Dynamik in Proteinkristallen: Inelastische Lichtstreuung und

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Dynamik in Proteinkristallen: Inelastische
Lichtstreuung und Röntgenstrukturanalyse
während Mikrowellenbestrahlung
Dissertation
zur Erlangung des akademischen Grades eines
Doktors der Naturwissenschaften
an der Universität Konstanz
Mathematisch-Naturwissenschaftliche Sektion
Fachbereich Physik
Lehrstuhl Prof. Dr. G. Maret
vorgelegt von
Ralf Weissenborn
11.02.2005
Referent: Prof. Dr. Georg Maret
Referent: Prof. Dr. Wolfram Welte
2
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
5
1 Proteine
1.1 Aufbau von Proteinen . . . . . . .
1.2 Die Struktur von Lysozym . . . . .
1.3 Protein-Kristallisation . . . . . . .
1.3.1 Kristallisationsmechanismen
1.3.2 Kristallisieren von Lysozym
1.4 Proteindynamik . . . . . . . . . . .
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2 Inelastische Lichtstreuung an Proteinkristallen
2.1 Theorie und Methoden . . . . . . . . . . . . . . . .
2.1.1 Einführung in die inelastische Lichtstreuung
2.1.2 Raman-Messungen mit einem
Doppelgitter-Monochromator . . . . . . . .
2.1.3 Raman- und Brillouin-Messungen mit einem
Tandem-Fabry-Pérot-Interferometer . . . . .
2.1.4 Probenpräparation . . . . . . . . . . . . . .
2.2 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.2.1 Proteindynamik . . . . . . . . . . . . . . . .
2.2.2 Elastische Eigenschaften von tetragonalen
HEW-Lysozymkristallen . . . . . . . . . . .
2.3 Diskussion und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . .
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7
7
10
13
13
14
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21
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22
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29
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33
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43
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50
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3 Röntgenbeugung und Mikrowellenbestrahlung
3.1 Theorie und Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.1.1 Einführung in die Röntgenstrukturanalyse . .
3.1.2 Probenpräparation . . . . . . . . . . . . . . .
3.1.3 Mikrowellenbestrahlung von Proteinkristallen
3.2 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.2.1 Bestimmung der Schadensschwelle . . . . . . .
3.2.2 Reproduzierbarkeit und Strahlenschaden . . .
3.2.3 Thermische Effekte . . . . . . . . . . . . . . .
3
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63
63
63
74
74
83
83
88
89
4
3.3
3.2.4 XRD mit simultaner Bestrahlung . . . . . . . . . . . . . . 98
3.2.5 Die Bestrahlung von Glycinoxidase- und FhuA-Kristallen . 111
Diskussion und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
Zusammenfassung
113
Dank
115
Einleitung
Die Funktion eines Proteins steht in engem Zusammenhang mit seiner spezifischen
Struktur, Flexibilität und Dynamik. Die möglichst genaue Kenntnis der Struktur ist daher nicht nur aus Sicht der strukturbiologischen Grundlagenforschung
interessant, sondern auch von elementarer Bedeutung für die moderne Medizin,
zur Krankheitsdiagnostik und für die gezielte Entwicklung von Medikamenten.
In den letzten 15 Jahren stieg die Anzahl der bereits bestimmten Proteinstrukturen rasant an und die Ergebnisse dieses Forschungszweigs sind über die
Protein Data Bank (PDB) [1] im Internet für jedermann zugänglich.1
Zur Bestimmung von Proteinstrukturen stehen der Wissenschaft nur 2 experimentelle Methoden zur Verfügung: Röntgenbeugung an Proteinkristallen (XRD) und
magnetische Kernresonanz (NMR) an Proteinlösungen. 87 % der ca. 25000 Struktureinträge (Stand Okt. 2004) der PDB wurden mittels Röntgenstrukturanalyse
bestimmt. Dies verdeutlicht die herausragende Stellung dieser Methode. Neben
anderen Problemen der Röntgenstrukturanalyse, wie das Phasenproblem oder
der durch die Röntgenstrahlen verursachte Strahlenschaden, stellt die Kristallisation eines Proteins ein oft unüberwindbares Hindernis dar. Für die vollständige
Strukturbestimmung eines Proteins werden Einkristalle hoher Qualität benötigt,
deren Weitwinkelbeugung eine strukturelle Auflösung von mindestens 2 − 3Å
ermöglicht. In Kap. 1 dieser Arbeit ist eine kurze Einführung zur Struktur und
Dynamik von Proteinen, sowie zur Protein-Kristallisation zu finden.
Häufig sehen sich Protein-Kristallographen mit dem Problem konfrontiert,
dass ein Protein zwar schöne Kristalle mit hoher Symmetrie bildet, eine Strukturbestimmung aufgrund ungenügender Beugungseigenschaften jedoch nicht möglich
ist. Eine mögliche Ursache für dieses Phänomen ist, dass die Proteine bei der Kristallisation in mehreren konformationellen Unterzuständen in den Gitterverband
eingebaut werden, was eine mangelhafte Ordnung und schlechte Beugungseigenschaften des Kristalls zur Folge hat. Die bisher bekannten Verbesserungsansätze
für solche Kristalle beruhen entweder auf wiederholtem Schockgefrieren und Auftauen der Kristalle [2, 3], oder auf der kontrollierten Dehydratation von Kristallen [4, 5]. Mit diesen Methoden konnten zwar einige wenige Proteinkristalle deutlich verbessert werden, sie können jedoch bei weitem nicht als Standardmethoden
angesehen werden. Das Ziel der vorliegenden Arbeit war die Beantwortung der
1
http://www.rcsb.org/pdb
5
6
EINLEITUNG
Frage, ob die Konformations-Unordnung in schlecht beugenden Proteinkristallen
durch Mikrowellenbestrahlung der Kristalle behoben werden kann.
Normalmoden-Analysen haben gezeigt, dass in vielen Fällen, bei denen die
Struktur eines Proteins in zwei verschiedenen Konformationen bekannt ist, die zugehörige Bewegung, die eine Konformation in die andere überführt, bereits durch
ein oder zwei der langsamsten kollektiven Vibrationsmoden des jeweiligen Proteins beschrieben werden kann [6, 7]. Geht man hiervon aus, so müsste es möglich
sein, durch eine selektive Anregung der tiefsten Vibrationsmoden, Übergänge zwischen Konformationszuständen gezielt zu induzieren. Für die selektive Anregung
kommen in erster Linie elektromagnetische Wellen in Frage, die über die polaren
und geladenen Seitenketten der Aminosäuren und über Dipolmomente zwischen
strukturellen Einheiten an die Dynamik eines Proteins koppeln können. Bleibt
die Frage, bei welcher Frequenz eine resonante Anregung der langsamsten Vibrationsmoden stattfinden könnte. Dieser Frage wird in Kap. 2 nachgegangen. Dort
werden Experimente vorgestellt, bei denen erstmals inelastische Lichtstreuung
(ILS) an Proteinkristallen mit einem Tandem-Fabry-Pérot-Interferometer vom
GHz- bis in den THz-Frequenzbereich durchgeführt wurde.
In Kap. 3 werden die Auswirkungen der Mikrowellenbestrahlung auf Proteinkristalle besprochen [8]. Durch die Modifikation eines speziellen Mikrowellenleiters [9]
gelang es XRD-Messungen unter gleichzeitiger Mikrowellenbestrahlung durchzuführen. Mit den vorliegenden Messungen konnten somit erstmals Mikrowelleneffekte auf ein Protein mit atomarer Auflösung untersucht werden. Dies verleiht
den Ergebnissen eine Relevanz, die über das Thema dieser Arbeit hinausgeht,
wird doch schon seit etlichen Jahren eine breite Diskussion in der Fachwelt sowie in der Öffentlichkeit, über mögliche Mikrowelleneffekte auf Organismen und
Biomaterialien im Allgemeinen geführt [10, 11, 12, 13].
Kapitel 1
Proteine
Über den Aufbau und die Struktur von Proteinen sowie deren Funktion in der Molekularbiologie gibt es umfangreiche Standardwerke [14, 15]. Ebenso finden sich
die Grundlagen und gängigen Methoden der Protein-Kristallisation in Büchern
wie z. B. [16, 17]. Damit diese Arbeit aber auch von Interessierten ohne Vorwissen
auf dem Gebiet der Biologie gelesen werden kann, enthält dieses Kapitel die zum
Verständnis der weiteren Kapitel nötigsten Grundlagen nochmals in aller Kürze.
Die meisten in dieser Arbeit vorgestellten Experimente wurden an HEWLysozymkristallen durchgeführt. Daher wird im weiteren Verlauf des Kapitels die
bereits gut erforschte Struktur von Lysozym anhand des PDB-Eintrags 193 L
vorgestellt [18]. Anschließend wird beschrieben wie die verwendeten Kristalle
gezüchtet wurden.
Da die niederfrequente Dynamik von Proteinen für diese Arbeit von besonderer Bedeutung ist, wird ein kurzer Überblick über den aktuellen Stand der
Literatur auf diesem Gebiet gegeben.
1.1
Aufbau von Proteinen
Der Grundbaustein aller Proteine ist die L-Aminosäure. Alle 20, in der Natur vorkommenden Aminosäuren bestehen aus einem zentralen Kohlenstoffatom,
dem Cα -Atom an das eine Amino- und eine Carboxy-Gruppe sowie ein H-Atom
und eine variable Seitenkette (Rest) gebunden sind (Abb.1.1(a)). Dabei unterscheiden sich die Aminosäuren in ihren Seitenketten, die ihnen die jeweiligen
charakteristischen Eigenschaften verleihen. Über die sog. Peptidbindung zwischen
einer Amino- und einer Carboxy-Gruppe können sich Aminosäuren kovalent binden (Abb.1.1(b)) und lange Ketten bilden, sog. Polypeptide. Abb.1.2 zeigt die
Einteilung der 20 natürlich vorkommenden Aminosäurereste in die Kategorien
unpolar (gleichbedeutend mit hydrophob), polar (aber ungeladen) sowie positiv und negativ geladen. Die Aminosäuren sind hier als Zwitterionen dargestellt,
wie sie in pH-neutralen Lösungen vorliegen. Die geläufigen 3- und 1-Buchstaben
7
8
KAPITEL 1. PROTEINE
(b)
R
R
Ca
HOOC
H
NH2
L-Aminosäure
H O C
O
C-Terminus
Ca
H
Peptidbindung
N H
H
O
H O C
Wasser
H
Ca
R
H
N
H
(a)
N-Terminus
Abbildung 1.1: (a) Die Grundstruktur der natürlichen Aminosäuren mit variabler Seitenkette R. (b) Die Ausbildung einer kovalenten Peptidbindung zwischen
zwei Aminosäuren unter Wasserabspaltung. Die Kettenenden werden entsprechend den dort befindlichen Atomen als C- bzw. N-Terminus benannt.
Abkürzungen sind ebenfalls angegeben.
Die sog. Primärstruktur eines Proteins ist durch die Sequenz der Aminosäuren
in der Polypeptidkette gegeben. In dieser Primärstruktur ist bereits die gesamte
strukturelle Information des Proteins enthalten. Wie es kommt, dass sich ein
Protein aufgrund seiner charakteristischen Primärstruktur immer in die gleiche
Konformation faltet, d. h. die gleiche dreidimensionale Struktur (Tertiärstruktur)
annimmt, ist bis heute eine ungelöste fundamentale Frage. Es sind jedoch einige
strukturbestimmende Kriterien bekannt:
- Jeder Cα –CO–NH–Cα Abschnitt in Proteinen liegt in einer Ebene und die
Faltung erfolgt allein durch Drehungen um die Bindungen der Cα -Atome.
- Geladene Seitenketten können elektrostatisch und polare Seitenketten über
Wasserstoffbrückenbindungen wechselwirken.
- Polare und geladene Aminosäuren sind hydrophil und finden sich vermehrt
an der Oberfläche von Proteinen, während unpolare Aminosäuren hydrophob sind und sich daher hauptsächlich im wasserarmen Inneren der Proteine zusammenfinden.
- Disulfidbindungen zwischen je zwei Cysteinseitenketten können die Struktur stabilisieren.
- α-Helices und β-Faltblätter sind sog. sekundäre Strukturelemente und bestimmen zu großem Teil die Tertiärstruktur von Proteinen.
Einige Proteine bestehen aus mehreren Polypeptidketten, die sich mit weiteren
Bausteinen zu größeren funktionellen Einheiten zusammenschließen und so eine
Quartärstruktur bilden. Die Größe von Proteinen variiert grob zwischen 100 und
800 Aminosäuren, es gibt jedoch auch wesentlich größere sowie wesentlich kleinere.
Jede polare oder geladene Aminosäure in einem Protein, sowie jede Peptidbindung besitzt ein elektrisches Dipolmoment. Die relative Orientierung der vielen
1.1. AUFBAU VON PROTEINEN
9
unpolare Aminosäuren
Alanin
(Ala, A)
Valin
(Val, V)
Prolin
(Pro, P)
H
H3N+ C COOCH3
H
H3N+ C COOCHCH3
CH3
Tryptophan
(Trp, W)
Phenylalanin
(Phe, F)
H
H
H3N+ C COOCH2
+
H3N
-
C COO
CH2
HN
COOH2+N
Isoleucin
(Ile, I)
H
H3N+ C COOCHCH3
CH2
CH3
Leucin
(Leu, L)
Methionin
(Met, M)
H
H3N+ C COOCH2
CHCH3
CH3
H
H3N+ C COOCH2
CH2
S
CH3
polare Aminosäuren
Glycin
(Gly, G)
Cystein
(Cys, C)
Serin
(Ser, S)
Tyrosin
(Tyr, Y)
H
H3N+ C COOH
H
H3N+ C COOCH2
SH
H
H3N+ C COOCH2
OH
H
H3N+ C COOCH2
Asparagin
(Asn, N)
Glutamin
(Gln, Q)
Threonin
(Thr, T)
H3N+
H
C COOCH2
C O
NH2
H3N+
H
C COOCH2
CH2
C O
NH2
pos. geladene Aminosäuren Arginin
Lysin
(Lys, K)
+
H3N
H
C COOCH2
CH2
CH2
CH2
NH3+
Histidin
(His, H)
+
H3N
(Arg, R)
H
H3N+
C COO
CH2
HN+
NH
H
C COOCH2
CH2
CH2
NH
C NH2+
NH2
H3N+
OH
H
C COOCHOH
CH3
neg. geladene Aminosäuren
Asparaginsäure
(Asp, D)
Glutaminsäure
(Glu, E)
H
H3N+ C COOCH2
C O
O-
H
H3N+ C COOCH2
CH2
C O
O-
Abbildung 1.2: Eine Einteilung der 20 natürlich vorkommenden Aminosäuren
entsprechend den chemischen Eigenschaften ihrer Seitenketten in die 4 Gruppen: unpolar (=hydrophob), polar aber ungeladen (=hydrophil), positiv geladen und negativ geladen. Zu jeder Aminosäure sind die gängigen 3- und 1Buchstabenabkürzungen angegeben.
10
KAPITEL 1. PROTEINE
lokalen Dipolmomente und das daraus resultierende Dipolmoment des gesamten
Proteins ist durch seine Struktur bestimmt. In α-Helices liegen die Dipolmomente
der Peptidbindungen z. B. parallel entlang der Helix-Achse und es ergibt sich eine
Überschussladung von ca. -e/2 am C-Terminus und +e/2 am N-Terminus der Helix [14]. Über diese Dipolmomente kann eine elektomagnetische Welle theoretisch
an ein Protein koppeln.
1.2
Die Struktur von Lysozym
Die in dieser Arbeit vorgestellten Experimente wurden fast ausschließlich an dem
kleinen globulären Protein HEW-Lysozym durchgeführt. Die Gründe für diese
Wahl sind:
- Lysozym kann günstig kommerziell erworben werden.
- Es ist einfach zu kristallisieren, und die Kristalle sind von sehr hoher Qualität, also gut geeignet für Röntgendiffraktions-Experimente.
- Lysozymkristalle sind relativ groß und im sichtbaren Spektralbereich transparent. Tetragonale Lysozymkristalle haben große parallele Seitenflächen,
wodurch sie für inelastische Lichtstreu-Experimente gut geeignet sind.
- Lysozymkristalle sind vergleichsweise robust und reversibel dehydratisierbar.
- Da Lysozym α-Helices und ein β-Faltblatt enthält, kann es als repräsentativ
für globuläre Proteine gelten.
- Lysozym ist zudem das wohl am besten erforschte Protein und etliche physikalische Eigenschaften, wie z. B. der Brechungsindex [19], die Wärmekapazität [20] oder die Wasserdesorptions Isotherme [21], sind bereits bekannt.
Lysozym wurde 1922 von Alexander Fleming entdeckt [22]. Als er auf der Suche nach Antibiotika einen Tropfen seines Speichels auf Bakterienkulturen setzte, beobachtete er eine allmähliche Zersetzung der Zellwände der Bakterien und
nannte das gefundene Enzym daher Lysozym (griechisch: Lyse = Auflösung). Im
menschlichen Körper kommt Lysozym nicht nur im Speichel, sondern auch in
der Tränenflüssigkeit, im Blutplasma sowie in der Nasen- und Darmschleimhaut
vor. Aber auch andere Organismen benutzen Lysozym zur Abwehr bakterieller Infektionen. Es findet sich z.B. in Milch, in einigen Pilzen, in verschiedenen
Pflanzensäften sowie im Eiklar von Vogeleiern. In Forschung und Medizin wird
meist HEW-Lysozym aus Hühnereiern benutzt (HEW = hen-egg-white). Es wurde erstmals 1946 von G. Alderton und H. L. Fevold kristallisiert [23]. Da es leicht
in hoher Qualität zu kristallisieren ist konnte die Struktur von HEW-Lysozym
bereits 1965 von David Phillips weitgehend mittels Röntgenstrukturanalyse aufgeklärt werden [24]. Inzwischen ist Lysozym eines der best erforschten Proteine
1.2. DIE STRUKTUR VON LYSOZYM
11
Abbildung 1.3: Die Primär- und Sekundärstruktur von HEW-Lysozym entnommen aus dem PDB-Eintrag 193L. Die Primärstruktur ist durch die 1Buchstabenabkürzungen der Aminosäuren gegeben. Deren Position in Sekundärstrukturen wie α-Helices und β-Faltblätter ist durch die darüberliegenden Symbole gekennzeichnet. Die 4 Disulfidbrückenbindungen zwischen Cysteinen sind durch grün-gestrichelte Linien gekennzeichnet. Die schwarzen Punkte
zeigen an welche Aminosäuren das Na+ - oder das Cl- -Ion gebunden sind.
und hält in der PDB-Datenbank mit 885 von insgesamt 25000 ProteinstrukturEinträgen (Stand Okt. 2004) den Rekord.
In Abb. 1.3 ist die Primär- und Sekundärstruktur von HEW-Lysozym dargestellt [18]. Dabei ist jede Aminosäure der Reihe nach entsprechend ihrer
1-Buchstabenabkürzung angegeben, begonnen beim N-Terminus der Polypeptidkette. Die insgesamt 129 Aminosäuren haben ein Molekulargewicht von 14296 Da
und enthalten 1001 Nicht-H-Atome. Die Zuordnung der Aminosäuren zu sekundären Strukturelementen ist durch die Symbole über den Abkürzungen gegeben. Lysozym enthält 7 durch β-Stränge verbundene α-Helices (H1-H7). Von
den Aminosäuren Thr 43 bis Asn 59 bilden die β-Stränge ein antiparalleles βFaltblatt (rotes A) mit drei Schleifen (rote Bögen). Die räumliche Anordnung der
sekundären Strukturelemente in Lysozym ist in Abb. 1.4(a) in der übersichtlichen
Bänderdarstellung gezeigt. Abb. 1.4(b) zeigt die gleiche Ansicht des Proteins im
Detail mit allen Nicht-H-Atomen. 8 S-Atome bilden paarweise Disulfidbrücken
zwischen Cystein Aminosäuren, welche in Abb. 1.3 durch die Zahlen 1-4 in gelben
Kreisen markiert sind. Zwei weitere S-Atome sind in der Seitenkette von Met 12
und Met 105 zu finden. Die dreidimensionale Struktur von Lysozym gleicht einem
Ei mit einer tiefen Spalte. Diese Spalte ist die aktive Zone des Proteins, in der
Polysaccharide von Bakterienzellwänden zertrennt werden können. Infolge dessen kann die Zellwand des Bakteriums dem osmotischen Innendruck nicht mehr
standhalten und zerplatzt. In der Natur liegt Lysozym zuerst in einer Vorstufe mit
147 Aminosäuren und einem Molekulargewicht von 16238 Da vor. Enzymatische
Aktivität erlangt das Protein erst nach Abspaltung der ersten 18 Aminosäuren
12
KAPITEL 1. PROTEINE
(a)
(b)
(c)
Abbildung 1.4: (a) Bänderdarstellung und (b) detaillierte Darstellung der Struktur von HEW-Lysozym mit allen Atomen außer Wasserstoff entsprechend dem
PDB-Eintrag 193 L. (c) Eine Vergrößerung des Bereichs um das gebundene Na+ Ion. schwarz: C-Atome, rot: O-Atome, blau: N-Atome, gelb: S-Atome, grün: Clund Na+ -Ionen.
der Vorstufe. Das tatsächliche Molekulargewicht schwankt ja nach Glykosylierung. Unter Abspaltung von Wasser lagern sich hierbei Zuckerreste an die freie
Aminogruppe von Asparagin (N-glycosidisch) oder an die Hydroxygruppe von Serin oder Threonin (O-glycosidisch). Im Allgemeinen wird das Molekulargewicht
von HEW-Lysozym daher mit ca. 14600 Da angegeben.
In der betrachteten Struktur hat Lysozym zusätzlich ein Na+ und ein Cl- -Ion
(grün) gebunden. Die beteiligten Aminosäuren sind in Abb. 1.3 durch schwarze Punkte gekennzeichnet. Da in Kap. 3 insbesondere das Verhalten des Na+ Ions diskutiert wird, sind die detaillierten Bindungsverhältnisse dieses Komplexes nochmals in Abb. 1.4(c) gezeigt. Die Atome sind entsprechend der in PDBDateien üblichen Nomenklatur beschriftet. Seitenkettenatome einer Aminosäure
1.3. PROTEIN-KRISTALLISATION
13
werden, beim Cα beginnend, entsprechend den Großbuchstaben des griechischen
Alphabets durchnumeriert: CA, XB, XG, XD, XE, XZ, XH. Verzweigt sich eine Seitenkette, so werden die Atome parallel mit den Nummern 1 und 2 weiter
durchnummeriert, z. B. NH1 und NH2 nach CZ in Arg 73.
1.3
1.3.1
Protein-Kristallisation
Kristallisationsmechanismen
Die treibende Kraft bei der Kristallisation von Proteinen ist entropischer Natur. Zwei sich aneinanderlagernde Proteine geben die Wassermoleküle der Kontaktfäche frei. Da die Wassermoleküle zuvor noch geordnet in Hydrathüllen an das
Protein gebunden waren, ist die Freigabe mit einem Entropiegewinn verbunden.
Die Anzahl der Van der Waals Bindungen und der Wasserstoffbrückenbindungen
bleibt bei diesem Prozess in etwa gleich, und es treten keine zusätzlichen kovalenten Bindungen auf. Die Bindung zweier Proteine ist i. Allg. jedoch nur metastabil. Haben sich durch zufällig Keimbildung bereits mehrere Proteine systematisch
aneinander gelagert, so wird, aufgrund der größeren Anzahl von Nachbarn und
somit einer größeren Kontaktfläche, der Einbau von weiteren Proteinen günstiger, und stabiles Kristallwachstum kann einsetzen. Beide Kristallisationsphasen,
Keimbildung und das Kristallwachstum, finden nur in übersättigten Lösungen
statt, was meist durch langsames Verdampfen von Wasser realisiert wird. Zusätzlich wird der Proteinlösung ein Fällungsmittel (Salze) zugegeben, mit dem die
Proteine um das Wasser konkurrieren müssen. Die Kunst ist unter anderem, die
Lösung soweit in die Übersättigung zu treiben, dass Keimbildung stattfindet, das
Protein aber nicht als ungeordnetes Aggregat ausfällt, was kinetisch günstiger
wäre, da sich die Proteine nicht erst systematisch anordnen müssen. Bilden sich
jedoch zuviele Keime so besteht die Gefahr, dass das Resultat auch viele kleine
Kristalle sind, anstatt den gewünschten wenigen großen. Um erfolgreich Proteine
zu kristallisieren braucht man neben einer Mindestmenge sorgfältig gereinigter
Proteine hauptsächlich Erfahrung und Glück. Im wesentlichen werden bei den
trial and error“-Versuchen folgende Parameter variiert: Proteinkonzentration,
”
Fällungsmittelkonzentration, Art des Fällungsmittels, pH-Wert und die Temperatur.
Eine Übersicht zur Geschichte der Proteinkristallisation [25] und Details zu
den aktuellen Techniken und Problemen auf diesem Gebiet sind in folgenden
Referenzen zu finden. [26, 16, 17, 27]
Wie bereits in der Einleitung erwähnt, ist die Motivation zur Proteinkristallisation i. a. durch die anschließend übliche Röntgenstrukturanalyse gegeben, stellt
sie doch das mächtigste Mittel zur Strukturbestimmung und somit zum Verständnis der Proteinfunktion und seiner Wirkungsweise dar. Umso ärgerlicher ist es
daher, wenn ein Kristallograph nach der eben beschriebenen Arbeit des Kristal-
14
KAPITEL 1. PROTEINE
(b)
50% Proteinlsg.
50% Reservoirlsg.
Dampfdiffusion
Proteinkonzentration
(a)
Ausfällung
2cP
cP
Nukleation
Kristallisation
Reservoirlösung
cF
2cF
Fällungsmittelkonzentration
Abbildung 1.5: (a) Kristallisation im hängenden Tropfen [16]: Durch Wasserdampfdiffusion erhöht sich die Fällungsmittelkonzentration im Tropfen bis sie
mit dem Wert in der Reservoirlösung übereinstimmt. Dabei steigt auch die Proteinkonzentration im Tropfen kontinuierlich bis zur Nukleation an, gefolgt von
Kristallwachstum. (b) Veranschaulichung des Vorganges anhand des Phasendiagrammes. Je dunkler ein Bereich ist, umso stärker ist die Lösung übersättigt.
lisierens zwar auf den ersten Blick schöne Kristalle erhält, diese aber aus meist
nicht bekannten Gründen für die Strukturbestimmung nur unzureichend beugen.
Der Ansatz dieser Arbeit ist die Idee, dass Konformations-Unordnung unter den eingebauten Proteinen möglicherweise der dominierender Gitterdefekt
schlecht beugender Kristalle darstellt (s. Kap. 1.4).
1.3.2
Kristallisieren von Lysozym
Im Rahmen dieser Arbeit wurde Lysozym mit dem Ziel kristallisiert, um die
in Kap. 3 beschriebenen XRD-Experimente durchzuführen. Aber auch für die in
Kap. 2 vorgestellten ILS-Experimente erwiesen sich Lysozymkristalle als vorteilhaft gegenüber einer Proteinlösung. Zum einen kann eine ca. zehnmal höhere
Proteindichte im Kristall (0, 78 g/ml) als in der Lösung erzielt werden [28], und
zum anderen zeigt freies Wasser in ILS-Spektren einen starken depolarisierten,
quasielastischen Flügel [29, 30], der bis in den THz-Bereich hineinreicht. Dieser
Flügel ist in Proteinkristallen wesentlich schwächer (vgl. Kap. 2.2.1), da ein großer
Teil des Wasser im Kristall in Hydrathüllen an das Protein gebunden ist. D. h.,
in Proteinkristallen ist die Dynamik des Proteins klarer ersichtlich als in Lösung
und nur schwach von der des Wassers überlagert.
Während sich das Kristallisieren der meisten Proteine als schwierig bis
unmöglich herausstellt, ist Lysozym einfach und auch ohne viel Erfahrung zu
kristallisieren. Je nach Temperatur, pH-Wert und verwendetem Fällungsmittel
1.3. PROTEIN-KRISTALLISATION
15
(b)
(a)
0,5 mm
0,5 mm
Abbildung 1.6: (a) Ein tetragonaler und (b) ein monokliner Lysozym Einkristall
in Glaskapillaren.
kristallisiert es in verschiedenen Systemen, wie z. B. tetragonal, monoklin, orthorhombisch oder triklin [31]. Im Folgenden werden die Kristallisationsrezepte
für die in dieser Arbeit untersuchten Lysozym Einkristalle angegeben. Für alle
Kristalle wurde gefriergetrocknetes HEW-Lysozym Pulver der Firma Fluka ohne
weitere Reinigung verwendet.
Tetragonale (P 43 21 2) Lysozym-Einkristalle wurden bei 18◦ C im hängenden
Tropfen mittels Dampfdiffusion kristallisiert (vgl.Abb. 1.5). Dabei wurden ca.
10 µ` große Tropfen mit unterschiedlichen Anteilen Lysozymlösung (75 mg/ml)
und NaCl Lösung (6 % w/v) angesetzt. Die Mischungsverhältnisse variierten hierbei von 1:3 bis zu 6:4, was unterschiedliche Ergebnisse in Größe und Anzahl
der Kristalle im Tropfen lieferte. Beide Lösungen basierten auf einem 0, 1 M NaAzetat Puffer (pH 4, 8). Die Kristalle wuchsen innerhalb ein bis zwei Wochen und
erreichten Größen bis zu 0, 8 mm (Abb. 1.6 (a)).
Tetragonale (P 43 21 2) Lysozym-Einkristalle im Agarose Gel wurden nach dem
gleichen Grundrezept kristallisiert, mit dem Unterschied, dass der NaCl Lösung in
kochendem Zustand 2 % w/v Agarosepulver zugefügt wurde. Nach dem Abkühlen
der Lösung auf ca. 45◦ C konnte wie oben mit dem Mischen der Tropfen fortgefahren werden. Da Agarose unterhalb 38◦ C ein Gel bildet, waren die in der
Gelmatrix heranwachsenden Kristalle fixiert und zeigten keine Sedimentation.
Da das Gel auch die Konvektion im Tropfen reduziert [32, 33], konnte durch
nochmalige Zugabe von Proteinlösung nach Abnahme der Wachstumsrate eine
weitere ungestörte Wachstumsphase der Kristalle ermöglicht werden [34]. Das
Ergebnis waren fast doppelt so große Kristalle, was bei einigen Lichtstreuexperimenten von Vorteil war. Nachteilig an dieser Methode ist, dass die Kristalle zur
weiteren Montage nur schwer aus dem gelierten Tropfen heraus zu lösen sind.
Eine Übersicht zur Kristallisation im Gel ist hier zu finden [35].
Monokline (P 21 ) Lysozym-Einkristalle wurden bei 20◦ C im einfachen Mischverfahren kristallisiert. Hierzu wurden 6 m` Lysozymlösung (20 mg/ml) mit 4 m`
NaNO3 Lösung (7, 5 % w/v) angesetzt [31]. Auch hier basierten beide Lösungen
auf einem 0, 1 M Na-Azetat Puffer (pH 4, 6). Nach ca. einer Woche hatten sich ei-
16
KAPITEL 1. PROTEINE
(a)
c
[001]
{10
1
b
[010]
(b)
c
}
b
a
[100]
a
{110
}
Abbildung 1.7: (a) Die kristallographischen Achsen und Flächen eines tetragonalen HEW-Lysozymkristalls. a = b = 79.2 Å, c = 38 Å, α = β = γ = 90◦ . (b) Die
Anordnung und Orientierung der 8 Moleküle in der Einheitszelle.
nige bis zu 1 mm lange Kristalle gebildet (Abb. 1.6 (b)), die jedoch oft miteinander
verwachsen waren oder am Boden hafteten. Die Variation der Mischungsverhältnisse ergab keine besseren Ergebnisse, sodass für die in Kap. 3.3 beschriebenen
Experimente nur wenige Kristalle zur Verfügung standen. Monokline Lysozymkristalle haben die erstaunliche Eigenschaft auch im stark dehydratisierten Zustand noch gute kristalline Ordnung aufzuweisen [36, 37].
Der überwiegende Teil der Experimente dieser Arbeit wurde mit tetragonalen
HEW-Lysozymkristallen durchgeführt. In Abb. 1.7 (a) ist ein solcher Kristall mit
seinen kristallographischen Achsen und Flächen skizziert. Die Gitterkonstanten
betragen a = b = 79.2 Å und c = 38 Å mit α = β = γ = 90◦ . Die Anordnung
und Orientierung der 8 Moleküle pro Einheitszelle ist in Abb. 1.7 (b) gezeigt. Der
Wassergehalt beträgt im vollhydratisierten Zustand H = 41 % w
[21].
w
Lysozym aus Truthahneiern zeigt auch noch im kristallisierten Zustand enzymatische Aktivität [38]. Zudem sind die Infrarot-Spektren von Lysozym in Lösung
und in kristalliner Form weitgehend identisch [39]. Dies lässt vermuten, dass die
Beweglichkeit und Dynamik von HEW-Lysozym durch den Einbau in den Gitterverband nur geringfügig beeinflusst wird.
1.4. PROTEINDYNAMIK
1.4
17
Proteindynamik
Bei globulären Proteinen wird von einer trichterförmigen vieldimensionalen Energielandschaft ausgegangen [40]. In diesem Bild befindet sich ein gefaltetes Protein
im nativen Zustand in einem der vielen Minima am Boden des trichterförmigen
Potentials [41], und jedes lokale Minimum entspricht einem konformationellen
Unterzustand. Im nativen Zustand kann ein Protein Schwingungsdynamik über
einen weiten Frequenzbereich von ca. 100 GHz1 bis in den Bereich von 100 THz
aufweisen. Während die schnellen Vibrationen in kleinen Untereinheiten des Proteins stattfinden (z. B. die Amid I- und Amid III-Banden, oder Schwingungen in
den Seitenketten, s. S. 43), wird davon ausgegangen, dass bei den langsamsten
Vibrationen große Domänen des Proteins gegeneinander schwingen, was mit kollektiven Auslenkungen von mehreren Ångström verbunden sein kann. Die Potentialbarrieren zwischen den nativen konformationellen Unterzuständen können
aus diesen Vibrationszuständen heraus thermisch überwunden werden, was wiederum als entscheidend für die enzymatische Aktivität des Proteins erachtet
wird [42]. So konnte mittels Normalmoden-Analyse gezeigt werden, dass in vielen
Fällen, bei denen die Struktur eines Proteins in zwei verschiedenen Konformationen bekannt ist, die zugehörige Bewegung, die eine Konformation in die andere
überführt, bereits durch ein oder zwei der langsamsten Normalmoden beschrieben werden kann [6, 7]. Aufgrund dieser Konformationsübergänge, und der noch
nicht vollständig verstandenen Wechselwirkung mit den Relaxationsmoden des
umgebenden Wassers enthält die Dynamik von Proteinen einen anharmonischen
Anteil, der glasähnliche Eigenschaften mit sich bringt. So wurde in einigen Proteinen eine Art Glasübergang bei T ≈ 200 K beobachtet. Während das mittlere
Verschiebungsquadrat der Atome in einem Protein unter dieser Temperatur durch
harmonische Vibrationen bestimmt wird, kommt überhalb von T ≈ 200 K ein
zusätzlicher, anharmonischer Beitrag hinzu. Die Ursache hierfür ist noch unklar
und kann sowohl durch einen Glasübergang der Hydrathüllen, als auch durch ein
asymmetrisches Doppelmulden-Potential des Proteins erklärt werden. Der Effekt
wurde bereits an verschiedenen Proteinen mittels z. B. Mössbauer-Spektroskopie,
Neutronenstreuung oder Röntgenbeugung [42] und im Rahmen dieser Arbeit erstmals auch mittels Brillouin-Streuung gemessen (s. S. 57)
Obwohl bei Normalmoden-Analysen von rein harmonischen, meist ungedämpften Wechselwirkungen ausgegangen wird, lieferte diese Methode einen erheblichen Beitrag zum Verständnis der Dynamik von Proteinen. Die ersten Arbeiten hierzu wurden in den 80er Jahren durchgeführt, mit möglichst vollständigen
und detaillierten Potentialen, was mit einer aufwendigen Energieminimierung verbunden ist. Im Fall von Lysozym fand man, dass die langsamste kollektive Schwingung des Proteins, die auch mit zur Scharnierbewegung beiträgt, bei ca. 100 GHz
liegen sollte [43, 44, 45]. D. ben-Avraham fand durch einen Vergleich der Er1
Nach ∆(1/λ) = ∆ν/c ergibt sich 1 GHz = 0, 0334 cm−1 .
18
KAPITEL 1. PROTEINE
gebnisse von fünf verschiedenen Proteinen deutlich unterschiedlicher Größe (von
39 bis 375 Aminosäuren), dass die niederfrequenten Vibrations-Zustandsdichten
g(ω) der Proteine einer universellen Kurve mit dem Maximum bei ca. 1300 GHz
folgen [46]. Diese Kurve erinnert an den sog. Bose-Peak bei Gläsern, und kann
ebenfalls gut durch eine Log-normale Frequenzverteilung der Form
2
1 − (ln ω−µ)
(1.1)
e 2σ2
σω
beschrieben werden [47]. Dabei sind σ und µ unabhängige Parameter. Daher
fand der Begriff Bose-Peak auch schon früh auf dem Gebiet der niederfrequenten
Proteindynamik Verwendung. M. M. Tirion zeigte, dass niederfrequente Vibrationsmoden mit hoher Kollektivität auch sehr gut durch ein vereinfachtes random
”
elastic network“-Modell (REN) beschrieben werden können, wobei die aufwendige
Energieminimierung entfällt [48]. Dabei wird das detaillierte Potential des Proteins durch ein einfaches Hookesches Potential ersetzt, das paarweise zwischen allen
Atomen innerhalb eines bestimmten Höchstabstands wirkt. Die Erklärung hierfür
ist, dass bei den kollektiven niederfrequenten Schwingungen großer Untereinheiten die effektiven Kräfte durch die Kombination verschiedener Wechselwirkungen
(kovalent, van der Waals, Disulfidbrücken, Wasserstoffbrücken, elektrostatisch)
zwischen vielen verschiedenen Atompaaren zustande kommt. Im großen Mittel
kann dann das Zusammenwirken durch ein Hookesches Potential mit nur einem
Parameter ersetzt werden.
Diese Vereinfachung ermöglichte es K. Suhre und Y. H. Sanejouand mit dem Ela”
stic Network Model“ (elNémo)2 ein über das Internet für jedermann zugängliches
Werkzeug zur Berechnung der 100 langsamsten Normalmoden von Proteinen zur
Verfügung zu stellen [49]. Unter Verwendung des PDB-Eintrags 193 L erhält man
für die 100 langsamsten Normalmoden von HEW-Lysozym die in Abb. 1.8 gezeigten Werte. Die Frequenzen sind so normiert, dass die niederenergetischste Mode
den Wert 1 hat. Wenn man davon ausgeht, dass diese langsamste Mode entsprechend den Vorhersagen der detaillierten Normalmoden-Analysen bei ca. 100GHz
liegt, so ergibt sich ein Moden-Abstand von jeweils 15 − 30 GHz für die ersten 5
Moden. Ab ca. 200 GHz beginnen die Moden dann dichter zu liegen und haben
Abstände von nur noch wenigen GHz.
Eine elementare Beobachtung bezüglich erhöhter Vibrations-Zustandsdichten
im niederfrequenten Bereich, machten W. Schirmacher et al. an einem gekoppelten System klassischer harmonischer Oszillatoren mit Gauss-verteilten Kraftkonstanten zwischen nächsten Nachbarn in einer primitiv kubischen Anordnung [50].
Auch hier tritt eine Art Bose-Peak auf, der an der Stabilitätsgrenze des Systems
am stärksten ausgeprägt ist und somit als Vorbote für Instabilität angesehen
wird. Ob die Ursache des Bose-Peaks in Gläsern und Proteinen ebenfalls in der
breiten Verteilung von zum Teil fluktuierenden Kraftkonstanten gesehen werden
kann, ist noch unklar.
g(ω) ∼
2
http://igs-server.cnrs-mrs.fr/ suhre/NMODE/index.html
1.4. PROTEINDYNAMIK
19
Abbildung 1.8: Die auf 1 normierten Frequenzen der 100 niederenergetischsten
Normalmoden in HEW-Lysozym, berechnet mit dem Elastic Network Model“
”
(elNémo) [49].
Die erste experimentelle Beobachtung des Bose-Peaks in Proteinen erfolgte mittels Raman-Spektroskopie bereits 1972 durch K. G. Brown et al.
an α-Chymotrypsin (in amorpher und auch in einkristalliner Form) und an
Pepsin, bei 870 GHz bzw. 960 GHz [51]. Im Widerspruch zu den Ergebnissen der
Normalmoden-Analysen fand man, dass die Position der maximalen Intensität
des Bose-Peaks für verschiedene Proteine nicht zusammenfällt, jedoch ohne
dass eine Korrelation zur Molekularmasse der Proteine gefunden wurde [52].
Außer mit Raman-Spektroskopie wurde der Bose-Peak auch mittels inelastischer
Neutronenstreuung z. B. an Myoglobin gemessen [53, 54, 55].
Fern-Infrarot-Absorptionsmessungen an Hämoglobin, Myoglobin und Lysozym
haben gezeigt, dass die kollektiven Vibrationsmoden optisch anregbar sind.
Die Proteine weisen ein breites, dem Bose-Peak ähnliches Absorptionsband bis
hinunter zu ca. 200 GHz auf [56, 57, 58, 59].
A. Xie et al. haben mittels pump-probe“-Experimenten bei 3, 45 THz an
”
Bakteriorhodopsin eine erstaunlich lange Lebensdauer der angeregten Vibrationszustände von τ = 500 ps gemessen [60], was einer natürlichen Linienbreite
von nur δν = 0, 3 GHz entspricht. Geht man davon aus, dass dieser Wert in etwa
für alle niederfrequenten Vibrationsmoden gilt, so müssten bei hinreichend guter
instrumenteller Auflösung zumindest die weniger dicht liegenden, langsamsten
Moden auf der niederfrequenten Seite des Bose-Peaks einzeln messbar sein.
20
KAPITEL 1. PROTEINE
Dieser Frage wird in Kap. 2 durch Raman-Messungen an tetragonalen HEWLysozymkristallen mit einem Tandem-Fabry-Pérot-Interferometer nachgegangen.
Der Frage, ob Proteine auch Dynamik im Mikrowellenbereich zeigen wurde bereits in den 70er Jahren mit dielektrischen Messungen im Frequenzbereich von wenigen Hz bis zu 25 GHz nachgegangen [61]. Messungen an Proteinlösungen haben
den Nachteil, dass die Relaxation des freien Wassers bei 18 GHz [62, 63] und die
Rotation der Proteine bei ca. 1 MHz starke Beiträge liefern. Daher wurden Proteine oft in gefriergetrocknetem Zustand zu Tabletten gepresst und dann über die
Luftfeuchtigkeit hydratisiert. S. C. Harvey et al. berichteten bereits 1972 von zwei
Relaxationen in den dielektrischen Spektren von HEW-Lysozymtabletten ab eiw
nem Wassergehalt von über H = 30 % w
[64]. Dieser Wert entspricht in etwa einer
Monolagen-Bedeckung von Lysozym. Die erste breite Dispersion bei ca. 300 MHz
wurde Relaxationen von stark gebundenen Wassermolekülen in der ersten Hydrathülle zugeschrieben, wobei noch unklar ist, ob nicht auch Rotationen von Seitenketten einen Beitrag in diesem Frequenzbereich liefern. Die zweite Dispersion
liegt bei ca. 10 GHz und wurde den Relaxationen weniger stark gebundener Wasw
sermoleküle in einer zweiten Hydrathülle zugeschrieben. Für H = 0 % w
konnte
innerhalb der Messgenauigkeit kein dielektrischer Verlust gemessen werden. Diese
Ergebnisse wurden in den folgenden Jahren weitgehend bestätigt [65, 66, 67].
Kapitel 2
Inelastische Lichtstreuung an
Proteinkristallen
Ausgehend von der These, dass schlechte Beugungseigenschaften von Proteinkristallen durch Konformations-Unordnung der Proteine im Kristall begründet
sein kann, stellt sich die Frage, ob sich diese Unordnung durch Mikrowellenbestrahlung vermindern lässt. Zur Beurteilung dieser Frage ist eine möglichst
genaue Kenntnis der niederfrequenten Proteindynamik hilfreich, um die Chancen einer resonanten Anregung abschätzen zu können. Von besonderem Interesse sind hierbei die energetisch tiefsten Moden, da sie eine wichtige Rolle bei
konformationellen Übergängen spielen und durch die Bewegung großer Untereinheiten die enzymatische Aktivität eines Proteins unterstützen, wenn nicht sogar
erst ermöglichen [42]. Die Theorie, im speziellen Normalmoden-Analysen, sagen
voraus, dass diese tiefsten Moden als niederfrequente Ausläufer des Bose-Peaks,
je nach Protein im Bereich von etlichen zehn bis wenigen hundert GHz liegen
sollten [68, 43, 46]. Bisher wurde noch von keiner experimentellen Beobachtung
einzelner Moden berichtet, was mit darauf zurückzuführen ist, dass die meisten
Messmethoden nicht die erforderliche Frequenz-Auflösung besitzen. Die Methode der inelastischen Lichtstreuung (ILS) kann mittels Fabry-Pérot-Interferometrie
aber genau dies leisten. So wurde im Rahmen dieser Arbeit erstmals ILS an einem
Proteinkristall mit einem Tandem-Fabry-Pérot-Interferometer (TFPI) im Bereich
von 1 GHz bis 6 THz durchgeführt. Diese Messungen wurden noch durch RamanMessungen mit einem Doppelgitter-Monochromator im Bereich von 300 GHz bis
120 THz ergänzt.
Die Vorhersagen der Normalmoden-Analyse berücksichtigen nicht die Möglichkeit der Dämpfung durch das umgebende Wasser und auch nicht die Anharmonizität der Potentiale. Es gibt jedoch Raman-Messungen und Molekular
Dynamik Simulationen, die Hinweise auf einen Einfluss des Wassers auf den BosePeak geben [69, 70]. Zudem weisen temperaturabhängige Messungen darauf hin,
dass der anharmonische Anteil am mittleren Verschiebungsquadrat der Atome
in Proteinen ebenfalls mit sinkender Hydratation abnimmt [71, 72]. Dies lässt
21
22
KAPITEL 2. ILS AN PROTEINKRISTALLEN
vermuten, dass die niederfrequenten Moden bei geringer Hydratation weniger
dämpfungsverbreitert und somit deutlicher ausgeprägt sind. Daher wurden die in
diesem Kapitel vorgestellten ILS-Experimente bei verschiedenen Hydratationen
der Proteinkristalle durchgeführt.
Mittels Röntgenstrukturanalyse lassen sich bei HEW-Lysozym in einem tetragonalen Kristall 141 gebundene Wassermoleküle auflösen (PDB 193 L [18]).
D. h., dass bis zu einer Hydratation von ca.
H=
100 · 141 · 18 Da
100 mLös
w
=
= 18 %
mLys
14296 Da
w
(2.1)
in erster Linie freies und nur schwach gebundenes Kristallwasser abdampft und
erst bei noch geringeren Hydratationen stark gebundene Wassermoleküle der Hydrathülle entzogen werden. Konsistenterweise setzt oberhalb eines Wassergehalts
w
von ca. H = 20 % w
die enzymatische Aktivität von Lysozym ein. Unterhalb von
w
ca. H = 8 % w wird vom Beginn struktureller Zersetzung des Proteins ausgegangen [73]. Bei den im Folgenden vorgestellten Experimenten wurden Wassergehalte
w
und H = 9 % w
eingestellt. Dies ermöglichte eine wiederzwischen H = 41 % w
w
holte De- und Rehydratisierung von tetragonalen HEW-Lysozymkristallen, ohne
dass die Kristalle offensichtlich Schaden nahmen oder an optischer Qualität verloren. Soweit nicht anders erwähnt, handelt es sich im Folgenden bei allen Kristallen
immer um tetragonale HEW-Lysozymkristalle.
Vor der Besprechung der Experimente und Ergebnisse soll jedoch noch eine
kurze Einführung in die inelastische Lichtstreuung gegeben werden, gefolgt von
einer Beschreibung der experimentellen Aufbauten.
2.1
2.1.1
Theorie und Methoden
Einführung in die inelastische Lichtstreuung
Die Lichtstreuung an Makromolekülen in Lösung umfasst neben der elastischen
Rayleigh-Streuung und der quasielastischen Streuung auch den Bereich der inelastischen Lichtstreuung, bei der zusätzlich zum Primärlicht frequenzverschobene Komponenten auftreten. Hierzu zählt die Brillouin-Streuung an akustischen
Phononen und die Raman-Streuung an optischen Phononen bzw. an Vibrationsmoden der Moleküle. Die durch Raman-Streuung erzeugten Wellenzahlverschiebungen liegen typischerweise zwischen 10 cm−1 und mehreren 1000 cm−1 ,
während die Brillouin-Streuung mit Primärlicht im sichtbaren Bereich i. Allg.
Wellenzahlverschiebungen zwischen 0, 1 cm−1 und 2 cm−1 zur Folge hat. Üblicherweise werden die Frequenzverschiebungen bei der Brillouin-Streuung in GHz
und bei der Raman-Streuung in Wellenzahlen angegeben.1 Abb. 2.1 zeigt eine
1
Nach ∆ν = c · ∆(1/λ) ergibt sich z. B. 1 cm−1 = 29, 98 GHz.
2.1. THEORIE UND METHODEN
23
Rayleigh
Stokes
nS, i = n0 - kni
Raman
Antistokes
nAS, i = n0 + ni
Brillouin
Brillouin
Raman
LA
TA2 TA1
dni
n0
Frequenz
Abbildung 2.1: Schematische Darstellung der bei der inelastischen Lichtstreuung
auftretenden Linien. Brillouin-Streuung basiert auf der Streuung an longitudinalen (LA) oder transversalen (TA) (nur im Festkörper) akustischen Phononen,
während Raman-Streuung durch optische Moden verursacht wird. Wird die Frequenz des gestreuten Lichts durch die Erzeugung eines Phonons erniedrigt, so
wird sie Stokes-Linie genannt. Bei Erhöhung der Frequenz durch die Vernichtung eines Phonons spricht man von Antistokes-Linien. Die Intensitätsverhältnisse sind durch die Besetzungswahrscheinlichkeiten der Zustände, also durch die
Bose-Einstein-Verteilungsfunktion gegeben. Die in Gasen zusätzlich auftretenden
Rotationsbanden sind nicht dargestellt.
schematische Übersicht der verschiedenen Beiträge zur inelastischen Lichtstreuung an kondensierter Materie. Der Raman-Effekt wurde 1923 von A. Smekal
vorhergesagt und 1928 von C. V. Raman erstmals nachgewiesen [74, 75]. Die
Raman-Spektroskopie stellt eine seit langem wichtige Komplementärmethode zur
Infrarotabsorptions-Spektroskopie dar. Wie im Folgenden gezeigt wird, ist eine
Mode nur dann Raman-aktiv, wenn sie eine Änderung der Polarisierbarkeit mit
sich bringt, während IR-Absorption eine Änderung des elektrischen Dipolmoments voraussetzt.
Die exakte quantenmechanische Beschreibung des Raman-Effekts kann und soll
hier nicht gegeben werden. Dazu sei auf die Literatur verwiesen, z. B. [76]. Zu
dem Ergebnis einer Frequenzverschiebung gelangt man jedoch auch mit einer
einfachen klassischen Erklärung des Raman-Effektes [76, 77].
Die klassische Herleitung
Trifft eine elektromagnetische Welle der Frequenz ν0 auf ein Molekül mit dem
~ =
permanenten elektrischen Dipolmoment p~0 , so induziert das elektrische Feld E
~ 0 cos (2πν0 t) durch verschieben der Elektronenhülle gegen den positiv geladenen
E
24
KAPITEL 2. ILS AN PROTEINKRISTALLEN
Kern ein mit der selben Frequenz oszillierendes zusätzliches Dipolmoment
~
p~(t) = p~0 + α E(t)
~ 0 cos (2πν0 t)
= p~0 + α E
(2.2)
(2.3)
Die Polarisierbarkeit α des Moleküls ist ein Tensor 2. Stufe, dessen Komponenten von der Symmetrie des Moleküls abhängen. Das oszillierende Dipolmoment
strahlt wiederum kohärent zum Primärlicht Dipolstrahlung ab, die mit dem
Primärlicht und der Strahlung aller anderen Streuzentren interferiert. In dichten, nicht absorbierenden, homogenen Medien ergibt sich durch diese Interferenz
die Lichtausbreitung in Richtung des Primärstrahls. Treten lokale Dichtefluktuationen bzw. Entropiefluktuationen auf, so kommt es zu einem Anteil isotrop
gestreuter Intensität mit der Frequenz ν0 . Dieser Prozess heißt Rayleigh-Streuung.
Zur Erklärung des Raman-Effektes werden nun zusätzlich die Eigenschwingungen mit den Frequenzen νi eines Moleküls berücksichtigt. Unter Annahme
harmonischer Potentiale kann die gekoppelte Bewegung der Atome durch voneinander unabhängige Normalkoordinaten qi um die Gleichgewichtslage wie folgt
ausgedrückt werden.
qi (t) = qi0 cos(2πνi t)
(2.4)
Wenn sich die Polarisierbarkeit und das permanente Dipolmoment eines Moleküls mit dem Abstand der schwingenden Atome ändert, so führt dies zu einer
Modulation des gesamten Dipolmoments. Für kleine Schwingungsamplituden der
Normalkoordinaten um ihre Gleichgewichtslage können α und p~0 um qi = 0 entwickelt werden.
¯
X ∂α ¯
¯ qi + . . .
α({qi (t)}) = α(0) +
¯
∂q
i 0
i=1
(2.5)
¯
X ∂~p0 ¯
¯ qi + . . .
p~0 ({qi (t)}) = p~0 (0) +
¯
∂q
i
0
i=1
(2.6)
3N −f
3N −f
N ist hierbei die Anzahl der Atome im Molekül und 3N − f die Anzahl der
Normalschwingungen, mit f = 5 für lineare bzw. f = 6 für nichtlineare Moleküle.
Das modulierte Dipolmoment ergibt sich dann durch Einsetzen von Gl. 2.4, 2.5
2.1. THEORIE UND METHODEN
und 2.6 in Gl. 2.3 zu folgendem Ausdruck:
¯
3N −f
X ∂~p0 ¯
¯ qi0 cos(2πνi t) +
p~(t) = p~0 (0) +
¯
∂q
i
0
i=1
Ã
!
3N −f
X ∂α ¯¯
~ 0 cos (2πν0 t)
¯ qi0 cos(2πνi t) E
+ α(0) +
¯
∂q
i
0
i=1
25
(2.7)
X ∂~p0 ¯¯
~ 0 cos (2πν0 t) +
¯ qi0 cos(2πνi t) + α(0) E
= p~0 (0) +
(2.8)
¯
∂q
i
0
i=1
3N −f
X ∂α ¯¯
~0
¯ qi0 [cos (2π(ν0 + νi )t) + cos (2π(ν0 − νi )t)]
+E
¯
|
{z
} |
{z
}
∂q
i
0
i=1
Anti − Stokes
Stokes
Der erste Term in Gl. 2.8 steht für das permanente Dipolmoment des Moleküls und der zweite beschreibt den mit der Molekülschwingung oszillierenden,
nicht induzierten Anteil, der die IR-Aktivität des Moleküls bestimmt. Nur wenn
∂~p0 /∂qi |0 6= 0 ist, handelt es sich um eine IR-aktive Mode. Der dritte Term ist
durch die einfallende Welle induziert und trägt zur elastischen Rayleigh-Streuung
bei. Der vierte Term ist nun der für die Raman-Streuung wichtige Teil des Dipolmoments. Auch er ist vom Primärlicht induziert und bewirkt eine Frequenzverschiebung des gestreuten Lichtes um ±νi . Im Streulicht treten also sog. AntiStokes-Linien bei νAS,i = ν0 + νi und Stokes-Linien bei νS,i = ν0 − νi auf. Eine
Mode ist nur dann Raman-aktiv, wenn ∂α/∂qi |0 6= 0 ist. Nimmt man bei der
Entwicklung von α in Gl. 2.5 auch Terme höherer Ordnung mit, so erhält man
entsprechende Ausdrücke mit Frequenzverschiebungen um ±2ν, ±3ν usw., was
Raman-Effekt zweiter, dritter usw. Ordnung genannt wird. Diese Linien sind jedoch wesentlich schwächer.
Bei der Brillouin-Streuung an akustischen Phononen kann ähnlich argumentiert werden. Da es sich hierbei um periodische Modulationen der Dichte mit
makroskopischer Ausdehnung handelt, wird nun die makroskopische Polarisati~ r, t) des
on P~ über die Dielektrizitätskonstante ε mit dem elektrischen Feld E(~
Primärstrahls verknüpft. Man betrachtet nun die Änderung δε um den Mittelwert
ε̄ aufgrund der Dichtemodulation durch die Schallwelle.
~
P~ = εE
Brillouin
z
}|
{
~
~
~
P (~r, t) = ε̄E(~r, t) + δε(~r, t)E(~r, t)
(2.9)
3N −f
Wird dieser Ansatz analog zum induzierten Beitrag in der oberen Rechnung
durchgeführt, so erhält man auch hier eine Stokes- und eine Anti-StokesKomponente im Streuspektrum, die jeweils um die Frequenz des beteiligten Phonons verschoben sind.
26
KAPITEL 2. ILS AN PROTEINKRISTALLEN
virtueller Zustand
hn0
hnS = h(n0-n)
hn0
hnAS = h(n0+n)
DE = hn
Stokes
Anti-Stokes
Abbildung 2.2: Darstellung des Stokes- und Antistokes-Streuprozesses bei der
inelastischen Lichtstreuung. Die Niveaus entsprechen den möglichen Energiezuständen der Moden. Bei einem Stokes-Prozess verliert das Licht Energie und
ein angeregter Zustand wird besetzt. Beim Anti-Stokes-Prozess ist das Gegenteil der Fall. Damit dieser Prozess überhaupt stattfindet, muss ein angeregter
Zustand thermisch besetzt sein.
Intensitätsverhältnisse
Nach der klassischen Herleitung müssten Stokes- und Anti-Stokes-Linien die selbe
Intensität aufweisen. Wie in Abb. 2.1 bereits angedeutet, trifft dies nicht zu. Die
Intensitäten der Anti-Stokes-Linien sind im Verhältnis zu denen der Stokes-Linien
umso geringer, je größer die Frequenzverschiebung der Linien ist. Während das
Brillouin-Dublett erst bei tiefen Temperaturen deutliche Intensitätsunterschiede aufweist, ist die Anti-Stokes-Seite von Raman-Messungen bereits bei Raumtemperatur wesentlich schwächer ausgeprägt, sodass meist nur die Stokes-Seite
des Spektrums betrachtet wird. Erst die quantenmechanische Betrachtung der
inelastischen Lichtstreuung liefert konsistente Ergebnisse. Mit Hilfe eines Niveauschemas kann eine anschauliche Erklärung gegeben werden. Die Niveaus entsprechen den möglichen Energiezuständen einer Mode. Bei einem Stokes-Prozess
gibt das einfallende Licht Energie ab und führt dabei von einem niedrigeren auf
einen höheren Zustand. Beim Anti-Stokes-Prozess nimmt das Licht Energie auf.
Er führt von einem angeregten in einen niedrigeren Zustand. Damit dieser Prozess überhaupt stattfindet, müssen bereits angeregte Zustände thermisch besetzt
sein. Gemäß dem Boltzmann-Faktor ist dies umso unwahrscheinlicher, je höher
die Energie des angeregten Zustandes ist. Das Intensitätsverhältnis einer AntiStokes- zur Stokes-Linie beträgt demnach:
IAS
− hν
= e kB T
IS
(2.10)
2.1. THEORIE UND METHODEN
(a) Stokes-Prozess
(b) Anti-Stokes-Prozess
n, q
n0, nk0
27
n, q
nk0
n0, nk0
q
(c) Stokes-Prozess bei
Brillouin-Streuung
q/2
q
q
nS, nkS
nAS, nkAS
nkS
Abbildung 2.3: (a) Darstellung des Stokes- und (b) Antistokes-Streuprozesses
bei der inelastischen Lichtstreuung. Es gilt Energie- und Impulserhaltung. Das
Primärlicht mit der Frequenz ω0 und dem Wellenvektor n~k0 erfährt durch die
Erzeugung (Stokes) bzw. Absorption (Anti-Stokes) eines Phonons mit Frequenz
ω und Wellenvektor ~k eine Frequenzverschiebung zu ωAS,S = ω0 ± ω mit einer
Wellenvektoränderung von n~kAS,S = n~k0 ± ~q. (c) Bei der Brillouin-Streuung gilt,
aufgrund der geringen Energie von akustischen Phononen, |~k0 | ≈ |~kAS,S |.
Im Teilchenbild
Die inelastische Lichtstreuung kann im Teilchenbild auch als elastischer Stoß zwischen einem Photon mit dem Impuls ~n~k0 und der Energie hν0 mit einem Phonon
mit dem Impuls ~~q und der Energie hν aufgefasst werden. (λ0 sei Vakuumwellenlänge und n der Brechungsindex des Mediums.) Dabei verliert das Photon
Energie und Impuls aufgrund der Erzeugung eines Phonons (Stokes), oder es gewinnt Energie und Impuls aufgrund der Vernichtung eines Phonons (Anti-Stokes).
Dies ist in Abb. 2.3 dargestellt. Bei beiden Prozessen müssen Energie- und Impulserhaltung gelten:
~ωAS,S = ~ ω0 ± ~ ω
~n~kAS,S = ~n~k0 ± ~ ~q
(2.11)
(2.12)
Hierbei steht +“ für den Anti-Stokes und -“ für den Stokes-Prozess.
”
”
Im Fall der Brillouin-Streuung an akustischen Phononen ergibt sich mit den
Dispersionsrelationen ω0 = cn|~k0 | des Lichts und ω = vs |~q| der Phononen im
Medium mit dem Brechungsindex n und der Schallgeschwindigkeit vs aus Gl. 2.11
folgender Zusammenhang.
vs
|~kAS,S | − |~k0 | = ±
|~q|
(2.13)
cn
Da das Verhältnis vs /cn typischerweise von der Größenordnung 10−6 ist, ist der
Impulsübertrag bei der Brillouin-Streuung vernachlässigbar klein, und kann mit
|~k0 | = |~kAS,S | genähert werden. Aus Abb. 2.3 (c) ist dann leicht zu ersehen, dass
ein einfacher Zusammenhang zwischen dem Streuwinkel und dem Wellenvektor
des streuenden Phonons besteht.
|~q| = 2n|~k0 | sin θ/2
(2.14)
28
KAPITEL 2. ILS AN PROTEINKRISTALLEN
Bei einem bestimmten Streuwinkel θ haben die am Streuprozess beteiligten akustischen Phononen eine definierte Wellenlänge und Richtung. Der maximale Wellenvektor beträgt hierbei in Rückstreugeometrie (θ = 180◦ ) |~qmax | = 2n|~k0 |. Bei
Brillouin-Streuung an Kristallen befindet man sich somit in der Regel sehr nah
am Zentrum der ersten Brillouin-Zone und es ist nicht möglich die gesamte Dispersionsrelation der akustischen Phononen bis zur Zonengrenze auszumessen.
(Da Neutronen bei gleicher Energie einen wesentlich höheren Impuls besitzen,
kann dies z. B. mittels inelastischer Neutronen-Streuung erreicht werden.) Misst
man die Frequenzverschiebung νB der Stokes- und Anti-Stokes-Linien bei einem
bestimmten Streuwinkel θ, also bekanntem |~q|, so lässt sich, aufgrund des linearen Anstiegs der Dispersionsrelation nahe dem Zentrum der Brillouin-Zone, die
Schallgeschwindigkeit des Mediums wie folgt bestimmen:
vs =
2πνB
2πνB
=
|~q|
2n|~k0 | sin (θ/2)
(2.15)
Lebensdauer und Linienbreite
Die inelastisch gestreuten Linien sind homogen verbreitert, d. h. sie besitzen aufgrund der endlichen Lebensdauer τ der angeregten Zustände die Linienform einer
Lorentz-Funktion [78].
I(ν 0 ) ∼
δν/2
(ν − ν)2 + (δν/2)2
0
(2.16)
Hierbei sei ν die Resonanzfrequenz und ν 0 die freie Variable. Aus der Halbwertsbreite δν der Lorentzkurve ergibt sich über die Heisenbergsche Unschärferelation
die Lebensdauer τ der akustischen Phononen im Falle der Brillouin-Streuung
und die Lebensdauer der optischen Phononen bzw. Moleküleigenschwingungen
im Falle der Raman-Streuung:
τ=
1
2π δν
(2.17)
Die experimentell bestimmte Linienbreite ist allerdings zusätzlich mit der
Instrumentenfunktion des verwendeten Spektrometers gefaltet. Im Falle der
Brillouin-Streuung ist mit dem Wellenvektorbetrag auch die Frequenzverschiebung vom Streuwinkel abhängig (vgl. Gl 2.15). Da die Sammeloptik des experimentellen Aufbaus in der Regel einen Akzeptanzwinkel von mehreren Grad hat,
führt dies zu einer zusätzlichen Linienverbreiterung. Diese Verbreiterung fällt in
Rückstreugeometrie am geringsten aus, da die Änderung des sin θ/2-Terms bei
einer kleinen Winkeländerung bei θ = 180◦ am geringsten ausfällt.
2.1. THEORIE UND METHODEN
2.1.2
29
Raman-Messungen mit einem
Doppelgitter-Monochromator
Im Rahmen dieser Arbeit wurde ein Spex 1400-11 Doppelgitter-Monochromator
(BJ 1968) für den computergesteuerten Betrieb umgerüstet. Der Servomotor
wurde durch einen Schrittmotor des Typs PK 245 M-03B der Firma Oriental
Motor ersetzt und alle weiteren Komponenten, die nur der x-Achsen-Skalierung
des xy-Schreibers dienten entfernt. Das Drehmoment des Schrittmotors von
M = 0, 22 Nm reicht aus, um in Kombination mit dem Getriebe des Monochromators einen fehlerfreien Scanbetrieb zu gewährleisten. Zur Steuerung des
Schrittmotors wird die Einheit SMK01-Z der Firma Owis GmbH verwendet.
Die Drehung der Gitter wird über eine Hebelmechanik bewerkstelligt, die wiederum über einen Reiter auf einer Feingewindeachse getrieben wird. Dabei bewirkt eine Umdrehung der Feingewindeachse eine Gitterdrehung, die ∆λ = 10 nm
auf der Laufradanzeige des Monochromators entspricht. Eine unkodierte Steuerung mittels Schrittmotor ist nur möglich, wenn einer Drehung der Feingewindeachse ein ganzzahliges Vielfaches an Motorschritten entspricht. Zu diesem Zweck
musste im Getriebe des Monochromators das Zahnrad mit 115 Zähnen durch
eines mit 116 Zähnen bei gleichem Durchmesser ersetzt werden, sodass sich
∆λ = 2, 5 nm pro Motorumdrehung ergibt. Bei 400 Schritten des Motors pro
Umdrehung ergibt sich somit ∆λ = 6, 25 · 10−3 nm/Schritt. Diese Zahl gilt jedoch
nur bei Verwendung von Gittern mit 600 Strichen/mm, worauf auch die Laufradanzeige geeicht ist. Werden andere Gitter benutzt, so muss die Laufradanzeige
mit einem gitterspezifischen Faktor multipliziert werden.
Gitter [Striche/mm]
Gitterspezifischer Faktor
300
600
1200
1800
0, 5
1
2
3
Im Rahmen dieser Arbeit wurden ausschließlich Gitter mit 1200 Strichen/mm
(λblaze = 500 nm) benutzt, was zu ∆λ = 3, 125 · 10−3 nm/Schritt führt. Bei dem
verwendeten Scanprogramm kann als kleinste Schrittweite ∆λ = 0, 0125 nm gesetzt werden, was 4 Schritten des Motors entspricht. Diese Schrittweite genügt,
um bei der maximal erreichbaren Auflösung des Geräts eine ausreichende Dichte an Messpunkten zu erhalten (vgl. Abb. 2.5). In Abb. 2.4 ist der Versuchsaufbau und der Strahlengang für die Raman-Messungen mit dem DoppelgitterMonochromator gezeigt. Als Lichtquelle wird das Modell Verdi“ der Firma
”
Coherent benutzt. Dies ist ein diodengepumpter, intern frequenzverdoppelter
Nd:Vanadat-Laser mit folgenden Herstellerspezifikationen [79]:
30
KAPITEL 2. ILS AN PROTEINKRISTALLEN
M
M
M
M
750 mm
PC
S2
Einzelphotonenzähler
G2
G1
S1
F
PMT
S3
f3 = 400 mm
P
A
Verdi l0 = 532 nm
f2 = 100 mm
K
f1 = 100 mm
Abbildung 2.4: Versuchsaufbau und Strahlengang zur Raman-Messung mit dem
Spex 1400−11 Doppelgitter-Monochromator. A: variabler Abschwächer, M: Spiegel, Fokussierlinse mit f1 = 100 mm, Sammellinse mit f2 = 100 mm, P: Analysator, Fokussierlinse f3 = 400 mm, F: Filter, S1,2,3: Eintritts- Mittel- und Austrittsspalt, G1,2: Gitter 1,2, PMT: Photomultiplier.
Leistung
PL = 0, 5 − 2 W (cw)
Wellenlänge
λ0 = 532 nm (single frequency)
Linienbreite
∆ν < 5 MHz
Strahldurchmesser 2, 25 mm ±10 %
Strahldivergenz
< 5 mrad ±10 %
Polarisation
> 100 : 1, vertikal, linear
Mit dem variablen Abschwächer kann die Leistung bis auf PL = 150 µW reduziert
werden. Der Laserstrahl wird mit einer Linse der Brennweite f1 = 100 mm auf die
Probe fokussiert. Das Streuvolumen wird mittels der Sammellinse (f2 = 100 mm)
und einem weiteren Achromaten (f3 = 400 mm) verkleinert auf den Eintrittsspalt
des Monochromators abgebildet. Das Streulicht wird im Monochromator spektral
zerlegt und hinter dem Austrittsspalt mit einem Photomultiplier (PMT) des Typs
9863QA/100 der Firma Thorn EMI detektiert. Zur Reduktion der Dunkelzählrate
befindet sich der PMT in einem Peltier-Kühlgehäuse des Typs TE 104 RF der
Firma Products for Research Inc. und wird auf ca. T = −30◦ C gekühlt. Bei der
benutzten Kathodenspannung UK = 2 kV und einer Diskriminatorschwelle des
Einzelphotonenzählers (Typ: SR400 gated photon counter der Firma Stanford
Research Systems) von UDisk. = −10 mV ergibt sich eine Dunkelzählrate < 1 Hz.
Die ausführliche Charakterisierung dieses PMTs bezüglich Pulshöhenverteilung
und Kathodenspannungsabhängigkeit ist in der Diplomarbeit von K. Aits zu
finden [80].
2.1. THEORIE UND METHODEN
31
Durch ein in Labview programmiertes Scanprogramm wird die Schrittmotorsteuerung und der Einzelphotonenzähler zur Datenerfassung schrittweise koordiniert. Das Grundgerüst des Programms wurde einer alten Version von R. Magerle
übernommen und den speziellen instrumentellen Vorgaben angepasst und erweitert. Insbesondere wurde die gating-Funktion des SR400-Zählers implementiert.
Dies ermöglicht eine getriggerte Datenaufnahme während eines zeitlich definierten Messfensters (∆t = 5 ns−0, 9992 s) bei einer Triggerrate von bis zu 1 MHz. Zu
der gerätespezifischen Verzögerung von 25 ns lässt sich zusätzlich eine Verzögerung von 0 s − 0, 9992 s einstellen. Ein Scan lässt sich in beliebig viele ScanBereiche mit unterschiedlichen Schrittweiten und Belichtungszeiten unterteilen.
Jeweils zwischen zwei Scan-Bereichen besteht die Möglichkeit über einen automatischen Filterwechsler bis zu vier verschiedene Filter in den Strahlengang vor den
Eintrittsspalt zu platzieren. Der Filterwechsler wird ebenfalls über einen Schrittmotor in Verbindung mit einem zweiten SMK01-Z Modul betrieben. Beim Durchgang des Monochromators durch die Rayleigh-Linie bei λ0 = 532 nm wird zum
Schutz des PMTs bei allen Messungen ein Neutraldichtefilter in den Strahlengang
eingeführt, der die Intensität des Streulichtes um einen Faktor 10−5 abschwächt.
Die fehlerfreie Funktion des Geräts wurde mittels diverser Spektrallampen
über den gesamten sichtbaren Bereich getestet. Zur Bestimmung der Auflösung
ist in Abb. 2.5 (a) das Spektrum einer Ne-Spektrallampe zu sehen, das mit einer
Schrittweite von ∆λ = 0, 0125 nm gemessen wurde. Die Eintritts- und Austrittsspaltbreiten betrugen, wie bei allen im Folgenden gezeigten Messungen, 100 µm
und die Breite des mittleren Spalts 200 µm. Zur Eichung wurde die Laserlinie bei
λ0 = 532 nm mitgemessen. Bei diesen Einstellungen beträgt die Auflösung des
Monochromators ca. 0, 1 nm.
Sowohl die Quanteneffizienz der Gitter als auch die Ansprechwahrscheinlichkeit der Photokathode des Photomultipliers sind wellenlängenabhängig. Bestimmt man die Abhängigkeit der Nachweisempfindlichkeit des Gesamtsystems
von der Wellenlänge, so können die Spektren korrigiert werden. Dies wird notwendig, wenn Vergleiche mit an anderen Apparaturen gemessenen Spektren angestellt werden, oder wenn Intensitätsverhältnisse innerhalb eines Spektrums untersucht werden. Mit Hilfe der Kaltlichtquelle KL 1500 LCD der Firma Schott
(Halogenlampe: Philips Typ 6423) mit Farbtemperatur-Anzeige wurde die Instrumentenfunktion bestimmt. Dies geschieht durch Vergleich des theoretischen
Spektrums eines Planckschen Strahlers mit dem Spektrum der von der Apparatur
gemessenen Halogenlampe. Die Halogenlampe hat die Intensitätsverteilung eines
Planckschen Strahlers:
I0
IP (λ, T ) =
(2.18)
hc
λ5 (e λT − 1)
Abb. 2.5 (b) (die zwei oberen Kurven) zeigt den Unterschied zwischen einem berechneten Planck-Spektrum IP (3100 K) und dem tatsächlich gemessenen
Spektrum der Lampe mit 3100 K Farbtemperatur. Normiert man das Planck-
32
KAPITEL 2. ILS AN PROTEINKRISTALLEN
Abbildung 2.5: (a) Das mit dem Doppelgitter-Monochromator gemessene Spektrum einer Ne-Spektrallampe im Bereich der Laserlinie bei λ0 = 532 nm. Die
Auflösung beträgt ca. 0, 1 nm. Scanparameter: 100 µm Eintritts- und Austrittsspaltbreite, 200 µm Breite des mittleren Spalts, ∆λ = 0, 0125 nm Schrittweite.
(b) Oben: Die Theoriekurve eines Planckschen Strahlers mit T = 3100 K durchgezogene Linie) und das gemessene Spektrum einer Halogenlampe mit 3100 K
Farbtemperatur (Symbole). Unten: Der Quotient ergibt die Instrumentenfunktion der Apparatur.
Spektrum auf die maximale Intensität des gemessenen Spektrums IH und bildet
den Quotienten IP /IH , so stellt dies die gesuchte Apparatefunktion dar (untere
Kurve). Zwischen 450 nm und 750 nm bewegt sich der Korrekturfaktor zwischen
1 und 8, 5. Im engsten Bereich der Laserlinie bei λ0 = 532 nm bleibt der Korrekturfaktor konstant, wodurch sich die Korrektur der in Kap. 2.2.1 gezeigten
Bose-Peak Spektren erübrigt.
Der Betrieb des Monochromators im Scanmodus ist gegenüber dem Einsatz mit einer CCD-Kamera sehr zeitaufwendig. Während die CCD-Kamera jedoch durch einen einige nm-breiten Bandpassfilter vor der hohen Intensität der
Rayleigh-Linie geschützt werden müsste, kann im Scanmodus wirklich erst dann
der Neutraldichtefilter in den Strahlengang eingeführt werden, wenn die Zählrate an der Flanke der Rayleigh-Linie stark ansteigt (> 105 Hz). Bei den meisten
Messungen befand sich der Filter lediglich im Bereich λ = 531, 8 − 532, 2 nm im
Strahlengang.
2.1. THEORIE UND METHODEN
2.1.3
33
Raman- und Brillouin-Messungen mit einem
Tandem-Fabry-Pérot-Interferometer
Während ein guter Doppelgitter-Monochromator inelastisch gestreutes Licht
mit Frequenzverschiebungen bis ca. 300 GHz = 10 cm−1 von einer schwachen
Rayleigh-Linie zu trennen vermag, lässt sich mittels Fabry-Pérot-Interferometern
(FPI) vom THz- bis in den GHz-Bereich hoch aufgelöste Spektroskopie betreiben. Besonders komfortabel und leistungsstark ist das Tandem-Fabry-PérotInterferometer (TFPI) von J. R. Sandercock. Auf den folgenden Seiten werden
das Funktionsprinzip und die Stärken des Interferometers vorgestellt.
Fabry-Pérot Interferometrie im Singlepass
Eine Einführung in die theoretischen Grundlagen der Fabry-Pérot-Interferometrie
ist in vielen Optik-Lehrbüchern zu finden, z. B. [81, 77], sodass hier nur nochmals
die wichtigsten Größen und Zusammenhänge wiederholt werden.
Ein Fabry-Pérot-Interferometer besteht im einfachsten Fall aus zwei planparallelen Spiegeln mit der gleichen Reflektivität R, die sich in einem variablen
Abstand d voneinander befinden. Trifft eine monochromatische, ebene Lichtwelle
entlang der optischen Achse auf den Resonator, so kann sie nur dann einkoppeln,
wenn der Spiegelabstand einem Vielfachen der halben Wellenlänge entspricht.
λ0
=d
(m = 0, 1, 2, . . .)
(2.19)
2n
n ist hierbei der Brechungsindex des Mediums im Resonator und λ0 die Wellenlänge im Vakuum. Wenn diese Bedingung erfüllt ist, stellt die Lichtwelle eine
Mode des Resonators dar, und ihre Intensität verstärkt sich bei der Mehrfachreflexion im Resonator durch konstruktive Interferenz mit sich selbst. Entsprechend
der Reflektivität der Spiegel R < 1 wird bei jeder Reflexion auch ein Teil der
Intensität wieder ausgekoppelt. Die Transmission T durch das Etalon ist durch
das Verhältnis der einfallenden zur transmittierten Intensität definiert. Für monochromatisches Licht ist sie in Abhängigkeit des Spiegelabstandes durch die
Airy-Funktion gegeben (Abb. 2.6):
m
T2
(1 − R)2 + 4R sin2 ( 2πnd
)
λ0
Tmax
=
1 + (2FR /π)2 sin2 ( 2πnd
)
λ0
T (d) =
(2.20)
Der Transmissionskoeffizient T = 1 − R − A eines Spiegels enthält neben der
Reflektivität auch die Absorption A (typ. A = 0, 2 %) des Lichtes in der dielektrischen Schicht beim Durchgang durch die Spiegel. Der Ausdruck
√
π R
(2.21)
FR =
1−R
34
KAPITEL 2. ILS AN PROTEINKRISTALLEN
Abbildung 2.6: Die theoretische Transmissionsfunktion eines Etalons für verschiedene Reflektivitäts-Finessen FR . Sie ist das Verhältnis des Modenabstands zur
Halbwertsbreite.
wird Reflektivitäts-Finesse genannt. Sie ist das Verhältnis des Modenabstands
zur Halbwertsbreite. Die maximale und minimale Transmission durch das Interferometer beträgt somit
T2
Tmax ≡
(2.22)
(1 − R)2
Tmin =
Tmax
1 + (2FR /π)2
(2.23)
woraus sich der Kontrast C des Instruments zu folgendem Ausdruck ergibt:
C=
4F 2
Tmax
= 2R + 1
Tmin
π
(2.24)
In Abb.2.6 ist die berechnete Transmissionsfunktion in Abhängigkeit des Spiegelabstandes für zwei verschiedene Werte von FR zu sehen. Je größer die Reflektivitäts-Finesse des Etalons ist, d.h. je größer die Reflektivität der Spiegel ist,
umso geringer wird die Halbwertsbreite δ der transmittierten Intensität, d. h.,
umso genauer muss die Interferenzbedingung 2.19 für Transmission erfüllt sein.
Die Finesse ist somit ein Maß für die Güte des Resonators. Bei einem realen Resonator tragen noch weitere Komponenten, außer der Reflektivität, zur Finesse
bei. Die Gesamtfinesse F ergibt sich aus der Addition der reziproken Quadrate
2.1. THEORIE UND METHODEN
35
der einzelnen Beiträge [82]:
1
1
1
1
= 2 + 2+ 2
2
F
FR FF FP
(2.25)
Durch die Oberflächen-Finesse FF wird die Rauigkeit der Spiegel berücksichtigt,
die üblicherweise λ/200 beträgt. Mit M=200 ergibt sich dann für diesen Beitrag:
M
= 100
(2.26)
2
Die Pinhole-Finesse FP berücksichtigt, dass, aufgrund der Ausdehnung der Quelle und des Eintritts- und Austritts-Pinholes, Lichtstrahlen innerhalb eines ganzen
Winkelbereichs um die optische Achse des Resonators hinter dem Etalon detektiert werden können.
1
FP ∼ 2
(2.27)
dP d
FF =
In der Regel werden die Pinhole-Durchmesser dP so klein gewählt, dass dieser
Term die Gesamtfinesse nicht limitiert.
Wird mit einem Etalon als Fabry-Pérot-Interferometer Spektroskopie betrieben, so macht man sich den Effekt zu Nutze, dass nach Gl. 2.19 Licht verschiedener Wellenlängen bei verschiedenen Spiegelabständen transmittiert wird. Das
durch einen Spiegelscan mit ∆d um den Abstand d erhaltene Spektrum wiederholt sich periodisch mit jeder durchfahrenen Ordnung m. Der Bereich neben
der m-ten Ordnung, in dem um ∆λ verschobene Wellenlängen mit der gleichen
Ordnung liegen können, ohne mit der (m ± 1)-ten Ordnung zu überlappen, wird
freier Spektralbereich“ (FSR) genannt. Er hängt vom Abstand der Spiegel ab
”
und ergibt sich zu:
∆λFSR =
λ20
2nd
(2.28)
∆νFSR =
c
2nd
(2.29)
Der freie Spektralbereich gibt so etwas wie ein Messfenster an, in dem gemessen
werden kann, ohne dass sich Linien verschiedener Ordnungen unüberschaubar
überlagern und eine eindeutige Zuordnung nicht mehr möglich ist. Er sollte immer größer als die Bandbreite der Lichtquelle gewählt werden. Wie in Abb. 2.6
ergibt sich die Halbwertsbreite des Transmissionsmaximums aufgrund der Instrumentenfunktion und damit die Auflösung des Geräts als Verhältnis des freien
Spektralbereichs zur Gesamtfinesse:
δν =
∆νFSR
F
(2.30)
36
KAPITEL 2. ILS AN PROTEINKRISTALLEN
Fabry-Pérot Interferometrie im Multipass
Wird der Lichtstrahl nach dem Verlassen des Etalons über Prismen oder corner
cubes mehrfach durch das Etalon zurückgeschickt, so spricht man vom MultipassBetrieb. Die Anforderungen an das Interferometer bezüglich Stabilität und Temperaturunempfindlichkeit sind dabei wesentlich höher. Gebräuchlich sind 3-, 5und 6-Pass Anordnungen. Gegenüber dem Singlepass zeichnet sich der Multipass
durch einen viel größeren Kontrast und eine höhere Finesse aus. Die Transmission
leidet jedoch darunter [83].
Cp = C1p
(2.31)
Fp =
F1
(21/p − 1)1/2
Tp = T1p
(2.32)
(2.33)
Der Parameter p gibt die Anzahl der Durchgänge des Lichts durch das Etalon an.
Das Tandem-Fabry-Pérot-Interferometer
Bei der Tandemanordnung von J. R. Sandercock [84] werden zwei Etalons mit einem Winkel von θ = 18◦ zwischen ihren optischen Achsen angeordnet. Wie in
Abb. 2.7 (a) dargestellt, befindet sich jeweils der rechte Spiegel der beiden Etalons
auf einem gemeinsamen Schlitten, der während des Scans in die eingezeichnete
Richtung bewegt wird. Die linken Spiegel sind fest montiert. Wenn der Schlitten
nach links gefahren wird, sollen beide Spiegelpaare gleichzeitig Kontakt haben.
Durch diese Anordnung ergibt sich, dass die Spiegelabstände der beiden Etalons jederzeit im Verhältnis d2 /d1 = cos 18, 2◦ = 0, 95 zueinander stehen. Wenn
bei einem gegebenen d1 die Interferenzbedingung (Gl. 2.19) für Licht der Wellenlänge λ0 in Etalon 1 erfüllt ist, so kann durch minimales Verschieben nur des
rechten Spiegels von Etalon 2 um δd < λ0 /4 gleichzeitige Transmission durch
beide Etalons erreicht werden. Da bei dem Scan der Spiegelabstände mit Hilfe
des Schlittens immer auch δd2 /δd1 = 0, 95 gilt, fallen nun die Transmissionen der
Etalons für die benachbarten 19 Ordnungen nicht mehr zusammen, und sind im
Spektrum nur noch als schwache Ghosts“ zu sehen (Abb. 2.7 (b)).
”
Das das hier verwendete Tandem-Fabry-Pérot-Interferometer (TFPI) von
JRS Scientific Instruments, wird mit zwei Etalons jeweils im 3-pass betrieben.
Die Transmissionsfunktion hierfür lautet
"
#3 "
#3
1
1
T (ν) = Tmax
·
1 + (2F1 /π)2 sin2 ( ∆νπν
)
1 + (2F1 /π)2 sin2 (0, 95 ∆νπν
)
FSR
FSR
(2.34)
2.1. THEORIE UND METHODEN
(a)
37
(b)
R
S
E2
AS
o
Transmission
d2 = d1 cos 18,2
E2
Scan
E1
E1
Tandem
Schlitten
M
d1
Schlittenposition
Abbildung 2.7: (a) Tandemanordnung nach J. R. Sandercock. E1,2: Etalon1,2,
M: Spiegel, d: Spiegelabstand. (b) Schematische Darstellung des Funktionsprinzips des Tandem-Fabry-Pérot-Interferometers. S: Stokes-, AS: Antistokes-, R:
Rayleigh-Linie
wobei hier ν, wie bei der Brillouin-Spektroskopie gebräuchlich, die Frequenzdifferenz zur Laserlinie angeben soll. Dank der integrierten Aktivdämpfung ist das
Gerät unempfindlich gegen Gebäudeschwankungen und Vibrationen. Auch langsame Temperaturschwankungen von wenigen Grad Celsius stören den Betrieb
des Geräts nicht, da es sich permanent mit Hilfe eines Referenzstrahls selbst stabilisiert. Die Bedienung des Geräts und die exakte Arbeitsweise der einzelnen
Komponenten sind ausführlich im Handbuch des Spektrometers beschrieben [85].
Der Scan verläuft linear mit der Zeit und dauert immer 0, 5 s, unabhängig von
der eingestellten Scan-Amplitude. Die vom PMT gemessenen Intensitäten werden
während des Scans in die 1024 Kanäle des Vielkanalanalysators gezählt, wodurch
sich die Intensität als Funktion des Spiegelabstandes und somit als Funktion der
transmittierten Wellenlänge darstellen lässt.
In Abb. 2.8 ist der experimentelle Aufbau zu sehen. Der Laser sowie die Anordnung der Fokussier- und Sammeloptik entsprechen weitgehend dem Aufbau mit
dem Doppelgitter-Monochromator (s. S. 30). Mit Hilfe des kleinen Spiegels (7 mm
Durchmesser) im kollimierten Strahlengang der Sammeloptik besteht zusätzlich
die Möglichkeit in Rückstreugeometrie zu messen. Durch Vergleich mit den in
90◦ -Streugeometrie gemessenen Spektren, lassen sich so optische von akustischen
Moden unterscheiden.
Gleich nach dem Laser wird mit einem Strahlteiler 5 % der Leistung in den Referenzstrahl umgelenkt, der über einen Diffusor auf ein Pinhole trifft und mit einem
zweiten Strahlteiler (98 % Transmission) in den regulären Strahlengang des Spektrometers geführt wird. Immer, wenn der Scan durch die Rayleigh-Linie läuft,
38
KAPITEL 2. ILS AN PROTEINKRISTALLEN
M
A
M
BS
PC
Verdi l0 = 532 nm
P2
M
PMT
Pr
M
E2 d2 = d1 cos 18,2
o
scan
Pr
f1 = 100 mm
Pr
P
M
P1 BS
K
M
E1
f3 = 400 mm
f2 = 100 mm
Abbildung 2.8: Versuchsaufbau zu den Raman- und Brillouin-Messungen mit
dem Tandem-Fabry-Pérot-Interferometer. BS: Strahlteiler (T = 95 %), A: variabler Abschwächer, M: Spiegel, Fokussierlinse mit f1 = 100 mm, Sammellinse
mit f2 = 100 mm, P: Analysator, P1,2: Eintritts-/Austritts-Pinhole, S: Shutter,
E1,2: Etalon1,2 , d1,2 : Spiegelabstand von Etalon1,2 , PMT: Photomultiplier,
PC: Computer mit Vielkanalanalysatorkarte. Nicht gezeigt ist die Steuerung zur
Justage, Stabilisierung und Aktivdämpfung des TFPI.
öffnet ein Shutter-Mechanismus den Eintritt des Referenzstrahls und schließt den
des Streulichts durch das Eintritts-Pinhole. Das Gerät kann so auf die konstante
Intensität und Wellenlänge des Referenzstrahls stabilisieren.
Das durch das Eintritts-Pinhole fokussierte Streulicht wird kollimiert und
durchläuft jedes Etalon dreimal. Um eine Überlagerung eventueller, weit verschobener inelastischer Streuintensitäten (z. B. Raman-Linien oder Lumineszenz) jeder 20-ten Ordnung auszuschließen, wird das transmittierte Licht zusätzlich durch
ein Prisma spektral zerlegt. Das Prisma bildet in Kombination mit der darauf
folgenden Linse und dem Austritts-Pinhole einen Bandpassfilter, dessen Halbwertsbreite BFWHM durch die Größe des Austritts-Pinholes dp gegeben ist [85]:
BFWHM
= 500 cm−1 /mm = 15 THz/mm
dp
(2.35)
Es stehen verschiedene Austritts-Pinholes mit dp = 200−1300 µm zur Verfügung,
wodurch sich maximal BFWHM = 19, 5 THz ergibt. Im Rahmen dieser Arbeit wur-
2.1. THEORIE UND METHODEN
39
Abbildung 2.9: (a) Die Instrumentenfunktion des TFPI. Die Laserlinie wurde über
den Referenzstrahl mit d1 = 0, 05 mm und einer Scan-Amplitude von 1000 nm
über die Ghosts hinweg gemessen (Quadrate). Die Messung stimmt gut mit der
Theoriekurve Gl. 2.34 mit einer Finesse von F = 123, 7 überein (Linie). (b)
Das mit dem Doppelgitter-Monochromator (gestrichelt) und dem TFPI (Quadrate mit Linie) gemessene Spektrum einer Ne-Spektrallampe und das mit dem
TFPI gemessene kontinuierliche Spektrum einer Glühlampe (durchgezogene Linie). Spex: Spaltbreiten: 100/200/100 µm, Schrittweite ∆λ = 0, 0125 nm. TFPI:
Pinholes: 300/450 µm, Scan-Amplitude: 500 nm, d1 = 0, 1 mm.
de nur bis ∆ν = 5, 6 THz mit dem 1300 µm Pinhole gemessen (d1 = 0, 05 mm,
Scan-Amplitude = 1000 nm), wodurch sich eine Korrektur der Spektren erübrigt.
Bei einer Scan-Amplitude von 1000 nm tauchen rechts und links neben der
Rayleigh-Linie die Ghosts der benachbarten Ordnungen auf. Im Falle sehr starker
Rayleigh-Streuung können sie ebenfalls mit dem Shutter ausgeblendet werden.
Die Reflektivität der Spiegel beträgt bei λ0 = 532 nm R = 93 %. Leider gibt
es keine Angaben zur Oberflächenrauigkeit der Spiegel. Aus der Reflektivität ergibt sich mit Gl. 2.21, 2.22 und 2.24 eine Finesse von F1 = 43, 3 , ein Kontrast
von C1 = 759 und eine maximale Transmission von Tmax,1 = 0, 94 pro Durchgang und Spiegelpaar. Für den 6-Pass betragen diese Werte folglich (s. Gl. 2.31,
2.32, 2.33) F6 = 123, 7 , C6 = 1, 93 · 1017 und Tmax,6 = 0, 7. In Abb. 2.9 (a) ist
eine Messung des Referenzstrahls bei ∆νFSR = 3000 GHz über die erste Ordnung
hinaus mit den zwei Ghosts rechts und links zu sehen (Quadrate). Dies stellt die
Instrumentenfunktion des TFPI dar. Die durchgezogene Linie ist ein Plot von
Gl. 2.6 wobei F1 = 43, 3 gesetzt wurde und Tmax auf die höchste Intensität der
Laserlinie normiert wurde. Aufgrund der weitgehenden Übereinstimmung lässt
sich schließen, dass die Finesse des TFPI tatsächlich sehr nahe am theoretischen
Wert von F6 = 123, 7 liegt.
40
KAPITEL 2. ILS AN PROTEINKRISTALLEN
Der enorm hohe Kontrast des Geräts lässt sich nicht in vertretbarer Zeit überprüfen. Zudem dominiert die Dunkelzählrate (≈ 1 Hz) des Photomultipliers jeden
Versuch den Kontrast des Spektrometers zu messen. Die Intensität der Ghosts
wird ca. um einen Faktor 10−4 im Verhältnis zur Hauptlinie unterdrückt.
In Abb 2.9 (b) ist ein Teil des gleichen Spektrums einer Ne-Spektrallampe wie
in Abb. 2.5 (a) zu sehen (gestrichelte Kurve). Die wesentlich geringere Linienbreite des mit dem TFPI gemessenen Spektrums (Quadrate) macht die Überlegenheit
des TFPI gegenüber Gitter-Spektrometern auch im THz-Bereich deutlich. Bei der
horizontalen Kurve handelt es sich um die Messung des kontinuierlichen Spektrums einer Glühbirne, das in diesem kleinen Frequenzfenster weitgehend flach
verläuft. Dies demonstriert die einwandfreie Funktion des Geräts auch bei, für
Brillouin-Spektroskopie ungewöhnlich hohen Frequenzverschiebungen im THzBereich.
Der Spiegelabstand des verwendeten TFPI kann maximal 30 mm betragen. Nach
Gl. 2.29 und 2.30 beträgt der freie Spektralbereich dann ∆νFSR = 5 GHz bei einer
instrumentell bedingten Halbwertsbreite von δν = 40 MHz. Eine Messung der Laserlinie (δν = 5 MHz [79]) bei diesen Einstellungen ergab jedoch eine Halbwertsbreite von δν = 84 MHz, was hauptsächlich auf die Grenzen der Stabilisierung
bei so großen Spiegelabständen zurückzuführen ist.
2.1.4
Probenpräparation
Die Präparation der Proteinkristalle für die inelastischen Lichtstreumessungen
erfolgte in einer Glovebox bei annähernd 100 % relativer Luftfeuchtigkeit unter einem Binokular. Dies ermöglichte die erforderliche langsame und vorsichtige
Vorgehensweise, ohne dass der Kristall durch schnelle Dehydratation Schaden
nehmen konnte. Die Proteinkristalle wurden mit einem Teflonpodest (Durchmesser ≈ 1, 5 mm) aus dem hängenden Tropfen ausgelöst und in dessen Mitte positioniert. Umgebende Lösungsreste wurden vorsichtig mit einer Wattespitze entfernt.
Das Podest wurde nun mit seinem tellerartigen Teflonboden auf ein Goniometer
montiert, sodass der Kristall auf der Drehachse zu liegen kam. Nun wurde das Mittelteil mit den Fenstern der, in Abb. 2.10 (a) und (b) gezeigten Feuchtigkeitszelle
auf den Teflonboden gesetzt. Die beiden Teile waren durch einen Parafinölfilm
drehbar und luftdicht verbunden. Hierdurch konnte der Kristall in der Messzelle,
bei der späteren Justage im Fokus des Laserstrahls, mit dem Goniometer gedreht
werden, um einen optimalen Strahlengang durch den Kristall zu finden, während
die Fenster der Messzelle unverändert blieben. Der obere Teil der Messzelle, ein
Reservoir-Behältnis, in das diverse gesättigte Salzlösungen gefüllt werden können,
wurde mit hochviskosem Silikonfett auf dem Mittelteil fixiert. Auch der Deckel
der Feuchtigkeitszelle wurde mit hochviskosem Silikonfett fixiert. Der luftdichte Abschluss durch das Silikonfett ließ sich jeweils leicht durch das transparente
PMMA kontrollieren. Je nach eingefüllter Salzlösung stellte sich so allmählich eine
definierte relative Luftfeuchtigkeit in der Zelle ein. In Tab. 2.1 sind die verwende-
2.1. THEORIE UND METHODEN
(a)
41
(b)
H
M
D
R
B
100
rel. Lf. [%]
(c)
(d)
K2SO4
KCl
NaCl
80
60
Mg(NO3)2
K2CO3
MgCl2
40
20
LiCl
0
0
20
40
60
80
100
Literaturwert rel. Lf. [%]
Abbildung 2.10: (a) Die Einzelteile der Feuchtigkeitszelle. D: Deckel, R: Reservoir für Salzlösungen, M: Messzelle mit Fenstern, B: Teflonboden mit dem Podest (Durchmesser ≈ 1, 5 mm) auf dem der Kristall positioniert wird, H: Hygrometer. (b) Die zusammengesetzte Feuchtigkeitszelle. (c) Ein tetragonaler HEWLysozymkristall auf dem Teflonpodest, im Fokus des Laserstrahls. (d) Hygrometer Eichkurve. Ein tetragonaler HEW-Lysozymkristall auf dem Teflonpodest, im
Fokus des Laserstrahls.
ten gesättigten Salzlösungen mit den zugehörigen relativen Luftfeuchtigkeiten bei
T = 20◦ C [86] und dem daraus resultierenden Wassergehalt von tetragonalen Lysozymkristallen aufgelistet. Die Hydratationswerte wurden aus einer Abbildung
in einer Veröffentlichung von V. N. Morozov et al. [21] abgelesen und können daher
mit einem Fehler von wenigen Prozent behaftet sein. Die spezifischen Volumina
wurden einer weiteren Abbildung der selben Arbeit entnommen.
Die relative Luftfeuchtigkeit in der Zelle wurde mit einem Hygrometer der
Firma TFA gemessen. Hierzu wurde der kapazitiv arbeitende Sensor des Gerätes
in die Zelle verlegt, während die Temperatur weiterhin direkt im Gerät, also außerhalb der Zelle gemessen wurde. Dies kann zu geringen Messfehlern führen,
wenn die Salzlösung eine andere Temperatur hat als die umgebende Luft. In
Abb. 2.10 (d) sind die mit dem Hygrometer gemessenen relativen Luftfeuchtig-
42
KAPITEL 2. ILS AN PROTEINKRISTALLEN
ges. Salzlösung
LiCl
MgCl2
K2 CO3
Mg(NO3 )2
NaCl
KCl
NaCl(6%)
rel. Lf. [%]
11, 3
33, 1
43, 2
54, 4
75, 5
85, 1
96, 0
H=
100·mLös
mLys
9
11
13
15
21
28
41
[% w
] spez. Volumen
w
h
cm3
gLys
i
0,89
0,94
0,96
0,99
1,11
1,19
1,24
Tabelle 2.1: Die relative Luftfeuchtigkeit über den verschiedenen gesättigten
Salzlösungen [86], der sich daraus ergebende Wassergehalt H [21] und das spezifische Volumen [21] von tetragonalen HEW-Lysozymkristallen.
keiten gegen die Literaturwerte der gesättigten Salzlösungen aufgetragen. Außer
bei K2 SO4 liegen die Messwerte jeweils leicht über den Literaturwerten. Für sehr
geringe Feuchtigkeiten weißt das Hygrometer einen extrem hohen Messfehler von
77 % auf. Da die Raumtemperatur während den Messungen T = (22 ± 1)◦ C betrug, kann davon ausgegangen werden, dass die tatsächlich herrschenden relativen
Luftfeuchtigkeiten den Literaturwerten entsprachen.
Mit Hilfe eines zweiten Reservoir-Behältnisses war ein Wechsel der Salzlösungen
innerhalb weniger Sekunden möglich. Die Salzlösungen wurden meist nur zum
nächst größeren, respektive kleineren Wert der relativen Luftfeuchtigkeit gewechselt. Nach jedem Reservoirwechsel wurde mindestens 12 Stunden gewartet, bevor
die nächste Messung durchgeführt wurde. In dieser Zeit konnte sich der Feuchtigkeitsgehalt des Proteinkristalls durch Wasserdampfdiffusion so einstellen, dass
er den gleichen Dampfdruck wie die Salzlösung besaß.
2.2. ERGEBNISSE
2.2
2.2.1
43
Ergebnisse
Proteindynamik
Dehydratationseffekte auf das Raman-Spektrum
D. Garfinkel und J. T. Edsal machten im Jahre 1958 die ersten Raman-Messungen
an Polyaminosäuren und Lysozym [87]. Zehn Jahre später folgten Messungen an
Kristallen der Proteine Lysozym, Pepsin und α-Chymotrypsin [88]. In der Arbeit
von A. B. Kudryavtsev et al. sind ausführliche, polarisationsabhängige RamanMessungen an tetragonalen HEW-Lysozymkristallen mit Frequenzverschiebungen zwischen 300 cm−1 und 3800 cm−1 zu finden [89]. Raman-Spektren von Proteinen entstehen in diesem Frequenzbereich durch ILS an den schnellen Schwingungen kleiner Untereinheiten der verschiedenen Aminosäuren des Proteins [90].
Sie bestehen aus einigen charakteristischen Linien, wie z. B. den hochfrequenten
O-H und C-H Schwingungen oder den sog. Amid I- und Amid III-Banden, die aus
kollektiven Schwingungen im Rückgrat resultieren (mit einem hohen Grad an
C=O Streckschwingungs- und N-H Biegeschwingungscharakter). Je nach Aufbau
des Proteins kommen Schwingungen von Disulfid-Brückenbindungen und der -SH
Gruppen in Cystein sowie C-S Schwingungen in Cystein und Methionin hinzu.
Ebenso können kollektive Schwingungen in manchen Seitenketten auftreten, z. B.
der Ringstruktur in Tryptophan.
Um ein vollständiges Bild von der Hydratationsabhängigkeit der Dynamik
in Lysozym zu erhalten, wurden zunächst Raman-Messungen bei verschiedenen,
wohl definierten Wassergehalten durchgeführt. Dies geschah mit dem in Kap. 2.1.2
vorgestellten Doppelgitter-Monochromator. Die hochfrequenten Vibrationen der
kleinen Untereinheiten des Proteins werden durch das umgebende, vergleichsweise
träge Wasser (mit wesentlich längeren Relaxationszeiten) kaum gedämpft. Daher
ist für die hochfrequenten Raman-Linien nur eine geringe Hydratationsabhängigkeit zu erwarten. Dies bestätigen die in Abb. 2.11 (a) gezeigten Spektren. Sie wurden auf den Peak der C-H Schwingung normiert (die Spektren bei H = 21 % w
w
w
und H = 9 % w
zeigten leichte Abweichungen und wurden mit 1, 4 bzw. 0, 9 multipliziert), und die Zuordnung einiger Peaks erfolgte wie in Referenz [89]. Außer
dem zu erwartenden Abfall der durch die O-H Streckschwingung verursachten
Streuintensität ist nur ein leichter Anstieg des Untergrunds um ca. einen Faktor
2 zu beobachten. Dieser Anstieg könnte durch Lumineszenz erklärt werden, die
durch die Bildung von Leuchtzentren aufgrund der steigenden Ionenkonzentration
zustande kommen könnte.
Unterhalb von 400 cm−1 beginnt der Bose-Peak. Dieser Bereich ist in
Abb. 2.11 (b) nochmals vergrößert gezeigt. Im vollhydratisierten Zustand ist ein
starker Rayleigh-Flügel zu sehen. Sein Ursprung liegt hauptsächlich in der quasielastischen, depolarisierenden Streuung durch das im Kristall und an dessen
Oberfläche befindliche freie Wasser [29, 30]. Mit einsetzender Dehydratation ver-
44
KAPITEL 2. ILS AN PROTEINKRISTALLEN
Abbildung 2.11: (a) Die mit einem Doppelgitter-Monochromator aufgenommenen Raman-Spektren eines tetragonalen HEW-Lysozymkristalls bei verschiedenen Hydratationen. Die Zuordnung der Linien erfolgte gemäß [89]. Alle Spektren
wurden auf die C-H Schwingung normiert. (b) Eine Vergrößerung der Spektren
im Bereich des Bose-Peaks.
2.2. ERGEBNISSE
45
liert dieser Beitrag schnell an Intensität und es bleibt der an den Proteinen und
dem gebundenen Wasser quasielastisch gestreute Anteil. Dieser nimmt ebenfalls
mit fortschreitender Dehydratisierung ab, und der offensichtlich hydratationsunabhängige Bose-Peak tritt immer deutlicher hervor. Dies steht in Widerspruch mit
theoretischen und experimentellen Arbeiten in denen die Ursache des Bose-Peaks
und der glasartigen Eigenschaften von Proteinen in der Dynamik des gebundenen
Wassers gesehen wird [91, 92, 93].
K. G. Brown et al. berichteten 1972 erstmals von niederfrequenten RamanMessungen an α-Chymotrypsin in amorpher und auch in einkristalliner Form
[51]. Unabhängig von der Probenpräparation fanden sie einen Peak bei 29 cm−1 ,
der im kristallinen Fall große Ähnlichkeit mit den Spektren in Abb. 2.11 (b) bei
geringer Hydratation hat. Bei Pepsin fanden sie einen Peak bei 32 cm−1 , der bei
Denaturierung durch Hitze verschwand. Daraus schlossen die Autoren, dass es
sich um intramolekulare Moden handeln muss, bei der große Einheiten eines Proteins kollektiv schwingen. Diese erste Arbeit gibt schon fast den aktuellen Stand
der Forschung bezüglich des Bose-Peaks aus der Sicht der ILS an Proteinen bis
zum heutigen Tage wieder. In den folgenden Jahren bestätigten etliche RamanMessungen an verschiedenen Proteinen diese Ergebnisse [94]. Die Position der
maximalen Intensität des Bose-Peaks variiert bei verschiedenen Proteinen zwischen 14 cm−1 und 36 cm−1 , ohne dass eine Korrelation zur Molekularmasse der
Proteine gefunden wurde [52].
Die Form des Bose-Peaks lässt vermuten, dass es sich um eine Überlagerung
mehrerer Moden handelt. So fitten z. B. H. Urabe et al. Spektren von tetragonalen HEW-Lysozymkristallen, wiederum ähnlich denen in Abb. 2.11 (b),
mit einer Summe aus 5 harmonischen Oszillatoren und 2 Relaxationsmoden an [94]. Normalmoden-Analysen sagen jedoch einige hundert Moden mit
Abständen νi − νi±1 von nur wenigen GHz in diesem Frequenzbereich voraus [43, 45, 46]. Da man sich hiermit unterhalb des Auflösungsvermögens aller
bekannten Spektroskopie-Methoden befindet, ist bislang unklar, ob der BosePeak eine Feinstruktur besitzt, oder ob die Moden aufgrund ihrer Linienbreite mit evtl. δνi > |νi − νi±1 | prinzipiell nicht auflösbar sind. Wie bereits in
Kap. 1.4 erwähnt wurde, fanden A. Xie et al. durch die Anregung von Vibrationszuständen in Bakteriorhodopsin bei 3, 45 THz eine natürliche Linienbreite
von nur δν = 0, 3 GHz [60]. Ob diese Linienbreite als Richtwert für alle kollektiven Vibrationsmoden in verschiedenen Proteinen gelten kann ist fraglich. Entsprechend den Ergebnissen der Normalmoden-Analysen wird davon ausgegangen,
dass in HEW-Lysozym lediglich die 5 langsamsten Vibrationsmoden im Bereich
100−200 GHz relativ große Abstände von 15−30 GHz besitzen. (vgl. Kap. 1.4). In
diesem Frequenzbereich bieten nur Fabry-Pérot-Interferometer die erforderliche
Auflösung.
46
KAPITEL 2. ILS AN PROTEINKRISTALLEN
Abbildung 2.12: Ein Vergleich der Spektren zweier tetragonaler HEWLysozymkristalle im Bereich des Bose-Peaks. Das obere Spektrum wurde mit
einem Doppelgitter-Monochromator und das untere mit einem Tandem-FabryPérot-Interferometer aufgenommen. Beide Kristalle waren dehydratisiert (H =
w
9% w
). Das obere Spektrum wurde in Rückstreugeometrie und das untere mit
einem Streuwinkel von θ = 90◦ aufgenommen. Die Spektren wurden durch Multiplikation mit einem konstanten Faktor übereinander gelegt.
Der Bose-Peak mit dem TFPI gemessen
Im Rahmen dieser Arbeit wurde der Bose-Peak eines Proteins erstmals mit einem
TFPI vermessen. Auch bei diesen Messungen wurde die Hydratation des Kristalls
w
bis H = 9 % w
variiert. Da die Scan-Amplitude bei
von anfänglich H = 41 % w
w
diesen Messungen 1000 nm betrug, weisen die Spektren jeweils in der Mitte der
Stokes- und Anti-Stokes Seite die sog. Geister“ des Spektrometers auf. Diese
”
Bereiche wurden aus den Spektren entfernt.
Ein Vergleich einer in Abb. 2.11 (b) bereits gezeigten Messung mit einem unter Einsatz des TFPI erhaltenen Spektrums ist in Abb 2.12 zu sehen. Die beiden
Spektren wurden an zwei verschiedenen Lysozymkristallen bei gleicher Hydrata) aufgenommen. Sie weisen eine hohe Ähnlichkeit auf, was einen
tion (H = 9 % w
w
Einfluss der jeweiligen Apparatefunktionen ausschließt und die Einsetzbarkeit des
TFPI im THz-Bereich nochmals verdeutlicht. Wie für optische Moden zu erwarten war, zeigt sich keine Abhängigkeit vom Streuwinkel: das schwarze Spektrum
2.2. ERGEBNISSE
47
wurde unter θ = 90◦ gemessen und das rote in Rückstreugeometrie mit θ = 180◦ .
Auch mit dem TFPI können nicht einzelne Moden aufgelöst werden. Ein
detaillierter Vergleich der Stokes- und Anti-Stokes Seite des Spektrums ergibt keine Übereinstimmungen in der verrauschten Struktur der Bose-Peaks
auf beiden Seiten. Dies ist nicht verwunderlich. Nach Gl. 2.30 beträgt die
Auflösung des TFPI bei einem Spiegelabstand von 0, 05 mm nur δν = 25 GHz,
während die Abstände zwischen den Vibrationsmoden nach den Vorhersagen der
Normalmoden-Analysen wie gesagt nur wenige GHz betragen sollten.
Dehydratationseffekte auf die niederfrequente Dynamik
Zur Klärung der Frage, wie der Bose-Peak unterhalb von 10 cm−1 weiter verläuft
und wo die tiefsten optischen Moden liegen, wurden polarisationsabhängige Messungen bei verschiedenen Spiegelabständen, also mit verschiedenen freien Spektralbereichen (FSR) durchgeführt:
Spiegelabstand [mm]
5
0,4
0,1
0,05
FSR [GHz]
30
375
1500
3000
Auflösung δν [GHz]
0,24
3
12
25
In Abb. 2.13 sind die in Rückstreugeometrie gemessenen Spektren für verschiedene Hydratationen zu sehen. Aus der Normierung der in Abb. 2.11 gezeigten
Raman-Spektren auf die Streuintensität der C-H Schwingung ergab sich, dass der
Bose-Peak hydratationsunabhängig ist. Die mit dem TFPI gemessenen Spektren
konnten daher auf den Bose-Peak normiert werden(, wobei der größte Korrekturfaktor 1,3 betrug). Bei Laserleistungen ≥ 20 mW wurden zum Teil Heizeffekte festgestellt, sodass die hier gezeigte Messreihe mit nur 10 mW Laserleistung
durchgeführt wurde. Aufgrund der hiermit verbundenen geringen Intensität des
Bose-Peaks werden im Folgenden hauptsächlich Spektren gezeigt, die ohne Analysator (VN) aufgenommen wurden. Nur die Frequenzbereiche, in denen neben
den depolarisierten Intensitätsbeiträgen der quasielastischen Streuung und des
Bose-Peaks auch polarisierte Beiträge durch Streuung an akustischen Phononen
auftreten, werden durch entsprechende VH-Messungen ergänzt.
Jedes Spektrum enthält 3 Beiträge: Die dominierenden Peaks zwischen 13 GHz
und 19 GHz sind auf die Brillouin-Streuung an longitudinal akustischen Phononen
(LA-Phononen) zurückzuführen. Hierauf wird im nächsten Abschnitt ausführlich
eingegangen.
Unter den Brillouin-Peaks liegt ein depolarisierter, quasielastisch gestreuter Intensitätsbeitrag, der bis zum Bose-Peak reicht und mit sinkendem Wassergehalt
abnimmt. Da die Polarisation des Lichtes bei Brillouin-Streuung erhalten bleibt,
lässt sich dieser Beitrag durch Messungen mit gekreuzten Polarisatoren (VH)
um 95 % unterdrücken. (Das verbleibende Lecksignal von 5 % ist vermutlich auf
48
KAPITEL 2. ILS AN PROTEINKRISTALLEN
Abbildung 2.13: Die mit dem TFPI gemessenen ILS-Spektren eines tetragonalen
HEW-Lysozymkristalls bei verschiedenen Wassergehalten. Jedes Spektrum setzt
sich aus drei Einzelmessungen bei verschiedenen freien Spektralbereichen zusammen. Die Spektren wurden auf den Bose-Peak normiert. Zudem sind die von Hand
angepassten Potenzfunktionen IV N (ν) ∼ ν −1,07 und IV H (ν) ∼ ν −0,58 gezeigt.
die doppelbrechenden Eigenschaften von tetragonalen HEW-Lysozymkristallen
w
zurückzuführen [19].) Für H = 41 % w
und H = 9 % w
sind die resultierenden
w
VH-Spektren mit den zugehörigen VN-Spektren in Abb. 2.14 (a) und (b) zu sehen. Die VH-Spektren wurden mit einem konstanten Faktor auf die Intensitäten
der VN-Spektren im Frequenzbereich zwischen Brillouin- und Bose-Peak skaliert. In diesem Bereich zeigen die VH- und VN-Spektren den gleichen Verlauf.
Dieser setzt sich im Fall der VH-Spektren mit gleicher Steigung auch im Bereich
ν < νB fort. Während man für ein wassergedämpftes System erwarten würde, dass
sich der Abfall der quasielastischen Streuintensität durch eine Lorentz-Funktion
beschreiben lässt, können die Spektren in Abb. 2.14 besser durch ein Potenzgesetz I(ν) ∼ ν −α beschrieben werden. Dies wurde auch schon an Myoglobin
mittels inelastischer Neutronenstreuung beobachtet [95]. Die in Abb. 2.13 und
2.14 gestrichelt eingezeichneten Funktionen mit den Exponenten α = −1, 07 und
α = −0, 58 wurden von Hand an die VH-Spektren angepasst. Es fällt auf, dass
die VN-Spektren zusätzlich einen quasielastischen Streubeitrag für Frequenzverschiebungen ν < νB aufweisen, der, wie der Brillouin-Peak, linear polarisiert ist.
Ein sehr ähnliches Verhalten ist von Gläsern bekannt [96]. V. N. Novikov
et al. schließen daraus, dass die harmonischen Vibrationen des Bose-Peaks
2.2. ERGEBNISSE
49
Abbildung 2.14: Die mit dem TFPI gemessenen ILS-Spektren eines tetragonalen
und (b) H = 9 % w
. Der Bereich der
HEW-Lysozymkristalls bei (a) H = 41 % w
w
w
quasielastischen und der Brillouin-Streuung wurde mit den Polarisatoren in VNStellung (gestrichelt) und in VH-Stellung (durchgezogen) gemessen. Der Verlauf
der quasielastisch gestreuten Intensität der VH-Spektren kann durch die Potenzfunktionen IV N (ν) ∼ ν −1,07 und IV H (ν) ∼ ν −0,58 beschrieben werden.
in Gläsern durch anharmonische Wechselwirkungen mit schnellen Relaxationen (z. B. thermisch aktivierte Sprünge in asymmetrischen DoppelmuldenPotentialen) gedämpft werden und dass dies der Ursprung der quasielastischen
Streuintensität ist. Unter der Annahme, dass die Dämpfung der akustischen Phononen auf dem selben Prinzip beruht, wird der zusätzliche, nicht depolarisierte,
quasielastische Beitrag unterhalb von νB durch Streuung an akustischen Phononen erklärt, die eine Kopplung an Relaxationsmoden aufweisen.
Im Falle der Lysozymkristalle ist aus Abb. 2.13 ersichtlich, dass die quasielastisch gestreute Intensität, sowie die Linienbreite des Brillouin-Peaks (vgl. S. 55)
mit sinkendem Wassergehalt abnehmen. Dies könnte mit der verringerten
Dämpfung durch die Kopplung an Relaxationsmoden der schwindenden Hydrathüllen [64] erklärt werden, oder dadurch, dass die Proteine aufgrund der
Dehydratisierung die nötige Flexibilität verlieren um zwischen verschiedenen benachbarten konformationellen Unterzuständen zu wechseln.
Im THz-Bereich liegt schließlich der aus den vorangegangenen Abbildungen
schon bekannte Bose-Peak. Wie sich herausstellt, sind im Bereich 100 − 200 GHz
keine einzelnen Vibrationsmoden zu beobachten. Dies könnte damit zusammenhängen, dass die Beweglichkeit des Proteins durch den Einbau in den Kristall
vermindert ist, was sich besonders bei den gesuchten langsamsten Vibrationsmoden auswirken könnte, da hier, vereinfacht gesehen, zwei starre Hälften des
Proteins als ganzes gegeneinander schwingen. Der Versuch, diese Moden an einer
50
KAPITEL 2. ILS AN PROTEINKRISTALLEN
Proteinlösung zu messen, scheiterte an dem starken depolarisierten, quasielastischen Streubeitrag durch das freie Wasser in diesem Frequenzbereich [29, 30].
Der Bose-Peak hebt sich erst überhalb von ca. 200 − 300 GHz vom quasielastisch
gestreuten Untergrund ab. Dies entspricht dem Bereich in dem nach den Vorhersagen der Normalmoden-Analysen die Modendichte stark zunimmt (vgl. Kap. 1.4).
Die Messungen mit einem FSR von 1500 GHz lieferten keine weiteren Erkenntnisse und werden daher nicht gezeigt.
2.2.2
Elastische Eigenschaften von tetragonalen
HEW-Lysozymkristallen
Wie in Abb. 2.13 zu sehen ist, liefert die Brillouin-Streuung an longitudinalen
akustischen Phononen (LA-Phononen) einen dominierenden Beitrag zur inelastisch gestreuten Intensität. In Rückstreu-Geometrie bei qmax = 2neff k0 haben die
LA-Phononen Wellenlängen von 160 − 170 nm. Auf dieser Längenskala setzen
sich die elastischen Eigenschaften des Mediums aus den molekularen Eigenschaften der Proteine, der Stärke der intermolekularen Kontakte im Kristall und der
Kompressibilität des ungebundenen Kristallwassers zusammen.
Aufgrund der großen Gitterkonstanten, a = b = 79, 2 Å und c = 38 Å, ist die
erste Brillouin-Zone (BZ) der Lysozymkristalle relativ klein im Vergleich zur BZ
in anorganischen Kristallen. Der maximale Wellenvektor der streuenden Phononen ist q = 2neff k0 = 3, 7 · 107 m−1 und beträgt somit trotzdem nur 1/11-tel
von 2π/c und 1/22-tel von 2π/a, den Zonengrenzen in Richtung der jeweiligen
Kristallachsen. Daher kann für die beteiligten Phononen von einer konstanten
Schallgeschwindigkeit vs = ω/q ausgegangen werden. Aus der Frequenzverschiebung νB des Brillouin-gestreuten Lichtes lässt sich die Schallgeschwindigkeit wie
folgt bestimmen:
vs =
νB λ0
2 neff sin(θ/2)
(2.36)
Extrapoliert man die Dispersionsrelation der LA-Phononen bis zum Rand der ersten Brillouin-Zone, so erhält man eine untere Grenze für die Frequenzen der optischen Gitterschwingungen. Tatsächlich gelangt man dabei in den Bereich weniger
hundert GHz. Die Phononen-Dispersionsrelation eines Kristalls mit p Atomen in
der Basis besitzt 3(p−1) optische Zweige. Somit ließe sich der Bose-Peak auch als
die Überlagerung der 3((8N ) − 1) optischen Phononen des Kristalls interpretieren, wobei N die Anzahl der Atome des Proteins darstellt. Da der Bose-Peak von
Proteinen aber auch in amorphen Proben beobachtet wird, liegt seine Deutung
als Überlagerung von intramolekularen Vibrationen näher.
Im Rahmen dieser Arbeit wurde an einer Vielzahl von tetragonalen Lysozymkristallen mit verschiedenen Orientierungen Brillouin-Streuung gemessen. Bei allen vollhydratisierten Kristallen lagen die Frequenzverschiebungen unabhängig
2.2. ERGEBNISSE
51
von der Orientierung zwischen 12, 8 GHz und 13, 2 GHz in Rückstreugeometrie,
was auf weitgehend isotrope elastische und optische Eigenschaften im Kristall
schließen lässt. Angesichts der deutlich unterschiedlichen Gitterkonstanten a = b
und c mag dieses Ergebnis verwundern. Bedenkt man jedoch, dass sich acht Proteine in der Einheitszelle befinden (s. Abb. 1.7 (b)), so ist eine annähernd isotrope
Packung der Moleküle vorstellbar, die nur aufgrund der verschiedenen Orientierungen der Proteine eine Periodizität mit den entsprechenden Gitterkonstanten
aufweist.
Die in Abb. 2.13 gezeigten Spektren wurden in Rückstreugeometrie gemessen.
Dabei wurde der Laserstrahl durch eine der {110}-Flächen in [110]-Richtung mit
der Polarisation in [110]-Richtung durch den Kristall geführt. Die gemessenen
akustischen Phononen propagierten somit entlang der [110]-Richtung.
Ist die Schallgeschwindigkeit der longitudinalen und transversalen Phononen
in einem isotropen Festkörper bekannt, so lassen sich das Elastizitätsmodul E,
das Schermodul G, das longitudinale Modul M und das Kompressionsmodul K
sowie die Poisson-Zahl σ wie folgt berechnen [97]:
2
M = vLA
%=
2
G = vTA
%=
K = M−
σ =
E(1 − σ)
(1 + σ)(1 − 2σ)
(2.37)
E
2(1 + σ)
(2.38)
4
E
G=
3
3(1 − 2σ)
1 − 2(vTA /vLA )2
2 − 2(vTA /vLA )2
(2.39)
(2.40)
Für den Fall anisotroper Schallausbreitung und ihre Verknüpfung mit den Elastizitätskonstanten sei hier nur auf die Arbeit von A. G. Every verwiesen [98].
Der effektive Brechungsindex und die mittlere Dichte der Kristalle
Um mit Gl. 2.36 die Schallgeschwindigkeit bestimmen zu können, muss der effektive Brechungsindex neff (H) des Materials bekannt sein. Zur Bestimmung der
elastischen Moduln benötigt man zusätzlich noch die mittlere Dichte %eff (H) des
Kristalls. Beide Größen sind hydratationsabhängig und werden über die Volumenbrüche des Proteins ϕLys und der NaCl-Lösung ϕLös im Kristall bestimmt:
neff (H) = nLös (H) · ϕLös (H) + nLys · ϕLys (H)
(2.41)
%eff (H) = %Lös (H) · ϕLös (H) + %Lys · ϕLys (H)
(2.42)
52
KAPITEL 2. ILS AN PROTEINKRISTALLEN
mit
ϕLys (H) =
VLys
mLys
=
VLys + VLös (H)
%Lys Vges (H)
;
ϕLös = 1 − ϕLys
(2.43)
Im Folgenden werden die fehlenden Größen diskutiert.
mLys
:
Vges
V. N. Morozov et al. berechneten die spezifischen Volumina Vges (H)/mLys
von tetragonalen HEW-Lysozymkristallen aus hydratationsabhängigen
XRD-Messungen [21]. Die Tatsache, dass die Lysozymmoleküle im Kristall mit Glutaraldehyd verknüpft wurden hat nach Ansicht der Autoren
keine Auswirkungen auf die Dehydratationseigenschaften des Kristalls. Die
Werte können Tab. 2.1, S. 42 entnommen werden.
nLös (H), %Lös (H): Sowohl der Brechungsindex als auch die Dichte der Salzlösung
im Kristall ändern sich bei der Dehydratation aufgrund der zunehmenden
Salzkonzentration cNaCl . Die Abhängigkeit der beiden Größen von cNaCl ist
in guter Näherung linear [86].
nLös (cNaCl ) = 1, 33 + 0, 18 cNaCl
%Lös (cNaCl ) = 1, 00 + 0, 76 cNaCl
mNaCl 1
cNaCl =
·
mLys h
(2.44)
(2.45)
(2.46)
Die Konzentration cNaCl = mNaCl /mLös der Salzlösung in Abhängigkeit des
Wasseranteils h = mLös /mLys ist über das feste Verhältnis der NaCl-Masse
zur Lysozymmasse im Kristall gegeben. Dieses Verhältnis lässt sich aus den
Anfangsbedingungen cNaCl = 0, 06 und h = 0, 41 zu mNaCl /mLys = 0, 025
bestimmen.
Unklar bleibt, ob die Na+ - und Cl− -Ionen mit zunehmender Konzentration
in Lösung bleiben oder verstärkt auch an die polaren bzw. geladenen Gruppen der Proteine gebunden werden. Dass die Salzlösung der Kristalle mit
einer 0, 1 M Na-Azetat Pufferlösung (pH 4, 8) angesetzt wurde kann ebenfalls einen schlecht kalkulierbaren, geringen Fehler der diskutierten Größen
zur Folge haben.
nLys , %Lys : Die Dichte von HEW-Lysozym beträgt %Lys = 1, 42 g/cm3 [99]. Dies
führt nach Gl. 2.42 zu einer mittleren Dichte der tetragonalen HEWLysozymkristalle von %eff (H = 41 % w
) = 1, 25 g/cm3 , was in guter Überw
einstimmung mit der Literatur steht [100].
Die einzigen Literaturwerte zum Brechungsindex von vollhydratisierten tetragonalen HEW-Lysozymkristallen stammen von B. Cervelle et al. [19].
Sie haben den Brechungsindex mittels Reflektivitätsmessungen bei verschiedenen Wellenlängen an einer 110-Oberfläche gemessen und fanden
2.2. ERGEBNISSE
53
Abbildung 2.15: (a) Die Frequenzen der LA-Brillouin-Linien zweier tetragonalen HEW-Lysozymkristalle in Abhängigkeit der relativen Luftfeuchtigkeit und
(b) in Abhängigkeit des Wassergehalts der Kristalle in Rückstreugeometrie. (c)
Die daraus bestimmte Schallgeschwindigkeit und (d) das Elastizitätsmodul unter
Verwendung des Wertes σ = 0, 32 für die Poisson-Zahl.
[100]
[001]
neff (540 nm) = 1, 578 und neff (540 nm) = 1, 583. Die geringe Doppelbrechung von ∆n = 0, 005 wird aufgrund des isotropen Ansatzes bei der
Bestimmung der Schallgeschwindigkeiten und der elastischen Moduln vernachlässigt und neff = 1, 58 gesetzt. Mit diesem Wert und Gl. 2.41 ergibt
sich somit ein Brechungsindex für Lysozym von nLys = 1, 75.
Da schwer abzuschätzen ist, wie verlässlich die gemachten Abschätzungen und
Annahmen wirklich sind, wird auf eine Fehlerangabe für die im nächsten Abschnitt bestimmten Größen verzichtet.
Die Schallgeschwindigkeit
Aus den Frequenzverschiebungen νB (Abb. 2.15 (a) und (b)) der in Abb. 2.13
gezeigten Spektren lässt sich nun mit Gl. 2.36 die Schallgeschwindigkeit der
LA-Phononen berechnen. Das Ergebnis ist in Abb. 2.15 (c) in Abhängigkeit
der Hydratation des Kristalls gezeigt (volle Quadrate). Bei voller Hydratation
beträgt vLA = 2227 m/s. Dieser Wert steigt infolge der Dehydratisierung des
54
KAPITEL 2. ILS AN PROTEINKRISTALLEN
Kristalls monoton auf vLA = 3043 m/s an. Bei der anschließenden Rehydratisierung geht vLA zwar wieder genau auf den Ausgangswert zurück, der Zyklus zeigt
jedoch eine auffällige Hysterese. Auch wenn die Dehydratisierung des Kristalls
w
vollzogen wird, ist der Effekt noch deutlich ausgeprägt. Bei
nur bis H = 21 % w
w
H = 28 % w
(85, 1 % rel. Lf.) streuen die Werte auffällig stark, was auf metastabile Eigenschaften in diesem Bereich hindeutet. Dies hängt sehr wahrscheinlich mit
dem reversiblen, strukturellen Übergang bei tetragonalen Lysozymkristallen zusammen, der durch den plötzlichen Verlust von Kristallwasser bei einer relativen
Luftfeuchtigkeit von ca. 88 % verursacht wird [36, 101, 102, 4]. XRD-Messungen
zeigen bei dieser Luftfeuchtigkeit einen abrupten Abfall der Gitterkonstanten
c von 38 Å auf ca. 34 Å. Gleichzeitig verringert sich die Auflösung und die
Mosaizität steigt an [103]. In Kap. 3.2.1 wird dieser Effekt nochmals anhand von
XRD-Messungen belegt. Bei dem strukturellen Übergang handelt es sich um
eine Änderung der Gitterstruktur und nicht um innermolekulare Umordnungen.
Daraus wird nochmals deutlich, dass die aus der Brillouin-Streuung am Proteinkristall gewonnenen elastischen Moduln und Schallgeschwindigkeiten nicht nur
die molekularen Eigenschaften des Proteins an sich beinhalten, sondern auch die
Eigenschaften des Kristallverbands mit den intermolekularen Kontakten und der
Kompressibilität des ungebundenen Wassers.
Die in Abb. 2.15 mit offenen Quadraten dargestellten Messungen beziehen sich
auf eine vergleichbare Versuchsreihe mit einem anderen Kristall. Der Laserstrahl
wurde sowohl in Rückstreugeometrie als auch unter einem Streuwinkel von 90◦
durch eine {110}-Fläche in [110]-Richtung mit der Polarisation in [001]-Richtung
durch den Kristall geführt. Die am Streuprozess beteiligten Phononen propagierten bei der 90◦ -Anordnung in [100]-Richtung und bei der 180◦ -Anordnung
in [110]-Richtung. Der hydratationsabhängige Verlauf von vLA dieses Kristalls,
stimmt gut mit der Kurve des oben beschriebenen Kristalls überein. Lediglich
im Bereich des strukturellen Übergangs bei H = 21 % w
gibt es deutliche
w
Abweichungen. Leider wurde dieser Kristall nicht wieder rehydratisiert.
Im Gegensatz zur Rückstreugeometrie kann bei einem Streuwinkel von θ = 90◦
auch Streuung an transversal akustischen Phononen (TA-Phononen) auftreten.
Tatsächlich zeigen die Messungen mit θ = 90◦ solch einen Peak, der jedoch erst
bei starker Dehydratisierung zum Vorschein kommt. Abb. 2.16 zeigt zwei bei
H = 9% w
gemessene Spektren. Das obere entstand mit VN- und das untere
w
in VH-Anordnung, wodurch die am LA-Phonon gestreute Intensität um ca.
einen Faktor 0, 01 unterdrückt wird und die am TA-Phonon gestreute Intensität
deutlicher hervortritt. Wie man es für akustische Phononen erwartet, liegt die
Frequenzverschiebung um den Faktor sin(90◦ /2) niedriger als in Rückstreugeometrie. Das LA-Phonon erzeugt eine Verschiebung um νLA (90◦ ) = 13, 6 GHz und
die des TA-Phonons beträgt νTA (90◦ ) = 7, 0 GHz. Dies ist die erste Messung
eines transversalakustischen Phonons in einem Proteinkristall.
2.2. ERGEBNISSE
55
Abbildung 2.16: Zwei unter einem Streuwinkel von θ = 90◦ gemessene Spektren
w
eines dehydratisierten tetragonalen HEW-Lysozymkristalls (H = 9 % w
). In der
VH-Stellung des Analysators wird der LA-Peak geschwächt und der TA-Peak
tritt deutlicher hervor.
Das Elastizitätsmodul und die Poisson-Zahl
Aus dem Verhältnis der Frequenzverschiebungen in Abb. 2.16 lässt sich die
Poisson-Zahl nach Gl. 2.40 zu σ = 0, 32 berechnen, was einen für Polymere typischen Wert darstellt [104]. Geht man davon aus, dass σ nicht vom Wassergehalt
abhängt, so lässt sich nun auch das Elastizitätsmodul berechnen. Dessen Verlauf
in Abhängigkeit vom Wassergehalt ist in Abb. 2.15 (d) gezeigt. Im vollhydratisierten Kristall beträgt E = 4, 4 GPa und steigt mit fortschreitendem Wasserentzug
w
, was in etwa dem elastischen Verhalten von Eis bei
auf 9, 0 GPa bei H = 9 % w
◦
T = −4 C entspricht (EEis = 9, 9 GPa, σEis = 0, 33).
Die Lebensdauer der LA-Phononen
Aufgrund der zunehmenden Steifigkeit des Gitters und der schwindenden Dämpfung durch freies Kristallwasser nimmt die Halbwertsbreite der LA-Peaks in
Abb. 2.13 von δνB = (2, 87 ± 0, 03) GHz bei vollständiger Hydratisierung auf
δνB = (0, 67 ± 0, 004) GHz bei H = 9 % w
ab. Die Halbwertsbreiten wurden durch
w
Abzug des quasielastischen Beitrags und den anschließenden Fit einer LorentzFunktion bestimmt.
56
KAPITEL 2. ILS AN PROTEINKRISTALLEN
Die eigentlich erforderliche Entfaltung mit der Instrumentenfunktion wird im Folgenden nur durch Abzug der Linienbreite des Referenzsignals von δν = 0, 20 GHz
vereinfacht berücksichtigt.
Ein geringer Beitrag zur Linienbreite stammt vom Akzeptanzwinkel der Sammeloptik, der ca. 14◦ beträgt. In Rückstreugeometrie werden somit Streuwinkel
von 173◦ − 187◦ gemessen. Hierdurch verbreitern sich die Peaks um einen Faktor νB (1 − sin (173◦ /2)), was in der Messung bei H = 41 % w
einen Beitrag von
w
w
0, 025 GHz und bei der Messung mit H = 9 % w von 0, 036 GHz macht. Die Lebensdauer [78]
1
τLA =
(2.47)
2π δνB
der beteiligten Phononen ergibt sich schließlich zu τLA = 60 ps bei H = 41 % w
w
und τLA = 367 ps bei H = 9 % w
. Inwiefern sich dieser Wert mit der durch
w
Pump-Probe Experimente gemessenen Lebensdauer τ = 500 ps von kollektiven
Vibrationen in Bakteriorhodopsin im THz-Bereich vergleichen lässt, ist schwierig
zu beurteilen [60].
Brillouin-Streuung an Kristallen weiterer Proteine
Im Rahmen dieser Arbeit wurden auch Brillouin-Messungen an Kristallen einiger
anderer Proteine als HEW-Lysozym durchgeführt. Dabei ergaben sich Frequenzverschiebungen von 10, 5 GHz bis 13, 0 GHz.
Protein
Lysozym
Myoglobin
Thermolysin
FhuA
ProX
Glycinoxidase
Glucose Isomerase
Frequenzverschiebung [GHz]
13,2
13,0
11,8
11,7
11,5
10,6
10,5
Alle Angaben beziehen sich auf Messungen in Rückstreugeometrie an vollständig
hydratisierten Kristallen.
Geht man von vergleichbaren Brechungsindizes und Dichten der verschiedenen
Proteinkristalle aus, so ergibt sich die gleiche Reihenfolge für die elastischen Eigenschaften der Proteinkristalle. Eine eindeutige Korrelation mit den mir nur
zum Teil bekannten Größen wie den Molekulargewichten, B-Faktoren, Einheitszellenvolumina, Auflösung etc. konnte nicht festgestellt werden.
Ein Vergleich mit der Literatur
In der Literatur sind bereits einige Angaben zur Schallgeschwindigkeit und den
elastischen Konstanten in tetragonalen HEW-Lysozymkristallen zu finden.
2.2. ERGEBNISSE
57
Die erste Brillouin-Messung an einem Proteinkristall veröffentlichten C. L. Caylor
et al. im Jahr 2001 [105]. Die Autoren beschränkten sich jedoch auf Messungen im
Frequenzbereich unter 20 GHz bei angeblich vollständiger Hydratation. Es wurde weder der quasielastische Untergrund betrachtet, noch wurde die Lücke zum
Bose-Peak im THz-Bereich geschlossen. Die Autoren berichten von Frequenzverschiebungen von νB = 12, 6 GHz in Rückstreugeometrie und 15 GHz in der
sogenannten 90◦ -R Geometrie. Diese Werte liegen für vollständig hydratisierte
Kristalle zu hoch und die Zuordnung zu den Streugeometrien widerspricht dem
Zusammenhang νB ∼ sin(θ/2). Zur Auswertung wurde ein Brechungsindex von
n = 1, 62 benutzt, über die veranschlagte Dichte der Kristalle wurden keine Angaben gemacht. Damit erhalten die Autoren eine zusammengesetzte elastische
2
in [110]-Richtung [98] (was im isotropen Fall
Konstante c11 + c12 + 2c66 = % vLA
Gl. 2.37 entspricht), deren Werte von 6, 2 GPa bis 12, 6 GPa reichen.
V. N. Morozov et al. fanden für das E-Modul in [001]-Richtung Werte von
E(h = 0, 42) = 1 GPa bis E(h = 0, 05) = 8 GPa [21, 101]. Die Bestimmung des
E-Moduls erfolgte über die Messung von transversalen Resonanzvibrationen der
mit Glutaraldehyd getränkten Kristalle im kHz-Bereich [106].
M. Tachibana et al. führten Ultraschall-Puls-Echo-Messungen im 1 − 25 MHzBereich durch und fanden, unabhängig von der Frequenz, eine Schallgeschwindigkeit der LA-Phononen von 1817 m/s in [110]-Richtung [107]. Mit den Annahmen
σ = 0, 33 und % = 1, 21 g/cm3 schätzen sie das E-Modul im isotropen Fall mit
E = 2, 7 GPa ab. Nach der unkontrollierten Dehydratation der Kristalle an Luft
erhöhte sich die Schallgeschwindigkeit auf 2900 m/s, was dann E = 6, 9 GPa ergab [108].
In der Literatur sind auch Untersuchungen zu den elastischen Eigenschaften der
Kristalle anderer Proteine [109], sowie zu Lysozymkristallen mit anderen Kristallsymmetrien zu finden. Ohne auf Details eingehen zu wollen sei hier nur erwähnt,
dass dort ähnliche elastische Eigenschaften mit ähnlichen Abhängigkeiten vom
Wassergehalt gefunden wurden; dazu sei auf die umfangreichen Arbeiten von
V. N. Morozov verwiesen. Der tetragonale HEW-Lysozymkristall stellt sich im
Vergleich meist als das System mit dem höchsten E-Modul heraus.
Temperaturabhängigkeit der elastischen Eigenschaften
Zuletzt seien in diesem Kapitel noch erste Testmessungen zum Thema des glasartigen Verhaltens von Proteinen bei tiefen Temperaturen gezeigt. Hierzu wurden
erstmals Brillouin-Messungen an einem Proteinkristall bei tiefen Temperaturen
durchgeführt. Aufgrund der Unvollständigkeit der Ergebnisse, soll lediglich die
Anwendbarkeit der Brillouin-Streuung zur Erforschung des Glasüberganges“ bei
”
T ≈ 200 K demonstriert werden, ohne jedoch in den aktuellen Stand der Wissenschaft eingeordnet zu werden (s. z. B. [110, 95, 42]).
Ein tetragonaler HEW-Lysozymkristall wurde, nach mehrtägiger Dehydratation an Luft, in einem Cryodyne Refrigeration System Modell 21“ der Firma
”
58
KAPITEL 2. ILS AN PROTEINKRISTALLEN
Temperatur [K]
Frequenz [GHz]
0
5
10
15
20
25
0
(a)
50
100
150
200
250
300
(b)
21,0
20,0
271,5 K
19,5
19,0
(c)
211,5 K
5000
4000
181,5 K
3000
Kristall Nr. 4
rel. Lf.:
0%
Streuwinkel: 180°
Polarisation: VN
Laserleistung: 10 mW
Messzeit:
10 min
Scanamplitude: 500 nm
Spiegelabstand: 4 mm
Pinholes:
300/450 µm
151,5 K
121,5 K
91,5 K
(d)
2000
1000
IStokes [willk. Einh.]
log Intensität [willk. Einh.]
241,5 K
Frequenz [GHz]
20,5
301.5 K
0,70
0,65
0,60
0,55
31,0 K
0,50
0,45
13,0 K
FWHM [GHz]
61,5 K
0,40
0
5
10
15
Frequenz [GHz]
20
25
0
50
100
150
200
250
300
Temperatur [K]
Abbildung 2.17: (a) Bei verschiedenen Temperaturen aufgenommene BrillouinSpektren eines vollständig dehydratisierten tetragonalen HEW-Lysozymkristalls.
(b) Die Frequenzverschiebung des LA-Peaks, (b) die maximale Intensität des
Peaks und (c) seine Halbwertsbreite in Abhängigkeit der Temperatur.
CTI-Cryogenics auf einer Aluminiumspitze platziert. Er befand sich ungeschützt
im Vakuum der Probenkammer (p ≈ 10−3 mbar), weshalb von einer maximalen
Dehydratation bei Raumtemperatur ausgegangen werden kann (h ≤ 0, 09). Einige andere Kristalle nahmen bei dieser Prozedur so starken Schaden, dass sie
nicht vermessen werden konnten. Dies wirft die Frage einer verbesserten Probenpräparation für optische Messungen im Vakuum auf bzw. legt den Einsatz eines
Stickstoff-Kühlers (z. B. Oxford 600 Series Cryostream) nahe.
Abb. 2.17 (a) zeigt die Anti-Stokes-Linie der bei Temperaturen zwischen
13, 5 K und 301, 5 K aufgenommenen Brillouin-Spektren. Das Intensitätsverhält-
2.2. ERGEBNISSE
59
Abbildung 2.18: Das mittlere Verschiebungsquadrat der Atome in einem dehydratisierten HEW-Lysozymkristall, berechnet aus den in Abb. 2.17 gezeigten Daten,
nach dem Modell von C. Edwards [109]. Die Steigung der linearen Fits beträgt
2
2
3 · 10−5 Å /K unterhalb T = 150 K und 4, 3 · 10−5 Å /K über 210 K. Die nicht ausgefüllten Datenpunkte wurden nicht in die Fits miteinbezogen. Der offene Kreis
gibt den Wert eines vollhydratisierten Kristalls bei Raumtemperatur wieder. Die
gestrichelte Gerade von der Übergangstemperatur T ≈ 200 K zu diesem Punkt
2
wurde von Hand gezogen und besitzt eine Steigung von 1, 2 · 10−4 Å /K.
nis zur nicht gezeigten Stokes-Linie beträgt IAS /IS = 0, 930 bei T = 13, 5 K,
in guter Übereinstimmung mit der Theorie (Gl. 2.10 liefert IAS /IS = 0, 926). In
Abb. 2.17 (b), (c) und (d) sind die Werte der Frequenzverschiebung, die Intensitäten und die Halbwertsbreiten der Stokes-Linie in Abhängigkeit der Temperatur gezeigt. Alle Größen zeigen leichte Änderungen der vorherigen Tendenzen im
Bereich von 150 K bis 200 K. Bei Temperaturen über T ≈ 200 K wird in der Literatur von einem verstärkten Anstieg des mittleren Verschiebungsquadrates der
Atome im Protein mit der Temperatur berichtet (vgl. S. 17). Dieser Effekt wird
mit sinkendem Wassergehalt schwächer [111]. Daher ist bei Brillouin-Messungen
an Kristallen mit höherem Wassergehalt ein wesentlich stärkerer Effekt zu erwarten, als bei den hier gezeigten Messungen.
Da die Zustandsdichte akustischer Phononen in Proteinkristallen nicht bekannt ist, lässt sich deren Beitrag auf die mittleren Verschiebungsquadrate nicht
eindeutig aus der Messung der Schallgeschwindigkeit bei nur einer Frequenz bestimmen. C. Edwards und S. B. Palmer machten einen einfachen harmonischen
Ansatz, in den nur Schwerpunktsbewegungen der Proteine im Kristall und keine
Dispersion der Schallgeschwindigkeit eingeht [109]. Über das Äquipartitionsgesetz
und der Annahme, dass die Anzahl an Wellenvektoren in jedem Volumenelement
60
KAPITEL 2. ILS AN PROTEINKRISTALLEN
der ersten Brillouin-Zone gleich ist, gelangten sie zu folgendem Ausdruck:
¶
µ
2 kB n2eff 6 π 2 T
2
hu iakust =
(2.48)
π 2 % λ20 VEZ νB2
hu2 iakust,ges = hu2 iLA + 2 hu2 iTA
(2.49)
Der Vergleich der mit Brillouin-Streuung und mit Ultraschall Puls-Echo Messungen erhaltenen Schallgeschwindigkeiten in Lysozymkristallen (s. o.) macht
deutlich, dass die Annahme der Dispersionsfreiheit nicht zutrifft. In Abb. 2.18
sind dennoch die mit diesem Ansatz bestimmten mittleren Verschiebungsquadrate gezeigt. Es werden exakte Werte gegeben, die wegen der Einfachheit des
zugrunde gelegten Modells jedoch nur rein qualitativ verstanden werden sollten. Für neff , VEZ und % wurden die im oberen Abschnitt bestimmten Werte bei
H = 9% w
benutzt (Quadrate). Zudem wird der Raumtemperaturwert von hu2 iges
w
eines vollständig hydratisierten Kristalls gezeigt (offener Kreis). Die Steigung der
2
ausgefüllten Datenpunkte wurden durch zwei lineare Fits zu 3 · 10−5 Å /K un2
terhalb T = 150 K und 4, 3 · 10−5 Å /K über 210 K bestimmt. Wird diese Temperaturreihe an einem vollständig hydratisierten Kristall durchgeführt, so sollte
sie ab ca. 200 K zu dem als offener Kreis dargestellten Datenpunkt führen. Die
2
Steigung der Kurve würde dann ca. 1, 2 · 10−4 Å /K betragen.
In Kap. 3 wird anhand der mittleren B-Faktoren von XRD-Messungen gezeigt,
dass die mittleren Verschiebungsquadrate der Atome in HEW-Lysozym bei
2
Raumtemperatur ca. 1 Å im Durchschnitt betragen.
2.3
Diskussion und Ausblick
Wie sich gezeigt hat, ist der harmonische Anteil der intramolekularen Vibrationen
in tetragonalen HEW-Lysozymkristallen aus Sicht der inelastischen Lichtstreuung weitgehend hydratationsunabhängig, während diffusive Moden und Relaxationsmoden im Kristall mit fortschreitender Dehydratisierung deutlich abnehmen. Für ein vollständiges Verständnis des Zusammenspiels von harmonischen
Vibrationsmoden mit anharmonischen bis diffusiven Bewegungen des Proteins
bei Konformationsänderungen und der Dynamik des gebundenen Wassers, könnten weitere Lichtstreu-Experimente sehr hilfreich sein. Gelänge es mit dem TFPI
temperaturabhängige Messungen bei verschiedenen Hydratationen über den gesamten niederfrequenten Spektralbereich (GHz-THz) durchzuführen, so ließe sich
z. B. der quasielastisch gestreute Intensitätsbeitrag mit dem glasartigen Übergang
bei T ≈ 200 K in Verbindung bringen. Zudem besteht die Möglichkeit, dass bei
tiefen Temperaturen (aufgrund der reduzierten thermischen Verbreiterung und
aufgrund der eingefrorenen Dynamik des gebundenen Wassers) einzelne Moden
des Bose-Peaks messbar werden.
2.2. ERGEBNISSE
61
Ein weiteres sehr interessantes Experiment könnte den Grad der Kopplung der
niederfrequenten Vibrationsmoden beleuchten. Mittels Raman-Messungen unter
gleichzeitiger Einstrahlung von schmalbandiger THz-Strahlung müsste bei resonanter Absorption der Strahlung eine Intensitätserhöhung des Bose-Peaks bei der
eingestrahlten Frequenz beobachtbar sein. Am deutlichsten müsste sich dieser Effekt bei tiefen Temperaturen auf der Anti-Stokes Seite des Spektrums zeigen. Die
Breite der Intensitätserhöhung würde Aufschluss über die Stärke der Kopplung
der Vibrationsmoden geben. Zudem wäre eine derartige Beobachtung ein vielversprechendes Zeichen dafür, dass mittels THz-Strahlung Konformationsübergänge
im Protein induzierbar sind.
Erste Test-Experimente in dieser Richtung wurden noch im Rahmen dieser
Arbeit an der THz-beamline [112, 113] von BESSY II in Berlin durchgeführt.
Dort stand gepulste, breitbandige THz-Strahlung mit dem Intensitätsmaximum
bei 250 − 800 GHz und einer mittleren Leistung von ca. 3 mW zur Verfügung. Mit
dem in Kap. 2.1.2 beschriebenen Doppelgitter-Monochromator wurden RamanMessungen an tetragonalen HEW-Lysozymkristallen bei T = 5 K mit gleichzeitiger THz-Bestrahlung durchgeführt. Aufgrund großer Schwierigkeiten bei der
Kühlung der Kristalle reichte die zur Verfügung stehende Zeit leider nicht aus um
alle geplanten Messungen durchführen zu können. Da aus den wenigen, zum Teil
noch unverstandenen Spektren keine klaren Aussagen gemacht werden können,
sei hier nur gesagt, dass eine wesentlich leistungsstärkere Strahlungsquelle für
kommende Messungen von großem Vorteil wäre.
62
KAPITEL 3. XRD UND MIKROWELLENBESTRAHLUNG
Kapitel 3
Röntgenbeugung und
Mikrowellenbestrahlung
Die Ergebnisse von Kap. 2 weisen in Übereinstimmung mit der Theorie darauf
hin, dass der Frequenzbereich der kollektiven Vibrationsmoden in Proteinkristallen i. Allg. zwischen ca. 200 GHz und wenigen THz liegt. Da in diesem Frequenzbereich aber noch keine leistungsstarke Quelle ohne weiteres zur Verfügung
steht, stellt sich die Frage, ob sich nicht doch auch unterhalb des Resonanzbereiches, mittels technisch ausgereifter Mikrowellentechnik an die Proteindynamik
koppeln lässt und somit evtl. Konformationsänderungen von Proteinen induziert
werden könnten. Mit dem Ziel vor Augen, die Beugungseigenschaften schlecht
beugender Proteinkristalle hierdurch zu verbessern, wurde im Rahmen dieser
Arbeit erstmals Röntgenbeugung an Proteinkristallen unter gleichzeitiger Mikrowellenbestrahlung durchgeführt [8]. Im Fall der gut beugenden tetragonalen
HEW-Lysozymkristalle war es somit erstmals möglich, die Frage der Kopplung
von Mikrowellen an Proteindynamik auf atomarer Ebene zu untersuchen. Die
technische Umsetzung dieser Messungen konnte durch eine neuartige Modifikation eines slab-line Wellenleiters realisiert werden [9].
3.1
3.1.1
Theorie und Methoden
Einführung in die Röntgenstrukturanalyse
Max von Laue entdeckte im Jahre 1912, dass Röntgenstrahlung durch Kristalle gebeugt wird, wodurch nicht nur ein weiteres Indiz für die Wellennatur der
Strahlung gefunden war, sondern auch erstmals experimentell belegt war, dass
ein Kristall aus einer periodischen Anordnung von Gitterbausteinen besteht. Seitdem hat sich die Röntgenstrukturanalyse zu einem mächtigen Werkzeug in der
Festkörperforschung entwickelt und mit der Röntgenbeugung an Proteinkristallen auch in dem Bereich der Strukturbiologie eine zentrale Rolle eingenommen.
63
64
KAPITEL 3. XRD UND MIKROWELLENBESTRAHLUNG
Seit der Strukturbestimmung von Myoglobin im Jahre 1960 [114] gelang inzwischen die Aufklärung unzähliger Proteinstrukturen. Dies gelang nicht zuletzt auch
Dank der rasanten Entwicklung leistungsstarker Computer, deren Einsatz bei der
aufwendigen Verarbeitung der großen Datenmengen unverzichtbar wurde.
In diesem Abschnitt wird eine kurze Wiederholung der wichtigsten Begriffe
und Zusammenhänge bei der Röntgenstrukturanalyse gegeben und die im Ergebnisteil benutzten Größen definiert. Einen guten Überblick zum Thema Röntgenstrukturanalyse von Proteinen geben unter anderem die Bücher von G. Rhodes
und J. Drenth [115, 116].
Kristallstrukturen
Wie aus der Festkörperphysik bekannt, ist auch ein Proteinkristall durch die
Struktur seines Raumgitters und durch seine Basis festgelegt. Die Basis kann
aus mehreren Proteinen bestehen und Punktsymmetrien besitzen, die ihre Zusammensetzung auf so genannte asymmetrische Einheiten (ASU) reduziert. Die
14 verschiedenen Raumgitter (Bravais-Gitter) lassen sich mit den 32 Punktgruppen zu 230 verschiedenen Raumgruppen kombinieren. Bei Proteinen reduziert
sich diese Zahl auf 65 Kristallstrukturen, da nur L-Aminosäuren vorkommen und
somit Spiegelung und Inversion als Symmetrieoperationen ausscheiden.
Im Folgenden werden die in der Kristallographie üblichen Bezeichnungen verwendet. Die Translationen im realen und reziproken Gitter lauten:
~ = n1~a1 + n2~a2 + n3~a3
R
~ = h1~b1 + h2~b2 + h3~b3
G
ni = 1, 2, 3 . . .
(3.1)
hi = 1, 2, 3 . . .
(3.2)
wobei die primitiven Translationen des reziproken Gitters ~bi über Kreuzprodukte
durch die primitiven Translationen des realen Gitters ~ai bestimmt sind, sodass
~ai · ~bk = 2πδik gilt.
~b1 = ~a2 × ~a3 ;
VZ
~b2 = ~a3 × ~a1 ;
VZ
~b3 = ~a1 × ~a2
VZ
(3.3)
VZ ist das Volumen der Elementarzelle des realen Gitters:
VZ = ~a1 · (~a2 × ~a3 )
(3.4)
a, b und c stehen für die Gitterkonstanten entlang der Kristallachsen ~a, ~b, ~c und
spannen die Einheitszelle auf. Netzebenen sind durch die Millerschen Indizes (hkl)
gekennzeichnet und besitzen den Abstand:
dhkl =
2π
|h~b1 + k~b2 + l~b3 |
(3.5)
3.1. THEORIE UND METHODEN
65
(b)
(a)
k
k0
k
G
2q
q
q
k0
q
dhkl sin q
dhkl
Abbildung 3.1: (a) Bragg-Beugung an den Netzebenen (hkl) eines Kristalls. (b)
Grafische Darstellung der Laueschen Gleichungen mit Hilfe der Ewald-Kugel im
reziproken Gitter. ~k0 : Wellenvektor der einfallenden Welle, ~k: Wellenvektor der
~ reziproker Gittergestreuten Welle, θ: Glanzwinkel, dhkl : Netzebenenabstand, G:
vektor
Bragg-Beugung und die Ewald-Kugel
Trifft eine elektromagnetische Welle auf einen Kristall, so regt sie die Elektronen der Atome zu erzwungenen Schwingungen an. Die schwingenden Elektronen
senden wiederum Sekundärwellen aus. Diese Sekundärwellen, die bei elastischer
Streuung die gleiche Wellenlänge und einen festen Phasensprung besitzen, interferieren miteinander. Liegt die Wellenlänge in der Größenordnung der Gitterkonstanten bzw. Atomdurchmesser, wie bei der Röntgenbeugung, so können
die ausgesendeten sekundären Röntgenstrahlen der einzelnen Elektronen einen
Gangunterschied aufweisen, der zu den typischen Beugungsmustern führt.
Die anschaulichste Erklärung der Richtungsabhängigkeit der Beugung von
Röntgenstrahlen an Kristallen ist durch die Reflexion der ebenen elektromagnetischen Welle mit dem Wellenvektor ~k0 = 2π/λ ·~s0 an vielen parallelen Gitterebenen mit dem Abstand dhkl gegeben (Abb. 3.1 (a)). Nur für bestimmte Glanzwinkel θ beträgt der Gangunterschied ein ganzzahliges Vielfaches der Wellenlänge,
sodass die Sekundärwellen unter diesem Winkel in großer Entfernung vom Kristall konstruktiv interferieren. Dies führt direkt zur Braggschen Reflexionsbedingung [117]:
2dhkl sin θ = nλ
n = 1, 2, 3 . . .
(3.6)
Die kleinsten messbaren Abstände dmin hängen somit vom größtmöglichen Streuwinkel und der benutzten Wellenlänge ab. Maximal beträgt 2θ = 180◦ , woraus
sich dmin = λ/2 ergibt.
Äquivalent zur Braggschen Reflexionsbedingung ist die Formulierung durch
die Laueschen Gleichungen, die sich zu einem einfachen Zusammenhang zwischen
dem Wellenvektor des einfallenden Strahls ~k0 und dem des gebeugten Strahls ~k
66
KAPITEL 3. XRD UND MIKROWELLENBESTRAHLUNG
bei konstruktiver Interferenz zusammenfassen lassen:
~k − ~k0 = G
~ = n(h~b1 + k~b2 + l~b3 )
n = 1, 2, 3, . . .
(3.7)
~ ist ein reziproker Gittervektor, der senkrecht auf der Netzebene (hkl) steht.
G
Dies ist in Abb. 3.1 (b) anhand der Ewald-Kugel im 2-dimensionalen Fall verdeutlicht. Legt man den Endpunkt von ~k0 in einen reziproken Gitterpunkt und zieht
dann einen Kreis mit dem Radius |~k0 | um den Aufpunkt des Wellenvektors, so
erhält man die Ewald-Kugel. Alle weiteren reziproken Gitterpunkte, die hierbei
ebenfalls auf der Ewald-Kugel zu liegen kommen, geben die Richtung des Wellenvektors ~k eines gebeugten Strahls bei konstruktiver Interferenz an. Bei der Herleitung dieses Zusammenhangs wird ebenfalls der Gangunterschied zwischen den
Sekundärwellen von Atomen der verschiedenen Gitterpositionen betrachtet [118].
Der Strukturfaktor
Der Aufbau der Basis eines Gitterbausteins und das Streuvermögen der einzelnen
Atome wurden bisher nicht betrachtet. Sie sind jedoch, neben der Temperatur,
für die relativen Intensitätsverhältnisse der gebeugten Strahlen verantwortlich.
Will man eine vollständige Beschreibung, so muss man die Phasenunterschiede
der Sekundärwellen aller Elektronen berücksichtigen, d. h. man muss phasengewichtet über die Elektronendichteverteilung in der Elementarzelle integrieren. So
gelangt man schließlich zum Strukturfaktor, dessen Betragsquadrat proportional
zur Intensität eines Reflexes ist.
Z
~
Fhkl =
%(~r)eiG·~r dV
(3.8)
VZ
Z
%(~r)e2πi(hx+ky+lz) dxdydz
=
(3.9)
VZ
Ihkl ∼ |Fhkl |2
(3.10)
~r = x~a1 + y~a2 + z~a3 ist der Ortsvektor vom Bezugspunkt (ein beliebiges Atom
der Basis) zu einem Volumenelement dV in der Elementarzelle.
Somit erhält man die Elektronendichteverteilung in der Elementarzelle, wenn man
die Strukturfaktoren Fhkl Fourier-transformiert. Aufgrund der diskreten (hkl)Werte ergibt sich die Summe:
%(~r) =
1 X
Fhkl e−2πi(hx+ky+lz)
VZ h,k,l
(3.11)
Zerlegt man den Ortsvektor ~r in die Vektoren ~ri , zum Zentrum eines Basisatoms, und ~re , vom Zentrum des Atoms zu einem Volumenelement seiner Elektronenhülle, so lässt sich der Strukturfaktor mit dem atomaren Streufaktor (auch:
3.1. THEORIE UND METHODEN
67
Atomformfaktor) fi folgendermaßen umschreiben:
X
~
Fhkl =
fi eiG·~ri
Z
(3.12)
i
~
%i (~re )eiG·~re dV
fi =
(3.13)
Der atomare Streufaktor eines Atoms wäre gleich seiner Ordnungszahl Z, wenn
dessen Elektronen nicht gebunden, sondern frei wären. Aufgrund der gebundenen
Zustände der Hüllenelektronen ist sein Wert erniedrigt. Da bei der Bindung eines
Atoms nur wenige Valenzelektronen beteiligt sind, haben die chemischen Verhältnisse nur geringen Einfluss auf den atomaren Streufaktor. Seine Werte sind für
die verschiedenen Elemente in Tabellen erfasst. Für Wasserstoffatome (mit nur
einem Hüllenelektron), ist der atomare Streufaktor so gering, dass dieses Element
bei der Röntgenstrukturanalyse in der Regel nicht aufgelöst werden kann.
Der Debye-Waller-Faktor
Bezieht man die thermische Bewegung der Atome mit der Auslenkung ~ui um
ihre Ruhepositionen ~ri mit ein, so ergibt sich ein neuer Strukturfaktor aus der
zeitlichen Mittelung:
X
~
hFhkl it =
fi heiG·(~ri + ~ui ) it
(3.14)
i
=
X
~
~
fi eiG· ~ri heiG· ~ui ) it
(3.15)
i
..
.
X
1 ~ 2
2
~
'
fi eiG· ~ri e− 6 |G| h~ui it
(3.16)
i
Dabei wurde angenommen, dass sich die Atome unabhängig voneinander um ihre
Ruhepositionen bewegen, sodass h~ui it = 0 gilt. Der Ausdruck
1
~
2
fi,therm. = fi e− 6 |G|
h~
ui2 it
< fi
(3.17)
kann als neuer, thermischer“ atomarer Streufaktor betrachtet werden. Aufgrund
”
der thermischen Bewegung verschmiert die Elektronendichte der Atome entsprechend ihrer Beweglichkeit.
Setzt sich die Basis eines Kristalls nur aus gleichartigen Atomen zusammen,
so vereinfacht sich die Situation, da dann
1
~
2
hFhkl it = Fhkl e− 6 |G|
h~
u 2 it
(3.18)
gilt. Für die Intensität der gestreuten Reflexe bedeutet dies nach Gl. 3.10 eine
Verringerung um den so genannten Debye-Waller-Faktor Dhkl .
1
~
I = I0 e− 3 |G|
2
h~
u 2 it
= I0 Dhkl
(3.19)
68
KAPITEL 3. XRD UND MIKROWELLENBESTRAHLUNG
I0 wäre die Intensität der Reflexe ohne thermische Bewegung der Atome. Da die
mittleren quadratischen Auslenkungen der Atome mit steigender Temperatur zunehmen, wird der Debye-Waller-Faktor bei Temperaturerhöhung kleiner. Somit
stellt sich heraus, dass die thermische Bewegung der Atome nicht etwa die Beugungsreflexe verschmiert, sondern ihre Intensität reduziert. Die verlorengegangene Intensität findet sich in einer Erhöhung des diffusen Untergrunds wieder.
Der atomare B-Faktor und der Wilson B-Faktor
Im Fall von Proteinkristallen sind verschiedene Elemente in der Einheitszelle
vertreten und die atomaren Temperaturfaktoren lassen sich in Gl. 3.16 nicht vor
~ = 4π sin θ/λ ist,
die Summe ziehen. Aus Abb. 3.1 (b) ist leicht abzulesen, dass |G|
womit sich für den Strukturfaktor folgender Ausdruck ergibt:
hFhkl it =
X
~
fi eiG· ~ri e−
8π 2 sin2 θ
3
λ2
h~
ui2 it
(3.20)
i
Der Term Bi = 8π 2 h~ui2 it /3 im Exponenten des Temperaturfaktors ist der so genannte atomare B-Faktor. Er wird im Ergebnisteil dieses Kapitels eine zentrale
Rolle spielen. Da Atome in Seitenketten oft eine hohe Beweglichkeit aufweisen,
haben sie i. A. auch deutlich höhere atomare B-Faktoren als im Rückgrat eingebaute Atome. Typische Werte der atomaren B-Faktoren bei Raumtemperatur
2
2
liegen zwischen 10 Å und 80 Å , was mittleren Auslenkungen h~ui2 i1/2 von 0, 6 Å
bis 1, 7 Å entspricht.
Geht man davon aus, dass die thermischen Vibrationen der Atome um ihre Ruheposition isotrope, harmonische Bewegungen sind, d. h. das mittlere Auslenkungsquadrat eines Atoms steigt linear mit der Temperatur, so müssten sich bei einer
Temperaturerhöhung von T0 auf T die atomaren B-Faktoren aller Atome um den
Faktor T /T0 erhöhen.
Die sin2 θ-Abhängigkeit im Exponenten des Temperaturfaktors macht deutlich, dass die Intensitäten der Reflexe zu größeren Beugungswinkeln, also zu hohen Auflösungen, immer stärker abnehmen. Diese Tatsache machte Wilson sich
zu Nutze, um neben der arithmetischen Mittelwertbildung ein weiteres Verfahren
zur Bestimmung des mittleren B-Faktors aller Atome im Protein zu entwickeln.
Dazu teilte er die Reflexe eines Diffraktogramms in Auflösungsschalen ein und
bestimmte die mittlere Intensität der Reflexe in solch einer Schale, die einer Ku~ G+∆
~
~ im reziproken Raum entspricht. Für hohe Auflösungen, also
gelschale [G,
G]
~ ergibt sich unter der Annahme, dass alle Atome den mittleren B-Faktor
große G
B besitzen, folgender Zusammenhang [116]:
hIhkl i[G,
∼ e−2B
~ G+∆
~
~
G]
sin2 θ
λ2
X
fi2
(3.21)
i
(3.22)
3.1. THEORIE UND METHODEN
Im so genannten Wilson-Plot wird der Logarithmus von hIhkl i[G,
~ G+∆
~
~ /
G]
2
2
über sin θ/λ aufgetragen:
ln
hIhkl i[G,
~ ~
~
sin2 θ
G]
P G+∆
=
ln
C
−
2B
2
λ2
i fi
69
P
i
fi2
(3.23)
Aus der Steigung der Geraden ergibt sich nun der so genannte Wilson B-Faktor.
Die Summe der atomaren Streufaktorquadrate lässt sich abschätzen, wenn man
das Molekulargewicht der Proteine in einer Elementarzelle kennt. Ein Vorteil
dieser Methode ist, dass der Wilson B-Faktor, da er direkt aus den Diffraktogrammen bestimmt wird, auch ohne Verfeinerung oder Kenntnis der Struktur
zur Verfügung steht.
Bei der Bestimmung von atomaren B-Faktoren oder Wilson B-Faktoren sollte nicht vergessen werden, dass die Messung nicht nur eine zeitliche Mittelung
während der Aufnahme eines Diffraktogramms beinhaltet, sondern auch eine
Mittelung über alle an der Beugung der Röntgenstrahlen beteiligten Moleküle
darstellt. D. h., dass sich eine Verschmierung der mittleren Elektronendichte aufgrund von statischer Unordnung im Kristall nicht von den eben besprochenen
thermischen Effekten unterscheiden lässt.
Das Phasenproblem
Da die Strukturfaktoren experimentell nicht direkt zugänglich sind, sondern
in erster Linie nur ihr Betragsquadrat in Form der Intensität der Reflexe, ist
die Bestimmung der Elektronendichteverteilung aus Gl. 3.11 nicht ohne weiteres möglich. Dies ist das so genannte Phasenproblem. Zur Lösung des Problems
stehen vier verschiedene Methoden zur Verfügung:
- Molekular Replacement (MR): Wenn die Struktur eines verwandten Proteins bereits gelöst ist, kann versucht werden, ein solches Protein so in der
Einheitszelle zu orientieren, dass die berechneten Phasen dieses Modells als
ein Phasen-Startset bei der Verfeinerung der gesuchten Struktur verwendet
werden kann.
Diese Methode wurde zur Bestimmung der im Ergebnisteil dieses Kapitels gezeigten Strukturen von HEW-Lysozym benutzt. Dabei wurde die
mit einer Auflösung von 1, 33 Å gemessene Struktur von HEW-Lysozym
des PDB-Eintrags 193L benutzt. Da es sich dabei um das gleiche Protein
handelt und seine Orientierung in der Einheitszelle des tetragonalen Einkristalls bekannt ist, stellte die Bestimmung der Phasen in diesem Fall kein
Problem dar.
- Direkte Bestimmung der Phasen: Dies ist nur im Falle kleiner Moleküle (<
200 Atome) möglich, die bis zu sehr hohen Auflösungen gemessen wurden,
was bei Proteinkristallen meist nicht der Fall ist.
70
KAPITEL 3. XRD UND MIKROWELLENBESTRAHLUNG
- Multiple Isomorphous Replacement (MIR): Bei dieser weit verbreiteten Methode wird versucht stark streuende Schwermetallatome oder -komplexe an
spezifische Stellen im Protein zu binden. Dies kann bereits bei der Kristallisation geschehen, oder nachträglich, indem der Kristall getränkt wird.
Durch Vergleich der Daten des sog. Derivats mit den Daten des nativen
Kristalls, besteht die Möglichkeit der Positionsbestimmung der Schwermetalle, womit schließlich die Phasen des Proteins bestimmt werden können.
Entscheidend ist, dass der Einbau der Schwermetalle die Struktur des Proteins sonst nicht weiter verändert, dass also Isomorphie besteht.
- Multiple wavelength Anomalous Dispersion (MAD): Das Problem der Isomorphie wird bei dieser Methode durch die mehrfache Messung des selben Kristalls umgangen. Dabei wird jede Messung mit einer anderen Wellenlänge durchgeführt, die im Idealfall gerade über und unter der Absorptionskante eines möglichst elektronenreichen Elements im Protein liegt. Das
weitere Vorgehen ähnelt dem bei MIR. Als durchstimmbare Strahlungsquelle mit ausreichend hoher Intensität kommen bis heute nur Synchrotrons in
Frage.
Modellbau und Verfeinerung
Gelingt es durch eine dieser Methoden die Phasen zu den Diffraktogrammen der
gesuchten Struktur zu bestimmen, so lässt sich mit den Strukturfaktoramplituden
die Elektronendichtekarte des Proteins berechnen. Bei einer völlig unbekannten
Struktur gilt es nun die Primärsequenz des Proteins mit Hilfe von speziellen Grafikprogrammen schlüssig in die Elektronendichtekarte zu legen. Dies geschieht von
Hand und wird Modellbau“ genannt. Danach kann das Modell mit Programmen
”
wie z. B. REFMAC5 des Paketes CCP4 suite 4.2 [119] gegen die gemessenen
Strukturfaktoramplituden verfeinert werden.
Die Verfeinerung erfolgt über die Methode der kleinsten Fehlerquadrate. Dabei werden die Differenzen zwischen den gemessenen und den aus dem Modell
berechneten Strukturfaktoramplituden betrachtet. Die Summe der gewichteten
Betragsquadrate dieser Differenzen
X
Mod 2
Mess
|)
(3.24)
| − |Fhkl
Φ=
whkl (|Fhkl
hkl
wird im Laufe der Verfeinerung minimiert. Dabei berücksichtigt die Gewichtung
whkl die Verlässlichkeit der gemessenen Intensität des Reflexes hkl und der aus
dem Modell berechnete Strukturfaktor lautet wie folgt:
X
sin2 θ
Mod
=s·
ni fi e 2πi(hxi +kyi +lzi ) e−Bi λ2
Fhkl
(3.25)
i
Die Parameter, durch deren Variation die Minimierung erfolgen soll, sind in erster Linie die Atomkoordinaten xi , yi , zi und die atomaren B-Faktoren Bi . Da
3.1. THEORIE UND METHODEN
71
oftmals Teile eines Proteins in verschiedenen Konformationen vorkommen, ist es
vorteilhaft, für jedes Atom auch die Besetzungszahl ni der auftretenden Konformationszustände als freien Parameter zu variieren. Der Faktor s wird benutzt,
um alle berechneten Strukturfaktoren in einen mit den Messwerten vergleichbaren Wertebereich zu skalieren. Für ein Protein mit N Nicht-H-Atomen gilt es also
gleichzeitig N · (3 + 1 + 1) freie Parameter so zu variieren, dass die Summe Φ
minimal wird. Im Falle von z. B. Lysozym sind dies 5005 freie Parameter. Diese
Aufgabe kann nur von leistungsstarken Computern bewältigt werden.
Für die Minimierung werden die partiellen Ableitungen von Gl. 3.24 nach den
freien Parametern gleich Null gesetzt. Ist die Anzahl der gemessenen Reflexe
größer als die Anzahl der freien Parameter, so erhält man ein überbestimmtes
Gleichungssystem, das aufgrund seiner Komplexität iterativ gelöst wird. Da Φ
viele lokale Minima besitzt, ist es wichtig, dass sich das Modell zu Beginn der
Verfeinerung bereits nahe am globalen Minimum von Φ befindet, da es sonst
im ersten lokalen Minimum nach dem Start der Verfeinerung hängen bleibt. Um
den Konvergenzradius um das globale Minimum zu erhöhen, können freie Parameter eingeschränkt ( constraints“) und zusätzliche Bedingungen aufgestellt
”
werden ( restraints“). Sehr sinnvoll ist z. B. alle Bindungslängen di und -winkel
”
φi auf die von kleinen Molekülen bekannten Werte zu verfeinern, da hierdurch
unrealistische Verfeinerungen verhindert werden. Diese zusätzlichen Bedingungen
werden als weitere Summen der Differenzenquadrate an Φ angehängt:
X
Mess
Mod 2
whkl (|Fhkl
| − |Fhkl
|)
Φ =
hkl
+
X
wi (diideal − diMod )2
i
+
X
wj (φjideal − φjMod )2
(3.26)
j
Der Einsatz von constraints ist besonders wichtig im Falle eines unterbestimmten Systems. Dies ist häufig bei schlecht beugenden Kristallen großer Proteine
der Fall. Durch das Zusammenlegen von mehreren Atomen in starre Einheiten
lässt sich deren Anzahl an freien Parametern auf drei Translations- und drei
Rotationsparameter reduzieren.
Die Auflösung
Die Auflösung eines Diffraktogramms ist nach Gl. 3.6 durch den Streuwinkel des
äußersten Reflexes gegeben. Messungen mit einer Auflösung ab ca. 2 Å gelten als
hoch aufgelöst. Diese Auflösung findet sich in den Oberflächenstrukturen der 3dimensionalen Elektronendichtekarte wieder. Entspräche dies der Auflösung des
Modells nach der Verfeinerung, so könnte man kaum zwei kovalent gebundene Atome unterscheiden. Wird nach der Verfeinerung von einem 2 Å-Modell“
”
72
KAPITEL 3. XRD UND MIKROWELLENBESTRAHLUNG
gesprochen, so bedeutet dies, dass Reflexe der Diffraktogramme bis zu dieser
Auflösung bei der Verfeinerung berücksichtigt wurden. (Schwache Reflexe und
Reflexe, deren gaußförmiges Profil ein bestimmtes Verhälnis von Intensität zu
Breite unterschreitet werden meist ausgeschlossen, z. B. wenn Ihkl /σhkl ≤ 4.)
Strukturelle Einschränkungen, wie vorgegebene Bindungsabstände und -winkel,
erhöhen die Präzision eines gut verfeinerten Modells bis zu einem Zwanzigstel der
angegebenen Auflösung.
Die R-Faktoren
Zur Beurteilung der Datenqualität werden die Intensitäten Ihkl,i von symmetrieverwandten Messungen eines Reflexes hkl verglichen. Im Idealfall haben alle nhkl
symmetrieverwandten Messungen eines Reflexes die gleiche Intensität und ihre Abweichung vom Mittelwert I¯hkl verschwindet. Der folgendermaßen definierte
RMess -Faktor [120]
P
RMess =
hkl
Pnhkl q
nhkl ¯
|I
nhkl −1 hkl
P Pn
hkl
i Ihkl,i
i=1
− Ihkl,i |
(3.27)
ist dann ebenfalls Null. Real gelten Daten mit RMess < 10 % als gut. Der Wurzelterm im Zähler macht den RMess -Wert von der Anzahl der Diffraktogramme im
Datensatz statistisch unabhängig.
Zur Beurteilung der Qualität eines verfeinerten Modells wird die aus dem
Mod
Modell berechnete Strukturfaktoramplitude |Fhkl
| mit der gemessenen StrukMess
turfaktoramplitude |Fhkl | verglichen. Der kristallographische R-Faktor
P
hkl
R=
Mess
Mod
||Fhkl
| − |Fhkl
||
P
Mess
hkl |Fhkl |
(3.28)
beträgt bei guten Modellen gewöhnlich um die 18 %. Da der R-Faktor jedoch
durch die Verfeinerung minimiert wird, besteht die Gefahr, dass auch fehlerhafte Modelle gute R-Faktoren besitzen. Um diese Situation zu erkennen werden üblicherweise zwischen 2 % und 10 % der Reflexe bei der Verfeinerung nicht
berücksichtigt [121], vorausgesetzt das System ist ausreichend überbestimmt. Aus
diesem Testdatensatz T ergibt sich dann der freie R-Faktor,
P
Rfrei =
{hkl}⊂T
P
Mod
Mess
||Fhkl
| − |Fhkl
||
{hkl}⊂T
Mess
|Fhkl
|
(3.29)
der als zuverlässige Größe bei der Bewertung der Modellqualität mit betrachtet
werden muss. Die Differenz zum R-Faktor sollte nicht mehr als R − Rfree < 0, 1
betragen.
3.1. THEORIE UND METHODEN
73
Welche Größen charakterisieren die Qualität eines Proteinkristalls?
Im zweiten Teil dieses Kapitels werden Experimente vorgestellt, bei denen die
Auswirkungen von Mikrowellenbestrahlung auf Proteinkristalle untersucht werden. Dabei werden unterschiedlich behandelte Kristalle mittels Röntgenbeugung
charakterisiert und miteinander verglichen. Folgende Messgrößen wurden betrachtet:
- Das eindeutigste Merkmal eines guten Kristalls ist, wenn er bis zu hoher
Auflösung beugt. Da die Stärke der Reflexe jedoch von der Messdauer und
der evtl. schwankenden Intensität des Primärstrahls abhängt, ist diese Beugungsgrenze nicht ohne weiteres bestimmbar. Insbesondere nicht, wenn der
Kristall so gut beugt, dass Reflexe bei Streuwinkeln 2θ ≥ 90◦ existieren.
- Der Wilson B-Faktor repräsentiert nicht nur die mittleren thermischen Bewegungen der Atome im Protein, sondern auch statische Unordnung im
Kristall. Da er nach Gl. 3.23 den Abfall der Reflexintensitäten mit zunehmendem Streuwinkel darstellt kann er auch als eine Art korrigiertes Beu”
gungsvermögen“ interpretiert werden. Ein Vergleich der Wilson B-Faktoren
zweier Datensätze, die bei gleicher Messtemperatur aufgenommen wurden,
liefert also eine Aussage über die Verbesserung oder Verschlechterung der
Ordnung bzw. Periodizität im Kristall.
- Der Reflexwinkelbereich δM ist durch den Winkel gegeben, um den der Kristall gedreht werden muss, damit ein starker Reflex, der senkrecht zur Rotationsachse aufgenommen wird, vollständig durch die Ewald-Kugel wandert.
Bei dem zur Datenanalyse verwendeten Programm XDS wird von einem
gaußförmigen Intensitätsprofil des Reflexes ausgegangen und seine Standardabweichung wird als Mosaizität σM definiert [122]. Wie der Name schon
sagt, äußert sich in dieser Größe die Mosaizität des Kristalls.
- Die Strahldivergenz δD ist durch das Verhältnis des Durchmessers eines
starken Reflexes dR auf dem Detektor zum Abstand des Detektors zum
Kristall dD bestimmt.
arctan(dR /dD )
(3.30)
Die Standardabweichung der Strahldivergenz wird mit σD abgekürzt. Sowohl die Strahldivergenz des Primärstrahls, als auch die Mosaizität des
Kristalls tragen zu σD bei.
Experimentelles
Alle XRD-Messungen wurden an der selben Anlage durchgeführt. Als Röntgenquelle diente die Cu Kα-Linie (λKα = 1, 54 Å) eines bei 40 kV betriebenen
Drehanoden-Generators der Firma Schneider. Die Diffraktogramme wurden mit
einer Mar 345 Detektorplatte der Firma Marresearch aufgenommen. Der Abstand
74
KAPITEL 3. XRD UND MIKROWELLENBESTRAHLUNG
zwischen Kristall und Detektor wurde für alle Messungen 120 mm groß gewählt,
und es wurden 240 mm Plattendurchmesser genutzt. Damit ergibt sich bei einem
max. Streuwinkel von 2θ = 45◦ nach Gl. 3.6 eine Auflösung von 2, 0 Å. Bei den
Experimenten zur Bestimmung der Schadensschwelle wurden jeweils 10 Diffraktogramme aufgenommen. Dabei drehten sich die Kristalle während jeder Aufnahme
um ∆ϕ = 1, 5◦ um die Goniometerachse. Bei den temperaturabhängigen Experimenten und jenen mit gleichzeitiger Mikrowellenbestrahlung wurden jeweils 60
Diffraktogramme (∆ϕ = 1◦ ) aufgenommen. Die charakteristischen Kristallparameter wie σM , σD , die Gitterkonstanten und der Wilson B-Faktor wurden mit
dem Programm XDS (Dezember 2002) [123, 122] bestimmt. Zur Ermittlung der
Atomkoordinaten und der atomaren B-Faktoren wurde die mit einer Auflösung
von 1, 33 Å gemessene Struktur von HEW-Lysozym des PDB-Eintrags 193L [18]
gegen die Daten verfeinert. Dies geschah mit dem Programm REFMAC5 des
Paketes CCP4 suite 4.2 [119].
3.1.2
Probenpräparation
Nachdem die Lysozymkristalle, wie in Kapitel 1.3.2 beschrieben, kristallisiert wurden, wurden sie für die XRD-Messungen in Glaskapillaren montiert. Die Länge
der Kapillaren betrug ca. 4 cm und ihr Durchmesser 0, 7 mm. Zum Transferieren
der Kristalle aus dem Tropfen in eine Kapillare wurde der Kristall zuerst mit
etwas Mutterlösung in eine zweite, dünnere Montagekapillare“ (0, 5 mm Durch”
messer) gesogen und damit in der Mitte der Messkapillare“ platziert. Das eine
”
Ende der Messkapillare wurde zuvor mit etwas Mutterlösung gefüllt und auf dieser Seite mit Wachs verschlossen. Nun wurde die Menge der Lösung um den
Kristall mit einem dünnen Wattestab eingestellt. Zuletzt wurde auch noch das
zweite Ende der Kapillare mit Mutterlösung gefüllt und mit Wachs verschlossen.
Zur Messung wurden die Kapillaren auf einem Goniometerkopf montiert.
Bei allen Kristallen, die in dem weiter unten beschriebenen Slab-line Wellenleiter mit Mikrowellen bestrahlt wurden, waren die Reservoire mit Mutterlösung
auf beiden Seiten der Kapillaren so klein gewählt, dass sie sich während der Bestrahlung vollständig außerhalb des Wellenleiters befanden. Der Kristall, der mit
Hilfe des N2 -Gasstromes erwärmt wurde, wurde hingegen so montiert, dass die
Reservoire nur wenige Millimeter vom Kristall entfernt waren und sich ebenfalls
erwärmten.
3.1.3
Mikrowellenbestrahlung von Proteinkristallen
Der slab-line Wellenleiter
Für die Bestrahlung der Proteinkristalle mit Mikrowellen wurde der so genannte slab-line Wellenleiter als Basis gewählt. Er hat einige Vorteile gegenüber
herkömmlichen Hohlleitern, Resonatoren und frei geführten Wellen:
3.1. THEORIE UND METHODEN
5,5 mm
(a)
75
18 mm
(b)
x
y
Abbildung 3.2: Die E-Feldverteilung im konventionellen Slab-line Wellenleiter,
nach TDFD-Rechnungen von T. Reinhardt bei ν = 2 GHz, mit einer Auflösung
von 0, 48 mm in z-Richtung und 0, 05 mm in x- und y-Richtung. (a) Die EFeldstärke ist durch einen Farbcode von rot (geringe Feldstärke) bis blau (hohe
Feldstärke) gegeben. Das weiße Quadrat gibt in etwa Größe und Position eines
Proteinkristalls während der Bestrahlung wieder. In (b) ist die Richtung des EFeldes gezeigt.
- In einem slab-line Wellenleiter wird die EM -Welle durch einen nur wenige
mm2 großen Bereich geführt. Dadurch liegen bei gleicher Eingangsleistung
wesentlich höhere Leistungsdichten als in Hohlleitern oder bei frei geführten
Wellen vor, was insbesondere für kleine Frequenzen gilt.
- Der slab-line Wellenleiter bietet durch die zwei offenen Seiten eine gute
Zugänglichkeit zur Probenpositionierung.
- Durch die gewählten Abmessungen ergibt sich eine optimale Ausnutzung
der Leistungsdichte für die Bestrahlung von Proteinkristallen bei der oben
beschriebenen Präparationsmethode.
- Durch Messen der transmittierten Leistung hat man eine gute Kontrolle
über die Bestrahlungsleistung.
- Der slab-line Wellenleiter ist in einem breiten Frequenzband einsetzbar: von
DC bis ca. 18 GHz.
Der unmodifizierte slab-line Wellenleiter besteht aus zwei parallelen Aluminiumplatten mit D = 5, 5 mm Abstand und einem zentralen, runden Mittelleiter mit
einem Durchmesser von d = 3 mm. Beide Enden wurden mit N-Typ Anschlüssen
versehen. Der Leiter ist zwar an beiden Seiten offen, strahlt aber nicht ab, da das
Feld entlang des Innenleiters geführt wird und bis zum Rand der 30 mm breiten
Platten in guter Näherung auf Null abfällt. Die Impedanz des Wellenleiters wird
durch das Verhältnis D/d bestimmt und sollte bei den gewählten Werten 50 Ω
betragen [124].
r
1 µµ0 4D
ln
= 50 Ω
Z=
2π ²²0
πd
Abb. 3.2 zeigt die Ergebnisse einer numerischen time-domain finite-difference
(TDFD) Rechnung [125] für ν = 2 GHz, durchgeführt von T. Reinhardt [9]. Die
76
KAPITEL 3. XRD UND MIKROWELLENBESTRAHLUNG
(b)
(a)
LM
G
SL
V
P
D
K
Abbildung 3.3: (a) Versuchsanordnung zur Mikrowellenbestrahlung von Proteinkristallen. (b) Die genaue Positionierung des Kristalls über dem Mittelleiter kann
durch ein verschließbares, konusförmiges Loch beobachtet werden. G: Mikrowellen Generator, V: Verstärker, SL: slab-line, P: Proteinkristall, D: Dämpfungsglied,
LM: Leistungsmeter, K: Kapillare.
Auflösung beträgt 0, 48 mm in z-Richtung und 0, 05 mm in x- und y-Richtung.
In (a) ist die E-Feldstärkenverteilung nahe des Innenleiters für die fundamentale
transversale Mode gezeigt. Wie man sieht konzentriert sich das elektrische Feld
in den kleinen Bereichen zwischen dem Innenleiter und den beiden Platten. Das
kleine weiße Quadrat deutet die Position der Proteinkristalle während der Bestrahlung und deren Größe an. Bei 1 W Eingangsleistung ergibt sich an dieser
Stelle eine Feldstärke von 9, 5 kV/m, bei einer Leistungsdichte von 0, 12 W/mm2 .
Die berechnete Impedanz der Leitung beträgt 50, 19 Ω. In (b) ist die ortsabhängige Richtung des E-Feldes gezeigt.
Versuchsaufbau zur Bestimmung der Schadensschwelle
Die in Kapitel 3.2.1 beschriebenen Experimente zur Bestimmung der Schadensschwelle wurden mit einer 180 mm langen Leitung durchgeführt (Abb. 3.3). Dabei wurde das 8 GHz cw-Signal des Generators1 mittels eines WanderfeldröhrenLeistungsverstärkers2 (8 − 18 GHz) auf bis zu 20 W verstärkt und in den Wellenleiter eingekoppelt. Die transmittierte Leistung wurde abgeschwächt und mit
einem Leistungsmeter3 gemessen. Um die Kristalle möglichst reproduzierbar und
exakt über dem Mittelleiter positionieren zu können, wurde die obere Leiterplatte des Wellenleiters mit einem konusförmiges Loch und passendem AluminiumGegenstück versehen.
Zur Charakterisierung des Wellenleiters wurden time-domain reflectivity Mes1
Micro-Tel Corporation SG-811B
Varian TWTA 6991K3; 8 − 18 GHz
3
Hewlett-Packard 432A mit dem Leistungssensor 8478B
2
3.1. THEORIE UND METHODEN
77
Abbildung 3.4: (a) Ortsabhängige Impedanz des unmodifizierten slab-line Wellenleiters, bestimmt mittels TDR-Messungen. (b) Frequenzabhängige Transmission
durch den Leiter.
sungen (TDR) [126] mit einem digitalen Sampling-Oszilloskop4 durchgeführt. Dabei wird ein Einheitssprung durch den Wellenleiter geschickt und die zurückkehrenden Reflexionen r(t) werden zeitaufgelöst gemessen. Der Ort einer Störung im
Leiter s = ct/2 kann dann über die Laufzeit t des Reflexes bestimmt werden.
Der Wellenleiter wird hierzu mit einem 50 Ω-Widerstand abgeschlossen. Die ortsabhängige Impedanz Z(s) der Leitung wird nach folgender Gleichung bestimmt:
Z(s) = ZW
1 + r(t)
1 − r(t)
ZW = 50 Ω ist die Impedanz der Zuleitung und es wird davon ausgegangen,
dass die dielektrische Konstante in der gesamten Leitung ² = 1 beträgt. Die mit
dieser Methode erreichbare Ortsauflösung ist durch die Anstiegszeit τ = 35 ps
des Einheitssprunges gegeben:
c0 τ
∆xmin. = √ = 2, 7 mm
²4
Wie aus Abb. 3.4 (a) zu ersehen ist, beträgt die Impedanz des slab-line Wellenleiters im Mittel ca. 51 Ω, was in guter Übereinstimmung mit den theoretischen
Vorhersagen steht. An dem Ort, wo sich die Proteinkristalle während der Bestrahlung befinden erhöht die Diskontinuität durch den Aluminiumkonus die Impedanz noch etwas auf ca. 51, 5 Ω. Die stärksten Reflexionen stammen von dem
Übergang des N-Norm Anschlusses zur slab-line Geometrie und umgekehrt. An
diesen Stellen steigt die Impedanz auf fast 53 Ω an. Auch der Übergang zum
4
Tektronix 11801
78
KAPITEL 3. XRD UND MIKROWELLENBESTRAHLUNG
(b) Querschnitt
(a) Seitenansicht
y
z
LM
D
x
x
AF
P
X
ki
AF
P
X
ki
SL
kf
kf
SL
S
K
G
V
Abbildung 3.5: Schematische Versuchsanordnung zur Röntgenbeugung mit simultaner Mikrowellenbestrahlung. (a) Seitenansicht und (b) Querschnitt des modifizierten slab-line Wellenleiters. G: Mikrowellen Generator, V: Verstärker, SL:
slab-line, P: Proteinkristall, AF: Aluminiumfolie, X: Röntgenstrahl , D: Dämpfungsglied, LM: Leistungsmeter, K: Kapillare, S: Salzlösung, ~ki und ~kf sind die
Wellenvektoren des einfallenden und gestreuten Röntgenstrahls.
50 Ω-Abschlusswiderstand erzeugt durch eine kleine Fehlanpassung um 2 Ω einen
Rückreflex. Abb. 3.4 (b) zeigt die Transmission des Wellenleiters in Abhängigkeit
der Frequenz. Bis ca. 13 GHz beträgt die Transmission über 90 %. Bei höheren
Frequenzen gibt es drastische Einbrüche.
Versuchsaufbau zur simultanen Bestrahlung und Röntgenbeugung
Bei den in Kapitel 3.2.4 beschriebenen Experimenten wurde erstmals WeitwinkelRöntgenbeugung an gleichzeitig mikrowellenbestrahlten Proteinkristallen durchgeführt. Dies erforderte einige Modifikationen des slab-line Wellenleiters
(Abb. 3.5) [9]:
- Um den Primär-Röntgenstrahl ungestört durch den Wellenleiter und auf
den Kristall führen zu können wurde ein Loch mit 0, 7 mm Durchmesser
senkrecht durch die beiden Platten und den Innenleiter gebohrt.
- Damit die am Kristall gebeugten Röntgenstrahlen ohne Abschattung den
Detektor erreichen, wurde die dem Detektor zugewandte Aluminiumplatte
durch einen mit Aluminiumfolie bespannten Aluminiumrahmen ersetzt. Die
3.1. THEORIE UND METHODEN
79
Folie erhielt für den Primästrahldurchgang in Verlängerung der Bohrung ein
Loch mit 0, 7 mm Durchmesser.
- Aus Platzgründen wurde der slab-line Wellenleiter nur 30 mm lang gebaut
und ein Zuleitungskabel mit 90◦ -Winkelanschluss verwendet.
Die Leitungseigenschaften des Wellenleiters sollten mit der Aluminiumfolie
unverändert bleiben, da ihre Dicke von δ = 20 µm so gewählt wurde, dass sie
wesentlich größer ist als die Skintiefe in Aluminium im Mikrowellenbereich [126]:
r
1
δSkin =
πµµ0 νσ
Mit der Permeabilität µ = 1, 00002 und der spezifischen Leitfähigkeit σ = 3, 77 ×
107 Ω−1 m−1 für Aluminium bei 293 K [86] ergibt sich δSkin (1 GHz) = 2, 6 µm und
δSkin (18 GHz) = 0, 61 µm.
Der vom Drehanoden-Generator kommende Röntgenstrahl wird mit Blenden
auf einen Durchmesser von ca. 3 mm eingestellt. Damit der Strahl sauber durch
die Bohrung des Wellenleiters verlaufen kann, wurde der Durchmesser der Bohrung mit 0, 7 mm etwas größer gewählt. Auch dies sollte die Leitungseigenschaften
des Wellenleiters kaum verändern, da die Bohrung wesentlich kleiner ist als eine
Wellenlänge im Mikrowellenbereich: λ(1 GHz) = 30 cm und λ(18 GHz) = 1, 6 cm.
Um diese Annahmen zu überprüfen wurden auch am modifizierten Wellenleiter TDR Messungen vorgenommen. Falls sich die Leitungseigenschaften am Ort
der Bohrung ändern, sodass die fundamentale transversale Mode gestreut und
evtl. Moden höherer Ordnung mit einer anderen Feldverteilung angeregt werden, so müsste sich dies in der TDR- Messung als eine erhöhte Reflektivität an
dieser Stelle bemerkbar machen. Insbesondere werden zwei Messungen miteinander verglichen. Bei der schwarzen Kurve in Abb. 3.6 (a) handelt es sich um eine
TDR-Messung, bei der die Bohrung des Innenleiters wie in Abb. 3.5 in x-Richtung
orientiert war. In dieser Orientierung sollte die Bohrung einen maximalen Einfluss auf die Leitungseigenschaften haben. Die rote Kurve hingegen zeigt eine
Messung, bei der der Innenleiter um 90◦ um die z-Achse gedreht war und die
Bohrung somit in y-Richtung zeigte. Aufgrund der in Abb. 3.2 gezeigten Feldverteilung sollte der Einfluss der Bohrung in dieser Orientierung wesentlich geringer sein. Wie zu sehen ist unterscheiden sich die beiden Kurven jedoch nur
geringfügig. Dies spricht dafür, dass auch am Ort der Bohrung, wo während der
XRD-Experimente mit gleichzeitiger Mikrowellenbestrahlung der Kristall platziert wird, die in Abb. 3.2 gezeigte Feldverteilung und die numerisch berechnete
Leistungsdichte und Feldstärke am Kristallort vorliegen.
Die Impedanz im Wellenleiter beträgt ca. 53 Ω. Wie auch beim langen Wellenleiter, zeigen die Übergänge zu den N-Norm Anschlüssen eine leichte Fehlanpassung. Die mit Abstand stärkste Reflexion zeigt jedoch der 90◦ -Winkelanschluss
80
KAPITEL 3. XRD UND MIKROWELLENBESTRAHLUNG
Abbildung 3.6: (a) Ortsabhängige Impedanz des modifizierten slab-line Wellenleiters, bestimmt mittels TDR-Messungen. Die Bohrung im Innenleiter für den
freien Durchgang des einfallenden Röntgenstrahls, ist einmal wie während den
XRD-Messungen in x-Richtung orientiert (schwarze Kurve) und einmal in yRichtung (rote Kurve). (b) Frequenzabhängige Transmission des modifizierten
slab-line Wellenleiters. Die Bohrung im Innenleiter ist in x-Richtung orientiert.
Die schnellen Oszillationen auf der Kurve stammen von Mehrfachreflexionen im
Zuleitungskabel.
des kommerziellen Mikrowellen-Koaxialkabels durch das der slab-line Wellenleiter
mit der Leistungsquelle verbunden ist. Durch ihn sind deutliche Leistungsverluste
hinzunehmen. Abb. 3.6 (b) zeigt die frequenzabhängige Transmission der Leitung.
Sie sinkt annähernd kontinuierlich bis auf ca.70 % bei 12 GHz und beträgt zwischen 15 GHz und 18 GHz schon nur noch um die 40 %. Die schnellen Oszillationen
auf der Kurve stammen von Mehrfachreflexionen im 1 m langen Zuleitungskabel.
In Abb. 3.7 ist ein Foto des in den XRD-Aufbau integrierten slab-line Wellenleiters zu sehen. Er ist mittels dreier Verschiebetische an der Schiene darüber
befestigt und somit horizontal und senkrecht zum Röntgenstrahl grob verschiebbar und in allen drei Raumrichtungen fein positionierbar. Bei der Versuchsdurchführung der in Kapitel 3.2.4 beschriebenen Experimente wurde zunächst
die Kapillare mit dem Kristall derart auf den Goniometerkopf montiert, dass
ihre Längsachse möglichst gut mit der Drehachse während der Messung übereinstimmt. Dann wurde der Goniometerkopf auf den Dreharm der MAR 345 geschraubt und der Kristall in den Röntgenstrahl positioniert, ohne die Kapillare
dabei zu verkippen. Nun konnte der mit den Verschiebetischen richtig positionierte slab-line Wellenleiter entlang der Schiene von der Seite über die Kapillare
geschoben werden, bis die Bohrung den Primär-Röntgenstrahl wieder frei gab, sodass er auf einem Fluoreszenzschirm auf der Detektor-Seite des Wellenleiters erkennbar wurde. Der Proteinkristall befand sich somit im Röntgenstrahl zwischen
3.1. THEORIE UND METHODEN
81
Abbildung 3.7: Foto der Versuchsanordnung zur Röntgenbeugung mit simultaner
Mikrowellenbestrahlung.
der Aluminiumfolie und dem Mittelleiter, an der Stelle der Bohrung. Auf eine
spezielle Orientierung der Lysozymkristalle relativ zum Mikrowellenfeld konnte
verzichtet werden, da tetragonal kristallisiertes Lysozym in 8 verschiedenen Orientierungen in der Einheitszelle eingebaut ist (s. Abb. 1.7). Zur Erzeugung der
Mikrowellen und für die Leistungsmessung wurden die selben Geräte wie bei der
Bestimmung der Schadensschwelle verwendet.
Abb. 3.8 zeigt zwei Diffraktogramme, des selben tetragonalen Lysozymkristalls bei gleicher Orientierung. Bei der Aufnahme (a) befand sich der Wellenleiter über dem Kristall platziert und die am Kristall gebeugten Röntgenstrahlen
mussten auf ihrem Weg zum Detektor die Aluminiumfolie durchqueren. Die mit
größerem Streuwinkel θ gebeugten Strahlen müssen dabei weitere Wege in der
Aluminiumfolie zurück legen. Dies führt zu folgender, vom Streuwinkel abhängigen Transmissionsfunktion:
T (θ) = e
−µ0 (λ)%Alu δ
cos θ
Mit der Dichte von Aluminum %Alu = 2, 72 g/cm3 [86] und dem Massenabschwächungskoeffizienten von Aluminium µ0 (1, 54 Å) = 48, 5 cm2 /g [127] ergibt
sich hiermit für den maximalen Streuwinkel θ = 45◦ eine Transmission von
T = 0, 69. In (b) ist eine unter sonst gleichen Bedingungen, aber ohne Wellenleiter
entstandene Aufnahme zu sehen. Wird die winkelabhängige Abschwächung der
Röntgenstrahlen bei der Datenverarbeitung nicht berücksichtigt, so führt die Anwesenheit der Aluminiumfolie zu einem erhöhten Wilson B-Faktor. Für die Mes-
82
(a)
KAPITEL 3. XRD UND MIKROWELLENBESTRAHLUNG
(b)
Abbildung 3.8: Diffraktogramme des selben tetragonalen HEW-Lysozym Einkristalls, der zuerst in (a) und anschließend unter sonst identischen Bedingungen
außerhalb (b) des modifizierten slab-line Wellenleiters positioniert war.
sungen außerhalb des Wellenleiters ergab die Datenanalyse des Diffraktogramms
2
in (b) einen Wilson B-Faktor von 24 Å während das durch die Aluminiumfolie
2
aufgenommene Diffraktogramm in (a) einen Wilson B-Faktor von 26 Å ergibt.
Die Abschwächung durch die Aluminiumfolie kann bei der Datenanalyse mit dem
Programm XDS wenn nötig korrigiert werden, indem ein höherer, fiktiver Luftdruck als Eingabeparameter verwendet wird.
3.2. ERGEBNISSE
3.2
3.2.1
83
Ergebnisse
Bestimmung der Schadensschwelle
Im Vorfeld der zeitaufwendigen XRD-Experimente mit gleichzeitiger Mikrowellenbestrahlung, wurde die Leistungsschwelle gesucht, bis zu der Proteinkristalle ohne Schaden zu nehmen mit Mikrowellen bestrahlt werden können. Hierzu wurden HEW-Lysozymkristalle in dem unmodifizierten slab-line Wellenleiter
(s. S. 76) mit steigender Mikrowellenleistung bei 8 GHz für jeweils 10 Min. bestrahlt. Für jede Bestrahlung wurde ein neuer Lysozymkristall verwendet. Jeweils vor und unmittelbar nach der Bestrahlung wurden XRD-Messungen durchgeführt, wobei immer 10 Diffraktogramme (∆ϕ = 1, 5 ◦ ) aufgenommen wurden
(s. S. 73). Mit dem Programm XDS wurden vier charakteristische Größen bestimmt, die eine Aussage über den Zustand der Kristalle erlauben: die Standardabweichung der Reflexdivergenz σD und des Reflexwinkelbereichs σM , die
Gitterkonstanten und der Wilson B-Faktor.
Die Kristalle wurden auf zwei verschiedene Arten in den Kapillaren montiert
(s. S. 74). Bei den im Folgenden als nasse Kristalle“ bezeichneten Lysozymkris”
tallen wurde die Mutterlösung soweit abgesaugt, dass die Kristalle sich jeweils
noch in einem kleinen Tropfen befanden, während bei den trockenen Kristal”
len“ nur noch ein dünner Film Mutterlösung zwischen den Kristallen und der
Kapillarwand übrig blieb (vgl. Abb. 3.9 (a) und (b)).
Am deutlichsten zeichnet sich der Mikrowellen induzierte Schaden bei den
Größen σD und σM ab. In Abb. 3.10 (a) und (b) sind sie als Funktion der durch den
Wellenleiter transmittierten Leistung zu sehen. Bei kleinen Leistungen P ≤ 3 W
betragen beide Werte constant ca. 0, 1◦ . Nach der Bestrahlung mit P ≥ 4 W
zeigen σD und σM von nassen Kristallen (blaue Dreiecke) einen deutlichen Anstieg
auf ca. 0, 17◦ bzw. > 0, 5◦ . Diese Kristalle wurden rissig und zum Teil opak
(Abb. 3.9 (a)). Nasse Kristalle, die mit Leistungen P > 9 W bestrahlt wurden
beugten schließlich so schlecht, dass eine sinnvolle Bestimmung von σD und σM
nicht mehr möglich war.
Trockene Kristalle (rote Kreise) zeigten hingegen konstante σD und σM Werte
bis zu einer Leistung von P = 7 W. Die Bestrahlung mit noch höheren Leistungen
zerstörte vorübergehend auch die Beugungseigenschaften dieser Kristalle. Bis auf
wenige große Risse in den mit P = 15 W und 20 W bestrahlten Kristallen schienen die Kristalle äußerlich unverändert (Abb. 3.9 (b)). Interessanterweise zeigten
die Diffraktogramme dieser Kristalle eine allmähliche, fast vollständige Erholung
nach der Bestrahlung (Abb. 3.9 (c)). Die in Abb. 3.10 gezeigten Größen der mit
P = 10 W, 15 W und 20 W bestrahlten Kristalle wurden aus XRD-Messungen
bestimmt, die frühestens 45 Min. nach der Mikrowellenbestrahlung durchgeführt
wurden. Während dieser Zeit konnten sich die Kristalle soweit von der Bestrahlung erholen, dass die σD dieser Datensätze nur eine geringe Erhöhung auf maximal 0, 12◦ aufwiesen. Auch die σM der mit 15 W und 20 W bestrahlten Kristalle
84
KAPITEL 3. XRD UND MIKROWELLENBESTRAHLUNG
(a)
8 GHz ; 7 W
10 Min.
(b)
8 GHz ; 10 W
10 Min.
45 Min.
(c)
2 Min.
5 Min.
50 Min.
Abbildung 3.9: (a) Fotos eines nass montierten HEW-Lysozymkristalls vor und
nach der Mikrowellenbestrahlung bei ν = 8 GHz mit P = 7 W für τ = 10 Min..
(b) Fotos eines trockengelegten HEW-Lysozymkristalls vor, gleich nach und 45
Min. nach der Mikrowellenbestrahlung bei ν = 8 GHz mit P = 10 W für τ =
10 Min.. (c) Diffraktogramme des Kristalls von (b), aufgenommen 2 Min., 5 Min.
bzw. 50 Min. nach der Mikrowellenbestrahlung. Der Rand der Diffraktogramme
entspricht einer Auflösung von 2, 0 Å.
stiegen an, erreichten mit maximal 0, 36◦ jedoch nicht die hohen Werte der mit
wesentlich weniger Leistung bestrahlten nassen Kristalle.
Im Gegensatz zur Leistungsabhängigkeit von σD und σM , ändern sich der
Wilson B-Faktor und die Gitterkonstanten der Kristalle durch die Bestrahlung
kaum (Abb. 3.10 (c) und (d)). Dies gilt für trockene und nasse Kristalle, selbst
wenn sie offensichtlich unter der Bestrahlung gelitten hatten. Auch hier wurden
die Werte der trockenen Kristalle die mit P = 10 W, 15 W und 20 W bestrahlt
wurden, von Messungen nach einer 45 minütigen Erholungszeit bestimmt.
Zur Klärung der Frage, ob der Verlust und die anschließende Erholung der
Beugungseigenschaften der trockenen Kristalle nach Bestrahlung mit P ≤ 10 W
ein direkt durch Kopplung der Mikrowellen an die Proteindynamik induzierter
Effekt, oder nur rein thermischer Natur ist, wurde ein trockener Kristall bei ver-
3.2. ERGEBNISSE
85
Abbildung 3.10: (a) Standardabweichung der Reflexdivergenz, (b) Standardabweichung des Reflexwinkelbereichs (Mosaizität), (c) Gitterkonstanten a = b ≈
79, 2 Å, c ≈ 37, 9 Å und (d) Wilson B-Faktor von HEW-Lysozymkristallen nach
der Mikrowellenbestrahlung bei ν = 8 GHz für τ = 10 Min. als Funktion der eingestrahlten Mikrowellenleistung. Die schwarzen Symbole entsprechen den jeweiligen Werten vor der Bestrahlung. Die blauen Symbole stammen von Kristallen die
sich während der Bestrahlung in einem kleinen Tropfen Reservoirlösung befanden
und die roten Symbole stammen von trockengelegten Kristallen.
schiedenen Temperaturen in einer Glaskapillare erwärmt. Dazu wurde der Kristall
in dem abgeschmolzenen Ende der Kapillare positioniert. Das andere Ende wurde
mit Mutterlösung gefüllt und mit Wachs verschlossen. So konnte das Ende mit
dem Kristall in ein Bad mit definierter Temperatur getaucht werden, während
das Reservoir weiterhin Raumtemperatur hatte. Diese Situation entspricht einem
Kristall in einer Kapillare im Wellenleiter mit den Reservoiren außerhalb des
Leiters. Nach der Erwärmung des Kristalls in einem Bad mit 47◦ C für 10 Min.
zeigten die anschließend aufgenommenen Diffraktogramme ein ähnliches Erholungsverhalten wie in Abb. 3.9 (c).
Zusammengefasst deuten die Ergebnisse darauf hin, dass die Mikrowellen
hauptsächlich vom Kristallwasser und dem umgebenden freien Wasser absorbiert
werden. Freies Wasser zeigt starke Absorption im gesamten Mikrowellenbereich
mit einem Maximum bei 18 GHz [62, 63]. Wenn ein nass präparierter Protein-
86
KAPITEL 3. XRD UND MIKROWELLENBESTRAHLUNG
kristall durch die Absorption des freien Wassers zu schnell oder zu stark erwärmt
wird (P ≥ 4 W), bilden sich durch die thermisch induzierten Spannungen Risse im Kristall aus, wodurch die Mosaizität und somit σD und σM des Kristalls
stark ansteigen. Die kaum veränderten Gitterkonstanten und der annähernd konstante Wilson B-Faktor dieser Kristalle weisen darauf hin, dass die einzelnen
Bruchstücke hierbei immer noch hohe kristalline Ordnung besitzen. Im Fall der
trocken präparierten Kristalle kann das durch Mikrowellenabsorption erwärmte
Kristallwasser abdampfen. Die resultierende Dehydratisierung der Kristalle ist
mit Schrumpfung und Verzerrungen des Gitters verbunden, wodurch die Beugungseigenschaften verloren gehen. Im dehydratisierten Zustand geht die Mikrowellenabsorption der Kristalle offensichtlich soweit zurück, dass eine Bestrahlung
mit bis zu P = 20 W über 10 Min. die Fähigkeit zur Erholung durch anschließende
Rehydratisierung nicht zerstört.
Diese Deutung der Ergebnisse stimmt mit Arbeiten überein, in denen
der hydratationsabhängige, reversible Strukturübergang von tetragonalen Lysozymkristallen mittels definierten relativen Luftfeuchtigkeiten untersucht wurde
[36, 102, 4, 103]. So finden z. B. Dobrianov et al. bei der Erniedrigung der relativen Luftfeuchtigkeit von 98% auf ≥ 89 %, dass sich die Gitterkonstanten a = b
monoton von ca.79, 3 Å auf ca. 77, 5 Å erniedrigen während c von ca. 38 Å auf
nur ca. 37, 3 Å sinkt. Die Mosaizität und die Auflösung der Diffraktogramme
haben sich hierbei kaum geändert. Bei einer relativen Luftfeuchtigkeit von um
die 88 % wird von einem abrupten Abfall von c auf ca. 34 Å berichtet, mit dem
ein Einbruch der Auflösung und ein Anstieg der Mosaizität einher geht. Dieser
strukturelle Übergang, der metastabile Eigenschaften und eine Hysterese zeigt
(vgl. Kap. 2.2.2), wird dem plötzlichen Verlust von Kristallwasser zugeschrieben.
Im Rahmen der hier vorgestellten Experimente wurden von jedem Kristall unmittelbar nach der Mikrowellenbestrahlung 10 Diffraktogramme aufgenommen.
Die Belichtungszeit pro Diffraktogramm betrug 2 Min. und vor jeder neuen Messung wurde die image plate erst ausgelesen und schließlich wieder gelöscht. Insgesamt vergingen zwischen dem Start zweier Messungen 2, 83 Min.. Für die mit
10 W, 15 W und 20 W bestrahlten trockenen Kristalle wurden σD , σM und die
Gitterkonstanten für jedes einzelne Diffraktogramm bestimmt, und somit als
Funktion der Zeit während der Rehydratationsphase. Bei der Betrachtung der
Ergebnisse sollte bedacht werden, dass die Größen bei der Auswertung einzelner,
sich erholender Diffraktogramme mit größeren Fehlern behaftet sind, als bei der
Mittelung über 10 Diffraktogramme eines stabilen Kristalls. Dies gilt insbesondere für die ersten 2 bis 3 Diffraktogramme nach der Bestrahlung, aufgrund ihrer
geringen Auflösung (vgl. Abb. 3.9 (c)). Die Resultate sind in Abb. 3.11 gezeigt.
In (a) und (b) ist die erwartete Abnahme der σD - und σM -Werte während der
Rehydratation zu sehen. Sie erreichen innerhalb der Messzeit von einer halben
Stunde schon fast wieder den Ausgangswert von 0, 1◦ . Auch die Gitterkonstanten
a = b zeigen in (c) einen Anstieg von 78, 6 Å auf ca. 79, 3 Å. Die Gitterkonstante c
springt abrupt von 35, 7 Å auf 37, 9 Å während den ersten beiden Messungen und
3.2. ERGEBNISSE
87
Abbildung 3.11: (a) Standardabweichung der Reflexdivergenz σD , (b) Standardabweichung des Reflexwinkelbereichs σM (Mosaizität), (c) Gitterkonstanten a = b
und (d) Gitterkonstante c von trockengelegten HEW-Lysozym Einkristallen nach
einer Mikrowellenbestrahlung bei ν = 8 GHz für τ = 10 Min. als Funktion der
Zeit nach der Bestrahlung. Die blauen Dreiecke stammen von einem Kristall der
mit P = 10 W bestrahlt wurde. Die grünen Kreise und roten Quadrate stehen
jeweils für einen mit P = 15 W und einen mit P = 20 W bestrahlten Kristall.
steigt dann nur noch gering auf 38, 1 Å. Insgesamt deutet somit nochmals alles
darauf hin, dass es sich bei dem durch Mikrowellenbestrahlung von trockenen
Lysozymkristallen verursachten Effekt um die Auswirkungen der thermisch induzierten De- und Rehydratation der Kristalle handelt.
Das Ziel der eben diskutierten Vorexperimente war, die besten Voraussetzungen für die XRD-Messungen mit gleichzeitiger Mikrowellenbestrahlung zu finden.
Bei diesen Messungen war es nötig, über mehrere Stunden mit möglichst hoher
Leistung zu bestrahlen. Aufgrund der Ergebnisse dieses Unterkapitels wurden die
Kristalle hierzu trocken präpariert, da in diesem Fall die Absorption durch das
Kristallwasser am geringsten ist, und die Bestrahlungsleistung wurde zwischen
0, 5 W und 3 W gewählt, um eine starke Dehydratation der Kristalle zu vermeiden.
88
KAPITEL 3. XRD UND MIKROWELLENBESTRAHLUNG
Abbildung 3.12: Vergleich der B-Faktoren aus zwei identischen Messungen an
einem tetragonalen HEW-Lysozymkristall bei 291 K. (a) Histogramm der B2
Faktor-Differenzen Bi,2 − Bi,1 (Integrationsbreite = 0, 2 Å ). Die gefittete Gauss
2
Kurve mit dem Maximum bei h∆Bi = (0, 18 ± 0, 01) Å zeigt eine Standardab2
weichung von σ∆B = 0, 74 Å . (b) Korrelationsplot der atomaren B-Faktoren.
2
Die Koeffizienten des linearen Fits haben die Werte A = (0, 07 ± 0, 05) Å ,
2
S = (1, 007 ± 0, 002) und σ = 0, 8 Å .
3.2.2
Reproduzierbarkeit und Strahlenschaden
Um den statistischen Fehler bei der Bestimmung der atomaren B-Faktoren und
die Auswirkungen des Strahlenschadens abschätzen zu können, wurden direkt
nacheinander zwei Datensätze des selben tetragonalen HEW-Lysozymkristalls
über den selben Winkelbereich und unter gleichen Bedingungen bei 291 K gemessen. Bei jeder Messung wurden 60 Diffraktogramme (∆ϕ = 1 ◦ ) aufgenommen
und mit XDS ausgewertet. Anschließend wurde der PDB-Datensatz 193L gegen
die Daten verfeinert (s. S. 73). Dies lieferte die atomaren Koordinaten und die BFaktoren der 1001 nicht-H-Atome von Lysozym sowie einiger stark gebundener
Wassermoleküle.
Die Differenzen zwischen den entsprechenden atomaren B-Faktoren der bei2
den Datensätze sind mit einer Standardabweichung von σ∆B = 0, 74 Å um das
2
Maximum bei h∆Bi = (0, 18 ± 0, 01) Å Gauss-verteilt (Abb. 3.12 (a)). Die Verschiebung des Maximums der Gauss-Verteilung findet sich auch in der Erhöhung
2
2
des Wilson B-Faktors von 22, 80 Å auf 22, 98 Å wieder. Dieser Anstieg des Wilson B-Faktors wird dem Strahlenschaden zugeschrieben, den der Kristall während
der Messzeit von 4 Stunden durch den intensiven Röntgenstrahl erlitt. Da die
Messzeiten und die Intensität des Röntgenstrahls bei allen in den Kapiteln 3.2.3
und 3.2.4 vorgestellten Experimenten gleich waren und der Strahlenschaden pro-
3.2. ERGEBNISSE
89
portional zur Bestrahlungsdosis zunehmen sollte, kann dieser Wert als Maß für
den entstandenen Strahlenschaden bei den aufeinander folgenden Messungen in
diesen Kapiteln benutzt werden.
Im Korrelationsplot der Abb. 3.12 sind die atomaren B-Faktoren der zweiten Messung gegen die der ersten Messung aufgetragen. Der lineare Fit B2 =
2
A + SB1 mit dem Achsenabschnitt A = (0, 07 ± 0, 05)Å und der Steigung
S = (1, 007 ± 0, 002) weist wie die Gauß-Verteilung eine Standardabweichung
2
von σ = 0, 8 Å auf. Dies wird im Weiteren als die untere Grenze für die Bestimmung der atomaren B-Faktor-Differenzen zwischen Datensätzen des selben
Kristalls angesehen. Eigentlich wäre zu erwarten gewesen, dass sich der mittlere
2
Anstieg der atomaren B-Faktors um 0, 18 Å in einem ähnlich hohen Anstieg des
Achsenabschnittes A wiederfindet.
3.2.3
Thermische Effekte
Bei den XRD-Messungen mit gleichzeitiger Mikrowellenbestrahlung ist zu erwarten, dass sich die Kristalle aufgrund der Absorption durch das Kristallwasser
[62, 63] während der Bestrahlung erwärmen. Mit der Zeit wird sich durch die
Wärmeleitung über die Kapillarenwand und die umgebende Luft ein stationärer
Zustand mit einer bestimmten Temperaturerhöhung über der Raumtemperatur
einstellen. Theoretisch sollten dadurch die B-Faktoren Bi (T ) aller Atome um
den Faktor T /T0 ansteigen. Zudem können sich bei Erwärmung die Bindungsverhältnisse und nächsten Nachbarschaften der Proteine im Kristall ändern, was
wiederum eine spezifische Änderung der atomaren B-Faktoren zur Folge hat. Ein
wesentlicher Punkt zur Klärung der Frage, ob Mikrowellen an Proteindynamik
koppeln, ist somit die genaue Kenntnis der rein thermisch induzierten Effekte.
Aus diesem Grund wurden erstmals XRD-Messungen an einem tetragonalen
HEW-Lysozymkristall bei Temperaturen zwischen 291 K und 310 K durchgeführt.
Zudem erfolgte nochmals eine Messung nach der Temperaturreihe bei 291 K. Die
Temperaturkontrolle des Kristalls und der beiden Reservoire nahe beim Kristall
erfolgte indem der Gasstrom eines Stickstoff-Kühlers (Oxford 600 Series Cryostream) auf die Kapillare gerichtet wurde. Da die Reservoire also mit erwärmt wurden, kann davon ausgegangen werden, dass die Kristalle während den Messungen
vollständig hydratisiert waren. Bei jeder Messung wurden 60 Diffraktogramme
(∆ϕ = 1 ◦ ) aufgenommen und mit XDS ausgewertet. Anschließend wurde der
PDB-Datensatz 193L gegen die Daten verfeinert (vgl. Kapitel 3.1.1). Dies lieferte die atomaren Koordinaten und die B-Faktoren der 1001 nicht-H-Atome von
Lysozym sowie einiger stark gebundener Wassermoleküle. Die genauen Werte der
Datenanalyse und der Verfeinerung sind in Tabelle 3.1 aufgelistet.
90
KAPITEL 3. XRD UND MIKROWELLENBESTRAHLUNG
Kristall
Temperatur [K]
Datenanalyse
Auflösung [Å]†
hI/σI i‡
σM [◦ ]
Wilson B-Faktor
Gitterkonstanten:
a [Å]
c [Å]
Anzahl Reflexe
Anzahl unabh. Refl.
Vollständigkeit [%]
Rmess
Verfeinerung
Auflösung [Å]
Anzahl benutzter Refl.
Anzahl Nicht-H-Atome
Anzahl Wassermoleküle
Anzahl Ionen
R
Rfrei
rmsd vom Idealwert:
Bindungslängen [Å]
Bindungswinkel [◦ ]
mittl. B-Faktoren:
2
alle Nicht-H-Atome [ Å ]
2
Protein Atome [ Å ]
2
Wasser O-Atome [ Å ]
2
Na+ [ Å ]
2
Cl- [ Å ]
1
291
1
296
1
298
1
300
1
305
1
310
1
291
2,00
2,00
2,00
24,2
22,5
20,8
(10,9) (11,2) (10,4)
0,091 0,096 0,091
24,69 24,96 25,39
2,00
19,6
(10,2)
0,108
26,04
2,00
18,9
(9,6)
0,124
27,70
2,00
12,5
(4,9)
0,220
28,53
2,00
14,8
(7,8)
0,194
27,07
79,13
37,98
36538
8292
95,3
0,047
79,13
38,02
37118
8338
95,8
0,050
79,11
38,04
36518
8321
95,6
0,054
79.08 79,11 79,10 79,08
38,04 38,04 38,01 38,00
36927 37124 37108 36659
8339 8350 8334 8334
95,8
95,9
95,9
95,9
0,055 0,056 0,088 0,072
2,00
7898
1001
142
2
0,126
0,173
2,00
7941
1001
142
2
0,123
0,175
2,00
7924
1001
142
2
0,129
0,175
2,00
7942
1001
142
2
0,129
0,172
2,00
7952
1001
142
2
0,131
0,172
2,00
7936
1001
142
2
0,140
0,203
2,00
7936
1001
142
2
0,131
0,180
0,01
1,310
0,01
1,294
0,01
1,291
0,01
1,302
0,01
1,296
0,01
1,336
0,01
1,294
23,74
21,41
40,22
34,36
29,13
23,93
21,63
40,34
25,68
27,65
24,43
22,13
40,80
23,35
26,81
25,29
23,01
41,60
23,06
27,18
27,34
25,07
43,55
22,77
28,37
28,04
25,61
45,3
23,09
28,95
26,26
23,86
43,23
37,85
30,38
Tabelle 3.1: Charakteristische Größen der Datenanalyse und der Verfeinerung zu
den temperaturabhängigen Messungen an Kristall Nr. 1. † Ein Diffraktogramm
deckt einen Auflösungsbereich von 50, 00 − 2, 00 Å ab. ‡ Die Werte in Klammern
beziehen sich auf das Gauß-Profil der Reflexe in der höchsten Auflösungsschale
2, 12 − 2, 00 Å.
3.2. ERGEBNISSE
91
Abbildung 3.13: Die atomaren B-Faktoren der 1001 Nicht-H-Atome von HEWLysozym als Funktion der Atomnummer. Die unterschiedlich gefärbten Kurven
zeigen die atomaren B-Faktoren Bi,T zu Messungen am selben Kristall bei verschiedenen Temperaturen: 291 K (grau), 296 K (schwarz), 298 K (blau), 300 K
(grün), 305 K (rot) und 310 K (orange).
Lokale Betrachtung
Abb. 3.13 zeigt die atomaren B-Faktoren Bi,T = 8π 2 h~u2i i/3 bei verschiedenen
Temperaturen als Funktion der Atomnummer. Diese Verteilung der atomaren
B-Faktoren, stellt eine Art Fingerabdruck“ für tetragonal kristallisiertes HEW”
2
2
Lysozym dar. Die Werte variieren stark zwischen 8 Å und 75 Å , je nach Bindung
und Position der Atome. Während Rückgratatome eine eher geringere Beweglichkeit besitzen und kleinere B-Faktoren aufweisen, sind Atome in Seitenketten
deutlich mobiler, besonders, wenn sie am Ende langer Seitenketten wie z. B. Arginin oder Lysin (s. S. 9) und an der Proteinoberfläche liegen. Wie zu erkennen
ist änderte sich die Grundstruktur der Verteilung der B-Faktoren durch die Temperaturerhöhung bis auf 310 K nicht wesentlich. In Abb. 3.14 sind die B-FaktorDifferenzen Bi,T −Bi,291 K gezeigt (Kurven im oberen Teil der Abb.). Wie erwartet
steigen fast alle atomaren B-Faktoren mit der Temperatur an, weisen somit positive Differenzen zu den Werten der Raumtemperaturmessung auf. Wiederum
zeigen Atome die sich am Ende langer Seitenketten und an der Proteinoberfläche
befinden den größten B-Faktoranstieg. So stammt z. B. der höchste B-Faktor2
Anstieg um 16, 5 Å im Bereich der Atomnummer 356 von den Atomen CZ und
NH2 am Ende von Arg 45. Unerwartet ist die Verringerung einiger atomarer B-
92
KAPITEL 3. XRD UND MIKROWELLENBESTRAHLUNG
Abbildung 3.14: Die Änderung der atomaren B-Faktoren (oben) und die Änderung der mittleren Atompositionen (unten) bei Erwärmung des Kristalls auf
296 K (schwarz), 298 K (blau), 300 K (grün), 305 K (rot) und 310 K (orange).
Die Differenzen wurden jeweils zu den bei 291 K gemessenen Werten gebildet.
Die auffälligsten Korrelationen zwischen den B-Faktor- und Atompositionsänderungen sind durch vertikale Linien gekennzeichnet.
Abbildung 3.15: Vergrößerung des Bereiches der charakteristischen negativen BFaktor-Differenzen bei Erwärmung des Kristalls.
3.2. ERGEBNISSE
93
Abbildung 3.16: Die Änderung der atomaren B-Faktoren (oben) und die Änderung der mittleren Atompositionen (unten) bei Erwärmung des Kristalls auf
310 K (orange) und nach der Temperaturreihe wieder bei 296 K (grau). Die Differenzen wurden jeweils zu den bei 291 K vor der Temperaturreihe gemessenen
Werten gebildet.
Faktoren im Bereich der Atomnummern 560 bis 590. Solch ein Verhalten könnte
durch eine strukturelle Veränderung erklärt werden, infolge derer die Atome an
Bewegungsfreiheit verlieren. Im unteren Teil von Abb. 3.14 sind die Beträge der
Verschiebungen der mittleren Atompositionen gegenüber den Werten der Raumtemperaturmessung gezeigt. Nur bei wenigen Atomen sind große Positionsänderungen mit hohen B-Faktor-Differenzen korreliert. Sie sind durch die gestrichelten vertikalen Linien gekennzeichnet. Auch im Bereich der Atomnummern 560
bis 590 haben sich manche mittlere Atompositionen aufgrund der Erwärmung
geändert. Abb. 3.15 zeigt die B-Faktor-Differenzen an dieser Stelle der Polypeptidkette nochmals vergrößert. Am stärksten hat sich der B-Faktor des O-Atoms in
2
2
Gly 71 erniedrigt. Er ist von 52, 6 Å bei 291 K auf 35, 35 Å bei 310 K gesunken.
Dabei wurde das Atom um 0, 38 Å versetzt. Bei dem OG-Atom in Ser 72 sank
2
2
der B-Faktor von 37, 82 Å auf 25, 52 Å bei einer Versetzung um 0, 4 Å und beim
2
2
O-Atom von Arg 73 von 36, 22 Å auf 27, 11 Å mit einer 0, 29 Å Versetzung. Auch
ein detaillierter Vergleich der Proteinstrukturen in diesem Bereich der Polypeptidkette bei den verschiedenen Temperaturen lieferte keine stichhaltige Erklärung
für dieses erstaunliche Verhalten. Ein Zusammenhang damit, dass die Atome OG
in Ser 72 und O in Arg 73 zusammen mit den O-Atomen in Ser 60 und in Cys 64
94
KAPITEL 3. XRD UND MIKROWELLENBESTRAHLUNG
Abbildung 3.17: Korrelationsplot der atomaren B-Faktoren Bi,T eines Kristalls
bei verschiedenen Temperaturen gegen die atomaren B-Faktoren bei 291 K. Gezeigt sind auch die jeweiligen linearen Fits BT = A+SB291K mit den Koeffizienten
A und S.
und zwei gebundenen Wassermolekülen ein Na+ -Ion (Atomnummer 1014) stabilisieren (s. Abb 1.4), dessen B-Faktor ebenfalls mit steigender Temperatur sinkt
(s. Tab. 3.1), ist nicht auszuschließen. Jedenfalls handelt es sich um einen reversiblen Effekt, wie die Messung bei 291 K nach der Temperaturreihe gezeigt hat. In
Abb. 3.16 sind nochmals die B-Faktor-Differenzen und Verschiebungsbeträge der
mittleren Atompositionen für die Messung bei 310 K gezeigt, zusammen mit den
Werten der Messung bei 291 K nach der Erwärmung . Die Differenzen wurden
wieder zu den bei 291 K, vor der Temperaturreihe gemessenen Werten gebildet.
Während die meisten strukturellen Veränderungen weitgehend reversibel sind,
bleibt der Mittelwert der atomaren B-Faktor-Differenzen doch deutlich positiv.
Das mittlere Verhalten der atomaren B-Faktoren soll im Folgenden näher untersucht werden.
Globale Betrachtung
Um den mittleren Anstieg der atomaren B-Faktoren zu bestimmen, werden in den
Korrelationsplots in Abb. 3.17 die atomaren B-Faktoren bei erhöhter Temperatur
296 K ≤ T ≤ 310 K gegen ihre Werte bei T0 = 291 K aufgetragen. Die Korrelationen der Bi,T zu ihren Ausgangswerten wurden jeweils durch einen linearen Fit
BT = A + SB291 K mit den Fitparametern A und S und der Standardabweichung
3.2. ERGEBNISSE
95
Abbildung 3.18: (a) Achsenabschnitt A und die Standardabweichung σ sowie (b)
die Steigung S der Ausgleichsgeraden als Funktion der Temperatur. Die gestrichelte Linie ist die Theoriekurve bei linearen Kräften: S = T /291 K. Die offenen
Symbole stehen jeweils für den Wert, der aus der Korrelation der Messungen vor
und nach der Temperaturreihe entstanden ist.
σ quantifiziert. Wären die mittleren Auslenkungsquadrate der Atome durch rein
harmonische Kräfte bestimmt, so müsste sich eine Temperaturerhöhung von T0
auf T durch einen Anstieg aller atomaren B-Faktoren um den Faktor T /T0 bemerkbar machen. Der Achsenabschnitt A im Korrelationsplot sollte dann für alle
Temperaturen verschwinden und die Steigung sollte S = T /T0 betragen.
Die Korrelationsplots weisen jedoch ein anderes Verhalten auf. Abb. 3.18 (a)
zeigt den deutlichen Anstieg der Achsenabschnitte und der Standardabweichungen mit der Temperatur. Da sich die Steigungen der Ausgleichsgeraden nur sehr
wenig ändern, bedeutet dies, dass bei einer Temperaturerhöhung des Kristalls im
Mittel alle atomaren B-Faktoren um den gleichen Betrag ansteigen. Dies kann
mit einer Verschlechterung der Periodizität des Kristalls zusammenhängen, oder
durch akustische Phononen erklärt werden. Da deren Wellenlängen wesentlich
größer als der Proteindurchmesser ist, könnten sie einen gleichmäßigen, reversiblen Beitrag zu allen atomaren B-Faktoren liefern. Da die Zustandsdichte der
Phononen in Lysozymkristallen nicht bekannt ist, und Modelle wie das DebyeModell wegen der vielatomigen Basis in Proteinkristallen nicht anwendbar ist,
ist eine Abschätzung für den Beitrag der akustischen Phononen zum Achsenabschnitt A nur schwer möglich (vgl. S. 57).
Der starke Anstieg der Standardabweichung spiegelt das inhomogene Temperaturverhalten der individuellen Atome im Protein wieder, wie es bereits in
Abb. 3.14 zu sehen ist.
In Abb. 3.18 (b) sind die Steigungen der linearen Fits über die Temperatur
aufgetragen. Alle Werte liegen unterhalb der Theoriekurve für lineare Kräfte
96
KAPITEL 3. XRD UND MIKROWELLENBESTRAHLUNG
Abbildung 3.19: (a) Wilson B-Faktor und (b) Mosaizität (blaue Kreise) sowie
Reflexdivergenz (rote Dreiecke) als Funktion der Temperatur. Die offenen Symbole stehen jeweils für den Wert nach der Temperaturreihe, wieder bei 291 K
gemessen.
S = T /291 K (gestrichelte Linie). Dies kann unter anderem durch die in der
lokalen Betrachtung diskutierten Verringerung einiger atomarer B-Faktoren bei
2
steigender Temperatur erklärt werden. Da ihre Werte mit über 36 Å deutlich
größer sind als die mittleren B-Faktoren kippen sie die Fits mit ihrem statistischen Gewicht zu etwas kleineren Steigungen. Außerdem könnte der Kristall
aus experimentellen Gründen nicht die eingestellte Temperatur erreicht haben,
was systematisch zu kleine Steigungen liefern würde. Steigungswerte kleiner 1
können hiermit jedoch nicht erklärt werden. Insbesondere fällt die schwer erklärbare Steigung von nur 0, 99 der Fitgeraden bei 310 K auf. Ein Grund für
diesen zu geringen Wert könnte sein, dass die während der Erwärmung stattfindenden strukturellen Veränderungen im Kristall die Beweglichkeit einiger Atome
mit hohen B-Faktoren einschränken.
Die nicht ausgefüllten Symbole in Abb. 3.18 (a) und (b) bei 291 K stehen für
die Fitparameter, die aus der Korrelation der Messungen vor und nach der Temperaturreihe entstanden. Wären die beobachteten Effekte vollkommen reversibel,
2
2
so müsste wieder A ≈ 0 Å , S ≈ 1 und σ ≈ 0, 8 Å betragen. Aufgrund des
durch die sieben Messungen erzeugten Strahlenschadens würde man jedoch er2
warten, dass der mittlere B-Faktor um ca. 1, 08 Å angestiegen wäre (s. S. 88).
Dies sollte sich im Achsenabschnitt A ähnlich stark äußern. Tatsächlich fällt A
2
2
von 4, 44 Å bei 310 K auf 1, 78 Å bei 291 K zurück. Auch die Standardabwei2
chung mit σ = 1, 5 Å und die Steigung mit S = 1, 03 bei 291 K deuten auf eine
eingeschränkte Reversibilität der Temperatureffekte hin.
In Abb. 3.19 (a) ist das Temperaturverhalten des Wilson B-Faktors gezeigt.
3.2. ERGEBNISSE
97
2
2
Auch sein Wert steigt mit der Temperatur von 24, 69 Å bei 291 K auf 28, 53 Å
bei 310 K an, vergleichbar mit dem Anstieg der Achsenabschnitte der linearen Fits
der Korrelationsplots. Die zweite Messung bei 291 K nach der Temperaturreihe
weist ebenfalls einen nicht allein durch den Strahlenschaden erklärbaren, hohen
2
Wilson B-Faktor von 27, 01 Å auf (nicht ausgefülltes Quadrat).
Dass der Kristall durch die Temperaturreihe irreversiblen Schaden erlitten
hat, wird besonders deutlich, wenn man die Werte der Reflexdivergenz und der
Mosaizität in Abb. 3.19 (b) betrachtet. Sie zeigen einen starken, weitgehend irreversiblen Anstieg, besonders für die Messung bei 310 K.
Zusammenfassend kann Folgendes gesagt werden: aufgrund der Erwärmung
lässt sich eine charakteristische, reversible Verringerung einiger atomarer BFaktoren in den Aminosäuren Gly 71, Ser 72 und Arg 73 beobachten. Die Steigungsänderungen der linearen Fits der Korrelationsplots sind sehr gering und
können nur eingeschränkt als Indikator für die Kristalltemperatur benutzt werden. Der Achsenabschnitt A steigt überraschenderweise systematisch mit der
Temperatur an, was mit akustischen Phononen im Kristall zusammenhängen
könnte. Zudem kann gesagt werden, dass der Kristall unter der Erwärmung irreversibel gelitten hat. Dies äußert sich nicht nur in einer erhöhten Mosaizität,
sondern auch durch einen irreversiblen Anteil des Achsenabschnitts A. Da der
Achsenabschnitt für den mittleren Anstieg aller atomarer B-Faktoren steht, bedeutet dies, dass sich die Periodizität des Kristalls durch die Erwärmung verschlechtert hat.
98
3.2.4
KAPITEL 3. XRD UND MIKROWELLENBESTRAHLUNG
XRD mit simultaner Bestrahlung
Im folgenden Abschnitt werden Experimente vorgestellt, bei denen erstmalig
XRD-Messungen an tetragonalen HEW-Lysozymkristallen unter gleichzeitiger
Mikrowellenbestrahlung durchgeführt wurden. Wenn das elektrische Feld der
Mikrowelle an polare oder geladene Einheiten des Proteins koppelt und diese
zu Schwingungen anregt, dann sollten leistungsabhängige Änderungen der BFaktoren der entsprechenden Atome beobachtbar sein [128]. Eine systematische
Änderung der atomaren B-Faktoren ganzer Domänen würde sogar auf die Anregung kollektiver niederfrequenter Moden des Proteins im Mikrowellenbereich hindeuten. Da diese niederfrequenten kollektiven Moden als entscheidend bei Konformationsübergängen angesehen werden [7], würde somit eine ernsthafte Chance
auf die Verbesserung schlecht beugender Kristalle bestehen.
Entsprechend den Ergebnissen der in Kap. 2 gezeigten inelastischen
Lichtstreu-Messungen befindet man sich im Mikrowellenbereich vermutlich deutlich unterhalb der Frequenzen der langsamsten kollektiven Vibrationsmoden. Da
somit keine Anregung scharfer Resonanzen zu erwarten ist, genügt es, alle Experimente nur bei einer Frequenz des zur Verfügung stehenden Bereiches (8−18 GHz)
durchzuführen. Da das Absorptionsmaximum von freiem Wasser bei 18 GHz liegt
[62, 63] und die Transmission des Wellenleiters mit steigender Frequenz deutlich
abnimmt (s. S. 80) wurden alle Kristalle bei 8 GHz bestrahlt.
Entsprechend den Ergebnissen in Abschnitt 3.2.1 wurden zwei tetragonale
HEW-Lysozymkristalle für die im Folgenden beschriebenen Experimente tro”
cken“ präpariert (s. S. 74). Kristall Nr. 2 wurde sukzessive mit 0, 5 W, 1 W, 2 W
und 3 W Leistung bestrahlt und Kristall Nr. 3 mit 1 W, 3 W und 5 W. Jeweils
vor, während und nach einer Bestrahlung wurden XRD-Messungen an den Kristallen durchgeführt (s. S. 78). Um den Strahlenschaden an Kristall Nr. 2 gering
zu halten wurde auf die Messung nach der Bestrahlung mit 0, 5 W verzichtet.
Eine Temperaturmessung der Kristalle während der Bestrahlung konnte leider
nicht erfolgen, da ein metallischer Sensor die Feldverteilung im Wellenleiter stark
gestört hätte. Zudem würde die geringe Wärmekapazität der kleinen Kristalle
eine Kontaktmessung erschweren. Der Versuch, die Kristalltemperatur mit einem
IR-Thermometer zu messen, scheiterte an der Absorption der Glaskapillare um
λ = 10 µm und an der geringen Größe der Kristalle. Umso wichtiger wird im
Folgenden sein, die Daten mit den Ergebnissen der temperaturabhängigen Messungen zu vergleichen.
Auch hier wurden bei jeder Messung 60 Diffraktogramme (∆ϕ = 1◦ ) aufgenommen und mit XDS ausgewertet. Ebenso wurde anschließend der PDBDatensatz 193L gegen die Daten verfeinert (s. Kap. 3.1.1). Die genauen Werte
der Datenanalyse und der Verfeinerung sind in Tab. 3.2 und Tab. 3.3 aufgelistet.
3.2. ERGEBNISSE
Kristall
Leistung [W]
vor/während/nach
Datenanalyse
Auflösung [Å]†
hI/σI i‡
σM [◦ ]
Wilson B-Faktor
Gitterkonstanten:
a [Å]
c [Å]
Anzahl Reflexe
Anzahl unabh. Refl.
Vollständigkeit [%]
Rmess
Verfeinerung
Auflösung [Å]
Anzahl benutzter Refl.
Anzahl Nicht-H-Atome
Anzahl Wassermoleküle
Anzahl Ionen
R
Rfrei
rmsd vom Idealwert:
Bindungslängen [Å]
Bindungswinkel [◦ ]
mittl. B-Faktoren:
2
alle Nicht-H-Atome [ Å ]
2
Protein Atome [ Å ]
2
Wasser O-Atome [ Å ]
2
Na+ [ Å ]
2
Cl- [ Å ]
99
2
0
v
2
0,5
w
2
1
w
2
1
n
2
2
w
2
2
n
2,00
2,00
2,00
20,0
19,3
19,2
(10,9) (10,7) (10,5)
0,087 0,089 0,088
26,42 26,65 26,87
2,00
18,8
(10,0)
0,088
27,29
2,00
14,3
(8,4)
0,099
27,90
2,00
17,8
(8,8)
0,089
28,14
79,18
37,98
37170
8084
93,7
0,063
79,18
37,99
37129
8080
93,7
0,066
79,15
37,99
37169
8080
93,8
0,066
79.17 79,19 79,16
37,99 38,03 38,00
37209 36868 37280
8084 8046 8088
93,8
93,6
93,0
0,066 0,080 0,068
2,0
7703
1001
142
2
0,128
0,194
2,0
7699
1001
142
2
0,127
0,191
2,0
7699
1001
142
2
0,129
0,193
2,0
7703
1001
142
2
0,129
0,194
2,0
7668
1001
142
2
0,131
0,189
2,0
7700
1001
142
2
0,131
0,171
0,01
1,305
0,01
1,293
0,01
1,294
0,01
1,311
0,01
1,292
0,01
1,303
25,01
22,76
40,82
30,61
30,38
24,83
22,59
40,60
27,38
29,59
25,08
22,87
40,67
23,94
28,90
25,76
23,53
41,45
28,72
30,66
25,93
23,66
41,89
22,35
29,30
26,75
24,45
42,9
29,94
30,97
Tabelle 3.2: Charakteristische Größen der Datenanalyse und der Verfeinerung
zu den leistungsabhängigen Messungen an Kristall Nr. 2. † Ein Diffraktogramm
deckt einen Auflösungsbereich von 50, 00 − 2, 00 Å ab. ‡ Die Werte in Klammern
beziehen sich auf das Gauß-Profil der Reflexe in der höchsten Auflösungsschale
2, 12 − 2, 00 Å.
100
KAPITEL 3. XRD UND MIKROWELLENBESTRAHLUNG
Kristall
Leistung [W]
vor/während/nach
Datenanalyse
Auflösung [Å]†
hI/σI i‡
σM [◦ ]
Wilson B-Faktor
Gitterkonstanten:
a [Å]
c [Å]
Anzahl Reflexe
Anzahl unabh. Refl.
Vollständigkeit [%]
Rmess
Verfeinerung
Auflösung [Å]
Anzahl benutzter Refl.
Anzahl Nicht-H-Atome
Anzahl Wassermoleküle
Anzahl Ionen
R
Rfrei
rmsd vom Idealwert:
Bindungslängen [Å]
Bindungswinkel [◦ ]
mittl. B-Faktoren:
2
alle Nicht-H-Atome [ Å ]
2
Protein Atome [ Å ]
2
Wasser O-Atome [ Å ]
2
Na+ [ Å ]
2
Cl- [ Å ]
3
0
v
3
1
w
3
1
n
3
3
w
3
3
n
2,00
2,00
21,3
19,3
(15,2) (14,2)
0,120 0,183
25,87 25,92
2,00
20,1
(14,1)
0,132
26,30
2,00
16,1
(11,6)
0,144
28,01
2,00
18,1
(12)
0,177
27,92
79,16
37,95
37009
7402
85,8
0,073
79,15
37,98
36466
7355
85,3
0,079
79,15
37,96
36852
7378
85,5
0,077
79.13 79,13
38,04 38,00
35604 36694
7180 7304
84,0
84,4
0,087 0,083
2,00
7046
1001
142
2
0,123
0,182
2,00
7000
1001
142
2
0,129
0,188
2,00
7023
1001
142
2
0,129
0,187
2,00
6850
1001
142
2
0,131
0,189
2,00
6958
1001
142
2
0,130
0,190
0,01
1,282
0,01
1,295
0,01
1,281
0,01
1,328
0,01
1,290
22,79
20,50
38,85
26,80
26,85
22,64
20,33
38,83
21,95
25,92
22,97
20,68
39,11
25,19
27,23
25,03
22,84
40,43
19,80
25,64
24,83
22,57
40,72
24,30
29,05
Tabelle 3.3: Charakteristische Größen der Datenanalyse und der Verfeinerung
zu den leistungsabhängigen Messungen an Kristall Nr. 3. † Ein Diffraktogramm
deckt einen Auflösungsbereich von 50, 00 − 2, 00 Å ab. ‡ Die Werte in Klammern
beziehen sich auf das Gauß-Profil der Reflexe in der höchsten Auflösungsschale
2, 12 − 2, 00 Å.
3.2. ERGEBNISSE
101
Abbildung 3.20: Änderung der atomaren B-Faktoren der Kristalle Nr. 2 (links)
und Nr. 3 (rechts) durch Mikrowellenbestrahlung mit P = 0, 5 W, 1 W, 2 W und
3 W. Die roten Kurven zeigen die Differenzen der atomaren B-Faktoren während
der Bestrahlung (Bi,w ) zu den Werten vor der ersten Bestrahlung (Bi,v ). Die
schwarzen Kurven zeigen die Differenzen der atomaren B-Faktoren nach der jeweiligen Bestrahlung (Bi,n ) zu den Werten vor der ersten Bestrahlung.
102
KAPITEL 3. XRD UND MIKROWELLENBESTRAHLUNG
Lokale Betrachtung
Da sich die Reservoire an den beiden Enden der Kapillaren außerhalb des Wellenleiters befanden, und sich somit, im Gegensatz zum Kristall, während der
4-stündigen Bestrahlung nicht erwärmten, kann davon ausgegangen werden, dass
die Kristalle während den Messungen allmählich dehydratisierten (s. Kap. 3.2.1).
Kristall Nr. 2 dehydratisierte gegen Ende der Bestrahlung mit P = 3 W so stark,
dass eine sinnvolle Auswertung der Diffraktogramme nicht mehr möglich war.
Kristall Nr. 3 lieferte hingegen auch noch bei P = 3 W Beugungsbilder mit Reflexen bis zu hoher Auflösung. Der Grund hierfür liegt wahrscheinlich in kleinen
Unterschieden in der Probenpräparation und Kristallpositionierung im Feld. Bei
einer Bestrahlungsleistung von 5 W dehydratisierte schließlich auch Kristall Nr. 3
während des ersten Drittels der Messung.
Zur Übersicht sind in Abb. 3.20 die Änderungen der atomaren B-Faktoren
aufgrund der Mikrowellenbestrahlung gezeigt. Alle Differenzen wurden zu den
Werten der ersten Messung am jeweiligen Kristall ohne Bestrahlung gebildet.
Die roten Kurven stehen für die Messungen bei gleichzeitiger Bestrahlung und
die schwarzen für jene nach der Bestrahlung. Die Streuung der Werte nimmt mit
steigender Bestrahlungsleistung stark zu. Dies gilt nicht nur für die Messungen
während der Bestrahlung, sondern in geringerem Ausmaß auch für die Messungen
danach. Zudem steigt der Mittelwert der atomaren B-Faktor-Differenzen kontinuierlich an, was ein weiteres Zeichen für eine irreversible Verschlechterung der Kristalle ist. In der weiter unten folgenden globalen Betrachtung wird dieses Verhalten
noch quantitativ diskutiert. Alle Kurven weisen die für eine Erwärmung charakteristische Verringerung der B-Faktorendifferenzen im Bereich der Atomnummern
560 bis 600 auf. Im Gegensatz zur Temperaturreihe scheint diese Erniedrigung
im Falle der Mikrowellenbestrahlung jedoch nicht vollständig reversibel zu sein.
Beide Messungen unter Bestrahlung an Kristall Nr. 3 und auch die 2 W-Messung
an Kristall Nr. 2 weisen zusätzlich eine Erniedrigung der B-Faktorendifferenzen
im Bereich der Atomnummern 100 bis 150 auf und um die Atomnummer 752.
Abb. 3.21 (a) zeigt die atomaren B-Faktor-Differenzen des Kristalls Nr. 2
während der Bestrahlung mit P = 0, 5 W, 1 W und 2 W. In (b) sind nochmals Vergrößerungen der beiden Bereiche mit charakteristischen negativen BFaktor-Differenzen zu sehen. Ein Vergleich mit Abb. 3.14 und 3.15 der Temperaturreihe macht deutlich, dass sich der Kristall aufgrund der Absorption durch
das Kristallwasser während der Bestrahlung erwärmt hat. So stimmen z. B. die
B-Faktor-Differenzen der 2 W-Messung weitgehend mit denen der Messung bei
298 K überein. Die Atome O in Gly 71, OG in Ser 72, O in Arg 73 und die Atome
der Seitenkette von Asn 77 zeigen eine vergleichbare Abnahme der atomaren BFaktoren mit steigender Bestrahlungsleistung, wie bei der Temperaturerhöhung.
Ebenso weist auch das Na+ -Ion in beiden Fällen eine sinkende Beweglichkeit auf.
Einige Atome an den Enden langer Seitenketten an der Oberfläche des Proteins,
wie z. B. in Arg 45 und Arg 68 steigen mit der Bestrahlungsleistung wie bei der
3.2. ERGEBNISSE
103
Abbildung 3.21: Änderung der atomaren B-Faktoren des Kristalls Nr. 2 durch Mikrowellenbestrahlung bei ν = 8 GHz. (a) Differenzen der atomaren B-Faktoren
während der Bestrahlung mit P = 0, 5 W (schwarz), 1 W (blau) und 2 W (grün)
zu den Werten vor der Bestrahlung. (b) Zoom in die zwei Bereiche der charakteristischen negativen B-Faktor-Differenzen in den Aminosäuren Gly 71, Ser 72,
Arg 73 und Asn 77 sowie in Arg 14.
104
KAPITEL 3. XRD UND MIKROWELLENBESTRAHLUNG
Abbildung 3.22: (a) Histogramm der Unterschiede zwischen den atomaren BFaktor-Differenzen von Kristall Nr. 2 während der Bestrahlung mit P = 2 W
(ν = 8 GHz) und von Kristall Nr. 1 während der Messung bei T = 298 K (Integra2
tionsbreite = 0, 2 Å ). Der Fit einer Gauß-Kurve ergibt: h∆Bi,2 W − ∆Bi,298 K i =
2
2
(0, 19 ± 0, 03) Å mit einer Standardabweichung von σ∆Bi,2 W −∆Bi,298 K = 1, 46 Å .
(b) Die ∆Bi,2 W − ∆Bi,298 K Werte als Funktion der Atomnummer.
Temperaturerhöhung auffällig an.
Zur Klärung der Frage, ob es neben den Temperatureffekten noch eine direkte Kopplung der Mikrowellen an das Protein gibt, werden die B-FaktorDifferenzen der Messung bei 298 K von den B-Faktor-Differenzen der 2WMessung abgezogen. Das Resultat ist in Abb. 3.22 (a) als Histogramm (Integra2
tionsbreite = 0, 2 Å ) dargestellt. Es lässt sich gut durch eine Gauß-Kurve fit2
ten: h∆Bi,2 W − ∆Bi,298 K i = (0, 19 ± 0, 03) Å mit einer Standardabweichung von
2
σ∆Bi,2 W −∆Bi,298 K = 1, 46 Å . Theoretisch ergibt sich für die Standardabweichung
aus dem Fehlerfortpflanzungsgesetz von Gauß und der in Kapitel 3.2.2 bestimmten unteren Fehlergrenze für die Standardabweichung von B-Faktor-Differenzen
2
2
2
2
σ∆B = 0, 8 Å bereits ein Wert von ((0, 8 Å )2 + (0, 8 Å )2 )1/2 = 1, 13 Å . Das
bedeutet, dass die B-Faktor-Differenzen nach Abzug der Temperatureffekte weitgehend im Rahmen der Messgenauigkeit ohne statistische Signifikanz normalverteilt sind und keine direkte Kopplung festzustellen ist. In Abb. 3.22 (b) sind die
Werte von ∆Bi,2 W −∆Bi,298 K über der Atomnummer aufgetragen. Würden durch
Kopplung der Mikrowellen niederfrequente Vibrationsmoden im Protein resonant
angeregt werden, so müsste sich dies durch erhöhte Werte ganzer Domänen bemerkbar machen. Dies ist nicht der Fall. Besonders auffällig ist das Verhalten des
OXT-Atoms in Leu 129, das den C-Terminus des Proteins bildet. Bei ihm ist die
2
B-Faktor-Differenz der 2 W-Messung um 10, 65 Å größer als bei der Messung bei
298 K. Dieses Verhalten findet sich allerdings in keiner der anderen Messungen
3.2. ERGEBNISSE
105
Abbildung 3.23: (a) Die Änderung der mittleren Atompositionen bei Erwärmung
des Kristalls Nr. 1 auf 296 K (schwarz), 298 K (blau), 300 K (grün), 305 K (rot)
und 310 K (orange). Die Differenzen wurden jeweils zu den bei 291 K gemessenen
Werten gebildet. (b) Die Änderung der mittleren Atompositionen während der
Mikrowellenbestrahlung von Kristall Nr. 2 mit P = 0, 5 W (schwarz), 1 W (blau),
2 W (grün) und von Kristall Nr. 3 mit P = 3 W (rot). Die Differenzen wurden
jeweils zu den vor der Bestrahlung gemessenen Werten gebildet.
106
KAPITEL 3. XRD UND MIKROWELLENBESTRAHLUNG
OXT
Arg 14
Lys 97
Asn 77
Arg 45
Arg 68
Arg 73
Ser 72
Gly 71
Abbildung 3.24: Die Struktur von HEW-Lysozym mit allen Atomen außer Wasserstoff, bestimmt durch XRD an Kristall Nr. 2 während der Bestrahlung mit
P = 2 W. Die Aminosäuren, mit den im Text diskutierten Atomen mit negativen
(blau) und positiven (rot) B-Faktor-Differenzen werden extra bezeichnet.
unter Mikrowellenbestrahlung wieder und scheint nicht einmal auf das C-Atom
2
Einfluss zu haben, an das es kovalent gebunden ist, da dessen Wert nur 2, 7 Å
beträgt. Daher wäre die Deutung dieser Beobachtung als Mikrowelleneffekt gewagt.
Wie bereits erwähnt, zeigen einige Bereiche systematisch nur bei der Mikrowellenbestrahlung eine Verringerung der Beweglichkeit, und nicht bei direkter
Erwärmung. Zu diesen Bereichen gehören die Atome CZ, NH1 und NH2 am
Ende der Seitenkette von Arg 14 oder CD, CE, und NZ am Ende der Seitenkette von Lys 97 (vgl. Abb. 3.21). Beide Seitenketten liegen an der Oberfläche
des Proteins (s. Abb. 3.24). Eine mögliche Erklärung für dieses unerwartete Verhalten liefert Abb. 3.23. Hier sind die mittleren Positionsänderungen der Atome
während der Temperaturreihe in (a) und während der Mikrowellenbestrahlung
in (b) als Funktion der Atomnummer aufgetragen. Ohne auf Details einzugehen,
lässt sich feststellen, dass es sich um zwei weitgehend unterschiedliche Verschiebungsmuster handelt, was wahrscheinlich mit den unterschiedlichen Versuchsbedingungen bezüglich der Kristallhydratation zusammenhängt. Während bei der
Temperaturreihe die Reservoire in der Kapillare miterwärmt wurden, befanden sie
3.2. ERGEBNISSE
107
sich bei allen Mikrowellenbestrahlungen außerhalb des Wellenleiters und blieben
auf Raumtemperatur, während sich die Proteinkristalle aufgrund der Absorption durch das Kristallwasser erwärmten. Der entstandene Temperaturgradient
zwischen Kristall und Reservoir führte über Dampfdiffusion schließlich zur Dehydratisierung der bestrahlten Kristalle. Dies führt zwangsläufig zu hydratationsabhängigen Komponenten im Verschiebungsmuster der Atome. Die atomaren
B-Faktoren gleicher Atome könnten sich also in den beiden Messreihen aufgrund
der leicht unterschiedlichen nächsten Nachbarschaft und dem veränderten Wassergehalt unterscheiden. Die Bestimmung der Zugänglichkeit für Wasser von allen
Aminosäuren in Lysozym mit dem Programm DSSP (Apr. 2000) [129] liefert für
2
2
Arg 14 den zweithöchsten Wert mit 203 Å , und 103 Å für Lys 97. Bei allen anderen Aminosäuren mit hoher Zugänglichkeit ist jedoch keine weitere Korrelation
zu den B-Faktor-Differenzen zu erkennen. Im Falle von CG und NH1 in Arg 14
könnte auch eine Rolle spielen, dass sie zu den 218 Kontaktatomen gehören, bei
denen sich innerhalb eines Radius von 4 Å ein Atom eines benachbarten Proteinmoleküls befindet. Sie wurden mit dem Unterprogramm CONTACTS des Paketes
CCP4 4.2 [119] bestimmt. Aber auch hier ist bei allen anderen Kontaktatomen
keine weitere Systematik festzustellen.
Globale Betrachtung
Zur Analyse des mittleren Anstiegs der atomaren B-Faktoren aufgrund der Mikrowellenbestrahlung wird wie in Kap. 3.2.3 vorgegangen. In Abb. 3.25 (a) sind
die Korrelationsplots der atomaren B-Faktoren während der Bestrahlung gegen
ihre Werte vor der Bestrahlung aufgetragen. Abb. 3.25 (b) zeigt die Korrelationen
der atomaren B-Faktoren nach der Bestrahlung zu den Werten vor der Bestrahlung. Die Daten zu P = 0, 5 W, 1 W und 2 W stammen von Kristall Nr. 2 und
die 3 W-Daten von Kristall Nr. 3. Die Ausgleichsgeraden Bw/n,P = A + SBv der
Korrelationsplots liefert die in Abb. 3.26 (a)-(c) dargestellten Größen, den Achsenabschnitt A, die Steigung S und die Standardabweichung σ, wobei Dreiecke
die Werte zu Kristall Nr. 2 darstellen und Kreise die zu Kristall Nr. 3.
Während die Steigung S bei allen Korrelationen in etwa 1 beträgt und
nicht systematisch von der Bestrahlungsleistung abzuhängen scheint, wächst der
Achsenabschnitt A monoton mit steigender Bestrahlungsleistung. Somit steigen
während der Mikrowellenbestrahlung, wie bei der Temperaturerhöhung, die atomaren B-Faktoren aller Atome im Mittel um den gleichen Betrag an. Die Irreversibilität dieses Anstiegs ist jedoch noch stärker ausgeprägt als bei der Temperaturerhöhung. Die offenen Symbole in Abb. 3.26 (a)-(d) stehen für die Werte der
jeweiligen Größen nach der Bestrahlung. Der Achsenabschnitt von Kristall Nr. 2
2
beträgt A = 1, 4 Å während der Bestrahlung mit P = 2 W und sinkt lediglich
2
2
auf 1, 1 Å nach der Bestrahlung. Auch bei Kristall Nr. 3 sinkt A von 2, 6 Å nur
2
auf 2, 3 Å nach der Bestrahlung mit P = 3 W. Die eingeschränkte Reversibi-
108
KAPITEL 3. XRD UND MIKROWELLENBESTRAHLUNG
Abbildung 3.25: (a) Korrelationsplots der atomaren B-Faktoren während der Mikrowellenbestrahlung bei ν = 8 GHz gegen die B-Faktoren vor der Bestrahlung.
(b) Die entsprechenden Plots nach der jeweiligen Bestrahlung. Die Werte mit
P = 0, 5 W (schwarz), 1 W (blau) und 2 W (grün) stammen von Kristall Nr. 2
und die mit P = 3 W (rot) von Kristall Nr. 3. Gezeigt sind auch die linearen Fits
Bw/n,P = A + SBv mit den Koeffizienten A und S.
3.2. ERGEBNISSE
109
Abbildung 3.26: (a) Achsenabschnitt A und (b) die Steigung S der Fitgeraden in
Abb. 3.25 als Funktion der transmittierten Mikrowellenleistung. (c) Die Standardabweichung σ der atomaren B-Faktoren vom Fit und (d) die Wilson B-Faktoren
der Datensätze als Funktion der transmittierten Mikrowellenleistung. Die Dreiecke geben die Werte für Kristall Nr. 2 und die Kreise die für Kristall Nr. 3 wieder.
Gefüllte Symbole stehen für die Werte während der Bestrahlung und die offenen
Symbole geben die Werte nach der Bestrahlung wieder.
lität kann nicht alleine durch den Strahlenschaden erklärt werden. Der Beitrag
2
des Strahlenschadens zum Anstieg von A sollte höchstens ca. 0, 18 Å für jede
Messung betragen (s. S. 88). Für Kristall Nr. 2 ergibt sich hiermit ein Beitrag von
2
0, 90 Å und für Kristall Nr. 3, der einmal weniger geröntgt wurde, ein Beitrag
2
von 0, 72 Å zu A. Dies macht deutlich, dass der Wert von A eher mit mit der
eingestrahlten Mikrowellenleistung korreliert, als mit dem Strahlenschaden der
aufeinander folgenden Messungen.
Wie bei der Temperaturerhöhung steigt auch die Standardabweichung σ, aufgrund des inhomogenen Verhaltens der individuellen Atome im Protein, monoton
mit der Bestrahlungsleistung an und kehrt nach der Bestrahlung nicht vollständig
zu den Ausgangswerten zurück.
Die Wilson B-Faktoren von Kristall Nr. 2 und Nr. 3 steigen ebenfalls mit der
Bestrahlungsleistung deutlich an (Abb. 3.26 (d)). Hier manifestiert sich der irre-
110
KAPITEL 3. XRD UND MIKROWELLENBESTRAHLUNG
Abbildung 3.27: Überlagerung der Koeffizienten der linearen Fits der Abb. 3.17
und Abb. 3.25. Achsenabschnitt A (Kreise), Steigung S (Quadrate) und die Standardabweichung σ (Dreiecke) der jeweiligen Fits als Funktion der Temperatur
(schwarz) bzw. der Mikrowellenleistung (rot). Die Skalen wurden so angepasst,
dass die jeweiligen Größen möglichst zur Deckung kommen und so eine Temperaturbestimmung für die Kristalle unter Mikrowellenbestrahlung resultiert.
versible Schaden aufgrund der Mikrowellenbestrahlung am deutlichsten, da die
Messungen nach der Bestrahlung meist einen noch höheren Wert aufweisen als
während der Bestrahlung. Dies ist ein eindeutiges Zeichen für eine Verschlechterung der Kristallperiodizität.
Die Koeffizienten der linearen Fits der Korrelationsplots und die Standardabweichung verhalten sich unter Mikrowellenbestrahlung sehr ähnlich wie bei der
in Kap. 3.2.3 beschriebenen Temperaturerhöhung. In Abb. 3.27 sind daher Achsenabschnitt A, Steigung S und die Standardabweichung σ der jeweiligen Fits
als Funktion der Temperatur (schwarz) bzw. der Mikrowellenleistung (rot) in einem Diagramm dargestellt. Die Skalen wurden so angepasst, dass die jeweiligen
Größen möglichst zur Deckung kommen. Auf diese Art lässt sich die Temperatur
der bestrahlten Kristalle abschätzen. Für Kristall Nr. 2 ergibt sich demnach z. B.
eine Temperatur von 299, 5 K während der Bestrahlung mit P = 2 W. Dieses Ergebnis steht in guter Übereinstimmung mit den geringen Unterschieden zwischen
den atomaren B-Faktor-Differenzen der Messung mit 2 W Bestrahlungsleistung
und der Messung bei T = 298 K (s. Abb. 3.22).
3.2. ERGEBNISSE
(a)
111
(b)
Abbildung 3.28: Zwei Diffraktogramme des selben Glycinoxidase-Kristalls, die
bei der selben Orientierung aufgenommen wurden. (a) Vor der Mikrowellenbestrahlung. (b) Nach einer zweistündigen Bestrahlung bei 8 GHz mit P = 1 W.
Der äußere Rand entspricht einer Auflösung von 2 Å.
3.2.5
Die Bestrahlung von Glycinoxidase- und FhuAKristallen
Zur direkten Überprüfung, ob die Bestrahlung mit Mikrowellen einen positiven
Effekt auf schlecht beugende Proteinkristalle hat, standen zwei solcher Kristalle zur Verfügung: ein Glycinoxidase Kristall (Bacillus subtilis) und ein FhuAKristall. Beide Kristalle wurden 2 Stunden lang bei 8 GHz mit P = 1 W bestrahlt
und während dessen wiederholt über den selben 5◦ -Bereich geröntgt (∆ϕ = 1◦ ).
Vergleicht man ein vor der Bestrahlung aufgenommenes Diffraktogramm des Glycinoxidase Kristalls mit dem letzten, am Ende der zweistündigen Bestrahlung
aufgenommenen Diffraktogramm bei der selben Kristallorientierung, so ist kein
Anzeichen einer Verbesserung zu erkennen (Abb. 3.28). Aufgrund der geringen
Anzahl an Beugungsspots und der geringen Auflösung von nur ca. 10 Å wurde
auf eine eingehende Analyse der Diffraktogramme verzichtet. Die Bestrahlung des
FhuA Kristalls führte zum gleichen negativen Ergebnis.
3.3
Diskussion und Ausblick
Durch die in den letzten Abschnitten beschriebenen Experimente konnte nachgewiesen werden, dass eine Kopplung von Mikrowellen an niederfrequente Proteindynamik von HEW-Lysozym in tetragonalen Kristallen bis zu einer Bestrahlungsleistung von P = 3 W bei ν = 8 GHz selbst mittels XRD mit atomarer Auflösung
112
KAPITEL 3. XRD UND MIKROWELLENBESTRAHLUNG
nicht messbar ist. Nach den TDFD-Rechnungen von T. Reinhardt entspricht
dies einer Leistungsdichte von 0, 36 W/mm2 und einer elektrischen Feldstärke
von 28, 5 kV/m am Ort des bestrahlten Kristalls.
Die Kristalle erwärmten sich während der Bestrahlung aufgrund der Absorption durch das Kristallwasser und verloren an Qualität. Bei höheren Leistungen
P ≥ 3 W dehydratisierten die Kristalle und verloren ihre Beugungseigenschaften während der XRD-Messung. Will man bei noch höherer Mikrowellenleistung
XRD betreiben, so muss man zu Proteinkristallen übergehen, die auch im dehydratisierten Zustand noch bis zu hoher Auflösung gut beugen. Monokline HEWLysozymkristalle besitzen diese erstaunliche Eigenschaft [36, 130, 37]. Aufgrund
einer strukturellen Umordnung bei reduziertem Wassergehalt verbessern sich sogar die Beugungseigenschaften durch die Dehydratisierung. Im Rahmen erster
Vorexperimente in dieser Richtung gelang es zwei monokline Kristalle über mehrere Stunden mit bis zu P = 10 W zu bestrahlen, ohne, dass die Kristalle offensichtlichen Schaden nahmen oder die Beugung verloren ging. Eine Bestrahlung
mit noch höherer Leistung konnte nicht mehr getestet werden, ist aber wahrscheinlich ebenso möglich. Eine weitere Möglichkeit wäre die Verwendung von mit
Glutaraldehyd getränkten tetragonalen Lysozymkristallen. Ob sich bei höheren
Leistungen eine Kopplung nachweisen lässt bleibt offen. Dem Ziel, schlecht beugende Proteinkristalle mittels Mikrowellenbestrahlung zu verbessern, käme man
damit jedoch nicht näher. Man kann davon ausgehen, dass die große Mehrheit
der Proteinkristalle weniger robust sind als tetragonale Lysozymkristalle, und eine
starke Erwärmung oder Dehydratisierung, aufgrund von Mikrowellenbestrahlung,
in den meisten Fällen zu einer weiteren Verschlechterung der Kristalle führen
würde. Für die wenigen bekannten Fälle, wo eine mäßige Dehydratisierung bessere Beugung bewirkt, gibt es besser kontrollierbare Dehydratationsmethoden als
die Mikrowellenbestrahlung [4, 131].
Zusammenfassung
Das Ziel der vorliegenden Arbeit war die Beantwortung der Frage, ob sich die
schlechten Beugungseigenschaften von Proteinkristallen mit einem hohen Maß
an Konformations-Unordnung durch die Bestrahlung mit Mikrowellen verbessern
lassen.
Hierzu wurde zunächst inelastische Lichtstreuung an tetragonalen HEWLysozymkristallen mit einem Tandem-Fabry-Pérot-Interferometer und einem
Doppelgitter-Monochromator über einen Frequenzbereich von 1 GHz (0, 03 cm−1 )
bis zu 120 THz (4000 cm−1 ) durchgeführt. Dabei stellte sich heraus, dass unterhalb des sog. Bose-Peaks, der sich im Bereich von ca. 0, 2 − 6 THz befindet,
keine weiteren niederenergetischen kollektiven Vibrationsmoden messbar sind.
Somit wird deutlich, dass der Versuch, schlecht beugende Proteinkristalle über
die resonante Kopplung von elektromagnetischer Strahlung an Proteindynamik
zu verbessern, im günstigsten Fall mit THz-Strahlung und nicht mit Mikrowellen
unternommen werden sollte.
Da zur Zeit jedoch noch keine einfach zugänglichen und leistungsstarken
THz-Quellen zur Verfügung stehen, wurde im weiteren Verlauf dieser Arbeit
untersucht, in wie weit man nicht doch auch mit Mikrowellen an die Dynamik
von tetragonalen HEW-Lysozymkristallen, unterhalb jeder Resonanz koppeln
kann. Mittels Röntgenbeugung bei gleichzeitiger Mikrowellenbestrahlung konnte
erstmals nachgewiesen werden, dass eine nicht-thermische Kopplung von Mikrowellen an niederfrequente Proteindynamik bis zu einer Leistungsdichte von
0, 36 W/mm2 (was einer elektrischen Feldstärke von 28, 5 kV/m entspricht) bei
ν = 8 GHz selbst mit atomarer Auflösung nicht messbar ist. Da Lysozym als ein
repräsentatives globuläres Protein gelten kann, und da die niederfrequenten kollektiven Vibrationsmoden in Proteinen, wie bereits erwähnt im Frequenzbereich
von ca. 0, 2 − 6 THz zu finden sind, könnte dieses Ergebnis allgemeine Gültigkeit
im gesamten unteren Mikrowellenfrequenzbereich für alle Proteine haben. Somit
kann die gestellte Frage klar beantwortet werden: aufgrund der zu geringen
nicht-thermischen Kopplung von Mikrowellen sind die Aussichten gering, mittels
Mikrowellenbestrahlung Konformations-Unordnung in Proteinkristallen beheben
zu können. Hinzu kommt, dass aufgrund der Absorption der Mikrowellen durch
das Wasser im Kristall eine Erwärmung der Kristalle bei hohen Bestrahlungsleistungen unvermeidbar ist. Dies kann zu vorübergehender Dehydratation des
113
114
ZUSAMMENFASSUNG
Kristalls und bleibenden Defekten in der Gitterstruktur führen.
Unabhängig von der Frage der Kopplung elektromagnetischer Wellen konnte aus den bereits erwähnten Lichtstreu-Experimenten einiges über Proteindynamik und die Elastizität von Proteinkristallen gelernt werden. So wurde erstmals Raman- und Brillouin-Streuung an tetragonalen HEW-Lysozymkristallen
w
bei kontrollierten Wassergehalten von H = 41 % w
bis H = 9 % w
gemessen.
w
Dabei hat sich gezeigt, dass die niederfrequenten harmonischen Vibrationsmoden des Proteins (Bose-Peak) bis zu H = 9 % w
hydratationsunabhängig sind.
w
Der quasielastisch gestreute Intensitätsbeitrag nimmt hingegen mit fortschreitender Dehydratisierung deutlich ab, was darauf hindeutet, dass diffusive Bewegungen und Relaxationsprozesse eingeschränkt wurden. Dies betrifft vermutlich
sowohl Relaxationen von Wassermolekülen in der Hydrathülle, als auch anharmonische Bewegungen der Proteine durch Konformationsübergänge. Letzteres
hängt damit zusammen, dass die Flexibilität eines Proteins nicht nur von seiner
Struktur, sondern auch sehr stark vom Wassergehalt abhängt. Dies äußert sich
auch sehr deutlich in den elastischen Eigenschaften des Proteinkristalls. Das mittels Brillouin-Streuung bestimmte Elastizitätsmodul des Kristalls verdoppelt sich
durch die Dehydratisierung von E = 4, 4 GPa auf E = 9 GPa. Durch die Dehydratisierung der Kristalle konnten erstmals auch transversalakustische Phononen
in einem Proteinkristall beobachtet werden, wodurch sich die Poisson-Zahl für
tetragonale HEW-Lysozymkristalle zu σ = 0, 32 bestimmen ließ. Erste temperaturabhängige Brillouin-Messungen an tetragonalen HEW-Lysozymkristallen haben zudem gezeigt, dass der bisher hauptsächlich mittels Neutronenstreuung und
Mössbauer-Spektroskopie untersuchte glasartige Übergang der Proteindynamik
bei ca. T = 200 K auch mit der relativ einfachen Methode der Brillouin-Streuung
beobachtbar ist. Weiterführende Arbeiten in dieser Richtung, insbesondere in
Abhängigkeit des Wassergehalts der Kristalle, könnten einen wesentlichen Beitrag zum Verständnis des Glasübergangs“ in Proteinen leisten.
”
Dank
Zum Schluss möchte ich mich herzlichst bei allen bedanken, die zum Gelingen
dieser Arbeit beigetragen haben. Meinem Doktorvater Prof. Dr. Georg Maret
danke ich für die freundliche Aufnahme an seinen Lehrstuhl, das spannende Thema und die absolut freie Arbeitsatmosphäre mit viel Raum für Ideen und eigene
Schwerpunkte.
Besonderen Dank schulde ich Dr. Thomas Gisler für die uneingeschränkte
Unterstützung beim Planen und Durchführen aller meiner Experimente. Wo es
auch immer einen Antrag oder Bericht zu schreiben gab nahm er mir die Arbeit
ab. Durch sein stetes Interesse und den humorvollen, freundschaftlichen Umgang
verging mir trotz so manchen Rückschlägen nie die Lust an der Arbeit.
Ich danke Prof. Dr. Wolfram Welte und PD Dr. Kai Diederichs vom Fachbereich Biologie für die äußerst angenehme und konstruktive Zusammenarbeit.
Ihr großes Interesse und ihre Hilfsbereitschaft hat wesentlich zum Gelingen dieser
Arbeit beigetragen. Insbesondere sei PD Dr. Kai Diederichs für seinen Einsatz
bei der Datenanalyse der XRD-Messungen gedankt und Prof. Dr. Wolfram Welte
für seine Bereitschaft diese Arbeit zu begutachten.
Tina Reinhardt und Prof. Dr.-Ing. Volkert Hansen der Uni Wuppertal danke
ich für die Feld-Berechnungen und Hansruedi Benedickter von der ETH Zürich für
die freundliche Hilfe bei der Charakterisierung der Wellenleiter. Zudem sei ihm
und Prof. Dr. Robert Kremer von der FH Konstanz für die Hilfe in der Anfangsphase der Arbeit und die vertrauensvollen Leihgaben verschiedener technischer
Geräte gedankt. Weitere, wertvolle Leihgaben kamen von PD Dr. Manfred Deicher und dem LS von Prof. Dr. Vahid Sandoghdar von der ETH Zürich. Auch
hierfür sei gedankt.
Dem BESSY-Team um Dr. Ulrich Schade, den Leuten vom ISAS in Berlin und
im speziellen Eugen Speiser möchte ich für ihre große Hilfe bei der Organisation
und Durchführung der Experimente an der THz-beamline am BESSY II danken.
Meinem Kollegen Roman Lehner sei für die vielen Diskussionen und Anregungen gedankt. Und natürlich gilt mein Dank allen Mitarbeitern und Freunden
auf P10, durch die mir die Zeit am LS Maret in bester Erinnerung bleiben wird.
115
116
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