Gestaltung eines Informationsmodells für ein prozeßorientiertes

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Gestaltung eines Informationsmodells für ein prozeßorientiertes
Kundenbindungsmanagement
Helmke, S.; Dangelmaier, W.
Kontakt:
Stefan Helmke, Heinz-Nixdorf-Institut der Universität Paderborn, [email protected], Telefon: 0177/5721994
1.
Motivation
Im Zuge der zunehmenden Individualisierung der Kundenwünsche, der anhaltenden
Wandlung von Verkäufer- zu Käufermärkten und eines sich verschärfenden Wettbewerbs gewinnt die nachhaltige Bindung jedes einzelnen Kunden für den Wert eines
Unternehmens zunehmend an Bedeutung. Um sich von einem ruinösen, rein preisorientierten Wettbewerb zu differenzieren, verfolgen Unternehmen unterschiedlichste
Anstrengungen, um sich durch eine ausgeprägte Kundenorientierung abzuheben.
Katalysiert durch neue DV-technolgische Entwicklungen, die in CRM(Customer Relationship Management)-Systemen zum Ausdruck kommen, geraten Unternehmen
somit unter Zugzwang, die Kundenzufriedenheit und damit die Kundenbindung hoch
zu halten.
Der Entwicklungsstand der CRM-Systeme, die als Technology Enabler für ein verbessertes Kundenbindungsmanagement zu verstehen sind, steht allerdings noch am
Anfang. Dies wird daraus ersichtlich, daß bisherige Realisierungen von CRMSystemen im wesentlichen an der Erhöhung der Effizienz, weniger an der Verbesserung der Effektivität im Kundenbindungsmanagement ansetzen. Dadurch sind zwar
schneller meßbare Erfolge in Form von Kosteneinsparungen dokumentierbar. Doch
wird das eigentliche Hauptziel, die Verbesserung der Effektivität der inhaltlichen
Kundenbearbeitung, ausgedrückt in einer höheren Kundenzufriedenheit und damit
auch Kundenbindung, bisweilen in der unternehmenspraktischen Anwendung vernachlässigt. Dieser Aspekt, gepaart mit dem zu verzeichnenden Techno logy Push in
diesem Entwicklungsgebiet, zeigt auf, daß ein Bedarf insbesondere an konzeptionellen Weiterentwicklungen besteht, um auch die Kundenbearbeitung inhaltlich zu optimieren.
Dazu bedarf es im ersten Schritt der Schaffung eines ganzheitlichen, systematischen
Informationsmodells für das Kundenbindungsmanagement, das dem Anspruch gerecht wird, darauf aufbauend entsprechende Optimierungen zu gestalten. Der Ansatz
für dieses Informationsmodell leitet sich somit aus den Erfordernissen der Optimierung ab. Der Phasencharakter einer Transaktion eines Unternehmens mit einem
Kunden erfordert einen differenzierten Einsatz der Maßnahmen des Kundenbindungsmanagements, z. B. Beratung während des Kaufs versus After-Sales-Service
nach Kauf in der Verwendungsphase. Daraus leitet sich ab, ein prozeßorientiertes
Informationsmodell zu gestalten. Dabei sind die Prozesse nicht wie in Modellen zur
Abbildung von Abwicklungsprozessen im Vertrieb aus Unternehmenssicht zu gesta lten, sondern entlang des Interaktionsprozesses zwischen Unternehmen und Kunden.
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Anzumerken ist, daß benachbarte Gebiete des Marketings, wie Produktgestaltung
oder Kommunikation/Branding nicht in die Optimierung und damit auch nicht in das
Informationsmodell einfließen. Die zu treffende ceteris-paribus -Annahme ist wichtig,
um Kompensationseffekte zwischen den Teilbereichen des Marketings im Rahmen
der Optimierung des Kundenbindungsmanagements zu vermeiden, welche die Optimierungsergebnisse und sich daraus ergebende Implikationen verschleiern. Zweifelsohne wirkt auch insbesondere die Produktgestaltung auf die Kundenzufriedenheit
ein. Allerdings ist die getroffene ceteris-paribus-Annahme zulässig, da die Wirkungsbeiträge auf die Kundenzufriedenheit durch Produktmerkmale einerseits und Maßnahmen des Kundenbindungsmanagements andererseits mit Hilfe von ConjointAnalysen differenziert werden können.
Das im folgenden vorgestellte Informationsmodell ist aufgrund seiner Ganzheitlichkeit
in der Betrachtung des Kundenbindungsmanagements neuartig. Ganzheitlich heißt,
daß für die Informations- und Aktionsseite des Kundenbindungsmanagements ein
homomorphes Abbild der Realität der Kundenbeziehungen geschaffen wird. Deshalb
sind entlang des Interaktionsprozesses zwischen Unternehmen und Kunden nicht
nur “harte“ Faktoren einer Kundenbeziehung, z. B. Kostendaten und Umsatzzahlen
zu erfassen, sondern darüber hinaus auch Informationen zur Zufriedenheit der Kunden, ihr Reklamationsverhalten, ihre sozioökonomischen Merkmale bis hin zu “weichen Faktoren“ wie persönlichen Einstellungen, psychographischen Merkmalen und
Kaufverhalten. Das Informationsmodell ermöglicht es zudem, sowohl die Menge aller
Kundenpositionen und -reaktionen als auch die Menge aller möglichen Maßnahmen
des Unternehmens im Rahmen des Kundenbindungsmanagements abzubilden.
Das entwickelte prozeßorientierte Informationsmodell liefert zudem die Basis nicht
nur für eine statistisch-deterministische Optimierung des Instrumenteneinsatzes eines Unternehmens im Kundenbindungsmanagement, die aus einer Momentaufna hme heraus lediglich einmalige Steuerungsaussagen ermöglicht und somit Lebenszyklen sowie Bedürfnisverschiebungen nicht gerecht wird. Vielmehr ist zur Steuerung
eine indeterministisch-dynamische Methode zu konzipieren, die zusätzlich gewonnenes Wissen über die Wirkung von Instrumenten auf Kunden und ihr Verhalten über
mehrere Perioden in die Optimierung integriert.
Es kann also auf Basis des konzipierten Informationsmodells ein selbstoptimierendes
Kundenbindungsmanagement gestaltet werden, das die Qualität der Optimierung
und Steuerung im Kundenbindungsmanagement wesentlich erhöht. Wie die obigen
Ausführungen zeigen, bedarf es dreier Bausteine, um den Ansprüchen der Selbstoptimierung gerecht zu werden: Informationsmodell, Steuerungsalgorithmus und Lernalgorithmus zur Verbesserung des Wissens über Wirkungen von Instrumenten.
Im folgenden Beitrag erfolgt eine Spezifizierung des ersten Bausteins, des Informationsmodells. Dazu wird im zweiten Kapitel der Modellierungsansatz mit seinen einzelnen Konstrukten und Elemente erläutert. Daran anknüpfend erfolgt im dritten Kapitel die Zusammenfügung zu einem ganzheitlichen, prozeßorientierten Informationsmodell für das Kundenbindungsmanagement, ehe im vierten Kapitel Ausblick im wesentlichen auf die Funktion des Informationsmodells für Optimierungsmethoden –
also Steuerungs- und Lernalgorithmus - eingegangen wird.
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2.
Modellierungsansatz
Aus der Palette der Modellierungsansätze zur Abbildung betriebswirtschaftlicher Prozesse wird das Modell der Fertigung (MFert) für die Abbildung der Prozesse im Kundenbindungsmanagement gewählt. . Das MFert bildet Produktionsprozesse über alternierende Drei- und Vierecke ab. Die Dreiecke symbolisieren Produktionsfaktoren
(Potential- und Repetierfaktoren), die Vierecke einzelne Fertigungsvo rgänge
Dieser scheinbare Widerspruch der Anwendung eines Modells mit Entwicklungsherkunft Produktion im Einsatzgebiet Kundenbindungsmanagement existiert nur auf den
ersten Blick, da die Anwendung in der Produktion zwar namensgebend war, das Modell aber ansonsten universell einsetzbar ist.
Da im Fokus dieses Beitrags die Erläuterung des Ansatzes steht, sei nur kurz erlä utert, welche Vorteile das MFert gegenüber anderen Modellierungsansätzen in dieser
Anwendung liefert. Die besondere Eignung des MFert zur Abbildung der Prozesse im
Kundenbindungsmanagement resultiert zum einen aus seiner semantischen Vielseitigkeit an Modellkonstrukten. Zum anderen ist es möglich, Klassenhierarchien abzubilden, die es erlauben, die Informationen für ein effektives, kundengruppendifferenziertes Kundenbindungsmanagement steuerungsadäquat abzubilden.
Die allgemein formulierten Modellierungskonstrukte des MFert sind wegen der produktionswirtschaftlichen Herkunft des Modells bisher vornehmlich in diesem Bereich
angewendet worden. Sie dienen sowohl zur Abbildung von Referenzmodellen als
auch konkreter Informationsmodelle für Produktionssysteme. Aufgrund der universellen Einsetzbarkeit ist eine Übertragung auf andere Bereiche möglich. Im folgenden
wird die Eignung der Konstrukte des MFert zur Schaffung eines ganzheitlichen Informationsmodells für das Kundenbindungsmanagement analysiert. Dazu werden
jeweils Analogien der Konstrukte zwischen der Anwendbarkeit in der Produktionswirtschaft und im Kundenmanagement und deren konkrete Interpretation aufgezeigt.
Die zu analysierenden Konstrukte sind im einzelnen Elemente (Kapitel 2.1), Vorgänge (Kapitel 2.2) und Zeit-Mengen-Achse (Kapitel 2.3), wobei die Analyseergebnisse
in Kapitel 2.4 zusammengefaßt werden.
2.1
Elemente
An den Elementen, die in der produktionswirtschaftlichen Anwendung als Fertigungselemente bezeichnet werden, werden Fertigungsvorgänge verrichtet. Sie befinden sich in einem bestimmten Zustand und werden durch Merkmale beschrieben.
Die Elemente im Kundenmanagement stellen die Kunden dar, an denen Vorgänge,
die Maßnahmen des Kundenbindungsmanagements, verrichtet werden. Die Kunden
können sich in unterschiedlichen Zuständen befinden. Die für das Kundenbindungsmanagement entscheidende Zustandsausprägung im Hinblick auf die Steuerungsrelevanz ist dabei die jeweilige Kundenzufriedenheit. Zudem sind die Kunden durch
Merkmale zu beschreiben, um sie einerseits eindeutig identifizieren zu können und
andererseits eine wesentliche Orientierungsbasis für die Prozeßsteuerung zu liefern.
Dazu sind als Merkmale nicht nur die persönlichen Daten und „harten“ Faktoren der
Kundenbeziehung, wie z. B. Umsätze, sondern nach Möglichkeit alle verfügbaren
kundenverhaltensrelevanten Informationen zu erfassen. Im Gegensatz zu den Merk161
malsinformationen über die Fertigungselemente sind diese Informationen für die
Kundenelemente nicht immer vollständig und zweifelsfrei korrekt erhebbar. Zudem
unterliegen diese Informationen dynamischen Veränderungen.
Die Fertigungselemente werden hierarchisch zu Fertigungselement-Klassen zusammengefaßt. Das entspricht im Kundenbindungsmanagement der Zusammenfassung
von Kunden zu Kundenzielgruppen bzw. Kundenclustern, die mit Hilfe der Segmentierung gebildet werden.
Für diese Klassifizierung aus Kundensicht sind nicht nur die bloßen Ist-Merkmale
entscheidend. Vielmehr sind für die Klassenbildung hinsichtlich einer gleichen Steuerungsnotwendigkeit die Ähnlichkeit der zu erwartenden Verhaltensreaktionen der
Kunden auf Maßnahmen des Kundenbindungsmanagements relevant. Gleichwohl
leiten sich diese aus den Ist-Merkmalen des Kunden ab.
Zudem ist in diesem Zusammenhang die Priorität, die das Unternehmen dem Kunden einräumt, entscheidend. Die Priorität eines Kunden richtet sich nach dem Pote ntial, das ein Unternehmen in einem Kunden zur Erreichung seiner betriebswirtschaftlichen Ziele sieht. Zur Operationalisierung dieses Potentials können verschiedene
Kenngrößen Anwendung finden, wie z. B. der mögliche Umsatz in der Folgeperiode
oder der Customer-Lifetime-Value.
Eine weitere Klassifizierung der Kunden erfolgt hinsichtlich der Prozeßstufe, in der
sich der Kunde gerade befindet. Diese wird nicht im Klassifkationsbaum abgebildet,
sondern spiegelt sich im prozeßorientierten Aufbau des Informationsmodells wider.
Die Klassifizierung der Kunden richtet sich also zum einen nach den aus IstMerkmalen abgeleiteten verhaltensrelevanten Merkmalen, zum anderen nach der
Steuerungsnotwendigkeit bezüglich des Kundenpotentials und letztendlich der Prozeßstufe, in der sich der Kunde aktuell befindet. Formal ergibt sich also die Aufgabe,
die K-Kunden eines Unternehmens in Ki für i = 1, ..., n homogene, untereinander aber möglichst heterogene Klassen einzuteilen. Ohne im Detail näher darauf einzugehen, damit der Rahmen dieses Beitrags nicht gesprengt wird, empfiehlt sich aufgrund
der erläuterten drei Sichten Kunden-, Unternehmens- und Prozeßsicht ein dreistufiges Vorgehen zur Klassifizierung (Vgl. dazu ausführlich Helmke 2000, S. 38ff).
In der produktionswirtschaftlichen Anwendung werden die Fertigungs-Elemente in
Repetierfaktoren, z. B. Materialien, und Potentialfaktoren, z. B. Maschinen, unterschieden. Die Repetierfaktoren gehen als Input in den Produktionsvorgang voll ein
und werden zu einem Output transformiert. Die Potentialfaktoren geben Leistung in
den Produktionsvorgang ab, befinden sich danach in einem anderen Zustand, z. B.
Rüstzustand, bleiben aber weiterhin existent.
Im Kundenbindungsmanagement könnte eine analoge Unterscheidung getroffen
werden, indem als Repetierfaktoren die Kunden und als Potentialfaktoren die entsprechenden Organisationseinheiten des Kundenbindungsmanagements im Unternehmen anzusehen sind. Diese mögliche Unterscheidung kann im Kundenmanagement für Steuerungszwecke vernachlässigt werden. Sie besitzt dort Leerformelcharkater. Die organisationalen Einheiten sind zwar Aufgabenträger des Prozesses, ihre
Konstellation ändert sich jedoch nach Durchführung einer Maßnahme des Kundenbindungsmanagements nicht wesentlich, so daß eine Steuerungsrelevanz abgeleitet
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werden könnte. Allein das der organisationalen Einheit zur Verfügung stehende Budget ändert sich. Dieses wird jedoch bei den zu modellierenden Maßnahmen und Instrumenten berücksichtigt.
Zu beachten ist, daß die Kunden - analog zu den Repetierfaktoren – durch Maßna hmen des Kundenmanagements in einen anderen Zustand transformiert werden. So
soll z. B. eine Servicemaßnahme den Kunden in einen Zustand höherer Kundenzufriedenheit versetzen. Der Kunde selbst bleibt dabei als Element bestehen. Der Output des Kundenbindungsmanagementprozesses äußert sich also in einem Kunden in
einem veränderten, maßnahmenapostrophiert höheren Zufriedenheitszustand. Die
Möglichkeit, im Fertigungsprozeß mehrere Elemente zu einem oder mehreren neuen
Elementen miteinander zu kombinieren, wird im Kundenbindungsmanagement nicht
benötigt. Dieser Unterschied stellt die Eignung des MFert für das Kundenbindungsmanagement nicht in Frage. Vielmehr muß lediglich der semantische Spielraum des
MFert nicht vollständig ausgenutzt werden.
Letztendlich sind die Fertigungs-Elementknoten das analoge Konstrukt zu den Kundenelement-Knoten, die eine Hierarchie von Kundenklassen beschreiben.
2.2. Vorgänge
Die Vorgänge stellen im Rahmen des MFert einen Teilschritt des Gesamtprozesses
dar und transformieren mittels eines Verfahrens ein Element zielgerichtet von einem
Zustand in einen anderen. Das entspricht in der produktionswirtschaftlichen Anwe ndung den Fertigungsteilprozessen.
Im Kundenbindungsmanagement werden durch Maßnahmen, wie z. B. Reparaturservice, Kunden von einem Zustand in einen anderen transformiert, z. B. von einem
Zustand geringer Zufriedenheit in einen Zustand höherer Zufriedenheit. Die Maßnahmen entsprechen also den Vorgängen. Ebenso wie in der produktionswirtschaftlichen Anwendung kann eine Klassenbild ung dieser Maßnahmen durchgeführt werden. Die Klassen werden hinsichtlich der Steuerungsnotwendigkeit und einheitlicher
Merkmale der Maßnahmen gebildet. Das grundsätzliche Merkmal zur Klasseneinteilung ist dabei die Prozeßstufe, in der die Maßnahme eingesetzt wird. Zudem ist zur
operativen Nutzung des Informationsmodells jeder Maßnahme ein identifizierendes
Attribut zuzuordnen.
Für die Herleitung der weiteren Merkmale zur vollständigen steuerungsrelevanten
Beschreibung einer Maßnahme werden im folgenden Analogien zu den Merkmalen
herangezogen, welche die Transaktion eines Produktes bzw. einer Dienstleistung –
hier subsumiert im Begriff Leistung – von einem Unternehmen zu einem Kunden
konstituieren. Diese Merkmale sind im einzelnen (Oehme 1992, S. 138ff.):
??
??
??
??
??
Leistungserbringer
Art des Leistungsaustausches
Leistungsempfänger
Preis der Leistung
Kosten der Leistung
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Der Leistungserbringer einer Maßnahme des Kundenbindungsmanagements ist nicht
zwangsläufig das Unternehmen, welches das Produkt produziert hat. Aufg rund der
vom Unternehmen gewählten Distributionskanäle kann eine Maßnahme des Kundenbindungsmanagements ebenso durch einen Absatzmittler durchgeführt werden.
Auch können die Maßnahmen von unterschiedlichen Maßnahmenträgern des produzierenden Unternehmens der Originärleistung oder des Absatzmittlers vorgenommen
werden, z. B. Vertriebsmitarbeiter, Mitarbeiter des Kundendienstes etc. Im Informationsmodell ist deshalb für jede Maßnahme der Maßnahmenträger in einem Attribut
MT festzuhalten. Die Ausprägung des Attributes bezieht sich also darauf, welche
Stelle bzw. Personen des Absatzmittlers oder des eigenen Unternehmens die jeweilige Maßnahme des Kundenbindungsmanagements ausführen.
Die Art des Leistungsaustausches ist bei einer Maßnahme des Kundenbindungsmanagements ebenso zu definieren wie in der produktionswirtschaftlichen Anwendung
oder bei dem Austausch eines Produktes bzw. einer Dienstleistung. Grundsätzlich ist
zu unterscheiden, ob die Maßnahme nach dem Bring- oder Hol-Prinzip den Kunden
dargeboten wird, da in der Notation des Modells durch die Richtung der Pfeilspitze
symbolisiert wird. Einzelne Maßnahmen des Kundenbindungsmanagements können
nach dem Bring-Prinzip aktiv den Kunden dargeboten werden. Auf der anderen Seite
ist es für die Erhöhung der Kundenzufriedenheit notwendig, einzelne Maßnahmen
nach dem Hol-Prinzip zur Verfügung zu stellen. Dies sind Leistungen, die der Kunde
auf Abruf beim Unternehmen nachfragen kann.
So ist ein Attribut Prj zu definieren, welches die Form des Prinzips des Leistungsaustausches der Maßnahme j festhält. Diese Unterscheidung ist auch in der Steuerungsalgorithmik zu berücksichtigen, da zum einen je nach angewandtem Prinzip unterschiedliche Kosten anfallen und zum anderen dadurch die Kundenzufriedenheit unterschiedlich beeinflußt wird. Der Vergleich der Vorteilhaftigkeit der beiden Prinzipien
des Leistungsaustausches im Hinblick auf die Kundenzufriedenheit kann nicht generell beantwortet werden. So kann auch der Einsatz des Bring-Prinzips bei einer Maßnahme im Vergleich zum Hol-Prinzip nachteilig sein, wenn der Kunde mit Leistungen
überfrachtet wird und daraus Reaktanzen beim Kunden resultieren. Eine durchgängige Gestaltung der Maßnahmen nach dem Bring -Prinzip, die auf den ersten Blick
den Anschein eines besseren Services ve rmittelt, beeinträchtigt also sogar in bestimmten Konstellationen die Kundenzufriedenheit, da wird, die er nicht benötigt.
Der Leistungsempfänger der Maßnahme des Kundenbindungsmanagements muß
nicht zwangsläufig der Endkunde sein. In mehrstufigen Distributionskanälen sind
auch zwischengeschaltete Absatzmittler Empfänger von Maßnahmen des Kundenbindungsmanagements. In diesen Fällen ist der Absatzmittler zugleich Empfänger
und Erbringer verschiedener Maßnahmen des Kundenbindungsmanagements. Zudem ist der jeweilige Empfängerkreis der Maßnahmen des Kundenbindungsmanagements zu erfassen. Dieser muß aus zwei Gründen nicht mit der Gesamtheit der
Kunden übereinstimmen. Zum einen leitet sich dieses aus der Art des Leistungsaustausches ab, zum anderen kann es für den Unternehmenserfolg sinnvoll sein, bestimmte Maßnahmen des Kundenbindungsmanagements nur ausgewählten Kundenklassen zukommen zu lassen.
Da der Leistungsaustausch nicht nur nach dem Bring-Prinzip, sondern auch nach
dem Hol-Prinzip durch den Kunden erfolgt, ergibt sich kanonisch, daß nicht alle Kunden mit dem gleichen Umfang an Maßnahmen des Kundenbindungsmanagements in
164
Kontakt kommen. So sind zwar objektiv die Kunden im Rahmen des Kundenbindungsmanagements unterschiedlich bearbeitet worden. Dies stellt jedoch für die weiteren Betrachtungen kein Problem dar, da das Konstrukt der Kundenzufriedenheit
entscheidend für den Erfolg der Maßnahmen des Kundenbindungsmanagements ist
und die Kundenzufriedenheit eine inter-subjektiv vergleichbare Größe ist.
Zudem kann es für das Kundenbindungsmanagement im Hinblick auf den Unterne hmenserfolg sinnvoll sein, bestimmte Maßnahmen nur ausgewählten Kundenklassen
anzubieten. Dies kann sowohl vornehmlich aus Kostengesichtspunkten als auch aus
Erwägungen zur Optimierung der Kundenzufriedenheit resultieren.
Im ersten Fall ergibt sich ein positiver trade-off, also eine positive Differenz aus Wirkung und Kosten der Maßnahme, nur bei ausgewählten Kundenklassen. Um unnötige Kosten zu vermeiden, sind in solchen Fällen, die Maßnahmen nach dem BringPrinzip zu gestalten. Im zweiten Fall führt die bewirkte Exklusivstellung bestimmter
Kundenklassen bei diesen zu überdurchschnittlich Steigerungen der Kundenzufriedenheit und Kundenbindung, das sich die Individualität der Maßnahmen erhöht, die
ein als eine positive Einflußgröße der Kundenzufriedenheit identifiziert worden ist.
Im Informationsmodell ist somit für die j-Maßnahmen das Attribut Ej (Empfängerkreis
der Maßnahme j) zu definieren. Es handelt sich um ein mehrwertiges Attribut, dessen
Ausprägungen eine, mehrere oder alle der Ki-Kundenklassen beinhalten kann. Zudem ist die jeweilige Ausprägung des Attributes in der Steuerungsalgorithmik zu berücksichtigen, da sie sich – wie dargestellt - auf die Kosten und die Kundenzufriedenheit auswirkt.
Analog zu den Preisen von Produkten und Dienstleistungen können auch für Maßnahmen des Kundenbindungsmanagements Preise erhoben werden. Nicht zwangsläufig alle Maßnahmen des Kundenbindungsmanagements werden kostenlos erbracht. Somit ist für jede Maßnahme Mi des Kundenbindungsmanagements als Attribut deren Preis pj für i = 1, ..., m-Maßnahmen festzuhalten. Da es theoretisch denkbar ist und in der Praxis auch zu beobachten ist, ist zu berücksichtigen, daß unter
Umständen unterschiedlichen Kundenklassen unterschiedliche Preise für Maßna hmen des Kundenbindungsmanagements in Rechnung gestellt werden. So ist die Variable pj um den Index i zu erweitern, so daß pij den Preis einer Maßnahme j für die
Kundengruppe i darstellt. Anzumerken ist, daß im hier berücksichtigten Preis nicht
nur das explizit verlangte Entgelt eingehen sollte, sondern auch die mittelbaren Folgekosten für den Kunden bei Inanspruchnahme der Maßnahme, wie z. B. Telefongebühren. So unterscheiden sich beispielsweise Service-Hotlines im Preis dadurch, ob
die gewählte Rufnummer gebührenpflichtig ist oder nicht.
Zudem sind als Basis für Optimierungen im Kundenbindungsmanagement die im Unternehmen durch Angebot und Einsatz der Maßnahme verursachten Kosten festzuhalten. Da Leistungsverbesserungen bei den Maßnahmen in der Regel zu höheren
Kosten führen, ergibt sich eine positive Korrelation zwischen der Kundenzufriedenheit und den Kosten für die Maßnahmen des Kundenbindungsmanagements. Dieser
Zusammenhang sowie die Erfassung der Kosten der Maßnahmen ist von Relevanz,
um im Rahmen der Steuerungsalgorithmik eine Optimierung zwischen diesen Kosten
und der erzielten Wirkung bei den Kunden zu gestalten. Dazu wird das Attribut KOj
(Kosten der Maßnahme j für j = 1, ..., m-Maßnahmen) definiert. Hiermit sind lediglich
sozusagen die unmittelbaren Kosten der Maßnahme gemeint; mittelbare Folgekos165
ten, die aus einer Erhöhung der Absatzmenge durch eine gesteigerte Kundenzufriedenheit resultieren, werden im Rahmen der Konzeption der Steuerungsalgorithmik
thematisiert, da sie nicht unmittelbar einer Maßnahme zuordnebar sind.
Insgesamt sind für jede Maßnahme des Kundenbindungsmanagements die Ausprägung der folgenden Attribute festzuhalten. Jede Maßnahme Mi wird somit im Info rmationsmodell neben ihrer Bezeichnung durch folgendes Tupel an Attributen beschrieben {MT, P, p i, für i = 1, ..., n-Kundenklassen, E, KO}. In der praktischen Umsetzung
ist es sinnvoll, darüber hinaus gehende Informationen abzulegen, wie z. B. eine verbale Beschreibung, Erfahrungen, Besonderheiten etc. Die Notwendigkeit an zusätzlichen Informationen ist dabei kontextabhängig.
Im Fertigungsprozeß finden in den Vorgängen zur Zustandstransformation Verfahren
Anwendung. Auf den Kundenbindungsmanagementprozeß übertragen, sind die konkreten Ausgestaltungsmöglichkeiten der Maßnahmen als mögliche Verfahren anzusehen. Die Maßnahmen-Knoten verwalten ebenso wie die Vorgangs-Knoten die gestaltete Hierarchie an Klassen.
Die Kanten verbinden analog zur produktionswirtschaftlichen Anwendung die Kundenelemente-Knoten mit den Maßnahmen-Knoten und spiegeln den Strom der Elemente wider. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß die Kundenelemente im Gegensatz
zu den Fertigungselementen nicht zwangsläufig durch eine Maßnahme von einem
Zustand in einen anderen transformiert werden. Denn die Wirkung der Maßnahmen
kann aufgrund externer Faktoren nicht deterministisch genau vorhergesagt werden,
da diese durch das Unternehmen nicht vollständig steuerbare Faktoren, wie z. B. das
Angebot der Konkurrenz beeinflußt wird.
2.3. Zeit-Mengen-Achsen
Ebenso wie bei der konkreten Ausgestaltung des MFert im Rahmen der produktionswirtschaftlichen Anwendung spielen Zeiten und Mengen eine große Rolle im
Kundenbindungsmanagement.
Bei der Abbildung der Zeiten ist der Bertrachtungsfokus aus der Produktion ein anderer als der beim Kundenbindungsmanagement. Zur Steuerung von Produktionsprozessen ist die genaue Erfassung der Durchlaufzeiten in Form der Ein- und Austrittszeitpunkte eines Elements in einen Vorgang, aus deren Differenz sich die benötigte
Zeit für einen Vorgang ergibt, von großer Bedeutung. Denn die Durchlaufzeiten beeinflussen in großem Maße die Produktionskosten und damit die Produktionseffizienz. Im Rahmen des Kundenmanagements sind diese genauen Durchlaufzeiten
von geringerer Bedeutung, da Maßnahmen nicht zeitpunktgenau, sondern ohnehin in
einem Zeitraum wirken. Im Kundenmanagement ist die Betrachtung der Zeit insofern
von Bedeutung, als daß in diskreten Zeitabständen zu überprüfen ist, inwieweit Kunden von einem Zufriedenheitszustand in einen anderen versetzt worden sind. Zudem
unterstützt die Dokumentation der Durchführungszeitpunkte von Maßnahmen deren
Planung und Abstimmung.
Die Erfassung der Mengen stellt fest, in welcher Prozeßstufe sich welche Anzahl an
Kunden befindet. Die Aussagekraft steigt, wenn das Verbleiben des Kunden in einer
Prozeßstufe, wie z. B. häufig im Business-to-Business-Bereich, tendenziell länger ist.
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2.4. Zusammenfassung der Ergebnisse
Die konkrete Anwendung der Modellkonstrukte auf das Kundenmanagement faßt
folgende Tabelle zusammen:
Modellkonstrukt
Kundenelement bzw. Kunde
Beschreibung
?? repräsentiert einen Kunden in einem bestimmten Zufriedenheitszustand
?? beschrieben durch Identifikation
und Merkmale
Kundenelement-Klasse (K-Klasse)
?? faßt eine Menge von Kunden hi nsichtlich gleicher verhaltensrele vanter Merkmale und Steuerungsnotwendigkeit zusammen
Kundenelement-Knoten (K-Knoten)
?? verwaltet eine Hierarchie von Kundenklassen
?? dargestellt in einem Viereck
Maßnahmenelement bzw. Maßnahme ?? stellt eine einzelne Maßnahme des
Unternehmens im Gesamtprozeß
Kundenmanagement dar und dient
somit zur zielgerichteten Zustandstransformation von Kundenelementen
?? eben durch Input- und Outputelemente
?? verbraucht Zeit
Maßnahmenelement-Klasse
(M- ?? faßt eine- Menge von Maßnahmen
Klasse)
hinsichtlich gleicher Merkmale und
Steuerungsnotwendigkeit zusammen
Maßnahmen-Knoten (M-Knoten)
?? verwaltet eine Hierarchie von Maßnahmenklassen
?? dargestellt in einem Dreieck
Kante
?? verbindet K-Knoten und M-Knoten
?? spiegeln den Strom der Elemente
wider
Abbildung 1: Konstrukte des MFert in der Anwendung im Kundenbindungsmanagement
Der Begriff der Klasse ist analog zu dem gleichnamigen Begriff der Klasse aus dem
objektorientierten Ansatz zu sehen, so daß damit verbundene Abstraktions -, Vererbungs- und Kapselungsmechanismen ebenso Bestandteil des MFert sind.
3.
Zusammenfügung der Konstrukte in einem Informationsmodell
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Die geschilderten Konstrukte sind in einem prozeßorientierten Informationsmodell
zusammenzufassen. Das Modell läßt sich in vier Phasen unterteilen, die sich generisch aus der Betrachtung einer Kauftransaktion zwischen Unternehmen und Kunden
ergeben. Diese Unterteilung ist insofern sinnvoll, da sie klassische Meßpunkte der
Kundenzufriedenheit darstellen. Im einzelnen sind dies die Phase der Information
(Kapitel 3.1), der Beratung (Kapitel 3.2), der Durchführung der Transaktion (Kapitel
3.3.) und des After-Sales-Services (Kapitel 3.4), die in Kapitel 3.5 in einem durchgängigen Modell zusammengefaßt werden. In allen Phasen sind die zentralen Elemente die Kunden, die, wie beschrieben, in einer Klassenhierarchie zusammengefaßt und im Kundenelement-Knoten verwaltet werden. Hierfür ergibt sich folgende
Notation, die Abbildung 2 zu entnehmen ist.
Kij-Kundenklassen
mit Merkmalsset
(k1, k2, ..., kn)
...
...
Abbildung 2: Notation der Kundenklassen
Ebenso ergibt sich für die Maßnahmen folgende Basisnotation, die Abbildung 3 zu
entnehmen ist:
Mij-Maßnahmenklassen mit
Merkmalsset
...
...
Abbildung 3: Notation der Maßnahmenklassen
Aufgrund des Umfangs dieses Beitrags wird im folgenden die Palette möglicher sideeffects, wie z. B. Maßnahmen der Wettbewe rber, vernachlässigt. Diese Konzentration auf den Kernprozeßstrang mindert jedoch nicht die grundsätzliche Aussagekraft
des Informationsmodells.
3.1.
168
Phase I: Information
In dieser Phase kann das Unternehmen MI-(Maßnahme während der Informationsphase)-Maßnahmen zur Information des Kunden anbieten, die sowohl nach dem
Bring- als auch nach dem Hol-Prinzip erbracht werden können. Darauf zu achten ist,
daß es sich in der Tat um Maßnahmen des Kundenbindungsmanagements handelt,
und nicht um Maßnahmen der Kommunikationspolitik. Eine stringente Trennung ist in
vielen Fällen in der Praxis schwierig, da der Kunde auch mit Kombinationen von
Maßnahmen des Kundenbindungsmanagements und der Kommunikationspolitik konfrontiert wird. Trennkriterium ist die Intention der Maßnahme insofern, ob bei der
Maßnahme Branding-Ziele oder Ziele zur Steigerung der Kundenzufriedenheit überwiegen. Denn für Maßnahmen der Kommunikations - und der Produktpolitik gilt – wie
gesagt – die ceteris-paribus-Annahme, um trennscharfe Informationen für eine Optimierung des Kundenbindungsmanagements zu erzielen. In der Praxis wird der überwiegende Teil der Maßnahmen in der Regel nach dem Hol-Prinzip erbrach. Denn die
Maßnahmen zur Kundeninformation in dieser Phase, die auf eine Erhöhung der
Kundenzufriedenheit abzielen und nicht Branding-Zwecke verfolgen, unterliegen ebenso Streuverlusten. Dies liegt darin begründet, daß die Kundenzufriedenheit steigernde Wirkung zu einem Großteil verpufft, wenn in diesem Zeitraum grundsätzlich
kein Bedarf besteht. So ergibt sich folgende grundsätzliche Ausgestaltung, die in Abbildung 4 dargestellt ist und in der Unternehmensanwendung jeweils mit konkreten
Maßnahmen zu besetzen ist.
Die Maßnahmen, die nach dem Hol-Prinzip erbracht werden, gewinnen zunehmend
an Bedeutung durch das Medium Internet, da hier auf effiziente Art die Kundenzufriedenheit steigernde Informationen für den Abruf zusammengestellt werden können. Ebenso kann diese Funktion durch Dritte, also für das Unternehmen nicht ste uerbare Maßnahmenträger erbracht werden, wie unabhängige Kundenforen und Online-Branchennewsletter, aber auch konventionelle Medien, wie z. B. Zeitschriften oder Stiftung Warentest, belegen. Im Rahmen der Optimierungsmethode ist demzufolge eine entsprechende Störgröße zu berücksichtigen.
3.2.
Phase II: Beratung
Die Phase II der Beratung am Point of Sale ist eine Einzelmaßnahme, die vom Kunden eventuell unabhängig von seiner Kundenzufriedenheit mehrmals durchlaufen
wird, bevor er in die nächste Phase übergeht. Sie wird formal ausschließlich nach
dem Hol-Prinzip erbracht; da eine Beratungsmaßnahme dem Kunden per se nicht
aufgezwungen werden kann. Allerdings kann der Maßnahmenträger selbst durch
sein verhalten den Abruf der Maßnahmen forcieren. Dies wirkt sich in der Regel positiv auf die Kundenzufriedenheit aus, wenn anschließend eine entsprechend qualifizierte Beratung erfolgt.
Der Maßnahmenträger ist das Unternehmen selbst oder in mehrstufigen Distributionskanälen ein Absatzmittler, der jedoch in einer gewissen Bandbreite vom Unternehmen steuerbar ist. Zudem ergibt sich in dieser Phase eine einfache Wirkungskette auf die Kundenzufriedenheit. Analog zu Wollen- und Können-Komponenten eines
Handlungsträgers, welche die entscheidenden, verdichteten Faktoren für das Geli ngen einer Handlung darstellen, ist die Kundenzufriedenheit steigernde Wirkung abhängig von der Freundlichkeit und Kompetenz des Maßnahmenträger der Beratung.
Das Unternehmen selbst kann diese beiden Einflußgrößen im wesentlichen durch
Anreizsysteme und Schulungen steuern. Anzumerken ist, daß auch eine Nullausprä169
gung in dieser Phase denkbar ist, also keine Beratung erfolgt. Eine IstNullausprägung in dieser Phase muß nicht zwangsläufig auf eine schwache Maßnahmenerstellung des Maßnahmenträger hindeuten, die zu verringerter Kundenzufriedenheit oder Nichtkauf führt. Sie kann auch die Normalausprägung sein, z. B. bei
habitualisierten Käufen oder Impulskäufen, wo der Kunde selber keine Beratungsleistung erwartet.
3.3.
Phase III: Durchführung der Transaktion
Maßnahmen des Kundenbindungsmanagement der Phase III der Durchführung der
Transaktion werden bisweilen in der unternehmenspraktischen Anwendung im Hinblick ihrer Auswirkung auf die Kundenzufriedenheit unterschätzt. Sie versetzen den
Kunden in die Lage, die Leistung zu beziehen und zu nutzen. Diese Maßnahmen
betreffen beispielsweise die Finanzierung des Kaufpreises, die Logistizierung des
Produktes bzw. die Erstellung der Dienstleistung bis hin zur Installation.
Der Maßnahmenträger kann das Unternehmen sein, insofern derartige Maßnahmen
überhaupt angeboten werden. Ebenso können diese Maßnahmen vom Kunden
selbst oder von externen Dritten, für die das Unternehmen über Steuerungsmechanismen verfügt oder die nicht oder nur bedingt im Einflußbereich des Unternehmens
liegen. Bespiele für erstgenannten Fall sind vom Unternehmen beauftragte Spediteure oder kooperierende Banken bzw. Leasinggesellschaften. Der Fall nichtsteuerbarer
externer Dritter kann vernachlässigt werden, da diese in der Regel vom Kunden mit
der Durchführung der Maßnahme beauftragt worden sind und das Gelingen deshalb
keinen Einfluß auf die Kundenzufriedenheit mit dem Unternehmen hat. Werden diese
Maßnahmen vom Kunden selbst erbracht, stellt sich für Unternehmen als Nebene ffekt die Frage, ob es wirtschaftlich, diese in Zukunft zur Erhöhung der Kundenzufriedenheit anzubieten.
3.4.
Phase IV: After-Sales-Service
In der Phase IV des After-Sales-Service werden Maßnahmen des Kundenbindungsmanagements erbracht, die dazu dienen, die Zufriedenheit des Kunden in der Verwendung des Produktes oder mit dem Ergebnis der erbrachten Dienstleistung zu erhöhen. Beispiele sind Service-Hotlines, Wartungs- und Reparaturservice oder Update-Service. Diese Maßnahmen können wiederum sowohl nach dem Hol- als auch
nach dem Bring-Prinzip erbracht werden. In der Regel erfolgt eine zeitliche Reihung
der Maßnahmen. Maßnahmenträger können Einheiten des Unternehmens selbst oder externe Dritte sein, die vom Unternehmen beauftragt worden sind und deshalb
dessen Einflußbereich unterliegen, z. B. externe Call-Center-Agenturen. In dieser
Phase wird folgende Besonderheit besonders virulent, nämlich ob es sich um eine
„positiv“ oder „negativ“ intendierte Maßnahme handelt. „Positiv“ bedeutet eine zusätzlich Maßnahme, die vom Kunden abgerufen wird oder vom Unternehmen nach dem
Bring-Prinzip erbracht wird mit der Intention der Steigerung der Kundenzufriedenheit.
„Negativ“ bedeutet Maßnahmen zur Behebung von Reklamationen, welche die
Artikulation subjektiv wahrgenommener Dissonanzen zwischen den Vorstellungen
des Kunden, also dem Soll, und dem tatsächlichen Ist, also der erbrachten Leistung
des Unternehmens darstellen (Stauss 1996, S. 68). Die Reklamation hat in der Regel
bereits die Kundenzufriedenheit gesenkt. Die Maßnahme der Reklamationsbearbei170
tung zielt darauf ab, die Kundenzufriedenheit zumindest auf das Vorniveau zu bri ngen. Da jedoch ein persönlicher Kontakt zwischen Kunden und Unternehmen bzw.
Unternehmensbeauftragten entsteht, ist – wie die Empirie zeigt – in vielen Fällen die
Kundenzufriedenheit nach der Maßnahme sogar höher als vor der Reklamation. Eine
ökonomische Kalkül daraus abzuleiten, bewußt Anlässe für Reklamationen zu liefern,
ist jedoch eine Fehleinschätzung, da besonders unzufriedene Kunden für eine Maßnahme der Reklamationsbearbeitung – selbst bei Gestaltung nach dem Bring-Prinzip
– nicht offen sind. Es ist deshalb im Informationsmodell die Zahl getätigter Reklamationen festzuhalten, sondern auch eine Abschätzung der nicht artikulierten Reklamationen. Daraus läßt sich zudem die Qualität des Reklamationszugangs kontrollieren.
Denn eine geringe Anzahl an Reklamationen ist nicht zwangsläufig auf eine hohe
Kundenzufriedenheit zurückzuführen; sie kann auch auf einer erschwerten Erreichbarkeit des Unternehmens basieren.
Eventuell ist es sinnvoll, die Phase IV noch in Detailphasen zu untergliedern, wenn
die Verwendungsdauern der Produkte relativ lang sind, wie z. B. in der Automobilbranche. Dann sind unterschiedliche Arten von Maßnahmen in verschiedenen Ausprägungsformen in den einzelnen Detailphasen für die Steigerung der Kundenzufriedenheit relevant.
3.5.
Phasenverknüpfung
Die analysierten vier Phasen sind in einem Informationsmodell miteinander zu verknüpfen. Die konkrete Ausgestaltung hängt vom jeweiligen Unternehmenskontext ab.
Das prozeßorientierte Basismodell verdeutlicht schematisch die folgende Abbildung,
das durch die jeweils eingesetzten Maßnahmen konkretisiert wird.
Maßnahmenklassenhierarchie
Kundenklassenhierarchie
Phase I
PhaseII
PhaseIII
PhaseIV
Abbildung 4: Schematischer Aufbau des prozeßorientierten Informationsmodells
Zu berücksichtigen ist, daß durchgehend im gesamten Prozeß unter den einzelnen
Drei- und Vierecken Klassifikationshierarchien liegen. Zudem ist jedes Drei- und
Viereck mit einer Zeit-Mengen-Achse versehen. Der Punkt im ersten und letzten
Dreieck deutet an, daß ein gebundener Kunde nicht nur einmal diesen Prozeß durch171
läuft. Vielmehr geht der Kunde am Ende der Phase IV des After-Sales-Services wieder in die Prozeßbearbeitung der Phase I Information über, solange das Unternehmen den Kunden binden kann. Im Anwendungsfall sind die Vierecke mit konkreten
Maßnahmen zu befüllen, die in den Kapiteln 3.1. bis 3.4. exemplarisch beschrieben
worden sind.
4.
Zusammenfassung und Ausblick
Das entwickelte prozeßorientierte Informationsmodell hält die für das Kundenbindungsmanagement relevanten Informationen parat. Auf dieser Basis sind Funktionen
zu konstruieren, auf deren Basis die Wirkung unterschiedlicher Maßnahmenausprägungen unter Berücksichtigung von Risikoaspekten simuliert werden können, die in
einer Optimierung des für die Maßnahmen zur Verfügung stehenden Budgets münden. Dazu sind Stell- und Zielgrößen in monetäre Erfolgsgrößen zu operationalisieren. Da die Initialisierung der Wirkungsfunktionen mit Unsicherheit behaftet ist, da
dafür Daten gar nicht oder nur unvollständig vorhanden sind bzw. auf Einschätzungen beruhen, ist in definierten Perioden die Plausibilität anhand der erzielten Ergebnisse und resultierenden Abweichungen zu überprüfen. Dazu wird ein Lernverfahren
auf Basis multivariater Analyseverfahren in Verbindung mit Regelsätzen verwendet,
das sozusagen die durchgeführte Optimierung im Zeitablauf verbessert.
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