Wunde ist nicht gleich Wunde! Kommunikation zwischen Ärzten und Pflege Xavier JORDAN 7. HARTMANN Wundsymposium Zürich, 29. Juni 2017 7. HARTMANN Wundsymposium 29. Juni 2017 Helps communicating? Warum dieses Thema? REHABILITATIONSMEDIZIN Rehabilitation „Rehabilitation umfasst den koordinierten Einsatz medizinischer, sozialer, beruflicher, pädagogischer und technischer Maßnahmen sowie Einflussnahmen auf das physische und soziale Umfeld zur Funktionsverbesserung zum Erreichen einer größtmöglichen Eigenaktivität zur weitestgehenden Partizipation in allen Lebensbereichen, damit der Betroffene in seiner Lebensgestaltung so frei wie möglich wird.“ Technical Report 668/1981 der WHO Prämissen Koordinierter Einsatz eines umfassenden MassnahmenKomplexes. Komplexität schliesst Einzelleistung aus, erfordert also TeamArbeit. Ähnlich ist es in der Behandlung chronischer Wunden. Aber: Was ist ein Team? Vom Individuum zum Team TEAM GRUPPE MENSCHEN MENGE Menschenmenge? Vielzahl von Personen, die sich am gleichen Ort für eine bestimmte Veranstaltung und somit für eine bestimmte Dauer treffen. Die Individuen einer Menschenmenge haben oft gemeinsame Interessen, aufgrund deren sie sich treffen, wobei sie jedoch gegenseitig anonym bleiben. X. Jordan SAR Newsletter 2 | 2016 Gruppe? Die dazugehörigen Personen werden einander bewusst, gemeinsame Eigenschaften können ausfindig gemacht werden. Diese Identität dient der gegenseitigen Erkennung, mit der man sich von der Anonymität loslöst und sich zu einer Gemeinschaft mit dem gleichen Schicksal entwickelt, was zu einer Wechselbeziehung zwischen ihren Mitgliedern führt. Die Interaktion zwischen den Individuen wird direkt und die Kommunikation verläuft ohne Umwege von einer Person zu einer anderen. Dazu benötigt man eine gemeinsame Kultur, gemeinsame Normen und eine gemeinsame Sprache. In der Gruppe bleibt die Wichtigkeit jedes Individuums entscheidend, das eher einsam ist. Team? Sobald diese Gruppe ihre Kräfte vereint, um eine Aufgabe zu erledigen, bei der alle ihren Beitrag leisten, das heisst, sobald sie etwas unternimmt (Handlung), wird sie zum Team. Damit dieses Team funktioniert, braucht es gemeinsame Werte. Das Streben nach individuellem Erfolg wird zugunsten des Gruppenerfolgs aufgegeben, das Individuum ist eher solidarisch. Team? gemeinsame Werte: fachspezifische, theoretische und ethische Werte sowie Kohärenz, Verbundenheit, Loyalität, Vertrauen und gegenseitige Anerkennung, ohne den Gedankenaustausch zu befürchten, die ihm als Nahrung dient. Das Streben nach individuellem Erfolg wird zugunsten des Gruppenerfolgs aufgegeben, das Individuum ist eher solidarisch. Team? gemeinsame Werte: Theoretische, fachspezifische und ethische Werte Übrigens: Wissen (knowledge) Fertigkeiten (skills) Verhalten (attitude) Kompetenz Teamwerte? Kohärenz Verbundenheit Loyalität Vertrauen gegenseitige Anerkennung. Aber ohne den Gedankenaustausch zu befürchten, die dem Team als Nahrung dient. Scheint logisch und einfach: wo ist das Problem? Team Die Hauptschwierigkeit liegt bei der unfreiwilligen Teilnahme an der gemeinsamen Handlung des Teams. Sie hängt von einer Zugehörigkeit zu einer Institution ab. Die Teammitglieder werden somit dazu gezwungen, den rein emotionalen Rahmen ihrer Beziehung zueinander zu verlassen, um gemeinsame Instrumente zu schaffen. Team Dabei muss man jedoch darauf achten, dass man den Verfahren nicht allzu viel Wichtigkeit zukommen lässt, was dem individuellen Engagement schaden würde, da die unüberlegte, starre Anwendung der Weisungen dazu führen kann, dass Spontaneität, Engagement und Hinterfragung verloren gehen, weil die Individuen austauschbar geworden sind und sie vielleicht überholte Vorlagen strikte anwenden. Team Individuelle Emotionen sind nötig, auch wenn diese emotionale Seite in einem Team nicht im Vordergrund steht. Individuen treffen sich aufgrund ihrer Kompetenzen in Bezug auf ein gemeinsames Ziel, und zwar in einem bestimmten Zusammenhang, der ihnen nicht unbedingt ideal scheint. Sie arbeiten nur zusammen, weil sie in einem mit realitätsbezogenen Pflichten verbundenem Kontext eine gemeinsame Aufgabe erfüllen müssen, wobei diese Aufgabe architektur-, budget- oder strukturbezogen erschwert sein kann. Team Für das Team geht es hier nicht darum, alles um jeden Preis zu erledigen, da die Ressourcen ja nicht unbeschränkt erweiterbar sind, sondern darum, die entsprechende Aufgabe zum richtigen Zeitpunkt (griech. "Kairos") mit den richtigen Personen (individuelle Kompetenzen) und auf die richtige Weise ("best practice") zu erledigen. Rahmen « Die Teamarbeit zeichnet sich dadurch aus, dass eine Handlung im richtigen Moment mit den richtigen Personen und auf die richtige Weise ausgeführt wird. » X. Jordan SAR Newsletter 2 | 2016 Rahmen transprofessionnelles Team richtige Weise « best practice » « Kairos » Zeitpunkt Wie schaffen wir das? Die richtige Person muss das Richtige tun am richtigen Zeitpunkt. Wie schaffen wir das? transprofessionnelles Team richtige Weise « best practice » « Kairos » Zeitpunkt Lösungsansätze Die richtige Person auswählen Die richtige Massnahme treffen Am richtigen Zeitpunkt handeln transprofessionnelles Team richtige Weise « best practice » « Kairos » Zeitpunkt Richtige Person? Keine Kompetenzfrage im Sinne des Berufs, sondern entsprechend dem Ausbildungsniveau! PROFIL DER WUNDSPEZIALISTIN, SAFW, 2017 Eigenständiges Arbeiten Ich kann meine Arbeit im Rahmen meiner Kompetenzen (Ausbildunsniveau) unabhängig ausführen. Was heisst “unabhängig”? Unabhängigkeit der Pflege The National Council of State Boards of Nursing (UK) definiert Unabhängigkeit als die Möglichkeit zu praktizieren • ohne Pflicht eines schriftlichen Einverständnis zur Zusammenarbeit, • ohne Supervision, • ohne Bedingungen. McCleery E, Christensen V, Peterson K, Humphrey L, Helfand M. Evidence Brief: The Quality of Care Provided by Advanced Practice Nurses. VA -based Synthesis Program Evidence Briefs [Internet]. Washington (DC): Department of Veterans Affairs (US); 2011-. VA Evidence-based Synthesis Program Reports. 2014 Sep. Unabhängigkeit der Pflege Häufig beschriebene Aspekte der Unabhängigkeit: • Diagnosen stellen • Verschreibungen tätigen Andere Dimensionen: • Zugang zur Praxis • Dignität, eigene Leistungen in Rechnung zu stellen • Zugang zu diagnostischen Mitteln • Möglichkeit, Patienten ins Spital zu überweisen • Anerkennung als Grundversorger. McCleery E, Christensen V, Peterson K, Humphrey L, Helfand M. Evidence Brief: The Quality of Care Provided by Advanced Practice Nurses. VA -based Synthesis Program Evidence Briefs [Internet]. Washington (DC): Department of Veterans Affairs (US); 2011-. VA Evidence-based Synthesis Program Reports. 2014 Sep. Richtige Massnahme? Best practice Richtiger Zeitpunkt? Nicht einfach! Meine Priorität ist nicht unbedingt diejenige Priorität meines Gesprächspartners. Meine Dringlichkeit ist nicht Seine. Spiegelneurone! Team? gemeinsame Werte: Theoretische, fachspezifische und ethische Werte Wissen (knowledge) Fertigkeiten (skills) Verhalten (attitude) Kompetenz Erfolg vs Misserfolg ERFOLG MISSERFOLG Gegenseitiger Respekt Ungenügende Kommunikation Positive Kommunikation Fehlendes Wissen Anerkennung der Rollen Unterschiede in der Theorie Anerkennung der Expertise der Kollegen Verschiedene Perspektiven je nach Beruf Gabrielová J, Veleminsky M Sr. Interdisciplinary collaboration between medical and non-medical professions in health and social care. Neuro Endocrinol Lett. 2014;35 Suppl 1:59-66. Einflussfaktoren Kommunikation Respekt Verständnis Priorität Ungleiche der und der Macht Berufsrollen Vertrauen Aufgaben Tang CJ, Chan SW, Zhou WT, Liaw SY. Collaboration between hospital physicians and nurses: an integrated literature review. Int Nurs Rev. 2013 Sep; 60(3):291-302. doi: 10.1111/inr.12034. Epub 2013 May 27. Modell Kommunikation Respekt und Vertrauen Verständnis der Berufsrollen Priorität der Aufgaben Ungleiche Macht Kommunikation allein? Kommunikation ist nur ein Teil der Zusammenarbeit. Ist es wirklich ein Problem der Kommunikation? Andere Knackpunkte? Kommunikation Rahmen (zeitlich und geographisch) definieren (“Darf ich Sie 10 Minuten stören?”) Absichten erklären (“Es geht um…”) Vorgaben und Rahmen präzisieren (“Der Patient hat einen tiefen Dekubitus, er möchte nicht ins Spital, die Nekrose müsste aber entfernt werden…”) Problem - Lösung - Nutzen darstellen (“Infektgefahr - Debridement - danach möglicherweise keine Antibiotika/Spitalaufenthalt nötig”) Körperhaltung offen und positiv und/oder kontrollierte Sprache Gegenüber einholen und Platz machen (“Ich brauche Sie fürs Debridement”) Sich die “Weltansicht” des Anderen vor Augen halten (einzelne Begriffe haben nicht dieselbe Bedeutung/Gewichtung) (“Die Blase an der Ferse muss entlastet werden”) Abholen und bestätigen lassen (“Sehen Sie es auch so?) Nächste Schritte verbindlich abmachen (“Können Sie morgen vorbeikommen?”) Gespräch abschliessen (“Vielen Dank, also bis morgen”) Modell Kommunikation Respekt und Vertrauen Ungleiche Macht Verständnis der Berufsrollen Priorität der Aufgaben Bedingungen für die Teamarbeit: geteilte Denkmodelle gegenseitiger Respekt und Vertrauen Kommunikation. Team Die Hauptschwierigkeit liegt bei der unfreiwilligen Teilnahme an der gemeinsamen Handlung des Teams. Sie hängt von einer Zugehörigkeit zu einer Institution ab. Die Teammitglieder werden somit dazu gezwungen, den rein emotionalen Rahmen ihrer Beziehung zueinander zu verlassen, um gemeinsame Instrumente zu schaffen. Team unfreiwilligen Teilnahme ➢ gemeinsame Instrumente Notwendige Pflichten, die der Handlung eine Kohärenz verleihen. Es ist Aufgabe des “Teamleiters”, die nötigen Instrumente zur Verfügung zu stellen. Lösungsansätze Interprofessionnelle Aus-/Weiter- und Fortbildung (Symposium!) Stationsvisiten / Gemeinsame Sprechstunde Fachgesellschaften Wissenschaftliche Arbeiten / Publikationen Kommunikationsverbesserungen Modernes Gesundheitswesen (Wundbehandlung) braucht ein multidisziplinäres, gut organisiertes Team, effektive Teamarbeit und Kommunikation. Bedingungen für die Teamarbeit: geteilte Denkmodelle gegenseitiger Respekt und Vertrauen geschlossene Kommunikation. Weller J, Boyd M, Cumin D. Teams, tribes and patient safety: overcoming barriers to effective teamwork in healthcare. Postgrad Med J. 2014 Mar; 90(1061):149-54. doi: 10.1136/postgradmedj-2012-131168. Epub 2014 Jan 7. PMID: 24398594 DOI: 10.1136/postgradmedj-2012-131168 Kommunikationsverbesserungen Ausbildung: erlaubt besseres Verständnis der Prinzipien der Teamarbeit, der eigenen Rollen und Perspektiven, Entwicklung von Kommunikationsstrategien Psychologische Barrieren: Abschottung der Berufe und Hierarchien Organisatorische Schwierigkeiten: z. B. geographische Streuung des Teams Weller J, Boyd M, Cumin D. Teams, tribes and patient safety: overcoming barriers to effective teamwork in healthcare. Postgrad Med J. 2014 Mar; 90(1061):149-54. doi: 10.1136/postgradmedj-2012-131168. Epub 2014 Jan 7. PMID: 24398594 DOI: 10.1136/postgradmedj-2012-131168 Ausbildung Im Allgemeinen sind in Gesundheitseinrichtungen die Ausbildungswege abgeschottet. Auszubildende auf die transprofessionnelle Zusammenarbeit vorzubereiten, kann schwierig sein. Welche Kompetenzen sind dabei notwendig: 1) “Team leadership”: die Fähigkeit, die Aktivitäten der Teammitglieder zu koordinieren, die Aufgaben zu verteilen, die Effektivität zu überprüfen und Höchstleistungen zu fördern. Leasure EL, Jones RR, Meade LB, Sanger MI, Thomas KG, Tilden VP, Bowen JL, Warm EJ. There is no "i" in teamwork in the patient-centered medical home: defining teamwork competencies for academic practice. Acad Med. 2013 May; 88(5):585-92. PMID: 23524923 DOI: 10.1097/ACM.0b013e31828b0289 Ausbildung Leasure EL, Jones RR, Meade LB, Sanger MI, Thomas KG, Tilden VP, Bowen JL, Warm EJ. There is no "i" in teamwork in the patient-centered medical home: defining teamwork competencies for academic practice. Acad Med. 2013 May; 88(5):585-92. PMID: 23524923 DOI: 10.1097/ACM.0b013e31828b0289 2) “Mutual performance monitoring”: die Fähigkeit, das gemeinsame Verständnis unter den Teammitgliedern zu entwickeln in Bezug auf Absichten, Rollen und Verantwortlichkeiten der Teammitglieder, und so die Leistung gegenseitig zu kontrollieren. 3) “Backup behavior”: die Fähigkeit, die Bedürfnisse der Teammitglieder vorauszuplanen und die Verantwortlichkeiten je nach Arbeitsbelastung zu verschieben. 4) “Adaptability”: die Fähigkeit der Teammitglieder, ihre zielgerichtete Strategie auf der Basis der Rückmeldungen aus ihrer Umgebung anzupassen 5) “Team orientation”: die Fähigkeit, Teamziele über persönliche Ziele zu stellen, alternative Perspektiven zu unterstützen und Respekt und Aufmerksamkeit allen Teammitgliedern zu zeigen. Ausbildung Pflegende und Ärzte haben nicht dieselbe Ausbildung, wie könnten sie dieselben Kompetenzen haben? Höchste Kompetenzen im eigenen Beruf vs. Pragmatismus im Team Kommunikation ist ein zentraler Bestandteil der Teamarbeit. Sie muss geschult und gelernt werden. Sie muss sich auf strukturelle, kulturelle und fachspezifische Faktoren stützen. Sie blüht im gegenseitigen Wohlwollen a priori. Merci ! Xavier JORDAN, Chefarzt Spinal Cord Unit Clinique romande de réadaptation SUVACare Av. Grand-Champsec 90, Postfach 1951 Sion Email [email protected] Schweizer Gesellschaft für Paraplegie: www.ssop.ch Schweizer Gesellschaft für Wundbehandlung: www.safw.ch 44 Bibliographie Gabrielová J, Veleminsky M Sr. Interdisciplinary collaboration between medical and non-medical professions in health and social care. Neuro Endocrinol Lett. 2014;35 Suppl 1:59-66. Jordan X. Die SAR als Beispiel eines funktionierenden Teams, SAR Newsletter 11.10.2016. Jordan X. Die Interventionen im Team, SAR Newsletter 11.10.2016. Leasure EL, Jones RR, Meade LB, Sanger MI, Thomas KG, Tilden VP, Bowen JL, Warm EJ. There is no "i" in teamwork in the patient-centered medical home: defining teamwork competencies for academic practice. Acad Med. 2013 May;88(5): 585-92. PMID: 23524923 DOI: 10.1097/ACM.0b013e31828b0289 McCleery E, Christensen V, Peterson K, Humphrey L, Helfand M. Evidence Brief: The Quality of Care Provided by Advanced Practice Nurses. VA -based Synthesis Program Evidence Briefs [Internet]. Washington (DC): Department of Veterans Affairs (US); 2011-. VA Evidence-based Synthesis Program Reports. 2014 Sep. Tang CJ, Chan SW, Zhou WT, Liaw SY. Collaboration between hospital physicians and nurses: an integrated literature review. Int Nurs Rev. 2013 Sep;60(3):291-302. doi: 10.1111/inr.12034. Epub 2013 May 27. Weller J, Boyd M, Cumin D Teams, tribes and patient safety: overcoming barriers to effective teamwork in healthcare Postgraduate Medical Journal 2014;90:149-154. http://pmj.bmj.com/content/90/1061/149 PROFIL DER WUNDSPEZIALISTIN, SAFW, 2017 The author has requested enhancement of the downloaded file. All in-text references underlined in blue are linked to publications on ResearchGate.