Unscharfe Maße — Motivation II Begriffsdeutung: 1. Ereignis A ist plausibel: ⇒ Unter der Annahme von x ∈ A sind keine Widersprüche erkennbar ⇒ “Es spricht nichts dagegen, x ∈ A anzunehmen.” 2. Ereignis A ist glaubwürdig: ⇒ Die Annahme von x ∈ A ergibt zusätzliche Konsistenzen ⇒ Unscharfe Maße “ Es spricht etwas dafür, x ∈ A anzunehmen.” 3. Ereignis A ist wahrscheinlich: ⇒ Die statistische Untersuchung einer Fülle von Beobachtungen spricht für die Annahme von x ∈ A. ⇒ Die statistische Untersuchung einer Fülle von Beobachtungen widerspricht der Annahme von x ∈ A nicht. Wir werden tatsächlich feststellen, daß ein Wahrscheinlichkeitsmaß zugleich Glaubwürdigkeitsund Plausibilitätsmaß ist. Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfe Maße 167 Unscharfe Maße — Motivation III Unscharfe Maße — Motivation I Konzepte der Unschärfe: Zusammenhang: A ist glaubwürdig gdw. das komplementäre Ereignis A von A nicht plausibel ist. “Es spricht etwas für die Annahme x ∈ A gdw. etwas gegen die Annahme x ∈ A µA : U → [0, 1] mit µA(x): Grad, zu dem x ∈ A spricht.” A ist plausibel gdw. das komplementäre Ereignis A von A nicht glaubwürdig ist. “Es spricht nichts gegen die Annahme x ∈ A gdw. nichts für die Annahme x ∈ A 2. präzise Prädikate; unvollständiges, unsicheres Wissen: ⇒ unscharfe Maße ⇒ mit Unsicherheit behaftete, präzise Aussagen U : 2U → [0, 1] mit U(B): Unsicherheit, daß gesuchter Wert x ∈ B. spricht.” Bemerkung: Wenn wir unvollständiges Wissen über die Identität eines Elementes x ∈ U geeignet formalisieren, läßt sich immer ein zugehöriges Glaubwürdigkeits- bzw. Plausibilitätsmaß konstruieren. Prof. Dr. Gerhard Goos 1. unpräzise Prädikate; qualitative Aussagen; qualitatives, aber vollständiges Wissen: ⇒ unscharfe Mengen ⇒ graduelle Zugehörigkeit Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfe Maße 168 Plausibilität, Glaubwürdigkeit, Möglichkeit, Notwendigkeit bzw. Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses B: Belegung von B mit einer Maßzahl U(B) ∈ [0, 1], die das Maß der Unsicherheit angibt, daß x ∈ B gilt. Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfe Maße 166 Definitionen II Unscharfe Maße — Motivation IV Definition: (Unscharfes Maß) Sei M eine σ-Algebra in U. Eine Abbildung u : M → [0, 1] heißt (reguläres) unscharfes Maß auf M, falls gilt: u(∅) = 0 u(U) = 1 (U3) ∀A, B ∈ M : A ⊆ B ⇒ u(A) ≤ u(B) (U1) (U2) (U4) {An} ⊂ M, A1 ⊂ A2 ⊂ · · · , ⇒ (U5) n {An} ⊂ M, A1 ⊃ A2 ⊃ · · · , ⇒ n ∞ n=1 n=1 Qx : 2U → {0, 1} (Qx ist also die charakteristische Funktion der Menge aller Teilmengen von U, die x enthalten) ∞ An). (3) sei nun x ∈ U nur ungefähr bekannt. ⇒ nur unscharfe Bewertung aller A ∈ 2U möglich: (Stetigkeit von unten) Qx : 2U → [0, 1] An ∈ M u(An) = u( ∞ An). n=1 (Stetigkeit von oben) Prof. Dr. Gerhard Goos (2) sei ein x ∈ U gegeben. Qx gebe für jedes B ∈ 2U an, ob x in B enthalten ist: (Monotonie) n=1 ∞ µA : U → {0, 1} (Grenzbedingungen) An ∈ M u(An) = u( (1) charakteristische Funktion µA einer scharfen Menge A ⊂ U: Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfe Maße 171 Durch das unscharfe Maß aus (3) läßt sich unser Wissen über x beschreiben. Außerdem verdeutlicht (3), daß die folgende Definition des unscharfen Maßes sinnvoll ist: Prof. Dr. Gerhard Goos Definitionen III Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfe Maße 169 Definitionen I zur Erinnerung: Weiterhin: • gilt (U2) nicht, so ist U nicht regulär . • gilt (U4), aber nicht (U5), so nennt man u halbstetig bzw. nur stetig von oben. • gilt (U5), aber nicht (U4), so nennt man u halbstetig bzw. nur stetig von oben. Wir betrachten i.f. ausschließlich reguläre unscharfe Maße, i.e. Maße u mit u(U) = 1. Definition: (σ-Algebra) Ein System M von Teilmengen einer nicht-leeren Menge U heißt σAlgebra in U, falls gilt: • ∅∈M • A ∈ M ⇒ A ∈ M • sei (An) eine Folge von Mengen aus M ⇒ An ∈ M n Ist M eine σ-Algebra in U, so heißt (U, M) ein Meßraum. Die Elemente von M heißen σ-meßbare Mengen oder auch Ereignisse. Aus der Monotonie von u folgt: u(A ∩ B) ≤ u(A ∪ B) ≥ Bemerkung 1: Mit A, B ∈ M gilt somit A ∈ M, A ∪ B ∈ M, A ∩ B ∈ M [u(A), u(B)] sowie [u(A), u(B)] Bemerkung 2: Die Potenzmenge 2U einer Grundmenge U ist eine σ-Algebra. Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfe Maße 172 Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfe Maße 170 Konstruktion unscharfer Maße III Konstruktion unscharfer Maße I Beachte: m ist kein unscharfes Maß! Mit G(A) := m(B) Wie läßt sich unvollständiges Wissen bzgl. der Identität eines gesuchten Elementes x ∈ U formalisieren? Pl(A) := ⇒ Festlegung einer Maßbasis m: m(B) B∩A=∅ B⊆A wird jedoch unserem intuitiven Verständnis von Glaubwürdigkeit und Plausibilität Genüge getan, und es ergeben sich zwei unscharfe Maße. Definition: (Maßbasis m) Eine Maßbasis (body of evidence) m zu einer σ-Algebra M ist eine Abbildung m : M → [0, 1], wobei m(∅) = 0 und m(A) = 1. [Beweis:] Übung! Jedes Glaubwürdigkeitsmaß G bzw. Plausibilitätsmaß Pl definiert umgekehrt genau eine Maßbasis m via m(A) = (−1)|A\B|G(B) B⊆A m(A) = (−1)|A\B|(1 − Pl(B)). B⊆A [Beweis:] Übung! Prof. Dr. Gerhard Goos A∈M Interpretation: m(A) bezeichnet den Grad des Zutrauens, den wir der Aussage beimessen, das gesuchte x gehöre zur Menge A, aber zu keiner der Untermengen A ∈ M, A ⊂ A. Man “verteilt” die “Gesamtheit” des Zutrauens auf Teilmengen A ∈ M. Beispiel: Setzen von Jetons am Roulette-Tisch. Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfe Maße 175 Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfe Maße 173 Konstruktion unscharfer Maße II ⇒ ⇒ Maßbasis m beschreibt all unser Wissen über x. Maßbasis m läßt die Formulierung jedes beliebigen Wissensstandes zu. Beispiele: völliges Unwissen: m(U) = 1 und ∀A = U : m(A) = 0 Possibilität und Evidenz vollständiges Wissen: m({x}) = 1 und ∀A = {x} : m(A) = 0 Definition: (fokales Element) Eine Menge A ∈ M heißt fokales Element von m ⇔ m(A) > 0. Die fokalen Elemente eines Maßbasis m sind demnach die Teilmengen von U, auf die unser Zutrauen, sie könnten x enthalten, “fokussiert” ist. Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfe Maße 174 Glaubwürdigkeit und Plausibilität III Glaubwürdigkeit und Plausibilität I Bezeichnung: • G : M → [0, 1] heißt Glaubwürdigkeitsmaß (belief measure) zur Maßbasis m. • Pl : M → [0, 1] heißt Plausibilitätsmaß (plausibility measure) zur Maßbasis m. Mit ∀A ∈ M : G(A) = m(B) = B⊆A m(B) = Pl(A) B∩A=∅ besitzen wir ein unscharfes Maß P, das zugleich Glaubwürdigkeit und Plausiblität ist, d.h.: Aufgrund ihrer Konstruktion genügen G und Pl einer verschärften Monotonie-Bedingung: G(A1 ∪ A2) ≥ G(A1) + G(A2) − G(A1 ∩ A2) ⇔ G(A1 ∩ A2) ≥ G(A1) + G(A2) − G(A1 ∪ A2) Glaubwürdigkeit: P(A1 ∪ A2) ≤ P(A1) + P(A2) − P(A1 ∩ A2) Pl(A1 ∩ A2) ≤ Pl(A1) + Pl(A2) − Pl(A1 ∪ A2) ⇔ Pl(A1 ∪ A2) ≤ Pl(A1) + Pl(A2) − Pl(A1 ∩ A2) Plausibilität: P(A1 ∪ A2) ≥ P(A1) + P(A2) − P(A1 ∩ A2) [Beweis:] Übung! damit P(A1 ∪ A2) = P(A1) + P(A2) − P(A1 ∩ A2). Dualität: falls G und Pl dieselbe Maßbasis m besitzen, gilt: ⇒ Maß P ist Wahrscheinlichkeitsmaß. Prof. Dr. Gerhard Goos ∀A ∈ M : Pl(A) := 1 − G(A). Unscharfe Mengen, SS2002: Possibilitätstheorie 179 Prof. Dr. Gerhard Goos Wahrscheinlichkeit I Unscharfe Mengen, SS2002: Possibilitätstheorie Glaubwürdigkeit und Plausibilität II Definition: (Wahrscheinlichkeitsmaß auf M) Sei M eine σ-Algebra in U. Eine Abbildung P : M → [0, 1] heißt Wahrscheinlichkeitsmaß auf M, falls gilt: • P(∅) = 0 und P(U) = 1 (Grenzbedingungen) • ∀A, B ∈ M : A ∩ B = ∅ ⇒ P(A ∪ B) = P(A) + P(B) (Additivität) • für jede abzählbar unendliche Familie (Ai) paarweise fremder Mengen aus M: P( Ai) = P(Ai) (Stetigkeit) Man sieht leicht, daß ein Wahrscheinlichkeitsmaß stets ein unscharfes Maß ist: Definition: (minimale Elemente einer σ-Algebra M) Die minimalen Elemente Xi einer σ-Algebra M über einem Universum U werden definiert durch: Xi, Xj = ∅ ⇒ Xi ∩ Xj = ∅ ∀X ∈ M ∃i1, . . . , iX : Xj = X . j=i1 ,...,iX Lemma: Zu jeder endlichen σ-Algebra M auf einem Universum U1 existiert ein isomorphes Universum U2: • |U2| ≤ |U1| ∼ 2U2 • M= etwa: U2 := Menge der minimalen Elemente von M. ⇒ Sätze auf der Potenzmenge endlicher Universen lassen sich somit stets auch auf endliche σ-Algebren anwenden. Sind alle fokalen Elemente einer Maßbasis m minimale Elemente von M, so fallen Glaubwürdigkeits- und Plausibilitätsmaß zu m zusammen: Additivität und Stetigkeit des Wahrscheinlichkeitsmaßes sind Verschärfungen der Mo∀A ∈ M : G(A) = notonie und Stetigkeit unscharfer Maße. B⊆A Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: Possibilitätstheorie 177 180 Prof. Dr. Gerhard Goos m(B) = m(B) = Pl(A), B∩A=∅ Unscharfe Mengen, SS2002: Possibilitätstheorie 178 Möglichkeit und Notwendigkeit II Wahrscheinlichkeit II Somit gilt das folgende Theorem: Ein Glaubwürdigkeitsmaß G ist konsonant genau dann, wenn gilt: ∀A, B ∈ M : G(A ∩ B) = Theorem: Ein Maß P auf der Potenzmenge 2U eines endlichen Universums U ist ein Wahrscheinlichkeitsmaß genau dann, wenn alle fokalen Elemente der zugehörigen Maßbasis m Elemente von U sind: ∀u ∈ U : m({u}) = P({u}) sowie: ∀A ∈ 2U : |A| > 1 ⇒ m(A) = 0, [G(A), G(B)] Ein Plausibilitätsmaß Pl ist konsonant genau dann, wenn gilt: ∀A, B ∈ M : Pl(A ∪ B) = (d.h.: die fokalen Elemente von m sind einelementig. Beweis s. Klir & Folger 1988, S.119) [Pl(A), Pl(B)] Sind aber die fokalen Elemente einelementig, so gilt: G(A) = m(B) = m({u}) B ⊆A u ∈A m(B)= m({u}) Pl(A)= [Beweis: (Klir & Folger 1988, S.121f.) Man nennt derartige Glaubwürdigkeits- bzw. Plausibilitätsmaße B∩A=∅ Notwendigkeits- bzw. Möglichkeitsmaße (necessity and possibility measures) Damit ist jedes Wahrscheinlichkeitsmaß Glaubwürdigkeits- und Plausibilitätsmaß zugleich. P(A) = p(u) mit p(u) := m({u}) und bezeichnet sie mit N(A) bzw. Π(A). Es handelt sich ebenfalls um zueinander duale Maße. Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: Possibilitätstheorie u∈A u∈A 183 Möglichkeit und Notwendigkeit III Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: Possibilitätstheorie 181 Möglichkeit und Notwendigkeit I Beispiel: (Möglichkeitsmaß Π) Sei B ⊆ U ein für sicher gehaltenes Ereignis. Damit folgt für die Maßbasis m auf 2U Eine Maßbasis m kann sich auch dadurch auszeichnen, daß ihre fokalen Elemente eine monotone Mengenfamilie bilden: A1 ⊂ A2 ⊂ · · · ⊂ An ∀A = Ai,i=1,...,n : m(A) = 0. m(B) = 1 und ∀B ∈ 2U, B = B : m(B ) = 0 Die fokalen Elemente von m sind somit trivialerweise monoton, B ist i.a. jedoch kein minimales Element. m(A 2) m(A 3) m(A4 ) m(A n) m(A 1) Somit ist das zugehörige Plausibilitätsmaß ein Möglichkeitsmaß Π: 1 wenn A ∩ B = ∅ Π(A) = 0 sonst x1 x2 x3 x4 xn Es gilt also beispielsweise: Π(A ∪ A) = [Π(A), Π(A)] = 1, was bedeutet, daß von zwei konträren Ereignissen immer mindestens eines vollständig möglich ist. Diese Möglichkeit hat jedoch keinen Einfluß auf das andere der beiden Ereignisse. Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: Possibilitätstheorie 184 Definition: (konsonante Maße) Wenn die fokalen Elemente einer Maßbasis m monoton sind (d.h. A1 ⊂ A2 ⊂ · · · ⊂ An), heißen die entsprechenden Maße konsonant. (⇒ Wissen ohne Widersprüche) Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: Possibilitätstheorie 182 Möglichkeit I Unscharfe Maße — Übersicht Theorem: [Beweis: (Klir & Folger 1988, S.122f.) Jedes Möglichkeitsmaß Π auf 2U ist durch eine Möglichkeits-Verteilung πx Klassifikation unscharfer Maße: Glaubwürdigkeitsmaße πx : U → [0, 1] mit ∃u0 ∈ U : πx(u0) = 1 unscharfe Maße eindeutig bestimmt: ∀A ∈ 2U : Π(A) := πx(u) u∈A Notwendigkeitsmaße Es gilt damit: πx(u) = Π({u}). Wahrscheinlichkeitsmaße Plausibilitätsmaße Bemerkung: Es gibt Maße, die Notwendigkeit und Möglichkeit zugleich, und damit auch Wahrscheinlichkeit sind: ∃1x ∈ U : m({x}) = 1 ∧ ∀A ∈ 2U \{x} : m(A) = 0. ⇒ vollständiges Wissen, keinerlei Un- Interpretation: πx(u) beschreibt den Grad der Möglichkeit, daß x = u gilt. Oder: Der Wertebereich der Variablen x wird auf U flexibel eingeschränkt (elastic constraint). ⊆ U mit µ ≡ π . Formal: x ∈ B x B Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: Possibilitätstheorie 187 Möglichkeit II m(A 2) m(A 3) m(A4 ) x1 m(A3 )=0.4 m(A2 )=0.3 x2 x3 x4 xn x1 x2 x3 m(A6 )=0.1 x4 x5 m(A7 )=0.2 x6 x7 pi(x 1) =1 pi(x 1) pi(x 3) Vollständige pi(x7 )=0.2 pi(x 2) =1 pi(x 2) pi(x n) pi(x 4) Folge Teilmengen Ai eines Universums U = {x1, x2, . . . , xn} Prof. Dr. Gerhard Goos pi(x 6)=0.3 pi(x 3) =0.7 pi(x 4) =0.3 pi(x 5)=0.2 monotoner Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: Possibilitätstheorie 185 Möglichkeit vs. Wahrscheinlichkeit m(A n) m(A 1) Möglichkeitsmaße sicherheit! Möglichkeitsmaß Π(A) = m(B). Π auf U: Diskussion bzgl. der Maßbasis: 1. Wahrscheinlichkeit: fokale Elemente der Maßbasis sind einelementig, Dissonanz ⇒ es liegt genaue, aber differenzierte Information vor ⇒ Eignung für objektive, sorgfältige Beobachtung physikalischer Erscheinungen (Experimente) 2. Möglichkeit: fokale Elemente sind monoton, Konsonanz ⇒ es liegt ungenaue, aber kohärente Information vor ⇒ Eignung für subjektive Einschätzungen (Befragung) B∩A=∅ I.a. sind Informationen natürlich weder genau noch völlig kohärent, d.h., es liegen i.a. Glaubwürdigkeiten bzw. Plausibilitäten vor. Unscharfe Mengen, SS2002: Possibilitätstheorie 188 Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: Possibilitätstheorie 186 Fehlerdiagnose II Möglichkeit III Aufgabe: Aus der Beobachtung von Symptomen soll auf mögliche Fehler als deren Ursache geschlossen werden. • Menge möglicher Fehler (Ursachen) F = {f1, f2, . . . fn} • Menge möglicher Symptome S = {s1, s2, . . . sm} Idee: Verbindung von positivem und negativem Wissen zur expliziten Modellierung von Unwissen Wissensbasis: + auf S beschreibt die Sicherheit, mit der Sym• unscharfe Menge R f ptom s auftritt, falls ausschließlich Fehler f vorliegt − auf S beschreibt die Sicherheit, mit der Sym• unscharfe Menge R f ptom s nicht auftritt, falls ausschließlich Fehler f vorliegt Beobachtung: + auf S beschreibt die Sicherheit, daß Symptom • unscharfe Menge S s beobachtet wurde − auf S beschreibt die Sicherheit, daß Symptom • unscharfe Menge S s nicht beobachtet wurde Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: Possibilitätstheorie 191 Beispiel: Betrachte Maßbasis m von Folie 188: m = (0, 0.3, 0.4, 0, 0, 0.1, 0.2) Mit π(xi) = Π({xi}) = n m(Ak) k=i folgt für die Möglichkeitsverteilung π π = (1, 1, 0.7, 0.3, 0.3, 0.3, 0.2). Nun läßt sich für beliebiges A ⊂ U = {x1, . . . , x7} Π(A) bestimmen, etwa: Π({x1, . . . , xk}) = Π({x3, x5}) = Prof. Dr. Gerhard Goos [π(x1), . . . , π(xk)] = 1 [π(x3), π(x5)] = 0.7 Unscharfe Mengen, SS2002: Possibilitätstheorie 189 Fehlerdiagnose I Theoretischer Hintergrund der Modellierung + und S + als Notwendigkeitsmaße auffassen: • positive Aussagen R f µR+ (s) = NRf (s) und µS+ (s) = NS(s) f − und S − als Möglichkeitsmaße auffassen: • negative Aussagen R f µR− (s) = 1 − ΠRf (s) und µS− (s) = 1 − ΠS(s) f Damit gelten insbesondere • NRf (s) > 0 ⇒ ΠRf (s) = 1 und ΠRf (s) < 1 ⇒ NRf (s) = 0 (analog für NS,ΠS) + ∩ R − = ∅ und S + ∩ S − = ∅ ⇒R f f Bemerkung: Verschiedene Informationsquellen könnten inkonsistentes Wissen liefern (gleichzeitiges Ausschließen und Unterstützen von Aussagen) → diese Modellierung ist dann ungeeignet (vgl. Possibilitätsund Evidenzverteilungen) Unscharfe Mengen, SS2002: Possibilitätstheorie m(B) = B∩{xi}=0 Fehlerdiagnose III Prof. Dr. Gerhard Goos 192 Beispiel: Expertensystem zur unscharfen Fehlerdiagnose an Satelliten (Cayrac, Dubois, Prade 1996). Aus Erfahrungen beim Bau des Satelliten werden Zusammenhänge zwischen Fehlern und ihren Symptomen hergestellt. Aus diesen Zusammenhängen und tatsächlich am Satelliten im Orbit beobachteten Symptomen soll auf mögliche Fehler geschlossen werden. Probleme: • Meßmöglichkeiten an Bord des Satelliten sind eingeschränkt • oft nur indirekte Schlüsse auf Symptome möglich • Übermittlung der Meßdaten fehlerbehaftet und evtl. unvollständig • Wissen über Zusammenhänge zwischen Fehlern ihren Symptomen unvollständig und unsicher → Verarbeitung unvollständiger, unsicherer Daten nötig Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: Possibilitätstheorie 190 Fehlerdiagnose VI Fehlerdiagnose IV , B auf einem Die unscharfe Konsistenz zweier unscharfer Mengen A Universum U wird gemessen mit B) := kons (A, u∈U {µA(u), µB(u)} . Vorgehen: Eingrenzen der möglichen Ursachen in vier Schritten B) mißt, mit welchem Grad der Schnitt A ∩B nichtleer ist. A ∩B kons (A, B) leer. ist also mit Grad 1 − kons (A, A Schritt 1: Bestimmung der Fehler, die den beobachteten Symptomen nicht widersprechen (konsistente Fehler) B Definition: (scharfer Fall) Ein Fehler f ∈ F ist konsistent mit den Beobachtungen S+ und S− gdw. B) kons (A, − + S− ∩ R + f = ∅ und S ∩ Rf = ∅ , Definition: (unscharfer Fall) Der Grad der Konsistenz eines Fehlers f ∈ F mit den unscharfen Be+ und S − wird über die unscharfe Menge F definiert: obachtungen S −, R +), 1 − kons (S +, R −)} {1 − kons (S f f −, R +), kons (S +, R −)} . =1− {kons (S µF(f) := f Prof. Dr. Gerhard Goos d.h. wenn • keines der durch f verursachten Symptome s ∈ R+ f mangels Beobachtung durch S− ausgeschlossen wird und • keines der durch f ausgeschlossenen Symptome s ∈ R− f beobachtet wurde, also in S+ liegt. f Unscharfe Mengen, SS2002: Possibilitätstheorie 195 Prof. Dr. Gerhard Goos Fehlerdiagnose VII Unscharfe Mengen, SS2002: Possibilitätstheorie 193 Fehlerdiagnose V Schritt 2: Bestimmung der konsistenten Fehler, die mit den Symptomen in Zusammenhang stehen (relevante Fehler) Definition: (scharfer Fall) Ein Fehler f ∈ F ist relevant hinsichtlich der Beobachtungen S + und S− gdw. er konsistent ist und S+ R+ f − − S+ ∩ R + f = ∅ oder S ∩ Rf = ∅ gilt, d.h. • ein durch f verursachtes Symptom s ∈ R+ f tatsächlich beobachtet + wird, also in S liegt, oder • ein durch f ausgeschlossenes Symptom s ∈ R− f mangels Beobachtung durch S− ausgeschlossen wird. S− S− R+ f R− f S S+ R− f S Fehler konsistent mit Beobachtung Fehler inkonsistent mit Beobachtung Bemerkung: In der Praxis wird die zweite Bedingung (S− ∩ R− f = ∅) u.U. weggelassen. Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: Possibilitätstheorie 196 Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: Possibilitätstheorie 194 Fehlerdiagnose X Fehlerdiagnose VIII Schritt 3: Bestimmung der konsistenten Fehler, die die beobachteten Symptome überdecken Definition: (scharfer Fall) Ein Fehler f ∈ F überdeckt die Beobachtungen S+ und S− gdw. er konsistent ist und S+ R+ f − − S+ ⊆ R + f und S ⊆ Rf gilt, d.h. • jedes beobachtete Symptom s ∈ S+ durch f verursacht wird, also s ∈ R+ f , und • jedes nicht beobachtete Symptom s ∈ S− durch f ausgeschlossen wird, also s ∈ R− f. S+ S− R− f R+ f R− f S S relevanter Fehler: einige der durch R+ f vorhergesagten Symptome wurden tatsächlich beobachtet S− konsistenter nicht relevanter Fehler: − keiner der durch R+ f oder Rf vorhergesagten Effekte wurde beobachtet Bemerkung: In der Praxis wird die zweite Bedingung (S− ⊆ R− f ) u.U. weggelassen. Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: Possibilitätstheorie 199 Prof. Dr. Gerhard Goos Fehlerdiagnose XI S+ R+ f R− f Unscharfe Mengen, SS2002: Possibilitätstheorie 197 Fehlerdiagnose IX S− Definition: (unscharfer Fall) Der Grad der Relevanz eines Fehlers f ∈ F bzgl. der unscharfen Beob+ und S − wird über die unscharfe Menge F ∗ definiert: achtungen S S − überdeckende Fehler: die Vorhersagen R+ f und Rf überdecken die zugehörigen Beob- achtungen S+ und S− . Definition: (unscharfer Fall) Der Grad der Überdeckung eines Fehlers f ∈ F der unscharfen Beob+ und S − wird über die unscharfe Menge F ∗∗ definiert: achtungen S µF∗∗ (f) := µF∗ (f) := {µF(f), +, S +), kons (R −, S −)}} {kons (R f f +), inkl (S −, R −)} . {µF(f), inkl (S+, R f f mit einem Maß inkl für den Wahrheitsgehalt der unscharfen Inklusion zweier Mengen. Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: Possibilitätstheorie 200 Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: Possibilitätstheorie 198 Fehlerdiagnose XIV Fehlerdiagnose XII Schritt 4: Bestimmung der überdeckenden Fehler, deren vorhergesagte Symptome alle beobachtet werden (hinreichende Fehler) Definition: (scharfer Fall) Ein Fehler f ∈ F heißt hinreichend bzgl. der Beobachtungen S + und S− gdw. er konsistent ist und − − S+ = R+ f und S = Rf gilt, d.h. • die beobachteten Symptome s ∈ S+ mit den durch f verursachten Symptomen s ∈ R+ f identisch sind und • die nicht beobachteten Symptome s ∈ S− mit den durch f ausgeschlossenen Symptomen s ∈ R− f übereinstimmen. Bemerkung: • In der Praxis wird die zweite Bedingung (S− ⊆ R− f ) u.U. weggelassen. • Dieser 4. Schritt wird in der Praxis ausgelassen, falls die Forderung nach Gleichheit der Mengen wegen der Unsicherheit und Unvollständigkeit des Wissen zu stark ist. Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: Possibilitätstheorie 203 ⊆ auf Universum U wird B Maß für den Grad der unscharfen Inklusion A aus dem Wahrheitsgehalt I(A ⊆ B) des scharfen Falls abgeleitet: I(A ⊆ B) = I(∀u ∈ U [u ∈ A ⇒ u ∈ B]) [u ∈ A ⇒ u ∈ B]) . = I( u∈U unscharfe Modellierung: = µ (u), analog für B • unscharfe Zugehörigkeiten I(u ∈ A) A • Gödelrelation als unscharfe Implikation: I(a⇒b) = aαb Prof. Dr. Gerhard Goos Fehlerdiagnose XV Definition: Der Grad der Inklusion, mit dem eine unscharfe Menge A enthalten ist, wird gemessen durch die Funktion in der Menge B B) := inkl (A, → bessere Ergebnisse als mit vorhandenem klassischen Expertensystem Bemerkungen zum praktischen Vorgehen: • Als Zugehörigkeitswerte werden statt [0, 1] meist nur Ordinalskalen wie {sicher, ziemlich sicher, möglicherweise, denkbar, keine Anzeichen dafür} benutzt • Wegen der Unsicherheit und Unvollständigkeit des Wissens könnte der tatsächliche Fehler in den Schritten 2-4 verloren gehen. Eine sichere Aussage liefert nur Schritt 1. Unscharfe Mengen, SS2002: Possibilitätstheorie 201 Fehlerdiagnose XIII Ergebnis: • natürliche Modellierung unscharfen Wissens • mächtiger als binäre Logik Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: Possibilitätstheorie 204 u∈U {µA(u) α µB(u)} . α A B B A , inkl (A B) Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: Possibilitätstheorie 202 Possibilitäts-Theorie III Possibilitäts-Theorie I Possibilitätsmaß = Möglichkeitsmaß Possibilitätsverteilung = Möglichkeitsverteilung Eine Possibilitätsverteilung πx stellt eine elastische Beschränkung (elastic constraint, (Zadeh)) des Wertebereiches der Variablen x dar: πx beschränkt x. Possibilitätstheorie: Formalismus zur Verarbeitung unsicheren Wissens. Deuten wir die unscharfen Prädikate des unscharfen Schließens Definition: (Possibilitätsverteilung) Sei U das Universum der Variablen x. Eine Possibilitätsverteilung der unscharfen Variablen x ist eine Funktion x is A als elastische Beschränkungen πx πx : U → [0, 1]. :⇔ π :≡ µ , x is A x A ist die Menge der für ergibt sich eine intuitive und einfache Semantik: A x möglichen Werte, d.h. der Werte, die nicht ausgeschlossen werden können. Die Regel πx(u) gibt den Grad der Möglichkeit an, daß x = u. πx(u) = 0 πx(u) = 1 ⇔ ⇔ x = u ist unmöglich. x = u ist uneingeschränkt möglich. Mit der Normalisierungsbedingung ist immer zumindest ein u ∈ U uneingeschränkt möglich: THEN y is B IF x is A bedeutet dann: die Menge der für x möglichen Werte ist, “Falls A möglich.” so sind für y die Werte aus B ∃u ∈ U : πx(u ) = 1. Dies ist eine Folge der closed world assumption: Wenn x ∈ U, dann muß ein solches ⇒ possibilistisches Schließen Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: Possibilitätstheorie u existieren. 207 Prof. Dr. Gerhard Goos Possibilitäts-Theorie IV Unscharfe Mengen, SS2002: Possibilitätstheorie 205 Possibilitäts-Theorie II Definition: (Spezifität) Seien πx, πx Possibilitätsverteilungen von x. πx heißt mindestens so spezifisch wie πx gdw. ∀u ∈ U : πx(u) ≤ πx (u). Beispiele: “Peters Körpergröße x beträgt etwa 175cm” “Peters Körpergröße x ist völlig unbekannt” Kombination von Possibilitätsverteilungen: • Semantik: ausgehend von Unwissen schränkt neue Information die für x möglichen Werte weiter ein ⇒ negative Information: Ausschluß von Fakten 175 x x 175 “Peter ist 175cm groß.” • verschiedene Informationsquellen ergänzen sich • suche die am meisten spezifische Information, die aus der Wissensbasis ableitbar ist Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: Possibilitätstheorie 208 175 Prof. Dr. Gerhard Goos x Unscharfe Mengen, SS2002: Possibilitätstheorie 206 Possibilitäts-Theorie VII Possibilitäts-Theorie V Beispiel: Heidi und Ehemann Peter suchen in ihrem Garten nach einer Quelle unglaublichen Gestanks. Heidi riecht im linken Teil, Peter rechts. Beispiel: mobiler Roboter erstellt unsichere Karte der Umgebung 1 Peter Heidi • Position unsicher • unsichere Sensordaten der Umgebung • aktuelle Karte unsicher → Kombination der Informationen in einer neuen Information (Zugewinn an Wissen) 0 Peter Heidi Ort Frage: Wie wird Wissen aus verschiedenen Quellen vereinigt? Möglichkeit, daß sich Quelle an der Stelle u befindet: πHeidi (u) und x Peter πx (u). Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: Possibilitätstheorie 211 Prof. Dr. Gerhard Goos Possibilitäts-Theorie VIII Possibilistisches Schließen = Sammeln und Zusammenfassen von possibilistischem Wissen, Extraktion von gesuchtem Teilwissen Hier: Kombination von Possibilitätsverteilungen kann eindeutig als maxmin-Komposition identifiziert werden. π1x, π2x aus π1x und π2x ableitbare Verteilung πx Aber: keine Kombination von Maßen bekannt, so daß das Diagramm kommutiert! Axiom p1: ∀u ∈ U : πx(u) ≤ π1x(u) ∧ πx(u) ≤ π2x(u) ⇒ ⇒ 209 Possibilitäts-Theorie VI Kombination: geg.: ges.: Unscharfe Mengen, SS2002: Possibilitätstheorie Mit πx werden π1x und π2x redundant. Gilt ∀u ∈ U : πx(u) < 1, so deutet dies auf Inkonsistenzen in π1x und/oder π2x hin (⇒ unzuverlässige Quellen oder Verletzung der closed world assumption, s. Beispiel) ? Maße Π1, Π2 −−−−−−−−−−→ Π Verteil. Implizite Annahme: x ist zeitinvariant Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: Possibilitätstheorie π1, π2 −−−−−−−−−−→ π Kombination ⇒ Zusammenfassen von Wissen auf der Basis von Verteilungen anstatt Maßen 212 Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: Possibilitätstheorie 210 Possibilitäts-Theorie XI Possibilitäts-Theorie IX Beispiel: • πK beschränke Peters Körpergröße: πK(k) gibt den Grad der Möglichkeit an, daß Peter k cm groß ist. Prinzip minimaler Spezifität (PmS): πx darf keine zusätzliche Information unterstellen, d.h. unzulässig spezifisch sein: • analog beschränke πG Peters Gewicht: πG(g) gibt den Grad der Möglichkeit an, daß Peter g kg wiegt. • gesucht ist eine Aussage der Form: “Peter ist k cm groß und wiegt g kg.” • die Möglichkeit der Gesamtaussage kann die der Einzelaussagen nicht übersteigen: πK,G(k, g) ≤ Anwendung auf Axiom p1: {πK(k), πG(g)}. Prof. Dr. Gerhard Goos {πK(k), πG(g)}. Unscharfe Mengen, SS2002: Possibilitätstheorie 215 Prof. Dr. Gerhard Goos Possibilitäts-Theorie XII 213 Gemeinsame Possibilitätsverteilungen: Definition: (gemeinsame Possibilitätsverteilung) Seien U und V die Universen der Variablen x und y. Eine gemeinsame Possibilitätsverteilung der zusammengesetzten unscharfen Variablen (x, y) ist eine Funktion Verteilung πx auf U ableitbare Verteilung πx,y für die zusammengesetzte Variable (x, y) aus U × V πx,y : U × V → [0, 1]. πx,y(u, v) gibt den Grad der Möglichkeit an, daß (x, y) = (u, v), d.h., daß x = u und y = v. Der Wert von y ist völlig unbekannt: πy ≡ 1 {πx(u), 1} ⇒ ∀(u, v) ∈ U × V : πx,y(u, v) = = πx(u) Definition: (zylindrische Erweiterung) Sei πx eine Possibilitätsverteilung auf U. Dann heißt die Possibilitätsverteilung [πx ↑ U × V ] mit ∀(u, v) ∈ U × V : ∀(u, v) ∈ U × V : πx,y(u, v) ≤ πx(u) πx,y(u, v) ≤ πy(v) ∀(u, v) ∈ U × V : πx,y(u, v) := zylindrische Erweiterung von πx auf U × V. Unscharfe Mengen, SS2002: Possibilitätstheorie Kombination: geg.: unscharfe Variablen x ∈ U und y ∈ V mit Verteilungen πx und πy ges.: gemeins. Verteilg. πx,y : U × V → [0, 1], die πx und πy gerecht wird. Axiom p2: Anwendung des PmS: ∀(u, v) ∈ U × V : [πx ↑ U × V ](u, v) := πx(u) Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: Possibilitätstheorie Possibilitäts-Theorie X zylindrische Erweiterung: geg.: ges.: {π1x(u), π2x(u)} ∀u ∈ U : πx(u) := • ohne Zusatzinformation gilt mit PmS: πK,G(k, g) = “More generally, when the available information stems from several sources that can be considered as reliable, the possibility distribution that accounts for it is the least specific possibility distribution that satisfies the set of constraints induced by the pieces of information given by the different sources.” ( Dubois&Prade) 216 Prof. Dr. Gerhard Goos {πx(u), πy(v)}. Unscharfe Mengen, SS2002: Possibilitätstheorie 214 Possibilitäts-Theorie XV Possibilitäts-Theorie XIII Beispiel: • πK,G(k, g) beschreibe den Grad der Möglichkeit, daß ein Mensch k cm groß ist und g kg wiegt. • Wie schwer können demnach Menschen sein? ⇒ Prof. Dr. Gerhard Goos k∈K • Peters Gewicht G sei uns unbekannt. • unsere Gesamtaussage der Form “Peter ist k cm groß und wiegt g kg.” darf somit Peters Gewicht nicht einschränken: Projektion von πK,G auf das Universum G der Gewichte: [πK,G ↓ G ](g) = Beispiel: • πK beschränke wiederum Peters Körpergröße K. {πK,G(k, g)}. Unscharfe Mengen, SS2002: Possibilitätstheorie πK,G(k, g) = 219 Prof. Dr. Gerhard Goos Possibilitäts-Theorie XVI {πK(k), 1} = πK(k). Unscharfe Mengen, SS2002: Possibilitätstheorie 217 Possibilitäts-Theorie XIV Projektion: geg.: ges.: Beispiel: gemeinsame Verteilung πx,y auf U × V ableitbare Verteilung πx für Variable x • πx,y(u, v) gibt den Grad der Möglichkeit an, daß x = u und y = v. • πK,G(k, g) beschreibe den Grad der Möglichkeit, daß Peter k cm groß ist und g kg wiegt. • πG,B(g, l) beschreibe den Grad der Möglichkeit, daß Peter g kg wiegt und l Liter Bier am Abend trinkt. Frage: Was kann daraus für πK,G,B, πG, πK,B usw. geschlossen werden? Die Axiome p1 und p2 liefern keine Antwort! • da πx die Variable y nicht einschränkt, darf y (im Rahmen von πx,y) beliebig sein. Mit dem PmS folgt ∀u ∈ U : πx(u) := v∈V {πx,y(u, v)}. Definition: (Projektion) Sei πx,y eine Possibilitätsverteilung auf U × V. Dann heißt die Possibilitätsverteilung [πx,y ↓ U] mit ∀u ∈ U : [πx,y ↓ U](u) := v∈V {πx,y(u, v)} Projektion von πx,y auf U. Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: Possibilitätstheorie 220 Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: Possibilitätstheorie 218 Possibilitäts-Theorie XIX Possibilitäts-Theorie XVII Beispiel: • πK,G(k, g) beschreibe wiederum den Grad der Möglichkeit, daß ein Mensch k cm groß ist und g kg wiegt. • Peters Körpergröße sei durch πK spezifiziert. • Was läßt sich nun über Peters Gewicht sagen? Theorem: Seien U := U1 × U2 × · · · Un n-dimensionales Produktuniversum, π1, . . . πm Verteilungen auf Unterräumen Vi = Xi∈J ⊆{1,2,...n} Ui von i U. Dann ist die auf einem Unterraum V von U definierte Verteilung π mit π(v) = u∈U\V i∈{1,2,...m} {[πi ↑ U](u, v)} Vorgehen: die am meisten spezifische Verteilung auf V, die aus den gegebenen Verteilungen ableitbar ist. (1) Kombination aller Information auf kleinstem gemeinsamen Universum (Vereinigung): destens so spezifisch wie jedes πi. ∀(k, g) ∈ UK × UG : πK,G (k, g) := Idee: Leite aus π1, . . . πm spezifischere Verteilungen ab. Benutze diese zur Berech- {πK(k), πK,G(k, g)}. nung von π. (2) Projektion auf interessierendes Universum: Anschaulich: Erfüllung der notwendigen Bedingung bedeutet nur, daß der gezogene ∀g ∈ UG : πG(g) := [πK,G ↓ UG](g) (k, g)} {πK,G = k∈U = Prof. Dr. Gerhard Goos K k∈UK { Schluß jeder einzelnen Information nicht widerspricht. Vorherige Kombination der Informationen aber läßt präzisere Schlüsse zu. {πK(k), πK,G(k, g)}}. Unscharfe Mengen, SS2002: Possibilitätstheorie Beweisskizze: Verallgemeinerung des Begriffes Spezifität. Notwendige Bed.: π min- Das Verfahren heißt Prinzip von Kombination/Projektion 223 Possibilitäts-Theorie XX Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: Possibilitätstheorie 221 Possibilitäts-Theorie XVIII Anwendungen des Prinzips: 1. Gewinnung von Wissen als Lernvorgang • Sammeln und Zusammenfassen von Informationen Beispiele: • Diagnosestellung: Sammle Informationen über ein Krankheitsbild bei verschiedenen Ärzten. Zugewinn von Wissen verfeinert die Gesamtinformation. • adaptive Regler (spätere Vorlesung) 2. regelbasiertes possibilistisches Schließen: - Aufstellen einer festen Regelbasis - variable Prämissen als Eingabe - Propagieren durch die Regelbasis - Ausgabe von Konklusionen Beispiel: klassische unscharfe Regler Wir erhalten wieder die max-min-Komposition! Unscharfe Mengen: Kompatibilität zu Komposition von scharfen Relationen als Motivation für max-min. War die Wahl wirklich eindeutig? (betrachte max-Produkt-Komposition als Alternative) Möglichkeitsverteilungen: Einfache, intuitive Semantik als Modellierung unsicherer Informationen führt zu eindeutiger Wahl der max-minKomposition! In der Anwendung Mischformen von 1 und 2 (z.B. lernende Regler) Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: Possibilitätstheorie 224 Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: Possibilitätstheorie 222 Evidenztheorie I Possibilistische Regelwerke I Beispiel: Quelle üblen Geruchs Erinnerung: natürlichsprachliche Regeln 1 Peter THEN y is B , IF x is A i i Heidi deren Prädikate mit Hilfe unscharfer Mengen beschrieben sind, d.h. →B ] [A i i 0 Ort Possibilitätsverteilung: Keine Möglichkeit, zu erkennen, ob Ort mit hohem Möglichkeitsgrad die Quelle enthält (positive Argumente) oder einfach nicht besucht wurde (Unwissen). Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: Possibilitätstheorie 227 Evidenztheorie II (i = 1, . . . , n). Possibilistische Interpretation von Prädikaten: ” als π ≡ µ . Auf diese Weise schränkt A die Variable Deute “x is A x i Ai i x flexibel ein. Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: Possibilitätstheorie 225 Possibilistische Regelwerke II Wahl der Inferenzrelation πR(x,y) Idee: Ein Typ von Information, der Aussagen bei Vorhandensein von Wissen unterstützt. Definition: (Evidenzverteilung) Sei x unscharfe Variable auf einem Universum U. Eine Evidenzverteilung von x ist eine Funktion σx : U → [0, 1]. Mindestanforderung: πx ≡ µAi ⇒ πy ≡ µBi , wobei πy = πx ◦ πR(x,y). Lösung ist bekannt! (vgl. unscharfe Relationengleichungen) Falls eine Lösung existiert, so schreibt das PmS die Wahl der größten Lösung — der Gödelrelation — vor: σx(u) gibt den Grad der Unterstützung der Aussage x = u an. σx(u) = 0 ⇔ x = u wird nicht gestützt. σx(u) = 1 ⇔ x = u wird uneingeschränkt unterstützt. R(x, y) := n αB ) (A i i i=1 ∀(u, v) ∈ Ux × Uy : πR(x,y) (u, v) = 1, falls µAi (u) ≤ µBi (v) . = µBi (v), falls µAi (u) > µBi (v) i=1,...,n Völliges Unwissen über x: σx ≡ 0. ⇒ Die possibilistische Inferenzrelation ist eindeutig festgelegt. Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: Possibilitätstheorie 228 Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: Possibilitätstheorie 226 Evidenztheorie V Evidenztheorie III In der Possibilitätstheorie werden Verteilungen durch Hinzunahme von Wissen spezifischer (kleiner). Im Gegensatz dazu werden in der Evidenztheorie positive Argumente gesammelt, die Verteilungen werden kompletter (wachsen). Allgemeine Kombination von Evidenzverteilungen: geg.: σx, σx,y ges.: ableitbare Verteilung σy Mit ähnlicher Argumentation wie in der Possibilitätstheorie erhält man den wegen des PmK eindeutigen Kombinationsmechanismus ∀v ∈ Uy : σy(v) = u∈Ux σx(u) ≥ σx‘(u) . {σx(u), σx,y(u, v)} kurz: σy = σx ◦ σx,y Analog zum PmS wird in der Evidenztheorie die Gültigkeit des Prinzips der minimalen Komplettierung (PmK) angenommen: Trotz unterschiedlicher Semantik liefern Possibilitäts- und Evidenztheorie denselben Mechanismus zur Kombination von Verteilungen! Prof. Dr. Gerhard Goos Definition: (komplett) Eine Evidenzverteilung σx einer unscharfen Variablen x auf dem Universum U heißt genau dann mindestens so komplett wie σx‘, wenn für alle u ∈ U Unscharfe Mengen, SS2002: Possibilitätstheorie 231 Evidenzverteilungen sollten zwar immer so komplett wie möglich angegeben werden, aber nie kompletter, als es das vorhandene Wissen erlaubt. Prof. Dr. Gerhard Goos Evidenztheorie VI Unscharfe Mengen, SS2002: Possibilitätstheorie 229 Evidenztheorie IV Kombination von Evidenzverteilungen: geg.: σ1x, σ2x ges.: aus σ1x und σ2x ableitbare Verteilung σx Bedeutung Bedeutung Grenzfall Bedeutung Grenzfall Unwissen Aggregation I Aggregation II Possibilitätsverteilung πx(u) ist Grad der Möglichkeit, daß x = u πx(u) = 0 x = u unmöglich πx(u) = 1 x = u uneingeschränkt möglich πx ≡ 1 π1x, π2x gegeben ⇒ πx ≤ {π1x, π2x} πx, πy gegeben ⇒ πx,y ≤ {πx, πy} Evidenzverteilung σx(u) ist Grad der Unterstützung, daß x = u σx(u) = 0 x = u nicht unterstützt σx(u) = 1 x = u uneingeschr. unterstützt σx ≡ 0 σ1x, σ2x gegeben ⇒ σx ≥ {σ1x, σ2x} σx, σy gegeben ⇒ σx,y ≥ {σx, σy} Axiom e1: ∀u ∈ U : σx(u) ≥ σ1x(u) ∧ σx(u) ≥ σ2x(u) mit PmK: σx(u) = {σ1x(u), σ2x(u)} geg.: σx, σy ges.: aus σx und σy ableitbare gemeinsame Verteilung σx,y Axiom e2: ∀(u, v) ∈ U × V σx,y(u, v) ≥ σx(u) ∨ σx,y(u, v) ≥ σy(v) mit PmK: σx,y(u, v) = {σx(u), σy(v)} ⇒ Kein duales Konzept zu Possibilitätsverteilungen (sonst max in Axiom e2)! Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: Possibilitätstheorie 232 Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: Possibilitätstheorie 230 Evidenzgestützte Regelwerke II Possibilität und Evidenz I Entstehen durch Kombination nicht normalisierte Möglichkeitsverteilungen, so weist dies auf inkonsistentes Wissen hin. Beschränkung auf eine Regel: und B die Regel Frage: Wie muß bei vorgegebenen A σR(x,y) gewählt ⇒ An Möglichkeitsverteilungen kann der Grad der Konsistenz des Wissens abgelesen werden: werden? ◦R =B . Gesucht ist wieder eine Lösung der Relationengleichung A πx ist *-konsistent :⇔ H(πx) = * Das PmK schreibt als Wahl die kleinste Lösung der Gleichung vor. Entstehen durch Kombination nicht normalisierte Evidenzverteilungen, so weist dies auf unvollständiges Wissen hin. Wiederholung: Es existieren im allgemeinen nur verschiedene minimale Lösungen, die bzgl. ihrer Komplettheit nicht vergleichbar sind. ⇒ An Evidenzverteilungen kann der Grad der Vollständigkeit des Wissens abgelesen werden: σx ist *-vollständig :⇔ H(σx) = * Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: Possibilitätstheorie 235 Evidenzgestützte Regelwerke III Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: Possibilitätstheorie 233 Evidenzgestützte Regelwerke I Modellierung natürlichsprachlicher Regeln in der Evidenztheorie: Beobachtung: Wenn σy die Unterstützung von Werten für y darstellt, dann ist diese Aussage auch für alle σy richtig, die höchstens so komplett sind wie σy: σy ⇒ σy , falls ∀v ∈ V THEN y is B , IF x is A i i deren Prädikate mit Hilfe unscharfer Mengen beschrieben sind, d.h. →B ] [A i i σy (v) ≤ σy(v) . Folge: Die Regel σx ⇒ σy enthält implizit die Regel σx ⇒ σy für alle σy , die höchstens so komplett sind wie σy. ◦R = Die gesuchte Relation σR(x,y) muß damit auch alle Gleichungen A für alle B ⊆ B lösen. B (i = 1, . . . , n). Evidenzgestützte Interpretation von x is A i als σx ≡ µAi Folge: Modellierung der Regeln durch σx ≡ µAi ⇒ σy ≡ µBi , wobei σy = σx ◦ σR(x,y). Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: Possibilitätstheorie 236 Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: Possibilitätstheorie 234 Herleitung Minimum-Relation III Herleitung Minimum-Relation I ◦R =B für R Beispiele für minimale Lösungen von A 1 Ableitung der Minimum-Relation aus Relationengleichung: aller Gleichungen Satz: Die Vereinigung aller minimalen Lösungen für R und B . Sie löst A ◦ R = B mit B ⊆ B ist die Minimum-Relation Rc aus A ◦R =B lösbar ist und ist dann auch minimal. alle Gleichungen, wenn A 1 0.8 0.8 0.6 0.6 0.4 0.4 0.2 0.2 0 0 0 0 2 2 4 4 10 x 10 x 8 6 8 6 6 y 4 8 6 4 8 2 10 y 2 10 0 Prof. Dr. Gerhard Goos 0 Unscharfe Mengen, SS2002: Possibilitätstheorie Bedeutung: Wegen der Maximalitäts- und Minimalitätseigenschaft von Gödel-Relation und Minimum-Relation werden diese in Possibilitätsund Evidenztheorie eindeutig als Inferenzrelationen für negative und positive Regeln identifiziert. 239 Prof. Dr. Gerhard Goos Herleitung Minimum-Relation IV Unscharfe Mengen, SS2002: Possibilitätstheorie 237 Herleitung Minimum-Relation II Vereinigung der minimalen Lösungen für R ◦R =B von A , B Gegeben: Unscharfe Mengen A A B 1 1 0.8 0.8 0.6 0.6 0.4 0.4 0.2 0.2 1 0.8 0.6 0.4 0.2 0 0 2 4 10 x 8 6 6 4 8 y 2 10 Prof. Dr. Gerhard Goos 00 2 4 6 8 10 00 2 4 6 8 10 0 Unscharfe Mengen, SS2002: Possibilitätstheorie 240 Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: Possibilitätstheorie 238 Herleitung Minimum-Relation VII Herleitung Minimum-Relation V , die alle Gleichungen A ◦R = B mit B ⊆ B Die minimale Relation R löst, ist die Vereinigung der Vereinigungen der minimalen Lösungen jeder einzelnen obiger Gleichungen. Es gilt µR(u, v) = Vereinigung der minimalen Lösungen für R von A ◦ R = B , wobei B ⊆ B {µA(u), µB(v)} . B’ 1 0.8 1 0.8 0.6 1 0.4 0.6 0.8 0.2 0.6 0 0 0.4 0.4 0.2 2 0 0 4 10 x 2 8 6 0.2 6 4 8 4 10 x 10 6 4 8 y 2 8 6 00 2 4 6 8 0 10 y 2 10 Prof. Dr. Gerhard Goos 0 Unscharfe Mengen, SS2002: Possibilitätstheorie 243 Prof. Dr. Gerhard Goos Evidenzgestützte Regelwerke IV Unscharfe Mengen, SS2002: Possibilitätstheorie 241 Herleitung Minimum-Relation VI Ergebnis: ∀(u, v) ∈ Ux × Uy : σR(x,y)(u, v) := von A ◦R =B , wobei B ⊆ B Vereinigung der minimalen Lösungen für R {µA(u), µB(v)} B’ ist die kompletteste Lösung des Gleichungssystems ◦R =B A für alle 1 ⊆ B , B 0.8 1 0.8 0.6 die ohne Zusatzinformation abgeleitet werden darf. 0.4 0.6 0.2 0 0 Mehrere Regeln: Sei σRi (u, v) := {µAi (u), µBi (v)} die Relation für die i-te Regel. Jede Konsequenz σyi = σx ◦ σRi stellt eine gültige Information für y dar. Nach Axiom e1 und PmK werden sie also kombiniert: ∀v ∈ Uy : σy(v) = Prof. Dr. Gerhard Goos i∈{1,2,...n} 0.4 2 4 10 x 8 6 0.2 6 4 8 y 2 10 00 2 4 6 8 0 10 {σyi (v)} Unscharfe Mengen, SS2002: Possibilitätstheorie 244 Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: Possibilitätstheorie 242 Unscharfes Schließen I Evidenzgestützte Regelwerke V Unscharfes Schließen: Konstruktion von Schlußfolgerungen aus unscharfen Wissensbasen, z.B. unscharfen Regelsystemen. Scharfes Schließen als Spezialfall berücksichtigen! THEN y is B Regel IF x is A spezifiziert Relation R[A→B] im Produktraum U × V. Dabei sind x, y linguistische Variable, die B annehmen können. linguistische Werte A, Dies ist identisch mit [Übung] ∀(u, v) ∈ Ux × Uy : σR(u, v) := σy = 3 Betrachtungsebenen: 1. syntaktische Ebene: Anwendung der Max-Min-Komposition auf R [A→B] liefert zu Eingabe aus U eine Ausgabe aus V (und umgekehrt). 2. semantische Ebene: Auf der syntaktischen Ebene berechnete Ergebnisse entsprechen der Erwartung des Entwerfers. i∈{1,2,...n} σx ◦ σ R {σRi (u, v)} Anschaulich: Es macht keinen Unterschied, ob jede Regel einzeln angewendet und das Ergebnis kombiniert wird oder ob die Regeln zu einer Metaregel kombiniert und diese angewendet wird. Auf diese Weise wird der populäre Mamdani-Regler (s. spätere Vorlesung) auf das theoretische Fundament der Evidenztheorie gestellt. 3. Meta-Ebene: Anwendung des Modus Ponens bzw. Modus Tollens Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfes Schließen 247 Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: Possibilitätstheorie Unscharfes Schließen II Semantik von Regeln der Form ”Wenn .. dann ..” Beispiele für mögliche Schlußfolgerungen: Falls eine Tomate rot ist, so ist sie reif. Diese Tomate ist sehr rot. Diese Tomate ist sehr reif. Falls eine Tomate rot ist, so ist sie reif. Diese Tomate ist nicht rot. Unscharfes Schließen Diese Tomate ist nicht reif. Falls ich eine Erkältung habe, bin ich krank. Ich bin nicht erkältet. Ich bin krank oder ich bin gesund. ⇒ Erwartungen an Inferenz nicht eindeutig. ⇒ Erwartungen an Inferenz kontextabhängig. Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfes Schließen 248 245 Unscharfes Schließen III Übersicht Inferenz-Relationen I gegeben: mit µA : U → [0, 1] und B mit µB : V → [0, 1] A Inferenz-Relationen: : Minimum-Relation: R c (Mamdani) := [A ↑ U × V ] ∩ [B ↑ U × V] R c µRc (u, v) := THEN v is B IF u is A u is A [µA(u), µB(v)] (t-Norm: Minimum.) : Produkt-Relation: R p (Larsen) := [A ↑ U × V ] ∩ [B ↑ U × V] R p (t-Norm: Produkt.) (Zadeh) := [A ↑ U × V ] ∪ [B ↑ U × V] R a µRa (u, v) := THEN v is B IF u is A v is B u is A [1, 1 − µA(u) + µB(v)] [1, x + y].) (co-t-Norm: begrenzte Summe Prof. Dr. Gerhard Goos v is B Verallgemeinerter Modus Tollens (GMT): µRp (u, v) := µA(u) · µB(v) : arithmetische Relation: R a Verallgemeinerter Modus Ponens (GMP): Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfes Schließen 251 Prof. Dr. Gerhard Goos 249 Unscharfes Schließen IV Übersicht Inferenz-Relationen II : boolesche Relation: R b Realisiert man GMP bzw. GMT durch die allgemeinere := [A ↑ U × V ] ∪ [B ↑ U × V] R b µRb (u, v) := compositional rule of inference (CRI) [1 − µA(u), µB(v)] mit geeigneter Inferenz-Relation R [A→B] , so bestimmt R[A→B] die Eigenschaften der Regelauswertung. (co-t-Norm: Maximum.) : Standard-Relation: R s := [A ↑ U × V ] → [B ↑ U × V] R s 1 falls µA(u) ≤ µB(v) µRs (u, v) := 0 falls µA(u) > µB(v) Wiederholung der CRI: [A→B] und u hat den Wert A . Was kann dann über u und v stehen in der Beziehung R v ausgesagt werden? : Gödel-Relation: R G R G Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfes Schließen := [A µRG (u, v) := ↑ U × V] → 1 µB(v) [B (u, v) is R [A→B] u is A ↑ U × V] falls µA(u) ≤ µB(v) falls µA(u) > µB(v) = A ◦R v is B B] [A→ mit der max-min oder max-t-Komposition ◦. Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfes Schließen 252 Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfes Schließen 250 Unscharfes Schließen VII Unscharfes Schließen V Ausgezeichnete Inferenz-Relationen: Beispiel: =A αB Gödelrelation R G ◦R • ist die größte Lösung von A B] = B, falls eine Lösung existiert. [A→ Wenn die Tomate rot ist, dann ist sie reif. Die Tomate ist rot. • stellt als Implikation negatives Wissen über R B] dar. [A→ Betrachte modus ponens mit klassischer Implikation a → b: – a → b (“wenn a wahr, dann nur b möglich”) – ¬a → b ∨ ¬b (“wenn a falsch, dann ist für b alles möglich”) ⇒ negative Interpretation als Ausschluß von ¬b unter der Vorbedingung a Die Tomate ist reif. 1 0.8 0.6 0.4 0.2 0 2 und Produkt-Relation R Minimum-Relation R c p • stellen als Konjunktionen (t-Normen) positives Wissen über R B] [A→ dar. Betrachte modus ponens mit klassischer Konjunktion a ∧ b: – a → b (“wenn a wahr, dann nur b möglich”) – ¬a erlaubt für b keinen gültigen Schluß ⇒ positive Interpretation als Unterstützung von b unter der Vorbedingung a 20 rot 10 10 reif 20 0 Äquivalenz, Gödel-Relation in beide Richtungen Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfes Schließen 255 Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfes Schließen VIII Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfes Schließen 253 Unscharfes Schließen VI Beispiel: Beispiel: Wenn x ungefähr 8, dann y ungefähr 14. x ist ungefähr 8. Wenn der Himmel wenig bewölkt ist, regnet es nicht. Es regnet nicht. y ist ungefähr 14. Der Grad der Bewölkung ist beliebig. 1 0.8 0.6 0.4 0.2 0 2 1 0.8 0.6 0.4 0.2 0 20 8 ungefaehr 8 20 0 5 15 10 ungefaehr 14 20 0 20 Unscharfe Abbildung oder Konjunktion, Minimum-Relation Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfes Schließen 2 wenig bewoelkt 10 10 regnet nicht Implikation, Gödel-Relation 256 Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfes Schließen 254 Einfache Regelanwendung III Einfache Regelanwendung I Darstellung der unscharfen Eingabe A Wir betrachten im folgenden drei Fälle anhand eines Beispiels: ). 1. allgemeines Vorgehen am Beispiel der Minimum-Relation (R c 2. vereinfachtes Vorgehen nach Umformung (nur möglich bei Minimum ). Relation und Produkt-Relation R p ein 3. Fall 2. mit der zusätzlichen Einschränkung, daß die Eingabe A scharfer Wert ist. 0.8 0.6 0.4 0.2 0 0 0 2 2 4 4 u 6 6 8 v 8 10 Prof. Dr. Gerhard Goos 10 Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfes Schließen 259 Prof. Dr. Gerhard Goos Einfache Regelanwendung IV Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfes Schließen 257 Einfache Regelanwendung II zur Regel [A → B] : Minimum-Relation R c µR(u, v) = [µA(u), µB(v)]: 1. allgemeiner Ansatz: Darstellung der beiden unscharfen Mengen A aus Regel [A → B] in U × V × [0, 1]. und B Praemisse A und Konsequenz B Minimum-Relation 1 1 0.8 0.8 0.6 0.6 0.4 0.4 0.2 0.2 0 0 0 0 0 4 4 4 u 6 6 0 2 2 2 2 4 u v 6 6 8 v 8 8 8 10 10 10 10 Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfes Schließen 260 Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfes Schließen 258 Einfache Regelanwendung VII Einfache Regelanwendung V Bestimmung von ) mit R : Schnitt von Zyl(A µR (u, v) = µB (v) = [µA (u), µR(u, v)]. := [µA (u), µR(u, v)] u µR (u, v). u geometrisch gedeutet: Schnitt von Zyl(A’) und R(A,B) • Bestimmung von µR (u, v) := [µA (u), µR(u, v)] mit der zylindrischen Erweiterung von A entspricht Schnitt von R auf U × V: 1 0.8 = R ∩ [A ↑ (U × V )]. R 0.6 0.4 • Maximierung dieses Ergebnisses über alle u ∈ U entspricht Projektion des entstandenen Volumens auf V × [0, 1]: 0.2 0 0 0 2 2 4 4 u 6 6 = [R ↓ V ], B v 8 8 10 10 d.h.: µB (v) = Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfes Schließen 263 Prof. Dr. Gerhard Goos Einfache Regelanwendung VIII u µR (u, v). Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfes Schließen 261 Einfache Regelanwendung VI auf V × [0, 1]: Projektion von R µB (v) = u : Zylindrische Erweiterung der Eingabe A ) = [A ↑ (U × V )]: Zyl(A µR (u, v). Zyl(A’) B’ = A’ o R(A,B) 1 0.8 1 0.8 0.6 0.6 0.4 0.2 0.4 0 0 0 2 2 4 4 0.2 u 6 6 v 8 8 10 10 0 10 8 4 6 2 0 v Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfes Schließen 264 Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfes Schließen 262 Einfache Regelanwendung XI Einfache Regelanwendung IX Dieser allgemeine Ansatz ist auf beliebige Inferenz-Relationen anwendbar, jedoch immens rechenaufwendig. 3. vereinfachte Regelanwendung bei scharfer Eingabe: = 1/a: gegeben: scharfe Eingabe a ∈ U, d.h. A µB (v) = u = [µA (u), µA(u)]], µB(v) [ µA(a), [ (bzw. die Produkt-Relation Wählt man jedoch die Minimum-Relation R c verRp mit Produkt als T-Norm), so läßt sich die Bestimmung von B c) einfachen: (am Beispiel von R µB (v) = µB(v)] = = = u u u [ [µA (u), µRc (u, v)]] [ [µA (u), [ [ [µA (u), µA(u)], µB(v)]] [ [µA (u), µA(u)]], µB(v)] [ u [µA(u), µB(v)]]] µA ∩A(u), µB(v)] µ (v)] [H(A ∩ A), B := [ u := D.h.: und A : • Bestimmung des Schnittes von A u Prof. Dr. Gerhard Goos := A ∩ A. A : H := h(A ). • Bestimmung der Höhe von A • “Abschneiden” von B an Höhe H. v Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfes Schließen 267 Anwendung allg. Regeln I Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfes Schließen Einfache Regelanwendung X Anwendung einer allgemeinen Regel: 2. vereinfachte Regelanwendung: (⇒ Minimum- oder Produkt-Relation!) wird durch Komplementbildung realisiert: • negierte Prämisse ¬A → B] ≡ [A → B]. [¬A • ODER-verknüpfte Prämisse A ∨ 265 wird durch Aufspaltung in zwei B µB (v) = u [ [µA (u), µA(u)]], µB(v) Regeln realisiert: ∨ B) → C] ≡ [A → C] ∧ [B → C]. [(A ∧B wird durch Verbund A ∗B realisiert: • UND-verknüpfte Prämisse A ∧ B) → C] ≡ [(A ∗ B) → C], [(A wobei ∗B = [A ↑ (U × V )] ∩ [B ↑ (U × V )], A d.h.: µA∗B(u, v) = Prof. Dr. Gerhard Goos [µA(u), µB(v)]. Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfes Schließen u 268 Prof. Dr. Gerhard Goos v Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfes Schließen 266 Anwendung allg. Regeln IV Anwendung allg. Regeln II UND-verknüpfte Prämisse: ∧ B) → C] auf Eingaben A und B erfolgt Die Anwendung der Regel [(A wiederum mit Max-Min Komposition: am Beispiel zweier scharfer Eingaben a und b: = (A ∗B ) ◦ S, C nun eine drei-stellige Relation wobei S µS : U × V × W → [0, 1] darstellt. u v für die S ist jedoch durch die Wahl der zwei-stelligen Relationen R einfache Regel bereits eindeutig bestimmt: w µS(u, v, w) := µR(µA∗B(u, v), µC(w)) = µR( [µA(u), µB(v)], µC(w)). Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfes Schließen 271 Prof. Dr. Gerhard Goos Anwendung mehrerer Regeln I Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfes Schließen 269 Anwendung allg. Regeln III Anwendung mehrerer Regeln: oder R als vorteilhaft. Wiederum erweist sich die Wahl von R c p (1) lokale Regelanwendung: →B ] auf die Eingabe A erfolgt Die Anwendung mehrerer Regeln [A i i zumeist durch Bestimmung der Teilergebnisse = A ◦R B i i Im Falle von Minimum- und Produkt-Relation wird die Vereinigung gebildet: (expansion inferences) = B i i ◦R ). (A i i Für alle anderen vorgestellten Inferenz-Relationen wird der Durchschnitt bestimmt: (reduction inferences) B lokal = i Prof. Dr. Gerhard Goos B i = = [ [µA ∗B (u, v), µS(u, v, w)]] [ [ [µA (u), µB (v)], µRc ( [ = u,v = ... = [ [ [µA (u), µB (v)], [ [µA (u), µA(u)]], = . und geeignete Verknüpfung dieser Teilergebnisse B i B lokal = µC (w) u,v u,v u [µA(u), µB(y)], w)]] [µA(u), µB(v), µC(w)]]] v [ [µB (v), µB(v)]], µC(w)] ⇒ Regelauswertung analog zur einfachen Regel: und B • Bestimmung von A ), h(B )] • “Abschneiden” von C bei [h(A ◦R ). (A i i Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfes Schließen 272 Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfes Schließen 270 Anwendung mehrerer Regeln IV Anwendung mehrerer Regeln II (2) globale Regelanwendung: Somit ergibt sich für die (lokale) Auswertung zweier UND-verknüpfter Regeln (Minimumc) Relation R 1 ∧ B 1) → C 1] und [(A 2 ∧ B 2) → C 2] [(A und B : mit unscharfen Eingaben A ≡ [A → B ] über gemeinsamem ProdukAlle Inferenz-Relationen R i i i aggregiert traum werden zu einer einzigen Relation R = R R i (expansion inferences) i = R bzw. R i (reduction inferences) i liefert Ergebnis: Anwendung der Max-Min Komposition auf R B global = A ◦ R u v w u v Zusammenhang zwischen (1) und (2): w 1. Expansions-Inferenzen: B global = Blokal u v Distributivität von ◦ über ∪: ∪ T) = (R ◦ T) ◦ (S ◦ S) ∪ (R R w 2. Reduktions-Inferenzen: B global ⊆ Blokal schwache Distributivität von ◦ über ∩: ∩ T) ⊆ (R ◦ S) ◦ T) ◦ (S ∩ (R R Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfes Schließen 275 Anwendung mehrerer Regeln V mit scharfen Eingaben a und b: u v w v Prof. Dr. Gerhard Goos u v Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfes Schließen 273 Anwendung mehrerer Regeln III Somit ergibt sich für die (lokale) Auswertung zweier UND-verknüpfter Regeln (Minimumc) Relation R 1 ∧ B 1) → C 1] und [(A 2 ∧ B 2) → C 2] [(A u Prof. Dr. Gerhard Goos w Beachte: In Possibilitäts- und Evidenztheorie spiegelt sich die Differenzierung in Expansions- und Reduktionsinferenzen in den Semantiken wider (Axiome p1 und e1). w Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfes Schließen Motivation für Differenzierung von Expansions- und Reduktions-Inferenzen: und Prämisse A einer Regel komplett unkorreliert: Seien Eingabe A A ∩ A = ∅. dieser Regel sollte demnach keinen Einfluß auf das Das Ergebnis B Gesamtergebnis haben, i.e. neutrales Element der Überlagerung sein. und R liefert B = ∅. ∅ ist neutrales Element • Anwendung von R c p von ∪. = U . U ist neutrales • Anwendung der übrigen Relationen liefert B B B Element von ∩. 276 Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfes Schließen 274 Unscharfe Regelung II Klassische Regelungstechnik • Modellierung der Regelstrecke (meist System von Differentialgleichungen) • Berechnung des Reglers (Verfahren abhängig von Modell der Regelstrecke) Probleme bei scharfer Regelung: Unscharfe Regelung II 1. 2. 3. 4. 5. Verfügbarkeit des mathematischen Modells Entwicklungsaufwand für Modellierung Berechnungsaufwand Ungenauigkeiten bei Messung, Stellgliedern und Berechnung Stabilität bei nicht-linearer Regelung (Beschreibungsfunktionen, Popow-Kriterium, Methode von Ljapunow: Einschränkungen bzgl. Anwendbarkeit, Aussagekraft) 6. Reglerentwurf und Stabilitätsprüfung auf Grundlage des Modells → Qualität der Ergebnisse abhängig von Qualität des Modells Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfe Regelung 279 Unscharfe Regelung III Unscharfe Regelung I Regelung: Herstellung oder Erhaltung einer angestrebten Situation an einem vorgegebenen, zeitabhängigen System. Die angestrebte Situation wird durch die Führungsgröße definiert. Unscharfe Regelung: Störungen • Sammeln qualitativen Wissens über Prozeß und seine Regelung: intuitive Zusammenhänge, Expertenwissen • Formulierung eines regelbasierten Reglers (umgangssprachlich) • regelbasiertes Modell wird durch unscharfes Schließen “berechenbar” Führungsgröße Regler Regelabweichung Regelstrecke Regelgröße Stellgröße Regelungsziele: • konstante Führungsgröße • Führungsgröße als Funktion der Zeit • ein Gebiet als Führungsgröße, in dem die Regelgröße zu halten ist Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfe Regelung 280 Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfe Regelung 278 Grundidee unscharfer Regelung Beispiel: Miniatur-Roboter KHEPERA 1100 schwarzer Kunststoff grauer Kunststoff 1000 900 • Beschreibung des gewünschten Reglerverhaltens mit Hilfe umgangssprachlicher, qualitativer Regeln. • Quantifizierung linguistischer Werte durch unscharfe Mengen. • Regel-Auswertung durch Verfahren der unscharfen Logik. • Motorola 68331 Mikro-Controller • 256 KByte RAM, 256 KByte ROM • 2 Schrittmotoren, 600 Schritte/Umdrehung, d.h. ein Schritt entspricht 1/12 mm • 8 Entfernungs- und UmgebungslichtSensoren Siemens SFH900: primitiv, aber kompakt • 2 Akkus für autonomen Betrieb 800 Holz 700 weisser Kunststoff 600 500 400 300 200 100 0 0 2 1 3 4 5 6 Abstand zum Objekt [cm] typische Kennlinien eines Entfernungssensors Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfe Regelung 283 Anwendung Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfe Regelung 281 KHEPERA – lokale Kollisionsvermeidung 10 Regeln für das KHEPERA-System: 1. Wenn prox l45, prox l10, prox r10 und prox r45 alle nicht nah, dann setze speed l und speed r auf einen hohen Wert. 2. Wenn prox l45, prox l10, prox r10 und prox r45 alle nah, dann setze speed l und speed r auf einen negativen Wert. 3. Wenn prox l45 nah, jedoch prox l10, prox r10 und prox r45 alle nicht nah, dann setze speed l auf einen hohen und speed r auf einen niedrigen Wert. 4. Wenn prox r45 nah, jedoch prox l45, prox l10 und prox r410 alle nicht nah, dann setze speed r auf einen hohen und speed l auf einen niedrigen Wert. 5. Wenn prox l45 und prox l10 nah, jedoch prox r45 nicht nah, dann setze speed l auf einen niedrigen und speed r auf einen negativen Wert. 6. Wenn prox r45 und prox r10 nah, jedoch prox l45 nicht nah, dann setze speed r auf einen niedrigen und speed l auf einen negativen Wert. 7. Wenn prox l10 nah, jedoch prox l45, prox r10 und prox r45 alle nicht nah, dann setze speed l auf einen hohen und speed r auf einen niedrigen Wert. 8. Wenn prox r10 nah, jedoch prox l45, prox l10 und prox r45 alle nicht nah, dann setze speed r auf einen hohen und speed l auf einen niedrigen Wert. 9. Wenn prox l90 nicht nah und prox r90 nah, dann setze speed l auf einen niedrigen und speed r auf einen negativen Wert. 10. Wenn prox r90 nicht nah und prox l90 nah, dann setze speed r auf einen niedrigen und speed l auf einen negativen Wert. Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfe Regelung 284 prox_l10 prox_r10 prox_l45 prox_r45 Eingabe: Entfernungs-Sensorik Ausgabe: Motor-Geschwindigkeiten Ziel: Kollisionsvermeidung, d. h. möglichst sanftes“ Umfahren von ” Hindernissen prox_l90 speed_l speed_r prox_lbk Prof. Dr. Gerhard Goos prox_r90 prox_rbk Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfe Regelung 282 7 Alternative: Interpolationsverfahren Verwandte unscharfe Mengen: • Reduktion von Regeln auf Punkte: aus Wenn Temperatur hoch, dann Kaltwasserhahn weit auf“ ” wird Wenn Temperatur ” 50◦C, dann Kaltwasserhahn auf Winkel 1 prox_l10 270◦“. • Unschärfe durch Ähnlichkeit: Wenn Temperatur ungefähr 50◦C, dann Kaltwasserhahn ungefähr auf Winkel ” 270◦“. • mehrere Regeln: Interpolation zwischen Punkten prox_l90 NAH90 NAH10 0 0 250 500 750 1023 0 250 1 prox_l45 500 speed_l NEGATIV Vorteile: • analytisches Verhalten der interpolierenden Funktion kann vorgegeben werden (linear, quadratisch, Glattheit ...) • oftmals sind direkt scharfe Daten vorhanden ⇒ näher an den Anforderungen des Ingenieurs“ ” Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfe Regelung 750 NIEDRIG NAH45 0 250 287 500 750 Prof. Dr. Gerhard Goos Einsatzgebiete unscharfer Regler 1023 0 -15 -10 -5 0 5 10 15 20 Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfe Regelung 285 vereinfachte(!) Regelauswertung aktuelle Eingabe sei l90, l45, l10, r10, r45, r90: 1. Regel: Wenn prox l45, prox l10, prox r10, prox r45 nicht nah, dann speed l hoch µ1speed l (s) = • direkte Regelung: oft nur einfache einstufige Regelwerke • übergeordnete Regelung supervisory control – Ablaufsteuerungen – Auswahl direkter Regler – Adaption direkter Regler [1 − µNAH45(l45), 1 − µNAH10(l10), 1 − µNAH10(r10), 1 − µ NAH45 (r45), µHOCH (s)] ... ... 10. Regel: Wenn prox r90 nicht nah und prox l90 nah, dann speed l negativ µ10 speed l (s) = Gesamtergebnis: µspeed l = 10 i=1 [1 − µNAH90(r90), µNAH90(l90), µNIEDRIG (s)] µispeed l . (Beachte: µspeed l ist eine unscharfe Menge, die noch in einen scharfen Stellwert umgewandelt werden muß, etwa mit Schwerpunktmethode.) Der allgemeine Ansatz ist weitaus komplexer! Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfe Regelung 288 Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfe Regelung 286 Abstumpfung Regelungsmechanismen unscharfer Regler WissensBasis Abbildung vom beobachteten Eingabe-Raum U in den Raum der unscharfen Menge über U. - Abstumpfung • konzeptionelle Abstumpfung: Schärfung Strecke InferenzMechanismus U x ∈ U wird zur unscharfen Menge 1/x ∈ 2 (reiner Repräsentationswechsel!) • bewertende Abstumpfung: Einbringen von Kenntnissen bzgl. der Qualität der Messungen (z.B. Wahrscheinlichkeit). unscharfer Regler ReferenzMengen Regelbasis InferenzMechanismus Zumeist liegt rein konzeptionelle Abstumpfung vor. Gründe: • Einfachheit der Berechnung • Robustheit des unscharfen Mechanismus Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfe Regelung Aktion Strecke 291 Regelbasis und Referenzmengen zur ling. Variablen F: linguistischer Wert AF = (N, A) N: Name von AF, (etwa “niedrig”) : unscharfe Menge auf dem Wertebereich U von F, quantitative BeA schreibung von AF. Basis-Regel eines unscharfen Reglers: THEN S is B, IF F is A Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfe Regelung Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfe Regelung 289 Komponenten eines unscharfen Reglers linguistische Variable F = (N, U, W): N: Name von F, (etwa “Geschwindigkeit”) U: Wertebereich von F, (etwa [0, 100]) W : Menge der linguistischen Werte, die für F definiert sind. wobei F, S: linguistische Variable B : unscharfe Mengen linguistischer Werte A und B A, F S sind. Bedingung 1. Abstumpfung (fuzzification): – Messung und Skalierung der Eingabewerte – Umsetzung in geeignete unscharfe Mengen 2. Regelbasis bzw. Regelbasis + Referenz-Mengen: – Festlegung der in der Modellierung verwendeten Begriffe, sowie – Relationen zwischen diesen Begriffen (in Form von Regeln) 3. Inferenz-Mechanismus: – Kern des Reglers – Verknüpfung der unscharfen Eingaben mit Regeln zur Bestimmung unscharfer Stellgrößen 4. Schärfung (defuzzification): – Bestimmung scharfer Stellgrößen und deren Skalierung und 292 Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfe Regelung 290 Datenbasis Regelbasis Quantifizierung der in der Regelbasis verwendeten unscharfen Werte: unscharfe Mengen über den betroffenen Universen. (a) evt. Diskretisierung / Normalisierung: – Diskretisierung: Wahl der Abtastrate δ: Effizienz vs. Sensibilität (aber meist von der Technik vorgegeben) – Normalisierung: a-priori-Wissen über Wertebereiche nötig (b) unscharfe Partitionierung: – Anzahl der ling. Werte einer ling. Variablen (Granularität) ⇒ bestimmt maximale Anzahl von Regeln. (c) Wahl der linguistischen Werte: – Form der Zugehörigkeitsfunktionen (Dreieck, Trapez, GaussKurve, . . .) – Grad der Überlappung Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfe Regelung 295 1. Formulierung von Expertenwissen: Notieren aller Situationen, die qualitativ unterschieden werden können. Legt die Granularität der Regelbasis fest (Anzahl der linguistischen Werte und Regeln). 2. Beobachtung eines erfahrenen Bedieners: Sammeln von Meßdaten 3. Lernvorgang • Clusterbildung auf Meßdaten • Satz von Meta-Regeln zur Regel-Generierung/-Modifikation 4. Ableitung aus unscharfem Prozeß-Modell (3. und 4.: aktuelle Forschung) Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfe Regelung Vollständigkeit der Datenbasis 293 Eine Regel Regler muß auf jeden Zustand mit geeigneter Aktion antworten! • Datenbasis-Strategie: *-Vollständigkeit: := A eines Universums aller ling. Werte A – für Vereinigung A i i i gilt: ∀x ∈ U : µA(x) ≥ *. oder: gilt: ∀x ∈ – für die Summe der Zugehörigkeitsfunktionen aller A i U: µAi (x) ≥ *, i µAi (x) = 1. meist i • Regelbasis-Strategie: ⇒ ⇒ THEN S is B IF F is A i i ist i.a. positiv formuliert: ,,Wenn die (modifizierte) Führungsgröße F den (scharfen, unscharfen) annimmt, dann setze die Stellgröße S auf den (scharfen, unWert A i .” scharfen) Wert B i ) ist, dann führe viel (≡ B ) ,,Wenn die Temperatur (≡ F) hoch (≡ A i i Kühlwasser (≡ S) zu.” (siehe spätere Folie) Negative Regeln kommen seltener vor, erweisen sich dann aber als sehr nützlich: Die Wahl der Datenbasis besitzt entscheidende Bedeutung für Güte der Regelung. Sie wird zumeist wiederholt optimiert. ) ein Hindernis (≡ F) befindet, dann fahre (≡ ,,Wenn sich rechts (≡ A i ).” S) nicht nach rechts (≡ B i Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfe Regelung 296 Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfe Regelung 294 Schärfung des unscharfen Stellwertes B konzentriert wird; Ziel: plausibelster Punkt v0, in dem B wichtigste Methoden: 1. Schwerpunkt Bestimmung des Flächenschwerpunktes: v · µB (v) v µB (v) · v v∈V v0 := V bzw. v0 := µB (v) v µB (v) Regelbasis Vollständigkeit der Regelbasis: (COA) v∈V V ⇒ zusätzliche Information über Verläßlichkeit πv0 von v0: µB (v) · v πv0 := v∈V v Konsistenz der Regelbasis: v∈V 2. Mittelwert der Maxima (MOM) Bestimmung des Mittels der Werte mit maximaler Zugehörigkeit: µB (v) v v . V := {v | µB (v) = [µB (v )]}, v0 := V bzw. v0 := v |V| v ∈V V 3. Maximum Auswahl eines v ∈ V mit maximaler Zugehörigkeit. Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfe Regelung Regelbasis-Strategie: inkrementelle Erweiterung einer initialen Regelbasis, falls – eine beobachtete Situation nicht durch bestehende Regeln abgedeckt – die Reglerantwort unbefriedigend/falsch ist – die Reglerantwort zu unzuverlässig ist. (etwa Abszisse πv0 des Schwerpunktes v0 < *) v∈V (MAX) 299 Überprüfung auf der Ebene der Regel-Formulierung – hier dürfen keine qualitativen Widersprüche existieren. Problem: Wechselwirkungen der Regeln Beispiel: System mit n Regeln Ri i THEN S is B i, Ri : IF F is A j nicht unbedingt B j. liefert bei Eingabe von A Prof. Dr. Gerhard Goos Schärfungsmethoden Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfe Regelung 297 Inferenz-Mechanismus (siehe auch Abschnitt Unscharfes Schließen) (a) Festlegung der Inferenz-Relation: – pragmatisch festgelegt (Anforderungen an Verhalten, Effizienz) – theoretisch fundiert (Possibilitäts- und Evidenztheorie) , R (positive Regeln) oder R (negative ⇒ in der Praxis meist R c p G Regeln) MOM COA MAX (b) Verarbeitung mehrstelliger Prämissen: Wahl der t-Norm für die UND-Verknüpfung, i.a. Minimum oder Produkt. Wahl der Komplementfunktion für die Negation, i.a. 1 − x. COA MOM Meist Wahl des COA-Verfahrens, aber Vorsicht bei nichtkonvexen Mengen (inkonsistente Schlüsse)! (c) Anwendung mehrerer Regeln: – Aggregation der Ergebnisse einzelner Regeln Aggregation: Vereinigung, Durchschnitt, . . . Problembeispiel: Ausweichen vor Hindernissen. Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfe Regelung 300 Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfe Regelung 298 Automatikschaltung I Entwurf eines unscharfen Reglers Anwendungsbeispiel: Regulierung einer Automatikschaltung (VW, Gruppe Kruse, 1995) In Abhängigkeit von der Geschwindigkeit des Autos, der Stellung des Gaspedals und des aktuellen Gangs wird bestimmt, ob ein Gangwechsel durchgeführt wird. Geschwindigkeit 3−4 4−3 2−3 3−2 1−2 Ablauf des Reglerentwurfs 1. Wahl der Eingangsgrößen (Meßgrößen und daraus ableitbare Werte) Wahl der Ausgangsgrößen (Stellgrößen) 2. Festlegen der Wertebereiche und evtl. der Diskretisierung 3. Festlegen der Abstumpfung, des Inferenzmechanismus und des Schärfungsverfahrens 4. Definition der linguistischen Terme (vollständig?) 5. Aufstellen der Regelbasis (konsistent und vollständig?) 6. Simulation, Test, Bewertung ⇒ zurück zu Punkt 4 (evtl. auch Pkt. 3) 2−1 ⇒ Stellung des Gaspedals keine Modellbildung des Prozesses, sehr viele Freiheitsgrade! Kennlinien der Schaltpunkte Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfe Regelung 303 Prof. Dr. Gerhard Goos Automatikschaltung II Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfe Regelung 301 Zusammenfassung Situation: Automatikschaltung hat zwei Modi, die manuell gewählt werden: Sport oder Eco. Der Modus beeinflußt die Schaltzeitpunkte: • niedrige Drehzahlen für ökonomische Fahrweise • höhere Drehzahlen für sportliche Fahrweise (1) Abstumpfungs-Strategie: konzeptionelle Abstumpfung (reiner Repräsentationswechsel): x ∈ Ux → 1/x ∈ 2Ux Geschwindigkeit (2) Datenbasis (Referenz-Mengen, ling. Werte): Polygone (Dreiecke, Trapeze) (3) Regelbasis: einschichtig, keine Hierarchie, keine unscharfen Zwischenergebnisse (4) Inferenz-Mechanismus: Minimum- bzw. Produkt-Relation (einfach und effizient), selten Gödel-Relation (5) Schärfungs-Strategie: zumeist Schwerpunktverfahren 3 − 4 SPORT 3 − 4 ECO 4 − 3 SPORT 4 − 3 ECO Stellung des Gaspedals Kennlinien der Schaltpunkte zwischen drittem und vierten Gang in Sport- und Eco-Modus Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfe Regelung 304 Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfe Regelung 302 Automatikschaltung V Automatikschaltung III Regler: Ableiten eines Sportfaktors aus • Gaspedalstellung (Fahrsituation) • Geschwindigkeit und Anzahl der Vorzeichenwechsel der Gaspedalbewegung (Fahrertyp) • “altem” Sportfaktor Interpolation zwischen Schaltkurven: • Sportfaktor = 0%: Eco-Stellung • Sportfaktor = 100%: Sport-Stellung • Sportfaktor ∈ (0, 100)%: linear interpolieren zwischen Eco- und SportStellung Klassifikation des Fahrers und der Fahrsituation Berechnung der Schaltpunkte Ziel: Stufenlose Regulierung der Schaltzeitpunkte, die • automatisch erfolgt • dem Fahrertyp angepaßt ist Vorgehen: 1. Einteilung von Testpersonen in normale, sportliche, vorsichtige und nervöse Fahrer 2. einstündige Testfahrten mit Aufzeichnung verschiedener Meßgrößen Pedalstellung Pedalgeschwindigkeit Sportfaktor(t) Vorzeichenwechsel der Pedalbewegung Verschiebung der Schaltpunkte in Abhängigkeit des Sportfaktors Ergebnis: maßgebliche Größe zum Unterscheiden der Fahrertypen ist die Geschwindigkeit der Gaspedalbewegung Gangwahl Sportfaktor(t−1) Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfe Regelung 307 Prof. Dr. Gerhard Goos Automatikschaltung VI Ergebnis: • einfacher, intuitiver Entwurf • gemeinsame Verarbeitung von Meßdaten und unscharfen Regeln von Experten • keine neuen Sensoren notwendig ⇒ einfache, effektive Anpassung des Schaltverhaltens an verschiedene Fahrertypen, wird seit 1995 serienmäßig bei VW eingebaut (z.B. auch im neuen Käfer) Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfe Regelung 305 Automatikschaltung IV Zusammenfassung des Vorgehens: • unscharfe Klassifikation von Fahrertypen aufgrund statistischer Meßdaten ⇒ Histogramme als Zugehörigkeitsfunktionen • Vorzeichenwechsel der Gaspedalbewegung zur Unterscheidung nervöser und sportlicher Fahrer • Glättung der Regelung durch Berücksichtigung alter Sportfaktoren und bestimmter Fahrsituationen (z.B. wenn ein sportlicher Fahrer den Fuß vom Gas nimmt, soll der Sportfaktor groß bleiben) Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfe Regelung 308 Histogramme als unscharfe Klasseneinteilung der Fahrer vorsichtig normal nervös sportlich Geschwindigkeit der Gaspedalbewegung Problem: bei nervösen Fahrern soll ähnlich wie bei vorsichtigen geschaltet werden ⇒ Unterscheidung zwischen nervösen und sportlichen Fahrern: Anzahl der Vorzeichenwechsel bei der Pedalbewegung Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfe Regelung 306 Takagi Sugeno vs. Mamdami Regler von Takagi Sugeno Deutung des Takagi Sugeno-Reglers: • eine Regel ρi ist lokale Kennlinie des Reglers im unscharfen Bereich A i • die Aggregation aller Regeln entspricht dem Zusammensetzen lokaler Kennlinien fi zu der globalen Kennlinie f • in den Überlappungsbereichen gehen lokale Kennlinien weich ineinander über Mamdani-Regler versus Takagi Sugeno-Regler: • Mamdani-Regler beschreibt unscharfe Punkte oder lokale Bereiche • Takagi Sugeno-Regler beschreibt lokale Verläufe ⇒ es wird unterschiedliches Wissen über die Regelungsstrategie vorausgesetzt Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfe Regelung 311 Mamdani Regler 5 B Feststellung: Regler ist eine Abbildung f : U −→ V Unscharfer Regler: Realisierung von f durch Abstumpfung, Inferenz, Schärfung Deutung eines Mamdani-Reglers (mit Gödel-Inferenz ähnlich): • eine Regel ist ein unscharfer Punkt in U × V (wenn wie üblich kon B gewählt werden) vexe Zugehörigkeitsfunktionen für A, • die Aggregation aller Regeln ist eine unscharfe Überdeckung von f • ein unscharfer Regler interpoliert zwischen unscharfen Punkten Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfe Regelung 309 Regeln des Takagi Sugeno-Reglers and F is B and ... ρi: if F1 is A i 2 i then S = fi(F1, F2, . . .) V mit scharfen Abbildungen fi : U −→ V. fi sind meist Polynome; es reichen oft konstante oder lineare Funktionen, also 4 B 3 B fi(F) = ai + bi · F 2 B bei einer Führungsgröße. 1 B Der Takagi Sugeno-Regler wird nur mit scharfen Führungsgrößen F i = xi eingesetzt (konzeptionelle Abstumpfung). U 1 A 2 A 3 A 4 A 5 A Unscharfe Überdeckung der Reglerkennlinie f mit unscharfen Regeln nach Mamdani. Zusammenfassen der Regelergebnisse S = fi(F1, F2, . . .) durch gewichtetes Mitteln gemäß der Erfüllungsgrade hi = (µAi (F1), µBi (F2), . . .): hi · fi(F1, F2 . . .) i S= hi i Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfe Regelung 312 Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfe Regelung 310 Interpolation II Takagi Sugeno Regler V V f4 s4 f2 s3 s2 f3 f1 s1 a1 a2 1 A 2 A a3 3 A a4 U U 4 A Bemerkung: Das Ergebnis läßt sich leicht verallgemeinern • auf mehrdimensionale Führungsgrößen. Man erhält dann eine multilineare Interpolation. • auf andere Zugehörigkeitsfunktionen für die Prämissen. So kann man z.B. quadratisch, kubisch usw. interpolieren. Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfe Regelung 315 2 A 1 A 3 A 4 A Unscharfes Zusammensetzen lokaler Kennlinien fi zu globaler Kennlinie f nach Takagi Sugeno. Prof. Dr. Gerhard Goos Interpolation III Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfe Regelung 313 Interpolation I Deutung von Interpolation als Inferenzverfahren auf Grundlage einer Regelbasis ρi: Wenn F ungefähr gleich ai, dann S ungefähr gleich meist genutzter Spezialfall des Reglers nach Takagi Sugeno: si . Inferenz: • Interpretation von µAi (F) als Maß hi für die Gleichheit von F und ai • Gewichtung der zugehörigen Konklusionen si mit µAi (F) • Ergebnis S als gewichtete Summe n n S= hi · si = µAi (F) · si . konstante Funktionen fi := si: then S = s ρi : if F is A i i (hier nur eindimensionales F betrachtet) berechnet. Theorem: Gegeben sei ein Regler nach Takagi Sugeno mit n Regeln, eindimensionaler Führungsgröße und konstanten Konklusionen f i := si. seien Seien a1, a2, . . . an Stützpunkte mit ai < ai+1. Die Prämissen A i Dreiecksfunktionen mit Punkten (ai−1, 0), (ai, 1), (ai+1, 0) bzw. Rampen und A . Dann ist funktionen (a1, 1), (a2, 0) und (an−1, 0), (an, 1) für A n 1 der Regler identisch mit einer stückweise linearen Interpolation zwischen der Folge von Punkten (ai, si). Vergleich mit Takagi Sugeno: ersetze Multiplikation durch “min” als verknüpfende t-Norm. Beweis: Übung. i=1 Da nach Konstruktion im Theorem Vorgehen von Takagi Sugeno. n i=1 µAi (F) = 1 gilt, ist dies identisch mit dem i=1 • mehrdimensionale Führungsgrößen: Ähnlichkeit von (F1, F2, F3 . . .) mit Stützpunkten (ai, bi, ci . . .) wird durch hi = µAi (F1) · µBi (F2) · µCi (F3) · · · Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfe Regelung 316 Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfe Regelung 314 Beispiel: Inverses Pendel Interpolation IV Aufgabe: Balancieren eines Stabes durch Krafteinwirkung auf den Wagen • intuitiv modellierbar • “gesunder Menschenverstand” mit gewisser Feinabstimmung völlig ausreichend. θ Wissen aus 3. und 4. kann nicht in einen Mamdani-Regler integriert werden. F Prof. Dr. Gerhard Goos Einsatz von Interpolation bietet sich an, wenn 1. Wissen über die Reglerfunktion in Form von Stützpunkten (a i, si) gegeben ist; 2. die Unschärfe eines vagen Ausdrucks wie “warm” nicht quantifiziert werden kann → z.B. Reduktion von “warm” auf “ungefähr 30 Grad” → scharfer Stützpunkt ai = 30 3. Wissen über Reglerabbildung f der Bauart “f ist annähernd linear, quadratisch usw.” vorhanden ist; 4. analytisches Forderungen an f wie Monotonie vorhanden sind. Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfe Regelung 319 Inverses Pendel Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfe Regelung 317 Unscharfe Regelung — Fazit Beispiel-Regel: WENN der Winkel θ in seinem mittleren negativen Bereich ist Vorteile: • Reglerentwurf ohne besondere Modell-Kenntnisse möglich • Reglerentwurf in vielen Fällen deutlich vereinfacht und schneller (“Zeit ist Geld!”) • höhere Regelgüte möglich (bei bestimmten Prozessen) UND die Winkelgeschwindigkeit θ ungefähr Null ist, DANN sollte die Kraft F in ihrem mittleren positiven Bereich sein Matrix aller benötigten Regeln: θ ng nm nk uN pk pm Nachteile: • Nachweis der Stabilität (wie bei allen nicht-linearen Systemen) • Auswahl und Quantifizierung der ling. Werte erfordert i.a. Erfahrung • keine einheitliche Theorie, viele Freiheitsgrade beim Entwurf (Inferenz-Relation, Inferenz-Mechanismen, Abstumpfungs- und Schärfungsst pg mit: θ ng pg nm pm nk pk nk pk uN nk pk nk uN pg pk pm pm pm pg pk ng=“negativ groß” nm=“negativ mittel” nm nm ng uN=“um Null” pk=“positiv klein” ... nm nk ng → Feineinstellung unscharfer Regler durch Lern- bzw. Optimierungsverfahren ⇒ robuste und leistungsfähige Regelung Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfe Regelung 320 Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfe Regelung 318 Inverses Pendel: Takagi Sugeno Regler Beispiel Inverses Pendel θ Reglermodell: • dreieckigen Zugehörigkeitsfunktionen • scharfen Konklusionen • Multiplikation als t-Norm für Konjunktion von Prämissen → multilineare Interpolation s Wahl der Zugehörigkeitsfunktionen: negativ Null l Zustandsraum X = Xs × Xs × Xθ × Xθ: • Winkel θ und Winkelgeschwindigkeit θ • Wagenposition s und -geschwindigkeit s positiv Stellgröße u: Kraft F an Wagen r 0 dynamisches System Pendel: xt+1 = f(xt, ut) für jede der vier Zustandsgrößen • drei linguistische Werte • eigene Parameter l und r Ziel der Regelung • Stab ausbalancieren, Wagen in Bahnmitte (s = s = θ = θ = 0) • Vorgabe eines Optimalitätskriteriums zeitoptimale, energieoptimale, ... Regelung hier: zeitoptimal mögliche Werte für F und Fd: {−10N, 0N, +10N} Einstellen der acht Parameter: gezielte “Trial&Error-Strategie” Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfe Regelung 323 Inverses Pendel: Reglerverhalten Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfe Regelung Inverses Pendel: Zweischichtiger Entwurf Sieben Regeln je Schicht . θ 0.5 0.4 θ s . s 0.2 erste Schicht 0.15 0.3 0.2 0.1 0.1 theta [rad] s [m] 321 0 -0.1 -0.2 -0.3 0.05 Fd Struktur des Reglers: 0 zweite Schicht -0.05 -0.1 -0.15 -0.4 -0.5 F -0.2 Zeit Zeit Wagenposition θ θ \ N 0 P P 0 P P 0 N 0 P N N N 0 Regeln der ersten Schicht Winkel vier aufeinander folgende Trajektorien (vier Startpositionen) Dauer jeder Trajektorie: 15s Entwicklungszeit: 2 Stunden Fd N s s\ P 0 N N N N N 0 P N N N N N N Regeln 0 s s s\ N 0 P s\ P N P P P 0 N 0 P 0 N N N P N der zweiten Schicht P N P P P 0 P P P P P P P linguistische Werte: N = “negativ”, 0 = “um Null”, P = “positiv” Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfe Regelung 324 Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfe Regelung 322 Inverses Pendel: Reglerverhalten 0.5 0.2 0.4 Einfacher unscharfer Regler 0.15 0.3 0.1 0.2 theta [rad] 0.1 s [m] Inverses Pendel: Ergebnis 0 -0.1 -0.2 + + − − 0.05 0 -0.05 -0.1 -0.3 -0.15 -0.4 -0.5 Zielbereich wird grob erreicht Stab fällt nicht mehr um starke Oszillationen lange Einschwingzeiten -0.2 Zeit Zeit Wagenposition Beobachtung: Hierarchie schließt einige Kombinationen von Prämissentermen aus Winkel Alle Kombinationen von θ, θ, die auf identisches Fd abgebildet werden, können in der zweiten Schicht nicht unterschieden werden. vier aufeinander folgende Trajektorien (vier Startpositionen) Dauer jeder Trajektorie: 7s Entwicklungszeit: 20 Stunden Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfe Regelung 327 Prof. Dr. Gerhard Goos Inverses Pendel: Ergebnis Neuentwurf: mit 59 Regeln Zielbereich wird erreicht und gehalten Stab fällt nicht mehr um schwache Oszillationen Einschwingzeiten akzeptabel Überschwingen akzeptabel → relativ gute Qualität s s\ Problem: abstrakte Optimierungsziele wie Zeitoptimalität, Energieoptimalität, geringes Überschwingen usw. können nur durch “Trial&Error” grob angenähert werden. → per Hand keine vernünftige Optimierung möglich. Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfe Regelung 325 Inverses Pendel: Einschichtiger Entwurf Aufwendiger unscharfer Regler + + o o o Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfe Regelung 328 N 0 P P θ θ\ P 0 N N 0,N N N 0 0 0 N P P 0,P 0 θ θ\ P 0 N N N,0 N N 0 P P N P P P 0,P θ θ\ P 0 N N 0 N N 0 P P 0 P P P 0,P 0 θ θ\ P 0 N N N,0 N N 0 0 N N P P P,0 0,N θ θ\ P 0 N N 0,N N N 0 P 0 N P P P 0,P θ θ\ P 0 N N 0,P N,0 N 0 P P 0 P P P P,0 N θ θ\ P 0 N N 0,N N N 0 0 N N P P P 0 θ θ\ P 0 N N 0,N N N 0 P N N P P P P,0 θ θ\ P 0 N N 0 0,N N 0 P 0 0 P P P 0,P Prof. Dr. Gerhard Goos Unscharfe Mengen, SS2002: unscharfe Regelung 326