belastungen, Problemen oder gestörten Beziehungen (auch, wenn diese vom Patienten geleugnet werden). ein überzeugender Beleg für eine psychische Verursachung kann, auch wenn vieles dafür spricht, schwierig zu erbringen sein solange der Nachweis für eine psychische Verursachung fehlt, muss die Diagnose vorläufig bleiben *) © der Begriff „Hysterie“ oder „hysterisch“ wird aufgrund seiner Unschärfe und seiner oft abwertenden und diskriminierenden Bedeutung heute nicht mehr verwandt; in der Praxis und in der Literatur taucht er aber teilweise noch auf 8 dissoziative Störungen - auf psychischer Ebene (1) Skript Nr. 7 Subtypen der dissoziativen Störungen gemäß ICD 10: Bezeichnung Diagnostische Leitlinien gemäß ICD 10 1. Partielle oder vollständige Amnesie für kürzlich traumatisierende oder belastende Ereignisse (unter Umständen nur durch fremdanamnestische Angaben bekannt) F44.0 Dissoziative Amnesie 2. Fehlen von hirnorganischen Störungen, Intoxikation oder extremer Erschöpfung Ausschluss / Differenzialdiagnosen (DD) Symptome / Beschreibung • auch: psychogene Gedächtnisausfälle • Gedächtnislücken für wesentliche Erinnerungen, Lebensabschnitte oder ein aktuell traumatisierendes Ereignis • zentriert sich meist auf traumatische Ereignisse wie Unfälle und unerwartete Todesfälle • junge Erwachsene sind am häufigsten betroffen • die schwersten Fälle treten bei Männern auf, die unter der Belastung von Kampfhandlungen stehen • Beginn und Ende meist plötzlich • Dauer selten länger als 1 – 2 Tage • organisches amnestisches Syndrom • amnestisches Syndrom, durch Alkohol oder andere psychotrope Substanzen bedingt • nach Schädel-Hirn-Trauma • Intoxikationen (Drogen, Medikamente) • dissoziative Symptome bei der PTBS • bewusste Simulation F44.1 Dissoziative Fugue („Ausreißen, Flucht“) 1. Kennzeichen der dissoziativen Amnesie • unbegründetes, plötzliches Weggehen von Zuhause oder vom Arbeitsplatz Fuguezustände können u. a. auch vorkommen bei: 2. Zielgerichtete Ortsveränderung über den üblichen täglichen Aktionsbereich hinaus (von Zuhause oder Arbeitsplatz) • Beziehungen und Arbeitsplatz werden aufgegeben • • • • • 3. Aufrechterhalten der einfachen Selbstversorgung (Essen, Waschen) und einfacher sozialer Interaktionen mit Fremden (Kauf von Fahrkarten oder Benzin, Bestellen von Mahlzeiten etc.) • der Betroffene reist z. B. in eine andere Stadt, ein anderes Land • die Reisen können an Orte führen, die eine emotionale Bedeutung haben • in einigen Fällen wird auf der Reise eine neue Identität angenommen Demenz Schizophrenie bipolarer affektiver Störung Epilepsie Intoxikationen (Drogen, Medikamente) • während dieser Reisen sind die Betroffenen geordnet, unauffällig und führen die zur Alltagsbewältigung notwendigen Dinge organisiert aus • für den Zustand der Fugue besteht fast immer eine teilweise oder vollständige (dissoziative) Amnesie • die Symptome bestehen meist über mehrere Tage, selten über einen längeren Zeitraum © 9 somatoforme Störungen - Somatisierungsstörung (1) Skript Nr. 7 • multiple, häufig wechselnde körperliche Beschwerden, die seit Jahren (mind. 2 Jahre) bestehen und für die es keine ausreichenden körperlichen Erklärungen gibt • fast immer gibt es eine lange Vorgeschichte mit ergebnislosen medizinischen Untersuchungen, Operationen und Behandlungen • jedes Körperteil oder Organsystem kann betroffen sein, zu den häufigsten gehören: Definition Magen-Darm-Trakt (Aufstoßen, Bauchschmerzen, Erbrechen, Übelkeit, Durchfall etc.) Kopfschmerzen, Rückenschmerzen abnorme Hautempfindungen (Jucken, Brennen, Taubheitsgefühl, Ausschlag etc.) sexuelle und menstruelle Störungen vegetative Symptome sind nicht das Hauptmerkmal der Störung (im Gegensatz zur somatoformen autonomen Funktionsstörung) • durch die meist mehrere Jahre andauernden Beschwerden und die „Konzentration“ darauf, kommt es zu erheblichen Beeinträchtigung familiärer, beruflicher und sozialer Beziehungen • häufig kommt es zusätzlich zu Depression und Angst (müssen ggf. spezifisch behandelt werden) Diagnostische Leitlinien gemäß ICD 10 1. Mindestens 2 Jahre anhaltende multiple und unterschiedliche körperliche Symptome, für die keine ausreichende somatische Erklärung gefunden wurde. 2. Hartnäckige Weigerung, den Rat oder die Versicherungen mehrerer Ärzte anzunehmen, dass für die Symptome keine körperliche Erklärung zu finden ist. 3. Ein gewisser Grad an Beeinträchtigung sozialer und familiärer Funktionen durch die Art der Symptome und das sich daraus ergebende Verhalten. es besteht eine hohe Komorbidität mit: Komorbidität • • • • depressiven Syndromen (bis zu 50%) Angststörungen (ca. 30 – 40%) Medikamentenmissbrauch bzw. –abhängigkeit Persönlichkeitsstörungen (v. a. paranoide, histrionische, ängstlich-vermeidende) • Allgemeinbevölkerung: ca. 2 - 4% Prävalenz • beim Allgemeinarzt: ca. 10% • in Allgemeinkrankenhäusern: 15 – 30% • Frauen sind häufiger betroffen als Männer © 10 Prüfungsfragen zu S. 149 1. 2. Welche der folgenden Aussagen über die Somatisierungsstörung trifft/treffen zu? 1) 2) 3) 4) 5) Die Symptome sind nur auf einen Körperteil bezogen Ängste und Depressionen sind häufige Begleiterscheinungen Die psychophysische Konstitution spielt bei der Entstehung keine Rolle Medikamentenmissbrauch bis zur Abhängigkeit besteht häufig Eine längere Psychotherapie ist in jedem Fall die alleinige Behandlungsmethode a) b) c) d) e) nur 4 ist richtig nur 2 und 4 sind richtig nur 1, 2 und 3 sind richtig nur 1, 2, 3 und 4 sind richtig alle sind richtig Skript Nr. 7 4. Welche der folgenden Aussagen treffen für eine Somatisierungsstörung nach ICD 10 zu? a) Eine Somatisierungsstörung ist als eine spezifische Form der depressiven Störung definiert b) Sie kann sich nur auf gastrointestinale oder neurologische Beschwerden beziehen c) Die Körpersymptome müssen nach den diagnostischen Leitlinien mind. 2 Jahre bestehen d) Die Körpersymptome müssen nach den diagnostischen Leitlinien vor der Pubertät auftreten e) Es findet sich keine ausreichende somatische Erklärung für die Symptome Was versteht man unter einer Somatisierungsstörung? a) Illusionäre Verkennung b) Körperliche Beschwerden ohne organischen Befund infolge einer seelischen Störung c) Form der Neurose, bei der bestimmte Handlungen meist nach bestimmten Regeln ausgeführt werden müssen d) Wahnwahrnehmungen e) Form der Neurose mit Neigung zu Dramatisierung und starker Ich-Bezogenheit, bei der das Bedürfnis nach Aufmerksamkeit und Anerkennung im Vordergrund steht 3. Eine Patientin klagt über körperliche Symptome, für die keine organischen Ursachen gefunden werden können. Welches Merkmal muss für die Diagnose einer Somatisierungsstörung erfüllt sein? a) Die Beschwerden sind auf ein bestimmtes Organ bzw. einen bestimmten Bereich begrenzt b) Die Patientin zeigt Symptome der Niedergeschlagenheit und Antriebslosigkeit c) Die Beschwerden bestehen seit max. 6 Monaten d) Die Beschwerden stammen aus multiplen Symptombereichen e) Die Patientin gibt an, davon überzeugt zu sein, an einer schwerwiegenden, fortschreitenden Krankheit zu leiden © 11 Literaturverzeichnis Skript Nr. 7 • Psychiatrie systematisch, Ebert, UNI-MED-Verlag 2008 • Intensivkurs Psychiatrie und Psychotherapie, Lieb, Frauenknecht, Brunnhuber, Elsevier-Verlag, 7. Auflage 2012 • Fallgeschichten Psychiatrie und Psychotherapie, Lieb, Heßlinger, Jacob, Elsevier-Verlag, 4. Auflage 2013 • Psychiatrie und Psychotherapie, Möller, Laux, Deister, Thieme-Verlag, Duale Reihe, 4. Auflage 2009 • Psychiatrie und Psychotherapie für Heilpraktiker, Koeslin, Elsevier-Verlag, 3. Auflage 2011 • Heilpraktiker für Psychotherapie, Schneider, Elsevier-Verlag, 2012 • Neurotische Störungen und Psychosomatische Medizin, Hoffmann, Hochapfel, Schattauer-Verlag, 8. Auflage 2009 • Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Ermann, Verlag W. Kohlhammer, 5. Auflage 2007 • Lehrbuch der Psychodynamik, Mentzos, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH, 2009 • Grundformen der Angst, Riemann, Ernst Reinhardt Verlag, 40. Auflage 2011 • Internationale Klassifikation psychischer Störungen ICD 10 V (F), klinisch-diagnostische Leitlinien, Dilling, Verlag Hans Huber, 8. Auflage 2011 • Psychische Störungen in der Praxis, Leitfaden zur Diagnostik und Therapie in der Primärversorgung nach dem Kapitel V (F) der ICD 10,Müßigbrodt et al., Verlag Hans Huber, 4. Auflage 2010 • Die vielen Gesichter des psychischen Leidens, das offizielle Fallbuch der WHO zum ICD 10, Dilling, Verlag Hans Huber, 2000 • Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen (DSM 5), American Psychiatric Association, Hogrefe-Verlag, 2015 • Lexikon Psychiatrie, Psychotherapie, Medizinische Psychologie, Peters, Urban & Fischer-Verlag, Sonderausgabe 2011 • Lingua Medica, Lehrbuch zur medizinischen Terminologie, Bondio, Bettin, Logos-Verlag, 2. Auflage 2009 • www.wikipedia.de • www.duden.de Quellennachweis Fotos, Abbildungen: www.fotolia.com • © Deckblatt: Papillon galet, @manipulateur 12 Impressum Impressum: alle Rechte vorbehalten: CWC-Verlag., Herrsching www.cwc-verlag.de ISBN Print: 978-3-946570-18-9 ISBN CD ROM: 978-3-946570-19-6 ISBN Download: 978-3-946570-20-2 1. Auflage Mai 2016 Produktion: Satz & Druck Molnar Skript Nr. 7 Zur Autorin: Christine Wunderlich ist Heilpraktikerin für Psychotherapie und seit mehreren Jahren erfolgreich als Privatdozentin für die Vorbereitung zur Prüfung vor dem Gesundheitsamt für den Heilpraktiker Psychotherapie tätig. Ihre umfangreiche Skriptenreihe ist über mehrere Jahre aus ihrem Wissen als Dozentin und den Prüfungserfahrungen ihrer Schüler/innen entstanden. Darüber hinaus ist die Autorin als Fachtherapeutin für Burnout, Stressbewältigung & Entspannung tätig und gibt dazu Kurse in Unternehmen, u. a. mit dem von ihr entwickelten Konzept „Stressbewältigung in Achtsamkeit in nur 6 Schritten©“ Weitere Informationen finden Sie unter: www.christine-wunderlich-coaching.de Die Autorin und der Verlag sind zu erreichen unter: [email protected] Wichtige Hinweise: Dieses Skript einschließlich aller Inhalte ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Nachdruck oder Reproduktion (auch auszugsweise) in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie oder andere Verfahren) sowie die Einspeicherung, Verarbeitung, Vervielfältigung oder Verbreitung mit Hilfe elektronischer Systeme jeder Art, gesamt oder auszugsweise sowie Übersetzungen sind ohne schriftliche Genehmigung des Verlages untersagt. Die Nutzung dieses Skriptes und die Umsetzung der darin enthaltenen Informationen erfolgt ausdrücklich auf eigenes Risiko. Haftungsansprüche gegen den Verlag oder die Autorin für Schäden materieller oder ideeller Art, die durch die Nutzung oder Nichtnutzung der Informationen bzw. die Nutzung fehlerhafter und/oder unvollständiger Informationen verursacht werden, sind grundsätzlich ausgeschlossen. Ausgeschlossen sind somit jegliche Rechts- und Schadensersatzansprüche gegenüber dem Verlag oder der Autorin. 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