Effektive Feldtheorien in der Elementarteilchenphysik Effective field

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Jahrbuch 2009/2010 | Hoang, André | Effektive Feldtheorien in der Elementarteilchenphysik
Effektive Feldtheorien in der Elementarteilchenphysik
Effective field theories in elementary particle physics
Hoang, André
Max-Planck-Institut für Physik, München
Korrespondierender Autor
E-Mail: [email protected]
Zusammenfassung
Effektive Feldtheorien sind Grundw erkzeuge für Vorhersagen in der Elementarteilchenphysik. Beim gerade
anlaufenden Large
Hadron Collider sind effektive
Feldtheorien w ichtig, um die
Effekte
der starken
Wechselw irkung genau zu beschreiben und um die Suche nach neuer Physik zu ermöglichen. Im vorliegenden
Übersichtsartikel w erden die Prinzipien von effektiven Feldtheorien vorgestellt und die w ichtigesten effektiven
Feldtheorien in der Elementarteilchenphysik erklärt. Am Max-Planck-Institut für Physik w urden viele Beiträge
zur Entw icklung und zur Anw endung von effektiven Feldtheorien gemacht.
Summary
Effective field theories represent one of the main tools to make predictions in elementary particle physics. They
are particularly important for the Large Hadron Collider to achieve accurate descriptions of the effects of the
strong interactions and are therefore an important ingredient in the search for new physics. In this review
article the basic principles of effective field theories are described, and the most important effective field
theories used in research are presented. Members of the MPI for Physics have made many contributions in the
development and the application of effective field theories.
Einführung
Es ist ein w ohlbekanntes Prinzip in der Physik, dass die Dynamik von Systemen bei niedrigen Energien oder
großen Abständen nicht direkt von der Dynamik bei sehr kleinen Abständen oder großen Energien abzuhängen
scheint. So lassen sich Autos mithilfe von Gesetzen aus der klassischen Mechanik bauen (oder fahren), ohne
dass man dafür die Prinzipien der Quantenmechanik bemühen müsste. In der Physik benutzt man eine
Lagrangefunktion, um ein System vollständig zu beschreiben. Alle Bew egungsgleichungen lassen sich aus ihr
ableiten. Um also eine Lagrangefunktion für ein Niederenergiesystem zu formulieren, braucht man dafür
lediglich die experimentell sichtbaren relevanten Freiheitsgrade, und die Dynamik w ird vollständig durch die
Wechselw irkungsterme beschrieben, die in der Lagrangefunktion enthalten sind. Auf der anderen Seite ist es
aber
auch
klar,
Materialkonstanten
dass
die
Quantenmechanik
w erden
offensichtlich
für
durch
den
Autobau
sie
bestimmt.
sehr
In
w ohl
der
relevant
ist,
denn
Lagrangefunktion
die
eines
Niederenergiesystems sind es die Koeffizienten der Wechselw irkungsterme, die den Materialkonstanten
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entsprechen.
Also
bestimmt
die
Dynamik
bei
sehr
kleinen
Abständen
die
Kopplungsstärke
der
Wechselw irkungsterme. Auf der anderen Seite ist es aber auch möglich, die Materialkonstanten oder
Kopplungen einfach nur aus Experimenten zu bestimmen. W ill man die Genauigkeit der Beschreibung erhöhen,
kann es sein, dass man w eitere kleine Effekte berücksichtigen und somit mehr Materialkonstanten bzw .
Kopplungsterme einführen muss.
Die Schrödinge r-Gle ichung. Es we rde n die in de r
Ele m e nta rte ilche n übliche n Einhe ite n m it ħ=c=1 be nutzt. Da s
be de ute t, da ss dim e nsionsbe ha fte te Größe n in Einhe ite n von
de r Ene rgie ge m e sse n we rde n k önne n. In de r
Ele m e nta rte ilche nphysik be nutzt m a n da be i übliche rwe ise die
Einhe it Ele k trone nvolt (e V).
©
Ein allgemein bekanntes konkreteres Beispiel aus der Quantentheorie ist das Wasserstoffatom. Im
nichtrelativistischen Grenzfall lassen sich die Energieniveaus mithilfe der Schrödinger-Gleichung (Abb. 1)
berechnen, w elche die Dynamik eines Elektrons im Coulombfeld des Protons beschreibt. An dieser Stelle
braucht man lediglich die Elektronmasse me und die Feinstrukturkonstante α und man erhält das bekannte
Balmerspektrum mit E n = me α 2 /2n 2 . Diese Beschreibung ist genau bis auf Korrekturen der Größenordnung α 2 .
Um eine auch in dieser Ordnung korrekte Beschreibung zu erreichen, muss man relativistische Korrekturen und
den Elektronspin als zusätzliche Operatoren in die Schrödinger-Gleichung einbauen. W ill man auch die
Hyperfeinstruktur beschreiben, so muss auch das magnetische Moment des Protons berücksichtigt w erden.
Dieses Verfahren lässt sich im Prinzip beliebig w eiterführen. Um eine bestimmte Genauigkeit zu erhalten,
braucht man aber immer nur eine endliche Zahl an W echselw irkungstermen zu berücksichtigen.
Die gerade beschriebene Wasserstofftheorie ist ein einfaches Beispiel für eine sogenannte effektive
Feldtheorie.
Effektive
Feldtheorien
sind quantenfeldtheoretische
Modelle,
die
eine
näherungsw eise
Beschreibung eines Systems liefern. Nachdem man die kleinen Entw icklungsparameter in einem System
ausfindig gemacht und eine bestimmte Ordnung der Beschreibung festgeschrieben hat, lässt sich eine
Lagrangedichte formulieren, die feldtheoretische Verallgemeinerung der oben erw ähnten Lagrangefunktion.
Effektive Feldtheorien sind gew issermaßen Taylorentw icklungen von fundamentalen Theorien. Analog zu einer
Taylorentw icklung
ist
der
Gültigkeitsbereich
einer
effektiven
Theorie
auf
einen
bestimmten
Niederenergiebereich eingeschränkt. In der modernen Elementarteilchenphysik gibt es eine Reihe von
effektiven Feldtheorien, die bei verschiedenen Prozessen angew endet w erden. Diese beinhalten die
Wechselw irkungen von Hadronen und Leptonen bei niedrigen Energien bis hin zu hochenergetischen Jets,
w elche bei Beschleunigerexperimenten w ie dem Large-Hadron-Collider (LHC) am CERN in Genf beobachtet
w erden. In vielen Fällen sind effektive Feldtheorien die einzige Möglichkeit, um genaue quantitative
Vorhersagen zu machen, bei denen Effekte der starken Wechselw irkung auftreten. Sie sind deshalb
w esentlich bei der Suche nach neuer Physik. In diesem Artikel w erden die elementaren Prinzipien dargestellt,
die bei der Konstruktion von effektiven Feldtheorien eingehen und einige der w ichtigsten effektive
Feldtheorien vorgestellt, die in der modernen Elementarteilchen Anw endung finden.
Konstruktion von effektiven Feldtheorien
Eine effektive Feldtheorie ist bestimmt durch die Wahl der Quantenfelder φ 1 , φ2 , ... und die Form der
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Lagrangedichte L(φ1 , φ2 , ...), die aus den Quantenfeldern zusammengesetzt ist. Die Quantenfelder
beschreiben die Freiheitsgrade für w elche die Feldtheorie formuliert w erden soll. Im Allgemeinen startet die
Konstruktion also mit der Ausw ahl der Freiheitsgrade, die durch die Quantenfelder beschrieben w erden sollen.
In vielen Fällen ist diese Wahl relativ einfach und man nimmt hierfür Teilchen mit Massen unterhalb einer
bestimmten Energieskala Λ. Schw erere Teilchen w erden nicht berücksichtigt. Deren Effekte sind ausintegriert,
beeinflussen aber über Quanteneffekte die W echselw irkungen der leichten Quantenfelder.
Hat man die Quantenfelder φ1 ,φ2 , ... identifiziert, konstruiert man die Lagrangedichte aus dem allgemeinsten
Polynom, das man aus den Quantenfeldern konstruieren kann. Die Produkte von Quantenfelder, die in dem
Polynom vorkommen, nennt man Feldoperatoren. Dabei ist w ichtig, dass die Lagrangedichte unter bestimmten
Symmetrietransformationen invariant ist, w ie der Poincaré-Symmetrie oder z. B. einer Eichsymmetrie. Dadurch
w ird die Zahl der erlaubten Feldoperatoren eingeschränkt und unter Umständen eine Relation zw ischen
verschiedenen Kopplungen hergestellt. Die absoluten Werte der Kopplungen w erden dadurch aber nicht
festgelegt. Da die W irkung, das Zeit-Raum-Integral der Lagrangedichte S = ∫ d 4 x L (φ1 ,φ2 , ...) eine Zahl ist,
hat die Lagrangedichte die Massendimension 4. Daraus lässt sich ableiten, dass bosonische Felder die
Massendimension 1 und fermionische
Felder die
Massendimension 3/2 besitzen. Dadurch hat jeder
Feldoperator ebenfalls eine Massendimension und man kann die Lagrangedichte in der Form
L = L ≤4 + L 5 +L 6 …
schreiben, w obei L ≤4 alle Feldoperatoren mit Massendimension ≤ 4 und L k alle Feldoperatoren mit
Massendimension k enthält. Da die W irkung dimensionslos ist, haben die Feldoperatoren in L k >4 Kopplungen
mit der Massendimension 4–k ≤4 also die w ichtigsten, w ährend die Terme in L k >4 um so kleinere Effekte
haben, je größer der Wert von k ist. Diese Aufteilung entspricht einem Entw icklungsschema. Die kleinen
Entw icklungsparameter sind dabei das Verhältnis von typischen Niederenergieskalen, w elche die effektive
Theorie beschreibt, und von Hochenergieskalen, die aus der Theorie ausintegriert w urden. Häufig gibt es in
einer effektiven Theorie mehrere dieser Entw icklungsparameter. Die Festlegung der Entw icklungsparameter
und gegebenenfalls die Relation dieser zueinander nennt man Power-Counting. Ist man also an einer
bestimmten Genauigkeit interessiert, nimmt man entsprechend nur eine endliche Anzahl von Termen aus der
effektiven Lagrangedichte mit. Ist die fundamentale Theorie eine Feldtheorie, die sich störungstheoretisch
behandeln lässt, kann man die Kopplungen der effektiven Theorie mit der sogenannten Matching-Prozedur
berechnen.
Renormierungsgruppengleichungen
Bei der Berechnung von Quantenkorrekturen in Feldtheorien führen die auftretenden Integrationen über die
virtuellen Zustände im Allgemeinen zu Divergenzen bei großen Impulsüberträgen. In effektiven Feldtheorien
lassen sich diese Divergenzen in jeder Ordnung im Pow er-Counting in eindeutiger Weise in die Kopplungen
absorbieren. Erst diese renormierten Kopplungen haben physikalische Bedeutung. Technisch führt man diese
Renormierungsprozedur
im
Rahmen
eines
Regularisierungsverfahrens
durch,
das
einen
Impulsabschneideparameter μ einführt, oberhalb dessen keine Integrationen mehr ausgeführt w erden.
Daraus resultieren die sogenannten Renormierungsgruppengleichungen, Differentialgleichungen w elche die
Änderung der Kopplungen mit μ beschreiben. Interessanterw eise ist das mathematische Verhalten einer
effektiven
Feldtheorie
und
der dazugehörigen
fundamentalen
Feldtheorie
bei hohen
Energien
sehr
verschieden. Deshalb sind auch die Renormierungsgruppengleichungen in beiden Theorien im Allgemeinen
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sehr verschieden. Dadurch ist es möglich, effektive Theorien zu benutzen, um große logarithmische Beiträge zu
berechnen, die in der fundamentalen Theorie in Quantenkorrekturen höherer Ordnungen auftreten.
Speziell in der Elementarteilchenphysik an Beschleunigerexperimenten ist die Summation von großen
logarithmischen Korrekturen in verschiedenen Prozessen heute eine der Hauptanw endungen von modernen
effektiven Feldtheorien. Bei der Suche von neuen bisher nicht entdeckten Elementarteilchen, die naturgemäß
sehr große Massen besitzen, benutzt man an Beschleunigern immer Prozesse, bei denen auch sehr kleine
Skalen vorkommen. Die Aufsummation von großen logarithmischen Quantenkorrekturen ist dabei für die
Berechnung solcher Prozesse unerlässlich. Im Folgenden w erden nun die w ichtigsten effektiven Feldtheorien
besprochen, die in der modernen Elementarteilchenphysik Verw endung finden.
Das Standardmodell
Das Standardmodell der Elementarteilchenphysik ist eine effektive Feldtheorie, deren Lagrangedichte nur
Feldoperatoren mit Dimension ≤ 4 besitzt. Die im Standardmodell beschriebenen Materie-Elementarteilchen
sind sechs verschiedene Leptonen (das Elektron e, das Myon μ und das Tauon τ mit den jew eils
dazugehörigen Neutrinos νe , νμ , ντ) und sechs verschiedene Quarks (Up: u, Dow n: d, Charm: c, Strange: s,
Top: t und Bottom: b). Die Quarks w erden oft auch „Flavours“ genannt. Das Standardmodell beschreibt die
starke,
schw ache
und
elektromagnetische
Wechselw irkung
der
Materieteilchen.
Die
Struktur
der
Wechselw irkungen w ird durch eine Eichsymmetriegruppe der Form SU(3)×SU(2)×U(1) festgelegt, w obei die
SU(3)-Gruppe die starke Wechselw irkung und die SU(2)×U(1) die elektroschw achen Wechselw irkungen
bestimmen. Eichsymmetrien haben die spezielle Eigenschaft, dass die Symmetrietransformationen raum- und
zeitabhängig sind. Man nennt sie deshalb lokale Symmetrien. Daraus resultiert, dass Wechselw irkungen
zw ischen den Materieteilchen nur über Wechselw irkungsteilchen, den Eichbosonen vonstatten gehen. Dies
sind die Gluonen für die starke Wechselw irkung, die W - und Z-Bosonen für die schw ache Wechselw irkung und
das Photon γ für die elektromagnetische Wechselw irkung. Die Quarks sind keine beobachtbaren Freiheitsgrade
sondern durch gluonische Wechselw irkungen immer in Form von Hadronen gebunden. In Prozessen bei hohen
Energien ist die Benutzung von Quarks und Gluonen allerdings gerechtfertigt, da sich die Effekte der starken
Wechselw irkung bei großen Impulsüberträgen störungstheoretisch mit Quarks und Gluonen berechnen lassen.
Da die Eichsymmetrien Operatoren für die Masse in der Lagrangedichte verbieten, erhalten alle Teilchen ihre
Masse durch Wechselw irkung mit dem Higgsboson, w elches im Grundzustand einen endlichen Wert besitzt. Bis
auf das theoretisch postulierte Higgsboson sind alle im Standardmodell vorkommenden Elementarteilchen
experimentell beobachtet w orden. Ein Hauptziel der Experimente, die am LHC durchgeführt w erden, ist der
Nachw eis des Higgsbosons.
Das Standardmodell beschreibt erfolgreich alle in Beschleunigerexperimenten beobachteten Größen mit der
experimentell erreichten Genauigkeit. Allerdings gibt man sich in der Elementarteilchenphysik damit nicht
zufrieden, da man klären möchte, aus w elcher fundamentalen Theorie das Standardmodell abgeleitet ist.
Dabei ist es ein Ziel, die mehr als 20 Kopplungen und Parameter des Standardmodells, die bislang lediglich
experimentell gemessen sind, aus dieser fundamentalen Theorie abzuleiten. Es gibt viele experimentelle und
theoretische Hinw eise auf eine fundamentale Theorie. So ist z. B. die in der Astrophysik beobachtete dunkle
Materie nachw eislich kein Teilchen des Standardmodells. Von den Experimenten am LHC erhofft man sich den
Nachw eis
von
neuen, nicht
im Standardmodell enthaltenen, Elementarteilchen
und
somit
konkrete
Informationen über die Struktur dieser fundamentalen Theorie.
Eine in der Elementarteilchenphysik im Detail studierte Alternative zum Standardmodell ist das sogenannte
minimale
supersymmetrische
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Standardmodell,
bei
dem
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zu
der
im
Standardmodell
implementierten
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SU(3)×SU(2)×U(1)-Eichsymmetrie zusätzlich noch eine Symmetrie zw ischen Bosonen und Fermionen – eine
sogenannte Supersymmetrie – angenommen w ird. In dieser Theorie verdoppelt sich die Anzahl der
Elementarteilchen, da zu jedem Boson des Standardmodells noch ein dazugehöriges Fermion und für jedes
Fermion des Standardmodells noch ein dazugehöriges Boson postuliert w ird. Bislang ist nicht nachgew iesen,
ob die Supersymmetrie in der Natur realisiert ist. Das minimale supersymmetrische Standardmodell ist
ebenfalls eine effektive Theorie und hat mehr als 100 Kopplungen.
Die chirale Störungstheorie
Die
chirale
Störungstheorie
[1]
Elementarteilchenphysik.
Sie
Quantenchromodynamik
(QCD),
ist
w urde
der
bereits
der
Prototyp
in
den
moderner
1970er-Jahren
SU(3)-Eichtheorie
für
die
effektiver
Feldtheorien
noch
der
starke
vor
in
der
Entw icklung
der
Wechselw irkung,
oder
des
Standardmodells entw ickelt. Die chirale Störungstheorie beschreibt die starke Wechselw irkung der leichtesten
Hadronen bei sehr kleinen Energieüberträgen. Diese Hadronen sind die Pionen π, Kaonen (K) und η-Teilchen,
w elche aus den leichten u-, d- und s-Quarks bestehen. Die chirale Störungstheorie basiert ausschließlich auf
Symmetrieprinzipien und sie erlaubt Berechnungen auszuführen, w elche im Rahmen der QCD auch mit heutiger
Technologie noch unmöglich sind.
Vernachlässigt man die Massen der drei leichtesten Quarkflavours u, d und s, so hat die Lagrangedichte der
QCD eine chirale Flavour-Symmetrie mit der Gruppenstruktur SU(3)L ×SU(3)R , die im (u,d,s)-Raum für die
chiralen links- und rechtshändigen Quarkfelder gültig ist. Die Flavour-Symmetrien sind im Gegensatz zu den
Eichsymme trie n global, d. h. die Symmetrietransformationen sind raum- und zeitunabhängig. Von dieser
chiralen
Symmetrie
ist
nur
die
vektorielle
Untergruppe
SU(3)V
im
experimentell
beobachteten
Hadronenspektrum sichtbar. Der übrige Teil der Symmetrie w ird beim Übergang von den Quarks und Gluonen
zu den Hadronen gebrochen. W ie genau dies geschieht, ist bislang im Rahmen der QCD noch nicht quantitativ
berechenbar. Aber man geht davon aus, dass die Brechung spontan ist. Das bedeutet, dass lediglich der
Grundzustand der starken Wechselw irkung die Symmetrie teilw eise bricht, w ährend die Symmetrie in der
Dynamik
w eiterhin
vorliegt.
Die
Goldstonebosonen sind gerade
die
nach
dem
Goldstone-Theorem
Pionen, Kaonen und das
dabei
auftretenden
η-Teilchen. Die
masselosen
Lagrangedichte
dieser
Goldstonebosonen kann man bis heute noch nicht aus der QCD ableiten. Ihre Form ist jedoch aufgrund der
Symmetrie unter Transformation der SU(3) L ×SU(3)R stark eingeschränkt. In diese Theorie lassen sich nur
mithilfe
von
Symmetrieüberlegungen
auch
die
Effekte
der
nichtverschw indenden
Quarkmassen,
der
elektrischen und auch der schw achen Wechselw irkung integrieren. Aufgrund der nichtverschw indenden
Quarkmassen bekommen dann auch die Goldstonebosonen nichtverschw indene Massen. Die Lagrangedichte
der chiralen Störungstheorie stellt eine Entw icklung in p/Λ und mq Λ dar, w obei p der Impuls der
Goldstonebosonen und mq die Massen der u-, d- und s-Quarks darstellt. Die Skala Λ ist etw a 1 GeV.
Zu den bekanntesten Resultaten, die man aus den führenden Ordnungen der chiralen Störungstheorie
ableiten kann, zählen z. B. die Gell-Mann-Okubo-Formel
4 M2 K0 = 3 Mη 2 + Mπ 2
eine Relation zw ischen den Massen der neutralen Kaonen, den Pionen und dem η-Teilchen, oder die
Beschreibung des Zerfalls eines neutralen Pions in zw ei Photonen, π 0 → γγ. Die chirale Störungstheorie w ird
unter anderem intensiv bei der Analyse von Kaon-Zerfällen eingesetzt und spielt auch eine sehr w ichtige Rolle
im Rahmen der QCD-Gittereichtheorie, w o Rechnungen häufig nur in Bereichen des Parameterraumes
ausgeführt w erden können, die nicht den experimentell relevanten Bereichen entsprechen. Die chirale
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Störungstheorie
w ird
auszuführen. Die
dabei benutzt, um konsistente
chirale
Störungstheorie
lässt
sich
Extrapolationen
in
erw eitern, sodass
den
sie
physikalischen
die
Bereich
Wechselw irkung
der
Goldstonebosonen mit Baryonen (z. B. Neutronen, Protonen) oder schw eren Mesonen (D- oder B-Mesonen)
beschreibt. Diese theoretischen Erw eiterung spielen heute eine w ichtige Rolle in der theoretischen Kernphysik.
Niederenergietheorie der schwachen Wechselwirkung
Für Prozesse, bei denen der Energieübertrag von der Größenordung w eniger GeV ist, kann man zu einer
effektiven Feldtheorie des Standardmodells übergehen, bei der die W - oder Z-Bosonen und zusätzlich auch
das Higgsboson und das Top-Quark ausintegriert sind, da deren Massen größer als 80 GeV sind. Ein
bekanntes Beispiel hierfür ist z. B. der Zerfall des Myons in ein Elektron und zw ei Neutrinos, μ – → e – νμ anti-νe
oder der nuklare β-Zerfall, n→ p + e – + anti-νe , der auf dem Quarkniveau der Reaktion d → e – + anti-νe
entspricht. Für den Zerfall des Myons ergibt sich dabei ein 4-Fermion-Operator, dessen Kopplung man die
Fermikonstante GF nennt. Mithilfe der Matching-Prozdeur kann man in führender Ordnung die Relation GF =
(√2/8)(g 2 /mW 2 ) ableiten, w elche den Zusammenhang der Fermikonstanten mit der SU(2)-Eichkopplung und
der Masse des W -Bosons mW darstellt.
Diese effektive Theorie der schw achen Wechselw irkung bei niedrigen Energien ist ein Grundelement der
modernen Flavour-Physik [2], einem Teilbereich der Elementarteilchphysik, die sich damit beschäftigt, die
komplizierte Struktur des Quarksektors im Standardmodell zu erforschen. Ein Hauptstudienziel ist dabei, eine
möglichst genaue Messung der sogenannten Cabibbo-Kobayashi-Maskaw a-Matrix (CKM-Matrix) durchzuführen,
w elche die Kopplung des W -Boson an die Quarks parametrisiert. Die Einträge dieser Matrix gehören zu den
Kopplungen im Standardmodell, die nicht durch Symmetrien festgelegt sind. Aus den genauen experimentellen
Messungen dieser Einträge erhofft man sich konkrete indirekte Hinw eise auf die fundamentale Theorie, die
dem Quarksektor des Standardmodells zugrunde liegt. Neben der direkten Suche nach bisher noch nicht
bekannten
Elementarteilchen
am
LHC,
stellt
die
Flavour-Physik
das
zw eite
Standbein
der
Elementarteilchenphysik bei der Suche nach neuer Physik dar. Die Hauptstudienobjekte der Flavour-Physik
sind die Zerfälle und Mischungseffekte der B- und D-Mesonen und der Kaonen. Die effektive Theorie ermöglicht
dabei eine sehr effiziente Methode, um die Effekte der starken Wechselw irkung in einer systematischen Weise
zu
berechnen.
Aufgrund
Renormierungsstruktur
der
lassen
durch
sich
die
große
Ausintegration
logarithmische
der
Terme,
schw eren
die
von
Teilchen
veränderten
störungstheoretischen
Quantenkorrekturen der starken Wechselw irkung herrühren, zu allen Ordnungen aufsummieren. Außerdem
erlauben die Symmetrieeigenschaften der effektiven Theorie – ähnlich w ie bei der chiralen Theorie –
nichtstörungstheoretische Effekte in systematische Weise zu parametrisieren und in verschiedenen Prozessen
in Beziehung zueinander zu setzten. Im Rahmen des kompletten Standardmodells w äre dies nicht möglich.
Nichtrelativistische Quantenchromodynamik
Die nichtrelativistische Quantenchromodynamik (NRQCD) [3] ist eine effektive Feldtheorie für schw ere
nichtrelativistische Quark-Antiquark-Paare, also für Charm-, Bottom- und Top-Quarks. Die großen Massen m
dieser Quarks ermöglichen die Entstehung von nichtrelativistischen Bindungszuständen, genannt Quarkonia,
die
durch
ein
QCD-Coulombpotenzial
zusammengehalten
w erden.
In
Quarkoniumsystemen
ist
die
Geschw indigkeit v der Quarks von der Größenordnung der starken Kopplungskonstante und somit eine Zahl
w esentlich kleiner als eins. Die Quarkonia sind also das QCD-Analogon zum Positronium-Zustand in QED und in
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vielerlei Hinsicht ähnlich dem Wasserstoffatom. Aufgrund der größeren Kopplung der starken Wechselw irkung
sind relativistische Korrekturen allerdings w esentlich größer. Die NRQCD w ird aus der QCD abgeleitet, indem
die im nichtrelativistischen Limes kleinen Komponenten der schw eren Quarkfelder ausintegriert w erden. Dieser
Vorgang
ist
das
feldtheoretische
Pendant
zur
Foldy-Wouthuysen-Transformation,
die
man
vom
Wasserstoffatom kennt, und führt zu einer Separation von Quark- und Antiquarkfreiheitsgraden. Die
Freiheitsgrade, die in die Formulierung der NRQCD eingehen, sind Quantenfelder für das schw ere Quark, das
Antiquark und für dynamische Gluonen. Die Quarkquantenfelder beschreiben Quark- und Antiquarkzustände
mit der Energie-Impuls-Relation E ~ p 2 /m ~ mv2 . Die Quantenfelder für die Gluonen beschreiben Zustände mit
E~p~mv2 und sind das QCD-Analagon der Retardierungsphotonen, die im Wasserstoff z. B. für den Lambshift
verantw ortlich sind. Die Potenziale sind 4-Quark-Operatoren, die durch das Ausintegrieren von Gluonen der
vollen QCD mit raumartigem Impuls entstehen. Die Renormierungsstruktur der NRQCD unterscheidet sich sehr
stark von der der vollen QCD und erlaubt es, Logarithmen der Geschw indigkeit v und der Kopplung α, die in
höheren Korrekturen auftreten, zu allen Ordnungen aufzusummieren [4].
Eines der Hauptanw endungsgebiete der NRQCD ist die Berechnung von W irkungsquerschnitten für die
Produktion von Quarkoniumzuständen in Beschleunigerexperimenten. So lassen sich z. B. Charmonium- (c antic) und Bottomoniumzustände (b anti-b) relativ leicht experimentell identifizieren. Sie dienen – da deren
Eigenschaften gut bekannt sind – als Zustände, die zur Detektorkalibration benutzt w erden können. Eine
interessante Anw endung an einem zukünftigen Elektron-Positron-Linearbeschleuniger ist die Produktion von
nichtrelativistischen Top-Antitop-Quarkpaaren, die eine äußerst präzise Messung der Top-Quarkmasse
erlauben w ürde.
Man kann die Prinzipien, die in die NRQCD eingehen, auch anw enden, um eine nichtrelativistische effektive
Feldtheorie im Rahmen der QED herzuleiten, die NRQED. Diese Theorie lässt sich für Berechnungen von
elektrischen Bindungszuständen w ie Positronium, Myonium oder myonischen Atomen anw enden. Eine
vereinfachte Variante der NRQCD ergibt sich, w enn man entw eder Feldoperatoren nur für nichtrelativistischen
Quarks oder nur für Antiquarks in der effektiven Theorie zulässt. Die resultierende Feldtheorie nennt man
effektive Theorie für schwere Quarks (Heavy-Quark-Effective-Theory, HQET). Diese Theorie w ird bei der
Beschreibung von B- und D-Mesonen eingesetzt, die aus einem schw eren und einem leichten Quark
zusammengesetzt sind.
Soft-kollineare effektive Theorie
Die
in
Beschleunigerexperimenten
oder in
Zerfällen
von
schw eren
Elementarteilchen
am häufigsten
vorkommenden Objekte sind sogenannte Jets. Ein Jet ist eine bestimmte Anzahl von leichten Hadronen
(hauptsächlich Pionen und Kaonen) mit großer Energie, die alle sehr nahe beieinander liegen und in fast
dieselbe Richtung laufen. Bei Beschleunigerexperimenten mit sehr hohen Energien – w ie dem LHC – können in
einer Reaktion eine sehr große Anzahl von Jets erzeugt w erden. Jets entstehen erst nach der Hauptreaktion,
die bei der Kollision der beschleunigten Teilchen auftritt. Deshalb ist ein genaues theoretisches Verständnis
von Jets notw endig, um Rückschlüsse auf die Art der Hauptreaktion ziehen zu können.
Die soft-kollineare effektive Theorie (Soft Collinear Effective Theory, SCET) ist eine effektive Feldtheorie für Jets
[5]. Sie stellt eine der neuesten Entw icklungen im Bereich der effektiven Feldtheorien dar. Um die
Lagrangedichte der SCET herzuleiten, kann man eine Methode benutzen, die der Foldy-WouthuysenTransformation bei nichtrelativistischen Teilchen ähnlich ist. Sehr energetische und in eine Richtung kollimierte
Quantenfelder haben eine große und eine kleine Komponente. Die letztere w ird bei der Konstruktion der SCET
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ausintegriert. Die resultierende Feldtheorie besitzt für jeden Jet, der in einem Prozess vorkommt, sogenannte
kollineare Quark- und Gluonfelder, die voneinander unabhängig sind. Diese Felder beschreiben jew eils die
Dynamik der Teilchen, die in einem Jet kollimiert sind. Zudem besitzt die SCET niederenergetische Quark- und
Gluonfelder, w elche die Wechselw irkung zw ischen den Jets beschreiben. Mithilfe der SCET lassen sich für viele
Prozesse sogenannte Faktorisierungsformeln herleiten, die es erlauben, die dynamischen Vorgänge in
prozessabhängige und prozessunabhängige Beiträge aufzuteilen. Die prozessunabhängigen Beiträge können
dabei meistens nicht mittels Störungstheorie berechnet w erden. Die Faktorisierungsformeln erlauben es aber,
diese Beiträge aus Referenzprozessen zu bestimmen. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist die sogenannte
Proton-Parton-Verteilungsfunktion, w elche die Impulsverteilung von Quarks im Proton beschreibt.
Die Zukunft von effektiven Feldtheorien
Obw ohl es das eigentliche Ziel der Elementarteilchphysik ist, die Strukturen der letztlich fundamentalen
Theorie von allem aufzudecken, der sogenannten Theory of Everything, ist es sehr w ahrscheinlich, dass dies
nicht auf einen Schlag, sondern vielmehr in vielen kleinen Schritten und über viele Physikergenerationen
vonstatten gehen w ird. So w ird man auch am LHC nur Hinw eise auf diese Strukturen finden und nicht alle
Fragen, die sich im Rahmen des Standardmodells stellen, klären können. Dies geht einher mit der Tatsache,
dass die am LHC erreichbaren Energien mit sehr großer Wahrscheinlichkeit nicht ausreichen w erden, um die
Strukturen der fundamentalen Theorie genügend gut auflösen zu können. Es ist deshalb abzusehen, dass
effektive Feldtheorien auch in Zukunft das theoretische Grundw erkzeug in der Elementarteilchenphysik
darstellen w erden.
Originalveröffentlichungen
Nach
Erw eiterungen
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[1] S. Weinberg:
Phenom enological Lagrangians.
Physica A 96, 327–340 (1979).
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