Somno S. 05-15 - Dr. Brigitte Losert

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Somno S. 05-15
25.02.2008
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ICHTEN
ZAHNMEDIZIN
Fallbeschreibungen
Durch Wirbelsäulenprobleme
hervorgerufene schmerzbedingte
Ein- und Durchschlafstörungen
Ca. ein Drittel der amerikanischen Bevölkerung leidet an Ein- und
Durchschlafstörungen (Insomnie). Auch in Deutschland und Europa ist dieses
Phänomen weit verbreitet. Häufige Ursachen für schlechten, nicht erholsamen
Schlaf sind Schmerzen in der Nacht. Hier spielen vor allem wirbelsäulenbedingte
Beschwerden, in Verbindung mit Kopfschmerzen oder Tinnitus, eine große Rolle.
Eigene Untersuchungen an 708 Patienten mit craniomandibulären (CMD) und
craniocervikalen (CCD) Dysfunktionen konnten zeigen, dass 33 % dieser Patienten keinen guten Schlaf auf Grund von Rücken-, Nacken- und/oder Kopfschmerzen hatten (Abb. 1). Diese Beschwerden wurden über Wirbelsäulenfehlstellungen
hervorgerufen und standen ursächlich auch mit einer Kieferfehlstellung (CMD)
und Fehlstellung im HWS-Bereich (CCD) in Verbindung. Dem Schlafmediziner
kommt diesbezüglich eine besondere Aufgabe im interdisziplinären Team zu,
denn häufig soll er diese Patienten auf Grund ihres schlechten Schlafes untersuchen und therapeutische Empfehlungen geben. Auch der Schmerztherapeut ist gefordert, denn neben der symptomatischen, medikamentösen Schmerztherapie,
die unumgänglich ist für einen erholsamen Schlaf, sollte die kausale Therapie
nicht vergessen werden. Es soll an Hand von Beispielen der Zusammenhang zwischen craniomandibulären-craniocervicalen Dysfunktion und wirbelsäulenbedingten schlafstörenden Schmerzen diskutiert werden.
Schlüsselwörter
Insomnie. Schlechter Schlaf. Kiefergelenk. Craniomandibuläre Dysfunktion (CMD). Craniocervicale Dysfunktion (CCD). Obere Halswirbelsäule.
Kopfgelenke. Rückenschmerzen. Nackenschmerzen. Kopfschmerzen. Wirbelsäulenprobleme. Symptomatische
und kausale Schmerztherapie.
Kaum eingeschlafen, schmerzt der
Rücken. Das Aufsuchen einer anderen
Schlafposition bringt nur kurzfristig
Linderung. Abermals Stellungswechsel, wieder kurzfristige Besserung und
so kann es bis zum frühen Morgen gehen. Der Wecker klingelt, der geplagte
Bettwälzer quält sich müde aus dem
Bett, wünschte, weiter schlafen zu
können, wohl wissend, dass er trotz
Abb. 1
Abb. 1: Eigene Untersuchungen bei 708
Patienten mit Kiefergelenk- und HWSFehlstellungen zeigten, dass 1/3 dieser
Patienten wegen Rücken, Nacken-,
Kopfschmerzen nicht gut schlafen konnte,
morgens nicht erholt und tagsüber in der
Leistungsfähigkeit eingeschränkt war.
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längerem Schlaf keine Ruhe finden
würde.
Ein- und Durchschlafstörungen, die
unter dem Begriff der Insomnie zusammengefasst werden, treten mit großer
Häufigkeit auf. Sie führen auf Grund
der gestörten Schlafarchitektur zur
Tagesmüdigkeit, Konzentrationsstörungen und Übellaunigkeit.
Konflikte mit dem sozialen Umfeld,
Familie und Beruf, sind vorprogrammiert, wenn diese Störungen – die in
allen Altersgruppen auftreten können
– länger als ein paar Tage anhalten
und über Monate oder Jahre hinweg
bestehen bleiben. Oft ist die Ursache der Insomnie unklar. Häufig
können aber auch Schmerzen, die
in der Nacht auftreten, für die
Schlafstörungen verantwortlich gemacht werden. Gelingt es, die
Schmerzen zu unterbinden, kann wieder erholsam geschlafen werden.
Rücken und Kopfschmerzen während
der Nacht sind eine häufig anzutreffende Ursache für Ein- und
Durchschlafstörungen. In solchen
Fällen werden geeignete Bettlager,
Matratzen, Kopfkissen, Schlaf fördernde Verhaltensregeln oder auch
eine professionelle, symptomatische medikamentöse Schmerztherapie
empfohlen. Die kausale, interdisziplinäre Betrachtung und Therapie der
Wirbelsäulenprobleme sollte unbedingt mit in die Überlegungen einbezogen werden, da sich durch sie häufig das Einnehmen von Schmerz- oder
Schlafmitteln erübrigt.
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Abb. 2
Abb. 3
Abb. 2: Sehr schlechte Schlafeffizienz und gestörte Schlafstruktur des Patienten.
Auf Grund der wirbelsäulenbedingten Schmerzen in der Nacht wachte er ständig auf.
Abb. 3: Aufzeichnung des Schlafverhaltens nach erfolgreicher Therapie
der nächtlichen Schmerzen.
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Beispiel aus dem Schlaflabor
Ein 42-jährigrer Patient kommt wegen
Sekundenschlafs am Steuer zur schlafmedizinischen Untersuchung.
Subjektive Beschwerden: Ein- und
Durchschlafstörungen; er kann im Bett
keinen Platz finden und muss somit
ständig seine Position korrigieren;
anamnestisch sind bei ihm eine arterielle Hypertonie und ein Wirbelsäulenleiden festzustellen.
In der ersten Nacht (Abb. 2 vom oben
beginnend) besteht eine ausreichende
Grundsättigung mit etwas unruhigem
Muster, ohne Entsättigungen. Man sieht
eine sehr schlechte Schlafeffizienz von
38 %, kein REM, sehr wenig Tiefschlaf
(13,4 %) und einen ständigen Wechsel
zwischen Wach- und Leichtschlaf.
Ferner keine Apnoen/Hypopnoen, eine
unruhige Herzfrequenz, sowie kurzfristige Positionswechsel einhergehend
mit nur wenig Schnarchen und einigen
sowohl periodischen, als auch isolierten
Beinbewegungen.
Am nächsten Morgen berichtet der
Patient, dass sein Schlaf jede Nacht so
aussehe. Er macht von sich aus seine
Schmerzen für den schlechten Schlaf
verantwortlich, woraufhin er der entsprechenden Therapie (Ursachen- +
medikamentöser Schmerztherapie) zugeführt wird. Nach Beendung der
Therapie hat sich der Patient zur
Kontrolle vorgestellt und berichtet, dass
er nachts schmerzfrei sei. Er wird einer
erneuten Polysomnographie zugeführt
(2. Nachtaufzeichnung).
2. Nacht (Abb. 3): Zu sehen ist eine
stark instabile Sättigungskurve mit tiefen Entsättigungen und eine deutlich
bessere Schlafeffizienz (81 %). Es liegt
dennoch zu wenig Tiefschlaf (18 %)
und REM (12 %) vor. Zudem wurde ein
schweres REM- und Rückenlage betontes Schlafapnoe-Syndrom diagnostiziert
(AHI Total 28/h, in REM 41/h, in
Rückenlage 39/h). Des Weiteren ist eine
starke Variabilität der Herzfrequenz in
den Phasen mit Apnoen festzustellen.
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Abb. 4
Abb. 4: Gesunde Schlafarchitektur
mit AutoCPAP-Versorgung, 97 %
Schlafeffizienz, kein Schnarch- und
Apnoe-Verhalten mehr.
Im Vergleich zur ersten Nacht zeigte
der Patient eine deutlich ruhigere Körperlage mit weiterhin deutlichen Beinbewegungen, sowie eine Zunahme des
Schnarchens. Nachdem sich die Schlafeffizienz gebessert hat, hat sich bei
dem Patienten ein obstruktives Schlafapnoe-Syndrom gezeigt. Dies war vorher verdeckt, da er durch die vorhandenen Schmerzen nur oberflächlich
geschlafen hat und die obstruktiv bedingte Schlafatmungsstörung nicht zutage trat.
In der darauf folgenden Nacht wird
der Patient mit AutoCPAP versorgt, sodass eine stabile Sättigungskurve zu sehen ist (Abb. 4). Es kommt auch zu
einer Normalisierung der Schlafarchitektur, womit im Hypnogramm 4 komplette Schlafzyklen mit 97 %iger Schlafeffizienz, mit einem Tiefschlafrebound
von 45 % und REM-Rebound von 28 %
sichtbar ist. Zudem zeigt sich eine deutlich ruhigere Herzfrequenz. Der Patient
hat die ganze Nacht in Rückenlage, ohne Schnarchen und ohne Beinbewegungen verbracht. Man kann sagen,
dass der Patient in der 3. Nacht einen
physiologischen Schlaf erfahren durfte.
Dieses Beispiel zeigt, dass der Schlaf
und die Lebensqualität ansteigen, wenn
es gelingt, die Schmerzfreiheit in der
Nacht zu erreichen. Dies ist nichts
Neues und es braucht dazu keine wissenschaftliche Abhandlung. Jeder kann
an sich selbst erfahren, wie schlecht er
nach einer gestörten Nachtruhe, wodurch auch immer verursacht, „drauf
ist“. Der Beitrag der Autoren möchte
aber den Blick schärfen für die kausale
Therapie von schmerzhaft organisch
bedingten Schlafstörungen, die mit
Wirbelsäulenbeschwerden einhergehen.
So sind Rücken-, Nacken- und Kopfschmerzen häufige Ursachen von Einund Durchschlafstörungen. Die oft im
Schlaf nur hintergründig dezent vorhandenen, aber fast ständig auftretenden nächtlichen Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule führen zu
vermehrten Weckreaktionen, sodass der
Schlaf fragmentiert und die Schlafarchitektur gestört wird. Die Beschwerden
treten in der Regel auch tagsüber, dann
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häufig deutlicher und vordergründig
auf. Die orthopädische Abklärung der
Probleme zeigt oftmals deutliche Stellungsprobleme in der Wirbelsäule, die
trotz intensiver orthopädischer, manualtherapeutischer und krankengymnastischer Maßnahmen nicht zur
Beschwerdefreiheit führen können,
sodass zusätzlich symptomatische medikamentöse
schmerztherapeutische
Maßnahmen eingeleitet werden müssen, um einen erholsamen Schlaf zu erreichen.
Die nachfolgenden „Geschichten“ befassen sich mit therapieresistenten Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule,
die ursächlich mit Störungen des oberen HWS-Bereiches und Störungen im
Bereich der Kiefergelenke einhergegangen waren und bei denen die CMD
nicht in die therapeutischen Überlegungen einbezogen wurden. Eigene
Untersuchungen an 708 Patienten mit
Kieferfehlstellungen (CMD) konnten
zeigen, dass 231 dieser Patienten, also
33 %, auf Grund ihrer wirbelsäulenbedingten Schmerzen, keinen erholsamen
Schlaf hatten (Abb. 1). Vielen dieser
Patienten konnte durch die kombinierte
zahnärztliche Therapie der Kieferfehlstellung und manualtherapeutische
Therapie der Haltungsstörungen geholfen werden. Die manualtherapeutische
und orthopädische Behandlung von
Wirbelsäulenproblemen ist auf Grund
des sehr häufig auftretenden Beschwerdebildes in der westlichen Welt sehr verbreitet. Die Therapie der Kieferfehlstellungen, die häufig ursächlich an den
Wirbelsäulenproblemen beteiligt sind,
wird oft außer Acht gelassen. So kommt
es dann zu therapieresistenten Beschwerden, die, da kausal nicht therapiert, zusätzlich einer medikamentösen
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Schmerztherapie zugeführt
Abb. 5 klagte über schlechten
werden müssen, damit wieSchlaf, häufiges Aufwader ein erholsamer Schlaf
chen wegen der Beschwerfür diese Menschen möglich
den im Rücken und nicht
wird.
mehr Einschlafen können.
Hierzu schreibt Hülse in
Morgens wacht sie mit
dem 2005 erschienenen
Rückenschmerzen
und
Buch: „Die obere Halsmüde auf, die Leistungswirbelsäule“ auf S. 134: „Die
fähigkeit am Tag ist deutBedeutung des kraniomanlich eingeschränkt. Der
dibulären Systems für das
schlechte Schlaf war aber
gesamte muskuloskeletale
nicht der Grund ihrer
Abb. 5: Deutliche intraorale Zeichen einer Kieferfehlstellung,
aber auch für das neuroErstkonsultation
beim
die neuromuskulär reflektorisch, fortgeleitet über den HWS-Bereich,
muskuläre System wird erst
Zahnarzt. Ihr zahnärztlizu einer Fehlstellung der gesamten Wirbelsäule und des Beckens führen
in den letzten Jahren zuches Hilfegesuch bezog
nehmend erkannt. Zwar kann. Multiple Schmerzen, wie Rücken-, Kopf, Nacken-, Beinbeschwerden sich auf ständige Schmerkönnen so in Erscheinung treten. Diese können nicht nur den täglichen
wurde 1933 von Goodzen an den Zähnen, mal
Ablauf stören, sie können auch nachts zu Schlafstörungen führen und
friend und 1934 von Costen
links, mal rechts, mal im
körperlich bedingte Ein- und Durchschlafstörungen verursachen.
das ‚TemporomandibularOber-, mal im Unterkiefer.
Man sieht auch deutlich die Abweichung des Unterkiefers beim Öffnen
gelenk-Syndrom’ mit nach
Außerdem klagte sie über
nach links, was immer ein Zeichen für eine Verlagerung
vorn und in die Schläfe
häufige Gesichts-, Kiefer-,
der Kiefergelenkscheiben ist. Im Wirbelsäulenbereich
ausstrahlenden GesichtsKiefergelenkschmerzen
wäre es stellvertretend für eine Verlagerung der Bandscheibe.
schmerzen, Globusgefühl,
und Beschwerden im rechGlossalgie, Hörstörungen
ten Ohr. In der Vergangenund Tinnitus beschrieben,
heit wurden wegen der
Becken reichende Störungen mit
aber noch 1996 findet sich im
Beschwerden schon einige Zähne extraKreuzschmerzen und Schmerzen zwinSyndrom-Buch von Leiber zum
hiert, bei anderen Zähnen wurden die
gen die Zahnärzte wie auch die
Costensyndrom die Anmerkung ‚häufiZahnnerven entfernt und über Füllung
Humanmediziner zu einem radikalen
ge Fehldiagnose’. Demgegenüber stehen
des Wurzelkanals mittels spezieller
Umdenken, da erst eine gute
epidemiologische Studien (Türp 1998),
Pasten versucht, die schmerzenden
Zusammenarbeit eine erfolgreiche Bedass in der Bevölkerung bei 40-75 % alZähne zu erhalten. Die immer wiederhandlung ermöglicht.“
ler Erwachsenen mindestens ein objekkehrenden Zahn-, Kiefer- und Gesichtstives Symptom einer Kiefergelenkschmerzen konnten durch die bisheriBeispiele aus der
störung nachweisbar ist. Dass die
gen zahnärztlichen Maßnahmen aber
Zahnarztpraxis
gegenseitige Beeinflussung von kranicht beseitigt werden.
Patientin, 39 Jahre: Nicht
niomandibulärem und neuromusZahnärztliche und neuromuserholsamer Schlaf durch
kulärem System erst in den letzten
kuläre Befunde
Beschwerden im Rücken
Jahren wahrgenommen wird, ist sicherDie Patientin suchte am 17.01.2006
Tiefbiss. Leichte Retrallage und Seitverlich in der getrennten Ausbildung von
erstmals einen Zahnarzt auf, der sich
schiebung des Unterkiefers. Engstände
Zahnärzten und Humanmedizinern zu
besonders der Therapie der CMD geund Abriebflächen an den Ober- und
sehen. Die Häufigkeit der meist nur als
widmet hat. Unter einer CMD versteht
Unterkieferfrontzähnen. Enger, hoher
‚Befindlichkeitsstörung’
eingestuften
man eine Fehlstellung des Unterkiefers
Gaumen. Tiefe Speesche Kurven.
Beschwerden der Craniomandibulären
zum Oberkiefer, was als Folge davon die
Praemolarenstufen. Schmelzfacetten.
Dysfunktion (CMD) wie Kopfschmerz,
gesamte Wirbelsäule verschieben und
Gingivarezessionen. MittellinienabweiSchwindel, Hörstörungen, Tinnitus, vaentsprechende Schmerzsymptome herchung. Diese intraoralen Zeichen sind
somotorische Rhinitis, Stimmstörunvorrufen kann (Abb. 14).
ein deutlicher Hinweis auf eine
gen und vor allem die sehr engen
Anamnestisch berichtete sie u. a. über
Kieferfehlstellung (Abb. 5).
Wechselbeziehungen zwischen funktioausgeprägte Rückenschmerzen, die
Ausgeprägte Palpationsempfindlichnellen Kiefergelenkstörungen und
durch Stehen verstärkt wurden. Sie
keit der Kau-, Kopf- und HalsmuskuHalswirbelsäulenstörungen und bis ins
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Abb. 6
Abb. 6: Körperhaltung der Patientin im Stehen.
Deutliche Kopfvorhaltung, das Ohr würde bei
physiologisch ausgerichteter Haltung über der
Schulter stehen. Eine Abweichung des Kopfes aus
dem Körperlot heraus bewirkt eine beträchtliche
Mehrarbeit für die Haltemuskulatur des
gesamten Skelettsystems. Als Folge davon
entstehen muskuläre Verspannungen,
welche multiple Schmerzbilder hervorrufen
können. Nicht nur Rücken-, Nacken- und
Kopfschmerzen können daraus resultieren.
Auch Schwindel, Tinnitus, Gesichts-, Kiefergelenkund Zahnschmerzen treten dabei häufig auf.
latur. Gestörte Lagebeziehung von
Diskus und Kondylus in beiden Kiefergelenken, begleitet von Knack- und
Reibegeräuschen. Beidseitige anteriore
Diskusverlagerung ohne Einschränkung
der Mundöffnung. Die Applied Kinesiologie zeigt Störungen in beiden
Kiefergelenke und dem oberen HWSBereich (C0-C3, syn. Kopfgelenke), die
nach Therapie der Kopfgelenke nicht
mehr nachweisbar sind.
Körperliche Haltungsstörungen, die
zu dem Schmerzgeschehen beitragen.
Kopfvorhaltung (Abb. 6). Tiefe Schulter
rechts. Linkes Auge höher. Beinlängenverkürzung links. Nach Therapie der
Kopfgelenke und niedrigfrequenter
TENS-Therapie der Kaumuskulatur mit
Bissnahme für die geplante Aufbissschiene sind beide Beine gleich lang.
Der Hüftabduktionstest nach PatrickKubis ist vor der Therapie der Kopfgelenke mit einem Defizit von rechts
35°, links 35° nicht frei; nach der gleichen oben genannten Therapie zeigte
der Test rechts 0°, links 0°.
Therapeutisches Vorgehen
Es war geplant, über eine Aufbissschiene die neuromuskulär entspannte
Position für den Unterkiefer einzustellen. Vor der Bissnahme für die Schiene
wurden die ersten drei Halswirbel, die
sog. Kopfgelenke, über manualtherapeutische Maßnahmen (Atlasimpulstherapie nach Arlen) in eine physiologi-
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sche Position gebracht und die bestehenden Blockaden im HWS-Bereich
und im Becken auf diese Art beseitigt.
Zusätzlich erfolgte eine Entspannung
der Kaumuskulatur mittels niedrigfrequenter TENS-Therapie. Der Grad
der Entspannung wurde über das
Elektromyogramm der Kau-, Kopf- und
Halsmuskulatur kontrolliert (Abb. 7ac). Bei ruhiger, entspannter Muskulatur
wurde der Biss für die Aufbissschiene
ohne Fremdführung genommen. Der
Patient kann, wenn die Muskulatur ruhig und der Körper in Harmonie ist,
seine Position für eine physiologisch
ausgerichtete Kieferzuordnung selbst
einnehmen. Jede Handführung des
Therapeuten würde das sehr sensible
neuromuskuläre Gleichgewicht des
Körpers stören.
Am 21.02.2006 wurden die Aufbissschienen eingegliedert. Direkt vor dem
Eingliedern der Schienen wurde wieder
der obere HWS-Bereich und die Kaumuskulatur entspannt, also die gleiche
Körper- und Muskelsituation, wie sie
für die Bissnahme erforderlich war, hergestellt. Die Patientin erhielt zwei Schienen. Eine ganze Schiene (Abb. 8a-c), die
zum Essen und für die Nacht angefertigt wurde. Und in der gleichen Bisslage
eine geteilte Schiene unter Aussparung
der Frontzähne, die immer tagsüber
verwendet werden sollte. Durch das
Freilassen der Front wird die Artiku-
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Versorgung durch
den Hauszahnarzt
waren
keine
Zahnschmerzen
mehr aufgetreten.
Das Kiefergelenkknacken hatte sich
deutlich verringert.
Die Ohren schmerzten nicht mehr.
Rückenschmerzen
traten nicht mehr
auf, weder nachts,
noch tagsüber. Als
Drogistin, die sehr
viel stehen musste,
war sie in ihrer
Berufsausübung
nicht mehr behindert. Da der Schlaf
sehr gut war, war sie
zusätzlich wieder
voll beanspruchbar
und leistungsfähig.
Ebenfalls
verschwunden waren
die Schwellungen
des Fußzehs und
die Beschwerden in
den Augenhöhlen.
Abb. 7a
Abb. 7b
Abb. 7a: Als Beispiel das Elektromyogramm eines Patienten
im Ausgangszustand. Besonders auffällig ist die
Verspannung der Schulter (LTR, RTR) und rechten vorderen
Halsmuskulatur (RSM).
Abb. 7b: Elektromyogramm des gleichen Patienten, wie in
Abb. 7a, aber nach Therapie des oberen HWS-Bereiches
und TENS-Therapie: Deutliche Beruhigung der im
Ausgangszustand verspannten Muskulatur.
lation nicht behindert. Außerdem ist die
Schiene für Außenstehende unsichtbar,
sodass ein Tragen der Schiene auch
während der Berufsausübung kein
Problem darstellt.
Therapieverlauf
Nach einer anfänglichen Erstverschlimmerung der körperlichen Beschwerden
in den ersten Tagen konnte relativ
schnell eine deutliche Besserung des
Beschwerdebildes herbeigeführt werden. Parallel zur Schienentherapie wurden manualtherapeutische Maßnahmen eingeleitet. Nach vier Monaten
interdisziplinär ausgerichteter Aufbissschienentherapie und vor prothetischer
und die Retrallage des Unterkiefers
(Abb. 9, 10) führten zu Verspannungen
der Kau-, Kopf- und Halsmuskulatur
und zu Dysfunktionen im HWSBereich, die wiederum hauptverantwortlich für die Kopfschmerzen waren.
Die zahnärztliche Therapie bestand
aus der Eingliederung einer Aufbissschiene im Unterkiefer. Diese wurde in
der neuromuskulär ausgerichteten Kieferposition angefertigt. Einige Wochen
nach Anpassen der Schiene traten keine
Kopfschmerzen mehr auf. Die Kiefergelenkgeräusche unterblieben, ebenso
Abb. 7c
Abb. 7c: Beispiel für die Anordnung
Patient, 22
Jahre: Kopfschmerzen verhindern einen
erholsamen Schlaf
Der junge Mann suchte die Zahnarztpraxis wegen Kiefergelenkbeschwerden, verbunden mit Kiefergelenkknacken auf. Außerdem klagte er über
ständig vorhandene Kopfschmerzen, die
auch nachts nicht verschwanden und
keinen erholsamen Schlaf zuließen.
Morgens war er immer müde und mürrisch, tagsüber nicht leistungsfähig, was
das Fortkommen im Studium stark beeinträchtigte. Die manuelle und instrumentelle zahnärztliche Funktionsuntersuchung zeigte eine ausgeprägte
craniomandibuläre und craniocervicale
Dysfunktion. Insbesondere der Tiefbiss
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der Elektroden im Elektromyogramm
(s. Abb. 7a,b). Nur wenn sich die Kau-,
Kopf- und Halsmuskulatur in einem ruhigen, ausgeglichenen Zustand befindet, ist es
sinnvoll, eine Bissnahme für die
Aufbissschiene durchzuführen. Sollten
noch nennenswerte Restspannungen vorhanden sein, müssen vor der Bissnahme
weitere interdisziplinär ausgerichtete
Entspannungsmaßnahmen eingeleitet
werden. Nur bei entspannter Muskulatur
ist es möglich, eine wirklich für den Körper
des Patienten befriedigende Position für
den Unterkiefer zu ermitteln. Das
Elektromyogramm ist für den Zahnarzt ein
wichtiges differentialdiagnostisches
Hilfsmittel zur Beurteilung der körperlichen Situation seines Patienten und zum
Festlegen des therapeutischen Weges.
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Abb. 8a
Abb. 8b
Abb. 8a, b: Beispiel einer Aufbissschiene (außerhalb und im Mund). Die farbigen Punkte auf der Kaufläche kennzeichnen die Stopps, die nach
Einschleifen der Schiene für die Stabilisierung der Wirbelsäule erforderlich sind. Die Schiene wird über die Unterkieferzähne gestülpt. Der
Unterkiefer kann mit dieser Schiene so zum Oberkiefer Kontakt aufnehmen, wie es die vorher ermittelte entspannte Kieferposition vorgegeben hatte. Durch das Tragen der Schiene kann sich die Muskulatur entspannen und die Wirbelsäule physiologisch ausrichten. Das neuromuskuläre Gleichgewicht im Körper kann wieder hergestellt werden.
die Schmerzen in den Kiefergelenken.
Der Patient konnte gut schlafen und
war morgens ausgeruht. Die soziale
Interaktion mit seiner Umwelt hatte
sich sehr positiv entwickelt. Ein großes
Stück Lebensqualität war zurückgekehrt. Anfangs hatte er zur Stabilisierung der Kiefergelenke und des HWSBereiches die Schiene immer getragen,
später reichte ein nächtliches Tragen der
Schiene aus.
pathologischen Zahnbefund zeigten,
sehr wohl aber deutliche Zeichen einer
Kieferfehlstellung vorhanden waren
und ganzkörperliche Haltungsstörungen sichtbar wurden (Abb. 11-12). Da
diese Befunde sehr oft zu Verspannung
der Kau-, Kopf- und Halsmuskulatur
führen und die beklagten Zahnschmerzen auslösen können (s. Abb. 13)
wurde eine entsprechende Analyse und
Therapie der craniomandibulären und
craniocervicalen Dysfunktionen eingeleitet.
Wie bei dem jungen Mann wurde die
neuromuskulär ausgerichtete Kieferposition ermittelt und in dieser Position
eine Aufbissschiene im Oberkiefer eingegliedert. An Stelle einer einfachen
Kunststoffschiene wurde eine stabilere
Schienenart in Form einer Modellgussprothese angefertigt.
Abb. 8c
Patient, 55 Jahre: Schlechter
Schlaf durch Schmerzen in
der Hüfte
Ein anderes Beispiel eines 55-jährigen
Mannes mit Kieferfehlstellung und
HWS-Problemen, verbunden mit Beschwerden in der rechten Hüfte sowie
Nacken- und Schulterschmerzen. Besonders nachts schmerzte die rechte
Hüfte, sodass das Liegen auf der rechten
Seite schmerzhaft und nicht möglich
war. Wenn er sich aber auf die linke
Seite drehte, hatte er Schwierigkeiten
mit der Nasenatmung. Sein Schlaf war
sehr oberflächlich und er wachte oft
auf. Der Grund, den Rat des Zahnarztes
zu konsultieren war auch hier nicht das
Problem in der Nacht, sondern plötzlich auftretende heftige Schmerzen an
fast allen Zähnen, obwohl diese keinen
Abb. 8c: Schematische Darstellung der Funktion einer Aufbissschiene. Diese soll durch
Neupositionierung des Unterkiefers in einer für die Person physiologischen Position die
Muskulatur beruhigen und somit zur Schmerzreduktion beitragen.
(Abb. aus: Kares, Schindler, Schöttl: Der etwas andere Kopf- und Gesichtsschmerz)
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Abb. 9
Abb. 10
Abb. 9: Position der Kiefer in der gewohnheitsmäßigen Schlussbiss-
Abb. 10: Nach Entspannung der Kaumuskulatur mittels niedrigfre-
lage vor der Entspannung der Kaumuskulatur.
quenter TENS-Therapie stellt sich der Unterkiefer deutlich weiter
vorne zum Oberkiefer. Diese Position wurde für die Aufbissschiene
gewählt.
Einige Wochen nach Eingliederung
und Anpassen der Aufbissschiene traten
keine Zahnschmerzen mehr auf und die
Beschwerden in der rechten Hüfte waren nicht mehr vorhanden. Schlafen
war ungestört auf beiden Seiten möglich. Die linke Nase ging beim Schlafen
nicht mehr zu. Anfangs wurde die
Schiene auch tagsüber getragen; nach
einem halben Jahr nur noch nachts. Die
letzte Befragung, sechs Jahre nach
Eingliederung der Schiene, zeigte einen
stabilen Zustand. Der Schlaf war sehr
gut. Die oben genannten Beschwerden
waren nicht mehr aufgetreten. Probleme treten nur dann auf, wenn die
Schiene über einige Tage nachts nicht
getragen wird und verschwinden wieder
durch die nächtliche Verwendung der
Schiene.
Diskussion der
Schmerzgeschehen
Im Rahmen der Diskussion über das
Schmerzgeschehen sind vor allem zwei
Punkte zu betrachten.
1. Wie ist es möglich, dass nach der
zahnärztlichen Versorgung schmerzender Zähne der Schmerz nicht verschwindet, der Zahn selbst also
ursächlich nicht für die Zahnschmerzen verantwortlich war?
2. Wie ist es möglich, dass durch eine
Kieferfehlstellung nicht nur Zahn-,
Kiefer- und Kiefergelenkschmerzen
ausgelöst werden können, sondern
auch gravierende ganzkörperliche
Störungen und Schmerzbilder, wie
Rücken-, Nacken-, Becken- und
Kopfschmerzen hervorgerufen oder
unterstützt werden können?
Wie von Travell und Simons schon
1983 und von Jankelson 1990 beschrieben, können neuromuskuläre Störungen der Kau-, Kopf- und Halsmuskulatur Zahn- und Kieferschmerzen
hervorrufen, deren Ursachen in der verspannten Muskulatur zu suchen sind
und nicht in der Zahnsubstanz oder im
Kieferknochen selbst. Dabei bildet die
durch eine Kieferfehlstellung unphysiologisch belastete Muskulatur sog. Triggerpunkte aus, deren Schmerzausstrahlung nicht im Muskel selbst, sondern
weit entfernt davon stattfinden kann,
wie z. B. im Kiefer oder in bestimmten
Zahnbereichen.
Craniomandibuläre
Dysfunktionen führen zwangsläufig immer zu einer Störung des neuromuskulären Gleichgewichtes und zur
Verspannung der Kau-, Kopf- und
Halsmuskulatur (Abb. 13), was sich im
manuellen Funktionsstatus in einer
deutlichen Palpationsempfindlichkeit
der Muskulatur und im Elektromyogramm darstellen lässt.
Da der Körper nur in seiner Gesamtheit zu betrachten ist und über
Muskulatur, Sehnen, Bänder usw. von
Kopf bis Fuß miteinander in Verbindung steht, wie ein Hampelmann, der
beim Ziehen des Beines den Arm hebt,
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wirken sich Störungen an einer Stelle
auch zwangsläufig an anderen Körperarealen aus. Die craniomandibuläre
Region steht über Muskeln und Faszien
in direkter funktioneller Verbindung
mit der craniocervicalen Region, insbesondere mit dem oberen HWS-Bereich
(Okziput / C1 bis C2/C3). Dieser Bereich stellt den Schnittpunkt zwischen
Medizin und Zahnmedizin dar und
muss von beiden Seiten gleichermaßen
Beachtung finden.
Interdisziplinäres Vorgehen
Hierzu schreibt Wolff 1992 in
„Gesichts- und Kopfschmerzen, ein interdisziplinärer Überblick für Mediziner, Zahnmediziner und Psychologen“
auf S. 316: „Nur wenige Zentimeter
trennen den Arbeitsbereich der Zahnärzte, Kieferorthopäden und Kieferchirurgen von dem der HNO-Ärzte, der
Neurologen und der Orthopäden und
Manualmediziner (soweit es um die
Halswirbelsäule geht). Die äthiologische Rolle der Halswirbelsäule bzw. des
Kopfgelenkbereiches wird bei einer einheitlichen Betrachtung am häufigsten
außer Acht gelassen. Auch die klinischen Beziehungen zwischen HWS und
Kauapparat beruhen auf neurophysiologischen Verknüpfungen.“
Aufgrund neurophysiologischer und
muskulärer „Verknüpfungen“ ist eine
craniomandibuläre Dysfunktion kaum
von einer craniocervicalen Dysfunktion
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abgrenzbar. Hülse 2005: „Es gibt nahezu
keine Blockierung im Bereich der
Wirbelsäule ohne eine Blockierung im
Kopfgelenksbereich. Es gibt nahezu keine Kopfgelenksblockierung ohne eine
Kiefergelenksdysfunktion“. Umgekehrt
kann eine Kiefergelenksdysfunktion,
fortgeleitet über den oberen HWSBereich, zu einer Wirbelsäulenverschiebung oder Blockierung führen oder diese unterhalten (Abb. 14a, b).
Wenn man weiterhin in die Überlegungen einbezieht, dass über die oberen
HWS-Segmente (C0-C3) alle motorischen, sensorischen und vegetativen
Körperfunktionen gesteuert werden
und dass eine CMD fast regelmäßig eine CCD auslöst, ist gut vorstellbar, dass
über eine nicht behandelte CMD die gesamte Körperregulation durcheinander
gewirbelt werden kann und Beschwerdebilder entstehen, die ursächlich nicht mit einer CMD in Zusammenhang gebracht werden würden.
Hierzu schreiben Kares, Schindler,
Schöttl in „Der etwas andere Kopf- und
Gesichtsschmerz“ auf S.14: „Wegen des
oft unspezifischen klinischen Erscheinungsbildes wurde die CMD in den
USA in einer Broschüre auch einmal
‚The big imposter’ genannt, der große
Betrüger. Denn nicht selten äußert sie
sich durch irreführende Symptome, die
dann auch allzu oft nur symptomatisch
behandelt werden, wie mit Schmerzmittel gegen Kopfschmerzen, während
die eigentliche Ursache unbekannt
bleibt.“
Abschließende Diskussion
Schlaf ist Ruhezeit für Geist und
Körper, ohne welche wir nicht überleben könnten. Schlaf ist ein veränderter
Bewusstseinszustand, der sich z. B. vom
Koma durch eine prinzipielle Weckbarkeit unterscheidet. So kann man
durch äußere Reize, aber auch durch
innere Reize geweckt werden. Diese „Fähigkeit“ hat die Natur als Schutzmechanismus entwickelt, der für das Über-
leben unerlässlich ist, da wir, wie alle
anderen Lebewesen, jederzeit unsere
Ruhephase unterbrechen können müssen, wenn unser Leben in Gefahr ist.
Der Körper gewöhnt sich an viele
Reize, wie z. B. an einen andauernden
Geruch, aber man wird nie den Reiz
Schmerz nicht mehr wahrnehmen.
Dieser stärkste Reiz signalisiert unserem
Körper, dass die Funktion von mindestens einem Organ gefährdet ist. So
wird der Schmerz so lange von uns
wahrgenommen, bis wir die Ursache
beseitigen. Das beste Beispiel ist die
Wärmeeinwirkung auf die Haut, die
Verbrennungen verursacht. Auch im
Schlaf nehmen wir einen solch starken
Reiz, wenn auch mit Verzögerung wahr.
Bei chronischen Schmerzen wie z. B.
Wirbelsäulenproblemen ist schon das
Einschlafen eine Qual. So fallen wir, wegen der Schmerzen und der Unruhe erst
wenn wir „hundemüde“ sind in den
Schlaf. Der erholsame Schlaf besteht aus
4-6 Schlafzyklen, die jeweils 60-90 min
dauern und nacheinander aus Leicht-,
Tief- und REM-Schlaf bestehen. Die so
genannte „Schlafarchitektur“ ist aber
bei Schmerzen nicht erreichbar, da wir
vorzeitig aus dem Schlaf erwachen.
Teilweise geschieht dies sogar, ohne dass
wir es merken, da man das Wachsein
erst nach 3 Minuten wahrnimmt. So
kommt es, dass vom Schmerz geplagte
Menschen viel zu wenig, im Extremfall
sogar gar keinen Tiefschlaf und zu wenig REM-Schlaf haben. Nach so einer
Nacht wachen wir unerholt auf, was die
Schmerzen noch verstärkt, so dass sich
hier ein Teufelskreis bildet, der dringend zu durchbrechen ist.
Organisch bedingte Ein- und Durchschlafstörungen sind bekannt. Sie werden häufig als unabdingbar hingenommen, weil man der Ursache der
nächtlichen Schlaf störenden Schmerzen nicht auf die Spur kommt. Gerade
bei Kopf-, Rücken-, Nacken-, Schulterschmerzen, wie auch Schwindel, Tinnitus, Ohr-, Herzbeschwerden usw. wird
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Somno S. 05-15
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Seite 14
ÜZ ABH NEMRE DSI ZI ICN H T E N
Abb. 11: Ausgeprägter
Abb. 11
Tief- und Deckbiss, der
zu einer Kopfvorhaltung
und infolgedessen zu
einer HWS- und Wirbelsäulenverschiebung und
Verspannung der gesamten Kau-, Kopf- und
Halsmuskulatur führt.
Abb. 12
Abb. 12: Der Engstand
der Unterkieferfrontzähne ist fast immer ein
Zeichen für eine
Retrallage des
Unterkiefers und neben
dem Tiefbiss eines der
wichtigsten Zeichen
einer CMD/CCD.
Abb. 13
selten an eine CMD gedacht. Noch
schwieriger wird die Betrachtung des
Schmerzgeschehens, wenn zusätzlich
CCD, also Dysfunktionen des HWSBereiches, insbesondere der ersten drei
Halswirbel, der sog. Kopfgelenke, ursächlich an dem Geschehen beteiligt
sind. Diese führen reflektorisch fast regelmäßig auch zu einer CMD. Umgekehrt kann eine CMD zu ausgeprägten Störungen des HWS-Bereiches
führen. Dies muss erkannt und gemeinsam behandelt werden. Sowohl für den
Zahnarzt, als auch für den HNO-Arzt,
den Orthopäden, den Schlafmediziner,
den Manualtherapeuten, den Osteopathen, den Schmerztherapeuten, … ist
es zwingend erforderlich, diagnostische
Maßnahmen einzubringen, die es gestatten, solche Zusammenhänge transparent zu machen und im interdisziplinären Team zu diskutieren. Nur so
ist es möglich, eine für den Patienten
effektive und für die Allgemeinheit
Kosten entlastende Behandlung durchzuführen.
Wechselwirkungen
Abb. 13: Schmerzen an den Ober- und Unterkieferzähnen können durch Verspannung der
Kaumuskulatur hervorgerufen werden. Dabei können Zähne schmerzen, die gesund und
ursächlich nicht für den Schmerz verantwortlich sind. So können diese Verspannungen
auch Kiefer- und Gesichtsschmerzen, wie auch Beschwerden in den Ohren und
Augenhöhlen auslösen. (Abb. aus Triggerpunkttafeln von R. und R. Schrottenbaum)
Literatur
American Sleep Disorders Association
1
Hülse M, Neuhuber WL, Wolff HD
Die besondere Aufgabe des Schlafmediziners ist es, solche ursächlichen
Überlegungen mit einzubeziehen, wenn
er die Diagnose „organisch-schmerzbedingte Schlafstörungen“ stellt. Oder
wenn sich trotz erfolgreicher Therapie z. B. einer obstruktiv bedingten
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ÜBERS
ICHTEN
ZAHNMEDIZIN
Abb. 14a
Abb. 14b
Abb. 14a: Bei idealer Körperhaltung ist die Kauebene und Kiefergelenkstellung physiologisch zu den restlichen Körperebenen ausgerichtet.
Abb. 14b: Auswirkung einer Kiefergelenkfehlstellung auf die Körperstatik. Auf Grund neurophysiologischer und muskulärer
„Verknüpfungen“ führt eine Kieferfehlstellung, weitergeleitet über den oberen HWS-Bereich zu einer Verschiebung der gesamten
Wirbelsäule, des Beckens und es kann eine funktionelle Beinlängendifferenz entstehen. Umgekehrt kann eine Beinlängendifferenz
oder ein Beckenschiefstand eine Kieferfehlstellung auslösen. So können multiple Beschwerdebilder, wie Kopf-, Nacken, Schulter-,
Rücken- und Beinschmerzen entstehen, bei denen ursächlich nicht an eine CMD gedacht wird. (Beide Abb. aus Kares, Schindler, Schöttl:
Der etwas andere Kopf- und Gesichtsschmerz).
Atemstörung die Schlafarchitektur und
Schlafqualität nicht verbessert. Umgekehrt kann eine obstruktiv bedingte
Schlafatmungsstörung häufig erst diagnostiziert werden, wenn der Patient
schmerzfrei schlafen kann.
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Travell JG, Simons, DG: Myofacial
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