Hamburg Hamburg School of Business Administration Stabilisierung der Europäischen Währungsunion und Implikationen für Private Geldanlage Stabilität der Europäischen Währungsunion – Spieltheoretische Ansätze für einen Krisenmechanismus Betreuender Hochschullehrer: Prof. Dr. Thomas Straubhaar Studentische Teammitglieder: Moritz Haack Christian Felix Hardt Jonas Maximilian Herling Vanessa Alina Memering Philipp Spitta Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 Stabilisierung der Europäischen Währungsunion und Implikationen für Private Geldanlage: Stabilität der Europäischen Währungsunion – Spieltheoretische Ansätze für einen Krisenmechanismus - Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 - Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis ............................................................................................. III Abbildungsverzeichnis .............................................................................................. IV 1. Einleitung ................................................................................................................ 1 2. Staatsverschuldung und Währungskrisen .............................................................. 2 2.1 Theoretische Erklärungsansätze zu Währungskrisen ...................................... 2 2.2 Staatsverschuldung in einer Währungsunion ................................................... 7 2.3 Ansteckungsgefahr ........................................................................................... 8 2.4 Optimaler Währungsraum und Maastricht-Kriterien ....................................... 11 2.5 Empirischer Befund für den Euroraum ........................................................... 12 3. Spieltheoretische Analyse der europäischen Schuldenkrise ................................ 17 3.1 Spieltheoretische Grundlagen und Konzepte ................................................. 17 3.2 Glaubwürdigkeit der No-Bailout-Klausel ......................................................... 20 3.3 Der Kern in einer nicht-optimalen Währungsunion ......................................... 22 3.3.1 Der Kern als Voraussetzung für Stabilität ................................................ 22 3.3.2 Kurzfristige und langfristige Anforderungen für Stabilität ........................ 24 3.3.3 Spekulation gegen den Euro ................................................................... 26 4. Lösungsansätze ................................................................................................... 28 4.1 Vollständiger Verzicht auf Rettungssysteme .................................................. 28 4.2 Partielle Insolvenz .......................................................................................... 29 4.3 Europäischer Rettungsschirm ........................................................................ 32 4.4 Euro-Anleihen ................................................................................................. 35 4.5 Collective Action Clauses ............................................................................... 37 5. Politikimplikationen und Maßnahmen für einen stabilen Euroraum...................... 39 5.1 Systemische Risiken und Ansteckung zwischen Staaten und Banken reduzieren............................................................................................................. 39 5.2 Temporäre Transferunion anreizkompatibel ausgestalten ............................. 42 5.3 Institutionelle Implementierung struktureller Konvergenz ............................... 43 6. Fazit ...................................................................................................................... 45 Anhang ...................................................................................................................... V Literaturverzeichnis ................................................................................................. VII II Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 Abkürzungsverzeichnis AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union BaFin Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht BBVA Banco Bilbao Vizcaya Argentaria, zweitgrößtes KreditInstitut Spaniens BIP Bruttoinlandsprodukt BMF Bundesministerium der Finanzen BMWI Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie bpb Bundeszentrale für politische Bildung CAC Collective Action Clauses CDS Credit Default Swap CEBS Committee of European Banking Supervisors EFSF Europäische Finanzstabilisierungsfazilität EG Europäische Gemeinschaft ESM Europäischer Stabilitätsmechanismus ESZB Europäisches System der Zentralbanken EU Europäische Union EWU Europäische Wirtschafts- und Währungsunion EZB Europäische Zentralbank FAZ Frankfurter Allgemeine Zeitung IWF Internationaler Währungsfonds M3 Geldmengenaggregat OTC Over-the-Counter, außerbörslicher Handel zwischen Finanzmarktteilnehmern PIIGS Abkürzung für die fünf Euro-Staaten Portugal, Italien, Irland, Griechenland und Spanien seit der Euro-Krise im Jahre 2010 USD US-Dollar WWU Wirtschafts- und Währungsunion III Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Systemische Risiken in einem nicht-optimalen Währungsraum ............ 9 Abbildung 2: Durchschnittliche Jahresrendite bei 10-jährigen Staatsanleihen in Prozent ............................................................................................................. 14 Abbildung 3: Jährliche Lohnstückkosten in ausgewählten Ländern ......................... 16 Abbildung 4: Spiel „Glaubwürdigkeit der No-Bailout-Klausel“ .................................. 21 Abbildung 5: Spiel „Währungsunion im Kern“........................................................... 26 Abbildung 6: Spiel „Währungsunion außerhalb des Kerns“...................................... 27 Abbildung 7: Spiel „Unvollständige Information“....................................................... 28 Abbildung 8 Bewertungskategorien im Euro-Monitor ............................................... 45 IV Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 1. Einleitung Die gegenwärtige Krise in der Eurozone beschäftigt seit nunmehr fast einem Jahr Wirtschaft und Politik in Europa. Zahlreiche Ökonomen, dies- und jenseits des Atlantik haben Vorschläge unterbreitet, wie die Probleme an der Europeripherie gelöst werden könnten. Gleichwohl ist die Bandbreite der Vorschläge groß und eine endgültige Lösung nach wie vor nicht gefunden. Dies hängt auch damit zusammen, dass die Probleme vielschichtig und tief greifend sind, eine Lösung somit nicht einfach implementierbar ist. Hinzu kommt, dass ökonomisch sinnvolle Ansätze politisch nicht gewünscht oder durchsetzbar sind, politisch opportune Lösungen ökonomisch oft nicht funktionieren. Die Währungsunion war bis zur gegenwärtigen Krise ein Garant für Stabilität in Europa. Von Anfang an bestanden jedoch auch Zweifel an den Instrumenten, die diese langfristig garantieren sollten und den Bestrebungen insbesondere der wirtschaftlich starken Mitgliedsstaaten, fiskalische Verantwortung für andere Staaten zu vermeiden. Ein entscheidender Vorbehalt der Kritiker war das Fehlen eines optimalen Währungsraumes in Europa. Während die Konvergenzkriterien der europäischen Verträge eine Annäherung vor Einführung des Euro herbeiführen sollten, um mehr Stabilität zu schaffen, ist heute die Divergenz zwischen den Eurostaaten so präsent wie zu keiner anderen Zeit seit Bestehen der Eurozone. Sie gilt als eine der Hauptursachen für die Probleme der Peripheriestaaten. Der vorliegende Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 präsentiert vor diesem Hintergrund einen Ansatz für die Entwicklung eines geeigneten Krisenmechanismus. Anhand von Konzepten aus der Spieltheorie werden sowohl Fragen der Glaubwürdigkeit politischer Vereinbarungen beleuchtet, als auch Voraussetzungen für eine stabile Eurozone untersucht. Zunächst sollen jedoch die Ursachen von Währungskrisen und Staatsverschuldung im Allgemeinen betrachtet werden, um eine genauere Analyse der vorliegenden Probleme zu erlauben. 1 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 2. Staatsverschuldung und Währungskrisen 2.1 Theoretische Erklärungsansätze zu Währungskrisen In den Medien und den öffentlichen Debatten ist oft vereinfachend von der „EuroKrise“ die Rede. In diesem Zusammenhang werden zurzeit viele Szenarien durchgespielt1, doch stellt sich von einem wissenschaftlichen Standpunkt zunächst die Frage, ob man es in der aktuellen Situation überhaupt mit einer Währungskrise zu tun hat, oder nicht viel mehr mit einer volatilen, aber vollkommen natürlichen Marktschwankung einer Währung. Zur Erklärung von Währungskrisen existieren unterschiedliche Modelle. Diese beziehen sich im Allgemeinen auf Systeme fester Wechselkurse. Herrschen am Markt Zweifel an einem fixierten Wechselkurs, kommt es zu Spekulationen gegen diese Währung. In vielen Fällen erschöpfen sich die Devisenreserven der jeweiligen Zentralbank und es kommt am Ende zu einer gewissermaßen „erzwungenen“ Abwertung.2 Um die Gefahr von Währungskrisen frühzeitig zu erkennen, wird häufig ein Devisenmarktindikator gebildet, der sich aus den Komponenten nominaler Wechselkurs, Währungsreserven und Zinsbewegung zusammensetzt.3 Der Internationale Währungsfonds (IWF) findet mit einem ähnlichen Modell zwischen 1975-1997 die Zahl von 158 Währungskrisen. 4 Die Europäische Zentralbank (EZB) geht bei ihrem Modell von einer modifizierten Betrachtung aus. Hier wird eine Währungskrise attestiert, sollte sich der nominale Wechselkurs um mehr als 25% zum Vorjahr ändern. Hinreichend ist dies allerdings nur dann, wenn diese Veränderung mindestens das Doppelte der letztjährigen Verzinsung beträgt und es im vorherigen Jahr keine Veränderung der nominalen Rate um mehr als 40% gegeben hat.5 Diese Modifikation schließt Währungen aus, die grundsätzlich über eine hohe Volatilität verfügen, aus der sich dann nur bedingt auf eine Währungskrise schließen lässt. Betrachtet man nun mit diesen Indikatoren den Euro, so ergeben sich einige grundsätzliche Schwierigkeiten. Zunächst stellt sich die Frage nach einer geeigneten Referenzwährung. Zumeist wird dabei auf den US-Dollar 1 Vgl. Plumpe, 2011 2 Vgl. Cooper, 1971 3 Vgl. Cooper, 1971 4 Vgl. Bussiére, 2010 5 Vgl. Bussiére, 2010 2 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 zurückgegriffen, der als wichtigste Reservewährung zu diesem Zweck geeignet scheint. In der aktuellen Lage muss aber die Eignung des US-Dollars als Referenzwährung bezweifelt werden. Die Lage des amerikanischen Staatshaushaltes und des Leistungsdefizits ist zumindest als angespannt zu bezeichnen, so dass ein erheblicher Teil der Schwankungen im bilateralen Euro/Dollar-Kurs ursächlich auf den Dollar zurückzuführen ist. Festzuhalten ist, dass sich das aktuelle Kursniveau von etwa 1,34 USD/Euro deutlich über der im langfristigen Gleichgewicht als angemessen gesehenen Kaufkraftparität von rund 1,15 USD/Euro befindet.6 Von einem signifikanten Verfall des Außenwertes des Euro kann also zumindest in diesem Zusammenhang nicht gesprochen werden. Vielmehr ist ein Kursrückgang des Euro unter diesem Aspekt eher als eine Normalisierung zu sehen. Ein Kursvergleich zwischen dem Euro und dem USD wird also nicht nur von der möglichen Euro-Schwäche getrieben, sondern eben auch von dem Zustand der US-Währung. Es bietet sich daher an, den Vergleich mit einem handelsgewichteten Währungskorb darzustellen. Dieser repräsentiert die möglichen Auswirkungen auf die Realwirtschaft besser und kann daher eine Vergleichbarkeit besser gewährleisten.7 Zieht man nun diese Modelle zu Rate und wendet sie auf den Wechselkurs Euro zum handelsgewichteten Währungskorb an, so zeigen sich auch hier keine Anzeichen für eine akute Währungskrise.8 In der aktuell zweifellos angespannten Situation stellt sich allerdings die Frage, ob sich der Euro möglicherweise in einem Frühstadium einer Währungskrise befindet. Um dies nachvollziehen zu können, werden im Folgenden kurz die vier wichtigsten Theorien zur Entstehung von Währungskrisen dargestellt und auf ihren möglichen Erklärungsgehalt hin untersucht. Die erste Generation von Modellen zur Erklärung von Währungskrisen geht auf Paul Krugman zurück.9 Diese Theorie geht davon aus, dass Währungskrisen durch klassische fundamentalökonomische Ungleichgewichte ausgelöst werden. Die Kombination eines monetarisierten Defizits mit einem sich ausweitenden Leistungsbilanzdefizit verstärkt die Erwartung einer zukünftigen Abwertung. Der feste Wechselkurs entspricht nicht mehr den realen Gegebenheiten. In dieser Situation muss die nationale Notenbank eingreifen und die heimische Währung 6 Vgl. Sinn; 2010 7 Vgl. ZEIT Online,Euro-Wechselkurs: Warum eine Aufwertung wie eine Zinserhöhung wirkt; 2006 8 Vgl. Unciatrends; 2011 9 Vgl. Obstfeld; 2004 3 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 stützen. Dadurch sinken die Devisenreserven und es entstehen weitere Zweifel an der Stabilität des fixen Wechselkurses. Bei erschöpften Reserven ist der fixierte Wechselkurs nicht mehr zu halten und die Währung muss freigegeben bzw. neu fixiert werden. Für die Eurozone ist dieses Modell nicht anwendbar, da der Wechselkurs des Euro gegenüber anderen Währungen flexibel ist. In dieser Theorie wird der Staat als maßgeblicher Akteur gesehen, der durch seine Fehlhandlungen die Krise verursacht und anschließend von den Märkten „bestraft“ wird (oder wie Saxena formuliert: "In the absence of good macroeconomic policies, time and again, countries have and will continue to be punished by the market.")10 Ein Vergleich mit der aktuellen Lage liefert nur partielle Übereinstimmungen. Das Leistungsbilanzdefizit ist zumindest auf EU aggregierter Form nur in geringem Maße vorhanden.11 Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass die regionalen Differenzen hier enorm sind. Während Länder wie Deutschland oder die Niederlande hohe Überschüsse erwirtschaften, weisen gerade die Krisenländer wie Griechenland, Spanien oder Portugal hohe Leistungsbilanzdefizite aus.12 Die Theorie der zweiten Generation, maßgeblich von Obstfeld entwickelt, wird als erwartungstheoretischer Ansatz bezeichnet.13 Hierbei ist nicht die tatsächliche Verfassung einer Währung oder Wirtschaft entscheidend, sondern die Meinung der Marktteilnehmer über den jetzigen Zustand und mögliche zukünftige Entwicklungen. Vereinfacht gesagt bedeutet dies für den Euro, dass sobald eine ausreichende Anzahl der Marktteilnehmer an eine starke Abwertung des Euro oder eine Insolvenz Griechenlands glaubt, diese tatsächlich eintritt. Dieser Herdentrieb kann insbesondere durch die Einschätzung von Großinvestoren ausgelöst werden. Als das Gerücht aufkam, dass sich das Management mehrerer Hedge Fonds in New York getroffen und sich dabei gegen den Euro verschworen hätten, hatte dies gravierende Auswirkungen.14 Maßgebliche Marktteilnehmer hatten somit ihre Erwartungen und Einschätzungen offenbart. Dadurch entwickelte sich eine so genannte Informationskaskade. Akteure bilden ihre Erwartungen nach den Erwartungen anderer Akteure. Ein entscheidender Marktteilnehmer erwartet eine Abwertung und spekuliert daher gegen diese Währung. Andere Akteure beobachten 10 Vgl. Effenberg; 2003 11 Vgl. Eurostat, Leistungsbilanzen der Euro-Länder; 2011 12 Vgl. International Monetary Fund, Fifth Report for Selected Countries and Subjects; 2008 13 Vgl. Obstfeld/ Krugman; 2004 14 Vgl. FAZ, Die Hedge-Fonds: Sie wetten gegen den Euro – ein bisschen; 2011 4 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 die durch die anfängliche Spekulation ausgelöste, aber noch geringe Bewegung des Wechselkurses und beteiligen sich trotz ihrer eigentlich neutralen Haltung an der sich dadurch ausweitenden und selbst rechtfertigenden Spekulation. Die Abwärtsbewegung wird zu einer "self fullfilling prophecy", bei der sich selbst eigentlich positiv gestimmte Anleger aus dem Markt zurückziehen oder in die Spekulation einsteigen. Neuere Ansätze dieser Theorie, z.B. von Oliver Jeanne,15 gehen davon aus, dass eine gewisse fundamentale Schieflage für das Eintreten einer Währungskrise zwar notwendig, aber nicht hinreichend ist. Diese Ansicht einer Entstehung von Währungskrisen ist also sehr eng mit den Erwartungen an den Kapitalmärkten verbunden. Diese Zusammenhänge spielen im weiteren Verlauf dieser Arbeit eine wichtige Rolle, In Kapitel 3 wird explizit auf die einzelnen Handlungsoptionen und Reaktionen zwischen einzelnen „Spielern“, hier Staaten und Kapitalmärkte, eingegangen. Die Theorie der dritten Generation untersucht Währungskrisen mit dem umfangreichsten Instrumentarium. Sie basiert auf einer mikroökonomischen Modellierung und bindet so Privatunternehmen als neue Akteure neben Staaten (erste Generation) und Finanzmarkt (zweite Generation) mit ein. Folgende Variablen bilden dabei die zentralen Indikatoren für eine Währungskrise („+“: trägt zu Währungskrisen bei; „-“: vermindert das Risiko einer Währungskrise): • Bankensektor Existenz einer Bankenkrise (+) Kreditspread (Kreditzins-Einlagenzins) (+) Anteil notleidender Kredite (+) Anteile der Insolvenzen im Bankensektor(+) • Währungs- und Fristen-Mismatch kurzfristige Auslandsverbindlichkeiten (+) kurzfristige liquidierbare Devisenreserven (-) Auslandsverschuldung (+) Verschuldung gegenüber ausländischen Banken (+) Erfüllung der "goldenen Bankregel" (-) • Overborrowing Existenz (impliziter) staatlicher Garantien (+) 15 Vgl. Jeanne; 2000 5 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 Aktienkursindizes (+) Immobilienpreise (+) Kreditvolumen/ Bruttoinlandsprodukt (+) Die Bewertung der Eurozone anhand dieser Kriterien ist aufgrund der Datenlage und Komplexität, insbesondere in Bezug auf den europäischen Bankensektor, schwierig. Als Ausgangslage für den Zustand des Bankensektors in Europa kann der am 23. Juli 2010 veröffentlichte Stresstest der EZB für europäische Banken genommen werden.16 Nur sieben von 91 Banken hatten den Test nicht bestanden. Auffällig dabei ist, dass gerade Spanien schon damals vergleichsweise schlecht abschnitt. Die Aussagekraft des Stresstest wird aber durchaus angezweifelt. Zu harmlos und zu unrealistisch seien die Annahmen, daher würde das Ergebnis nicht die tatsächlichen Verhältnisse widerspiegeln.17 Strengere Kriterien hätten andererseits möglicherweise eine Instabilität des Bankensektors offenbaren können, die wiederum Spekulation ausgelöst hätten. So bleibt das Bild des europäischen Bankensektors insgesamt divergent, wobei sich die Grenzen erstaunlicherweise weniger an den nationalen Grenzen ziehen lassen, sondern vielmehr bei der Voraussicht der Geschäftspolitik. So ist z.B. den spanischen Großbanken „Banco de Santander“ und „BBVA“ ein gutes Zeugnis ausgestellt worden, während die spanischen Sparkassen, nicht zuletzt wegen der spanischen Immobilienkrise, die großen Verlierer des Tests waren. Dass einige Banken und Immobilienmärkte aber sichtbare Merkmale einer Krise zeigen, ist unstrittig. Die Problematik der aufgeblähten Bilanzen einiger Banken und z.B. der Geschäftspolitik der Hypo Real Estate, langfristige Verbindlichkeiten kurzfristig zu finanzieren, birgt große Gefahren, wenngleich Fristentransformation eine der wesentlichen Intermediationsfunktuionen der Banken ist. Unstrittig ist aber, dass die Gefahr eines Überschwappens, des so genannten „Spill Over“-Effekts, besteht. Bedenkt man die staatlichen Garantien, die in Höhe von mehr als 2.900 Mrd. Euro oder rund 30% des Bruttoinlandprodukt der EU vergeben wurden, ist die Gefahr durch eine erneute schwerwiegende Bankenkrise offensichtlich. 18 Diese in der Literatur auch oft als „Twin Crisis“19 bezeichnete Krise von Banken und Staaten hatte in der Vergangenheit oft die schwerwiegendsten Folgen für die 16 Vgl. Europäische Zentralbank, Aggregated Outcome of the 2010 EU Wide Stress Test; 2010) 17 ebenda 18 Vgl. Der Standard Kommission: EU genehmigt 2,9 Billionen Staatsgarantien; 2009 19 Vgl. Effenberg; 2003 6 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 betroffenen Volkswirtschaften. 20 Die Lage der Banken bleibt also für eine mögliche zukünftige Währungskrise des Euros von großer Bedeutung. Bei Betrachtung dieser Kriterien zeigt sich, dass nicht eindeutig von einer Währungskrise gesprochen werden kann. Allerdings gibt es durchaus Anzeichen dafür, dass einige Indikatoren wie das Leistungsbilanzdefizit einzelner Staaten oder die Lage des Bankensektors in diesen Ländern zumindest die Möglichkeit einer zukünftigen Währungskrise implizieren. 2.2 Staatsverschuldung in einer Währungsunion Von einer klassischen Währungskrise kann man derzeit noch nicht sprechen, dennoch bleibt das Problem einer hohen Staatsverschuldung bestehen. In den Medien wird dabei häufig von einer Schuldenkrise gesprochen.21 Wie bereits geschildert, ist die Verschuldung eines der Kernelemente einer Währungskrise. Daher kann die Schuldenkrise als mögliche Ursache einer Währungskrise aufgefasst werden. insbesondere die Neben der nominalen Schuldenquote, das Höhe der Verhältnis Verschuldung sind zwischen dem Bruttoinlandsprodukt und dem Schuldenstand, sowie die Schuldnerstruktur maßgeblich für die Bewertung der Gefahr einer Verschuldungskrise. So kann im Allgemeinen davon ausgegangen werden, dass heimische Gläubiger, wie dies beispielsweise in Japan der Fall ist, ein deutlich geringeres Problem darstellen, da sie wegen des Zugriffs des Staates auf heimische Steuererlöse im Endeffekt ihre eigenen Schuldner sind.22 Dies unterscheidet solche Länder deutlich von den aktuellen Problemstaaten, die sich im Gegensatz dazu auch im Ausland deutlich verschuldet haben. Welche Schuldenquote als noch tragfähig anzusehen ist, ist unter Ökonomen umstritten und kann pauschal kaum beantwortet werden. So gehen einige Ökonomen ab einer Schuldenhöhe von 70% des Bruttoinlandsprodukts davon aus, dass das Wachstum des Landes durch den Finanzierungsbedarf, der aus einem hohen Schuldenstand resultiert, gebremst wird. Wie hoch der Schuldendienst ist, hängt neben der Höhe der Verschuldung auch stark von der aktuellen Zinslage ab, die sich fundamental aus der Marktlage (z.B. Zentralbankzinsen, Zinsumfeld) und der Kreditwürdigkeit zusammensetzt. 20 Vgl. Bordo/ Eichengreen; 1993 21 Vgl. Landmann; 2011 22 Vgl. Neue Züricher Zeitung, Warnschuss für Japan; 2011 7 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 Entscheidend zur Beurteilung der Verschuldung in der Eurozone ist allerdings die Frage, ob es sich im Fall der Europäischen Währungsunion um einen optimalen Währungsraum handelt. Eine aggregierte Betrachtung der Verschuldung im Euroraum ergibt laut IWF einen Nettoschuldenstand von 67,4 % für 2010 und einen prognostizierten Stand von 70,4 % im Jahre 2011.23 Diese Zahlen unterscheiden sich nicht erheblich von denen der USA und sind sogar deutlich niedriger im Vergleich zu Japan.24 Worin liegt also die Problematik innerhalb des EuroWährungsraumes und warum ist eine Insolvenz Griechenlands bedrohlicher für den Euro als beispielsweise eine drohende Insolvenz Kaliforniens für die USA? Um dies zu beurteilen, muss zum einen auf die Kriterien für einen optimalen Währungsraum und den tatsächlichen Tatbestand in der EU hingewiesen werden.25 Zum anderen haben die Mitgliedsstaaten des Euroraums auf einen Teil ihrer Souveränität verzichtet, indem sie Kompetenzen der nationalen Zentralbanken an die Europäische Zentralbank übertragen haben. Dadurch ist es ihnen weder möglich, sich durch Abwertung der eigenen Währung einen Exportvorteil zu schaffen, noch ist es möglich, durch eine signifikante Ausweitung der Geldmenge eigene Schulden zu bezahlen oder die Verschuldung durch eine Inflation zu entwerten. Dies führt dazu, dass selbst ein geringerer aggregierter Schuldenstand als bei vergleichbaren Volkswirtschaften als problematisch gesehen wird. Die Schuldenproblematik muss daher über zwei Wege gelöst werden: Zum einen ist der aktuelle Schuldenstand abzubauen und zum anderen sind Anreize zu schaffen, die ein erneutes Anwachsen der Verschuldung verhindern. Dies gewinnt noch an Brisanz, bedenkt man, dass Verschuldung sich zumindest als verstärkendes Element für eine Ansteckung über den Finanzmarkt herauskristallisiert hat. 2.3 Ansteckungsgefahr Unter Ansteckungsgefahr („Contagion“) versteht man die Gefahr einer Ausbreitung der Krise von bereits betroffenen, „kranken" Ländern auf noch nicht betroffene, „gesunde" Länder. Die Gefahr einer Ansteckung ergibt sich insbesondere in einer Währungsunion (vgl. Abbildung 1). 23 Vgl. International Monetary Fund, 4th Report for Selected Countries and Subjects; 2007 24 Vgl. International Monetary Fund, 5th Report for Selected Countries and Subjects; 2008) 25 Vgl. Kapitel 2.4 Optimaler Währungsraum und Maastricht Kriterien 8 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 Abbildung 1: Systemische Risiken in einem nicht-optimalen Währungsraum Eigene Darstellung Dabei kommen grundsätzlich die drei folgenden Wege der Ansteckung in Frage: (1) Ansteckung der Realwirtschaft In einem stark verflochtenen Wirtschaftsraum wie der EU, die einen innereuropäischen Handelsanteil von über 60% aufweist, sind bei einer Krise eines Landes auch die Handelspartner maßgeblich betroffen.26 Können Waren nicht mehr exportiert werden, da die Kaufkraft im Empfängerland gesunken ist, oder verschlechtern sich die Importbedingungen, so sind die Folgen schnell für jedes Land präsent. Der Wirtschaftseinbruch in einem Land der EU kann daher potenziell auch die Realwirtschaft der anderen EU-Länder massiv beeinflussen. Als Maßstab hierfür dienen vor allem das Verhalten der Zinsstrukturkurven für Staatsanleihen sowie die Kreditausfallversicherungsprämien (Credit Default Swaps). Dabei gehen einige Finanzexperten wie z.B. Nouriel Roubini davon aus, dass eine Ansteckung droht, sobald ein Land in Zahlungsschwierigkeiten gerät, respektive unter den europäischen Rettungsschirm flüchtet.27 So könne z.B. bei einem Hilferuf Portugals als nächstes Land Spanien in den Fokus der Finanzmärkte geraten – danach Italien und so weiter, so dass ein Krisenherd immer automatisch den nächsten provoziert. Die Ausschläge in den Zinsspreads der Staatsanleihen nach den Rettungsaktionen für Griechenland und Irland scheinen diese These zumindest zu stützen. Diese Problematik ergänzt oft das Verhalten durch Fondsmanagern 26 Vgl. Eurostat, Außenhandel; 2011 27 Vgl. Cash Magazin Roubini: Ansteckungsrisiko für Portugal und Spanien; 2010 9 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 nach der Portfoliotheorie.28 Hierbei sind einzelnen Anlagen oft Risikoklassen zugeordnet. Diese Klassen werden wiederum mit Positionslimits belegt. Einem Fondsmanager ist es z.B. erlaubt, 15% seiner Anlage in riskantere Bonds zu investieren. Werden dieser Risikoklasse nun durch eine plötzliche Verschiebung auch ursprünglich risikolos titulierte Anleihen zugerechnet, so hat er seine PortfolioAllokation anzupassen. Dies kann zum einen durch den Verkauf der Bonds des jeweiligen Landes geschehen, oder eben auch durch den Verkauf der als ähnlich eingestuften Assets. Im Falle der EU könnte also eine Verschlechterung des Ratings von Spanien dazu führen, dass auch Anleihen Italiens, Belgiens und anderer als ähnlich riskant eingestufter Ländern fallen, da diese Anlagen simultan verkauft werden, um die Risikoprofile anzupassen. (2) Herdentrieb Diese Art der Ansteckung erfolgt nach den bereits in 2.1 erläuterten Mechanismen einer Währungskrise. Hierbei wird das Modell der zweiten Generation mit der „Principal–Agent“-Problematik, die zwischen Anleger und Fondsmanager besteht, kombiniert. Für den Fondsmanager ist es einfacher, eine Performance entsprechend der „Peer Group“ zu erklären, als zu riskieren, eine gegensätzliche Meinung zu vertreten und damit möglicherweise als einziger zu verlieren. Diese Haltung fördert das Herdenverhalten, da sich viele nach der allgemeinen Marktlage richten, zum Teil entgegen einer anderen persönlichen Meinung. Sich abzeichnende Abwärtstrends werden dadurch naturgemäß verstärkt. (3) Ansteckung über das Europäische Bankensystem Ferner birgt das europäische Bankensystem als eng verflochtenes Netzwerk die Gefahr einer Ansteckung. Besonders die Insolvenz der amerikanischen Investmentbank „Lehman Brothers“ hat gezeigt, welche Konsequenzen der Ausfall eines Counterparts für die Bankenwelt haben kann. Typischerweise halten Banken und Versicherer einen hohen Anteil an den Staatsanleihen ihres Heimatlandes.29 Sollten diese deutlich abgewertet werden, oder es tatsächlich zum viel diskutierten „Haircut“ kommen, könnten die Banken dieses Staates in die Insolvenz rutschen. Daraus folgt ein möglicher Ausfall als Gegenpart im Interbankengeschäft. Die 28 Vgl. Hartmann; 2006 29 Vgl. Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, Anlagenverordnung; 2010 10 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 Folgen dürften bei der großen Verflechtung der europäischen Institute fatal sein und könnten zu weiteren Kettenreaktionen führen, deren Kosten den Bankenrettungsschirm bei weitem übersteigen würden. Ein Ausmaß ähnlich dem der Insolvenz von „Lehman Brothers“ wäre zu befürchten.30 2.4 Optimaler Währungsraum und Maastricht-Kriterien Der Euro war von Anfang an eher ein politisches Projekt. Ökonomische Einwände gegen die Einführung des Euro zum damaligen Zeitpunkt wurden kaum berücksichtigt.31 Die heutige Verschuldungsproblematik beruht daher – zumindest zu einem überwiegenden Teil – auf Konstruktionsfehlern, da die Bedingungen für einen optimalen Währungsraum nicht erfüllt waren. Schon 1961 entwickelte der spätere Nobelpreisträger Robert Mundell die „Theorie des optimalen Währungsraumes“.32 Voraussetzung für einen optimalen Währungsraum sind demnach entweder eine hohe wirtschaftliche Homogenität der teilnehmenden Länder und bzw. oder ein hohes Maß an Mobilität von Arbeit und Kapital. Sind die strukturellen Unterschiede unter den teilnehmenden Ländern zu groß und kommt es dann zu asymmetrischen Schocks, können diese aufgrund einer gemeinsamen Währung und einheitlichen Geldpolitik nicht über Wechselkurse und Zinsen für alle Länder gleichermaßen adäquat ausgeglichen werden. In diesem Fall müssen asymmetrische Schocks durch Wanderung von Arbeit und Kapital oder eine hohe Lohnflexibilität ausgeglichen werden, um Unterschiede in der Wettbewerbsfähigkeit zu kompensieren. Sinnvoll ist ein Zusammenschluss nach Mundell erst, wenn keinem der teilnehmenden Staaten ein Wohlfahrtsverlust durch die Teilnahme an einer Währungsunion entsteht. Sind diese Voraussetzungen gegeben, würden die Teilnehmer der Währungsunion in gleichem Maße an wirtschaftlichen Aufschwüngen wie Abschwüngen partizipieren, eine gemeinsame Geld- und Wirtschaftspolitik könnte verfolgt werden. Angesichts der aktuellen Ereignisse innerhalb des Euro-Währungsraumes, insbesondere der drohenden Staatsinsolvenzen von Griechenland und Irland, ist es jedoch fraglich, ob dieser Theorie bei den Verhandlungen zu den MaastrichtVerträgen genügend Bedeutung beigemessen wurde. Zum damaligen Zeitpunkt 30 Vgl. Bundeszentrale für politische Bildung; Lehman-Pleite: Ein Jahr danach; 2009 31 Vgl. Europäische Union, Geschichte der Europäischen Union; 2011 32 Vgl. Mundell; 1961 11 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 schlossen die teilnehmenden Staaten den Vertrag von Maastricht mit der Intention, die europäische Wirtschafts- und Währungsunion möglichst homogen zu halten. In dem Wissen um divergente Wirtschaftsräume unter den Ländern der EuroWährungsunion wurden mit der Unterzeichnung der Verträge Konvergenzkriterien verabschiedet, die bei Einhaltung die strukturellen Unterschiede verringern bzw. den politisch kurzfristig opportunen Weg der Verschuldung versperren sollten. Zentrale Bestandteile des Vertrages waren bzw. sind folgende Kriterien:33 (1) Preisstabilität: Die Inflationsrate darf nicht mehr als 1,5 Prozentpunkte über derjenigen der drei preisstabilsten Mitgliedsländer der Europäischen Union liegen. (2) Höhe der langfristigen Zinsen: Die langfristigen Nominalzinssätze dürfen nicht mehr als zwei Prozentpunkte über den entsprechenden Zinssätzen der drei preisstabilsten Mitgliedsländer der Europäischen Union liegen. (3) Haushaltsdisziplin: Das jährliche öffentliche Defizit sollte grundsätzlich nicht mehr als 3 % des öffentliche Schuldenstands und nicht mehr als 60 % des Bruttoinlandsprodukts betragen. (4) Wechselkursstabilität: Der Beitrittskandidat „Wechselkursmechanismus muss II“ mindestens teilgenommen zwei haben. Jahre Dabei darf am der Wechselkurs der eigenen Währung keinen starken Schwankungen gegenüber dem Euro ausgesetzt gewesen sein. Beim Euro-Gipfel in Dublin wurden diese Bestimmungen auch für die Zeit nach dem Beitritt zur Eurozone als verbindlich festgeschrieben. Das zugrunde liegende Regelwerk drohte Defizit-Sündern bei Verstoß gegen die Verschuldungsgrenzen Verwarnungen und empfindliche Strafzahlungen an34. 2.5 Empirischer Befund für den Euroraum Schon bei der Unterzeichnung der Verträge von Maastricht gab es große Zweifel an der Stabilität einer gemeinsamen Währung, da die wirtschaftlichen Strukturen der 33 Vgl. Bundesbank, Aufbau der Europäischen Zentralbank; 2011 34 Vgl. Europäische Union, Artikel 125 VAEU; 2008 12 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 teilnehmenden Länder deutliche Unterschiede aufwiesen. Besonders nach dem Aufkommen der Griechenland-Krise 2009 stellt sich die Frage, ob die EuroWährungsunion die notwendigen Bedingungen für eine gemeinsame Währung und eine einheitliche Geldpolitik erfüllt. Ein wichtiger Indikator für einen optimalen Währungsraum sind die Leistungsbilanzen der Mitgliedsstaaten. Bei einer defizitären Leistungsbilanz lebt eine Volkswirtschaft „über ihre Verhältnisse“, da mehr Waren und Dienstleistungen importiert als exportiert werden. Durch Abwertung der heimischen Währung ist es möglich, ein Leistungsbilanzdefizit zu reduzieren. Die Abwertung senkt den Preis für Exportwaren auf dem Weltmarkt und verteuert gleichzeitig die Importe. In der Regel hat dies einen erhöhten Export und einen zurückgehenden Import zur Folge. Dabei muss die Zentralbank eines Landes zwischen der Preisstabilität im Inland und einer ausgeglichenen Leistungsbilanz abwägen. Wird die heimische Währung zu stark abgewertet, so dass eine Unterbewertung eintritt, kann dies zu einer ungewollt hohen Inflation führen. Die Europäische Zentralbank hat daher neben dem Inflationsziel kein explizites Wechselkursziel. Bei der Einführung einer gemeinsamen Währung sollten alle teilnehmenden Staaten eine ähnliche Leistungsbilanz aufweisen, da bei einer gemeinschaftlichen Währung auch eine zentrale Geldpolitik betrieben wird, die nur schwer auf die unterschiedlichen Bedürfnisse einzelner Mitgliedsstaaten eingehen kann. Jede Anpassung muss über reale Größen wie Einkommen und Beschäftigung erfolgen, da ein Ausgleich über monetäre Größen nicht mehr möglich ist. In der Eurozone wird die Geldpolitik durch die Europäische Zentralbank betrieben.35 Mittels ihrer geldpolitischen Instrumente kann die EZB die Inflation steuern.36 "Das vorrangige Ziel des Eurosystems ist nach dem EG-Vertrag („Maastricht-Vertrag“), die Preisstabilität im Euroraum zu gewährleisten."37 Durch die Fokussierung Einflussmöglichkeit der auf EZB die auf Preisstabilität den im Wechselkurs Euroraum zum ist die Ausgleich von Leistungsbilanzdefiziten äußerst begrenzt. Eine Einflussnahme kann nur auf Basis gesamtwirtschaftlicher Daten des Euroraums erfolgen, eine Berücksichtigung der Interessen einzelnen Staaten oder Staatengruppen ist nur schwer möglich. 35 Vgl. Bundesbank, Aufbau der Europäischen Zentralbank; 2011 36 Vgl. Europäische Zentralbank, The Monetary Policy of the ECB; 2011 37 Bundesbank, Aufbau der Europäischen Zentralbank; 2011 13 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 Unter den Ländern im Euroraum gibt es teilweise erhebliche Unterschiede in der Leistungsbilanz.38 Im Jahre 2002, zur Einführung des Euro als Zahlungsmittel39, wies Portugal ein Leistungsdefizit von -10,2%, Griechenland von -7,7% und Spanien von -4,0% aus, jeweils gemessen als Anteil am Bruttoinlandsprodukt, während Länder wie Frankreich, die Niederlande und Finnland einen Überschuss aufweisen konnten, bei Deutschland und Österreich war die Bilanz leicht negativ. Die sich andeutende Divergenz der Wirtschaftskraft verstärkte sich zwischen den Jahren 2000-2010. Deutschland, Österreich, die Niederlande und Finnland verzeichneten im Jahr 2008 deutlich positive Bilanzen mit: 6,7%; 3,6%; 4,8% und 3,1%. Frankreich und Italien wiesen im Jahr 2008 ein Defizit von -2,3% und -3,4%. Spanien, Portugal, Irland und Griechenland verbuchten erhebliche Verluste mit -9,7%; -12,0%; -5,2% und -14,6%. Die Einführung des Euro ermöglichte vielen Staaten eine wesentlich leichtere und günstigere Kreditaufnahme auf den internationalen Kapitalmärkten, da die Risikoaufschläge für Staatsanleihen der Mitglieder der Eurozone sich einem gemeinsamen Wert annäherten. Viele Mitglieder der Eurozone konnten sich fast zu den gleichen Konditionen verschulden wie Deutschland, dem bonitätsstärksten Mitglied (siehe Grafik). Abbildung 2: Durchschnittliche Jahresrendite bei 10-jährigen Staatsanleihen in Prozent, Quelle: Eurostat – Langfristige Zinssätze 38 Vgl. Eurostat, Leistungsbilanz der Euro-Länder; 2011 39 Offizielle rechnerische Einführung am 01.01.1999; Einführung des Euro-Bargelds am 01.01.2002 14 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 Die günstigen Kredite führten in den Ländern Spanien, Griechenland und Irland zu einem Immobilienboom bis hin zu einer Immobilienblase. Spanien und Griechenland konnten in den Anfangsjahren der Eurozone Zuwachsraten des Bruttoinlandsprodukts von drei bis fünf Prozent verzeichnen, Irland sogar von bis zu 10,8%. Getragen wurde dieses Wachstum zum Teil von den günstigen Verschuldungskonditionen und dem dadurch getragenen Immobiliensektor.40 Die Zinslast von Portugal, Irland und Spanien sank seit dem Beitritt zur EuroWährungsunion, durch die geringeren Risikoaufschläge, im Falle Griechenlands sogar von fast 30,0% der jährlichen Staatseinnahmen auf nur noch 10,0%. Trotz steigender Staatsverschuldung mussten diese drei Länder immer weniger Zinsaufwendungen leisten. Die im Vergleich hohen Wachstumsraten von Portugal, Irland und Spanien beruhten jedoch nicht auf einem nachhaltigen Wachstum der jeweiligen Länder, sondern stellten sich als Spekulationsblasen heraus, die im Zuge der aufkommenden Wirtschaftskrise im Jahre 2008 zu platzen begannen. Durch die hohe private Verschuldung musste die Regierung von Spanien große Geldmittel aufbringen, um das System der Sparkassen zu stützen, das aufgrund von Zahlungsausfällen bei Immobilienkrediten in Schwierigkeiten geraten war. Irland musste zur Rettung seines Finanzsystems eine Teilverstaatlichung des Bankensektors vollziehen und brachte damit die Staatsfinanzen in eine bedrohliche Schieflage. Griechenland drohte 2009 die Insolvenz, da der Staat nicht mehr in der Lage war, die Zins- und Tilgungszahlungen zu leisten. Eine umfangreiche Rettungsmaßnahme unter Schirmherrschaft des IWF und den Mitgliedern der Eurozone konnte die vorübergehende Zahlungsfähigkeit, durch Gewährung von Krediten, erhalten.41 Durch die hohen Budgetdefizite von Spanien, Portugal, Griechenland und Irland müssen sich diese Länder derzeit einer umfangreichen Konsolidierung ihrer Staatsfinanzen unterziehen. Dies könnte zu einer weiteren Schwächung des Wachstums und der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der Länder führen. Um einen Ausgleich der Wettbewerbsfähigkeit und des Leistungsbilanzdefizits zu erreichen, müssten die PIIGS Staaten ihre Währungen abwerten, was aufgrund der Mitgliedschaft in der Währungsunion jedoch nicht möglich ist. Um die Wettbewerbsfähigkeit wieder herzustellen, wäre laut dem New Yorker Ökonom 40 Vgl. Zschäpitz/ Konrad; 2010, S. 56 ff. 41 Vgl. Zschäpitz/ Konrad; 2010, S. 48 ff. 15 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 Nouriel Roubini eine Senkung des Lohnniveaus um 20,0% - 30,0% notwendig.42 Verdeutlicht wird dieser Sachverhalt noch bei einem Vergleich der Lohnstückkosten innerhalb des Euro-Währungsraums. Mit Lohnstückkosten von 136,7 liegen die Lohnkosten für eine produzierte Einheit in Griechenland 2009 deutlich über dem Durchschnitt der 17 Euroländer von 120,2. Auch Spanien, Portugal und Irland liegen über dem Durchschnitt.43 Griechenland weist im Zeitraum von 2000-2010 eine durchschnittliche Erhöhung der Lohnstückkosten von 3,2% p.a. aus und ist damit Spitzenreiter unter den Euro-Ländern, Spanien Portugal und Irland folgen mit 2,7%; 2,4% und 2,4%. Im Vergleich dazu verzeichnen Frankreich, Deutschland, Österreich und Schweden eine Steigerung von unter 2,0%. Besonders Deutschland konnte durch eine sehr restriktive Lohnsteigerung die Wettbewerbsfähigkeit auf den internationalen Märkten erhalten (siehe Grafik). Abbildung 3: Jährliche Lohnstückkosten in ausgewählten Ländern Indexjahr 2000: 100 Basispunkte Quelle: Eurostat - Lohnstückkosten Die erhöhten Lohnkosten spiegeln sich auch in den Arbeitslosenstatistiken wider. Mit einer Arbeitslosenquote von durchschnittlich 20,0% ist Spanien das Schlusslicht 42 Vgl. Roubini, Die Gefahr einer tödlichen Schuldenfalle; 2010 43 Vgl. Eurostat, Übersicht über die Lohnstückkosten; 2011 16 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 unter den Ländern in Europa. Irland, Portugal und Griechenland verzeichnen ebenfalls Arbeitslosenquoten im zweistelligen Bereich, zu einem Zeitpunkt, an dem die anderen Länder der Euro-Währungsunion unter die Marke von 10,0% gefallen sind. Die hohe Arbeitslosigkeit und die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit der PIIGSStaaten verstärkt die hohe Schulden- und Zinslast noch zusätzlich, da Steuereinnahmen sinken und auch in naher Zukunft keine Trendwende zu erwarten ist.44 Die Bedrohung, die von den PIIGS Staaten für die übrigen Mitgliedssaaten der EU besteht, beruht zum einen auf den volkswirtschaftlichen Kosten eines Defaults und zum anderen auf der zu befürchtenden Ansteckungsgefahr für andere Länder. Wie man den vorstehenden Ausführungen entnehmen kann, steht die Europäische Währungsunion vor einer Reihe von Problemen und Herausforderungen. Kritiker prophezeien immer wieder das Ende der Währungsunion. Doch sind die Schwierigkeiten so gravierend, dass sie die Vorzüge einer gemeinschaftlichen Währung überwiegen oder ist es weiterhin sinnvoll, in den Zusammenhalt der EuroWährungsunion zu investieren? Um diese Frage zu beantworten, werden im folgenden Teil spieltheoretische Modelle angewendet, um Handlungen und Strategien der verschiedenen Akteure in unterschiedlichen Szenarien mathematisch zu analysieren und Lösungsansätze aufzuzeigen. 3. Spieltheoretische Analyse der europäischen Schuldenkrise 3.1 Spieltheoretische Grundlagen und Konzepte Die Spieltheorie hat ihren Ursprung in der mathematischen Analyse von Gesellschaftsspielen. Heute wird sie in verschiedenen Disziplinen und insbesondere in den Wirtschaftswissenschaften angewandt, wo sie zur Darstellung von strategischen Entscheidungssituationen verschiedener Akteure, auch Spieler genannt, die sich gegenseitig bedingen, genutzt wird. Hierin unterscheidet sie sich von der klassischen Entscheidungstheorie, in der der Erfolg jedes Einzelnen lediglich von seiner eigenen Entscheidung abhängt.45 Da die Währungsunion ein hohes Maß an wirtschaftlicher Verflechtung aufweist und somit die Politik einzelner Staaten erhebliche Auswirkungen auf die anderen 44 Vgl. Eurostat, Arbeitslosenstatistik; 2011 45 Vgl. Holler/ Illing; 2008 17 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 Mitglieder hat, erscheint eine spieltheoretische Analyse angemessen. Zwei Teilgebiete der Spieltheorie sind die nicht-kooperative und die kooperative Spieltheorie. Erstere untersucht Situationen in denen keine Möglichkeit besteht, verpflichtende Vereinbarungen mit anderen Spielern einzugehen, und die Strategien der einzelnen Spieler ausschließlich in ihrer eigenen Rationalität begründet liegen.46 Die kooperative Spieltheorie hingegen untersucht das Koalitionsverhalten von Spielern zur Steigerung des gemeinsamen Nutzens. Ansätze aus beiden Teilgebieten lassen sich konkret auf die aktuellen Probleme der Eurozone anwenden. Zunächst sollen die wichtigsten hier verwendeten theoretischen Grundlagen kurz vorgestellt und dann auf die konkreten Problemstellungen übertragen werden. Teilspielperfektheit Bei Spielen in extensiver Form werden die Entscheidungen der einzelnen Spieler nicht gleichzeitig, sondern nacheinander (sequentiell) getroffen. Eine Entscheidung hängt also immer von den vorangegangenen Entscheidungen der anderen Spieler ab. An jedem Entscheidungspunkt entstehen dadurch so genannte Teilspiele. Ein Teilspiel beinhaltet beginnt am Entscheidungspunkt des übergeordneten Spiels und alle darauffolgenden, lediglich durch und mit dem Rest des Spiels verbundene Entscheidungspunkte.47 In diesen Spielen, in denen die zeitliche Abfolge der Entscheidungen von Bedeutung ist, können Nash-Gleichgewichte48 bestehen, die zwar für das ganze Spiel gelten, für einzelne Teilspiele aber nicht Bestand haben. Dies ist der Fall, wenn die Gleichgewichtsstrategie des Spiels für das Teilspiel keine optimale Strategie ist. Sie ist dann nicht-teilspielperfekt: Sollte das Spiel an den Punkt gelangen, gebe es für den Spieler einen Anreiz, von der Gleichgewichtsstrategie abzuweichen. Ein Nash-Gleichgewicht ist nur dann auch teilspielperfekt, wenn , die Strategie des jeweils anderen Spielers, auch in jedem Teilspiel die wechselseitig besten Antworten darstellen.49 46 Vgl. Holler/ Illing; 2008 47 Vgl. Owen; 1995 48 Siehe Anhang: Nash-Gleichgewicht 49 Vgl. Owen; 1995, S. 169 18 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 Unvollständige Information Ein weiteres für die Betrachtung relevantes Problem stellt unvollständige Information dar. Sind den Spielern bestimmte Informationen über das Spiel oder die Mitspieler nicht bekannt, müssen Sie Ihre Entscheidungen treffen ohne genau zu wissen, an welchem Punkt des Spiels sie sich befinden. Spiele mit derartiger unvollständiger Information können durch das Einführen eines zusätzlichen Spielers in Spiele mit vollständiger, imperfekter Information überführt werden. Dieser Spieler wählt mit bestimmten Wahrscheinlichkeiten seine „Strategie“, also den Zustand, über den Unsicherheit besteht. Die übrigen Spieler können auf Grundlage der Wahrscheinlichkeiten bestimmen, an welchem Punkt sie sich voraussichtlich befinden und somit ihre Strategie wählen.50 Der Kern In kooperativen Spielen haben die Spieler zusätzlich die Möglichkeit, mit anderen Spielern Koalitionen einzugehen, die für den einzelnen einen zusätzlichen Wert schaffen, was anhand von Auszahlungsvektoren gemessen wird, die den jeweiligen Spielern zugewiesen werden. Diese Zielsetzung trifft auf die Währungsunion zu, da sie unter anderem anstrebt, die Lebenshaltung, die Lebensqualität und den wirtschaftlichen Zusammenhalt zwischen den Mitgliedsstaaten zu erhöhen, was diese nur gemeinsam erreichen können.51 Ein Lösungskonzept zur Identifizierung optimalen Koalitionsverhaltens ist der „Kern“52. Grundvoraussetzung der im Kern liegenden Auszahlungsvektoren ist, dass sie „Imputationen“ sind.53 Das heißt, sie müssen sowohl individuell rational als auch pareto-optimal sein. Darüber hinaus erfüllen die Auszahlungsvektoren die Bedingung, dass sie von keiner nicht-großen Koalition dominiert werden können, also keine nicht-große Koalition einzelne Spieler besser stellen kann. Dies lässt sich folgendermaßen formalisieren: 50 Vgl. Holler/ Illing; 2008, S. 46 ff. 51 Vgl. Europäische Union, Artikel 2 des Vertrags über die Europäische Union; 1992 52 Im Folgenden ist mit dem Begriff „Kern“ regelmäßig dieses spieltheoretische Konzept gemeint. 53 Siehe Anhang: Imputationen 19 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 Der Kern ist somit die Menge aller nicht dominierten Imputationen des 54 Diese Definition geht auf Donald B. Gillies zurück, wobei das Spiels . Lösungskonzept bereits von Francis Y. Edgeworth beschrieben wurde.55 Liegt eine Koalition im Kern, gibt es für keinen der Spieler oder eine echte TeilKoalition von Spielern einen Anreiz aus der Koalition auszutreten, da sie für ihn nutzenmaximierend ist und sie jegliches Potential für Verbesserung ausschöpft. 3.2 Glaubwürdigkeit der No-Bailout-Klausel Die Spiele in diesem Abschnitt sollen die Wirkungsweise der dargestellten Theorien verdeutlichen und – übertragen auf die Krise der Eurozone – die aus Sicht der Spieltheorie grundlegenden Anforderungen an einen Krisenmechanismus darstellen. Die Nutzenwerte sind exemplarisch gewählt, da eine konkrete Bestimmung aufgrund der Komplexität der Einflussfaktoren und des subjektiven Charakters der Bewertungsmaßstäbe der politischen Ziele der Währungsunion weder eindeutig möglich ist, noch sinnvoll erscheint. Eine Gefahr für die Stabilität der Eurozone besteht darin, dass einzelne Staaten sich zu stark verschulden und andere Staaten für diese Schulden aufkommen müssen. Da man dieses Problem schon frühzeitig erkannte, wurde neben den MaastrichtKriterien für die (Neu-)Verschuldung die No-Bailout-Klausel eingeführt. Diese verbietet es den Mitgliedsstaaten, für die Schulden anderer Mitglieder einzustehen.56 Während sich der Stabilitäts- und Wachstumspakt zur Disziplinierung der Mitgliedsstaaten als wenig brauchbar erwies, was zahlreiche Verstöße insbesondere seitens der großen Mitgliedsstaaten zeigen, wurde dem Verbot des Artikels 125 AEUV von den Finanzmärkten kaum Bedeutung beigemessen. 57 58 In der Euro-Krise zeigte sich dann endgültig, dass diese Einschätzung richtig war und ein solches Verbot nicht glaubwürdig ist. Zwar mag es auf lange Sicht nach wie vor richtig gewesen sein, dass zu starke Verschuldung und ein Eintreten der Staaten für einander der Eurozone schaden, jedoch wären die Kosten einer Staatsinsolvenz Griechenlands oder Irlands für die übrigen Staaten höher ausgefallen als die Kosten 54 Vgl. Owen; 1995, S. 218 55 Vgl. Holler/ Illing; 2008, S. 269 56 Europäische Union, Artikel 125 VAEU; 2008 57 Vgl. Caesar; 2010, S. 29 58 Bundesfinanzministerium, Ohne Finanzmarktreform keine Lösung der europäischen Staatsschuldenkrise; 2010 20 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 eines Bailouts, so dass man sich für letzteren entschied.59 Spieltheoretisch gesprochen bestand ein Nash-Gleichgewicht darin, dass kein Staat sich übermäßig verschuldet. Dieses war jedoch nicht teilspielperfekt, da das Teilspiel, in dem sich ein Staat trotz Verbots übermäßig verschuldet, zu einer abweichenden Strategie führte, weil der Nutzen des Bailouts an diesem Punkt höher war. Die Drohung der No-Bailout-Klausel war somit von vornherein nicht glaubwürdig. Systemische Risiken Teilspielperfekt Pareto-optimal Abbildung 4: Spiel „Glaubwürdigkeit der No-Bailout-Klausel“ Eigene Darstellung Betrachtet man vereinfachend die Defizitländer bzw. die schwächeren Euro-Staaten „D“ und die übrigen, stabilitätsorientierten Länder „S“ als jeweils geschlossen agierende Opponenten in einem Spiel, lassen sich die möglichen Strategien hinsichtlich der Verschuldung von D und der Reaktionen von S wie in Abbildung 3 darstellen. Verschulden sich D und werden diese nicht von S gerettet, erleiden sie erhebliche Kosten. Sie müssen gegebenenfalls umschulden, verlieren den Kapitalmarktzugang und haben mit negativem oder sehr geringem Wachstum über einen langen Zeitraum zu rechnen. Die übrigen Länder S haben keine Kosten, erhalten jedoch auch keine der Vorteile, wenn die Währungsunion aufgekündigt wird. Dieses Szenario stellt die „Drohung“ der No-Bailout-Klausel dar. Halten sich D daran, sich nicht zu verschulden, werden S im eigenen Interesse eine Umverteilung ablehnen, wodurch sich D in der Situation sehen, erhebliche Kosten tragen zu müssen (etwa geringes Wachstum durch Sparmaßnahmen), ohne große Vorteile daraus zu ziehen. Obwohl die pareto-optimale Lösung mit maximalem Nutzen das Gegenteil voraussetzt, werden D sich also verschulden, da sie erwarten können, dass S eine Umverteilung ablehnen, gleichzeitig aber einen Bailout finanzieren werden, da dies in ihrem eigenen Interesse ist. Das Eigeninteresse ergibt sich aus 59 Vgl. Fasten/ Blankart; 2010, S. 6 ff. 21 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 den zu erwartenden Kosten eines Austritts und der Insolvenz eines oder mehrerer der PIIGS-Staaten. Erhebliche Rückschritte beim europäischen Einigungsprozess würden große politische Kosten bedeuten, aber auch konkrete wirtschaftliche Kosten durch eine erneute Bankenkrise infolge hoher Abschreibungen auf Staatsanleihen dieser Länder wären zu erwarten.60 In Anbetracht dessen ist der Bailout, wie im vorigen Abschnitt zur Teilspielperfektheit beschrieben, rational. Die Spieltheorie zeigt die Möglichkeit auf, dass auf lange Sicht, bei so genannten wiederholten Spielen, die Möglichkeit besteht, durch Sanktionen die nötige Disziplin für eine solche nicht–teilspielperfekte, aber effiziente Lösung zu erreichen. Bei unendlich wiederholten Spielen kann sich theoretisch die pareto-optimale Lösung durchsetzen, weil langfristig gesehen die Vorteile einer Kooperation überwiegen. Dies wird in Abbildung 3 durch die höhere Auszahlung (4/5) dargestellt. Ein Abweichen von dieser Strategie würde für beide Parteien letztlich wieder Auszahlungen von (2/3) bedeuten.61 In der Praxis ist ein Entstehen dieser Kooperation jedoch fraglich, da eine starke Zeitpräferenz bei den jeweils nur für einen kurzen Zeitraum ernannten Entscheidungsträgern (Politikern) unterstellt werden kann. Der Wert des zukünftigen zusätzlichen Nutzens wäre somit so stark zu diskontieren, dass ein Szenario der endlich wiederholten Spiele realistischer erscheint.62 In endlich wiederholten Spielen ergibt sich die Handlung der Spieler nach dem Prinzip der Rückwärtsinduktion. Aus der zu erwartenden Handlung in der letzten Runde des Spiels, in der keine Sanktionsmöglichkeiten mehr bestehen, wird das Verhalten der vorangehenden Handlungen abgeleitet. Auf diese Weise tritt letztendlich doch die teilspielperfekte, jedoch nicht pareto-optimale Lösung ein.63 3.3 Der Kern in einer nicht-optimalen Währungsunion 3.3.1 Der Kern als Voraussetzung für Stabilität Betrachtet man die Kooperation der Staaten in der Eurozone als Spiel im spieltheoretischen Sinne, folgen aus der Kern-Theorie für eine stabile Währungsunion folgende Kriterien: (1) Die Vorteile der Währungsunion für jeden einzelnen Mitgliedsstaat müssen die zusätzlichen Belastungen zumindest ausgleichen oder überwiegen. 60 Vgl. Carstensen/ Sinn ; 2010, S. 4 f. 61 Vgl. Holler/ Illing; 2008, S. 21 62 Vgl Hoppe; 2010 63 Vgl. Holler/ Illing, 2008, S. 21 22 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 (2) Die Verteilung der Kosten und Nutzen innerhalb der Eurozone ist soweit ausgeglichen, dass es keine Teil-Koalition von Staaten gibt, für die ein geschlossener Austritt von Vorteil wäre. (3) Die Mechanismen der Währungsunion sind dahingehend effizient, dass ihr voller Nutzen erschlossen wird. Die Bedeutung des ersten Kriteriums ist offensichtlich. Es leuchtet unmittelbar ein, dass Staaten aus der Währungsunion austreten, sobald sie sich alleine besser stellen können, da sie diesen Zustand ohne fremdes Zutun erreichen können. Hier stellt sich jedoch die Frage, wann dieser Zeitpunkt erreicht ist, da eine Bewertung des Nutzens sehr schwierig ist und diese sehr unterschiedlich ausfallen kann. Der Ökonom Dani Rodrik beispielsweise hält es für notwendig, dass einzelne Staaten wie Griechenland aus der Währungsunion austreten, um Ihre Wettbewerbsfähigkeit wiederherzustellen,64 während von Seiten des griechischen Staates hiervon nicht die Rede ist.65 Die Problematik des zweiten Kriteriums zeigt sich in der medial präsenten Diskussion über eine mögliche Zweiteilung in einen starken Norden, der die Staaten mit AAA Rating (Deutschland, Finnland, Frankreich, Luxemburg, Niederlande und Österreich) umfasst, und einen schwachen Süden, in dem sich unter anderem die Mittelmeeranrainer wiederfinden.66 Das dritte Kriterium lässt sich dahingehend auslegen, dass die Währungsunion in ihrer Ausgestaltung der ideale Mechanismus sein muss, um die Ziele der Mitgliedsstaaten zu erreichen. Die Bewertung dessen hängt jedoch von der Gewichtung der Ziele ab: Wenn das vornehmliche Ziel der WWU in der politischen Stabilität und Integration Europas liegt, mag dieses Argument eher erfüllt sein, als wenn rein ökonomische Faktoren gewertet werden. Trotz der großen Vorbehalte gegenüber den verschiedenen Rettungsmaßnahmen für Staaten wie Griechenland und Irland, die immer wieder aus den Geberländern geäußert wurden und werden, deuten sowohl der faktische Bailout Griechenlands und Irlands durch die anderen Mitgliedsstaaten, als auch der Ankauf von Staatsanleihen der Peripheriestaaten durch die EZB darauf hin, dass die Eurozone nach wie vor im Kern liegt, ein Festhalten am Euro und der Währungsunion also für 64 Vgl. Rodrik; 2010 65 Vgl. Finanzen.net, Papandreou erteilt Austritt aus der Eurozone eine Absage; 2010 66 Vgl. Breuss; 2011 23 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 alle Länder in diesem Sinne rational ist. Dies gilt trotz aller Probleme und Mängel hinsichtlich der Kriterien für einen optimalen Währungsraum, jedoch zeigen die geäußerten Bedenken und offen diskutierten Alternativen auch, dass möglicherweise eine Verschiebung stattfindet, die die Eurozone aus dem Kern bewegen könnte und somit ihre Stabilität gefährdet. 3.3.2 Kurzfristige und langfristige Anforderungen für Stabilität Transfer- und Fiskalunion Eine Möglichkeit, der zunehmenden Instabilität entgegen zu wirken, wäre es, die Währungsunion zu einer Transfer- und Fiskalunion umzugestalten, in der von den wirtschaftlich starken zu den wirtschaftlich schwächeren Ländern umverteilt wird, wie es etwa innerhalb Deutschlands mit dem Länderfinanzausgleich zwischen den Bundesländern geschieht. Maßnahmen wie der Europäische Stabilisierungsmechanismus haben indirekt bereits diese Funktion. Gemeinsam ausgegebene Anleihen der Mitgliedsstaaten, sogenannte „Eurobonds“, wären ein weiterer Schritt in diese Richtung.67 Während sich so Unzulänglichkeiten bezüglich des ersten Kriteriums für Stabilität im Sinne des Kerns – es existieren keine dominierten Imputationen – lösen ließen, wäre dies für das zweite Kriterium schon weniger deutlich zu sagen. Eine Umverteilung könnte einerseits einen Anreiz darstellen, der eine Gruppe der Nettoempfängerländer vom Austritt abhalten könnte, die vorher gleichermaßen durch hohe Zinszahlungen und mangelnde Wettbewerbsfähigkeit benachteiligt waren. Gleichzeitig besteht jedoch die Gefahr, dass sich im Laufe der Zeit eine Gruppe von Geberländern herausbildet, die gemeinsam derart belastet werden, dass für sie langfristig der geschlossene Austritt lohnenswert würde. Zwar besteht auf bundesdeutscher Ebene die Gefahr eines Austritts einzelner Länder nicht, gleichwohl zeigt der aktuelle Streit um den Länderfinanzausgleich, bei dem sich vier Geberländer zwölf Empfängerländern gegenüber stehen, zumindest die AkzeptanzProbleme auf, die ein Umverteilungsmechanismus mit sich bringen kann, bei dem der Nutzen ungleich weniger messbar ist als die offensichtlichen finanziellen Belastungen.68 67 Vgl. Soros, Making the Euro whole; 2010 68 Vgl. FAZ, Länderfinanzausgleich: Geberländer bereiten Klage vor; 2011 24 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 Die Umverteilung kann zusätzlich zu Fehlanreizen führen, die den Gesamtnutzen für die Währungsunion reduzieren und damit in Hinblick auf das dritte Kriterium langfristig die Stabilität des Euro gefährden.69 Kurzfristig kann eine Umverteilung somit die Eurozone stabilisieren und verhindern, dass durch Austritte oder das Auflösen der Währungsunion erhebliche volkswirtschaftliche Kosten entstehen. Langfristig gesehen ist jedoch eine Lösung zu finden, die ökonomischen Schaden durch Fehlanreize verhindert und politische Akzeptanz mittels transparenterer Transfers und Umverteilungsmechanismen erreicht. Insbesondere besteht die Gefahr, dass sich bei den Empfängerländern eine Subventionsmentalität bildet, die dazu führt, dass sich die Richtung der Transfers kaum jemals ändern würde. Strukturelle Konvergenz Wenn zunehmende Sorgen über die Stabilität des Euro Ausdruck eines Verlassens des Kerns sind und kurzfristige Umverteilung mit Fehlanreizen verbunden ist, gilt es, für die dauerhafte Stabilität an den Ursachen des Problems anzusetzen. Dies sind, wie eingangs dargestellt, insbesondere die Divergenz zwischen den Mitgliedsstaaten in Bezug auf Leistungsbilanz und allgemeine Wettbewerbsfähigkeit sowie eine geringe Mobilität des Faktors Arbeit. Diese Probleme lassen sich nur durch strukturelle Reformen lösen, wobei auch hier gilt, die Kriterien des Kerns nicht zu verletzen.70 Da die Anpassungen hinsichtlich einer höheren Wettbewerbsfähigkeit und finanzieller Stabilität die Wirtschaft und die Bevölkerung der betroffenen Staaten sehr stark belasten werden, haben sich die stärkeren Staaten an den Kosten zu beteiligen. So wird das erste Kriterium durch eine entsprechende Umverteilung nicht verletzt. Zur Verbesserung der Mobilität von Arbeitskräften sind aufgrund der sprachlichen und kulturellen Unterschiede besondere Herausforderungen zu überwinden. Protektionistische Maßnahmen wie beispielsweise das deutsche Arbeitnehmerentsendegesetz sind vor diesem Hintergrund nicht haltbar.71 Ziel der strukturellen Reformen muss es sein, die Wettbewerbsfähigkeit und den Wohlstand aller Staaten zu fördern und die zwischenstaatliche Mobilität zu erhöhen, um einen optimalen Währungsraum in der Eurozone zu schaffen. Kriterium drei kann daher auch bedeuten, dass eine weitere Integration Europas notwendig ist, die mit entsprechenden Abstrichen in der 69 Vgl. Lucke; 2011 70 Vgl. Boskin; 2001 71 Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Der deutsche Arbeitsmarkt in Zeiten globalisierter Märkte; 2006 25 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 nationalen Souveränität zu Gunsten der gesamteuropäischen Wohlfahrt einhergeht. Diese müssten möglicherweise durch „Seitenzahlungen“ ausgeglichen werden, was einer stärkeren Umverteilung entspricht. Ob dies notwendig ist, kann hier nicht beantwortet werden. Ein Blick auf bestehende föderale Staaten legt zumindest den Schluss nahe, dass eine Wirtschafts- und Währungsunion diese Möglichkeit nicht grundsätzlich ausschließen darf. 3.3.3 Spekulation gegen den Euro Eine konkrete Gefahr für den Fortbestand der Eurozone stellen Spekulationen gegen einzelne Staaten dar, die dann erfolgreich sein werden, wenn die Eurozone nicht im Kern liegt.72 teilspielperfekt Abbildung 5: Spiel „Währungsunion im Kern“ Eigene Darstellung Abbildung 4 stellt die Situation dar, in der sich die Eurozone im Kern befindet. Die Akteure an den Finanzmärkten können gegen den Euro spekulieren und die Eurozone kann darauf entweder mit der Auflösung oder einer Stützung des Systems reagieren. Da die Eurozone im Kern liegt und ihr Nutzen somit etwaige Kosten übersteigt, würde sie sich nicht auflösen und Spekulanten würden einen Verlust erleiden. In Erwartung dessen unterbleibt die Spekulation und die Eurozone bleibt bestehen. Nur letztere Lösung ist teilspielperfekt und ihr Eintreten somit zu erwarten, da die Eurozone im Kern immer mit dem Erhalt der Währungsunion reagieren würde. 72 Vgl. Soros, The Greek Conundrum; 2010 26 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 teilspielperfekt Abbildung 6: Spiel „Währungsunion außerhalb des Kerns“ Eigene Darstellung Anders stellt sich die Situation in Abbildung 5 dar, wenn die Eurozone nicht im Kern liegt. Da der Nutzen der Währungsunion für einige Staaten geringer ist, als der einer anderen nicht-großen Koalition oder der Eigenständigkeit, wird sich die Währungsunion bei Spekulation an den Finanzmärkten auflösen. Einzelne Austritte können hierbei, wie in Abschnitt 2.3 beschrieben, aufgrund der Ansteckungsgefahr weitere Spekulationen auslösen, wenn das Vertrauen der Märkte verloren geht und die Kosten derart steigen, dass sich die Währungsunion somit aus dem Kern bewegt. Die Frage, ob die Eurozone tatsächlich im Kern liegt, ist schwer zu beantworten. Dies gilt auch für die Akteure an den Finanzmärkten. Sie wissen nicht genau, ob Europa im Kern liegt und können lediglich Annahmen treffen, die auf den ihnen zugänglichen Informationen basieren. Es handelt sich also um ein Spiel unvollständiger Information. Abbildung 6 stellt diese Situation dar. Mit der Wahrscheinlichkeit 1-P befindet sich die Eurozone im Kern; mit der Wahrscheinlichkeit P befindet sie sich nicht im Kern. Die Finanzmarktteilnehmer werden Aussagen und Handlungen der die Staaten vertretenden Politiker und Daten zur wirtschaftlichen Entwicklung verfolgen, um zu bestimmen, wie die Wahrscheinlichkeiten verteilt sind. Je größer P wird, desto größer wird der Erwartungswert einer Spekulation und einer anschließenden Auflösung. 27 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 Abbildung 7: Spiel „Unvollständige Information“ Eigene Darstellung Die Unsicherheit in diesem Spiel eröffnet die Möglichkeit, bei kurzfristigen Abweichungen vom Kern, durch entsprechende politische Willensbekundungen, die Stabilität der Eurozone zu sichern. Das Gedankenexperiment zeigt aber auch, dass die Eurozone nur dann dauerhaft Bestand haben kann, wenn Sie im Kern liegt. Ein Krisenmechanismus sollte daher so gestaltet sein, dass er auf lange Sicht die Vorteilhaftigkeit der Währungsunion in den engen Kriterien des Kerns für alle Mitglieder garantiert. 4. Lösungsansätze 4.1 Vollständiger Verzicht auf Rettungssysteme Im Folgenden werden verschiedene, in den Medien diskutierte Instrumente zur Lösung der bestehenden Probleme beschrieben und anschließend vor dem Hintergrund der spieltheoretischen Analyse bewertet. Wie im vorhergehenden Kapitel dargelegt, kann eine Transfer- und Fiskalunion kurzfristig gesehen aus spieltheoretischer Perspektive sinnvoll sein, um die Eurozone zu stabilisieren. Langfristig gesehen sollte die Wettbewerbsfähigkeit und die Konvergenz aller Staaten gefördert werden, da sich die Frage stellt, ob die Geberländer eine dauerhafte Transferunion akzeptieren würden. Eine nicht-optimale Währungsunion – ob mit oder ohne Kern – sollte langfristig in eine optimale Währungsunion transformiert werden. In diesem Kapitel geht es schwerpunktmäßig um die Frage, 28 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 was getan werden kann, um die Stabilität der Eurozone in der aktuellen Krise sicherzustellen. Zu Beginn soll diskutiert werden, ob ein vollständiger Verzicht auf Rettungssysteme in der Zukunft sinnvoll und realistisch sein kann. Bei einem vollständigen Verzicht auf Rettungssysteme stößt man jedoch auf die gleichen ungelösten Probleme wie bei der No-Bailout Klausel. Diese Maßnahme wäre von Beginn an nicht glaubwürdig, wenn kein Kern existiert. Ein vollständiger Verzicht auf Rettungssysteme ist also nicht durchzuhalten und daher kann damit auch keine disziplinierende Wirkung erreicht werden. Es würde folglich wieder zu übermäßigen Verschuldungen kommen – gefolgt von wiederholten Bailouts. 4.2 Partielle Insolvenz Zurzeit steht die Eurozone vor dem Problem, dass sich die Zinsspreads in der Krise deutlich vergrößert haben. Eine zumindest partielle Insolvenz eines Staates könnte helfen, die Schuldenlast zu reduzieren, die Handlungsfähigkeit des Staates zu erhöhen und so im Optimalfall die Basis für eine langfristige wirtschaftliche Erholung zu legen. Des Weiteren kostenintensive könnte Transferunion eine für die verhindert Geberstaaten und die womöglich erwünschte Disziplinierungsfunktion theoretisch erreicht werden. Problematisch sind dabei die unterschiedlichen direkten und indirekten Kosten, die durch eine Insolvenz entstehen. Zum Beispiel würden sich Forderungsausfälle auf Staaten, Unternehmen und Privatpersonen auf der ganzen Welt auswirken. Besonders gefährlich ist die bereits erläuterte Ansteckungsgefahr für Banken. Diese könnten selbst in Zahlungsschwierigkeiten geraten und dadurch weitere wirtschaftliche Probleme, zum Beispiel durch eine Kreditklemme, auslösen. Eine allgemeine Panik könnte des Weiteren auch die Finanzierungskosten der nicht direkt betroffenen Staaten in die Höhe treiben. Eine Umschuldung birgt also verschiedene Risiken und hohe Kosten für alle Beteiligten. So wurden beispielsweise bei Griechenland die Kosten der Umschuldung höher eingeschätzt als die Kosten eines Bailouts.73 Wie schon im vorherigen Kapitel erläutert, ist die Glaubwürdigkeit eine Staatsinsolvenz kurzfristig gesehen anzuzweifeln. Gleiches gilt möglicherweise auch für eine partielle Insolvenz, da hier ähnliche 73 Vgl. Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen, Ohne Finanzmarktreform keine Kösung der europäischen Schuldenkrise; 2010 29 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 Ansteckungsgefahren bestehen. Folglich könnte die gewünschte Disziplinierungsfunktion auch mit diesem Instrument nur eingeschränkt erzielt werden. Auch das Argument der Grundsteinlegung für eine langfristige wirtschaftliche Erholung ist in der Praxis problematisch. Denn kurzfristig können hohe Kosten für die Realwirtschaft entstehen. Die Folgen für die Reputation eines Landes an den Kapitalmärkten sind – wie die Historie zeigt – oft über Jahre und Jahrzehnte erheblich. Daher wird die Umschuldung meist als unattraktive Option gesehen und Politiker werden versuchen, solche Maßnahmen in eine andere Legislaturperiode zu verschieben. Dadurch wird eine Umschuldung oftmals zu spät eingeleitet, was wiederum die Kosten für die Realwirtschaft nochmals erhöhen kann.74 Ein weiteres Problem ist das fehlende Insolvenzrecht für Staaten. So forderte zum Beispiel Angela Merkel im Mai 2010 ein Insolvenzrecht für überschuldete EuroLänder.75 Das größte Problem bildet dabei – neben den üblichen Insolvenzrisiken wie Schädigung der Gläubiger, Kürzungen im Haushalt und Entlassungen – die Behandlung des insolventen Staates. Im privaten Recht wird der Schuldner unter die Aufsicht eines Insolvenzverwalters gestellt, der über dessen weiteres finanzielles Vorgehen bestimmt. Bei einem Staat stellt sich die Lage komplexer dar. Zum Beispiel hat in Entwicklungsländern der IWF zum Teil die Rolle des Insolvenzverwalters eingenommen und damit in politische Gestaltungsmöglichkeiten der Regierung eingegriffen, ein klassisches Beispiel hierfür ist Chile.76 Dabei wurde seine Arbeit durchaus auch kritisch beurteilt.77 Neben der Frage, ob der IWF geeignet ist oder ob für diesen speziellen Fall andere Institutionen besser befähigt sind, stellt sich die Frage nach der demokratischen Legitimation. Umstritten ist auch, welcher Weg ökonomisch gesehen der Beste aus der Krise ist und wie viel Geld dem Staat zur Grundversorgung gelassen werden soll. Die Frage nach dem ökonomisch besten Weg ist selbst unter Experten heftig umstritten. Eine von allen Parteien als richtig und optimal empfundene ökonomische Vorgehensweise ist anscheinend nicht vorhanden. Die Frage bezüglich der Grundversorgung des Staates mündet zwangsläufig in einer Debatte ohne eindeutige Lösung, denn was fair und den Umständen angemessen ist, lässt sich schwer oder gar nicht im 74 Vgl. Neue Züricher Zeitung, Wege aus der staatlichen Überschuldung; 2010 75 Vgl. Mussler; 2010 76 Vgl. International Monetary Fund, Chile and the IMF; 2011 77 Vgl. Chossudovsky; 2006 30 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 Einvernehmen klären und müsste doch durch eine wie auch immer gestaltete Insolvenzverwaltung gelöst werden.78 Bei einer Insolvenz stellt sich darüber hinaus die Frage, ob ein dauerhafter oder zeitlich begrenzter Ausschluss vom Euro mit der Insolvenz einhergehen sollte. Dies widerspricht zwar dem Ziel der Stabilisierung der Eurozone, doch es soll diskutiert werden, ob solch ein Ausschluss die noch verbleibende Eurozone stabilisieren könnte und welche Konsequenzen auf den ausgeschlossenen Staat zukommen könnten. Außerdem wurde ein Ausschluss bestimmter Staaten vom Euro von verschiedenen Akteuren gefordert. Zum Beispiel plädierten Hans-Werner Sinn79 und auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel im Frühjahr 2010 zunächst für den Ausschluss überschuldeter Staaten. Die dafür notwendige Änderung der EUVerträge wurde jedoch von Gordon Brown und Nicolas Sarkozy abgelehnt.80 Bei einem Ausschluss wäre man, um die fehlende Wettbewerbsfähigkeit und ein bestehendes Leistungsbilanzdefizit zu reduzieren, nicht mehr auf die Lohn- und Preisanpassungen angewiesen, sondern es könnte auch die Währung abgewertet werden – die Schwäche gegenüber anderer Währungen würde die Wettbewerbsfähigkeit wieder erhöhen und die Exporte fördern. Außerdem hätte das betroffene Land wieder die Hoheit über seine Geldpolitik – dies kann vorteilhaft sein, da die wirtschaftlichen Bedingungen möglicherweise anders sind als in den restlichen Euro-Staaten.81 Es entstünden jedoch auch erhebliche Probleme durch einen Ausschluss vom Euro. Ein vorhergehender Haircut hätte die Schuldenlast zwar reduziert, da die noch verbleibenden Schulden jedoch in Euro denominiert sind, würde dieser Effekt aufgehoben werden. Eine mit dem Ausschluss vom Euro einhergehende Kapitalflucht aus dem Land würde zwar die gewünschte Abwertung der Währung bringen, doch ein zu starker Abfluss von Kapital könnte das Wirtschaftswachstum stark belasten. Die Angst vor inflationärer Geldpolitik – als Instrument zur Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit – könnte diese Kapitalflucht nochmals verstärken. Marktteilnehmer könnten den Austritt eines Staates außerdem als Zeichen dafür deuten, dass die Währungsunion sich nicht mehr im Kern befindet und auf Basis dessen gegen andere schwache Staaten spekulieren. Auch politische 78 Vgl.von Hagen; 2010 79 Vgl. Welt Online, ifo-Chef rät den Griechen den Euro aufzugeben; 2010 80 Handelsblatt, Sarkozy und Brown schmettern Merkels Ausschluss-Idee ab; 2010 81 Vgl. Feldstein; 2009 31 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 Risiken sollten bei einem Austritt nicht unterschätzt werden: Die Idee der europäischen Integration würde untergraben und möglicherweise hätte die Stimme des Landes in der europäischen Politik nach einem Austritt weniger Gewicht.82 Insgesamt scheinen die Nachteile eines Ausschlusses aus der Währungsunion zu überwiegen. Es lässt sich zusammenfassend sagen, dass eine partielle Insolvenz eine Transferunion nur bedingt verhindern kann und auch die disziplinierende Wirkung begrenzt ist. Die Schuldenlast der Empfängerstaaten würde durch einen Haircut zwar reduziert werden und es könnte langfristig eine Basis für eine wirtschaftliche Erholung gelegt werden, doch die Kosten und Risiken sind unabsehbar und aufgrund der hohen Zeitpräferenz der Entscheidungsträger würde eine Umschuldung vermutlich zu spät eingeleitet werden. Dennoch empfiehlt sich die Ausarbeitung eines Insolvenzrechts, um Unklarheiten bei einer eventuell doch eintretenden Restrukturierung schon vorher – also regelbasiert und somit transparent – zu beseitigen. 4.3 Europäischer Rettungsschirm Insgesamt scheinen sowohl ein vollständiger Verzicht auf Rettungssysteme wie auch eine Restrukturierung keine adäquaten Lösungsansätze zu sein, um die Eurozone zu stabilisieren. Daher wird im folgenden Abschnitt der im Mai 2010 ins Leben gerufene europäische Rettungsschirm diskutiert. Dieser soll Hilfen für Eurostaaten zur Verfügung stellen, die temporäre Liquiditätsprobleme haben und sich am Markt nicht mehr zu darstellbaren Konditionen refinanzieren können.83 Der Europäische Rettungsschirm wurde mit 750 Milliarden Euro ausgestattet und besteht aus drei Teilen: 250 Milliarden Euro werden vom internationalen Währungsfonds bereitgestellt, 60 Milliarden Euro können von der EU beigesteuert werden und 440 Milliarden Euro kommen von der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität. Letztgenannte Einrichtung ist eine Zweckgesellschaft luxemburgischen Rechts, welche Anleihen begibt, die durch die EU-Mitgliedsstaaten garantiert sind. 84 Die Haftungsgarantien sind jedoch nicht gesamtschuldnerisch. Jedes Land bürgt für einen Teil des gesamten Volumens – zum Beispiel bürgt 82 Vgl. Feldstein; 2009 83 Vgl. RP Online, Rettungsfonds lobt Griechendland; 2010 84 Vgl. Bundesministerium der Finanzen, Eurogruppe billigt Verträge zur Gründung der Zweckgesellschaft; 2010 32 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 Deutschland für 148 Milliarden Euro.85 Die EFSF verfügt zwar über 440 Milliarden Euro – als Hilfen werden jedoch nur maximal 250 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Die Reserven sollen ein hohes Rating sicherstellen und somit die Finanzierungskosten gering halten. Ab 2013 wird die EFSF in den sogenannten Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) überführt werden.86 Nach neuesten Meldungen soll dieser dann sogar bis zu 500 Milliarden Euro an effektiven Hilfen zur Verfügung stellen können.87 Der Rettungsschirm wird durch den ESM langfristig etabliert und ab 2013 zusätzlich den Preferred Creditor Status erhalten. Lediglich der IWF steht dann als Gläubiger noch vor dem ESM.88 Bei einem permanenten Rettungsschirm würden die aktuell vorhandenen Zinsspreads jedoch auf längere Sicht wieder deutlich oder sogar vollständig reduziert werden.89 Um eine Disziplinierungsfunktion für die Regierungen aufrecht erhalten zu können und um das sogenannte „Moral Hazard Problem“ zu verhindern, sind jedoch Zinssätze mit unterschiedlichen Risikoaufschlägen wünschenswert. Genau diese Disziplinierungsfunktion ist notwendig, um eine Überschuldung der Eurozone zu vermeiden und um so eine langfristige Transferunion zu verhindern. In gewisser Hinsicht wurde dies bei der Konstruktion des ESM sogar berücksichtigt: Für eine Aktivierung des ESM müssen Umschuldungsverhandlungen mit den privaten Gläubigern aufgenommen werden.90 Diese Klausel soll risikoadäquates Verhalten fördern und somit unterschiedliche Zinssätze gewährleisten. Es stellt sich jedoch wieder die Frage nach der Glaubwürdigkeit. Es kann zumindest vermutet werden, dass diese Klausel im Falle einer erneuten Krise – aus den bereits im Abschnitt „Partielle Insolvenz eines Staates“ beschriebenen Gründen – umgangen wird. Der ESM hat aber noch ein zweites Instrument, um die Empfängerstaaten zu disziplinieren: Für die Auszahlung der Hilfen fordert Gegenleistungen“, wie zum Beispiel Einsparungsmaßnahmen. der 91 ESM „harte Dabei können die Auszahlungen der einzelnen Kredittranchen daran gebunden werden, ob der 85 Vgl. Handelsblatt, Neuer Streit um EFSF-Rettungsfonds; 2011 86 Aus Gründen der Übersichtlichkeit wird der Rettungsfonds ab hier im Text nur noch ESM genannt 87 Vgl. Spiegel Online, EU verdoppelt Krisenfonds auf 500 Milliarden Euro; 2011 88 Vgl. Hedtstück; 2011 89 Vgl. Carstensen/ Sinn, Ein Krisenmechanismus für die Eurozone; 2010 90 Vgl. Zettelmeyer; 2010 91 Vgl. Hedtstück; 2011 33 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 Empfängerstaat bestimmte „wirtschafts- und finanzpolitische Auflagen erfüllt“.92 Aufgrund der Alternativlosigkeit – die Insolvenz ist sehr teuer,93 die Finanzierung aus eigener Kraft meistens in absehbarer Zeit nicht mehr möglich und die Konditionen des ESM besonders attraktiv – bleibt dem betroffenen Staat in der Regel nichts anderes übrig, als die gestellten Kriterien zu erfüllen. Eine Disziplinierungsfunktion kann daher in diesem Fall bejaht werden.94 Diese ist jedoch nicht langfristig, nicht präventiv und greift erst, wenn sich die Eurozone bereits in der Krise befindet. Und ob solche Auflagen allein durch ihre abschreckende Wirkung, eine Überschuldung im Vorfeld verhindern können, kann aufgrund der hohen Zeitpräferenz der Entscheidungsträger zumindest bezweifelt werden. Es stellt sich auch hier die Frage nach der demokratischen Legitimation. Der ESM wird von der Finanzaufsicht in Luxemburg reguliert, das Direktorium besteht aus Gesandten der Euro-Staaten und die EZB dient gemeinsam mit der EU-Kommission als Beobachter. Des Weiteren ist zur Aktivierung des ESM ein einstimmiger Beschluss des Ministerrats notwendig.95 Dadurch wird zwar die Legitimation erhöht, doch problematisch könnte dabei sein, dass es folglich keine festen Regeln zur Aktivierung gibt – es handelt sich jedes Mal um eine neue Fallentscheidung. Dies kann im ungünstigen Fall zur Verschleppung und zur Politisierung wichtiger Entscheidungen führen. Es könnte vorteilhaft sein, klare Regeln für die Aktivierung des ESM zu definieren. So würden die Hilfen für schwache Staaten in einer Krise rechtzeitig zur Verfügung zu gestellt werden. Auch überstürzte und daher eventuell unzureichend geplante Bailouts bzw. Insolvenzen könnten dadurch gegebenenfalls vermieden werden.96 Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Euro-Rettungsschirm in der Krise nützlich ist, um den von der Zahlungsunfähigkeit bedrohten Ländern Hilfen zur Verfügung zu stellen. Die angestrebte Disziplinierungsfunktion kann durch harte Vorgaben im Krisenfall erfüllt werden. Präventive und langfristige Disziplinierung kann der Rettungsschirm allerdings nur bedingt erreichen. Die größte Gefahr liegt in der Verschleppung des Prozesses durch die erforderliche politische Abstimmung. Selbst ein regelbasierter Mechanismus ist nicht glaubwürdig, da es immer zu 92 Vgl. Bundesministerium der Finanzen, Eurogruppe billigt Verträge zur Gründung der Zweckgesellschaft; 2010 93 Vgl. Zettelmeyer; 2010 94 Hedtstück; 2011, S. 10 95 ebenda 96 Vgl. Zettelmeyer; 2010 34 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 Nachverhandlungen kommen könnte, wenn es hierfür ökonomische oder auch nur politisch opportune Gründe gibt. 4.4 Euro-Anleihen Ein weiteres in den Medien diskutiertes Instrument ist die Finanzierung der EuroStaaten mit Hilfe gemeinsamer Euro-Anleihen. In einem ersten Schritt kauft dabei eine neu einzurichtende europäische Schuldenagentur den Ländern ihre Anleihen ab. Neue Anleihen werden im Anschluss nur noch über diese Agentur und zu einem einheitlichen Zinssatz platziert.97 Einige Wirtschaftswissenschaftler, beispielsweise Sebastian Dullien und Daniela Schwarzer, fordern dabei, dass die Euro-Staaten nur einen Teil ihrer Staatsverschuldung über dieses Instrument finanzieren dürfen – zur Diskussion stehen bis zu 60 Prozent des jeweiligen Bruttoinlandsprodukts. Darüber hinaus kann jeder Staat selbst weitere Anleihen emittieren. Sollte ein Staat einen Schuldenschnitt durchführen müssen, so würden zumindest die Euro-Anleihen trotzdem vollständig bedient werden.98 Grundsätzlich ist zunächst einmal festzuhalten, dass durch die Emission gemeinsamer Anleihen ein einheitlicher Zinssatz für die ganze Eurozone entstehen würde. Die Staaten, die zurzeit unter sehr hohen Risikoaufschlägen bei den Anleihen leiden, profitieren dann durch die Euro-Anleihen in Form von niedrigeren Zinsen. Die Staaten mit eher soliden Haushalten und aktuell sehr günstigen Möglichkeiten der Refinanzierung hätten infolgedessen höhere Finanzierungskosten zu tragen.99 Somit entstünde de facto eine langfristige Transferunion mit hohen Kosten für die Geberstaaten. Eigenemissionen, die über die Schuldengrenze hinausgehen, könnten – je nach Einschätzung der Investoren – mit Risikoaufschlägen versehen werden. Dadurch soll eine Disziplinierungsfunktion erreicht werden, um eine unbegrenzte Transferunion zu verhindern. In der Praxis ist diese Überlegung aber nur bedingt haltbar. Sobald sich ein Staat oberhalb der 60%Grenze befindet und darüber hinaus damit beginnt, eigene Anleihen zu emittieren, befinden wir uns wieder in der Ausgangssituation vor Einführung der Euro-Anleihen. Die No-Bailout Klausel ist dann nach wie vor nicht glaubwürdig. Dies könnte dazu führen, dass die Empfängerstaaten, in dem Vertrauen darauf, später gerettet zu werden, sich wieder überschulden. In der Praxis dürfte es dann wegen der 97 Vgl. Kaiser; 2010 98 Vgl. Schwarzer/ Dullien; 2010 99 Vgl. Zydra; 2010 35 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 fehlenden Glaubwürdigkeit auch keine großen Zinsspreads geben. Eine wirksame Disziplinierungsfunktion ist daher nicht zu erwarten. Ein in den Medien oft genannter Vorteil ist, dass die Euro-Anleihen von einer Panik verschont bleiben könnten, sofern nur ein einzelner Staat oder wenige Staaten von der Zahlungsunfähigkeit bedroht sind. Die Wahrscheinlichkeit für die Ansteckung weiterer Staaten durch eine Panik könnte folglich sinken, denn alle Staaten garantieren von Beginn an für das gesamte Kreditobligo der Euro-Anleihen gemeinsam.100 Einige Investoren begrüßen die Einführung von Euro-Anleihen des Weiteren, da ein sehr liquider Markt entstehen würde – vergleichbar mit dem amerikanischen Anleihenmarkt.101 Unterstützt wird diese These durch die Anleihen der EFSF, die mit der Ausgestaltung von Euro-Anleihen zumindest vergleichbar sind.102 Die erste Emission war um das Neunfache überzeichnet und die Finanzierungskosten sind dementsprechend sehr gering.103 Dies zeigt die positive Einstellung der Investoren bezüglich Euro-Anleihen. Wenn solch ein Markt von Investoren insgesamt bevorzugt wird, vielleicht weil das Auswählen einzelner Anleihen von einzelnen Staaten der Eurozone aufgrund der unterschiedlichen Bonität und aufgrund der geringeren Liquidität der einzelnen Emissionen zu riskant oder insgesamt zu aufwendig ist, so könnte die Eurozone als Ganzes von der Einführung gemeinsamer Anleihen profitieren. Die Summe der Finanzierungskosten aller Staaten der Eurozone könnte sinken, da insgesamt mehr Investoren ihr Geld bereitstellen würden. Auch wenn einzelne Staaten einen Nachteil hätten, so würde sich die Eurozone als Ganzes dennoch besser stellen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Euro-Anleihen kurzfristig sinnvoll sein können, um eine übergreifende Panik zu verhindern und um die Zinslast der von der Zahlungsunfähigkeit bedrohten Länder zu reduzieren. Außerdem würde ein für Investoren attraktiver Markt entstehen. Eine Disziplinierung kann allerdings aus den oben genannten Gründen nicht gewährleistet werden, da sich die ursprüngliche Situation nicht ändert. Es ist daher anzunehmen, dass die Akzeptanz der Geberstaaten, auch aufgrund der hohen und langfristigen Kosten, für dieses Instrument sehr gering sein dürfte. 100 Vgl. Schwarzer/ Dullien; 2010 101 Vgl. Rethfeld; 2010 102 Vgl. Hedtstück; 2011 103 Vgl. Kühnlenz/ Scheffer, 2011 36 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 4.5 Collective Action Clauses Zum Abschluss werden die Collective Action Clauses, im Folgenden kurz: CAC, erläutert und bewertet, da diese ab 2013 in allen neu begebenen Anleihen der Eurozone enthalten sein werden.104 Sie sollen eine effiziente Koordination zwischen dem Schuldnerland sicherstellen. 105 und den Gläubigern im Falle einer Umschuldung Bereits beim Kauf der Anleihen, stimmen die Investoren zu, sich in Zukunft den Beschlüssen einer qualifizierten Mehrheit (z. B. 75%-Mehrheit) zu unterwerfen. So kann die Mehrheit beispielsweise eine spätere Rückzahlung einer Anleihe allgemeinverbindlich beschließen.106 Es soll so verhindert werden, dass sich temporäre Liquiditätsprobleme zu einer Insolvenz des Staates entwickeln.107 Außerdem sollen die Kosten der Restrukturierung für die Realwirtschaft so gering wie möglich gehalten werden, indem man die Abwicklung möglichst zielführend gestaltet. Wenn ein Staat eine Umschuldung durchführt, ohne CAC in den Emissionsbedingungen verankert zu haben, kann ein einzelner Investor die gesamten Verhandlungen in die Länge ziehen, indem er einer Umschuldungsvereinbarung – oftmals einhergehend mit späteren Zahlungszielen – nicht zustimmt und seine Forderungen gegebenenfalls früher fällig stellt. Die verlorene Zeit bedeutet in der Regel höhere Kosten für die Realwirtschaft.108 Für den Fall, dass eine Restrukturierung durchgeführt wird, sind CAC folglich sinnvoll, um die Kosten für die Realwirtschaft in der Krise möglichst gering zu halten. Ein weiterer Vorteil könnte durch die Disziplinierungsfunktion der CAC entstehen. Empirische Untersuchungen haben ergeben, dass CAC risikoadäquates Verhalten bei Investoren fördern. Sofern Staaten mit geringer Bonität CAC in die Anleihenbedingungen aufgenommen haben, führt es dazu, dass die Zinssätze etwas höher sind als bei Staaten mit einer vergleichbaren Bonität ohne CAC.109 Diese Disziplinierungsfunktion ist aus spieltheoretischer Sichtweise – trotz der höheren Finanzierungskosten für die betroffenen Staaten – begrüßenswert, denn in 104 Vgl. Hedtstück; 2011 105 Vgl. Zettelmeyer; 2010 106 Vgl. Häseler, 2009 107 Vgl. Carstensen/ Sinn, Ein Krisenmechanismus für die Eurozone; 2010 108 Vgl. Kletzer; 2004 109 ebenda 37 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 der Konsequenz würden alle Staaten versuchen, eine höhere Bonität zu erlangen.110 Der Vollständigkeit halber muss aber erwähnt werden, dass dieser Punkt umstritten ist. Es gibt auch Untersuchungen, die darauf hindeuten, dass CAC keinen Einfluss auf die Finanzierungskosten haben.111 Auch Zettelmeyer und Weder di Mauro glauben nicht an eine disziplinierende Wirkung der CAC.112 Bei der genaueren Betrachtung der aktuellen Situation ergeben sich außerdem noch weitere Unklarheiten bezüglich des Nutzens von CAC. So wäre bei einer Umschuldung Griechenlands möglicherweise gar kein Koordinierungsproblem entstanden, denn in einigen Emissionen waren CAC bereits vorhanden. Außerdem waren die meisten Gläubiger große Banken und Staaten – diese hätte man durchaus an einen Verhandlungstisch bringen können. Es gab also keinen Mangel an Instrumenten, viel mehr fehlte der politische Wille für eine Umschuldung.113 Daneben bestehen Befürchtungen, dass Restrukturierungen bei Anleihen mit CAC häufiger stattfinden, da sie dann leichter zu ermöglich sind und dadurch das Moral Hazard Problem erschwert werden würde.114 Doch Portes etwa hält diesem Argument entgegen, dass es für die Investoren auch nicht vorteilhaft sei, wenn es gar keine Rahmenbedingungen für eine Restrukturierung gäbe.115 Außerdem leiten Länder eine Umschuldung häufig zu spät ein. Bei einer frühzeitigen Restrukturierung hingegen könnte es für die Investoren insgesamt besser ausgehen.116 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die weniger wettbewerbsfähigen Staaten in jedem Fall ein großes Interesse daran haben, die Kosten für die Realwirtschaft bei einer Restrukturierung möglichst gering zu halten. Einzelne Marktteilnehmer können dann nicht mehr ganze Verhandlungen blockieren und das ist prinzipiell wünschenswert. Man sollte jedoch nicht erwarten, dass sich das Verhalten der Marktteilnehmer dadurch grundlegend ändern wird, denn die disziplinierende Wirkung von CAC ist umstritten. Dennoch sind die CAC ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. 110 Vgl. Mody/ Eichengreen; 2004 111 Vgl. Gugiatti/ Richards; 2003 112 Vgl. Zettelmeyer; 2010 113 Vgl. Buchheit/ Gulati; 2010 114 Vgl. Gugiatti/ Richards; 2003 115 Vgl. Portes; 2003 116 Vgl. Neue Züricher Zeitung, Wege aus der staatlichen Überschuldung; 2010 38 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 5. Politikimplikationen und Maßnahmen für einen stabilen Euroraum 5.1 Systemische Risiken und Ansteckung zwischen Staaten und Banken reduzieren Die Eurozone mag zwar im spieltheoretischen Kern liegen, nichtsdestotrotz sind langfristige Herausforderungen weiterhin fester Bestandteil jeglicher Debatten über die EWU. Eine kurzfristige Lösung kann über die in Punkt 4 dargestellten Instrumente erreicht werden, langfristig bleibt aber die Notwendigkeit von tief greifenden Reformen bestehen. Nach Ansicht der Verfasser sind dabei insbesondere drei Problemstellungen zu lösen. (1) Die systemische Ansteckungsgefahr sowohl zwischen den Großbanken untereinander als auch zwischen den Großbanken und den Staaten muss reduziert werden, um einen „Spill-Over-Effekt“ zu verhindern.117 (2) Dauerhaft kann eine Transferunion keine Lösung sein. Die Vorteile einer Währungsunion sind daher – institutionell anreizkompatibel ausgestaltet – unter den starken und schwachen Ländern so umzuverteilen, dass ein „Kern“ existiert und die Eurozone somit stabil ist. (3) Die strukturellen Divergenzen im Euroraum sind zu beseitigen und eine effektive Überwachung der Einhaltung dieser Schritte ist zu gewährleisten. Wie bereits erläutert, bergen Banken und Staaten systemische Risiken.118 Ein Akteur ist nicht nur für sich selbst verantwortlich, sondern kann das ganze System zum Kollabieren bringen. Dieser Fakt ist auf Dauer nicht mit der Eigenverantwortlichkeit der sozialen Marktwirtschaft vereinbar. Aus diesem Grund muss diese Gefahr reduziert werden. Maßgeblich geht es dabei um drei Konstellationen: Ansteckungsrisiken zwischen Banken untereinander, zwischen Banken und Staaten und schließlich zwischen Staaten untereinander. Die Problematik von Ansteckungsrisiken zwischen Banken wird spätestens seit der „Lehman-Brothers“-Insolvenz offensichtlich. Als Schritt in die richtige Richtung gelten dabei die bessere Risikovorsorge und Eigenkapitalanforderungen im Zusammenhang mit Basel III. 119 die strengeren Doch somit wird das 117 siehe 2.3 für Folgen 118 Vgl. Krahnen/ Franke; 2010 119 Vgl. Bundesfinanzministerium, Ohne Finanzmarktreform keine Lösung der europäischen Staatsschuldenkrise; 2010 39 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 Problem aus Sicht der Autoren nicht gelöst. Zwar ist eine Insolvenz somit unwahrscheinlicher; sollte es aber dennoch dazu kommen, helfen diese neuen Vorgaben kaum. Viel versprechend erscheinen in den Augen der Verfasser Regelungen, die das Geschäftsgebaren der Großbanken betreffen. Zum einen sollte jede Bank jederzeit Positionen und Verpflichtungen gegenüber anderen Banken offenlegen um einseitige Abhängigkeiten aufzuzeigen und zu verhindern. Zum anderen sollten Derivatspositionen direkt verrechnet und ausgeglichen werden, sodass ein Wegfall des Geschäftspartners keine unmittelbaren Auswirkungen hat. Dies sollte im Idealfall direkt über eine zentrale Clearingstelle funktionieren, die diese Vorgehensweise überwacht und nicht wie bisher fast ausschließlich zwischen den Geschäftsparteien (OTC Handel). Zur Vorwarnung sind realistischere Stresstest zu befürworten, die den Eigenkapitalbedarf von Instituten transparent offenlegen. Alle diese Instrumentarien sollen die Gefahr einer Insolvenz verringern, die Geschichte zeigt aber, dass eine Insolvenz langfristig für keinen Akteur auszuschließen ist und ordnungspolitisch ausgeschlossen werden sollte – auch nicht für systemrelevante Banken. Wichtigster Punkt ist daher, eine geordnete Abwicklung der Banken im Krisenfall zu ermöglichen. Banken, die sich einer entsprechenden Regulierung verweigern, sind im Notfall zu zerschlagen, da die potentiellen Auswirkungen einer Insolvenz zu groß wären. Dieser Ansatz wird zurzeit in der Schweiz Kernfunktionen des verfolgt.120 Bankensektors, Die für wie eine Wirtschaft elementaren der Zahlungsverkehr, das Depositengeschäft und die Kreditvergabe müssen auch nach der Insolvenz einzelner Banken erhalten bleiben. Mit einem solchen „Notfallprotokoll“ kann das Kerngeschäft der Bank aufrecht erhalten werden und die Reibungsverluste für die Wirtschaft würden möglichst gering gehalten werden. Die Verluste der Gesamtbank sind in erster Linie von den Eigenkapitalgebern zu tragen, im zweiten Schritt sind aber auch die Fremdkapitalgeber betroffen. Dies würde höchst wahrscheinlich auch zu einer risikoadäquateren Bepreisung des Fremdkapitals führen, was auch gleichzeitig eine gewünschte Reduktion der Hebelwirkung von Fremdkapital bezwecken würde. Banken haben ohne Zweifel eine elementar wichtige Funktion als Intermediär zwischen Finanzmarkt und Wirtschaft, sie dürfen aber nicht zum Risiko für ganze Volkswirtschaften werden. Daher ist in den Augen der Verfasser der Abbau von 120 Vgl. Expertenkommission TBTF; 2010 40 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 Ansteckungsrisiken zwischen Banken, aber auch zwischen Staaten und Banken eine der elementaren Lehren, die aus der Insolvenz von Lehman Brothers zu ziehen ist. Die Vernetzung von Banken ist jedoch Teil ihrer Funktionsweise. Eine Regulierung des Risikos von Banken bedeutet daher immer auch eine Beschränkung ihrer Funktion. Als „lender of last resort“ ist es am Ende auch immer die Zentralbank, die bei der Materialisierung systemischer Risiken einspringen und stabilisieren muss. Auf der einen Seite sind Staaten durch Bankeninsolvenzen bedroht, das gilt für einige mehr als für andere, aber auch Staaten ohne dominierenden Bankensektor können über Schockwellen des Finanzmarktes betroffen sein. Die Staaten haben daher ein fundamentales Interesse, Banken in einem vernünftigen Maße zu regulieren. Je mehr Länder sich daran beteiligen, umso effektiver ist die Regulierung. Auf der anderen Seite bergen, wie die Griechenland-Krise gezeigt hat, aber auch Staaten das Risiko, Banken zu infizieren. Der Ausfall eines Staates kann durch die daraus folgenden Verluste für Staatsanleihen gerade für große Investoren wie Versicherungen und Banken zu einer Existenz bedrohenden Gefahr werden. Hier bietet es sich an, die Risiken offenzulegen, zum Beispiel in den bereits angesprochenen Stresstests, um auch eine Staatsinsolvenz geordnet abwickeln zu können. Den letzten Punkt im Bereich Ansteckungsgefahr bildet die mögliche Infektion von Staaten durch andere Staaten. Wie auch bei den anderen Problemfeldern wird es hier unmöglich sein, die Ansteckungsgefahr vollkommen auszuschließen. Die Ansteckung über die Realwirtschaft lässt sich nicht lösen, da die Verflechtungen Teil der offenen nationalen Märkte sind und volkswirtschaftlich große Bedeutung haben. Daher sollte sich mehr mit der Gefahr einer Ansteckung über die Finanzmärkte beschäftigt werden. Hier gilt es abzuwägen, inwiefern die gemilderte Ansteckungsgefahr z.B. durch Euro-Anleihen die Nachteile dieser Instrumente aufwiegen. Es lässt sich aber festhalten, dass zumindest kurzfristige Liquiditätskrisen mit potentiellen Auswirkungen auf ähnliche Staaten durch die aktuellen Instrumente wie den Euro Rettungsschirm oder Anleihenkäufe der EZB wirksam bekämpft werden können. Hier ist daher wenig Handlungsspielraum gegeben. 41 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 5.2 Temporäre Transferunion anreizkompatibel ausgestalten Um die Stabilität der Eurozone in der Krise zu gewährleisten, empfiehlt sich aus Sicht der Autoren die Nutzung des eingerichteten Rettungsschirmes. Die benötigten Hilfen sollten dabei an harte Bedingungen geknüpft werden, um disziplinierend auf den Staat einzuwirken. Eine zu starke politische Einflussnahme ist aus Gründen der demokratischen Legitimation jedoch genau zu kontrollieren. Eine langfristige und präventive Disziplinierung ist mit diesem Instrument leider nur bedingt möglich. Daher ist diese Maßnahme nicht ausreichend. Klaus Regling, Leiter der EFSF, hat einen freiwilligen Forderungsverzicht, technisch ausgeführt durch den vom Rettungsschirm finanzierten Rückkauf von Anleihen, die unter Pari notieren, vorgeschlagen.121 Dadurch kann die Zins- und Tilgungsbelastung reduziert werden und so eine Entlastung für den betroffenen Staat herbeigeführt werden. Als Vorbild kann dabei die Rettung der Philippinen in den neunziger Jahren dienen.122 Die Gefahren einer erzwungenen Umschuldung werden dabei umgangen und der Prozess ist schneller, da eine kollektive Einigung nicht erzielt werden muss. Auch die Kosten für die Realwirtschaft dürften deutlich geringer ausfallen.123, 124 Wann so eine teilweise Umschuldung vorgenommen wird, sollte anhand klarer und transparenter Regeln definiert sein, um eine Verschleppung oder Politisierung zu verhindern. Die CAC sollten eingeführt werden, um im Optimalfall risikoadäquates Verhalten zu fördern und bei einer eventuell doch eintretenden Insolvenz die Kosten für die Realwirtschaft gering zu halten. EuroAnleihen sind aufgrund von Fehlanreizen durch eine dauerhafte und willkürliche Transferunion ohne wirksame Disziplinierungsfunktion nicht empfehlenswert. Anders stellt es sich bei den Hilfen der EFSF dar: Die Finanzierungskosten werden nur im Krisenfall und nur indirekt auf andere Staaten umgewälzt. Direkte Kosten entstehen gar nicht, da die Geberstaaten nur Bürgschaften abgeben und die EFSF sich selbst über eigene Anleihen finanziert. Es kann dabei sogar ein Gewinn für die Geberstaaten entstehen, da die EFSF das eingesammelte Geld mit einem Zinsaufschlag an die Empfängerstaaten weitergibt.125 Außerdem kann der die EFSF 121 Ein Wertpapier ist „unter Pari“, wenn sein Kurswert unter dem Nennwert liegt. 122 Vgl. Welt Online, Junker hält Deutschland für nicht überlastet; 2011 123 Vgl. Spiegel Online, EU verdoppelt Krisenfonds auf 500 Millionen Euro; 2011 124 Vgl. Spiegel Online, Umschuldungsplan gewinnt immer mehr Anhänger; 2011 125 Vgl. von Heusinger; 2010 42 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 den Vorteil der Euro-Anleihen, die günstige Finanzierung,126 nutzen, da die Garantiestruktur ähnlich ist wie bei den Euro-Anleihen.127 Ein Bailout, eine partielle Insolvenz sowie die Einführung von Euro-Anleihen dürften in der Krise für alle belastender sein als dieses Modell mit einem freiwilligen Forderungsverzicht, mit CAC und mit finanzieller Hilfe über die EFSF. Die Disziplinierungsfunktion kann aber nur bedingt über die Bedingungen erreicht, an die man finanzielle Hilfen bindet. So kann im Optimalfall eine Panik abgewendet werden, die Kosten der Hilfen werden gering gehalten und die kurzfristigen Anreize werden akzeptable ausgestaltet. Eine Politisierung soll durch klare Regeln, die eine Aktivierung der Hilfen definieren, verhindert werden. So wird das Fundament für eine nachhaltige wirtschaftliche Erholung gelegt. Langfristig gesehen sollte aber strukturelle Konvergenz erreicht werden, um eine dauerhafte Transferunion zu vermeiden. 5.3 Institutionelle Implementierung struktureller Konvergenz Die aktuelle Entwicklung der europäischen Schuldenproblematik zeigt auf, dass die Währungsunion effektiverer Methoden bedarf, um die wirtschaftspolitischen Entscheidungen der einzelnen Mitglieder besser aufeinander abzustimmen. Ziel muss es sein, einen einheitlichen Wirtschaftsraum darzustellen, der die Zukunft des Euro garantieren kann. Bereits vor der Euro-Krise gab es immer wieder Stimmen, die vor einer wirtschaftlichen Fehlentwicklung innerhalb des Euro-Währungsraums gewarnt hatten. Besonders die strukturelle Divergenz128 unter den Mitgliedsstaaten war Anstoß für die Kritik. Um frühzeitig auf Fehlentwicklungen aufmerksam zu machen und drohende Divergenzen aufzudecken, bedarf es eines unabhängigen Frühwarnsystems, das die Euro-Länder auf ihre Stabilität hin analysiert und Handlungsempfehlungen an die Regierungen der Mitgliedsstaaten ausspricht. Wichtig für ein solches Frühwarnsystem bzw. Monitoring ist eine möglichst hohe Unabhängigkeit von politischen Interessen und ein gewisses Maß an Einfluss auf die nationalen Regierungen. Zur Erfüllung dieser beiden Kriterien liegt eine Eingliederung des Monitoring-Systems in die EZB als unabhängiges Gremium der Euro-Länder am nächsten. Eine Implementierung in die Struktur der Europäischen 126 Vgl. Kühnlenz/ Scheffer; 2011 127 Vgl. Hedtstück; 2011 128 Vgl. Kapitel 2 43 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 Union als eigenständiges Organ scheint dagegen weniger geeignet, da die Gefahr politische Einflussnahme auf Analysen und Entscheidungen hier recht groß ist. Auch eine Ausstattung mit einer weisungsgebenden Autorität im Rahmen von Wirtschaftsentscheidungen und Festlegung von Grenzwerten gestaltet sich kompliziert, da dies zu weitreichenden Eingriffen in die Souveränität der einzelnen Staaten führen würde. Das Tätigkeitsfeld einer Monitoring-Behörde sollte sich primär auf die Analyse der wirtschaftlichen Strukturen innerhalb der EU und den daraus abgeleiteten Handlungsempfehlungen erstrecken. Grundlage für Analysen und Empfehlungen sollten wirtschaftliche Ziele sein, zu denen sich die Euro-Länder verpflichten. Hauptaugenmerk sollte dabei auf einer strukturellen Konvergenz in der Währungsunion liegen. Verstöße gegen wirtschaftliche Ziele müssen konsequent geahndet werden, so dass Handlungsempfehlungen oder die Warnung vor Fehlentwicklungen auch ernst genommen werden. Neben den schon existierenden Maastricht-Kriterien, die fiskalpolitische Disziplin gewährleisten sollen, müssen stärker realwirtschaftliche Kriterien bzgl. Lohnstückkosten, Wettbewerbsfähigkeit und Leistungsbilanzungleichgewichte berücksichtigt werden. Als Beispiel für eine solche Arbeit könnte der Euro-Monitor 2010129 dienen, der von der Allianz SE und der Brüsseler Denkfabrik "The Lisbon Council" entstanden ist. Der Euro-Monitor 2010 ist eine Analyse der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Euro-Länder und der der Ungleichgewichte der 16 Euro-Länder.130 Untersucht werden 15 quantitative Indikatoren, die sich in die vier Hauptkategorien unterteilen: (1) Finanzielle Nachhaltigkeit, (2) Wettbewerbsfähigkeit und Inlandsnachfrage, (3) Beschäftigung, Produktivität und Ressourceneffizienz sowie (4) Verschuldung privater inländischer Sektoren und Vermögenspositionen gegenüber dem Ausland. Berücksichtigung finden auch Faktoren wie der demographische Wandel, sowie der Umgang mit natürlichen Ressourcen. 129 Vgl. Allianz AG, Euro-Monitor; 2010 130 Mittlerweile ist Estland als 17. Land hinzugekommen, diese Analyse bezieht sich jedoch auf die ehemals 16 Staaten 44 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 Abbildung 8 Bewertungskategorien im Euro-Monitor Quelle: Allianz Euro – Monitor 2010 Aus der Bewertung der einzelnen Kategorien lassen sich Defizite und ein Gesamtbild der wirtschaftlichen Strukturen erkennen. Die Gegenüberstellung der 16 Euro-Länder ermöglicht es, Grundlagen für eine gemeinsame Wirtschaftspolitik zu entwickeln. 6. Fazit Die Betrachtung zeigt, dass die größten Probleme der Eurozone heute zu weiten Teilen den konzeptionellen Mängeln geschuldet sind, die sich schon im Vorfeld abzeichneten. Die anfängliche Euphorie der Währungsgemeinschaft führte dazu, dass wichtige Wirtschaftsreformen ausblieben und das Problem der divergenten Wirtschaftsräume ungelöst blieb. Durch die Finanzkrise beschleunigt, wurden die Konzeptionsschwächen der EuroWährungsunion mit den Staatskrisen in Griechenland und Irland offenbart und zeigten auf, dass eine Rückkehr zu alten Verhältnissen, selbst bei einer Erholung 45 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 der Weltwirtschaft, nicht möglich ist, da die fundamentalen Probleme zu tiefgreifend sind. Um die Zukunft des europäischen Währungsraumes dennoch zu sichern, bedarf es eines geeigneten Krisenmechanismus, der die Stabilität des Euro gewährleisten kann. In der spieltheoretischen Analyse ist in diesem Zusammenhang das Konzept des Kerns erläutert worden, aus dem sich zwei Zustände eines nicht-optimalen Währungsraums ableiten lassen: (1) Nicht-optimaler Währungsraum, der sich nicht im Kern befindet (2) Nicht-optimaler Währungsraum im Kern Sofern sich der Europäische Währungsraum nicht im Kern befindet (1), kann ein Krisenmechanismus unabhängig von seiner Ausgestaltung keine Stabilität herstellen, da sich die Mitglieder durch eine Aufrechterhaltung der Währungsunion schlechter stellen würden. Befindet sich der nicht-optimale europäische Währungsraum jedoch im Kern (2), stellen sich die Mitglieder besser. Dennoch können Situationen wie die derzeitige Eurokrise für Instabilität sorgen, wenn die Marktteilnehmer den Glauben daran verlieren, dass sich die Eurozone im Kern befindet. Deshalb kann es notwendig sein durch einen effektiven Krisenmechanismus stabilisierend einzugreifen. Dieser könnte im Einrichten einer temporären Transferunion bestehen, die eine Umverteilung von den wirtschaftlich stärkeren zu den wirtschaftlich schwächeren Staaten darstellt. Da diese Umverteilung jedoch Fehlanreize setzt und die Geberländer einseitig benachteiligt, führt sie langfristig zur Instabilität zurück. Anhand des spieltheoretischen Konzepts der Teilspielperfektheit wurde überdies gezeigt, warum langfristig ausgelegte Disziplinierungsmaßnahmen wie die NoBailout-Klausel, mangels Möglichkeiten, deren Umsetzung im Ernstfall durchzusetzen, unwirksam sind. Der Krisenmechanismus kann deshalb lediglich eine zeitlich begrenzte Maßnahme sein, die mittel- bis langfristig durch Maßnahmen, die zu struktureller Konvergenz führen, zu ersetzen ist. Deren Ziel muss es sein, die Ungleichgewichte zu reduzieren und einen optimalen Währungsraum in der EWU zu etablieren, der ohne Umverteilung auskommt und durch die Flexibilität und Mobilität auf dem gemeinsamen Binnenmarkt automatischen Ausgleich und damit Stabilität schafft. Die Zukunft des Euro hängt damit vom Willen der Politiker ab, vorhandene Differenzen zu überwinden und die europäische Integration auch in der Wirtschaftsund Fiskalpolitik voranzutreiben. 46 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 Anhang 1. Nash-Gleichgewicht Wenn jeder Spieler auf sich allein gestellt entscheidet, wird er versuchen aus der Gesamtheit der ihm zur Verfügung stehenden Entscheidungsmöglichkeiten oder Strategien, die für ihn auszuwählen. Im Nash-Gleichgewicht wählt jeder Spieler die Strategie, die seinen Erwartungswert maximiert, unter der Annahme, dass auch jeder andere Spieler diesem Konzept folgt. Daraus ergibt sich, dass sich im NashGleichgewicht kein Spieler besser stellen kann, indem er von seiner Strategie abweicht, das Nash-Gleichgewicht beinhaltet also wechselseitig beste Antworten.131 Formal lässt sich diese Bedingung folgendermaßen formulieren: Hierbei steht für die Auszahlung des Spielers i, seine optimale Strategie und ist die Strategie des Spielers i, die optimale Strategie seines Kontrahenten. 2. Imputationen Grundvoraussetzung des Kerns ist, dass die Auszahlungsvektoren zum einen individuell rational und zum anderen Pareto-optimal sind. Auszahlungsvektoren, für die diese beiden Kriterien erfüllt sind, werden Imputationen genannt.132 Individuelle Rationalität heißt, dass die Lösungen für den einzelnen Spieler nutzenmaximierend ohne Berücksichtigung der Nutzen Dritter sind. Mathematisch lässt sich diese Bedingung folgendermaßen formulieren: Die Summe der Auszahlungen ist maximal so hoch, wie der Wert der großen Koalition N, ansonsten wäre die Lösung nicht zulässig. Außerdem erzielt jeder Spieler eine Auszahlung, die mindestens so hoch ist wie bei Alleinstellung. Er stellt sich somit auf keinen Fall schlechter. Pareto-Optimalität bedeutet, dass der Gesamtnutzen aller Spieler maximal ist und sich somit kein Spieler besser stellen kann, ohne einen anderen schlechter zu 131 Vgl. Holler/ Illing; 2008, S. 56 132 Vgl. Wiese; 2005, S. 144 V Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 stellen. Anders ausgedrückt, verhalten sich die Spieler kollektiv rational. Mathematisch gilt auch hier: Die Summe der Auszahlungen ist maximal so hoch, wie der Wert der großen Koalition N. Zudem muss die Summe der Auszahlungen mindestens so groß sein, wie der Wert der großen Koalition. VI Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 Literaturverzeichnis Allianz AG. (2010). Euro-Monitor 2010. Abgerufen am 22. 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