Das grosse Fressen der Insekten - E

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Das grosse Fressen der Insekten
Autor(en):
Städler, Erich
Objekttyp:
Article
Zeitschrift:
Du : die Zeitschrift der Kultur
Band (Jahr): 58 (1998)
Heft 11:
Das Kohl : das Kraut : ein Manifest
PDF erstellt am:
22.10.2017
Persistenter Link: http://doi.org/10.5169/seals-300108
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DAS GROSSE FRESSEN DER INSEKTEN
Von Erich Stadler
Nicht nur die Menschen Mitteleuropas lieben
Kohl als Nahrung
besonders.
das
Getier.
anderes
Auch
ein
kaum
An
Kraut machen
ganz
sich seit Jahrmillionen so viele Arten von Insekten. Weshalb den
den
Evolutionsbiologen brennend interessieren muss, warum dieses Gemüse
bis heute davongekommen ist.
w
schadet dem Kohl? Insekten,
grosse Liebhaber von Kohl.
Aus historischen Schriften wissen wir,
Gattung Bras¬
sica schon vor einigen tausend Jahren,
vermudich zuerst von den Griechen und
Römern, in Kultur genommen und zur
menschlichen Ernährung verwendet wur¬
den. Die Insekten «entdeckten» den Wert
verschiedener Kreuzblütler, zu welchen
auch die Kohlgewächse gehören, sicher
schon viel, viel früher. Aus paläontologi¬
schen Untersuchungen und den neuesten
Forschungen auf dem Gebiet der Evolu¬
tion der Blütenpflanzen und pflanzenfres¬
senden Insekten kann man schliessen, dass
es bereits zu Beginn der Tertiärzeit, vor un¬
gefähr 65 Millionen Jahren, wenn nicht
schon früher, Insekten gegeben haben
muss, welche an Kreuzblütlern gefressen
haben.
Kohl ist in der Tat sehr beliebt, und dies
kann kein Zufall sein. Es gibt heute keine
andere Gemüseart, die von so vielen Tie¬
ren (Schnecken, Insekten, Wild) als Wirts¬
pflanze ausgewählt wird. Dies liegt sicher
einerseits daran, dass Kohlarten (Kreuzblüder) insbesondere im Mittelmeerraum,
dass viele Kohlgewächse der
Kohlrübenblattwespe. Natürliche Grösse etwa 6 mm:
Diese Blattwespe legt ihre Eier ausschliesslich in die Blätter
von Kohlgewächsen. Die Raupen fressen die Blätter bis auf
die Rippen. Foto: Ruedi Buchi, Eidg. Forschungsanstalt
Reckenholz Zürich
wo die meisten Gemüse herstammen, sehr
zahlreich und stark verbreitet sind. Ande¬
rerseits sind Kohlgewächse gesund und
nahrhaft und scheinen weniger giftige Ab¬
wehrstoffe zu enthalten als andere Pflan¬
zen. Das hat vermutlich über die Jahrmil¬
lionen dazu gefuhrt, dass viele Tiere diese
Pflanzenfamilie und vor allem die BrassicaArten für sich und ihre Nachkommen zur
bevorzugten Nahrung auserwählt haben.
Wenn Kohlgewächse und unsere kultivier¬
ten Kohlarten so viele «Liebhaber» haben,
stellt sich natürlich die Frage, wamm und
Tiergruppen
Arten
Bevorzugte Pflanzenteile
Thripse
Zwiebelthrips
Blätter
Blattläuse
Mehlige Kohlblattlaus
Blätter
Mottenschildläuse
Kohlmottenschildlaus
Blätter
Kohltriebrüssler (verschiedene Arten)
Erdflöhe (verschiedene Arten)
Stiele, Blätter, Stengel
(weisse Fliegen)
Käfer
Rapsglanzkäfer
Blätter (Wurzeln)
Blüten (Broccoli...)
Schmetterlinge
Kiemer und grosser Kohlweissling
Kohlschabe
Kohleule
Erdraupen (verschiedene Arten)
Blätter
Blätter
Blätter
Wurzel, Stengelbasis
Fliegen
Kohldrehherzgallmucke
Kohlfliege
Schnaken
Blattstiel, Triebknospe
Wurzel, Stengelbasis
Wurzel, Stengelbasis
Kohlrübenblattwespe
Blätter
Hautflügler (Blattwespen)
Falter der Kohleule. Flügeisp annweite etwa 45 mm:
dieses Falters fressen die Blätter und dringen
Falter der Y-Eule. Flügeisp annweite etwa 50 mm:
Die Raupen dieses und nahe verwandter Falter fressen die
Die Raupen
Wurzeln und den Strunk der Setzlinge vieler verschiedener
pflanzen, aber insbesondere auch von Kohl. Die befallenen
Setzlinge vertrocknen und sterben ab. Die Y-Eule ist berühmt
mit Vorliebe in die Köpfe von Blumenkohl, Broccoli,
Chinakohl und Kopfkohl ein. Den Schaden (siehe separate
Bilder) finden die meisten menschlichen Konsumenten un¬
dafür, dass
^
Alle grossen Insektenordnungen enthalten
Arten, welche sich mit ihren Nachkom¬
men von Kohl ernähren. Viele pflanzen¬
fressende Insekten, und es gibt 361000
Arten auf dieser Welt (im Vergleich die
Anzahl aller Wirbeltiere: 54000), sind in
bezug auf die Wirtswahl Spezialisten. Das
heisst, sie befallen und fressen nur eine
beschränkte Anzahl von Pflanzen. Kohl¬
insekten sind, im Gegensatz zu Wirbel¬
tieren und Schnecken, keine Ausnahme.
Siehe unten Tabelle der wichtigsten In¬
sekten, die in Mitteleuropa häufig an Kohl¬
gewächsen angetroffen werden können.
Zahl vom
sie in gewissen Jahren im Frühjahr in grosser
Süden über die Alpenpässe zu uns einwandert.
appetitlich.
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78
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wie diese Pflanzen trotz ihrer «Beliebtheit»
während Millionen von Jahren überlebt
haben. Evolutionsbiologen vermuten, dass
es viele verschiedene Gründe gibt. Zum
ersten wachsen die meisten wilden Kraut¬
pflanzen, und dazu gehören auch die
Kreuzblüder, nie in grosser Zahl und nie
das ganze Jahr hindurch (zum Beispiel nur
im Frühjahr) und können örtlich und zeit¬
lich nicht so leicht lokalisiert werden. Zum
zweiten entwickelten auch die Kreuzblüt¬
ler im Laufe der Evolution Abwehrmecha¬
nismen. So besitzen sie auf der Blattober¬
fläche eine ausgeprägte Wachsschicht, wel¬
che es vielen Insekten schwierig macht, dar¬
auf zu laufen oder sich festzuhalten. Im
weiteren enthalten Kreuzblütler auch Ab¬
wehrstoffe, welche in genügender Konzen¬
tration für nicht angepasste Organismen
ungeniessbar, wenn nicht tödlich sein kön¬
nen. Schon seit Anfang des letzten Jahr¬
hunderts wissen wir vom Genfer Phar¬
makologieprofessor Decandolle, dass die
Senföle der Kreuzblütler wichtige Abwehr¬
stoffe gegen das Gefressenwerden sind.
Professor Philippe Matile von der Univer¬
sität Zürich, der mit seinen Mitarbeitern
die Bildung und Verteilung dieser Stoffe
im Kohlblatt studiert hat, nannte 1984 die
Senföle und deren Bildung aus ungefährli¬
chen Vorstufen bei der Verletzung des Blat¬
tes treffend als «mustard oil bomb». Bei an¬
deren wilden Kreuzblütlern (Kruziferen)
wurden noch weitere sehr aktive Inhalts¬
stoffe gefunden, welche adulte Kohlschäd¬
linge von der Eiablage und die schlüp¬
fenden Larven vom Fressen abhalten. Im
kürzlich untersuchten Acker-Schöterich
(Erysimum cheiranthoides) hat ein amerika¬
nischer Kollege, Alan Renwick, mit seinen
Mitarbeitern Cardenolide (herzwirksame)
Stoffe isoliert und identifiziert, welche
nicht nur für uns Menschen, sondern auch
für den Kohlweissling abweisend und giftig
sein können.
Pflanzen können sich auch auf eine in¬
direkte Art gegen Pflanzenfresser verteidi¬
gen. Einerseits weiss man schon lange, dass
die Senföle des Kohls auch Parasiten der
Kleiner Kohlweissling. Flügelspannweite etwa 45 mm, bei
der Eiablage: Die Raupen diesesSchmetterlings fressen aus¬
Er wurde vom Menschen unfrei¬
willig von Europa nach Nordamerika exportiert und stellt
dort einen der wichtigsten Schädlinge dar. Foto: Alan Ren¬
wick, Boyce Thompson Institute at Cornell University,
Ithaca N. Y.
schliesslich Kohlblätter.
Schädlinge anlocken können. Andererseits
hat eine italienische Forscherin in den
Niederlanden gefunden, dass auch Kohl¬
gewächse «zu Hilfe mfen» können. Kohl¬
pflanzen, welche von Raupen des grossen
Kohlweisslings angefressen wurden, geben
flüchtige Stoffe ab, welche spezifische Pa¬
rasiten der Raupen anlocken. Diese parasi¬
tischen Schlupfwespen legen ihre Eier in
die Raupe, welche zwar weiterfrisst, aber
später abstirbt und keine Nachkommen,
sondern junge Schlupfwespen produzie¬
ren wird.
Keine Verteidigung, und die pflanzli¬
che Abwehr gegen Insekten ist keine Aus¬
nahme, ist absolut und für immer wirk¬
sam. Bei allen bis heute untersuchten
Insekten, welche sich auf Kreuzblütler spe¬
zialisiert haben, wurde beobachtet, dass sie
sich von den Abwehrstoffen der Gruppe
der oben erwähnten Senfölglukoside zum
Frass oder zur Eiablage stimulieren oder
von den flüchtigen Senfölen anziehen las¬
sen. Mit anderen Worten, sie haben sich
während der Evolution so gut an die Ab¬
wehr ihrer Wirtspflanzen angepasst, dass
sie die «chemische Abwehr» jetzt als «Weg¬
weiser» und «Erkennungsmerkmal» für die
rasche und effiziente Wirtswahl brauchen
können. Diese Effizienz der Kohlinsekten
und die Tatsache, dass wir Menschen auch
aus Gründen der Effizienz unsere Kohl¬
gemüse in Monokulturen anbauen, sind
sicher wichtige Gründe dafür, dass Kohl¬
gemüse im Garten und auf dem Feld von
vielen Insekten - wir nennen sie Schäd¬
linge, weil sie unsere Konkurrenten sind befallen werden. Sofern wir keinen durch¬
löcherten oder von Raupenfäkalien be¬
schmutzten Kohl ernten wollen, müssen
wir unsere Kulturen gegen die «schädli¬
chen» Konkurrenten schützen. Die Frage
ist: Wie und wie nachhaltig können wir die
Kohlkulturen schützen? Den Glauben,
dass irgendwelche Zaubermittel die Schäd¬
linge für immer fernhalten oder vernichten
können, gibt es bei informierten Bauern
und Pflanzenschutzexperten nicht mehr.
Die Insekten haben uns gezeigt, dass sie
Falter der Kohlschabe. Natürliche Grösse: 6 mm, FlügelSpannweite etwa 15 mm: Die Raupen dieses Falters fressen
die Blätter bis auf die Rippen und gehören auf der ganzen
Welt zu den wichtigsten Kohlschädlingen. Foto: fan TheuIP0-DL0, Wageningen, Niederlande.
nissen,
gegen alle Wirkstoffe, und biologische
Wirkstoffe (Bakterium Bacillus thuringiensis) sind keine Ausnahme davon, resistent
werden können. Das ganze Arsenal an
Bekämpfungsmassnahmen muss also ver¬
nünftig eingesetzt werden, wenn es nicht
schon bald nutzlos sein soll. Vernünftig ist
ein gezielter - nicht präventiver -, spar¬
samer Einsatz der heute noch wirksamen
Mittel. Bei der grossen Anzahl von Schäd¬
lingen an den Kohlgemüsen allein scheint
es klar, dass Gemüsebauern und Gärtner
für den nachhaltigen Pflanzenschutz auf
professionelle Hilfe angewiesen sind. Ein
wichtiges Element dabei ist ein Prognoseund Warndienst, der die wichtigsten Ge¬
müsekulturen und ihre Krankheiten und
Schädlinge umfasst. Leider wird heute der
Wert dieser Dienste für eine nachhaltige
Produktion und einen optimalen Schutz
der Umwelt von entscheidenden Stellen
zu wenig klar erkannt, und darum be¬
steht die Gefahr, dass auch diese öffentli¬
che Dienstleistung in naher Zukunft ver¬
schwinden wird.
Bei jeder Bekämpfüngsmassnahme,
und sei sie unmittelbar noch so vernünftig,
wie Behandlungen, die sich an Schaden¬
schwellen orientieren und selektive, nützlingsschonende Pflanzenschutzmittel ein¬
setzen, oder wie der Einsatz von Schutz¬
netzen, welche die Schädlinge fernhalten,
fragt es sich, ob es Verbesserungen des
Pflanzenschutzes gebe, mit welchen der
Einsatz von Hilfsmitteln reduziert oder
ganz unnötig gemacht werden könnte. Als
Schadenschwelle bezeichnet man die kriti¬
sche Zahl schädlicher Insekten auf kontrol¬
lierten Kulturpflanzen, bei der noch keine
Ertragsausfälle erwartet werden müssen. In
der Fachwelt sind die meisten Spezialisten
davon überzeugt, dass man den Kohl wohl
auch in Zukunft aktiv schützen muss. Aber
Verbessemngen der heutigen Praxis sind
sicher möglich. Neben dem Ruf einer
«nachhaltigen» Beratung der Praxis gibt es
auch längerfristige Ziele, welche nach ent¬
sprechenden Forschungsprojekten verlan¬
gen. Seit einigen Jahren laufen Studien
Mehlige Kohlblattlaus. Natürliche Grösse etwa 2 mm: Die
Laus und ihre ungeflügelten Jungen leben ausschliesslich auf
Koblgewächsen und saugen vom Saftgewebe der Blätter.
Sie injizieren Speichel, welcher zu Deformationen der Blät¬
ter und der ganzen Pflanze führen können. Im Bild sind
auch drei bräunlich gefärbte, geschwollene Läuse (Mumien)
zu
sehen.
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zum Einsatz von Unterkulmren, wie zum
Beispiel Kleesorten, welche so niedrig
wachsen, dass der Kohl wenig oder nicht
konkurcenziertwird. Man weiss heute, dass
gewisse Schädlinge, aber nicht alle, in
solchen «Mischkulmren» weniger häufig
auftreten. Forschungsbedarf besteht auch
immer noch bei der Entwicklung einer bes¬
seren und praxisgerechteren Prognose und
ökonomisch akzeptabler Methoden zur
Bestimmung von Schadenschwellen. Da¬
zu speziell geeignet und zum Teil auch
schon angewandt sind Fallen für be¬
stimmte Schädlinge. Ein Beispiel für eine
schon lange eingeführte und heute be¬
währte Falle ist die Gelbschale. Die gelbe
Farbe ist für sehr viele Insekten attraktiv;
eine gewisse, aber nicht vollständige Selek¬
tivität wird mit dem Lockstoff (Allylisothiocyanat) in einem Verdampferschlauch
erreicht. Attraktivere und/oder selektivere
Lockstoffe, welche vor allem Kohlinsekten
anlocken würden, wären von grossem Vor¬
teil für die rasche Bestimmung und Aus¬
zählung durch die Pflanzenschutzberater
oder Produzenten. Ein weiteres vielver¬
sprechendes Forschungsziel ist die Züch¬
tung weniger anfälliger Kohlsorten. Dies ist
ein Ziel, dem die privaten Züchterfirmen
für Gemüsesamen in Zukunft ein viel grös¬
seres Gewicht beimessen werden als bisher.
Für die Entwicklung praktisch jeder
neuen Bekämpfüngsstrategie, welche auf
die direkte Abtötung der Schädlinge mit
Insektiziden verzichtet, stellen sich grand¬
legende Fragen zur Biologie der betreffen¬
den Insekten. Eine ganz zentrale Frage ist
dabei die Wirtswahl: Wie findet und wie
wählt ein Insektenweibchen die Pflanze
aus, auf der es die Eier legt, aus denen sich
die Nachkommen in Form von Larven
oder Raupen entwickeln, welche dann un¬
sere Kohlpflanzen schädigen? Würden die
Kohlpflanzen nicht gefunden oder wür¬
den sie gar nicht zur Eiablage akzeptiert,
gäbe es ja gar keine Probleme! Die Wirts¬
wahl der Schädlinge für den Gemüsebau
und die Landwirtschaft allgemein wird
von vielen Insektenforschem als Schlüssel¬
Zwiebelthrips. Natürliche Grösse etwa 0,7 mm, von Auge
knapp sichtbar: Die Adulten und ihre ungeflügelten Jungen
und im Winter genügend Insekten für
Verhaltensversuche zur Verfügung stehen.
Danach muss ein Testverfahren entwickelt
werden, um die möglichen Reize der
beziehung erkannt. Aber bis heute gibt es
erst wenige Insekten, bei denen die Wirts¬
wahl der Weibchen im Detail studiert
wurde. In Wädenswil hat die Erforschung
der Wirtswahl von Schädlingen eine ge¬
wisse Tradition, und es ist kein Zufall, dass
dazu in den letzten Jahren unter anderem
drei Kohlschädlinge ausgewählt wurden.
Sowohl der kleine Kohlweissling wie die
Kohlschabe und die Kohlfliege treten re¬
gelmässig und in verschiedenen Genera¬
tionen an Kohlgewächsen auf. Der Kohl¬
weissling und die Kohlschabe legen ihre
Eier aufdie Blätter, und die Raupen fressen
dann an den Blättern. Die Kohlfliege lan¬
det auch zuerst auf den Blättern der Kohl¬
pflanzen, legt dann aber ihre Eier in den
Boden. Die schlüpfenden Larven (Maden)
minieren in den Wurzeln oder bei Rettich
und Radieschen im Wurzelkörper. Selbst¬
verständlich sind weder die Raupen der
Schmetterlinge noch die Maden der Kohl¬
fliege für Gärtner und Konsumenten ak¬
zeptabel, und dämm müssen diese Schäd¬
linge auch regelmässig bekämpft werden.
Dies ist Grand genug, die Wirtswahl dieser
Insekten genauer zu studieren. Die Frage
ist wie.
Ein erster wichtiger Schritt ist die An¬
legung einer Zucht, so dass im Sommer
\
Wirtspflanzen auf das weibliche Insekt zu
testen. Pflanzliche Eigenschaften, welche
die Eiablage auslösen könnten, sind die
Form, die Farbe, der Geruch und der Ge¬
schmack der Blätter oder der ganzen
Pflanze. Um diese verschiedenen Reize zu
testen, haben wir im Falle der Kohlfliege
eine grosse Zahl künstlicher Blätter aus Pa¬
pier hergestellt und dabei alle möglichen
Reize systematisch variiert und mit der
Eiablage an echten Pflanzen verglichen.
Diese Untersuchungen ergaben, dass ein
künstliches Blatt für die Fliegen ähnlich at¬
traktiv wie ein echtes ist, wenn es folgende
Eigenschaften hat: 1. ähnlich gross, 2.
grün, 3. senkrechte Rippen (Blattnerven),
4. mit Wachs überzogen und 5. wenn es
mit einem speziellen Extrakt von Kohl¬
blättern behandelt wurde.
Im Falle des kleinen Kohlweisslings ge¬
lang es unserem Kollegen Alan Renwick,
mit einem grünen, gewachsten Karton, der
auch mit einem Kohlblattextrakt behan¬
delt wurde, die Eiablage auszulösen. Wie
bei einem richtigen Kohlblatt löste die
Attrappe bei den Weibchen das Landen
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Befressenes Blatt
eines Chinakohls
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mit der Raupe
und den Fäkalien
der Kohleule.
Kohlmottenschildlaus oder weisse Fliege des Kohls.
/
Kohlfliege. Natürliche Grösse etwa 5 mm: Die Weibchen
legen ihre Eier vor allem in den Boden nahe von verschie¬
denen Kohlgewächsen oder im Sommer gelegentlich auch
leben
Natürliche Grösse etwa 1,5 mm: Im Bild sind links oben
eine Gruppe Eier, rechts Larven und in der linken Bild¬
oberfläche aus. Das Kohlblatt reagiert mit Pusteln, die vom
menschlichen Konsumenten nicht toleriert werden
hälfte eine adulte weisse Fliege zu sehen. Sowohl die
Larven wie die Adulten saugen vom Saft der Blätter und
produzieren klebrige Exkremente, auf denen ein schwarzer
zwischen die Blätter des Kopfkohls und die Röschen des
Rosenkohls. Die Maden minieren in den Wurzeln, dem
Pilz (Russtau) wächst.
sterben ab,
auf verschiedenen Pflanzen, aber insbesondere auch
auf Kohlköpfen. Die Thripse saugen die Zellen der Blatt¬
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80
Strunk und auch in den Blättern. Stark befallene Pflanzen
und die Kohlköpfe oder Röschen werden faul.
und das Betrommeln der Oberfläche mit
den Vorderfüssen aus. Die Analyse ergab,
dass die wichtigsten Reize im Pflanzen¬
extrakt enthalten sind. Einige der extrahier¬
tive Substanzen enthalten. Während der
Auftrennung der Extrakte hat es sich rasch
ten Pflanzenstoffe (Senfölglukoside) sind
schon seit einiger Zeit bekannt, und ge¬
wisse Duftstoffe (Senföle) unter ihnen
werden seit einigen Jahren in Fallen für
Kohlschädlinge eingesetzt. Sowohl beim
Kohlweissling als auch bei der Kohlfliege
hat sich aber erwiesen, dass Substanzen,
die nicht flüchtig sind und dämm von
den Fliegen und Schmetterlingen nur im
Kontakt, beim Laufen oder Betrommeln
der Blattoberfläche als Geschmacksstoffe
wahrgenommen werden können, noch
wichtiger sind als Duftstoffe. Diese Sub¬
stanzen waren bis heute noch nicht be¬
kannt und kommen in der Pflanze und de¬
ren Oberfläche in so geringer Menge vor,
dass nur durch die Extraktion grosser Men¬
gen von Kohl genügend Stoffe isoliert, in
die Bestandteile aufgetrennt und von Che¬
mikern identifiziert werden können.
Natürlich müssen alle aufgetrennten
Stoffe vor einer Identifikation zuerst gete¬
stet werden. Dazu werden sie auf künst¬
liche Blätter aufgespritzt und danach im
Eiablageversuch getestet. Die Weibchen
legen nur Eier, wenn sich im Testextrakt ak¬
Pflanzen enthalten sind und dass darum
die Eiablagetests mit den künstlichen Blatt¬
attrappen nicht ideal ist, um Hunderte von
Extrakten und Teilen davon auf ihre mög¬
liche Aktivität zu prüfen. Das gelang bei all
diesen Insekten erst, als die Sinnesorgane
der Weibchen untersucht wurden und
dabei elektrophysiologisch die Reaktion
der Nervenzellen (Sinneszellen) abgeleitet
werden konnte. Bei der Kohlschabe fan¬
den sich empfindliche Gerachsorgane auf
den Antennen. Beim Kohlweissling und
der Kohlfliege fanden wir die entscheiden¬
den Geschmacksorgane auf der Unterseite
der Füsse (licht- und elektronenmikrosko¬
pische Aufnahmen). Mit der Elektrophysiologie ist es möglich, kleinste Mengen
(etwa 2 Millionstelliter) auf ihre stimulie¬
rende Wirkung an den Sinneshaaren zu
testen. Dank diesem Test und der guten
Zusammenarbeit mit Chemikern in Wä¬
denswil, Basel, England und den USA ha¬
ben wir in den letzten Jahren nun ver¬
schiedene Natursubstanzen identifiziert,
die für die Eiablage von zwei wichtigen
Schädlingen von Bedeutung sind.
gezeigt, dass die aktiven Pflanzensubstan¬
zen nur in sehr geringen Mengen in den
m
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Junge Kohlpflanze,
von Raupen
verschiedener Kohlschäd¬
linge befallen und
verlöchert.
Wie können diese Erkennmisse in Zu¬
kunft für den praktischen Pflanzenschutz
angewendet werden? Wie erwähnt, werden
gewisse käuflich erhältliche Senföle in Fal¬
len bereits heute für die Prognose einge¬
setzt. Die Kenntnis über die Geschmacks¬
stoffe können wir in erster Linie dazu
einsetzen, um Voraussagen zu machen,
welche Kohlsorten besonders (mit viel Stimulantien) oder wenig (mit vergällenden
Stoffen) anfällig sind. Solche Resultate in¬
teressieren natürlich vor allem die Pflan¬
zenzüchter. Die ersten systematischen Ver¬
gleiche zeigen, dass dabei in der Tat in¬
teressante Voraussagen gemacht werden
können. Bei der Untersuchung von ver¬
schiedenen wilden Kreuzblüdern zeigte es
sich auch, dass es in weniger anfälligen
Pflanzen auch die Eiablage hemmende
Stoffe geben muss, die noch weitgehend
unbekannt, aber natürlich sehr wichtig
sind. Neben der Isolierung und Identifika¬
tion dieser hemmenden Stoffe wird es in
Zukunft auch wichtig sein, mehr über die
Eigenschaften der Inhaltsstoffe zu wissen.
Wir möchten zum Beispiel wissen, ob die
Eiablagestimulantien aus den Kreuzblüt¬
lern auch an Nichtwirtspflanzen die Eiab¬
lage auslösen und so zur Bekämpfung ein¬
gesetzt werden könnten. Dazu mussten die
Natursubstanzen von Chemikern syntheti¬
siert werden, um in grösserer Menge zur
Verfügung zu stehen. Es liegt auf der Hand,
dass natürliche Pflanzenstoffe im Kohl für
uns menschliche Konsumenten nur dann
erwünscht sind, wenn sie die Pflanzen für
die Schädlinge weniger attraktiv machen,
für die Pilzkrankheiten weniger anfällig und
gleichzeitig für die Gesundheit der mensch¬
lichen Konsumenten mindestens ungefähr¬
lich, wenn nicht sogar besonders gesund
sind. Das könnten schwierig zu vereinba¬
rende Ziele sein, aber die ersten wichtigen
Elemente zur Eneichung dieser Ziele sind
heute dank der systematischen Erforschung
der Wirtswahl von Schädlingen, welche
durch den Schweizerischen Nationalfonds
und die Forschungsanstalt Wädenswil un¬
terstützt wird, greifbar geworden.
¦
Kohlschnake. Natürliche Körpergrösse etwa 20 mm, Beine
doppelt so lang: Die Maden fressen die Wurzeln und den
Strunk der Setzlinge vieler verschiedener Pflanzen, aber
Kohldrehherzgallmucke. Natürliche Grösse etwa 1,5 mm:
Diese Mücke legt ihre Eier an die Blattstiele von ganz jun¬
gen Blättern im Herz der Kohlpflanzen. Die Larven saugen
Pärchen des Kohltriebrüsslers. Natürliche Grösse etwa
insbesondere auch von Kohl. Die befallenen Pflanzen ster¬
ben ab.
an der Oberfläche, und der injizierte Speichel verursacht
eine Verdickung und Verdrehung der Blattstiele und kann
das Herz der Pflanze zum Absterben bringen. Foto: Jan
Theunissen, IP0-DL0 Wageningen, Niederlande.
hinein. Die schlüpfenden Larven minieren im Stiel und im
Strunk und bringen die Pflanze zum Welken und Abster¬
3 mm: Das Weibchen (rechts) bohrt mit seinem langen
Rüssel ein Loch in den Blattstengel und legt danach ein
ben.
Foto: Marek Kozlowski, SGGW-AR Warszawa,
Polen.
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