BEW-Seminar 16./17.09.2015 Europäische Naturschutzbestimmungen Anforderungen an die Planung von vorgezogenen Ausgleichsmaßnahmen – § 44 (5) BNatSchG – 16./17.09.2015 Dr. Ernst-Friedrich Kiel MKULNV, Referat III-4 (Biotop- und Artenschutz, Natura 2000, Klimawandel und Naturschutz, Vertragsnaturschutz) [email protected] Themen 1. Vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen 2. Leitfaden „Wirksamkeit von Artenschutzmaßnahmen“ 3. Zusammenfassung 2 1 BEW-Seminar 16./17.09.2015 Europäische Naturschutzbestimmungen 1. Vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen Vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen § 44 (5) BNatSchG: Sonderregelungen für Verbote […] Sind FFH-Anhang IV-Tierarten oder europäische Vogelarten betroffen, liegt ein Verstoß gegen das Verbot des Absatzes 1 Nr. 3 [Fortpflanzungs- und Ruhestätten] und im Hinblick auf damit verbundene unvermeidbare Beeinträchtigungen wild lebender Tiere auch gegen das Verbot des Absatzes 1 Nr. 1 [Verletzung und Tötung] nicht vor, soweit die ökologische Funktion der von dem Eingriff oder Vorhaben betroffenen Fortpflanzungs- oder Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang weiterhin erfüllt wird. Soweit erforderlich, können auch vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen festgesetzt werden. […] Vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen = CEF-Maßnahmen (continuous ecological functionality) 3 1. Vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen Vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen Beispiel: Verlust oder Entwertung von 3 Kiebitz-Brutrevieren X X X 4 Verbot … erfüllt? Maßnahmen 1. Fang/Tötung NEIN NEIN 2. Störung NEIN NEIN 3. Lebensstätten JA Anlage neuer Lebensraum Sinnvolles Vorgehen bei ASP: Umsetzung von vorgezogenen Ausgleichsmaßnahmen möglichst kein Ausnahmeverfahren 2 BEW-Seminar 16./17.09.2015 Europäische Naturschutzbestimmungen 1. Vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen 1. Bedingung: Fachliche Eignung der Maßnahmen 1. Artspezifisch: Maßnahme entsprechend den Ansprüchen der Art 2. Räumlicher Zusammenhang: a) Verbesserung oder Vergrößerung der beeinträchtigten Lebensstätte b) Anlage einer neuen Lebensstätte im räumlichen Zusammenhang (NRW: lokale Population) 3. Zeitnahe Funktionserfüllung: Funktion zum Eingriffszeitpunkt erfüllt 5 1. Vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen 2. Bedingung: Nachweis der Wirksamkeit 1. Umfang und Qualität: wenn die neue Lebensstätte mindestens die gleiche Ausdehnung und eine gleiche oder bessere Qualität hat. 2. Erfolgreiche Besiedlung: wenn die Art die neue Lebensstätte nachweislich angenommen hat ODER wenn die zeitnahe Besiedlung der neuen Lebensstätte mit hoher Prognosesicherheit durch fachgutachterliches Votum attestiert werden kann. BfN-Forschungsvorhaben: „Rahmenbedingungen für die Wirksamkeit von vorgezogenen Ausgleichsmaßnahmen“ (Juni 2010) MKULNV-Forschungsvorhaben: „Wirksamkeit von vorgezogenen Ausgleichsmaßnahmen“ (Februar 2013) 6 3 BEW-Seminar 16./17.09.2015 Europäische Naturschutzbestimmungen 2. Leitfaden „Wirksamkeit von Artenschutzmaßnahmen“ Leitfaden „Wirksamkeit von Artenschutzmaßnahmen“ Zielsetzung des Leitfadens: - rechtssichere Planung und Realisierung von vorgezogenen Ausgleichsmaßnahmen - Standardisierung der Verwaltungspraxis in NRW Projektbegleitende AG (ULB, HLB, BfN, LS NRW, LaBü) Expertenworkshops (56 Experten) Umfangreiche Verbändeanhörung Einführung per Runderlass (v. 02.07.2013) FIS „Geschützte Arten in NRW“ a.) Artseiten „Artenschutzmaßnahmen“ über „Artengruppen“ b.) pdf Datei Downloads 7 2. Leitfaden „Wirksamkeit von Artenschutzmaßnahmen“ Leitfaden „Wirksamkeit von Artenschutzmaßnahmen“ Inhalte des Leitfadens: 1.) Maßnahmenkatalog: Welche Maßnahmen kommen grundsätzlich in Betracht? 2.) Angaben zur Wirksamkeit: Unter welchen Bedingungen sind Maßnahmen wirksam? - welche fachlichen Anforderungen sind einzuhalten? - welcher Zeitraum bis zur Wirksamkeit? 3.) Angaben zur Prognosesicherheit: Wie hoch ist die Prognosesicherheit der Maßnahmen? artspezifische Maßnahmenkonzepte für 108 planungsrelevante Arten (ca. 80 Vogelarten, 14 Fledermausarten, 12 Amphibien/Reptilien) 8 4 BEW-Seminar 16./17.09.2015 Europäische Naturschutzbestimmungen Maßnahmenblätter für alle Arten - über die linke Menü-Leiste (Artengruppen) pdf-Download des gesamten Leitfadens - über obere Menü-Leiste (Downloads) 5 BEW-Seminar 16./17.09.2015 Europäische Naturschutzbestimmungen 11 Fortpflanzungs- Ruhestätte - artspezifische Beschreibung Lokale Population - artspezifische Abgrenzung Habitatanforderungen - artspezifische Präferenzen 6 BEW-Seminar 16./17.09.2015 Europäische Naturschutzbestimmungen Maßnahmenbeschreibung - Anforderung an den Standort - Anforderung an Qualität und Menge - Wiederkehrende Maßnahmen - zeitliche Dauer bis Wirksamkeit Risikomanagement / Monitoring Bewertung der Eignung 7 BEW-Seminar 16./17.09.2015 Europäische Naturschutzbestimmungen aktuelle Literatur Forschungsprojekte 2. Leitfaden „Wirksamkeit von Artenschutzmaßnahmen“ Beispiel: Kiebitz M. Woike Entwicklung/Pflege von Habitaten im Grünland a.) Anforderungen an Maßnahmen/Standort (u.a.): - Grünland- oder Ackerstandorte mit mittleren bis nassen Bodenverhältnissen - keine hohen, geschlossenen Vertikalkulissen und Stromleitungen bis mind. 100 m - großflächige Grünlandkomplexe >10 ha b.) Zeitraum bis zur Wirksamkeit: - kurzfristig (mind. 2 Jahre Vorlaufzeit) c.) Prognosesicherheit: - hoch 16 8 BEW-Seminar 16./17.09.2015 Europäische Naturschutzbestimmungen 2. Leitfaden „Wirksamkeit von Artenschutzmaßnahmen“ Beispiel: Kreuzkröte Anlage von Stillgewässern a.) Anforderungen an Maßnahmen/Standort (u.a.): - Komplex aus >20 Kleingewässern - Flachwasseranteil (bis 30 cm) mindestens 80 % - weniger als 10 % Vegetationsdeckung - Maßnahmenfläche nicht weiter als 400 m von einem vorhandenen Vorkommen - nur in Kombination mit anderen Maßnahmen b.) Zeitraum bis zur Wirksamkeit: - kurzfristig (mind. 0,5 Jahre Vorlaufzeit) c.) Prognosesicherheit: - sehr hoch 17 2. Leitfaden „Wirksamkeit von Artenschutzmaßnahmen“ Beispiel: Steinkauz H. Glader Anbringen von Nisthilfen a.) Anforderungen an Maßnahmen/Standort (u.a.): - Im Umkreis von 200 m zu Nahrungshabitaten - in Nähe zu Quellpopulationen (bis 2 km), nicht weiter als max. 10 km - pro Revierpaar mind. 3 Niströhren - Höhe mind. 3 m, beschattete Lage. - regelmäßige Instandhaltung im Herbst b.) Zeitraum bis zur Wirksamkeit: - kurzfristig (mind. 1 Jahr Vorlaufzeit) c.) Prognosesicherheit: - hoch (in der Nähe von Quellpopulationen) 18 9 BEW-Seminar 16./17.09.2015 Europäische Naturschutzbestimmungen 2. Leitfaden „Wirksamkeit von Artenschutzmaßnahmen“ Beispiel: Bechsteinfledermaus Fräsen von Initialhöhlen a.) Anforderungen an Maßnahmen/Standort (u.a.): - Baumstämme mit Vorschädigungen (z.B. Trocken- / Rindenschäden, Pilzbefall) - 15 Kunsthöhlen pro Hektar - nur in Kombination mit anderen Maßnahmen b.) Zeitraum bis zur Wirksamkeit: - mittelfristig (> 5 Jahre) c.) Prognosesicherheit: - mittel 19 3. Zusammenfassung Das müssen Sie wissen … Bedingungen für fachliche Eignung von vorgezogenen Ausgleichsmaßnahmen: 1. artspezifisch 2. räumlicher Zusammenhang (= lokale Population) 3. zeitnahe Wirksamkeit (zum Eingriffszeitpunkt) Bedingungen für Wirksamkeit von vorgezogenen Ausgleichsmaßnahmen: 1. Umfang/Qualität der neuen Lebensstätte 2. erfolgreiche Besiedlung (bei hoher Prognosesicherheit ggf. fachgutachterliches Votum) worst-case-Betrachtungen - grundsätzlich möglich, aber kaum empfehlenswert Leitfaden „Wirksamkeit von Artenschutzmaßnahmen“ nutzen! 20 10