19 Maxima und Minima 19 93 Maxima und Minima 19.1 Beispiel. Die stetige Funktion j : x 7→ x1 ist auf dem offenen beschränkten Intervall (0, 1) unbeschränkt. Auf dem abgeschlossenen Intervall [1, ∞) ist sie zwar beschränkt, hat aber kein Minimum. Dagegen gilt: 19.2 Theorem. Es seien J ⊆ R ein kompaktes Intervall und f : J 7→ R stetig. Dann ist f beschränkt und besitzt ein Maximum und ein Minimum. Beweis. a) Es seien also J = [a, b] , f : J 7→ R stetig und c = Mittelpunkt von J . Gilt die Aussage 1 2 (a + b) der ∀ x ∈ [a, c] ∃ y ∈ [c, b] : f (x) ≤ f (y) (1) nicht, so hat man statt dessen ∃ x ∈ [a, c] ∀ y ∈ [c, b] : f (x) > f (y) . (2) Folglich gilt für J1 = [a, c] oder J1 = [c, b] die Aussage ∀ x ∈ J ∃ y ∈ J1 : f (x) ≤ f (y) . (3) b) Nun argumentiert man auf J1 genauso und fährt so fort; dadurch erhält man eine Intervallschachtelung J ⊇ J1 ⊇ . . . ⊇ Jn ⊇ Jn+1 ⊇ . . . mit | Jn | = 2−n | J | → 0 , für die die folgende Aussage gilt: ∀ x ∈ J ∀ n ∈ N ∃ yn ∈ Jn : f (x) ≤ f (yn ) . (4) Nach dem Intervallschachtelungsprinzip und | Jn | → 0 gibt es genau ein ξ ∈ R mit ξ ∈ Jn für alle n ∈ N . Nach (4) gibt es zu jedem x ∈ J Zahlen yn ∈ Jn mit f (x) ≤ f (yn ) . Nun hat man aber | ξ − yn | ≤ | Jn | → 0 und somit f (yn ) → f (ξ) aufgrund der Stetigkeit von f . Folglich ist ist f (x) ≤ f (ξ) , und somit hat f ein Maximum in ξ ∈ J . c) Die Existenz eines Minimums folgt genauso oder durch Übergang zu −f . Es gibt andere Beweise dieses Resultats, die alle die Vollständigkeit von R benutzen, z. B. in [K1], 13.1. 19.3 Beispiel. Für A > 0 soll die Funktion K(x) := x + A x (5) auf dem Intervall I := (0, ∞) minimiert werden. Man hat K(x) 7→ +∞ für x → 0+ und auch für x → +∞ ; daher gibt es Zahlen 0 < δ < 1 < D mit K(x) > K(1) für x ≤ δ und x ≥ D . (6) Nach Theorem 19.2 hat K ein Minimum auf dem kompakten Intervall [δ, D] , und wegen (6) muß dieses auch das Minimum von K auf (0, ∞) sein. 94 III. Grundlagen der Differential - und Integralrechnung 19.4 Lokale Extrema. Eine Funktion f : I 7→ R besitzt ein lokales Maximum [Minimum] in a ∈ I , falls es δ > 0 gibt, so daß gilt: ∀ x ∈ I : | x − a | < δ ⇒ f (x) ≤ f (a) [f (x) ≥ f (a)] . (7) Dieses heißt isoliert, falls f (x) 6= f (a) für alle x ∈ I mit 0 < | x − a | < δ gilt. 19.5 Satz. Eine Funktion f : I 7→ R habe in einem inneren Punkt a ∈ I des Intervalls I ein lokales Minimum oder ein lokales Maximum. Ist f in a differenzierbar, so folgt f ′ (a) = 0 . (8) Beweis s. [K1], 20.2. 19.6 Warnungen. a) Die Aussage von Satz 19.5 gilt nur für innere Punkte und wird für Randpunkte i.a. falsch! So hat z. B. die Funktion p1 : x 7→ x auf [0, 1] ihr Minimum im Punkt 0 und ihr Maximum im Punkt 1 , aber es gilt p′1 (0) = p′1 (1) = 1 . b) Die Umkehrung von Satz 19.5 ist i.a. falsch, wie das einfache Beispiel p3 : x 7→ x3 in 0 bereits zeigt: Trotz p′3 (0) = 0 ist p3 streng monoton wachsend, besitzt also keine lokalen Extrema. (8) ist also nur eine notwendige, keine hinreichende Bedingung für das Vorliegen eines lokalen Extremums. c) Punkte a ∈ I mit f ′ (a) = 0 heißen kritische Punkte einer Funktion f : I 7→ R . 19.7 Beispiel. Wir bestimmen die kritischen Punkte der Funktion K : x 7→ x + Ax aus (5). Wegen K ′ (x) = 1 − xA2 gilt für x > 0 offenbar √ K ′ (x) = 0 ⇔ x2 = A ⇔ x = A . (9) √ Da K nach 19.3 ein Minimum auf (0, ∞) besitzt, muß dieses in a = A vorliegen √ √ und beträgt K(a) = 2 A . Man beachte, daß in der Minimalstelle a = A die beiden Summanden von K gleich groß sind.