Zöliakie - Springer

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Schwerpunkt: Dünndarm
Gastroenterologe 2008 · 4:19–26
DOI 10.1007/s11377-008-0238-2
Online publiziert: 13. Dezember 2008
© Springer Medizin Verlag 2008
Redaktion
J.F. Riemann, Ludwigshafen
W.E. Schmidt, Bochum
M. Schumann · S. Daum · J.-D. Schulzke · M. Zeitz
Klinik für Gastroenterologie, Rheumatologie und Infektiologie, Charité, Universitätsmedizin Berlin
Zöliakie
Epidemiologie, Pathogenese, Differenzialdiagnostik und Therapie
Im Rahmen der Zöliakie entsteht bei
prädisponierten Individuen aufgrund
einer immunologischen Reaktion des
intestinalen Immunsystems auf den
Getreidebestandteil Gluten eine Malabsorption, die auf einer schweren
Architekturveränderung der proximalen Dünndarmmukosa beruht.
Erkenntnisse der letzten Jahre brachten wegweisende Neuerungen in den
Bereichen Epidemiologie, Pathophysiologie und Diagnostik.
Epidemiologie
Seit Mitte der 90er Jahre wurden in verschiedenen Ländern Europas und in den
USA große Querschnittsstudien durchgeführt, in denen mittels Bestimmung
zöliakiespezifischer Antikörper jeweils
mehrere 1000 Bewohner eines geographischen Areals untersucht wurden. Antikörperpositive Probanden unterzogen
sich zur Bestimmung der duodenalen
Histologie einer Gastroskopie. Entgegen
aller Erwartungen ergab sich aufgrund
dieser Untersuchungen eine sehr hohe
Zöliakieprävalenz von ca. 1% [32, 16, 29].
Diese inzwischen mehrfach reproduzierten Daten stehen in einem deutlichen
Kontrast zu älteren Prävalenzdaten um
0,05% bis 0,27%, die auf rein klinischen
Zöliakiediagnosen basierten [27, 9] und
suggerieren, dass auf jeden diagnostizierten Zöliakiepatienten ca. 8 nicht diagnostizierte Fälle kommen.
Hinweise auf eine genetische Komponente in der Zöliakiepathogenese ergeben sich aus epidemiologischen Studien
an Verwandten Zöliakiekranker. So beträgt die Wahrscheinlichkeit der erstgradigen Verwandten, ebenfalls eine Zöliakie
zu entwickeln, 5–10% [28, 16]. Das Risiko
monozygoter Zwillinge ist mit 75% noch
deutlich höher [18].
Verlaufsformen der Zöliakie
Die klassische Verlaufsform der Zöliakie
ist durch eine chronische, unblutige Diarrhö mit klinischen Zeichen der Malabsorption (u. a. Körpergewichtsverlust und
Anämie) und Nachweis einer typischen
Dünndarmhistologie charakterisiert. Diese Klinik ist unter glutenfreier Diät komplett rückläufig [46].
Daneben gibt es verschiedene, schwierig zu diagnostizierende nichtklassische
Verlaufsformen, deren geringe Bekanntheit zu den niedrig geschätzten Prävalenzwerten beitrug [17]. So findet sich bei der
atypischen/subklinischen Zöliakie zwar
auch eine zöliakietypische Dünndarmhistologie sowie Serologie. Die Patienten
zeigen jedoch keine oder nur eine subtile, oftmals extraintestinale Symptomatik (. Tab. 1, [21]). Die latente Zöliakie ist
ebenfalls nahezu asymptomatisch. Sowohl
der Antikörperbefund wie auch die duodenale Histologie sind unauffällig. Nur
zu einem früheren oder späteren Zeitpunkt ist im Krankheitsverlauf eine Zöliakie belegt [17, 21]. Unter einer Glutenbelastung kann es bei dieser Form zu zöliakietypischen Veränderungen kommen,
die dann die Diagnose bestätigen. Bei der
potenziellen Zöliakie finden sich im Gegensatz zur latenten Zöliakie keine zölia-
kietypischen Veränderungen in der Vorgeschichte. Die klinische Besserung unter
glutenfreier Kost kann – ähnlich wie bei
der latenten Zöliakie – der einzige Hinweise auf eine Glutenunverträglichkeit
darstellen [21].
Die refraktäre Sprue (RS) ist eine sehr
seltene, komplikationsbehaftete Zöliakieverlaufsform, bei der primär oder nach
initialer Besserung unter glutenfreier Diät trotz strenger Fortführung dieser Diät
eine persistierende Zottenatrophie besteht
[11]. Es werden zwei Verlaufsformen unterschieden: Beim Typ II ist eine klonalproliferierende Subgruppe intraepithelialer Lymphozyten (IEL) nachweisbar. Der
Nachweis solcher klonaler IELs wird als
ein Vorläufer des mit Enteropathie assoziierten T-Zell-Lymphoms interpretiert
[5]. Unter der RS vom Typ I werden alle
nicht weiter eingruppierbaren diätrefraktären Zöliakiefälle subsumiert.
Pathophysiologie
Bei Zöliakiekranken ist der Umbau der
Dünndarmschleimhaut mit Zottenatrophie und Kryptenhyperplasie das Ergebnis einer Reaktion sowohl des angeborenen („innate“) wie auch des adaptiven
Immunsystems auf bestimmte Peptidsequenzen des Getreideinhaltsstoffs Gluten.
Die Tatsache, dass der für diese Immunreaktion essenzielle „Trigger“ bekannt
ist, unterscheidet die Zöliakie von anderen nichtinfektiösen chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen wie Morbus
Crohn und Colitis ulcerosa und macht sie
zu einer Modellerkrankung. Die Zöliakie
Der Gastroenterologe 1 · 2009 | 19
Schwerpunkt: Dünndarm
Tab. 1 Extraintestinale Manifestationen bzw. Begleiterkrankungen
Haut
Leber
Assoziierte Autoimmunerkrankungen
Nervensystem
Sonstige Erkrankungen
gilt aufgrund der bekannten genetischen
Teilkomponente, deren pathogenetische
Bedeutung ebenfalls zu großen Teilen geklärt ist, auch als Modell für eine immungenetische Erkrankung [25].
Gluten ist ein Proteingemisch, in dem
alkohollösliche Polypeptide (sog. Prolamine, im Weizen Gliadine genannt) und
in Alkohol unlösliche Glutenine enthalten sind. Verfolgt man die Sequenz
der Zöliakieentstehung von Beginn an
(. Abb. 1), so ist die Unfähigkeit der
im Magen und Duodenum vorhandenen
humanen Peptidasen, die ungewöhnlich
prolinreichen Prolamin- und Gluteninsequenzen zu verdauen, eine wichtige Voraussetzung für die Entstehung einer Zöliakie (. Abb. 1, 1). Die Aufnahme der
zu großen Teilen unverdauten Peptidfragmente über das Dünndarmepithel
in den subepithelialen Raum ist zellbiologisch noch nicht abschließend geklärt.
Hier werden sowohl Transzytosemechanismen wie auch Defekte im epithelialen
Schlussleistennetz („tight junctions“) diskutiert (. Abb. 1, 2) [40, 31, 41]. Die Gewebstransglutaminase (tTg), die auch das
Antigen der diagnostisch wichtigen tTg-
20 | Der Gastroenterologe 1 · 2009
Dermatitis herpetiformis
Psoriasis
Rezidivierende Mundaphten
Alopezie
Zahnschmelzhypoplasie
Steatosis hepatis
Transaminasenerhöhungen
Autoimmune Hepatitis
Primär biliäre Zirrhose
Diabetes mellitus Typ I
Autoimmune Thyreoiditis
Autoimmune Hepatitis
Primär biliäre Zirrhose
Sjögren-Syndrom
M. Addison
Autoimmune atrophische Gastritis
Vaskulitiden
Zerebelläre Ataxie
Epilepsie
Karpopedalspasmen
Hinterstrangdegeneration
Myasthenia gravis
Hypochrome Anämie
Rezidivierende Aborte
Rezidivierende Perikarditis
Osteopenie
Kleinwuchs
IgA-Mangel
Antikörper ist, modifiziert im Weiteren
Gliadinpeptidfragmente, indem sie diese
zum einen deamidiert (und dabei Glutamin zu Glutamatresten transformiert),
zum anderen ein Crosslinking von Gliadinpeptiden und z. B. Kollagenen enzymatisch herbeiführt (. Abb. 1, 3). Beide
Prozesse verändern das antigene Potenzial
der Gliadinpeptide, indem sie deren Bindung an das HLA-DQ-Molekül optimieren (Deamidierung) bzw. neue, als Antigen wirkende Epitope schaffen (Crosslinking) [15]. Im Rahmen einer Reaktion des adaptiven Immunsystems werden modifizierte Gliadinpeptide von Antigen präsentierenden Zellen über HLADQ2 oder -DQ8 T-Helferzellen präsentiert (. Abb. 1, 4) [43]. Die dadurch aktivierten T-Helferzellen sezernieren Zytokine (Interleukin 2, Interferon γ und
Tumornekrosefaktor α; . Abb. 1, 5), die
u. a. die Expression von mukosaschädigenden Matrixmetalloproteinasen in Makrophagen und Fibroblasten induzieren
und zum anderen auch das Potenzial haben, direkt (z. B. über Apoptose) den zöliakiespezifischen Schleimhautschaden zu
verursachen [10, 39].
Erst 2004 wurde klar, dass auch das
evolutionär viel ältere, angeborene Immunsystem eine tragende Rolle in der
Zöliakiepathogenese spielt. So konnte
von den Arbeitsgruppen um Cerf-Bensussan und Jabri gezeigt werden, dass
Gliadinpeptidsequenzen, die von den
T-Zell-aktivierenden, „immundominanten“ Gliadinsequenzen different sind,
die Expression des nichtklassischen, Antigen präsentierenden MHC-Proteins
MIC-A steigern. Natürliche-Killer(NK-)Zellen, die im Epithel lokalisiert sind
und den NKG2D-Rezeptor tragen, erkennen MIC-A-positive Zellen und lysieren
diese, was zum Schleimhautschaden der
Zöliakie beiträgt (. Abb. 1, 6) [22, 33].
Verstärkt wird dieser Prozess durch das
von Epithelzellen nach Glutenexposition
verstärkt sezernierte Interleukin 15, das zu
einer weiteren Steigerung der MIC-A-Expression führt (. Abb. 1, 7).
Diagnostik
Laut der nach wie vor gültigen Diagnosekriterien der European Society for Pediatric Gastroenterology and Nutrition
(ESPGAN) wird für die Etablierung der
Diagnose „Zöliakie” vorrangig eine typische Dünndarmhistologie und eine
komplette klinische Besserung unter einer strikt glutenfreien Diät gefordert.
Die 1990 aufgestellten Kriterien werten
die zöliakieassoziierten Antikörper nur
als hilfreich für die Diagnosestellung,
nicht jedoch als eigenständiges Kriterium („weight is added to the diagnosis“).
In noch zweifelhaften Fällen soll die histologische Besserung unter glutenfreier
Diät als weiteres Diagnosekriterium hinzugenommen werden [46].
Labordiagnostik
Serologische Untersuchungen sind zwischenzeitlich weit fortentwickelt und geben dem Kliniker die Möglichkeit, einen initialen klinischen Verdacht auf das
Vorliegen einer Zöliakie zu erhärten. Zur
Verfügung stehen vor allem Messungen
der Transglutaminase- und der Endomysiumantikörpertiter. Die Gliadinantikörpertests sind aufgrund ihrer erheblich geringeren Sensitivitäts- und Spezifitätswerte als überholt einzustufen.
Zusammenfassung · Abstract
Schon 1984 beschrieben Chorzelski et al.
das Vorhandensein von Endomysiumantikörpern bei Patienten mit Dermatitis herpetiformis und Zöliakie, wobei das
Endomysium als ein nicht näher klassifiziertes Bindegewebsprotein beschrieben wurde, das sich in der kollagenen
Matrix z. B. des Affenösophagus findet
[7]. Diese Tests zeichnen sich zum einen
durch exzellente Spezifitäten und Sensitivitäten aus (97–100% bzw. 85–98%), sind
aber auf der anderen Seite kosten- und
arbeitsaufwendig.
Die Identifikation der Gewebstransglutaminase (tTg) als das Antigen des
Endomysiumtests durch Dieterich [14]
machte im Weiteren den Weg frei für ELISA-basierte Testverfahren, die ähnlich valide [4, 44] und gleichzeitig deutlich weniger aufwendig in ihrer Durchführung
sind. Gut anwendbar sind die tTg-Antikörper-Nachweise auch in der Verlaufssituation, da die Anitkörpertiter nach Einführung einer glutenfreien Diät nach wenigen Monaten deutlich rückläufig sind.
Zur kritischen Interpretation insbesondere der häufig verwendeten tTg-Serologien
sollte bekannt sein,
Fdass die exzellenten Werte für Sensitivität und Spezifität größtenteils
in Studien ermittelt wurden, in denen geringer ausgeprägte Zöliakiefälle
(Marsh I und II) ausgeschlossen worden waren,
Fdass Tests, die humane tTg anstatt der
ursprünglich häufig benutzten Meerschweinchen-tTg verwenden, eine
höhere Spezifität aufweisen [4],
Fdass zwischenzeitlich unterschiedliche tTg-Testqualitäten verschiedener Hersteller dokumentiert wurden,
Fdass bei negativem tTg-IgA das Vorliegen eines IgA-Mangels bedacht
werden muss.
Eine Analyse des genetischen Zöliakiehintergrunds kann in besonderen Situationen hilfreich sein. Hierzu wird der
HLA-DQ-Status bestimmt. HLA-DQ2
(DQA1*05/DQB1*02) ist mit >90% aller Zöliakiefälle assoziiert, HLA-DQ8
(DQA1*0301/DQB1*0302) mit dem
großen Anteil der verbleibenden Patienten [43]. Da aber auch ca. 20% der
Normalbevölkerung diese Gene tragen,
ist die HLA-DQ-Bestimmung vorwiegend zum Ausschluss der Diagnose Zöliakie sinnvoll.
Die Forschung der letzten Jahre erbrachte, dass das Vorliegen einer Homozygotie für HLA-DQ2 mit einem
schwereren Verlauf der Zöliakie einhergeht (sog. Gen-Dosis-Effekt). So können
die klinische Symptomatik und die duodenale Architekturstörung ausgeprägter
sein und des Weiteren ein größeres Risiko
für das Fortschreiten der Zöliakie in eine
refraktäre Sprue des Typs II und ein enteropathieassoziiertes T-Zell-Lymphom bestehen [1, 26]. Experimente mit zöliakiespezifischen T-Zell-Klonen suggerieren,
dass die wahrscheinliche Ursache hierfür
eine deutlich stärkere Aktivierung der TZellen durch homozygot HLA-DQ2 exprimierende Antigen präsentierende Zellen ist [45].
Histopathologie
Die international anerkannte Klassifizierung der duodenalen und jejunalen Histopathologie bei Zöliakie wird nach dem
Engländer Marsh vollzogen, der eine pathogenetisch nachvollziehbare Läsionssequenz vorschlug [30].
EVorteil der Marsh-Klassifikation ist
die Integration des pathophysio­
logischen Ablaufs der Zöliakieläsion
und der histopathologischen
Befunde (. Abb. 2).
Die Erkenntnisse, die zur Bestimmung
dieses sequenziellen Ablaufs der Zöliakieläsion notwendig waren, zog Marsh
u. a. aus Glutenexpositionsversuchen
bei Zöliakiekranken, bei denen vor und
mehrfach nach Exposition duodenale Biopsien genommen wurden. Er erkannte,
dass auf die initiale Infiltration des duodenalen Epithels durch intraepitheliale Lymphozyten (>40 IEL pro 100 Enterozyten,
Marsh-I-Läsion) eine Hypertrophie der
Krypten folgte (Marsh II), die zuletzt in
eine destruktive Phase überging, in der
es zu einer Atrophie der Zotten kommt
(Marsh III). Die Marsh-Klassifikation
wurde durch Oberhuber um die Unterkategorien IIIa (milde Zottenatrophie), IIIb
(deutliche Atrophie) und IIIc (totale Zottenatrophie) erweitert [35].
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DOI 10.1007/s11377-008-0238-2
© Springer Medizin Verlag 2008
M. Schumann · S. Daum · J.-D. Schulzke ·
M. Zeitz
Zöliakie. Epidemiologie,
Pathogenese, Differenzialdiagnostik und Therapie
Zusammenfassung
Bei der Zöliakie wird bei Prädisponierten im
Rahmen einer immunologischen Reaktion
des intestinalen Immunsystems auf den Getreidebestandteil Gluten die Architektur der
Dünndarmmukosa so verändert, dass eine
Malabsorption entsteht. Gesteigertes Interesse für dieses Krankheitsbild kam mit den
kürzlich in verschiedenen großen Studien ermittelten, unerwartet hohen Zöliakie-Prävalenzwerten von ca. 1% auf. Die Forschung
der letzten Jahre auf dem Gebiet der Immunpathogenese der Zöliakie hat zudem wichtige Anteile der genetischen und immunologischen Ursachen dieser Erkrankung aufgedeckt. Dies trug dazu bei, dass die Zöliakie inzwischen eine immungenetische Modellerkrankung ist. Neue wie bereits seit längerem
etablierte Erkenntnisse zur Epidemiologie,
Pathogenese, Diagnostik und Therapie werden im folgenden Beitrag diskutiert.
Schlüsselwörter
Zöliakie · Intestinales Immunsystem · HLA-DQ2 · Gluten · Transglutaminase
Celiac disease. Epidemiology,
pathogenesis, differential
diagnosis and treatment
Abstract
In celiac disease (CD) an immune response
of the intestinal immune system to the grain
component gluten causes damage to the
mucosa of the small intestine and subsequently malabsorption in predisposed patients. Increased interest in CD was awakened
due to the results of recently published large
studies where unexpectedly high prevalence
values of 1% for this disease were reported.
Recent research in the field of the immunopathology of CD has revealed important genetic and immunological causes making CD
an immunogenetic model disease. Recent insights and established facts of CD epidemiology, pathogenesis, diagnostics, and treatment are discussed in this article.
Keywords
Celiac disease · Intestinal immune system ·
HLA DQ2 · Gluten · Transglutaminase
Der Gastroenterologe 1 · 2009 | 21
Schwerpunkt: Dünndarm
Abb. 1 8 Pathogenese der Zöliakie
Endoskopische Diagnostik
Zur Diagnosesicherung dient die Ösophagogastroduodenoskopie mit Entnahme von Quadrantenbiopsien aus
dem Duodenum. Makroskopisch ist
eine Abflachung der Falten oder das
sog. Rattenbissphänomen beschrieben worden. Hierbei finden sich in den
Kerckring-Falten kleine Einkerbungen
( . Abb. 3a). Die diagnostische Aussagekraft hierfür ist jedoch sehr unsicher. Da die histologische Ausprägung
der Zöliakie im proximalen Dünndarm
mosaikartigen Variationen unterworfen sein kann, empfiehlt sich bei Zöliakieverdacht die Abnahme mehrerer duodenaler Biopsien. Eine kürzlich veröffentlichte Studie zeigte eine 100%ige
Diagnoserate bei Abnahme von 4 Biopsien und eine 90%ige Quote bei Abnahme von nur 2 Biopsien [36]. Empfehlungen zur optimalen Lokalisation der
Biopsieentnahme bezogen sich bislang
immer auf die Pars descendens duodeni.
Es konnte jedoch kürzlich gezeigt werden, dass die Probenentnahme im Bulbus duodeni gleichwertig ist [38]. Eine
Fortentwicklung der Videoendoskopie,
die sicherlich das Potenzial hat, die Zöliakiediagnostik zu verbessern, stellt die
Zoomendoskopie dar, mit der sich bei
einer 100- bis 150fachen Vergrößerung
der Dünndarmschleimhaut eine pathologische Architektur der Dünndarmmukosa bereits endoskopisch diagnos-
22 | Der Gastroenterologe 1 · 2009
tizieren lässt und somit zur Diagnosesicherung eine „targeted biopsy“ genommen werden kann [3].
Aufwendige endoskopische Verfahren zur Darstellung des Dünndarms sind
zur Etablierung der Zöliakiediagnose im
Allgemeinen nicht notwendig und sollten schweren Zöliakieverläufen wie der
refraktären Sprue vorbehalten sein. Hier
können die Kapselendoskopie [12] sowie die Doppelballonenteroskopie eingesetzt werden [19], um das Ausmaß der
Zottenatrophie (. Abb. 3b) darzustellen und enteropathieassoziierte T-ZellLymphome bzw. Frühformen derselben
wie die ulzerative Jejunitis aufzuspüren
(. Abb. 3c).
Differenzialdiagnose
Eine anspruchsvolle differenzialdiagnostische Situation ergibt sich bei einer uneindeutigen Klinik, die z. B. Hinweise
auf eine Malabsorptionserkrankung ergibt, gleichzeitig aber nur Marsh-I-Veränderungen in der duodenalen Histologie zeigt (d. h. eine erhöhte Zahl intraepithelialer Lymphozyten). Hier umfasst
die Differenzialdiagnose ein umfangreiches Spektrum anderer Erkrankungen
(. Tab. 2, [13]).
Therapie und Management
Die Therapie sieht die strenge Einhaltung
einer glutenfreien Kost vor und damit die
Vermeidung von Produkten aus Weizen,
Roggen, Gerste, Dinkel und Grünkern.
Dazu sollten dem Patienten von Beginn
an nicht nur ein intensiver Kontakt mit
dem behandelnden Arzt, sondern auch
eine spezielle Diätberatung empfohlen
werden. Eine Anbindung an Selbsthilfegruppen wie die Deutsche Zöliakiegesellschaft ist grundsätzlich sinnvoll (www.
dzg-online.de).
Die Verträglichkeit des Hafers wird
nach wie vor kontrovers diskutiert.
Große skandinavische Studien zeigten
an, dass die Hafereinnahme für Zöliakiepatienten ungefährlich sei [24, 23]. In
der Folge konnten bei einer kleinen Subpopulation sowohl Veränderungen der
intestinalen Histopathologie wie auch
die Aktivierung zöliakiespezifischer TZellen nachgewiesen werden [2]. Die
Deutsche Zöliakiegesellschaft rät von
Haferkonsum ab, auch weil der Erhalt
von Haferprodukten ohne Rückstände anderer Getreidearten in Deutschland mitunter schwierig ist. Auf jeden
Fall sollte die Hinzunahme von Hafer
in die glutenfreie Diät nur in einer stabilen Erkrankungssituation und unter
enger klinischer Überwachung erfolgen
(z. B. Gastroskopie mit Entnahme duodenaler Proben nach 3–6 Monaten haferhaltiger Kost).
>Neben ärztlich überwachter
glutenfreier Diät ist eine
Anbindung an Selbsthilfegruppen empfehlenswert
Die zusätzliche Einnahme von Kalzium
(1 g/Tag) und Vitamin D (1000 IE/Tag)
sollte initial in jedem Fall erfolgen, da
neben der Malabsorptionsproblematik
durch die fast immer vorliegende Laktoseunverträglichkeit zu wenig Milchprodukte konsumiert werden können.
Andere im Rahmen der Malabsorption aufgetretene Mangelzustände (Vitamin B 12, Folsäure, Eisen, Vitamin K,
Magnesium, Zink) sollten ausgeglichen
werden, wobei eine dauerhafte Fortführung bei Normalisierung der Zottenatrophie nicht nötig ist. In Abhängigkeit
von der Klinik muss bei schweren, mit
Kachexie einhergehenden Zöliakiefällen eine parenterale Ernährung erwogen werden.
Schwerpunkt: Dünndarm
Abb. 2 8 Typische Histologie bei Zöliakie. a Normale duodenale Schleimhaut; b Schleimhautveränderungen bei Zöliakie (Marsh IIIc); c Fluoreszenz­
mikroskopische Darstellung CD3-markierter intraepithelialer Lymphozyten (rot: occludinpositive intestinale Epithelzellen; grün/Pfeile: CD3-positive intraepitheliale Lymphozyten; blau: Zellkerne)
Abb. 3 8 Endoskopische Befunde bei Zöliakie. a Typischer makroskopischer Aspekt einer atrophierten Duodenalschleimhaut in der Ösophagogastroduodenoskopie; b kapselendoskopisches Bild einer Jejunalschleimhaut bei unbehandelter Zöliakie mit typischem Bild der Zottenatrophie; c ulzerative Jejunitis bei
refraktärer Sprue (Typ II, Kapselendoskopie)
24 | Der Gastroenterologe 1 · 2009
Im Verlauf der Erkrankung sollten zunächst halbjährliche Antikörperbestimmungen (tTG-IgA ausreichend) zur Kontrolle der Diät durchgeführt werden, da in
der Regel eine gute Korrelation zwischen
strikter glutenfreier Diät und dem IgAAntikörpertiter besteht. Auf eine Kontrollbiopsie unter klinisch erfolgreicher
Diät kann bei entsprechender Normalisierung der Antikörpertiter verzichtet werden [46].
Mögliche zukünftige
Therapiestrategien
Aufgrund der Komplexität der strikt glutenfreien Diät ist die Diätadhärenz mit
publizierten Werten von nur 55% suboptimal [8]. Da dies sich nachteilig sowohl auf die Lebensqualität wie auf die
Gesundheit auswirkt, gerät die Suche
nach neuen Zöliakietherapien in den
Fokus des Interesses [20]. Der oben erläuterten Pathogenese der Zöliakie sind
mehrere mögliche Ansatzpunkte zukünftiger Therapiestrategien zu entnehmen,
die zumeist in präklinischen Stadien sind
(. Tab. 3). Dazu gehören u. a. die orale Zugabe von mikrobiellen oder pflanzlichen Prolylendopeptidasen zur glutenhaltigen Kost, die die immunologisch
wirksamen Peptidsequenzen des Glutens
verdauen, oder Strategien, die die zöliakiespezifische Reduktion des epithelialen
Schutzwalles wieder rückgängig machen
und dabei die Gliadinpeptidaufnahme
reduzieren (Zonulinantagonist AT-1001).
Andere hoffnungsvolle Kandidaten sind
Transglutaminaseinhibitoren, die die
oben geschilderte tTg-assoziierte Optimierung der Glutenpeptidpräsentation
hemmen und HLA-DQ-Blocker, die die
molekulare Interaktion während der Antigenpräsentation stören. Ein weiterer interessanter therapeutischer Ansatz ist die
Inhibition der durch IL-15 verursachten
Amplifikationsschleife, z. B. mittels IL-15
erkennender Antikörper.
Eine vollkommen andere Herangehensweise ist die gentechnische Veränderung glutenhaltiger Getreidearten. Hier
ist das Ziel, Getreidepflanzen zu züchten,
die zum einen die Backeigenschaften glutenhaltiger Getreide haben, zum anderen
die pathologische Antigenität verlieren.
Tab. 2 Differenzialdiagnosen bei erhöhten intraepithelialen Lymphozyten
Tropische Sprue
Zollinger-Ellison-Syndrom mit gastraler Hypersekretion
Intestinale Manifestation eines Lymphoms
Eosinophile Gastroenteritis
Virale Gastroenteritis
Lambliasis
Morbus Crohn
Bakterielle Überbesiedlung des Dünndarms
Autoimmunenteropathien (z. B. bei systemischen Lupus erythematodes)
Graft-versus-host-Erkrankung
Helicobacter-pylori-Infektion
Medikamenteninduziert (z. B. NSAID)
Zustand nach Strahlentherapie
„Common variable immunodeficiency“ (CVID)
Nahrungsmittelallergien
Tab. 3 Potenzielle zukünftige Therapien
Wirkmechanismus
Endopeptidase (EP)
Endopeptidase (EP)
Zonulinantagonist
Transglutaminase-Inhibition
HLA-DQ-Blockade
Anti-IL-15
Kandidaten
Aspergillus-niger-Prolyl-EP
Cocktail aus Flavobacteriummeningosepticum-Prolyl-EP
und Gerstenglutamin-EP
AT1001
KCC009
Dimerer DQ2-Blocker
HuMax-IL-15
Korrespondenzadresse
Dr. M. Schumann
Klinik für Gastroenterologie, Rheumatologie und Infektiologie, Charité, Universitätsmedizin Berlin
Hindenburgdamm 30,
12203 Berlin
[email protected]
Interessenkonflikt. Der korrespondierende Autor weist auf folgende Beziehung hin: Vortragshonorar von Falk.
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Das vollständige Literaturverzeichnis ...
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26 | Der Gastroenterologe 1 · 2009
Pflichtveranstaltung für
Viszeralmediziner
in Wiesbaden und Berlin!
Gastro Update 2009: Aktuell /
Kompakt / Praxisnah
Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) und
der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinund Viszeralchirurgie (DGAV), sowie der
Empfehlung der Akademie für Gastroenterologische Fortbildung (AGF) betont.
In 14 Teilseminaren stellt das Team des
Gastro Updates die neuesten medizinischen Erkenntnisse des vergangenen
Jahres aus der Gastroentorologie vor.
Die Experten beurteilen die Relevanz der
aktuellen Studiendaten und geben Empfehlungen für die direkte Anwendung in
Praxis- und Klinikalltag. „Die kritische und
praxisnahe Diskussion der neuen Daten
mit den Teilnehmern steht für uns dabei
jedes Jahr im Vordergrund “ betont Prof.
Dr. Christian Ell, Wiesbaden, als einer der
wissenschaftlichen Leiter und lädt alle
Teilnehmer zum regen Wissens- und Meinungsaustausch ein. Als erste präsentieren
und bewerten Prof. Ell und seine Kollegen
auch die wichtigsten Erkenntnisse vom im
Januar in den USA stattfindenden 2009
Gastrointestinal Cancers Symposium der
American Society of Clinical Oncology
(ASCO). „Mit der Einbindung dieser topaktuellen Daten ins Gastro Update tragen
wir der immer schneller werdenden
Entwicklung im Bereich der GI-Onkologie
Rechnung“, erläutert Prof. Ell.
Die Landesärztekammer Hessen und die
Ärztekammer Berlin vergeben für die Teilnahme am Seminar 16 CME-Punkte.
Eine weitere Neuerung auf dem Gastro
Update in diesem Jahr ist die Gastro-Börse.
Junge Kolleginnen und Kollegen der Gastroenterologie erhalten mit diesem Service
am Rande der Veranstaltung die Möglichkeit eines „Get together“ mit Personalentscheidern aus Klinik und Praxis.
Jeder Teilnehmer des Gastro Updates
erhält ein umfassendes Handbuch, mit
einer Zusammenfassung der wichtigsten
Publikationen des letzten Jahres, sowie im
Nachgang der Veranstaltung eine CD-ROM
mit allen Vortragspräsentationen.
Als Partner, der das Konzept der unbeeinflussten Informationsweitergabe uneingeschränkt unterstützt, steht dem Gastro
Update die Abbott GmbH & Co. KG aus
Wiesbaden zur Seite.
Die hohe Qualität der Veranstaltung wird
durch die Schirmherrschaft der Deutschen
Ausführliche Informationen zu Programm,
Referenten, Seminar¬themen, Anmeldung
und Zimmerreservierungen erhalten Sie
im Internet unter www.gastro-update.
com.
Ebenfalls im Internet gibt es einen weiteren besonderen Service im Rahmen des
Gastro Updates: der Gastro Update Expertenrat ist unter www.gastro-expertenrat.
de zu erreichen. In diesem mit DocCheckPasswort zugänglichen Fachportal können
Ärzte jederzeit fachspezifische Fragen
direkt an die Experten des Gastro Updates
richten. Die Antwort erfolgt in der Regel
innerhalb von zwei Werktagen. Fragen und
Antworten von allgemeiner Wichtigkeit
aus den letzten Jahren sind außerdem in
einer Volltext-durchsuchbaren Datenbank
hinterlegt.
Kontakt:
med update GmbH
Dr. Robert Löhr
Hagenauer Straße 53
65203 Wiesbaden
Tel.: 0611 73658-21, Fax: 0611 73658-10
E-Mail: [email protected]
Anmeldung
wikonect GmbH
Hagenauer Straße 53
65203 Wiesbaden
Tel.: 0611-204809-0
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