Dynamik in Proteinkristallen: Inelastische Lichtstreuung und Röntgenstrukturanalyse während Mikrowellenbestrahlung Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Naturwissenschaften an der Universität Konstanz Mathematisch-Naturwissenschaftliche Sektion Fachbereich Physik Lehrstuhl Prof. Dr. G. Maret vorgelegt von Ralf Weissenborn 11.02.2005 Referent: Prof. Dr. Georg Maret Referent: Prof. Dr. Wolfram Welte 2 Inhaltsverzeichnis Einleitung 5 1 Proteine 1.1 Aufbau von Proteinen . . . . . . . 1.2 Die Struktur von Lysozym . . . . . 1.3 Protein-Kristallisation . . . . . . . 1.3.1 Kristallisationsmechanismen 1.3.2 Kristallisieren von Lysozym 1.4 Proteindynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Inelastische Lichtstreuung an Proteinkristallen 2.1 Theorie und Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.1 Einführung in die inelastische Lichtstreuung 2.1.2 Raman-Messungen mit einem Doppelgitter-Monochromator . . . . . . . . 2.1.3 Raman- und Brillouin-Messungen mit einem Tandem-Fabry-Pérot-Interferometer . . . . . 2.1.4 Probenpräparation . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Proteindynamik . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Elastische Eigenschaften von tetragonalen HEW-Lysozymkristallen . . . . . . . . . . . 2.3 Diskussion und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 7 10 13 13 14 17 . . . . . . . . . . . . . . . . 21 22 22 . . . . . . . . 29 . . . . . . . . 33 40 43 43 . . . . . . . . . . . . . . . . 50 60 . . . . . . 3 Röntgenbeugung und Mikrowellenbestrahlung 3.1 Theorie und Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.1 Einführung in die Röntgenstrukturanalyse . . 3.1.2 Probenpräparation . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.3 Mikrowellenbestrahlung von Proteinkristallen 3.2 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Bestimmung der Schadensschwelle . . . . . . . 3.2.2 Reproduzierbarkeit und Strahlenschaden . . . 3.2.3 Thermische Effekte . . . . . . . . . . . . . . . 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 63 63 74 74 83 83 88 89 4 3.3 3.2.4 XRD mit simultaner Bestrahlung . . . . . . . . . . . . . . 98 3.2.5 Die Bestrahlung von Glycinoxidase- und FhuA-Kristallen . 111 Diskussion und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 Zusammenfassung 113 Dank 115 Einleitung Die Funktion eines Proteins steht in engem Zusammenhang mit seiner spezifischen Struktur, Flexibilität und Dynamik. Die möglichst genaue Kenntnis der Struktur ist daher nicht nur aus Sicht der strukturbiologischen Grundlagenforschung interessant, sondern auch von elementarer Bedeutung für die moderne Medizin, zur Krankheitsdiagnostik und für die gezielte Entwicklung von Medikamenten. In den letzten 15 Jahren stieg die Anzahl der bereits bestimmten Proteinstrukturen rasant an und die Ergebnisse dieses Forschungszweigs sind über die Protein Data Bank (PDB) [1] im Internet für jedermann zugänglich.1 Zur Bestimmung von Proteinstrukturen stehen der Wissenschaft nur 2 experimentelle Methoden zur Verfügung: Röntgenbeugung an Proteinkristallen (XRD) und magnetische Kernresonanz (NMR) an Proteinlösungen. 87 % der ca. 25000 Struktureinträge (Stand Okt. 2004) der PDB wurden mittels Röntgenstrukturanalyse bestimmt. Dies verdeutlicht die herausragende Stellung dieser Methode. Neben anderen Problemen der Röntgenstrukturanalyse, wie das Phasenproblem oder der durch die Röntgenstrahlen verursachte Strahlenschaden, stellt die Kristallisation eines Proteins ein oft unüberwindbares Hindernis dar. Für die vollständige Strukturbestimmung eines Proteins werden Einkristalle hoher Qualität benötigt, deren Weitwinkelbeugung eine strukturelle Auflösung von mindestens 2 − 3Å ermöglicht. In Kap. 1 dieser Arbeit ist eine kurze Einführung zur Struktur und Dynamik von Proteinen, sowie zur Protein-Kristallisation zu finden. Häufig sehen sich Protein-Kristallographen mit dem Problem konfrontiert, dass ein Protein zwar schöne Kristalle mit hoher Symmetrie bildet, eine Strukturbestimmung aufgrund ungenügender Beugungseigenschaften jedoch nicht möglich ist. Eine mögliche Ursache für dieses Phänomen ist, dass die Proteine bei der Kristallisation in mehreren konformationellen Unterzuständen in den Gitterverband eingebaut werden, was eine mangelhafte Ordnung und schlechte Beugungseigenschaften des Kristalls zur Folge hat. Die bisher bekannten Verbesserungsansätze für solche Kristalle beruhen entweder auf wiederholtem Schockgefrieren und Auftauen der Kristalle [2, 3], oder auf der kontrollierten Dehydratation von Kristallen [4, 5]. Mit diesen Methoden konnten zwar einige wenige Proteinkristalle deutlich verbessert werden, sie können jedoch bei weitem nicht als Standardmethoden angesehen werden. Das Ziel der vorliegenden Arbeit war die Beantwortung der 1 http://www.rcsb.org/pdb 5 6 EINLEITUNG Frage, ob die Konformations-Unordnung in schlecht beugenden Proteinkristallen durch Mikrowellenbestrahlung der Kristalle behoben werden kann. Normalmoden-Analysen haben gezeigt, dass in vielen Fällen, bei denen die Struktur eines Proteins in zwei verschiedenen Konformationen bekannt ist, die zugehörige Bewegung, die eine Konformation in die andere überführt, bereits durch ein oder zwei der langsamsten kollektiven Vibrationsmoden des jeweiligen Proteins beschrieben werden kann [6, 7]. Geht man hiervon aus, so müsste es möglich sein, durch eine selektive Anregung der tiefsten Vibrationsmoden, Übergänge zwischen Konformationszuständen gezielt zu induzieren. Für die selektive Anregung kommen in erster Linie elektromagnetische Wellen in Frage, die über die polaren und geladenen Seitenketten der Aminosäuren und über Dipolmomente zwischen strukturellen Einheiten an die Dynamik eines Proteins koppeln können. Bleibt die Frage, bei welcher Frequenz eine resonante Anregung der langsamsten Vibrationsmoden stattfinden könnte. Dieser Frage wird in Kap. 2 nachgegangen. Dort werden Experimente vorgestellt, bei denen erstmals inelastische Lichtstreuung (ILS) an Proteinkristallen mit einem Tandem-Fabry-Pérot-Interferometer vom GHz- bis in den THz-Frequenzbereich durchgeführt wurde. In Kap. 3 werden die Auswirkungen der Mikrowellenbestrahlung auf Proteinkristalle besprochen [8]. Durch die Modifikation eines speziellen Mikrowellenleiters [9] gelang es XRD-Messungen unter gleichzeitiger Mikrowellenbestrahlung durchzuführen. Mit den vorliegenden Messungen konnten somit erstmals Mikrowelleneffekte auf ein Protein mit atomarer Auflösung untersucht werden. Dies verleiht den Ergebnissen eine Relevanz, die über das Thema dieser Arbeit hinausgeht, wird doch schon seit etlichen Jahren eine breite Diskussion in der Fachwelt sowie in der Öffentlichkeit, über mögliche Mikrowelleneffekte auf Organismen und Biomaterialien im Allgemeinen geführt [10, 11, 12, 13]. Kapitel 1 Proteine Über den Aufbau und die Struktur von Proteinen sowie deren Funktion in der Molekularbiologie gibt es umfangreiche Standardwerke [14, 15]. Ebenso finden sich die Grundlagen und gängigen Methoden der Protein-Kristallisation in Büchern wie z. B. [16, 17]. Damit diese Arbeit aber auch von Interessierten ohne Vorwissen auf dem Gebiet der Biologie gelesen werden kann, enthält dieses Kapitel die zum Verständnis der weiteren Kapitel nötigsten Grundlagen nochmals in aller Kürze. Die meisten in dieser Arbeit vorgestellten Experimente wurden an HEWLysozymkristallen durchgeführt. Daher wird im weiteren Verlauf des Kapitels die bereits gut erforschte Struktur von Lysozym anhand des PDB-Eintrags 193 L vorgestellt [18]. Anschließend wird beschrieben wie die verwendeten Kristalle gezüchtet wurden. Da die niederfrequente Dynamik von Proteinen für diese Arbeit von besonderer Bedeutung ist, wird ein kurzer Überblick über den aktuellen Stand der Literatur auf diesem Gebiet gegeben. 1.1 Aufbau von Proteinen Der Grundbaustein aller Proteine ist die L-Aminosäure. Alle 20, in der Natur vorkommenden Aminosäuren bestehen aus einem zentralen Kohlenstoffatom, dem Cα -Atom an das eine Amino- und eine Carboxy-Gruppe sowie ein H-Atom und eine variable Seitenkette (Rest) gebunden sind (Abb.1.1(a)). Dabei unterscheiden sich die Aminosäuren in ihren Seitenketten, die ihnen die jeweiligen charakteristischen Eigenschaften verleihen. Über die sog. Peptidbindung zwischen einer Amino- und einer Carboxy-Gruppe können sich Aminosäuren kovalent binden (Abb.1.1(b)) und lange Ketten bilden, sog. Polypeptide. Abb.1.2 zeigt die Einteilung der 20 natürlich vorkommenden Aminosäurereste in die Kategorien unpolar (gleichbedeutend mit hydrophob), polar (aber ungeladen) sowie positiv und negativ geladen. Die Aminosäuren sind hier als Zwitterionen dargestellt, wie sie in pH-neutralen Lösungen vorliegen. Die geläufigen 3- und 1-Buchstaben 7 8 KAPITEL 1. PROTEINE (b) R R Ca HOOC H NH2 L-Aminosäure H O C O C-Terminus Ca H Peptidbindung N H H O H O C Wasser H Ca R H N H (a) N-Terminus Abbildung 1.1: (a) Die Grundstruktur der natürlichen Aminosäuren mit variabler Seitenkette R. (b) Die Ausbildung einer kovalenten Peptidbindung zwischen zwei Aminosäuren unter Wasserabspaltung. Die Kettenenden werden entsprechend den dort befindlichen Atomen als C- bzw. N-Terminus benannt. Abkürzungen sind ebenfalls angegeben. Die sog. Primärstruktur eines Proteins ist durch die Sequenz der Aminosäuren in der Polypeptidkette gegeben. In dieser Primärstruktur ist bereits die gesamte strukturelle Information des Proteins enthalten. Wie es kommt, dass sich ein Protein aufgrund seiner charakteristischen Primärstruktur immer in die gleiche Konformation faltet, d. h. die gleiche dreidimensionale Struktur (Tertiärstruktur) annimmt, ist bis heute eine ungelöste fundamentale Frage. Es sind jedoch einige strukturbestimmende Kriterien bekannt: - Jeder Cα –CO–NH–Cα Abschnitt in Proteinen liegt in einer Ebene und die Faltung erfolgt allein durch Drehungen um die Bindungen der Cα -Atome. - Geladene Seitenketten können elektrostatisch und polare Seitenketten über Wasserstoffbrückenbindungen wechselwirken. - Polare und geladene Aminosäuren sind hydrophil und finden sich vermehrt an der Oberfläche von Proteinen, während unpolare Aminosäuren hydrophob sind und sich daher hauptsächlich im wasserarmen Inneren der Proteine zusammenfinden. - Disulfidbindungen zwischen je zwei Cysteinseitenketten können die Struktur stabilisieren. - α-Helices und β-Faltblätter sind sog. sekundäre Strukturelemente und bestimmen zu großem Teil die Tertiärstruktur von Proteinen. Einige Proteine bestehen aus mehreren Polypeptidketten, die sich mit weiteren Bausteinen zu größeren funktionellen Einheiten zusammenschließen und so eine Quartärstruktur bilden. Die Größe von Proteinen variiert grob zwischen 100 und 800 Aminosäuren, es gibt jedoch auch wesentlich größere sowie wesentlich kleinere. Jede polare oder geladene Aminosäure in einem Protein, sowie jede Peptidbindung besitzt ein elektrisches Dipolmoment. Die relative Orientierung der vielen 1.1. AUFBAU VON PROTEINEN 9 unpolare Aminosäuren Alanin (Ala, A) Valin (Val, V) Prolin (Pro, P) H H3N+ C COOCH3 H H3N+ C COOCHCH3 CH3 Tryptophan (Trp, W) Phenylalanin (Phe, F) H H H3N+ C COOCH2 + H3N - C COO CH2 HN COOH2+N Isoleucin (Ile, I) H H3N+ C COOCHCH3 CH2 CH3 Leucin (Leu, L) Methionin (Met, M) H H3N+ C COOCH2 CHCH3 CH3 H H3N+ C COOCH2 CH2 S CH3 polare Aminosäuren Glycin (Gly, G) Cystein (Cys, C) Serin (Ser, S) Tyrosin (Tyr, Y) H H3N+ C COOH H H3N+ C COOCH2 SH H H3N+ C COOCH2 OH H H3N+ C COOCH2 Asparagin (Asn, N) Glutamin (Gln, Q) Threonin (Thr, T) H3N+ H C COOCH2 C O NH2 H3N+ H C COOCH2 CH2 C O NH2 pos. geladene Aminosäuren Arginin Lysin (Lys, K) + H3N H C COOCH2 CH2 CH2 CH2 NH3+ Histidin (His, H) + H3N (Arg, R) H H3N+ C COO CH2 HN+ NH H C COOCH2 CH2 CH2 NH C NH2+ NH2 H3N+ OH H C COOCHOH CH3 neg. geladene Aminosäuren Asparaginsäure (Asp, D) Glutaminsäure (Glu, E) H H3N+ C COOCH2 C O O- H H3N+ C COOCH2 CH2 C O O- Abbildung 1.2: Eine Einteilung der 20 natürlich vorkommenden Aminosäuren entsprechend den chemischen Eigenschaften ihrer Seitenketten in die 4 Gruppen: unpolar (=hydrophob), polar aber ungeladen (=hydrophil), positiv geladen und negativ geladen. Zu jeder Aminosäure sind die gängigen 3- und 1Buchstabenabkürzungen angegeben. 10 KAPITEL 1. PROTEINE lokalen Dipolmomente und das daraus resultierende Dipolmoment des gesamten Proteins ist durch seine Struktur bestimmt. In α-Helices liegen die Dipolmomente der Peptidbindungen z. B. parallel entlang der Helix-Achse und es ergibt sich eine Überschussladung von ca. -e/2 am C-Terminus und +e/2 am N-Terminus der Helix [14]. Über diese Dipolmomente kann eine elektomagnetische Welle theoretisch an ein Protein koppeln. 1.2 Die Struktur von Lysozym Die in dieser Arbeit vorgestellten Experimente wurden fast ausschließlich an dem kleinen globulären Protein HEW-Lysozym durchgeführt. Die Gründe für diese Wahl sind: - Lysozym kann günstig kommerziell erworben werden. - Es ist einfach zu kristallisieren, und die Kristalle sind von sehr hoher Qualität, also gut geeignet für Röntgendiffraktions-Experimente. - Lysozymkristalle sind relativ groß und im sichtbaren Spektralbereich transparent. Tetragonale Lysozymkristalle haben große parallele Seitenflächen, wodurch sie für inelastische Lichtstreu-Experimente gut geeignet sind. - Lysozymkristalle sind vergleichsweise robust und reversibel dehydratisierbar. - Da Lysozym α-Helices und ein β-Faltblatt enthält, kann es als repräsentativ für globuläre Proteine gelten. - Lysozym ist zudem das wohl am besten erforschte Protein und etliche physikalische Eigenschaften, wie z. B. der Brechungsindex [19], die Wärmekapazität [20] oder die Wasserdesorptions Isotherme [21], sind bereits bekannt. Lysozym wurde 1922 von Alexander Fleming entdeckt [22]. Als er auf der Suche nach Antibiotika einen Tropfen seines Speichels auf Bakterienkulturen setzte, beobachtete er eine allmähliche Zersetzung der Zellwände der Bakterien und nannte das gefundene Enzym daher Lysozym (griechisch: Lyse = Auflösung). Im menschlichen Körper kommt Lysozym nicht nur im Speichel, sondern auch in der Tränenflüssigkeit, im Blutplasma sowie in der Nasen- und Darmschleimhaut vor. Aber auch andere Organismen benutzen Lysozym zur Abwehr bakterieller Infektionen. Es findet sich z.B. in Milch, in einigen Pilzen, in verschiedenen Pflanzensäften sowie im Eiklar von Vogeleiern. In Forschung und Medizin wird meist HEW-Lysozym aus Hühnereiern benutzt (HEW = hen-egg-white). Es wurde erstmals 1946 von G. Alderton und H. L. Fevold kristallisiert [23]. Da es leicht in hoher Qualität zu kristallisieren ist konnte die Struktur von HEW-Lysozym bereits 1965 von David Phillips weitgehend mittels Röntgenstrukturanalyse aufgeklärt werden [24]. Inzwischen ist Lysozym eines der best erforschten Proteine 1.2. DIE STRUKTUR VON LYSOZYM 11 Abbildung 1.3: Die Primär- und Sekundärstruktur von HEW-Lysozym entnommen aus dem PDB-Eintrag 193L. Die Primärstruktur ist durch die 1Buchstabenabkürzungen der Aminosäuren gegeben. Deren Position in Sekundärstrukturen wie α-Helices und β-Faltblätter ist durch die darüberliegenden Symbole gekennzeichnet. Die 4 Disulfidbrückenbindungen zwischen Cysteinen sind durch grün-gestrichelte Linien gekennzeichnet. Die schwarzen Punkte zeigen an welche Aminosäuren das Na+ - oder das Cl- -Ion gebunden sind. und hält in der PDB-Datenbank mit 885 von insgesamt 25000 ProteinstrukturEinträgen (Stand Okt. 2004) den Rekord. In Abb. 1.3 ist die Primär- und Sekundärstruktur von HEW-Lysozym dargestellt [18]. Dabei ist jede Aminosäure der Reihe nach entsprechend ihrer 1-Buchstabenabkürzung angegeben, begonnen beim N-Terminus der Polypeptidkette. Die insgesamt 129 Aminosäuren haben ein Molekulargewicht von 14296 Da und enthalten 1001 Nicht-H-Atome. Die Zuordnung der Aminosäuren zu sekundären Strukturelementen ist durch die Symbole über den Abkürzungen gegeben. Lysozym enthält 7 durch β-Stränge verbundene α-Helices (H1-H7). Von den Aminosäuren Thr 43 bis Asn 59 bilden die β-Stränge ein antiparalleles βFaltblatt (rotes A) mit drei Schleifen (rote Bögen). Die räumliche Anordnung der sekundären Strukturelemente in Lysozym ist in Abb. 1.4(a) in der übersichtlichen Bänderdarstellung gezeigt. Abb. 1.4(b) zeigt die gleiche Ansicht des Proteins im Detail mit allen Nicht-H-Atomen. 8 S-Atome bilden paarweise Disulfidbrücken zwischen Cystein Aminosäuren, welche in Abb. 1.3 durch die Zahlen 1-4 in gelben Kreisen markiert sind. Zwei weitere S-Atome sind in der Seitenkette von Met 12 und Met 105 zu finden. Die dreidimensionale Struktur von Lysozym gleicht einem Ei mit einer tiefen Spalte. Diese Spalte ist die aktive Zone des Proteins, in der Polysaccharide von Bakterienzellwänden zertrennt werden können. Infolge dessen kann die Zellwand des Bakteriums dem osmotischen Innendruck nicht mehr standhalten und zerplatzt. In der Natur liegt Lysozym zuerst in einer Vorstufe mit 147 Aminosäuren und einem Molekulargewicht von 16238 Da vor. Enzymatische Aktivität erlangt das Protein erst nach Abspaltung der ersten 18 Aminosäuren 12 KAPITEL 1. PROTEINE (a) (b) (c) Abbildung 1.4: (a) Bänderdarstellung und (b) detaillierte Darstellung der Struktur von HEW-Lysozym mit allen Atomen außer Wasserstoff entsprechend dem PDB-Eintrag 193 L. (c) Eine Vergrößerung des Bereichs um das gebundene Na+ Ion. schwarz: C-Atome, rot: O-Atome, blau: N-Atome, gelb: S-Atome, grün: Clund Na+ -Ionen. der Vorstufe. Das tatsächliche Molekulargewicht schwankt ja nach Glykosylierung. Unter Abspaltung von Wasser lagern sich hierbei Zuckerreste an die freie Aminogruppe von Asparagin (N-glycosidisch) oder an die Hydroxygruppe von Serin oder Threonin (O-glycosidisch). Im Allgemeinen wird das Molekulargewicht von HEW-Lysozym daher mit ca. 14600 Da angegeben. In der betrachteten Struktur hat Lysozym zusätzlich ein Na+ und ein Cl- -Ion (grün) gebunden. Die beteiligten Aminosäuren sind in Abb. 1.3 durch schwarze Punkte gekennzeichnet. Da in Kap. 3 insbesondere das Verhalten des Na+ Ions diskutiert wird, sind die detaillierten Bindungsverhältnisse dieses Komplexes nochmals in Abb. 1.4(c) gezeigt. Die Atome sind entsprechend der in PDBDateien üblichen Nomenklatur beschriftet. Seitenkettenatome einer Aminosäure 1.3. PROTEIN-KRISTALLISATION 13 werden, beim Cα beginnend, entsprechend den Großbuchstaben des griechischen Alphabets durchnumeriert: CA, XB, XG, XD, XE, XZ, XH. Verzweigt sich eine Seitenkette, so werden die Atome parallel mit den Nummern 1 und 2 weiter durchnummeriert, z. B. NH1 und NH2 nach CZ in Arg 73. 1.3 1.3.1 Protein-Kristallisation Kristallisationsmechanismen Die treibende Kraft bei der Kristallisation von Proteinen ist entropischer Natur. Zwei sich aneinanderlagernde Proteine geben die Wassermoleküle der Kontaktfäche frei. Da die Wassermoleküle zuvor noch geordnet in Hydrathüllen an das Protein gebunden waren, ist die Freigabe mit einem Entropiegewinn verbunden. Die Anzahl der Van der Waals Bindungen und der Wasserstoffbrückenbindungen bleibt bei diesem Prozess in etwa gleich, und es treten keine zusätzlichen kovalenten Bindungen auf. Die Bindung zweier Proteine ist i. Allg. jedoch nur metastabil. Haben sich durch zufällig Keimbildung bereits mehrere Proteine systematisch aneinander gelagert, so wird, aufgrund der größeren Anzahl von Nachbarn und somit einer größeren Kontaktfläche, der Einbau von weiteren Proteinen günstiger, und stabiles Kristallwachstum kann einsetzen. Beide Kristallisationsphasen, Keimbildung und das Kristallwachstum, finden nur in übersättigten Lösungen statt, was meist durch langsames Verdampfen von Wasser realisiert wird. Zusätzlich wird der Proteinlösung ein Fällungsmittel (Salze) zugegeben, mit dem die Proteine um das Wasser konkurrieren müssen. Die Kunst ist unter anderem, die Lösung soweit in die Übersättigung zu treiben, dass Keimbildung stattfindet, das Protein aber nicht als ungeordnetes Aggregat ausfällt, was kinetisch günstiger wäre, da sich die Proteine nicht erst systematisch anordnen müssen. Bilden sich jedoch zuviele Keime so besteht die Gefahr, dass das Resultat auch viele kleine Kristalle sind, anstatt den gewünschten wenigen großen. Um erfolgreich Proteine zu kristallisieren braucht man neben einer Mindestmenge sorgfältig gereinigter Proteine hauptsächlich Erfahrung und Glück. Im wesentlichen werden bei den trial and error“-Versuchen folgende Parameter variiert: Proteinkonzentration, ” Fällungsmittelkonzentration, Art des Fällungsmittels, pH-Wert und die Temperatur. Eine Übersicht zur Geschichte der Proteinkristallisation [25] und Details zu den aktuellen Techniken und Problemen auf diesem Gebiet sind in folgenden Referenzen zu finden. [26, 16, 17, 27] Wie bereits in der Einleitung erwähnt, ist die Motivation zur Proteinkristallisation i. a. durch die anschließend übliche Röntgenstrukturanalyse gegeben, stellt sie doch das mächtigste Mittel zur Strukturbestimmung und somit zum Verständnis der Proteinfunktion und seiner Wirkungsweise dar. Umso ärgerlicher ist es daher, wenn ein Kristallograph nach der eben beschriebenen Arbeit des Kristal- 14 KAPITEL 1. PROTEINE (b) 50% Proteinlsg. 50% Reservoirlsg. Dampfdiffusion Proteinkonzentration (a) Ausfällung 2cP cP Nukleation Kristallisation Reservoirlösung cF 2cF Fällungsmittelkonzentration Abbildung 1.5: (a) Kristallisation im hängenden Tropfen [16]: Durch Wasserdampfdiffusion erhöht sich die Fällungsmittelkonzentration im Tropfen bis sie mit dem Wert in der Reservoirlösung übereinstimmt. Dabei steigt auch die Proteinkonzentration im Tropfen kontinuierlich bis zur Nukleation an, gefolgt von Kristallwachstum. (b) Veranschaulichung des Vorganges anhand des Phasendiagrammes. Je dunkler ein Bereich ist, umso stärker ist die Lösung übersättigt. lisierens zwar auf den ersten Blick schöne Kristalle erhält, diese aber aus meist nicht bekannten Gründen für die Strukturbestimmung nur unzureichend beugen. Der Ansatz dieser Arbeit ist die Idee, dass Konformations-Unordnung unter den eingebauten Proteinen möglicherweise der dominierender Gitterdefekt schlecht beugender Kristalle darstellt (s. Kap. 1.4). 1.3.2 Kristallisieren von Lysozym Im Rahmen dieser Arbeit wurde Lysozym mit dem Ziel kristallisiert, um die in Kap. 3 beschriebenen XRD-Experimente durchzuführen. Aber auch für die in Kap. 2 vorgestellten ILS-Experimente erwiesen sich Lysozymkristalle als vorteilhaft gegenüber einer Proteinlösung. Zum einen kann eine ca. zehnmal höhere Proteindichte im Kristall (0, 78 g/ml) als in der Lösung erzielt werden [28], und zum anderen zeigt freies Wasser in ILS-Spektren einen starken depolarisierten, quasielastischen Flügel [29, 30], der bis in den THz-Bereich hineinreicht. Dieser Flügel ist in Proteinkristallen wesentlich schwächer (vgl. Kap. 2.2.1), da ein großer Teil des Wasser im Kristall in Hydrathüllen an das Protein gebunden ist. D. h., in Proteinkristallen ist die Dynamik des Proteins klarer ersichtlich als in Lösung und nur schwach von der des Wassers überlagert. Während sich das Kristallisieren der meisten Proteine als schwierig bis unmöglich herausstellt, ist Lysozym einfach und auch ohne viel Erfahrung zu kristallisieren. Je nach Temperatur, pH-Wert und verwendetem Fällungsmittel 1.3. PROTEIN-KRISTALLISATION 15 (b) (a) 0,5 mm 0,5 mm Abbildung 1.6: (a) Ein tetragonaler und (b) ein monokliner Lysozym Einkristall in Glaskapillaren. kristallisiert es in verschiedenen Systemen, wie z. B. tetragonal, monoklin, orthorhombisch oder triklin [31]. Im Folgenden werden die Kristallisationsrezepte für die in dieser Arbeit untersuchten Lysozym Einkristalle angegeben. Für alle Kristalle wurde gefriergetrocknetes HEW-Lysozym Pulver der Firma Fluka ohne weitere Reinigung verwendet. Tetragonale (P 43 21 2) Lysozym-Einkristalle wurden bei 18◦ C im hängenden Tropfen mittels Dampfdiffusion kristallisiert (vgl.Abb. 1.5). Dabei wurden ca. 10 µ` große Tropfen mit unterschiedlichen Anteilen Lysozymlösung (75 mg/ml) und NaCl Lösung (6 % w/v) angesetzt. Die Mischungsverhältnisse variierten hierbei von 1:3 bis zu 6:4, was unterschiedliche Ergebnisse in Größe und Anzahl der Kristalle im Tropfen lieferte. Beide Lösungen basierten auf einem 0, 1 M NaAzetat Puffer (pH 4, 8). Die Kristalle wuchsen innerhalb ein bis zwei Wochen und erreichten Größen bis zu 0, 8 mm (Abb. 1.6 (a)). Tetragonale (P 43 21 2) Lysozym-Einkristalle im Agarose Gel wurden nach dem gleichen Grundrezept kristallisiert, mit dem Unterschied, dass der NaCl Lösung in kochendem Zustand 2 % w/v Agarosepulver zugefügt wurde. Nach dem Abkühlen der Lösung auf ca. 45◦ C konnte wie oben mit dem Mischen der Tropfen fortgefahren werden. Da Agarose unterhalb 38◦ C ein Gel bildet, waren die in der Gelmatrix heranwachsenden Kristalle fixiert und zeigten keine Sedimentation. Da das Gel auch die Konvektion im Tropfen reduziert [32, 33], konnte durch nochmalige Zugabe von Proteinlösung nach Abnahme der Wachstumsrate eine weitere ungestörte Wachstumsphase der Kristalle ermöglicht werden [34]. Das Ergebnis waren fast doppelt so große Kristalle, was bei einigen Lichtstreuexperimenten von Vorteil war. Nachteilig an dieser Methode ist, dass die Kristalle zur weiteren Montage nur schwer aus dem gelierten Tropfen heraus zu lösen sind. Eine Übersicht zur Kristallisation im Gel ist hier zu finden [35]. Monokline (P 21 ) Lysozym-Einkristalle wurden bei 20◦ C im einfachen Mischverfahren kristallisiert. Hierzu wurden 6 m` Lysozymlösung (20 mg/ml) mit 4 m` NaNO3 Lösung (7, 5 % w/v) angesetzt [31]. Auch hier basierten beide Lösungen auf einem 0, 1 M Na-Azetat Puffer (pH 4, 6). Nach ca. einer Woche hatten sich ei- 16 KAPITEL 1. PROTEINE (a) c [001] {10 1 b [010] (b) c } b a [100] a {110 } Abbildung 1.7: (a) Die kristallographischen Achsen und Flächen eines tetragonalen HEW-Lysozymkristalls. a = b = 79.2 Å, c = 38 Å, α = β = γ = 90◦ . (b) Die Anordnung und Orientierung der 8 Moleküle in der Einheitszelle. nige bis zu 1 mm lange Kristalle gebildet (Abb. 1.6 (b)), die jedoch oft miteinander verwachsen waren oder am Boden hafteten. Die Variation der Mischungsverhältnisse ergab keine besseren Ergebnisse, sodass für die in Kap. 3.3 beschriebenen Experimente nur wenige Kristalle zur Verfügung standen. Monokline Lysozymkristalle haben die erstaunliche Eigenschaft auch im stark dehydratisierten Zustand noch gute kristalline Ordnung aufzuweisen [36, 37]. Der überwiegende Teil der Experimente dieser Arbeit wurde mit tetragonalen HEW-Lysozymkristallen durchgeführt. In Abb. 1.7 (a) ist ein solcher Kristall mit seinen kristallographischen Achsen und Flächen skizziert. Die Gitterkonstanten betragen a = b = 79.2 Å und c = 38 Å mit α = β = γ = 90◦ . Die Anordnung und Orientierung der 8 Moleküle pro Einheitszelle ist in Abb. 1.7 (b) gezeigt. Der Wassergehalt beträgt im vollhydratisierten Zustand H = 41 % w [21]. w Lysozym aus Truthahneiern zeigt auch noch im kristallisierten Zustand enzymatische Aktivität [38]. Zudem sind die Infrarot-Spektren von Lysozym in Lösung und in kristalliner Form weitgehend identisch [39]. Dies lässt vermuten, dass die Beweglichkeit und Dynamik von HEW-Lysozym durch den Einbau in den Gitterverband nur geringfügig beeinflusst wird. 1.4. PROTEINDYNAMIK 1.4 17 Proteindynamik Bei globulären Proteinen wird von einer trichterförmigen vieldimensionalen Energielandschaft ausgegangen [40]. In diesem Bild befindet sich ein gefaltetes Protein im nativen Zustand in einem der vielen Minima am Boden des trichterförmigen Potentials [41], und jedes lokale Minimum entspricht einem konformationellen Unterzustand. Im nativen Zustand kann ein Protein Schwingungsdynamik über einen weiten Frequenzbereich von ca. 100 GHz1 bis in den Bereich von 100 THz aufweisen. Während die schnellen Vibrationen in kleinen Untereinheiten des Proteins stattfinden (z. B. die Amid I- und Amid III-Banden, oder Schwingungen in den Seitenketten, s. S. 43), wird davon ausgegangen, dass bei den langsamsten Vibrationen große Domänen des Proteins gegeneinander schwingen, was mit kollektiven Auslenkungen von mehreren Ångström verbunden sein kann. Die Potentialbarrieren zwischen den nativen konformationellen Unterzuständen können aus diesen Vibrationszuständen heraus thermisch überwunden werden, was wiederum als entscheidend für die enzymatische Aktivität des Proteins erachtet wird [42]. So konnte mittels Normalmoden-Analyse gezeigt werden, dass in vielen Fällen, bei denen die Struktur eines Proteins in zwei verschiedenen Konformationen bekannt ist, die zugehörige Bewegung, die eine Konformation in die andere überführt, bereits durch ein oder zwei der langsamsten Normalmoden beschrieben werden kann [6, 7]. Aufgrund dieser Konformationsübergänge, und der noch nicht vollständig verstandenen Wechselwirkung mit den Relaxationsmoden des umgebenden Wassers enthält die Dynamik von Proteinen einen anharmonischen Anteil, der glasähnliche Eigenschaften mit sich bringt. So wurde in einigen Proteinen eine Art Glasübergang bei T ≈ 200 K beobachtet. Während das mittlere Verschiebungsquadrat der Atome in einem Protein unter dieser Temperatur durch harmonische Vibrationen bestimmt wird, kommt überhalb von T ≈ 200 K ein zusätzlicher, anharmonischer Beitrag hinzu. Die Ursache hierfür ist noch unklar und kann sowohl durch einen Glasübergang der Hydrathüllen, als auch durch ein asymmetrisches Doppelmulden-Potential des Proteins erklärt werden. Der Effekt wurde bereits an verschiedenen Proteinen mittels z. B. Mössbauer-Spektroskopie, Neutronenstreuung oder Röntgenbeugung [42] und im Rahmen dieser Arbeit erstmals auch mittels Brillouin-Streuung gemessen (s. S. 57) Obwohl bei Normalmoden-Analysen von rein harmonischen, meist ungedämpften Wechselwirkungen ausgegangen wird, lieferte diese Methode einen erheblichen Beitrag zum Verständnis der Dynamik von Proteinen. Die ersten Arbeiten hierzu wurden in den 80er Jahren durchgeführt, mit möglichst vollständigen und detaillierten Potentialen, was mit einer aufwendigen Energieminimierung verbunden ist. Im Fall von Lysozym fand man, dass die langsamste kollektive Schwingung des Proteins, die auch mit zur Scharnierbewegung beiträgt, bei ca. 100 GHz liegen sollte [43, 44, 45]. D. ben-Avraham fand durch einen Vergleich der Er1 Nach ∆(1/λ) = ∆ν/c ergibt sich 1 GHz = 0, 0334 cm−1 . 18 KAPITEL 1. PROTEINE gebnisse von fünf verschiedenen Proteinen deutlich unterschiedlicher Größe (von 39 bis 375 Aminosäuren), dass die niederfrequenten Vibrations-Zustandsdichten g(ω) der Proteine einer universellen Kurve mit dem Maximum bei ca. 1300 GHz folgen [46]. Diese Kurve erinnert an den sog. Bose-Peak bei Gläsern, und kann ebenfalls gut durch eine Log-normale Frequenzverteilung der Form 2 1 − (ln ω−µ) (1.1) e 2σ2 σω beschrieben werden [47]. Dabei sind σ und µ unabhängige Parameter. Daher fand der Begriff Bose-Peak auch schon früh auf dem Gebiet der niederfrequenten Proteindynamik Verwendung. M. M. Tirion zeigte, dass niederfrequente Vibrationsmoden mit hoher Kollektivität auch sehr gut durch ein vereinfachtes random ” elastic network“-Modell (REN) beschrieben werden können, wobei die aufwendige Energieminimierung entfällt [48]. Dabei wird das detaillierte Potential des Proteins durch ein einfaches Hookesches Potential ersetzt, das paarweise zwischen allen Atomen innerhalb eines bestimmten Höchstabstands wirkt. Die Erklärung hierfür ist, dass bei den kollektiven niederfrequenten Schwingungen großer Untereinheiten die effektiven Kräfte durch die Kombination verschiedener Wechselwirkungen (kovalent, van der Waals, Disulfidbrücken, Wasserstoffbrücken, elektrostatisch) zwischen vielen verschiedenen Atompaaren zustande kommt. Im großen Mittel kann dann das Zusammenwirken durch ein Hookesches Potential mit nur einem Parameter ersetzt werden. Diese Vereinfachung ermöglichte es K. Suhre und Y. H. Sanejouand mit dem Ela” stic Network Model“ (elNémo)2 ein über das Internet für jedermann zugängliches Werkzeug zur Berechnung der 100 langsamsten Normalmoden von Proteinen zur Verfügung zu stellen [49]. Unter Verwendung des PDB-Eintrags 193 L erhält man für die 100 langsamsten Normalmoden von HEW-Lysozym die in Abb. 1.8 gezeigten Werte. Die Frequenzen sind so normiert, dass die niederenergetischste Mode den Wert 1 hat. Wenn man davon ausgeht, dass diese langsamste Mode entsprechend den Vorhersagen der detaillierten Normalmoden-Analysen bei ca. 100GHz liegt, so ergibt sich ein Moden-Abstand von jeweils 15 − 30 GHz für die ersten 5 Moden. Ab ca. 200 GHz beginnen die Moden dann dichter zu liegen und haben Abstände von nur noch wenigen GHz. Eine elementare Beobachtung bezüglich erhöhter Vibrations-Zustandsdichten im niederfrequenten Bereich, machten W. Schirmacher et al. an einem gekoppelten System klassischer harmonischer Oszillatoren mit Gauss-verteilten Kraftkonstanten zwischen nächsten Nachbarn in einer primitiv kubischen Anordnung [50]. Auch hier tritt eine Art Bose-Peak auf, der an der Stabilitätsgrenze des Systems am stärksten ausgeprägt ist und somit als Vorbote für Instabilität angesehen wird. Ob die Ursache des Bose-Peaks in Gläsern und Proteinen ebenfalls in der breiten Verteilung von zum Teil fluktuierenden Kraftkonstanten gesehen werden kann, ist noch unklar. g(ω) ∼ 2 http://igs-server.cnrs-mrs.fr/ suhre/NMODE/index.html 1.4. PROTEINDYNAMIK 19 Abbildung 1.8: Die auf 1 normierten Frequenzen der 100 niederenergetischsten Normalmoden in HEW-Lysozym, berechnet mit dem Elastic Network Model“ ” (elNémo) [49]. Die erste experimentelle Beobachtung des Bose-Peaks in Proteinen erfolgte mittels Raman-Spektroskopie bereits 1972 durch K. G. Brown et al. an α-Chymotrypsin (in amorpher und auch in einkristalliner Form) und an Pepsin, bei 870 GHz bzw. 960 GHz [51]. Im Widerspruch zu den Ergebnissen der Normalmoden-Analysen fand man, dass die Position der maximalen Intensität des Bose-Peaks für verschiedene Proteine nicht zusammenfällt, jedoch ohne dass eine Korrelation zur Molekularmasse der Proteine gefunden wurde [52]. Außer mit Raman-Spektroskopie wurde der Bose-Peak auch mittels inelastischer Neutronenstreuung z. B. an Myoglobin gemessen [53, 54, 55]. Fern-Infrarot-Absorptionsmessungen an Hämoglobin, Myoglobin und Lysozym haben gezeigt, dass die kollektiven Vibrationsmoden optisch anregbar sind. Die Proteine weisen ein breites, dem Bose-Peak ähnliches Absorptionsband bis hinunter zu ca. 200 GHz auf [56, 57, 58, 59]. A. Xie et al. haben mittels pump-probe“-Experimenten bei 3, 45 THz an ” Bakteriorhodopsin eine erstaunlich lange Lebensdauer der angeregten Vibrationszustände von τ = 500 ps gemessen [60], was einer natürlichen Linienbreite von nur δν = 0, 3 GHz entspricht. Geht man davon aus, dass dieser Wert in etwa für alle niederfrequenten Vibrationsmoden gilt, so müssten bei hinreichend guter instrumenteller Auflösung zumindest die weniger dicht liegenden, langsamsten Moden auf der niederfrequenten Seite des Bose-Peaks einzeln messbar sein. 20 KAPITEL 1. PROTEINE Dieser Frage wird in Kap. 2 durch Raman-Messungen an tetragonalen HEWLysozymkristallen mit einem Tandem-Fabry-Pérot-Interferometer nachgegangen. Der Frage, ob Proteine auch Dynamik im Mikrowellenbereich zeigen wurde bereits in den 70er Jahren mit dielektrischen Messungen im Frequenzbereich von wenigen Hz bis zu 25 GHz nachgegangen [61]. Messungen an Proteinlösungen haben den Nachteil, dass die Relaxation des freien Wassers bei 18 GHz [62, 63] und die Rotation der Proteine bei ca. 1 MHz starke Beiträge liefern. Daher wurden Proteine oft in gefriergetrocknetem Zustand zu Tabletten gepresst und dann über die Luftfeuchtigkeit hydratisiert. S. C. Harvey et al. berichteten bereits 1972 von zwei Relaxationen in den dielektrischen Spektren von HEW-Lysozymtabletten ab eiw nem Wassergehalt von über H = 30 % w [64]. Dieser Wert entspricht in etwa einer Monolagen-Bedeckung von Lysozym. Die erste breite Dispersion bei ca. 300 MHz wurde Relaxationen von stark gebundenen Wassermolekülen in der ersten Hydrathülle zugeschrieben, wobei noch unklar ist, ob nicht auch Rotationen von Seitenketten einen Beitrag in diesem Frequenzbereich liefern. Die zweite Dispersion liegt bei ca. 10 GHz und wurde den Relaxationen weniger stark gebundener Wasw sermoleküle in einer zweiten Hydrathülle zugeschrieben. Für H = 0 % w konnte innerhalb der Messgenauigkeit kein dielektrischer Verlust gemessen werden. Diese Ergebnisse wurden in den folgenden Jahren weitgehend bestätigt [65, 66, 67]. Kapitel 2 Inelastische Lichtstreuung an Proteinkristallen Ausgehend von der These, dass schlechte Beugungseigenschaften von Proteinkristallen durch Konformations-Unordnung der Proteine im Kristall begründet sein kann, stellt sich die Frage, ob sich diese Unordnung durch Mikrowellenbestrahlung vermindern lässt. Zur Beurteilung dieser Frage ist eine möglichst genaue Kenntnis der niederfrequenten Proteindynamik hilfreich, um die Chancen einer resonanten Anregung abschätzen zu können. Von besonderem Interesse sind hierbei die energetisch tiefsten Moden, da sie eine wichtige Rolle bei konformationellen Übergängen spielen und durch die Bewegung großer Untereinheiten die enzymatische Aktivität eines Proteins unterstützen, wenn nicht sogar erst ermöglichen [42]. Die Theorie, im speziellen Normalmoden-Analysen, sagen voraus, dass diese tiefsten Moden als niederfrequente Ausläufer des Bose-Peaks, je nach Protein im Bereich von etlichen zehn bis wenigen hundert GHz liegen sollten [68, 43, 46]. Bisher wurde noch von keiner experimentellen Beobachtung einzelner Moden berichtet, was mit darauf zurückzuführen ist, dass die meisten Messmethoden nicht die erforderliche Frequenz-Auflösung besitzen. Die Methode der inelastischen Lichtstreuung (ILS) kann mittels Fabry-Pérot-Interferometrie aber genau dies leisten. So wurde im Rahmen dieser Arbeit erstmals ILS an einem Proteinkristall mit einem Tandem-Fabry-Pérot-Interferometer (TFPI) im Bereich von 1 GHz bis 6 THz durchgeführt. Diese Messungen wurden noch durch RamanMessungen mit einem Doppelgitter-Monochromator im Bereich von 300 GHz bis 120 THz ergänzt. Die Vorhersagen der Normalmoden-Analyse berücksichtigen nicht die Möglichkeit der Dämpfung durch das umgebende Wasser und auch nicht die Anharmonizität der Potentiale. Es gibt jedoch Raman-Messungen und Molekular Dynamik Simulationen, die Hinweise auf einen Einfluss des Wassers auf den BosePeak geben [69, 70]. Zudem weisen temperaturabhängige Messungen darauf hin, dass der anharmonische Anteil am mittleren Verschiebungsquadrat der Atome in Proteinen ebenfalls mit sinkender Hydratation abnimmt [71, 72]. Dies lässt 21 22 KAPITEL 2. ILS AN PROTEINKRISTALLEN vermuten, dass die niederfrequenten Moden bei geringer Hydratation weniger dämpfungsverbreitert und somit deutlicher ausgeprägt sind. Daher wurden die in diesem Kapitel vorgestellten ILS-Experimente bei verschiedenen Hydratationen der Proteinkristalle durchgeführt. Mittels Röntgenstrukturanalyse lassen sich bei HEW-Lysozym in einem tetragonalen Kristall 141 gebundene Wassermoleküle auflösen (PDB 193 L [18]). D. h., dass bis zu einer Hydratation von ca. H= 100 · 141 · 18 Da 100 mLös w = = 18 % mLys 14296 Da w (2.1) in erster Linie freies und nur schwach gebundenes Kristallwasser abdampft und erst bei noch geringeren Hydratationen stark gebundene Wassermoleküle der Hydrathülle entzogen werden. Konsistenterweise setzt oberhalb eines Wassergehalts w von ca. H = 20 % w die enzymatische Aktivität von Lysozym ein. Unterhalb von w ca. H = 8 % w wird vom Beginn struktureller Zersetzung des Proteins ausgegangen [73]. Bei den im Folgenden vorgestellten Experimenten wurden Wassergehalte w und H = 9 % w eingestellt. Dies ermöglichte eine wiederzwischen H = 41 % w w holte De- und Rehydratisierung von tetragonalen HEW-Lysozymkristallen, ohne dass die Kristalle offensichtlich Schaden nahmen oder an optischer Qualität verloren. Soweit nicht anders erwähnt, handelt es sich im Folgenden bei allen Kristallen immer um tetragonale HEW-Lysozymkristalle. Vor der Besprechung der Experimente und Ergebnisse soll jedoch noch eine kurze Einführung in die inelastische Lichtstreuung gegeben werden, gefolgt von einer Beschreibung der experimentellen Aufbauten. 2.1 2.1.1 Theorie und Methoden Einführung in die inelastische Lichtstreuung Die Lichtstreuung an Makromolekülen in Lösung umfasst neben der elastischen Rayleigh-Streuung und der quasielastischen Streuung auch den Bereich der inelastischen Lichtstreuung, bei der zusätzlich zum Primärlicht frequenzverschobene Komponenten auftreten. Hierzu zählt die Brillouin-Streuung an akustischen Phononen und die Raman-Streuung an optischen Phononen bzw. an Vibrationsmoden der Moleküle. Die durch Raman-Streuung erzeugten Wellenzahlverschiebungen liegen typischerweise zwischen 10 cm−1 und mehreren 1000 cm−1 , während die Brillouin-Streuung mit Primärlicht im sichtbaren Bereich i. Allg. Wellenzahlverschiebungen zwischen 0, 1 cm−1 und 2 cm−1 zur Folge hat. Üblicherweise werden die Frequenzverschiebungen bei der Brillouin-Streuung in GHz und bei der Raman-Streuung in Wellenzahlen angegeben.1 Abb. 2.1 zeigt eine 1 Nach ∆ν = c · ∆(1/λ) ergibt sich z. B. 1 cm−1 = 29, 98 GHz. 2.1. THEORIE UND METHODEN 23 Rayleigh Stokes nS, i = n0 - kni Raman Antistokes nAS, i = n0 + ni Brillouin Brillouin Raman LA TA2 TA1 dni n0 Frequenz Abbildung 2.1: Schematische Darstellung der bei der inelastischen Lichtstreuung auftretenden Linien. Brillouin-Streuung basiert auf der Streuung an longitudinalen (LA) oder transversalen (TA) (nur im Festkörper) akustischen Phononen, während Raman-Streuung durch optische Moden verursacht wird. Wird die Frequenz des gestreuten Lichts durch die Erzeugung eines Phonons erniedrigt, so wird sie Stokes-Linie genannt. Bei Erhöhung der Frequenz durch die Vernichtung eines Phonons spricht man von Antistokes-Linien. Die Intensitätsverhältnisse sind durch die Besetzungswahrscheinlichkeiten der Zustände, also durch die Bose-Einstein-Verteilungsfunktion gegeben. Die in Gasen zusätzlich auftretenden Rotationsbanden sind nicht dargestellt. schematische Übersicht der verschiedenen Beiträge zur inelastischen Lichtstreuung an kondensierter Materie. Der Raman-Effekt wurde 1923 von A. Smekal vorhergesagt und 1928 von C. V. Raman erstmals nachgewiesen [74, 75]. Die Raman-Spektroskopie stellt eine seit langem wichtige Komplementärmethode zur Infrarotabsorptions-Spektroskopie dar. Wie im Folgenden gezeigt wird, ist eine Mode nur dann Raman-aktiv, wenn sie eine Änderung der Polarisierbarkeit mit sich bringt, während IR-Absorption eine Änderung des elektrischen Dipolmoments voraussetzt. Die exakte quantenmechanische Beschreibung des Raman-Effekts kann und soll hier nicht gegeben werden. Dazu sei auf die Literatur verwiesen, z. B. [76]. Zu dem Ergebnis einer Frequenzverschiebung gelangt man jedoch auch mit einer einfachen klassischen Erklärung des Raman-Effektes [76, 77]. Die klassische Herleitung Trifft eine elektromagnetische Welle der Frequenz ν0 auf ein Molekül mit dem ~ = permanenten elektrischen Dipolmoment p~0 , so induziert das elektrische Feld E ~ 0 cos (2πν0 t) durch verschieben der Elektronenhülle gegen den positiv geladenen E 24 KAPITEL 2. ILS AN PROTEINKRISTALLEN Kern ein mit der selben Frequenz oszillierendes zusätzliches Dipolmoment ~ p~(t) = p~0 + α E(t) ~ 0 cos (2πν0 t) = p~0 + α E (2.2) (2.3) Die Polarisierbarkeit α des Moleküls ist ein Tensor 2. Stufe, dessen Komponenten von der Symmetrie des Moleküls abhängen. Das oszillierende Dipolmoment strahlt wiederum kohärent zum Primärlicht Dipolstrahlung ab, die mit dem Primärlicht und der Strahlung aller anderen Streuzentren interferiert. In dichten, nicht absorbierenden, homogenen Medien ergibt sich durch diese Interferenz die Lichtausbreitung in Richtung des Primärstrahls. Treten lokale Dichtefluktuationen bzw. Entropiefluktuationen auf, so kommt es zu einem Anteil isotrop gestreuter Intensität mit der Frequenz ν0 . Dieser Prozess heißt Rayleigh-Streuung. Zur Erklärung des Raman-Effektes werden nun zusätzlich die Eigenschwingungen mit den Frequenzen νi eines Moleküls berücksichtigt. Unter Annahme harmonischer Potentiale kann die gekoppelte Bewegung der Atome durch voneinander unabhängige Normalkoordinaten qi um die Gleichgewichtslage wie folgt ausgedrückt werden. qi (t) = qi0 cos(2πνi t) (2.4) Wenn sich die Polarisierbarkeit und das permanente Dipolmoment eines Moleküls mit dem Abstand der schwingenden Atome ändert, so führt dies zu einer Modulation des gesamten Dipolmoments. Für kleine Schwingungsamplituden der Normalkoordinaten um ihre Gleichgewichtslage können α und p~0 um qi = 0 entwickelt werden. ¯ X ∂α ¯ ¯ qi + . . . α({qi (t)}) = α(0) + ¯ ∂q i 0 i=1 (2.5) ¯ X ∂~p0 ¯ ¯ qi + . . . p~0 ({qi (t)}) = p~0 (0) + ¯ ∂q i 0 i=1 (2.6) 3N −f 3N −f N ist hierbei die Anzahl der Atome im Molekül und 3N − f die Anzahl der Normalschwingungen, mit f = 5 für lineare bzw. f = 6 für nichtlineare Moleküle. Das modulierte Dipolmoment ergibt sich dann durch Einsetzen von Gl. 2.4, 2.5 2.1. THEORIE UND METHODEN und 2.6 in Gl. 2.3 zu folgendem Ausdruck: ¯ 3N −f X ∂~p0 ¯ ¯ qi0 cos(2πνi t) + p~(t) = p~0 (0) + ¯ ∂q i 0 i=1 à ! 3N −f X ∂α ¯¯ ~ 0 cos (2πν0 t) ¯ qi0 cos(2πνi t) E + α(0) + ¯ ∂q i 0 i=1 25 (2.7) X ∂~p0 ¯¯ ~ 0 cos (2πν0 t) + ¯ qi0 cos(2πνi t) + α(0) E = p~0 (0) + (2.8) ¯ ∂q i 0 i=1 3N −f X ∂α ¯¯ ~0 ¯ qi0 [cos (2π(ν0 + νi )t) + cos (2π(ν0 − νi )t)] +E ¯ | {z } | {z } ∂q i 0 i=1 Anti − Stokes Stokes Der erste Term in Gl. 2.8 steht für das permanente Dipolmoment des Moleküls und der zweite beschreibt den mit der Molekülschwingung oszillierenden, nicht induzierten Anteil, der die IR-Aktivität des Moleküls bestimmt. Nur wenn ∂~p0 /∂qi |0 6= 0 ist, handelt es sich um eine IR-aktive Mode. Der dritte Term ist durch die einfallende Welle induziert und trägt zur elastischen Rayleigh-Streuung bei. Der vierte Term ist nun der für die Raman-Streuung wichtige Teil des Dipolmoments. Auch er ist vom Primärlicht induziert und bewirkt eine Frequenzverschiebung des gestreuten Lichtes um ±νi . Im Streulicht treten also sog. AntiStokes-Linien bei νAS,i = ν0 + νi und Stokes-Linien bei νS,i = ν0 − νi auf. Eine Mode ist nur dann Raman-aktiv, wenn ∂α/∂qi |0 6= 0 ist. Nimmt man bei der Entwicklung von α in Gl. 2.5 auch Terme höherer Ordnung mit, so erhält man entsprechende Ausdrücke mit Frequenzverschiebungen um ±2ν, ±3ν usw., was Raman-Effekt zweiter, dritter usw. Ordnung genannt wird. Diese Linien sind jedoch wesentlich schwächer. Bei der Brillouin-Streuung an akustischen Phononen kann ähnlich argumentiert werden. Da es sich hierbei um periodische Modulationen der Dichte mit makroskopischer Ausdehnung handelt, wird nun die makroskopische Polarisati~ r, t) des on P~ über die Dielektrizitätskonstante ε mit dem elektrischen Feld E(~ Primärstrahls verknüpft. Man betrachtet nun die Änderung δε um den Mittelwert ε̄ aufgrund der Dichtemodulation durch die Schallwelle. ~ P~ = εE Brillouin z }| { ~ ~ ~ P (~r, t) = ε̄E(~r, t) + δε(~r, t)E(~r, t) (2.9) 3N −f Wird dieser Ansatz analog zum induzierten Beitrag in der oberen Rechnung durchgeführt, so erhält man auch hier eine Stokes- und eine Anti-StokesKomponente im Streuspektrum, die jeweils um die Frequenz des beteiligten Phonons verschoben sind. 26 KAPITEL 2. ILS AN PROTEINKRISTALLEN virtueller Zustand hn0 hnS = h(n0-n) hn0 hnAS = h(n0+n) DE = hn Stokes Anti-Stokes Abbildung 2.2: Darstellung des Stokes- und Antistokes-Streuprozesses bei der inelastischen Lichtstreuung. Die Niveaus entsprechen den möglichen Energiezuständen der Moden. Bei einem Stokes-Prozess verliert das Licht Energie und ein angeregter Zustand wird besetzt. Beim Anti-Stokes-Prozess ist das Gegenteil der Fall. Damit dieser Prozess überhaupt stattfindet, muss ein angeregter Zustand thermisch besetzt sein. Intensitätsverhältnisse Nach der klassischen Herleitung müssten Stokes- und Anti-Stokes-Linien die selbe Intensität aufweisen. Wie in Abb. 2.1 bereits angedeutet, trifft dies nicht zu. Die Intensitäten der Anti-Stokes-Linien sind im Verhältnis zu denen der Stokes-Linien umso geringer, je größer die Frequenzverschiebung der Linien ist. Während das Brillouin-Dublett erst bei tiefen Temperaturen deutliche Intensitätsunterschiede aufweist, ist die Anti-Stokes-Seite von Raman-Messungen bereits bei Raumtemperatur wesentlich schwächer ausgeprägt, sodass meist nur die Stokes-Seite des Spektrums betrachtet wird. Erst die quantenmechanische Betrachtung der inelastischen Lichtstreuung liefert konsistente Ergebnisse. Mit Hilfe eines Niveauschemas kann eine anschauliche Erklärung gegeben werden. Die Niveaus entsprechen den möglichen Energiezuständen einer Mode. Bei einem Stokes-Prozess gibt das einfallende Licht Energie ab und führt dabei von einem niedrigeren auf einen höheren Zustand. Beim Anti-Stokes-Prozess nimmt das Licht Energie auf. Er führt von einem angeregten in einen niedrigeren Zustand. Damit dieser Prozess überhaupt stattfindet, müssen bereits angeregte Zustände thermisch besetzt sein. Gemäß dem Boltzmann-Faktor ist dies umso unwahrscheinlicher, je höher die Energie des angeregten Zustandes ist. Das Intensitätsverhältnis einer AntiStokes- zur Stokes-Linie beträgt demnach: IAS − hν = e kB T IS (2.10) 2.1. THEORIE UND METHODEN (a) Stokes-Prozess (b) Anti-Stokes-Prozess n, q n0, nk0 27 n, q nk0 n0, nk0 q (c) Stokes-Prozess bei Brillouin-Streuung q/2 q q nS, nkS nAS, nkAS nkS Abbildung 2.3: (a) Darstellung des Stokes- und (b) Antistokes-Streuprozesses bei der inelastischen Lichtstreuung. Es gilt Energie- und Impulserhaltung. Das Primärlicht mit der Frequenz ω0 und dem Wellenvektor n~k0 erfährt durch die Erzeugung (Stokes) bzw. Absorption (Anti-Stokes) eines Phonons mit Frequenz ω und Wellenvektor ~k eine Frequenzverschiebung zu ωAS,S = ω0 ± ω mit einer Wellenvektoränderung von n~kAS,S = n~k0 ± ~q. (c) Bei der Brillouin-Streuung gilt, aufgrund der geringen Energie von akustischen Phononen, |~k0 | ≈ |~kAS,S |. Im Teilchenbild Die inelastische Lichtstreuung kann im Teilchenbild auch als elastischer Stoß zwischen einem Photon mit dem Impuls ~n~k0 und der Energie hν0 mit einem Phonon mit dem Impuls ~~q und der Energie hν aufgefasst werden. (λ0 sei Vakuumwellenlänge und n der Brechungsindex des Mediums.) Dabei verliert das Photon Energie und Impuls aufgrund der Erzeugung eines Phonons (Stokes), oder es gewinnt Energie und Impuls aufgrund der Vernichtung eines Phonons (Anti-Stokes). Dies ist in Abb. 2.3 dargestellt. Bei beiden Prozessen müssen Energie- und Impulserhaltung gelten: ~ωAS,S = ~ ω0 ± ~ ω ~n~kAS,S = ~n~k0 ± ~ ~q (2.11) (2.12) Hierbei steht +“ für den Anti-Stokes und -“ für den Stokes-Prozess. ” ” Im Fall der Brillouin-Streuung an akustischen Phononen ergibt sich mit den Dispersionsrelationen ω0 = cn|~k0 | des Lichts und ω = vs |~q| der Phononen im Medium mit dem Brechungsindex n und der Schallgeschwindigkeit vs aus Gl. 2.11 folgender Zusammenhang. vs |~kAS,S | − |~k0 | = ± |~q| (2.13) cn Da das Verhältnis vs /cn typischerweise von der Größenordnung 10−6 ist, ist der Impulsübertrag bei der Brillouin-Streuung vernachlässigbar klein, und kann mit |~k0 | = |~kAS,S | genähert werden. Aus Abb. 2.3 (c) ist dann leicht zu ersehen, dass ein einfacher Zusammenhang zwischen dem Streuwinkel und dem Wellenvektor des streuenden Phonons besteht. |~q| = 2n|~k0 | sin θ/2 (2.14) 28 KAPITEL 2. ILS AN PROTEINKRISTALLEN Bei einem bestimmten Streuwinkel θ haben die am Streuprozess beteiligten akustischen Phononen eine definierte Wellenlänge und Richtung. Der maximale Wellenvektor beträgt hierbei in Rückstreugeometrie (θ = 180◦ ) |~qmax | = 2n|~k0 |. Bei Brillouin-Streuung an Kristallen befindet man sich somit in der Regel sehr nah am Zentrum der ersten Brillouin-Zone und es ist nicht möglich die gesamte Dispersionsrelation der akustischen Phononen bis zur Zonengrenze auszumessen. (Da Neutronen bei gleicher Energie einen wesentlich höheren Impuls besitzen, kann dies z. B. mittels inelastischer Neutronen-Streuung erreicht werden.) Misst man die Frequenzverschiebung νB der Stokes- und Anti-Stokes-Linien bei einem bestimmten Streuwinkel θ, also bekanntem |~q|, so lässt sich, aufgrund des linearen Anstiegs der Dispersionsrelation nahe dem Zentrum der Brillouin-Zone, die Schallgeschwindigkeit des Mediums wie folgt bestimmen: vs = 2πνB 2πνB = |~q| 2n|~k0 | sin (θ/2) (2.15) Lebensdauer und Linienbreite Die inelastisch gestreuten Linien sind homogen verbreitert, d. h. sie besitzen aufgrund der endlichen Lebensdauer τ der angeregten Zustände die Linienform einer Lorentz-Funktion [78]. I(ν 0 ) ∼ δν/2 (ν − ν)2 + (δν/2)2 0 (2.16) Hierbei sei ν die Resonanzfrequenz und ν 0 die freie Variable. Aus der Halbwertsbreite δν der Lorentzkurve ergibt sich über die Heisenbergsche Unschärferelation die Lebensdauer τ der akustischen Phononen im Falle der Brillouin-Streuung und die Lebensdauer der optischen Phononen bzw. Moleküleigenschwingungen im Falle der Raman-Streuung: τ= 1 2π δν (2.17) Die experimentell bestimmte Linienbreite ist allerdings zusätzlich mit der Instrumentenfunktion des verwendeten Spektrometers gefaltet. Im Falle der Brillouin-Streuung ist mit dem Wellenvektorbetrag auch die Frequenzverschiebung vom Streuwinkel abhängig (vgl. Gl 2.15). Da die Sammeloptik des experimentellen Aufbaus in der Regel einen Akzeptanzwinkel von mehreren Grad hat, führt dies zu einer zusätzlichen Linienverbreiterung. Diese Verbreiterung fällt in Rückstreugeometrie am geringsten aus, da die Änderung des sin θ/2-Terms bei einer kleinen Winkeländerung bei θ = 180◦ am geringsten ausfällt. 2.1. THEORIE UND METHODEN 2.1.2 29 Raman-Messungen mit einem Doppelgitter-Monochromator Im Rahmen dieser Arbeit wurde ein Spex 1400-11 Doppelgitter-Monochromator (BJ 1968) für den computergesteuerten Betrieb umgerüstet. Der Servomotor wurde durch einen Schrittmotor des Typs PK 245 M-03B der Firma Oriental Motor ersetzt und alle weiteren Komponenten, die nur der x-Achsen-Skalierung des xy-Schreibers dienten entfernt. Das Drehmoment des Schrittmotors von M = 0, 22 Nm reicht aus, um in Kombination mit dem Getriebe des Monochromators einen fehlerfreien Scanbetrieb zu gewährleisten. Zur Steuerung des Schrittmotors wird die Einheit SMK01-Z der Firma Owis GmbH verwendet. Die Drehung der Gitter wird über eine Hebelmechanik bewerkstelligt, die wiederum über einen Reiter auf einer Feingewindeachse getrieben wird. Dabei bewirkt eine Umdrehung der Feingewindeachse eine Gitterdrehung, die ∆λ = 10 nm auf der Laufradanzeige des Monochromators entspricht. Eine unkodierte Steuerung mittels Schrittmotor ist nur möglich, wenn einer Drehung der Feingewindeachse ein ganzzahliges Vielfaches an Motorschritten entspricht. Zu diesem Zweck musste im Getriebe des Monochromators das Zahnrad mit 115 Zähnen durch eines mit 116 Zähnen bei gleichem Durchmesser ersetzt werden, sodass sich ∆λ = 2, 5 nm pro Motorumdrehung ergibt. Bei 400 Schritten des Motors pro Umdrehung ergibt sich somit ∆λ = 6, 25 · 10−3 nm/Schritt. Diese Zahl gilt jedoch nur bei Verwendung von Gittern mit 600 Strichen/mm, worauf auch die Laufradanzeige geeicht ist. Werden andere Gitter benutzt, so muss die Laufradanzeige mit einem gitterspezifischen Faktor multipliziert werden. Gitter [Striche/mm] Gitterspezifischer Faktor 300 600 1200 1800 0, 5 1 2 3 Im Rahmen dieser Arbeit wurden ausschließlich Gitter mit 1200 Strichen/mm (λblaze = 500 nm) benutzt, was zu ∆λ = 3, 125 · 10−3 nm/Schritt führt. Bei dem verwendeten Scanprogramm kann als kleinste Schrittweite ∆λ = 0, 0125 nm gesetzt werden, was 4 Schritten des Motors entspricht. Diese Schrittweite genügt, um bei der maximal erreichbaren Auflösung des Geräts eine ausreichende Dichte an Messpunkten zu erhalten (vgl. Abb. 2.5). In Abb. 2.4 ist der Versuchsaufbau und der Strahlengang für die Raman-Messungen mit dem DoppelgitterMonochromator gezeigt. Als Lichtquelle wird das Modell Verdi“ der Firma ” Coherent benutzt. Dies ist ein diodengepumpter, intern frequenzverdoppelter Nd:Vanadat-Laser mit folgenden Herstellerspezifikationen [79]: 30 KAPITEL 2. ILS AN PROTEINKRISTALLEN M M M M 750 mm PC S2 Einzelphotonenzähler G2 G1 S1 F PMT S3 f3 = 400 mm P A Verdi l0 = 532 nm f2 = 100 mm K f1 = 100 mm Abbildung 2.4: Versuchsaufbau und Strahlengang zur Raman-Messung mit dem Spex 1400−11 Doppelgitter-Monochromator. A: variabler Abschwächer, M: Spiegel, Fokussierlinse mit f1 = 100 mm, Sammellinse mit f2 = 100 mm, P: Analysator, Fokussierlinse f3 = 400 mm, F: Filter, S1,2,3: Eintritts- Mittel- und Austrittsspalt, G1,2: Gitter 1,2, PMT: Photomultiplier. Leistung PL = 0, 5 − 2 W (cw) Wellenlänge λ0 = 532 nm (single frequency) Linienbreite ∆ν < 5 MHz Strahldurchmesser 2, 25 mm ±10 % Strahldivergenz < 5 mrad ±10 % Polarisation > 100 : 1, vertikal, linear Mit dem variablen Abschwächer kann die Leistung bis auf PL = 150 µW reduziert werden. Der Laserstrahl wird mit einer Linse der Brennweite f1 = 100 mm auf die Probe fokussiert. Das Streuvolumen wird mittels der Sammellinse (f2 = 100 mm) und einem weiteren Achromaten (f3 = 400 mm) verkleinert auf den Eintrittsspalt des Monochromators abgebildet. Das Streulicht wird im Monochromator spektral zerlegt und hinter dem Austrittsspalt mit einem Photomultiplier (PMT) des Typs 9863QA/100 der Firma Thorn EMI detektiert. Zur Reduktion der Dunkelzählrate befindet sich der PMT in einem Peltier-Kühlgehäuse des Typs TE 104 RF der Firma Products for Research Inc. und wird auf ca. T = −30◦ C gekühlt. Bei der benutzten Kathodenspannung UK = 2 kV und einer Diskriminatorschwelle des Einzelphotonenzählers (Typ: SR400 gated photon counter der Firma Stanford Research Systems) von UDisk. = −10 mV ergibt sich eine Dunkelzählrate < 1 Hz. Die ausführliche Charakterisierung dieses PMTs bezüglich Pulshöhenverteilung und Kathodenspannungsabhängigkeit ist in der Diplomarbeit von K. Aits zu finden [80]. 2.1. THEORIE UND METHODEN 31 Durch ein in Labview programmiertes Scanprogramm wird die Schrittmotorsteuerung und der Einzelphotonenzähler zur Datenerfassung schrittweise koordiniert. Das Grundgerüst des Programms wurde einer alten Version von R. Magerle übernommen und den speziellen instrumentellen Vorgaben angepasst und erweitert. Insbesondere wurde die gating-Funktion des SR400-Zählers implementiert. Dies ermöglicht eine getriggerte Datenaufnahme während eines zeitlich definierten Messfensters (∆t = 5 ns−0, 9992 s) bei einer Triggerrate von bis zu 1 MHz. Zu der gerätespezifischen Verzögerung von 25 ns lässt sich zusätzlich eine Verzögerung von 0 s − 0, 9992 s einstellen. Ein Scan lässt sich in beliebig viele ScanBereiche mit unterschiedlichen Schrittweiten und Belichtungszeiten unterteilen. Jeweils zwischen zwei Scan-Bereichen besteht die Möglichkeit über einen automatischen Filterwechsler bis zu vier verschiedene Filter in den Strahlengang vor den Eintrittsspalt zu platzieren. Der Filterwechsler wird ebenfalls über einen Schrittmotor in Verbindung mit einem zweiten SMK01-Z Modul betrieben. Beim Durchgang des Monochromators durch die Rayleigh-Linie bei λ0 = 532 nm wird zum Schutz des PMTs bei allen Messungen ein Neutraldichtefilter in den Strahlengang eingeführt, der die Intensität des Streulichtes um einen Faktor 10−5 abschwächt. Die fehlerfreie Funktion des Geräts wurde mittels diverser Spektrallampen über den gesamten sichtbaren Bereich getestet. Zur Bestimmung der Auflösung ist in Abb. 2.5 (a) das Spektrum einer Ne-Spektrallampe zu sehen, das mit einer Schrittweite von ∆λ = 0, 0125 nm gemessen wurde. Die Eintritts- und Austrittsspaltbreiten betrugen, wie bei allen im Folgenden gezeigten Messungen, 100 µm und die Breite des mittleren Spalts 200 µm. Zur Eichung wurde die Laserlinie bei λ0 = 532 nm mitgemessen. Bei diesen Einstellungen beträgt die Auflösung des Monochromators ca. 0, 1 nm. Sowohl die Quanteneffizienz der Gitter als auch die Ansprechwahrscheinlichkeit der Photokathode des Photomultipliers sind wellenlängenabhängig. Bestimmt man die Abhängigkeit der Nachweisempfindlichkeit des Gesamtsystems von der Wellenlänge, so können die Spektren korrigiert werden. Dies wird notwendig, wenn Vergleiche mit an anderen Apparaturen gemessenen Spektren angestellt werden, oder wenn Intensitätsverhältnisse innerhalb eines Spektrums untersucht werden. Mit Hilfe der Kaltlichtquelle KL 1500 LCD der Firma Schott (Halogenlampe: Philips Typ 6423) mit Farbtemperatur-Anzeige wurde die Instrumentenfunktion bestimmt. Dies geschieht durch Vergleich des theoretischen Spektrums eines Planckschen Strahlers mit dem Spektrum der von der Apparatur gemessenen Halogenlampe. Die Halogenlampe hat die Intensitätsverteilung eines Planckschen Strahlers: I0 IP (λ, T ) = (2.18) hc λ5 (e λT − 1) Abb. 2.5 (b) (die zwei oberen Kurven) zeigt den Unterschied zwischen einem berechneten Planck-Spektrum IP (3100 K) und dem tatsächlich gemessenen Spektrum der Lampe mit 3100 K Farbtemperatur. Normiert man das Planck- 32 KAPITEL 2. ILS AN PROTEINKRISTALLEN Abbildung 2.5: (a) Das mit dem Doppelgitter-Monochromator gemessene Spektrum einer Ne-Spektrallampe im Bereich der Laserlinie bei λ0 = 532 nm. Die Auflösung beträgt ca. 0, 1 nm. Scanparameter: 100 µm Eintritts- und Austrittsspaltbreite, 200 µm Breite des mittleren Spalts, ∆λ = 0, 0125 nm Schrittweite. (b) Oben: Die Theoriekurve eines Planckschen Strahlers mit T = 3100 K durchgezogene Linie) und das gemessene Spektrum einer Halogenlampe mit 3100 K Farbtemperatur (Symbole). Unten: Der Quotient ergibt die Instrumentenfunktion der Apparatur. Spektrum auf die maximale Intensität des gemessenen Spektrums IH und bildet den Quotienten IP /IH , so stellt dies die gesuchte Apparatefunktion dar (untere Kurve). Zwischen 450 nm und 750 nm bewegt sich der Korrekturfaktor zwischen 1 und 8, 5. Im engsten Bereich der Laserlinie bei λ0 = 532 nm bleibt der Korrekturfaktor konstant, wodurch sich die Korrektur der in Kap. 2.2.1 gezeigten Bose-Peak Spektren erübrigt. Der Betrieb des Monochromators im Scanmodus ist gegenüber dem Einsatz mit einer CCD-Kamera sehr zeitaufwendig. Während die CCD-Kamera jedoch durch einen einige nm-breiten Bandpassfilter vor der hohen Intensität der Rayleigh-Linie geschützt werden müsste, kann im Scanmodus wirklich erst dann der Neutraldichtefilter in den Strahlengang eingeführt werden, wenn die Zählrate an der Flanke der Rayleigh-Linie stark ansteigt (> 105 Hz). Bei den meisten Messungen befand sich der Filter lediglich im Bereich λ = 531, 8 − 532, 2 nm im Strahlengang. 2.1. THEORIE UND METHODEN 2.1.3 33 Raman- und Brillouin-Messungen mit einem Tandem-Fabry-Pérot-Interferometer Während ein guter Doppelgitter-Monochromator inelastisch gestreutes Licht mit Frequenzverschiebungen bis ca. 300 GHz = 10 cm−1 von einer schwachen Rayleigh-Linie zu trennen vermag, lässt sich mittels Fabry-Pérot-Interferometern (FPI) vom THz- bis in den GHz-Bereich hoch aufgelöste Spektroskopie betreiben. Besonders komfortabel und leistungsstark ist das Tandem-Fabry-PérotInterferometer (TFPI) von J. R. Sandercock. Auf den folgenden Seiten werden das Funktionsprinzip und die Stärken des Interferometers vorgestellt. Fabry-Pérot Interferometrie im Singlepass Eine Einführung in die theoretischen Grundlagen der Fabry-Pérot-Interferometrie ist in vielen Optik-Lehrbüchern zu finden, z. B. [81, 77], sodass hier nur nochmals die wichtigsten Größen und Zusammenhänge wiederholt werden. Ein Fabry-Pérot-Interferometer besteht im einfachsten Fall aus zwei planparallelen Spiegeln mit der gleichen Reflektivität R, die sich in einem variablen Abstand d voneinander befinden. Trifft eine monochromatische, ebene Lichtwelle entlang der optischen Achse auf den Resonator, so kann sie nur dann einkoppeln, wenn der Spiegelabstand einem Vielfachen der halben Wellenlänge entspricht. λ0 =d (m = 0, 1, 2, . . .) (2.19) 2n n ist hierbei der Brechungsindex des Mediums im Resonator und λ0 die Wellenlänge im Vakuum. Wenn diese Bedingung erfüllt ist, stellt die Lichtwelle eine Mode des Resonators dar, und ihre Intensität verstärkt sich bei der Mehrfachreflexion im Resonator durch konstruktive Interferenz mit sich selbst. Entsprechend der Reflektivität der Spiegel R < 1 wird bei jeder Reflexion auch ein Teil der Intensität wieder ausgekoppelt. Die Transmission T durch das Etalon ist durch das Verhältnis der einfallenden zur transmittierten Intensität definiert. Für monochromatisches Licht ist sie in Abhängigkeit des Spiegelabstandes durch die Airy-Funktion gegeben (Abb. 2.6): m T2 (1 − R)2 + 4R sin2 ( 2πnd ) λ0 Tmax = 1 + (2FR /π)2 sin2 ( 2πnd ) λ0 T (d) = (2.20) Der Transmissionskoeffizient T = 1 − R − A eines Spiegels enthält neben der Reflektivität auch die Absorption A (typ. A = 0, 2 %) des Lichtes in der dielektrischen Schicht beim Durchgang durch die Spiegel. Der Ausdruck √ π R (2.21) FR = 1−R 34 KAPITEL 2. ILS AN PROTEINKRISTALLEN Abbildung 2.6: Die theoretische Transmissionsfunktion eines Etalons für verschiedene Reflektivitäts-Finessen FR . Sie ist das Verhältnis des Modenabstands zur Halbwertsbreite. wird Reflektivitäts-Finesse genannt. Sie ist das Verhältnis des Modenabstands zur Halbwertsbreite. Die maximale und minimale Transmission durch das Interferometer beträgt somit T2 Tmax ≡ (2.22) (1 − R)2 Tmin = Tmax 1 + (2FR /π)2 (2.23) woraus sich der Kontrast C des Instruments zu folgendem Ausdruck ergibt: C= 4F 2 Tmax = 2R + 1 Tmin π (2.24) In Abb.2.6 ist die berechnete Transmissionsfunktion in Abhängigkeit des Spiegelabstandes für zwei verschiedene Werte von FR zu sehen. Je größer die Reflektivitäts-Finesse des Etalons ist, d.h. je größer die Reflektivität der Spiegel ist, umso geringer wird die Halbwertsbreite δ der transmittierten Intensität, d. h., umso genauer muss die Interferenzbedingung 2.19 für Transmission erfüllt sein. Die Finesse ist somit ein Maß für die Güte des Resonators. Bei einem realen Resonator tragen noch weitere Komponenten, außer der Reflektivität, zur Finesse bei. Die Gesamtfinesse F ergibt sich aus der Addition der reziproken Quadrate 2.1. THEORIE UND METHODEN 35 der einzelnen Beiträge [82]: 1 1 1 1 = 2 + 2+ 2 2 F FR FF FP (2.25) Durch die Oberflächen-Finesse FF wird die Rauigkeit der Spiegel berücksichtigt, die üblicherweise λ/200 beträgt. Mit M=200 ergibt sich dann für diesen Beitrag: M = 100 (2.26) 2 Die Pinhole-Finesse FP berücksichtigt, dass, aufgrund der Ausdehnung der Quelle und des Eintritts- und Austritts-Pinholes, Lichtstrahlen innerhalb eines ganzen Winkelbereichs um die optische Achse des Resonators hinter dem Etalon detektiert werden können. 1 FP ∼ 2 (2.27) dP d FF = In der Regel werden die Pinhole-Durchmesser dP so klein gewählt, dass dieser Term die Gesamtfinesse nicht limitiert. Wird mit einem Etalon als Fabry-Pérot-Interferometer Spektroskopie betrieben, so macht man sich den Effekt zu Nutze, dass nach Gl. 2.19 Licht verschiedener Wellenlängen bei verschiedenen Spiegelabständen transmittiert wird. Das durch einen Spiegelscan mit ∆d um den Abstand d erhaltene Spektrum wiederholt sich periodisch mit jeder durchfahrenen Ordnung m. Der Bereich neben der m-ten Ordnung, in dem um ∆λ verschobene Wellenlängen mit der gleichen Ordnung liegen können, ohne mit der (m ± 1)-ten Ordnung zu überlappen, wird freier Spektralbereich“ (FSR) genannt. Er hängt vom Abstand der Spiegel ab ” und ergibt sich zu: ∆λFSR = λ20 2nd (2.28) ∆νFSR = c 2nd (2.29) Der freie Spektralbereich gibt so etwas wie ein Messfenster an, in dem gemessen werden kann, ohne dass sich Linien verschiedener Ordnungen unüberschaubar überlagern und eine eindeutige Zuordnung nicht mehr möglich ist. Er sollte immer größer als die Bandbreite der Lichtquelle gewählt werden. Wie in Abb. 2.6 ergibt sich die Halbwertsbreite des Transmissionsmaximums aufgrund der Instrumentenfunktion und damit die Auflösung des Geräts als Verhältnis des freien Spektralbereichs zur Gesamtfinesse: δν = ∆νFSR F (2.30) 36 KAPITEL 2. ILS AN PROTEINKRISTALLEN Fabry-Pérot Interferometrie im Multipass Wird der Lichtstrahl nach dem Verlassen des Etalons über Prismen oder corner cubes mehrfach durch das Etalon zurückgeschickt, so spricht man vom MultipassBetrieb. Die Anforderungen an das Interferometer bezüglich Stabilität und Temperaturunempfindlichkeit sind dabei wesentlich höher. Gebräuchlich sind 3-, 5und 6-Pass Anordnungen. Gegenüber dem Singlepass zeichnet sich der Multipass durch einen viel größeren Kontrast und eine höhere Finesse aus. Die Transmission leidet jedoch darunter [83]. Cp = C1p (2.31) Fp = F1 (21/p − 1)1/2 Tp = T1p (2.32) (2.33) Der Parameter p gibt die Anzahl der Durchgänge des Lichts durch das Etalon an. Das Tandem-Fabry-Pérot-Interferometer Bei der Tandemanordnung von J. R. Sandercock [84] werden zwei Etalons mit einem Winkel von θ = 18◦ zwischen ihren optischen Achsen angeordnet. Wie in Abb. 2.7 (a) dargestellt, befindet sich jeweils der rechte Spiegel der beiden Etalons auf einem gemeinsamen Schlitten, der während des Scans in die eingezeichnete Richtung bewegt wird. Die linken Spiegel sind fest montiert. Wenn der Schlitten nach links gefahren wird, sollen beide Spiegelpaare gleichzeitig Kontakt haben. Durch diese Anordnung ergibt sich, dass die Spiegelabstände der beiden Etalons jederzeit im Verhältnis d2 /d1 = cos 18, 2◦ = 0, 95 zueinander stehen. Wenn bei einem gegebenen d1 die Interferenzbedingung (Gl. 2.19) für Licht der Wellenlänge λ0 in Etalon 1 erfüllt ist, so kann durch minimales Verschieben nur des rechten Spiegels von Etalon 2 um δd < λ0 /4 gleichzeitige Transmission durch beide Etalons erreicht werden. Da bei dem Scan der Spiegelabstände mit Hilfe des Schlittens immer auch δd2 /δd1 = 0, 95 gilt, fallen nun die Transmissionen der Etalons für die benachbarten 19 Ordnungen nicht mehr zusammen, und sind im Spektrum nur noch als schwache Ghosts“ zu sehen (Abb. 2.7 (b)). ” Das das hier verwendete Tandem-Fabry-Pérot-Interferometer (TFPI) von JRS Scientific Instruments, wird mit zwei Etalons jeweils im 3-pass betrieben. Die Transmissionsfunktion hierfür lautet " #3 " #3 1 1 T (ν) = Tmax · 1 + (2F1 /π)2 sin2 ( ∆νπν ) 1 + (2F1 /π)2 sin2 (0, 95 ∆νπν ) FSR FSR (2.34) 2.1. THEORIE UND METHODEN (a) 37 (b) R S E2 AS o Transmission d2 = d1 cos 18,2 E2 Scan E1 E1 Tandem Schlitten M d1 Schlittenposition Abbildung 2.7: (a) Tandemanordnung nach J. R. Sandercock. E1,2: Etalon1,2, M: Spiegel, d: Spiegelabstand. (b) Schematische Darstellung des Funktionsprinzips des Tandem-Fabry-Pérot-Interferometers. S: Stokes-, AS: Antistokes-, R: Rayleigh-Linie wobei hier ν, wie bei der Brillouin-Spektroskopie gebräuchlich, die Frequenzdifferenz zur Laserlinie angeben soll. Dank der integrierten Aktivdämpfung ist das Gerät unempfindlich gegen Gebäudeschwankungen und Vibrationen. Auch langsame Temperaturschwankungen von wenigen Grad Celsius stören den Betrieb des Geräts nicht, da es sich permanent mit Hilfe eines Referenzstrahls selbst stabilisiert. Die Bedienung des Geräts und die exakte Arbeitsweise der einzelnen Komponenten sind ausführlich im Handbuch des Spektrometers beschrieben [85]. Der Scan verläuft linear mit der Zeit und dauert immer 0, 5 s, unabhängig von der eingestellten Scan-Amplitude. Die vom PMT gemessenen Intensitäten werden während des Scans in die 1024 Kanäle des Vielkanalanalysators gezählt, wodurch sich die Intensität als Funktion des Spiegelabstandes und somit als Funktion der transmittierten Wellenlänge darstellen lässt. In Abb. 2.8 ist der experimentelle Aufbau zu sehen. Der Laser sowie die Anordnung der Fokussier- und Sammeloptik entsprechen weitgehend dem Aufbau mit dem Doppelgitter-Monochromator (s. S. 30). Mit Hilfe des kleinen Spiegels (7 mm Durchmesser) im kollimierten Strahlengang der Sammeloptik besteht zusätzlich die Möglichkeit in Rückstreugeometrie zu messen. Durch Vergleich mit den in 90◦ -Streugeometrie gemessenen Spektren, lassen sich so optische von akustischen Moden unterscheiden. Gleich nach dem Laser wird mit einem Strahlteiler 5 % der Leistung in den Referenzstrahl umgelenkt, der über einen Diffusor auf ein Pinhole trifft und mit einem zweiten Strahlteiler (98 % Transmission) in den regulären Strahlengang des Spektrometers geführt wird. Immer, wenn der Scan durch die Rayleigh-Linie läuft, 38 KAPITEL 2. ILS AN PROTEINKRISTALLEN M A M BS PC Verdi l0 = 532 nm P2 M PMT Pr M E2 d2 = d1 cos 18,2 o scan Pr f1 = 100 mm Pr P M P1 BS K M E1 f3 = 400 mm f2 = 100 mm Abbildung 2.8: Versuchsaufbau zu den Raman- und Brillouin-Messungen mit dem Tandem-Fabry-Pérot-Interferometer. BS: Strahlteiler (T = 95 %), A: variabler Abschwächer, M: Spiegel, Fokussierlinse mit f1 = 100 mm, Sammellinse mit f2 = 100 mm, P: Analysator, P1,2: Eintritts-/Austritts-Pinhole, S: Shutter, E1,2: Etalon1,2 , d1,2 : Spiegelabstand von Etalon1,2 , PMT: Photomultiplier, PC: Computer mit Vielkanalanalysatorkarte. Nicht gezeigt ist die Steuerung zur Justage, Stabilisierung und Aktivdämpfung des TFPI. öffnet ein Shutter-Mechanismus den Eintritt des Referenzstrahls und schließt den des Streulichts durch das Eintritts-Pinhole. Das Gerät kann so auf die konstante Intensität und Wellenlänge des Referenzstrahls stabilisieren. Das durch das Eintritts-Pinhole fokussierte Streulicht wird kollimiert und durchläuft jedes Etalon dreimal. Um eine Überlagerung eventueller, weit verschobener inelastischer Streuintensitäten (z. B. Raman-Linien oder Lumineszenz) jeder 20-ten Ordnung auszuschließen, wird das transmittierte Licht zusätzlich durch ein Prisma spektral zerlegt. Das Prisma bildet in Kombination mit der darauf folgenden Linse und dem Austritts-Pinhole einen Bandpassfilter, dessen Halbwertsbreite BFWHM durch die Größe des Austritts-Pinholes dp gegeben ist [85]: BFWHM = 500 cm−1 /mm = 15 THz/mm dp (2.35) Es stehen verschiedene Austritts-Pinholes mit dp = 200−1300 µm zur Verfügung, wodurch sich maximal BFWHM = 19, 5 THz ergibt. Im Rahmen dieser Arbeit wur- 2.1. THEORIE UND METHODEN 39 Abbildung 2.9: (a) Die Instrumentenfunktion des TFPI. Die Laserlinie wurde über den Referenzstrahl mit d1 = 0, 05 mm und einer Scan-Amplitude von 1000 nm über die Ghosts hinweg gemessen (Quadrate). Die Messung stimmt gut mit der Theoriekurve Gl. 2.34 mit einer Finesse von F = 123, 7 überein (Linie). (b) Das mit dem Doppelgitter-Monochromator (gestrichelt) und dem TFPI (Quadrate mit Linie) gemessene Spektrum einer Ne-Spektrallampe und das mit dem TFPI gemessene kontinuierliche Spektrum einer Glühlampe (durchgezogene Linie). Spex: Spaltbreiten: 100/200/100 µm, Schrittweite ∆λ = 0, 0125 nm. TFPI: Pinholes: 300/450 µm, Scan-Amplitude: 500 nm, d1 = 0, 1 mm. de nur bis ∆ν = 5, 6 THz mit dem 1300 µm Pinhole gemessen (d1 = 0, 05 mm, Scan-Amplitude = 1000 nm), wodurch sich eine Korrektur der Spektren erübrigt. Bei einer Scan-Amplitude von 1000 nm tauchen rechts und links neben der Rayleigh-Linie die Ghosts der benachbarten Ordnungen auf. Im Falle sehr starker Rayleigh-Streuung können sie ebenfalls mit dem Shutter ausgeblendet werden. Die Reflektivität der Spiegel beträgt bei λ0 = 532 nm R = 93 %. Leider gibt es keine Angaben zur Oberflächenrauigkeit der Spiegel. Aus der Reflektivität ergibt sich mit Gl. 2.21, 2.22 und 2.24 eine Finesse von F1 = 43, 3 , ein Kontrast von C1 = 759 und eine maximale Transmission von Tmax,1 = 0, 94 pro Durchgang und Spiegelpaar. Für den 6-Pass betragen diese Werte folglich (s. Gl. 2.31, 2.32, 2.33) F6 = 123, 7 , C6 = 1, 93 · 1017 und Tmax,6 = 0, 7. In Abb. 2.9 (a) ist eine Messung des Referenzstrahls bei ∆νFSR = 3000 GHz über die erste Ordnung hinaus mit den zwei Ghosts rechts und links zu sehen (Quadrate). Dies stellt die Instrumentenfunktion des TFPI dar. Die durchgezogene Linie ist ein Plot von Gl. 2.6 wobei F1 = 43, 3 gesetzt wurde und Tmax auf die höchste Intensität der Laserlinie normiert wurde. Aufgrund der weitgehenden Übereinstimmung lässt sich schließen, dass die Finesse des TFPI tatsächlich sehr nahe am theoretischen Wert von F6 = 123, 7 liegt. 40 KAPITEL 2. ILS AN PROTEINKRISTALLEN Der enorm hohe Kontrast des Geräts lässt sich nicht in vertretbarer Zeit überprüfen. Zudem dominiert die Dunkelzählrate (≈ 1 Hz) des Photomultipliers jeden Versuch den Kontrast des Spektrometers zu messen. Die Intensität der Ghosts wird ca. um einen Faktor 10−4 im Verhältnis zur Hauptlinie unterdrückt. In Abb 2.9 (b) ist ein Teil des gleichen Spektrums einer Ne-Spektrallampe wie in Abb. 2.5 (a) zu sehen (gestrichelte Kurve). Die wesentlich geringere Linienbreite des mit dem TFPI gemessenen Spektrums (Quadrate) macht die Überlegenheit des TFPI gegenüber Gitter-Spektrometern auch im THz-Bereich deutlich. Bei der horizontalen Kurve handelt es sich um die Messung des kontinuierlichen Spektrums einer Glühbirne, das in diesem kleinen Frequenzfenster weitgehend flach verläuft. Dies demonstriert die einwandfreie Funktion des Geräts auch bei, für Brillouin-Spektroskopie ungewöhnlich hohen Frequenzverschiebungen im THzBereich. Der Spiegelabstand des verwendeten TFPI kann maximal 30 mm betragen. Nach Gl. 2.29 und 2.30 beträgt der freie Spektralbereich dann ∆νFSR = 5 GHz bei einer instrumentell bedingten Halbwertsbreite von δν = 40 MHz. Eine Messung der Laserlinie (δν = 5 MHz [79]) bei diesen Einstellungen ergab jedoch eine Halbwertsbreite von δν = 84 MHz, was hauptsächlich auf die Grenzen der Stabilisierung bei so großen Spiegelabständen zurückzuführen ist. 2.1.4 Probenpräparation Die Präparation der Proteinkristalle für die inelastischen Lichtstreumessungen erfolgte in einer Glovebox bei annähernd 100 % relativer Luftfeuchtigkeit unter einem Binokular. Dies ermöglichte die erforderliche langsame und vorsichtige Vorgehensweise, ohne dass der Kristall durch schnelle Dehydratation Schaden nehmen konnte. Die Proteinkristalle wurden mit einem Teflonpodest (Durchmesser ≈ 1, 5 mm) aus dem hängenden Tropfen ausgelöst und in dessen Mitte positioniert. Umgebende Lösungsreste wurden vorsichtig mit einer Wattespitze entfernt. Das Podest wurde nun mit seinem tellerartigen Teflonboden auf ein Goniometer montiert, sodass der Kristall auf der Drehachse zu liegen kam. Nun wurde das Mittelteil mit den Fenstern der, in Abb. 2.10 (a) und (b) gezeigten Feuchtigkeitszelle auf den Teflonboden gesetzt. Die beiden Teile waren durch einen Parafinölfilm drehbar und luftdicht verbunden. Hierdurch konnte der Kristall in der Messzelle, bei der späteren Justage im Fokus des Laserstrahls, mit dem Goniometer gedreht werden, um einen optimalen Strahlengang durch den Kristall zu finden, während die Fenster der Messzelle unverändert blieben. Der obere Teil der Messzelle, ein Reservoir-Behältnis, in das diverse gesättigte Salzlösungen gefüllt werden können, wurde mit hochviskosem Silikonfett auf dem Mittelteil fixiert. Auch der Deckel der Feuchtigkeitszelle wurde mit hochviskosem Silikonfett fixiert. Der luftdichte Abschluss durch das Silikonfett ließ sich jeweils leicht durch das transparente PMMA kontrollieren. Je nach eingefüllter Salzlösung stellte sich so allmählich eine definierte relative Luftfeuchtigkeit in der Zelle ein. In Tab. 2.1 sind die verwende- 2.1. THEORIE UND METHODEN (a) 41 (b) H M D R B 100 rel. Lf. [%] (c) (d) K2SO4 KCl NaCl 80 60 Mg(NO3)2 K2CO3 MgCl2 40 20 LiCl 0 0 20 40 60 80 100 Literaturwert rel. Lf. [%] Abbildung 2.10: (a) Die Einzelteile der Feuchtigkeitszelle. D: Deckel, R: Reservoir für Salzlösungen, M: Messzelle mit Fenstern, B: Teflonboden mit dem Podest (Durchmesser ≈ 1, 5 mm) auf dem der Kristall positioniert wird, H: Hygrometer. (b) Die zusammengesetzte Feuchtigkeitszelle. (c) Ein tetragonaler HEWLysozymkristall auf dem Teflonpodest, im Fokus des Laserstrahls. (d) Hygrometer Eichkurve. Ein tetragonaler HEW-Lysozymkristall auf dem Teflonpodest, im Fokus des Laserstrahls. ten gesättigten Salzlösungen mit den zugehörigen relativen Luftfeuchtigkeiten bei T = 20◦ C [86] und dem daraus resultierenden Wassergehalt von tetragonalen Lysozymkristallen aufgelistet. Die Hydratationswerte wurden aus einer Abbildung in einer Veröffentlichung von V. N. Morozov et al. [21] abgelesen und können daher mit einem Fehler von wenigen Prozent behaftet sein. Die spezifischen Volumina wurden einer weiteren Abbildung der selben Arbeit entnommen. Die relative Luftfeuchtigkeit in der Zelle wurde mit einem Hygrometer der Firma TFA gemessen. Hierzu wurde der kapazitiv arbeitende Sensor des Gerätes in die Zelle verlegt, während die Temperatur weiterhin direkt im Gerät, also außerhalb der Zelle gemessen wurde. Dies kann zu geringen Messfehlern führen, wenn die Salzlösung eine andere Temperatur hat als die umgebende Luft. In Abb. 2.10 (d) sind die mit dem Hygrometer gemessenen relativen Luftfeuchtig- 42 KAPITEL 2. ILS AN PROTEINKRISTALLEN ges. Salzlösung LiCl MgCl2 K2 CO3 Mg(NO3 )2 NaCl KCl NaCl(6%) rel. Lf. [%] 11, 3 33, 1 43, 2 54, 4 75, 5 85, 1 96, 0 H= 100·mLös mLys 9 11 13 15 21 28 41 [% w ] spez. Volumen w h cm3 gLys i 0,89 0,94 0,96 0,99 1,11 1,19 1,24 Tabelle 2.1: Die relative Luftfeuchtigkeit über den verschiedenen gesättigten Salzlösungen [86], der sich daraus ergebende Wassergehalt H [21] und das spezifische Volumen [21] von tetragonalen HEW-Lysozymkristallen. keiten gegen die Literaturwerte der gesättigten Salzlösungen aufgetragen. Außer bei K2 SO4 liegen die Messwerte jeweils leicht über den Literaturwerten. Für sehr geringe Feuchtigkeiten weißt das Hygrometer einen extrem hohen Messfehler von 77 % auf. Da die Raumtemperatur während den Messungen T = (22 ± 1)◦ C betrug, kann davon ausgegangen werden, dass die tatsächlich herrschenden relativen Luftfeuchtigkeiten den Literaturwerten entsprachen. Mit Hilfe eines zweiten Reservoir-Behältnisses war ein Wechsel der Salzlösungen innerhalb weniger Sekunden möglich. Die Salzlösungen wurden meist nur zum nächst größeren, respektive kleineren Wert der relativen Luftfeuchtigkeit gewechselt. Nach jedem Reservoirwechsel wurde mindestens 12 Stunden gewartet, bevor die nächste Messung durchgeführt wurde. In dieser Zeit konnte sich der Feuchtigkeitsgehalt des Proteinkristalls durch Wasserdampfdiffusion so einstellen, dass er den gleichen Dampfdruck wie die Salzlösung besaß. 2.2. ERGEBNISSE 2.2 2.2.1 43 Ergebnisse Proteindynamik Dehydratationseffekte auf das Raman-Spektrum D. Garfinkel und J. T. Edsal machten im Jahre 1958 die ersten Raman-Messungen an Polyaminosäuren und Lysozym [87]. Zehn Jahre später folgten Messungen an Kristallen der Proteine Lysozym, Pepsin und α-Chymotrypsin [88]. In der Arbeit von A. B. Kudryavtsev et al. sind ausführliche, polarisationsabhängige RamanMessungen an tetragonalen HEW-Lysozymkristallen mit Frequenzverschiebungen zwischen 300 cm−1 und 3800 cm−1 zu finden [89]. Raman-Spektren von Proteinen entstehen in diesem Frequenzbereich durch ILS an den schnellen Schwingungen kleiner Untereinheiten der verschiedenen Aminosäuren des Proteins [90]. Sie bestehen aus einigen charakteristischen Linien, wie z. B. den hochfrequenten O-H und C-H Schwingungen oder den sog. Amid I- und Amid III-Banden, die aus kollektiven Schwingungen im Rückgrat resultieren (mit einem hohen Grad an C=O Streckschwingungs- und N-H Biegeschwingungscharakter). Je nach Aufbau des Proteins kommen Schwingungen von Disulfid-Brückenbindungen und der -SH Gruppen in Cystein sowie C-S Schwingungen in Cystein und Methionin hinzu. Ebenso können kollektive Schwingungen in manchen Seitenketten auftreten, z. B. der Ringstruktur in Tryptophan. Um ein vollständiges Bild von der Hydratationsabhängigkeit der Dynamik in Lysozym zu erhalten, wurden zunächst Raman-Messungen bei verschiedenen, wohl definierten Wassergehalten durchgeführt. Dies geschah mit dem in Kap. 2.1.2 vorgestellten Doppelgitter-Monochromator. Die hochfrequenten Vibrationen der kleinen Untereinheiten des Proteins werden durch das umgebende, vergleichsweise träge Wasser (mit wesentlich längeren Relaxationszeiten) kaum gedämpft. Daher ist für die hochfrequenten Raman-Linien nur eine geringe Hydratationsabhängigkeit zu erwarten. Dies bestätigen die in Abb. 2.11 (a) gezeigten Spektren. Sie wurden auf den Peak der C-H Schwingung normiert (die Spektren bei H = 21 % w w w und H = 9 % w zeigten leichte Abweichungen und wurden mit 1, 4 bzw. 0, 9 multipliziert), und die Zuordnung einiger Peaks erfolgte wie in Referenz [89]. Außer dem zu erwartenden Abfall der durch die O-H Streckschwingung verursachten Streuintensität ist nur ein leichter Anstieg des Untergrunds um ca. einen Faktor 2 zu beobachten. Dieser Anstieg könnte durch Lumineszenz erklärt werden, die durch die Bildung von Leuchtzentren aufgrund der steigenden Ionenkonzentration zustande kommen könnte. Unterhalb von 400 cm−1 beginnt der Bose-Peak. Dieser Bereich ist in Abb. 2.11 (b) nochmals vergrößert gezeigt. Im vollhydratisierten Zustand ist ein starker Rayleigh-Flügel zu sehen. Sein Ursprung liegt hauptsächlich in der quasielastischen, depolarisierenden Streuung durch das im Kristall und an dessen Oberfläche befindliche freie Wasser [29, 30]. Mit einsetzender Dehydratation ver- 44 KAPITEL 2. ILS AN PROTEINKRISTALLEN Abbildung 2.11: (a) Die mit einem Doppelgitter-Monochromator aufgenommenen Raman-Spektren eines tetragonalen HEW-Lysozymkristalls bei verschiedenen Hydratationen. Die Zuordnung der Linien erfolgte gemäß [89]. Alle Spektren wurden auf die C-H Schwingung normiert. (b) Eine Vergrößerung der Spektren im Bereich des Bose-Peaks. 2.2. ERGEBNISSE 45 liert dieser Beitrag schnell an Intensität und es bleibt der an den Proteinen und dem gebundenen Wasser quasielastisch gestreute Anteil. Dieser nimmt ebenfalls mit fortschreitender Dehydratisierung ab, und der offensichtlich hydratationsunabhängige Bose-Peak tritt immer deutlicher hervor. Dies steht in Widerspruch mit theoretischen und experimentellen Arbeiten in denen die Ursache des Bose-Peaks und der glasartigen Eigenschaften von Proteinen in der Dynamik des gebundenen Wassers gesehen wird [91, 92, 93]. K. G. Brown et al. berichteten 1972 erstmals von niederfrequenten RamanMessungen an α-Chymotrypsin in amorpher und auch in einkristalliner Form [51]. Unabhängig von der Probenpräparation fanden sie einen Peak bei 29 cm−1 , der im kristallinen Fall große Ähnlichkeit mit den Spektren in Abb. 2.11 (b) bei geringer Hydratation hat. Bei Pepsin fanden sie einen Peak bei 32 cm−1 , der bei Denaturierung durch Hitze verschwand. Daraus schlossen die Autoren, dass es sich um intramolekulare Moden handeln muss, bei der große Einheiten eines Proteins kollektiv schwingen. Diese erste Arbeit gibt schon fast den aktuellen Stand der Forschung bezüglich des Bose-Peaks aus der Sicht der ILS an Proteinen bis zum heutigen Tage wieder. In den folgenden Jahren bestätigten etliche RamanMessungen an verschiedenen Proteinen diese Ergebnisse [94]. Die Position der maximalen Intensität des Bose-Peaks variiert bei verschiedenen Proteinen zwischen 14 cm−1 und 36 cm−1 , ohne dass eine Korrelation zur Molekularmasse der Proteine gefunden wurde [52]. Die Form des Bose-Peaks lässt vermuten, dass es sich um eine Überlagerung mehrerer Moden handelt. So fitten z. B. H. Urabe et al. Spektren von tetragonalen HEW-Lysozymkristallen, wiederum ähnlich denen in Abb. 2.11 (b), mit einer Summe aus 5 harmonischen Oszillatoren und 2 Relaxationsmoden an [94]. Normalmoden-Analysen sagen jedoch einige hundert Moden mit Abständen νi − νi±1 von nur wenigen GHz in diesem Frequenzbereich voraus [43, 45, 46]. Da man sich hiermit unterhalb des Auflösungsvermögens aller bekannten Spektroskopie-Methoden befindet, ist bislang unklar, ob der BosePeak eine Feinstruktur besitzt, oder ob die Moden aufgrund ihrer Linienbreite mit evtl. δνi > |νi − νi±1 | prinzipiell nicht auflösbar sind. Wie bereits in Kap. 1.4 erwähnt wurde, fanden A. Xie et al. durch die Anregung von Vibrationszuständen in Bakteriorhodopsin bei 3, 45 THz eine natürliche Linienbreite von nur δν = 0, 3 GHz [60]. Ob diese Linienbreite als Richtwert für alle kollektiven Vibrationsmoden in verschiedenen Proteinen gelten kann ist fraglich. Entsprechend den Ergebnissen der Normalmoden-Analysen wird davon ausgegangen, dass in HEW-Lysozym lediglich die 5 langsamsten Vibrationsmoden im Bereich 100−200 GHz relativ große Abstände von 15−30 GHz besitzen. (vgl. Kap. 1.4). In diesem Frequenzbereich bieten nur Fabry-Pérot-Interferometer die erforderliche Auflösung. 46 KAPITEL 2. ILS AN PROTEINKRISTALLEN Abbildung 2.12: Ein Vergleich der Spektren zweier tetragonaler HEWLysozymkristalle im Bereich des Bose-Peaks. Das obere Spektrum wurde mit einem Doppelgitter-Monochromator und das untere mit einem Tandem-FabryPérot-Interferometer aufgenommen. Beide Kristalle waren dehydratisiert (H = w 9% w ). Das obere Spektrum wurde in Rückstreugeometrie und das untere mit einem Streuwinkel von θ = 90◦ aufgenommen. Die Spektren wurden durch Multiplikation mit einem konstanten Faktor übereinander gelegt. Der Bose-Peak mit dem TFPI gemessen Im Rahmen dieser Arbeit wurde der Bose-Peak eines Proteins erstmals mit einem TFPI vermessen. Auch bei diesen Messungen wurde die Hydratation des Kristalls w bis H = 9 % w variiert. Da die Scan-Amplitude bei von anfänglich H = 41 % w w diesen Messungen 1000 nm betrug, weisen die Spektren jeweils in der Mitte der Stokes- und Anti-Stokes Seite die sog. Geister“ des Spektrometers auf. Diese ” Bereiche wurden aus den Spektren entfernt. Ein Vergleich einer in Abb. 2.11 (b) bereits gezeigten Messung mit einem unter Einsatz des TFPI erhaltenen Spektrums ist in Abb 2.12 zu sehen. Die beiden Spektren wurden an zwei verschiedenen Lysozymkristallen bei gleicher Hydrata) aufgenommen. Sie weisen eine hohe Ähnlichkeit auf, was einen tion (H = 9 % w w Einfluss der jeweiligen Apparatefunktionen ausschließt und die Einsetzbarkeit des TFPI im THz-Bereich nochmals verdeutlicht. Wie für optische Moden zu erwarten war, zeigt sich keine Abhängigkeit vom Streuwinkel: das schwarze Spektrum 2.2. ERGEBNISSE 47 wurde unter θ = 90◦ gemessen und das rote in Rückstreugeometrie mit θ = 180◦ . Auch mit dem TFPI können nicht einzelne Moden aufgelöst werden. Ein detaillierter Vergleich der Stokes- und Anti-Stokes Seite des Spektrums ergibt keine Übereinstimmungen in der verrauschten Struktur der Bose-Peaks auf beiden Seiten. Dies ist nicht verwunderlich. Nach Gl. 2.30 beträgt die Auflösung des TFPI bei einem Spiegelabstand von 0, 05 mm nur δν = 25 GHz, während die Abstände zwischen den Vibrationsmoden nach den Vorhersagen der Normalmoden-Analysen wie gesagt nur wenige GHz betragen sollten. Dehydratationseffekte auf die niederfrequente Dynamik Zur Klärung der Frage, wie der Bose-Peak unterhalb von 10 cm−1 weiter verläuft und wo die tiefsten optischen Moden liegen, wurden polarisationsabhängige Messungen bei verschiedenen Spiegelabständen, also mit verschiedenen freien Spektralbereichen (FSR) durchgeführt: Spiegelabstand [mm] 5 0,4 0,1 0,05 FSR [GHz] 30 375 1500 3000 Auflösung δν [GHz] 0,24 3 12 25 In Abb. 2.13 sind die in Rückstreugeometrie gemessenen Spektren für verschiedene Hydratationen zu sehen. Aus der Normierung der in Abb. 2.11 gezeigten Raman-Spektren auf die Streuintensität der C-H Schwingung ergab sich, dass der Bose-Peak hydratationsunabhängig ist. Die mit dem TFPI gemessenen Spektren konnten daher auf den Bose-Peak normiert werden(, wobei der größte Korrekturfaktor 1,3 betrug). Bei Laserleistungen ≥ 20 mW wurden zum Teil Heizeffekte festgestellt, sodass die hier gezeigte Messreihe mit nur 10 mW Laserleistung durchgeführt wurde. Aufgrund der hiermit verbundenen geringen Intensität des Bose-Peaks werden im Folgenden hauptsächlich Spektren gezeigt, die ohne Analysator (VN) aufgenommen wurden. Nur die Frequenzbereiche, in denen neben den depolarisierten Intensitätsbeiträgen der quasielastischen Streuung und des Bose-Peaks auch polarisierte Beiträge durch Streuung an akustischen Phononen auftreten, werden durch entsprechende VH-Messungen ergänzt. Jedes Spektrum enthält 3 Beiträge: Die dominierenden Peaks zwischen 13 GHz und 19 GHz sind auf die Brillouin-Streuung an longitudinal akustischen Phononen (LA-Phononen) zurückzuführen. Hierauf wird im nächsten Abschnitt ausführlich eingegangen. Unter den Brillouin-Peaks liegt ein depolarisierter, quasielastisch gestreuter Intensitätsbeitrag, der bis zum Bose-Peak reicht und mit sinkendem Wassergehalt abnimmt. Da die Polarisation des Lichtes bei Brillouin-Streuung erhalten bleibt, lässt sich dieser Beitrag durch Messungen mit gekreuzten Polarisatoren (VH) um 95 % unterdrücken. (Das verbleibende Lecksignal von 5 % ist vermutlich auf 48 KAPITEL 2. ILS AN PROTEINKRISTALLEN Abbildung 2.13: Die mit dem TFPI gemessenen ILS-Spektren eines tetragonalen HEW-Lysozymkristalls bei verschiedenen Wassergehalten. Jedes Spektrum setzt sich aus drei Einzelmessungen bei verschiedenen freien Spektralbereichen zusammen. Die Spektren wurden auf den Bose-Peak normiert. Zudem sind die von Hand angepassten Potenzfunktionen IV N (ν) ∼ ν −1,07 und IV H (ν) ∼ ν −0,58 gezeigt. die doppelbrechenden Eigenschaften von tetragonalen HEW-Lysozymkristallen w zurückzuführen [19].) Für H = 41 % w und H = 9 % w sind die resultierenden w VH-Spektren mit den zugehörigen VN-Spektren in Abb. 2.14 (a) und (b) zu sehen. Die VH-Spektren wurden mit einem konstanten Faktor auf die Intensitäten der VN-Spektren im Frequenzbereich zwischen Brillouin- und Bose-Peak skaliert. In diesem Bereich zeigen die VH- und VN-Spektren den gleichen Verlauf. Dieser setzt sich im Fall der VH-Spektren mit gleicher Steigung auch im Bereich ν < νB fort. Während man für ein wassergedämpftes System erwarten würde, dass sich der Abfall der quasielastischen Streuintensität durch eine Lorentz-Funktion beschreiben lässt, können die Spektren in Abb. 2.14 besser durch ein Potenzgesetz I(ν) ∼ ν −α beschrieben werden. Dies wurde auch schon an Myoglobin mittels inelastischer Neutronenstreuung beobachtet [95]. Die in Abb. 2.13 und 2.14 gestrichelt eingezeichneten Funktionen mit den Exponenten α = −1, 07 und α = −0, 58 wurden von Hand an die VH-Spektren angepasst. Es fällt auf, dass die VN-Spektren zusätzlich einen quasielastischen Streubeitrag für Frequenzverschiebungen ν < νB aufweisen, der, wie der Brillouin-Peak, linear polarisiert ist. Ein sehr ähnliches Verhalten ist von Gläsern bekannt [96]. V. N. Novikov et al. schließen daraus, dass die harmonischen Vibrationen des Bose-Peaks 2.2. ERGEBNISSE 49 Abbildung 2.14: Die mit dem TFPI gemessenen ILS-Spektren eines tetragonalen und (b) H = 9 % w . Der Bereich der HEW-Lysozymkristalls bei (a) H = 41 % w w w quasielastischen und der Brillouin-Streuung wurde mit den Polarisatoren in VNStellung (gestrichelt) und in VH-Stellung (durchgezogen) gemessen. Der Verlauf der quasielastisch gestreuten Intensität der VH-Spektren kann durch die Potenzfunktionen IV N (ν) ∼ ν −1,07 und IV H (ν) ∼ ν −0,58 beschrieben werden. in Gläsern durch anharmonische Wechselwirkungen mit schnellen Relaxationen (z. B. thermisch aktivierte Sprünge in asymmetrischen DoppelmuldenPotentialen) gedämpft werden und dass dies der Ursprung der quasielastischen Streuintensität ist. Unter der Annahme, dass die Dämpfung der akustischen Phononen auf dem selben Prinzip beruht, wird der zusätzliche, nicht depolarisierte, quasielastische Beitrag unterhalb von νB durch Streuung an akustischen Phononen erklärt, die eine Kopplung an Relaxationsmoden aufweisen. Im Falle der Lysozymkristalle ist aus Abb. 2.13 ersichtlich, dass die quasielastisch gestreute Intensität, sowie die Linienbreite des Brillouin-Peaks (vgl. S. 55) mit sinkendem Wassergehalt abnehmen. Dies könnte mit der verringerten Dämpfung durch die Kopplung an Relaxationsmoden der schwindenden Hydrathüllen [64] erklärt werden, oder dadurch, dass die Proteine aufgrund der Dehydratisierung die nötige Flexibilität verlieren um zwischen verschiedenen benachbarten konformationellen Unterzuständen zu wechseln. Im THz-Bereich liegt schließlich der aus den vorangegangenen Abbildungen schon bekannte Bose-Peak. Wie sich herausstellt, sind im Bereich 100 − 200 GHz keine einzelnen Vibrationsmoden zu beobachten. Dies könnte damit zusammenhängen, dass die Beweglichkeit des Proteins durch den Einbau in den Kristall vermindert ist, was sich besonders bei den gesuchten langsamsten Vibrationsmoden auswirken könnte, da hier, vereinfacht gesehen, zwei starre Hälften des Proteins als ganzes gegeneinander schwingen. Der Versuch, diese Moden an einer 50 KAPITEL 2. ILS AN PROTEINKRISTALLEN Proteinlösung zu messen, scheiterte an dem starken depolarisierten, quasielastischen Streubeitrag durch das freie Wasser in diesem Frequenzbereich [29, 30]. Der Bose-Peak hebt sich erst überhalb von ca. 200 − 300 GHz vom quasielastisch gestreuten Untergrund ab. Dies entspricht dem Bereich in dem nach den Vorhersagen der Normalmoden-Analysen die Modendichte stark zunimmt (vgl. Kap. 1.4). Die Messungen mit einem FSR von 1500 GHz lieferten keine weiteren Erkenntnisse und werden daher nicht gezeigt. 2.2.2 Elastische Eigenschaften von tetragonalen HEW-Lysozymkristallen Wie in Abb. 2.13 zu sehen ist, liefert die Brillouin-Streuung an longitudinalen akustischen Phononen (LA-Phononen) einen dominierenden Beitrag zur inelastisch gestreuten Intensität. In Rückstreu-Geometrie bei qmax = 2neff k0 haben die LA-Phononen Wellenlängen von 160 − 170 nm. Auf dieser Längenskala setzen sich die elastischen Eigenschaften des Mediums aus den molekularen Eigenschaften der Proteine, der Stärke der intermolekularen Kontakte im Kristall und der Kompressibilität des ungebundenen Kristallwassers zusammen. Aufgrund der großen Gitterkonstanten, a = b = 79, 2 Å und c = 38 Å, ist die erste Brillouin-Zone (BZ) der Lysozymkristalle relativ klein im Vergleich zur BZ in anorganischen Kristallen. Der maximale Wellenvektor der streuenden Phononen ist q = 2neff k0 = 3, 7 · 107 m−1 und beträgt somit trotzdem nur 1/11-tel von 2π/c und 1/22-tel von 2π/a, den Zonengrenzen in Richtung der jeweiligen Kristallachsen. Daher kann für die beteiligten Phononen von einer konstanten Schallgeschwindigkeit vs = ω/q ausgegangen werden. Aus der Frequenzverschiebung νB des Brillouin-gestreuten Lichtes lässt sich die Schallgeschwindigkeit wie folgt bestimmen: vs = νB λ0 2 neff sin(θ/2) (2.36) Extrapoliert man die Dispersionsrelation der LA-Phononen bis zum Rand der ersten Brillouin-Zone, so erhält man eine untere Grenze für die Frequenzen der optischen Gitterschwingungen. Tatsächlich gelangt man dabei in den Bereich weniger hundert GHz. Die Phononen-Dispersionsrelation eines Kristalls mit p Atomen in der Basis besitzt 3(p−1) optische Zweige. Somit ließe sich der Bose-Peak auch als die Überlagerung der 3((8N ) − 1) optischen Phononen des Kristalls interpretieren, wobei N die Anzahl der Atome des Proteins darstellt. Da der Bose-Peak von Proteinen aber auch in amorphen Proben beobachtet wird, liegt seine Deutung als Überlagerung von intramolekularen Vibrationen näher. Im Rahmen dieser Arbeit wurde an einer Vielzahl von tetragonalen Lysozymkristallen mit verschiedenen Orientierungen Brillouin-Streuung gemessen. Bei allen vollhydratisierten Kristallen lagen die Frequenzverschiebungen unabhängig 2.2. ERGEBNISSE 51 von der Orientierung zwischen 12, 8 GHz und 13, 2 GHz in Rückstreugeometrie, was auf weitgehend isotrope elastische und optische Eigenschaften im Kristall schließen lässt. Angesichts der deutlich unterschiedlichen Gitterkonstanten a = b und c mag dieses Ergebnis verwundern. Bedenkt man jedoch, dass sich acht Proteine in der Einheitszelle befinden (s. Abb. 1.7 (b)), so ist eine annähernd isotrope Packung der Moleküle vorstellbar, die nur aufgrund der verschiedenen Orientierungen der Proteine eine Periodizität mit den entsprechenden Gitterkonstanten aufweist. Die in Abb. 2.13 gezeigten Spektren wurden in Rückstreugeometrie gemessen. Dabei wurde der Laserstrahl durch eine der {110}-Flächen in [110]-Richtung mit der Polarisation in [110]-Richtung durch den Kristall geführt. Die gemessenen akustischen Phononen propagierten somit entlang der [110]-Richtung. Ist die Schallgeschwindigkeit der longitudinalen und transversalen Phononen in einem isotropen Festkörper bekannt, so lassen sich das Elastizitätsmodul E, das Schermodul G, das longitudinale Modul M und das Kompressionsmodul K sowie die Poisson-Zahl σ wie folgt berechnen [97]: 2 M = vLA %= 2 G = vTA %= K = M− σ = E(1 − σ) (1 + σ)(1 − 2σ) (2.37) E 2(1 + σ) (2.38) 4 E G= 3 3(1 − 2σ) 1 − 2(vTA /vLA )2 2 − 2(vTA /vLA )2 (2.39) (2.40) Für den Fall anisotroper Schallausbreitung und ihre Verknüpfung mit den Elastizitätskonstanten sei hier nur auf die Arbeit von A. G. Every verwiesen [98]. Der effektive Brechungsindex und die mittlere Dichte der Kristalle Um mit Gl. 2.36 die Schallgeschwindigkeit bestimmen zu können, muss der effektive Brechungsindex neff (H) des Materials bekannt sein. Zur Bestimmung der elastischen Moduln benötigt man zusätzlich noch die mittlere Dichte %eff (H) des Kristalls. Beide Größen sind hydratationsabhängig und werden über die Volumenbrüche des Proteins ϕLys und der NaCl-Lösung ϕLös im Kristall bestimmt: neff (H) = nLös (H) · ϕLös (H) + nLys · ϕLys (H) (2.41) %eff (H) = %Lös (H) · ϕLös (H) + %Lys · ϕLys (H) (2.42) 52 KAPITEL 2. ILS AN PROTEINKRISTALLEN mit ϕLys (H) = VLys mLys = VLys + VLös (H) %Lys Vges (H) ; ϕLös = 1 − ϕLys (2.43) Im Folgenden werden die fehlenden Größen diskutiert. mLys : Vges V. N. Morozov et al. berechneten die spezifischen Volumina Vges (H)/mLys von tetragonalen HEW-Lysozymkristallen aus hydratationsabhängigen XRD-Messungen [21]. Die Tatsache, dass die Lysozymmoleküle im Kristall mit Glutaraldehyd verknüpft wurden hat nach Ansicht der Autoren keine Auswirkungen auf die Dehydratationseigenschaften des Kristalls. Die Werte können Tab. 2.1, S. 42 entnommen werden. nLös (H), %Lös (H): Sowohl der Brechungsindex als auch die Dichte der Salzlösung im Kristall ändern sich bei der Dehydratation aufgrund der zunehmenden Salzkonzentration cNaCl . Die Abhängigkeit der beiden Größen von cNaCl ist in guter Näherung linear [86]. nLös (cNaCl ) = 1, 33 + 0, 18 cNaCl %Lös (cNaCl ) = 1, 00 + 0, 76 cNaCl mNaCl 1 cNaCl = · mLys h (2.44) (2.45) (2.46) Die Konzentration cNaCl = mNaCl /mLös der Salzlösung in Abhängigkeit des Wasseranteils h = mLös /mLys ist über das feste Verhältnis der NaCl-Masse zur Lysozymmasse im Kristall gegeben. Dieses Verhältnis lässt sich aus den Anfangsbedingungen cNaCl = 0, 06 und h = 0, 41 zu mNaCl /mLys = 0, 025 bestimmen. Unklar bleibt, ob die Na+ - und Cl− -Ionen mit zunehmender Konzentration in Lösung bleiben oder verstärkt auch an die polaren bzw. geladenen Gruppen der Proteine gebunden werden. Dass die Salzlösung der Kristalle mit einer 0, 1 M Na-Azetat Pufferlösung (pH 4, 8) angesetzt wurde kann ebenfalls einen schlecht kalkulierbaren, geringen Fehler der diskutierten Größen zur Folge haben. nLys , %Lys : Die Dichte von HEW-Lysozym beträgt %Lys = 1, 42 g/cm3 [99]. Dies führt nach Gl. 2.42 zu einer mittleren Dichte der tetragonalen HEWLysozymkristalle von %eff (H = 41 % w ) = 1, 25 g/cm3 , was in guter Überw einstimmung mit der Literatur steht [100]. Die einzigen Literaturwerte zum Brechungsindex von vollhydratisierten tetragonalen HEW-Lysozymkristallen stammen von B. Cervelle et al. [19]. Sie haben den Brechungsindex mittels Reflektivitätsmessungen bei verschiedenen Wellenlängen an einer 110-Oberfläche gemessen und fanden 2.2. ERGEBNISSE 53 Abbildung 2.15: (a) Die Frequenzen der LA-Brillouin-Linien zweier tetragonalen HEW-Lysozymkristalle in Abhängigkeit der relativen Luftfeuchtigkeit und (b) in Abhängigkeit des Wassergehalts der Kristalle in Rückstreugeometrie. (c) Die daraus bestimmte Schallgeschwindigkeit und (d) das Elastizitätsmodul unter Verwendung des Wertes σ = 0, 32 für die Poisson-Zahl. [100] [001] neff (540 nm) = 1, 578 und neff (540 nm) = 1, 583. Die geringe Doppelbrechung von ∆n = 0, 005 wird aufgrund des isotropen Ansatzes bei der Bestimmung der Schallgeschwindigkeiten und der elastischen Moduln vernachlässigt und neff = 1, 58 gesetzt. Mit diesem Wert und Gl. 2.41 ergibt sich somit ein Brechungsindex für Lysozym von nLys = 1, 75. Da schwer abzuschätzen ist, wie verlässlich die gemachten Abschätzungen und Annahmen wirklich sind, wird auf eine Fehlerangabe für die im nächsten Abschnitt bestimmten Größen verzichtet. Die Schallgeschwindigkeit Aus den Frequenzverschiebungen νB (Abb. 2.15 (a) und (b)) der in Abb. 2.13 gezeigten Spektren lässt sich nun mit Gl. 2.36 die Schallgeschwindigkeit der LA-Phononen berechnen. Das Ergebnis ist in Abb. 2.15 (c) in Abhängigkeit der Hydratation des Kristalls gezeigt (volle Quadrate). Bei voller Hydratation beträgt vLA = 2227 m/s. Dieser Wert steigt infolge der Dehydratisierung des 54 KAPITEL 2. ILS AN PROTEINKRISTALLEN Kristalls monoton auf vLA = 3043 m/s an. Bei der anschließenden Rehydratisierung geht vLA zwar wieder genau auf den Ausgangswert zurück, der Zyklus zeigt jedoch eine auffällige Hysterese. Auch wenn die Dehydratisierung des Kristalls w vollzogen wird, ist der Effekt noch deutlich ausgeprägt. Bei nur bis H = 21 % w w H = 28 % w (85, 1 % rel. Lf.) streuen die Werte auffällig stark, was auf metastabile Eigenschaften in diesem Bereich hindeutet. Dies hängt sehr wahrscheinlich mit dem reversiblen, strukturellen Übergang bei tetragonalen Lysozymkristallen zusammen, der durch den plötzlichen Verlust von Kristallwasser bei einer relativen Luftfeuchtigkeit von ca. 88 % verursacht wird [36, 101, 102, 4]. XRD-Messungen zeigen bei dieser Luftfeuchtigkeit einen abrupten Abfall der Gitterkonstanten c von 38 Å auf ca. 34 Å. Gleichzeitig verringert sich die Auflösung und die Mosaizität steigt an [103]. In Kap. 3.2.1 wird dieser Effekt nochmals anhand von XRD-Messungen belegt. Bei dem strukturellen Übergang handelt es sich um eine Änderung der Gitterstruktur und nicht um innermolekulare Umordnungen. Daraus wird nochmals deutlich, dass die aus der Brillouin-Streuung am Proteinkristall gewonnenen elastischen Moduln und Schallgeschwindigkeiten nicht nur die molekularen Eigenschaften des Proteins an sich beinhalten, sondern auch die Eigenschaften des Kristallverbands mit den intermolekularen Kontakten und der Kompressibilität des ungebundenen Wassers. Die in Abb. 2.15 mit offenen Quadraten dargestellten Messungen beziehen sich auf eine vergleichbare Versuchsreihe mit einem anderen Kristall. Der Laserstrahl wurde sowohl in Rückstreugeometrie als auch unter einem Streuwinkel von 90◦ durch eine {110}-Fläche in [110]-Richtung mit der Polarisation in [001]-Richtung durch den Kristall geführt. Die am Streuprozess beteiligten Phononen propagierten bei der 90◦ -Anordnung in [100]-Richtung und bei der 180◦ -Anordnung in [110]-Richtung. Der hydratationsabhängige Verlauf von vLA dieses Kristalls, stimmt gut mit der Kurve des oben beschriebenen Kristalls überein. Lediglich im Bereich des strukturellen Übergangs bei H = 21 % w gibt es deutliche w Abweichungen. Leider wurde dieser Kristall nicht wieder rehydratisiert. Im Gegensatz zur Rückstreugeometrie kann bei einem Streuwinkel von θ = 90◦ auch Streuung an transversal akustischen Phononen (TA-Phononen) auftreten. Tatsächlich zeigen die Messungen mit θ = 90◦ solch einen Peak, der jedoch erst bei starker Dehydratisierung zum Vorschein kommt. Abb. 2.16 zeigt zwei bei H = 9% w gemessene Spektren. Das obere entstand mit VN- und das untere w in VH-Anordnung, wodurch die am LA-Phonon gestreute Intensität um ca. einen Faktor 0, 01 unterdrückt wird und die am TA-Phonon gestreute Intensität deutlicher hervortritt. Wie man es für akustische Phononen erwartet, liegt die Frequenzverschiebung um den Faktor sin(90◦ /2) niedriger als in Rückstreugeometrie. Das LA-Phonon erzeugt eine Verschiebung um νLA (90◦ ) = 13, 6 GHz und die des TA-Phonons beträgt νTA (90◦ ) = 7, 0 GHz. Dies ist die erste Messung eines transversalakustischen Phonons in einem Proteinkristall. 2.2. ERGEBNISSE 55 Abbildung 2.16: Zwei unter einem Streuwinkel von θ = 90◦ gemessene Spektren w eines dehydratisierten tetragonalen HEW-Lysozymkristalls (H = 9 % w ). In der VH-Stellung des Analysators wird der LA-Peak geschwächt und der TA-Peak tritt deutlicher hervor. Das Elastizitätsmodul und die Poisson-Zahl Aus dem Verhältnis der Frequenzverschiebungen in Abb. 2.16 lässt sich die Poisson-Zahl nach Gl. 2.40 zu σ = 0, 32 berechnen, was einen für Polymere typischen Wert darstellt [104]. Geht man davon aus, dass σ nicht vom Wassergehalt abhängt, so lässt sich nun auch das Elastizitätsmodul berechnen. Dessen Verlauf in Abhängigkeit vom Wassergehalt ist in Abb. 2.15 (d) gezeigt. Im vollhydratisierten Kristall beträgt E = 4, 4 GPa und steigt mit fortschreitendem Wasserentzug w , was in etwa dem elastischen Verhalten von Eis bei auf 9, 0 GPa bei H = 9 % w ◦ T = −4 C entspricht (EEis = 9, 9 GPa, σEis = 0, 33). Die Lebensdauer der LA-Phononen Aufgrund der zunehmenden Steifigkeit des Gitters und der schwindenden Dämpfung durch freies Kristallwasser nimmt die Halbwertsbreite der LA-Peaks in Abb. 2.13 von δνB = (2, 87 ± 0, 03) GHz bei vollständiger Hydratisierung auf δνB = (0, 67 ± 0, 004) GHz bei H = 9 % w ab. Die Halbwertsbreiten wurden durch w Abzug des quasielastischen Beitrags und den anschließenden Fit einer LorentzFunktion bestimmt. 56 KAPITEL 2. ILS AN PROTEINKRISTALLEN Die eigentlich erforderliche Entfaltung mit der Instrumentenfunktion wird im Folgenden nur durch Abzug der Linienbreite des Referenzsignals von δν = 0, 20 GHz vereinfacht berücksichtigt. Ein geringer Beitrag zur Linienbreite stammt vom Akzeptanzwinkel der Sammeloptik, der ca. 14◦ beträgt. In Rückstreugeometrie werden somit Streuwinkel von 173◦ − 187◦ gemessen. Hierdurch verbreitern sich die Peaks um einen Faktor νB (1 − sin (173◦ /2)), was in der Messung bei H = 41 % w einen Beitrag von w w 0, 025 GHz und bei der Messung mit H = 9 % w von 0, 036 GHz macht. Die Lebensdauer [78] 1 τLA = (2.47) 2π δνB der beteiligten Phononen ergibt sich schließlich zu τLA = 60 ps bei H = 41 % w w und τLA = 367 ps bei H = 9 % w . Inwiefern sich dieser Wert mit der durch w Pump-Probe Experimente gemessenen Lebensdauer τ = 500 ps von kollektiven Vibrationen in Bakteriorhodopsin im THz-Bereich vergleichen lässt, ist schwierig zu beurteilen [60]. Brillouin-Streuung an Kristallen weiterer Proteine Im Rahmen dieser Arbeit wurden auch Brillouin-Messungen an Kristallen einiger anderer Proteine als HEW-Lysozym durchgeführt. Dabei ergaben sich Frequenzverschiebungen von 10, 5 GHz bis 13, 0 GHz. Protein Lysozym Myoglobin Thermolysin FhuA ProX Glycinoxidase Glucose Isomerase Frequenzverschiebung [GHz] 13,2 13,0 11,8 11,7 11,5 10,6 10,5 Alle Angaben beziehen sich auf Messungen in Rückstreugeometrie an vollständig hydratisierten Kristallen. Geht man von vergleichbaren Brechungsindizes und Dichten der verschiedenen Proteinkristalle aus, so ergibt sich die gleiche Reihenfolge für die elastischen Eigenschaften der Proteinkristalle. Eine eindeutige Korrelation mit den mir nur zum Teil bekannten Größen wie den Molekulargewichten, B-Faktoren, Einheitszellenvolumina, Auflösung etc. konnte nicht festgestellt werden. Ein Vergleich mit der Literatur In der Literatur sind bereits einige Angaben zur Schallgeschwindigkeit und den elastischen Konstanten in tetragonalen HEW-Lysozymkristallen zu finden. 2.2. ERGEBNISSE 57 Die erste Brillouin-Messung an einem Proteinkristall veröffentlichten C. L. Caylor et al. im Jahr 2001 [105]. Die Autoren beschränkten sich jedoch auf Messungen im Frequenzbereich unter 20 GHz bei angeblich vollständiger Hydratation. Es wurde weder der quasielastische Untergrund betrachtet, noch wurde die Lücke zum Bose-Peak im THz-Bereich geschlossen. Die Autoren berichten von Frequenzverschiebungen von νB = 12, 6 GHz in Rückstreugeometrie und 15 GHz in der sogenannten 90◦ -R Geometrie. Diese Werte liegen für vollständig hydratisierte Kristalle zu hoch und die Zuordnung zu den Streugeometrien widerspricht dem Zusammenhang νB ∼ sin(θ/2). Zur Auswertung wurde ein Brechungsindex von n = 1, 62 benutzt, über die veranschlagte Dichte der Kristalle wurden keine Angaben gemacht. Damit erhalten die Autoren eine zusammengesetzte elastische 2 in [110]-Richtung [98] (was im isotropen Fall Konstante c11 + c12 + 2c66 = % vLA Gl. 2.37 entspricht), deren Werte von 6, 2 GPa bis 12, 6 GPa reichen. V. N. Morozov et al. fanden für das E-Modul in [001]-Richtung Werte von E(h = 0, 42) = 1 GPa bis E(h = 0, 05) = 8 GPa [21, 101]. Die Bestimmung des E-Moduls erfolgte über die Messung von transversalen Resonanzvibrationen der mit Glutaraldehyd getränkten Kristalle im kHz-Bereich [106]. M. Tachibana et al. führten Ultraschall-Puls-Echo-Messungen im 1 − 25 MHzBereich durch und fanden, unabhängig von der Frequenz, eine Schallgeschwindigkeit der LA-Phononen von 1817 m/s in [110]-Richtung [107]. Mit den Annahmen σ = 0, 33 und % = 1, 21 g/cm3 schätzen sie das E-Modul im isotropen Fall mit E = 2, 7 GPa ab. Nach der unkontrollierten Dehydratation der Kristalle an Luft erhöhte sich die Schallgeschwindigkeit auf 2900 m/s, was dann E = 6, 9 GPa ergab [108]. In der Literatur sind auch Untersuchungen zu den elastischen Eigenschaften der Kristalle anderer Proteine [109], sowie zu Lysozymkristallen mit anderen Kristallsymmetrien zu finden. Ohne auf Details eingehen zu wollen sei hier nur erwähnt, dass dort ähnliche elastische Eigenschaften mit ähnlichen Abhängigkeiten vom Wassergehalt gefunden wurden; dazu sei auf die umfangreichen Arbeiten von V. N. Morozov verwiesen. Der tetragonale HEW-Lysozymkristall stellt sich im Vergleich meist als das System mit dem höchsten E-Modul heraus. Temperaturabhängigkeit der elastischen Eigenschaften Zuletzt seien in diesem Kapitel noch erste Testmessungen zum Thema des glasartigen Verhaltens von Proteinen bei tiefen Temperaturen gezeigt. Hierzu wurden erstmals Brillouin-Messungen an einem Proteinkristall bei tiefen Temperaturen durchgeführt. Aufgrund der Unvollständigkeit der Ergebnisse, soll lediglich die Anwendbarkeit der Brillouin-Streuung zur Erforschung des Glasüberganges“ bei ” T ≈ 200 K demonstriert werden, ohne jedoch in den aktuellen Stand der Wissenschaft eingeordnet zu werden (s. z. B. [110, 95, 42]). Ein tetragonaler HEW-Lysozymkristall wurde, nach mehrtägiger Dehydratation an Luft, in einem Cryodyne Refrigeration System Modell 21“ der Firma ” 58 KAPITEL 2. ILS AN PROTEINKRISTALLEN Temperatur [K] Frequenz [GHz] 0 5 10 15 20 25 0 (a) 50 100 150 200 250 300 (b) 21,0 20,0 271,5 K 19,5 19,0 (c) 211,5 K 5000 4000 181,5 K 3000 Kristall Nr. 4 rel. Lf.: 0% Streuwinkel: 180° Polarisation: VN Laserleistung: 10 mW Messzeit: 10 min Scanamplitude: 500 nm Spiegelabstand: 4 mm Pinholes: 300/450 µm 151,5 K 121,5 K 91,5 K (d) 2000 1000 IStokes [willk. Einh.] log Intensität [willk. Einh.] 241,5 K Frequenz [GHz] 20,5 301.5 K 0,70 0,65 0,60 0,55 31,0 K 0,50 0,45 13,0 K FWHM [GHz] 61,5 K 0,40 0 5 10 15 Frequenz [GHz] 20 25 0 50 100 150 200 250 300 Temperatur [K] Abbildung 2.17: (a) Bei verschiedenen Temperaturen aufgenommene BrillouinSpektren eines vollständig dehydratisierten tetragonalen HEW-Lysozymkristalls. (b) Die Frequenzverschiebung des LA-Peaks, (b) die maximale Intensität des Peaks und (c) seine Halbwertsbreite in Abhängigkeit der Temperatur. CTI-Cryogenics auf einer Aluminiumspitze platziert. Er befand sich ungeschützt im Vakuum der Probenkammer (p ≈ 10−3 mbar), weshalb von einer maximalen Dehydratation bei Raumtemperatur ausgegangen werden kann (h ≤ 0, 09). Einige andere Kristalle nahmen bei dieser Prozedur so starken Schaden, dass sie nicht vermessen werden konnten. Dies wirft die Frage einer verbesserten Probenpräparation für optische Messungen im Vakuum auf bzw. legt den Einsatz eines Stickstoff-Kühlers (z. B. Oxford 600 Series Cryostream) nahe. Abb. 2.17 (a) zeigt die Anti-Stokes-Linie der bei Temperaturen zwischen 13, 5 K und 301, 5 K aufgenommenen Brillouin-Spektren. Das Intensitätsverhält- 2.2. ERGEBNISSE 59 Abbildung 2.18: Das mittlere Verschiebungsquadrat der Atome in einem dehydratisierten HEW-Lysozymkristall, berechnet aus den in Abb. 2.17 gezeigten Daten, nach dem Modell von C. Edwards [109]. Die Steigung der linearen Fits beträgt 2 2 3 · 10−5 Å /K unterhalb T = 150 K und 4, 3 · 10−5 Å /K über 210 K. Die nicht ausgefüllten Datenpunkte wurden nicht in die Fits miteinbezogen. Der offene Kreis gibt den Wert eines vollhydratisierten Kristalls bei Raumtemperatur wieder. Die gestrichelte Gerade von der Übergangstemperatur T ≈ 200 K zu diesem Punkt 2 wurde von Hand gezogen und besitzt eine Steigung von 1, 2 · 10−4 Å /K. nis zur nicht gezeigten Stokes-Linie beträgt IAS /IS = 0, 930 bei T = 13, 5 K, in guter Übereinstimmung mit der Theorie (Gl. 2.10 liefert IAS /IS = 0, 926). In Abb. 2.17 (b), (c) und (d) sind die Werte der Frequenzverschiebung, die Intensitäten und die Halbwertsbreiten der Stokes-Linie in Abhängigkeit der Temperatur gezeigt. Alle Größen zeigen leichte Änderungen der vorherigen Tendenzen im Bereich von 150 K bis 200 K. Bei Temperaturen über T ≈ 200 K wird in der Literatur von einem verstärkten Anstieg des mittleren Verschiebungsquadrates der Atome im Protein mit der Temperatur berichtet (vgl. S. 17). Dieser Effekt wird mit sinkendem Wassergehalt schwächer [111]. Daher ist bei Brillouin-Messungen an Kristallen mit höherem Wassergehalt ein wesentlich stärkerer Effekt zu erwarten, als bei den hier gezeigten Messungen. Da die Zustandsdichte akustischer Phononen in Proteinkristallen nicht bekannt ist, lässt sich deren Beitrag auf die mittleren Verschiebungsquadrate nicht eindeutig aus der Messung der Schallgeschwindigkeit bei nur einer Frequenz bestimmen. C. Edwards und S. B. Palmer machten einen einfachen harmonischen Ansatz, in den nur Schwerpunktsbewegungen der Proteine im Kristall und keine Dispersion der Schallgeschwindigkeit eingeht [109]. Über das Äquipartitionsgesetz und der Annahme, dass die Anzahl an Wellenvektoren in jedem Volumenelement 60 KAPITEL 2. ILS AN PROTEINKRISTALLEN der ersten Brillouin-Zone gleich ist, gelangten sie zu folgendem Ausdruck: ¶ µ 2 kB n2eff 6 π 2 T 2 hu iakust = (2.48) π 2 % λ20 VEZ νB2 hu2 iakust,ges = hu2 iLA + 2 hu2 iTA (2.49) Der Vergleich der mit Brillouin-Streuung und mit Ultraschall Puls-Echo Messungen erhaltenen Schallgeschwindigkeiten in Lysozymkristallen (s. o.) macht deutlich, dass die Annahme der Dispersionsfreiheit nicht zutrifft. In Abb. 2.18 sind dennoch die mit diesem Ansatz bestimmten mittleren Verschiebungsquadrate gezeigt. Es werden exakte Werte gegeben, die wegen der Einfachheit des zugrunde gelegten Modells jedoch nur rein qualitativ verstanden werden sollten. Für neff , VEZ und % wurden die im oberen Abschnitt bestimmten Werte bei H = 9% w benutzt (Quadrate). Zudem wird der Raumtemperaturwert von hu2 iges w eines vollständig hydratisierten Kristalls gezeigt (offener Kreis). Die Steigung der 2 ausgefüllten Datenpunkte wurden durch zwei lineare Fits zu 3 · 10−5 Å /K un2 terhalb T = 150 K und 4, 3 · 10−5 Å /K über 210 K bestimmt. Wird diese Temperaturreihe an einem vollständig hydratisierten Kristall durchgeführt, so sollte sie ab ca. 200 K zu dem als offener Kreis dargestellten Datenpunkt führen. Die 2 Steigung der Kurve würde dann ca. 1, 2 · 10−4 Å /K betragen. In Kap. 3 wird anhand der mittleren B-Faktoren von XRD-Messungen gezeigt, dass die mittleren Verschiebungsquadrate der Atome in HEW-Lysozym bei 2 Raumtemperatur ca. 1 Å im Durchschnitt betragen. 2.3 Diskussion und Ausblick Wie sich gezeigt hat, ist der harmonische Anteil der intramolekularen Vibrationen in tetragonalen HEW-Lysozymkristallen aus Sicht der inelastischen Lichtstreuung weitgehend hydratationsunabhängig, während diffusive Moden und Relaxationsmoden im Kristall mit fortschreitender Dehydratisierung deutlich abnehmen. Für ein vollständiges Verständnis des Zusammenspiels von harmonischen Vibrationsmoden mit anharmonischen bis diffusiven Bewegungen des Proteins bei Konformationsänderungen und der Dynamik des gebundenen Wassers, könnten weitere Lichtstreu-Experimente sehr hilfreich sein. Gelänge es mit dem TFPI temperaturabhängige Messungen bei verschiedenen Hydratationen über den gesamten niederfrequenten Spektralbereich (GHz-THz) durchzuführen, so ließe sich z. B. der quasielastisch gestreute Intensitätsbeitrag mit dem glasartigen Übergang bei T ≈ 200 K in Verbindung bringen. Zudem besteht die Möglichkeit, dass bei tiefen Temperaturen (aufgrund der reduzierten thermischen Verbreiterung und aufgrund der eingefrorenen Dynamik des gebundenen Wassers) einzelne Moden des Bose-Peaks messbar werden. 2.2. ERGEBNISSE 61 Ein weiteres sehr interessantes Experiment könnte den Grad der Kopplung der niederfrequenten Vibrationsmoden beleuchten. Mittels Raman-Messungen unter gleichzeitiger Einstrahlung von schmalbandiger THz-Strahlung müsste bei resonanter Absorption der Strahlung eine Intensitätserhöhung des Bose-Peaks bei der eingestrahlten Frequenz beobachtbar sein. Am deutlichsten müsste sich dieser Effekt bei tiefen Temperaturen auf der Anti-Stokes Seite des Spektrums zeigen. Die Breite der Intensitätserhöhung würde Aufschluss über die Stärke der Kopplung der Vibrationsmoden geben. Zudem wäre eine derartige Beobachtung ein vielversprechendes Zeichen dafür, dass mittels THz-Strahlung Konformationsübergänge im Protein induzierbar sind. Erste Test-Experimente in dieser Richtung wurden noch im Rahmen dieser Arbeit an der THz-beamline [112, 113] von BESSY II in Berlin durchgeführt. Dort stand gepulste, breitbandige THz-Strahlung mit dem Intensitätsmaximum bei 250 − 800 GHz und einer mittleren Leistung von ca. 3 mW zur Verfügung. Mit dem in Kap. 2.1.2 beschriebenen Doppelgitter-Monochromator wurden RamanMessungen an tetragonalen HEW-Lysozymkristallen bei T = 5 K mit gleichzeitiger THz-Bestrahlung durchgeführt. Aufgrund großer Schwierigkeiten bei der Kühlung der Kristalle reichte die zur Verfügung stehende Zeit leider nicht aus um alle geplanten Messungen durchführen zu können. Da aus den wenigen, zum Teil noch unverstandenen Spektren keine klaren Aussagen gemacht werden können, sei hier nur gesagt, dass eine wesentlich leistungsstärkere Strahlungsquelle für kommende Messungen von großem Vorteil wäre. 62 KAPITEL 3. XRD UND MIKROWELLENBESTRAHLUNG Kapitel 3 Röntgenbeugung und Mikrowellenbestrahlung Die Ergebnisse von Kap. 2 weisen in Übereinstimmung mit der Theorie darauf hin, dass der Frequenzbereich der kollektiven Vibrationsmoden in Proteinkristallen i. Allg. zwischen ca. 200 GHz und wenigen THz liegt. Da in diesem Frequenzbereich aber noch keine leistungsstarke Quelle ohne weiteres zur Verfügung steht, stellt sich die Frage, ob sich nicht doch auch unterhalb des Resonanzbereiches, mittels technisch ausgereifter Mikrowellentechnik an die Proteindynamik koppeln lässt und somit evtl. Konformationsänderungen von Proteinen induziert werden könnten. Mit dem Ziel vor Augen, die Beugungseigenschaften schlecht beugender Proteinkristalle hierdurch zu verbessern, wurde im Rahmen dieser Arbeit erstmals Röntgenbeugung an Proteinkristallen unter gleichzeitiger Mikrowellenbestrahlung durchgeführt [8]. Im Fall der gut beugenden tetragonalen HEW-Lysozymkristalle war es somit erstmals möglich, die Frage der Kopplung von Mikrowellen an Proteindynamik auf atomarer Ebene zu untersuchen. Die technische Umsetzung dieser Messungen konnte durch eine neuartige Modifikation eines slab-line Wellenleiters realisiert werden [9]. 3.1 3.1.1 Theorie und Methoden Einführung in die Röntgenstrukturanalyse Max von Laue entdeckte im Jahre 1912, dass Röntgenstrahlung durch Kristalle gebeugt wird, wodurch nicht nur ein weiteres Indiz für die Wellennatur der Strahlung gefunden war, sondern auch erstmals experimentell belegt war, dass ein Kristall aus einer periodischen Anordnung von Gitterbausteinen besteht. Seitdem hat sich die Röntgenstrukturanalyse zu einem mächtigen Werkzeug in der Festkörperforschung entwickelt und mit der Röntgenbeugung an Proteinkristallen auch in dem Bereich der Strukturbiologie eine zentrale Rolle eingenommen. 63 64 KAPITEL 3. XRD UND MIKROWELLENBESTRAHLUNG Seit der Strukturbestimmung von Myoglobin im Jahre 1960 [114] gelang inzwischen die Aufklärung unzähliger Proteinstrukturen. Dies gelang nicht zuletzt auch Dank der rasanten Entwicklung leistungsstarker Computer, deren Einsatz bei der aufwendigen Verarbeitung der großen Datenmengen unverzichtbar wurde. In diesem Abschnitt wird eine kurze Wiederholung der wichtigsten Begriffe und Zusammenhänge bei der Röntgenstrukturanalyse gegeben und die im Ergebnisteil benutzten Größen definiert. Einen guten Überblick zum Thema Röntgenstrukturanalyse von Proteinen geben unter anderem die Bücher von G. Rhodes und J. Drenth [115, 116]. Kristallstrukturen Wie aus der Festkörperphysik bekannt, ist auch ein Proteinkristall durch die Struktur seines Raumgitters und durch seine Basis festgelegt. Die Basis kann aus mehreren Proteinen bestehen und Punktsymmetrien besitzen, die ihre Zusammensetzung auf so genannte asymmetrische Einheiten (ASU) reduziert. Die 14 verschiedenen Raumgitter (Bravais-Gitter) lassen sich mit den 32 Punktgruppen zu 230 verschiedenen Raumgruppen kombinieren. Bei Proteinen reduziert sich diese Zahl auf 65 Kristallstrukturen, da nur L-Aminosäuren vorkommen und somit Spiegelung und Inversion als Symmetrieoperationen ausscheiden. Im Folgenden werden die in der Kristallographie üblichen Bezeichnungen verwendet. Die Translationen im realen und reziproken Gitter lauten: ~ = n1~a1 + n2~a2 + n3~a3 R ~ = h1~b1 + h2~b2 + h3~b3 G ni = 1, 2, 3 . . . (3.1) hi = 1, 2, 3 . . . (3.2) wobei die primitiven Translationen des reziproken Gitters ~bi über Kreuzprodukte durch die primitiven Translationen des realen Gitters ~ai bestimmt sind, sodass ~ai · ~bk = 2πδik gilt. ~b1 = ~a2 × ~a3 ; VZ ~b2 = ~a3 × ~a1 ; VZ ~b3 = ~a1 × ~a2 VZ (3.3) VZ ist das Volumen der Elementarzelle des realen Gitters: VZ = ~a1 · (~a2 × ~a3 ) (3.4) a, b und c stehen für die Gitterkonstanten entlang der Kristallachsen ~a, ~b, ~c und spannen die Einheitszelle auf. Netzebenen sind durch die Millerschen Indizes (hkl) gekennzeichnet und besitzen den Abstand: dhkl = 2π |h~b1 + k~b2 + l~b3 | (3.5) 3.1. THEORIE UND METHODEN 65 (b) (a) k k0 k G 2q q q k0 q dhkl sin q dhkl Abbildung 3.1: (a) Bragg-Beugung an den Netzebenen (hkl) eines Kristalls. (b) Grafische Darstellung der Laueschen Gleichungen mit Hilfe der Ewald-Kugel im reziproken Gitter. ~k0 : Wellenvektor der einfallenden Welle, ~k: Wellenvektor der ~ reziproker Gittergestreuten Welle, θ: Glanzwinkel, dhkl : Netzebenenabstand, G: vektor Bragg-Beugung und die Ewald-Kugel Trifft eine elektromagnetische Welle auf einen Kristall, so regt sie die Elektronen der Atome zu erzwungenen Schwingungen an. Die schwingenden Elektronen senden wiederum Sekundärwellen aus. Diese Sekundärwellen, die bei elastischer Streuung die gleiche Wellenlänge und einen festen Phasensprung besitzen, interferieren miteinander. Liegt die Wellenlänge in der Größenordnung der Gitterkonstanten bzw. Atomdurchmesser, wie bei der Röntgenbeugung, so können die ausgesendeten sekundären Röntgenstrahlen der einzelnen Elektronen einen Gangunterschied aufweisen, der zu den typischen Beugungsmustern führt. Die anschaulichste Erklärung der Richtungsabhängigkeit der Beugung von Röntgenstrahlen an Kristallen ist durch die Reflexion der ebenen elektromagnetischen Welle mit dem Wellenvektor ~k0 = 2π/λ ·~s0 an vielen parallelen Gitterebenen mit dem Abstand dhkl gegeben (Abb. 3.1 (a)). Nur für bestimmte Glanzwinkel θ beträgt der Gangunterschied ein ganzzahliges Vielfaches der Wellenlänge, sodass die Sekundärwellen unter diesem Winkel in großer Entfernung vom Kristall konstruktiv interferieren. Dies führt direkt zur Braggschen Reflexionsbedingung [117]: 2dhkl sin θ = nλ n = 1, 2, 3 . . . (3.6) Die kleinsten messbaren Abstände dmin hängen somit vom größtmöglichen Streuwinkel und der benutzten Wellenlänge ab. Maximal beträgt 2θ = 180◦ , woraus sich dmin = λ/2 ergibt. Äquivalent zur Braggschen Reflexionsbedingung ist die Formulierung durch die Laueschen Gleichungen, die sich zu einem einfachen Zusammenhang zwischen dem Wellenvektor des einfallenden Strahls ~k0 und dem des gebeugten Strahls ~k 66 KAPITEL 3. XRD UND MIKROWELLENBESTRAHLUNG bei konstruktiver Interferenz zusammenfassen lassen: ~k − ~k0 = G ~ = n(h~b1 + k~b2 + l~b3 ) n = 1, 2, 3, . . . (3.7) ~ ist ein reziproker Gittervektor, der senkrecht auf der Netzebene (hkl) steht. G Dies ist in Abb. 3.1 (b) anhand der Ewald-Kugel im 2-dimensionalen Fall verdeutlicht. Legt man den Endpunkt von ~k0 in einen reziproken Gitterpunkt und zieht dann einen Kreis mit dem Radius |~k0 | um den Aufpunkt des Wellenvektors, so erhält man die Ewald-Kugel. Alle weiteren reziproken Gitterpunkte, die hierbei ebenfalls auf der Ewald-Kugel zu liegen kommen, geben die Richtung des Wellenvektors ~k eines gebeugten Strahls bei konstruktiver Interferenz an. Bei der Herleitung dieses Zusammenhangs wird ebenfalls der Gangunterschied zwischen den Sekundärwellen von Atomen der verschiedenen Gitterpositionen betrachtet [118]. Der Strukturfaktor Der Aufbau der Basis eines Gitterbausteins und das Streuvermögen der einzelnen Atome wurden bisher nicht betrachtet. Sie sind jedoch, neben der Temperatur, für die relativen Intensitätsverhältnisse der gebeugten Strahlen verantwortlich. Will man eine vollständige Beschreibung, so muss man die Phasenunterschiede der Sekundärwellen aller Elektronen berücksichtigen, d. h. man muss phasengewichtet über die Elektronendichteverteilung in der Elementarzelle integrieren. So gelangt man schließlich zum Strukturfaktor, dessen Betragsquadrat proportional zur Intensität eines Reflexes ist. Z ~ Fhkl = %(~r)eiG·~r dV (3.8) VZ Z %(~r)e2πi(hx+ky+lz) dxdydz = (3.9) VZ Ihkl ∼ |Fhkl |2 (3.10) ~r = x~a1 + y~a2 + z~a3 ist der Ortsvektor vom Bezugspunkt (ein beliebiges Atom der Basis) zu einem Volumenelement dV in der Elementarzelle. Somit erhält man die Elektronendichteverteilung in der Elementarzelle, wenn man die Strukturfaktoren Fhkl Fourier-transformiert. Aufgrund der diskreten (hkl)Werte ergibt sich die Summe: %(~r) = 1 X Fhkl e−2πi(hx+ky+lz) VZ h,k,l (3.11) Zerlegt man den Ortsvektor ~r in die Vektoren ~ri , zum Zentrum eines Basisatoms, und ~re , vom Zentrum des Atoms zu einem Volumenelement seiner Elektronenhülle, so lässt sich der Strukturfaktor mit dem atomaren Streufaktor (auch: 3.1. THEORIE UND METHODEN 67 Atomformfaktor) fi folgendermaßen umschreiben: X ~ Fhkl = fi eiG·~ri Z (3.12) i ~ %i (~re )eiG·~re dV fi = (3.13) Der atomare Streufaktor eines Atoms wäre gleich seiner Ordnungszahl Z, wenn dessen Elektronen nicht gebunden, sondern frei wären. Aufgrund der gebundenen Zustände der Hüllenelektronen ist sein Wert erniedrigt. Da bei der Bindung eines Atoms nur wenige Valenzelektronen beteiligt sind, haben die chemischen Verhältnisse nur geringen Einfluss auf den atomaren Streufaktor. Seine Werte sind für die verschiedenen Elemente in Tabellen erfasst. Für Wasserstoffatome (mit nur einem Hüllenelektron), ist der atomare Streufaktor so gering, dass dieses Element bei der Röntgenstrukturanalyse in der Regel nicht aufgelöst werden kann. Der Debye-Waller-Faktor Bezieht man die thermische Bewegung der Atome mit der Auslenkung ~ui um ihre Ruhepositionen ~ri mit ein, so ergibt sich ein neuer Strukturfaktor aus der zeitlichen Mittelung: X ~ hFhkl it = fi heiG·(~ri + ~ui ) it (3.14) i = X ~ ~ fi eiG· ~ri heiG· ~ui ) it (3.15) i .. . X 1 ~ 2 2 ~ ' fi eiG· ~ri e− 6 |G| h~ui it (3.16) i Dabei wurde angenommen, dass sich die Atome unabhängig voneinander um ihre Ruhepositionen bewegen, sodass h~ui it = 0 gilt. Der Ausdruck 1 ~ 2 fi,therm. = fi e− 6 |G| h~ ui2 it < fi (3.17) kann als neuer, thermischer“ atomarer Streufaktor betrachtet werden. Aufgrund ” der thermischen Bewegung verschmiert die Elektronendichte der Atome entsprechend ihrer Beweglichkeit. Setzt sich die Basis eines Kristalls nur aus gleichartigen Atomen zusammen, so vereinfacht sich die Situation, da dann 1 ~ 2 hFhkl it = Fhkl e− 6 |G| h~ u 2 it (3.18) gilt. Für die Intensität der gestreuten Reflexe bedeutet dies nach Gl. 3.10 eine Verringerung um den so genannten Debye-Waller-Faktor Dhkl . 1 ~ I = I0 e− 3 |G| 2 h~ u 2 it = I0 Dhkl (3.19) 68 KAPITEL 3. XRD UND MIKROWELLENBESTRAHLUNG I0 wäre die Intensität der Reflexe ohne thermische Bewegung der Atome. Da die mittleren quadratischen Auslenkungen der Atome mit steigender Temperatur zunehmen, wird der Debye-Waller-Faktor bei Temperaturerhöhung kleiner. Somit stellt sich heraus, dass die thermische Bewegung der Atome nicht etwa die Beugungsreflexe verschmiert, sondern ihre Intensität reduziert. Die verlorengegangene Intensität findet sich in einer Erhöhung des diffusen Untergrunds wieder. Der atomare B-Faktor und der Wilson B-Faktor Im Fall von Proteinkristallen sind verschiedene Elemente in der Einheitszelle vertreten und die atomaren Temperaturfaktoren lassen sich in Gl. 3.16 nicht vor ~ = 4π sin θ/λ ist, die Summe ziehen. Aus Abb. 3.1 (b) ist leicht abzulesen, dass |G| womit sich für den Strukturfaktor folgender Ausdruck ergibt: hFhkl it = X ~ fi eiG· ~ri e− 8π 2 sin2 θ 3 λ2 h~ ui2 it (3.20) i Der Term Bi = 8π 2 h~ui2 it /3 im Exponenten des Temperaturfaktors ist der so genannte atomare B-Faktor. Er wird im Ergebnisteil dieses Kapitels eine zentrale Rolle spielen. Da Atome in Seitenketten oft eine hohe Beweglichkeit aufweisen, haben sie i. A. auch deutlich höhere atomare B-Faktoren als im Rückgrat eingebaute Atome. Typische Werte der atomaren B-Faktoren bei Raumtemperatur 2 2 liegen zwischen 10 Å und 80 Å , was mittleren Auslenkungen h~ui2 i1/2 von 0, 6 Å bis 1, 7 Å entspricht. Geht man davon aus, dass die thermischen Vibrationen der Atome um ihre Ruheposition isotrope, harmonische Bewegungen sind, d. h. das mittlere Auslenkungsquadrat eines Atoms steigt linear mit der Temperatur, so müssten sich bei einer Temperaturerhöhung von T0 auf T die atomaren B-Faktoren aller Atome um den Faktor T /T0 erhöhen. Die sin2 θ-Abhängigkeit im Exponenten des Temperaturfaktors macht deutlich, dass die Intensitäten der Reflexe zu größeren Beugungswinkeln, also zu hohen Auflösungen, immer stärker abnehmen. Diese Tatsache machte Wilson sich zu Nutze, um neben der arithmetischen Mittelwertbildung ein weiteres Verfahren zur Bestimmung des mittleren B-Faktors aller Atome im Protein zu entwickeln. Dazu teilte er die Reflexe eines Diffraktogramms in Auflösungsschalen ein und bestimmte die mittlere Intensität der Reflexe in solch einer Schale, die einer Ku~ G+∆ ~ ~ im reziproken Raum entspricht. Für hohe Auflösungen, also gelschale [G, G] ~ ergibt sich unter der Annahme, dass alle Atome den mittleren B-Faktor große G B besitzen, folgender Zusammenhang [116]: hIhkl i[G, ∼ e−2B ~ G+∆ ~ ~ G] sin2 θ λ2 X fi2 (3.21) i (3.22) 3.1. THEORIE UND METHODEN Im so genannten Wilson-Plot wird der Logarithmus von hIhkl i[G, ~ G+∆ ~ ~ / G] 2 2 über sin θ/λ aufgetragen: ln hIhkl i[G, ~ ~ ~ sin2 θ G] P G+∆ = ln C − 2B 2 λ2 i fi 69 P i fi2 (3.23) Aus der Steigung der Geraden ergibt sich nun der so genannte Wilson B-Faktor. Die Summe der atomaren Streufaktorquadrate lässt sich abschätzen, wenn man das Molekulargewicht der Proteine in einer Elementarzelle kennt. Ein Vorteil dieser Methode ist, dass der Wilson B-Faktor, da er direkt aus den Diffraktogrammen bestimmt wird, auch ohne Verfeinerung oder Kenntnis der Struktur zur Verfügung steht. Bei der Bestimmung von atomaren B-Faktoren oder Wilson B-Faktoren sollte nicht vergessen werden, dass die Messung nicht nur eine zeitliche Mittelung während der Aufnahme eines Diffraktogramms beinhaltet, sondern auch eine Mittelung über alle an der Beugung der Röntgenstrahlen beteiligten Moleküle darstellt. D. h., dass sich eine Verschmierung der mittleren Elektronendichte aufgrund von statischer Unordnung im Kristall nicht von den eben besprochenen thermischen Effekten unterscheiden lässt. Das Phasenproblem Da die Strukturfaktoren experimentell nicht direkt zugänglich sind, sondern in erster Linie nur ihr Betragsquadrat in Form der Intensität der Reflexe, ist die Bestimmung der Elektronendichteverteilung aus Gl. 3.11 nicht ohne weiteres möglich. Dies ist das so genannte Phasenproblem. Zur Lösung des Problems stehen vier verschiedene Methoden zur Verfügung: - Molekular Replacement (MR): Wenn die Struktur eines verwandten Proteins bereits gelöst ist, kann versucht werden, ein solches Protein so in der Einheitszelle zu orientieren, dass die berechneten Phasen dieses Modells als ein Phasen-Startset bei der Verfeinerung der gesuchten Struktur verwendet werden kann. Diese Methode wurde zur Bestimmung der im Ergebnisteil dieses Kapitels gezeigten Strukturen von HEW-Lysozym benutzt. Dabei wurde die mit einer Auflösung von 1, 33 Å gemessene Struktur von HEW-Lysozym des PDB-Eintrags 193L benutzt. Da es sich dabei um das gleiche Protein handelt und seine Orientierung in der Einheitszelle des tetragonalen Einkristalls bekannt ist, stellte die Bestimmung der Phasen in diesem Fall kein Problem dar. - Direkte Bestimmung der Phasen: Dies ist nur im Falle kleiner Moleküle (< 200 Atome) möglich, die bis zu sehr hohen Auflösungen gemessen wurden, was bei Proteinkristallen meist nicht der Fall ist. 70 KAPITEL 3. XRD UND MIKROWELLENBESTRAHLUNG - Multiple Isomorphous Replacement (MIR): Bei dieser weit verbreiteten Methode wird versucht stark streuende Schwermetallatome oder -komplexe an spezifische Stellen im Protein zu binden. Dies kann bereits bei der Kristallisation geschehen, oder nachträglich, indem der Kristall getränkt wird. Durch Vergleich der Daten des sog. Derivats mit den Daten des nativen Kristalls, besteht die Möglichkeit der Positionsbestimmung der Schwermetalle, womit schließlich die Phasen des Proteins bestimmt werden können. Entscheidend ist, dass der Einbau der Schwermetalle die Struktur des Proteins sonst nicht weiter verändert, dass also Isomorphie besteht. - Multiple wavelength Anomalous Dispersion (MAD): Das Problem der Isomorphie wird bei dieser Methode durch die mehrfache Messung des selben Kristalls umgangen. Dabei wird jede Messung mit einer anderen Wellenlänge durchgeführt, die im Idealfall gerade über und unter der Absorptionskante eines möglichst elektronenreichen Elements im Protein liegt. Das weitere Vorgehen ähnelt dem bei MIR. Als durchstimmbare Strahlungsquelle mit ausreichend hoher Intensität kommen bis heute nur Synchrotrons in Frage. Modellbau und Verfeinerung Gelingt es durch eine dieser Methoden die Phasen zu den Diffraktogrammen der gesuchten Struktur zu bestimmen, so lässt sich mit den Strukturfaktoramplituden die Elektronendichtekarte des Proteins berechnen. Bei einer völlig unbekannten Struktur gilt es nun die Primärsequenz des Proteins mit Hilfe von speziellen Grafikprogrammen schlüssig in die Elektronendichtekarte zu legen. Dies geschieht von Hand und wird Modellbau“ genannt. Danach kann das Modell mit Programmen ” wie z. B. REFMAC5 des Paketes CCP4 suite 4.2 [119] gegen die gemessenen Strukturfaktoramplituden verfeinert werden. Die Verfeinerung erfolgt über die Methode der kleinsten Fehlerquadrate. Dabei werden die Differenzen zwischen den gemessenen und den aus dem Modell berechneten Strukturfaktoramplituden betrachtet. Die Summe der gewichteten Betragsquadrate dieser Differenzen X Mod 2 Mess |) (3.24) | − |Fhkl Φ= whkl (|Fhkl hkl wird im Laufe der Verfeinerung minimiert. Dabei berücksichtigt die Gewichtung whkl die Verlässlichkeit der gemessenen Intensität des Reflexes hkl und der aus dem Modell berechnete Strukturfaktor lautet wie folgt: X sin2 θ Mod =s· ni fi e 2πi(hxi +kyi +lzi ) e−Bi λ2 Fhkl (3.25) i Die Parameter, durch deren Variation die Minimierung erfolgen soll, sind in erster Linie die Atomkoordinaten xi , yi , zi und die atomaren B-Faktoren Bi . Da 3.1. THEORIE UND METHODEN 71 oftmals Teile eines Proteins in verschiedenen Konformationen vorkommen, ist es vorteilhaft, für jedes Atom auch die Besetzungszahl ni der auftretenden Konformationszustände als freien Parameter zu variieren. Der Faktor s wird benutzt, um alle berechneten Strukturfaktoren in einen mit den Messwerten vergleichbaren Wertebereich zu skalieren. Für ein Protein mit N Nicht-H-Atomen gilt es also gleichzeitig N · (3 + 1 + 1) freie Parameter so zu variieren, dass die Summe Φ minimal wird. Im Falle von z. B. Lysozym sind dies 5005 freie Parameter. Diese Aufgabe kann nur von leistungsstarken Computern bewältigt werden. Für die Minimierung werden die partiellen Ableitungen von Gl. 3.24 nach den freien Parametern gleich Null gesetzt. Ist die Anzahl der gemessenen Reflexe größer als die Anzahl der freien Parameter, so erhält man ein überbestimmtes Gleichungssystem, das aufgrund seiner Komplexität iterativ gelöst wird. Da Φ viele lokale Minima besitzt, ist es wichtig, dass sich das Modell zu Beginn der Verfeinerung bereits nahe am globalen Minimum von Φ befindet, da es sonst im ersten lokalen Minimum nach dem Start der Verfeinerung hängen bleibt. Um den Konvergenzradius um das globale Minimum zu erhöhen, können freie Parameter eingeschränkt ( constraints“) und zusätzliche Bedingungen aufgestellt ” werden ( restraints“). Sehr sinnvoll ist z. B. alle Bindungslängen di und -winkel ” φi auf die von kleinen Molekülen bekannten Werte zu verfeinern, da hierdurch unrealistische Verfeinerungen verhindert werden. Diese zusätzlichen Bedingungen werden als weitere Summen der Differenzenquadrate an Φ angehängt: X Mess Mod 2 whkl (|Fhkl | − |Fhkl |) Φ = hkl + X wi (diideal − diMod )2 i + X wj (φjideal − φjMod )2 (3.26) j Der Einsatz von constraints ist besonders wichtig im Falle eines unterbestimmten Systems. Dies ist häufig bei schlecht beugenden Kristallen großer Proteine der Fall. Durch das Zusammenlegen von mehreren Atomen in starre Einheiten lässt sich deren Anzahl an freien Parametern auf drei Translations- und drei Rotationsparameter reduzieren. Die Auflösung Die Auflösung eines Diffraktogramms ist nach Gl. 3.6 durch den Streuwinkel des äußersten Reflexes gegeben. Messungen mit einer Auflösung ab ca. 2 Å gelten als hoch aufgelöst. Diese Auflösung findet sich in den Oberflächenstrukturen der 3dimensionalen Elektronendichtekarte wieder. Entspräche dies der Auflösung des Modells nach der Verfeinerung, so könnte man kaum zwei kovalent gebundene Atome unterscheiden. Wird nach der Verfeinerung von einem 2 Å-Modell“ ” 72 KAPITEL 3. XRD UND MIKROWELLENBESTRAHLUNG gesprochen, so bedeutet dies, dass Reflexe der Diffraktogramme bis zu dieser Auflösung bei der Verfeinerung berücksichtigt wurden. (Schwache Reflexe und Reflexe, deren gaußförmiges Profil ein bestimmtes Verhälnis von Intensität zu Breite unterschreitet werden meist ausgeschlossen, z. B. wenn Ihkl /σhkl ≤ 4.) Strukturelle Einschränkungen, wie vorgegebene Bindungsabstände und -winkel, erhöhen die Präzision eines gut verfeinerten Modells bis zu einem Zwanzigstel der angegebenen Auflösung. Die R-Faktoren Zur Beurteilung der Datenqualität werden die Intensitäten Ihkl,i von symmetrieverwandten Messungen eines Reflexes hkl verglichen. Im Idealfall haben alle nhkl symmetrieverwandten Messungen eines Reflexes die gleiche Intensität und ihre Abweichung vom Mittelwert I¯hkl verschwindet. Der folgendermaßen definierte RMess -Faktor [120] P RMess = hkl Pnhkl q nhkl ¯ |I nhkl −1 hkl P Pn hkl i Ihkl,i i=1 − Ihkl,i | (3.27) ist dann ebenfalls Null. Real gelten Daten mit RMess < 10 % als gut. Der Wurzelterm im Zähler macht den RMess -Wert von der Anzahl der Diffraktogramme im Datensatz statistisch unabhängig. Zur Beurteilung der Qualität eines verfeinerten Modells wird die aus dem Mod Modell berechnete Strukturfaktoramplitude |Fhkl | mit der gemessenen StrukMess turfaktoramplitude |Fhkl | verglichen. Der kristallographische R-Faktor P hkl R= Mess Mod ||Fhkl | − |Fhkl || P Mess hkl |Fhkl | (3.28) beträgt bei guten Modellen gewöhnlich um die 18 %. Da der R-Faktor jedoch durch die Verfeinerung minimiert wird, besteht die Gefahr, dass auch fehlerhafte Modelle gute R-Faktoren besitzen. Um diese Situation zu erkennen werden üblicherweise zwischen 2 % und 10 % der Reflexe bei der Verfeinerung nicht berücksichtigt [121], vorausgesetzt das System ist ausreichend überbestimmt. Aus diesem Testdatensatz T ergibt sich dann der freie R-Faktor, P Rfrei = {hkl}⊂T P Mod Mess ||Fhkl | − |Fhkl || {hkl}⊂T Mess |Fhkl | (3.29) der als zuverlässige Größe bei der Bewertung der Modellqualität mit betrachtet werden muss. Die Differenz zum R-Faktor sollte nicht mehr als R − Rfree < 0, 1 betragen. 3.1. THEORIE UND METHODEN 73 Welche Größen charakterisieren die Qualität eines Proteinkristalls? Im zweiten Teil dieses Kapitels werden Experimente vorgestellt, bei denen die Auswirkungen von Mikrowellenbestrahlung auf Proteinkristalle untersucht werden. Dabei werden unterschiedlich behandelte Kristalle mittels Röntgenbeugung charakterisiert und miteinander verglichen. Folgende Messgrößen wurden betrachtet: - Das eindeutigste Merkmal eines guten Kristalls ist, wenn er bis zu hoher Auflösung beugt. Da die Stärke der Reflexe jedoch von der Messdauer und der evtl. schwankenden Intensität des Primärstrahls abhängt, ist diese Beugungsgrenze nicht ohne weiteres bestimmbar. Insbesondere nicht, wenn der Kristall so gut beugt, dass Reflexe bei Streuwinkeln 2θ ≥ 90◦ existieren. - Der Wilson B-Faktor repräsentiert nicht nur die mittleren thermischen Bewegungen der Atome im Protein, sondern auch statische Unordnung im Kristall. Da er nach Gl. 3.23 den Abfall der Reflexintensitäten mit zunehmendem Streuwinkel darstellt kann er auch als eine Art korrigiertes Beu” gungsvermögen“ interpretiert werden. Ein Vergleich der Wilson B-Faktoren zweier Datensätze, die bei gleicher Messtemperatur aufgenommen wurden, liefert also eine Aussage über die Verbesserung oder Verschlechterung der Ordnung bzw. Periodizität im Kristall. - Der Reflexwinkelbereich δM ist durch den Winkel gegeben, um den der Kristall gedreht werden muss, damit ein starker Reflex, der senkrecht zur Rotationsachse aufgenommen wird, vollständig durch die Ewald-Kugel wandert. Bei dem zur Datenanalyse verwendeten Programm XDS wird von einem gaußförmigen Intensitätsprofil des Reflexes ausgegangen und seine Standardabweichung wird als Mosaizität σM definiert [122]. Wie der Name schon sagt, äußert sich in dieser Größe die Mosaizität des Kristalls. - Die Strahldivergenz δD ist durch das Verhältnis des Durchmessers eines starken Reflexes dR auf dem Detektor zum Abstand des Detektors zum Kristall dD bestimmt. arctan(dR /dD ) (3.30) Die Standardabweichung der Strahldivergenz wird mit σD abgekürzt. Sowohl die Strahldivergenz des Primärstrahls, als auch die Mosaizität des Kristalls tragen zu σD bei. Experimentelles Alle XRD-Messungen wurden an der selben Anlage durchgeführt. Als Röntgenquelle diente die Cu Kα-Linie (λKα = 1, 54 Å) eines bei 40 kV betriebenen Drehanoden-Generators der Firma Schneider. Die Diffraktogramme wurden mit einer Mar 345 Detektorplatte der Firma Marresearch aufgenommen. Der Abstand 74 KAPITEL 3. XRD UND MIKROWELLENBESTRAHLUNG zwischen Kristall und Detektor wurde für alle Messungen 120 mm groß gewählt, und es wurden 240 mm Plattendurchmesser genutzt. Damit ergibt sich bei einem max. Streuwinkel von 2θ = 45◦ nach Gl. 3.6 eine Auflösung von 2, 0 Å. Bei den Experimenten zur Bestimmung der Schadensschwelle wurden jeweils 10 Diffraktogramme aufgenommen. Dabei drehten sich die Kristalle während jeder Aufnahme um ∆ϕ = 1, 5◦ um die Goniometerachse. Bei den temperaturabhängigen Experimenten und jenen mit gleichzeitiger Mikrowellenbestrahlung wurden jeweils 60 Diffraktogramme (∆ϕ = 1◦ ) aufgenommen. Die charakteristischen Kristallparameter wie σM , σD , die Gitterkonstanten und der Wilson B-Faktor wurden mit dem Programm XDS (Dezember 2002) [123, 122] bestimmt. Zur Ermittlung der Atomkoordinaten und der atomaren B-Faktoren wurde die mit einer Auflösung von 1, 33 Å gemessene Struktur von HEW-Lysozym des PDB-Eintrags 193L [18] gegen die Daten verfeinert. Dies geschah mit dem Programm REFMAC5 des Paketes CCP4 suite 4.2 [119]. 3.1.2 Probenpräparation Nachdem die Lysozymkristalle, wie in Kapitel 1.3.2 beschrieben, kristallisiert wurden, wurden sie für die XRD-Messungen in Glaskapillaren montiert. Die Länge der Kapillaren betrug ca. 4 cm und ihr Durchmesser 0, 7 mm. Zum Transferieren der Kristalle aus dem Tropfen in eine Kapillare wurde der Kristall zuerst mit etwas Mutterlösung in eine zweite, dünnere Montagekapillare“ (0, 5 mm Durch” messer) gesogen und damit in der Mitte der Messkapillare“ platziert. Das eine ” Ende der Messkapillare wurde zuvor mit etwas Mutterlösung gefüllt und auf dieser Seite mit Wachs verschlossen. Nun wurde die Menge der Lösung um den Kristall mit einem dünnen Wattestab eingestellt. Zuletzt wurde auch noch das zweite Ende der Kapillare mit Mutterlösung gefüllt und mit Wachs verschlossen. Zur Messung wurden die Kapillaren auf einem Goniometerkopf montiert. Bei allen Kristallen, die in dem weiter unten beschriebenen Slab-line Wellenleiter mit Mikrowellen bestrahlt wurden, waren die Reservoire mit Mutterlösung auf beiden Seiten der Kapillaren so klein gewählt, dass sie sich während der Bestrahlung vollständig außerhalb des Wellenleiters befanden. Der Kristall, der mit Hilfe des N2 -Gasstromes erwärmt wurde, wurde hingegen so montiert, dass die Reservoire nur wenige Millimeter vom Kristall entfernt waren und sich ebenfalls erwärmten. 3.1.3 Mikrowellenbestrahlung von Proteinkristallen Der slab-line Wellenleiter Für die Bestrahlung der Proteinkristalle mit Mikrowellen wurde der so genannte slab-line Wellenleiter als Basis gewählt. Er hat einige Vorteile gegenüber herkömmlichen Hohlleitern, Resonatoren und frei geführten Wellen: 3.1. THEORIE UND METHODEN 5,5 mm (a) 75 18 mm (b) x y Abbildung 3.2: Die E-Feldverteilung im konventionellen Slab-line Wellenleiter, nach TDFD-Rechnungen von T. Reinhardt bei ν = 2 GHz, mit einer Auflösung von 0, 48 mm in z-Richtung und 0, 05 mm in x- und y-Richtung. (a) Die EFeldstärke ist durch einen Farbcode von rot (geringe Feldstärke) bis blau (hohe Feldstärke) gegeben. Das weiße Quadrat gibt in etwa Größe und Position eines Proteinkristalls während der Bestrahlung wieder. In (b) ist die Richtung des EFeldes gezeigt. - In einem slab-line Wellenleiter wird die EM -Welle durch einen nur wenige mm2 großen Bereich geführt. Dadurch liegen bei gleicher Eingangsleistung wesentlich höhere Leistungsdichten als in Hohlleitern oder bei frei geführten Wellen vor, was insbesondere für kleine Frequenzen gilt. - Der slab-line Wellenleiter bietet durch die zwei offenen Seiten eine gute Zugänglichkeit zur Probenpositionierung. - Durch die gewählten Abmessungen ergibt sich eine optimale Ausnutzung der Leistungsdichte für die Bestrahlung von Proteinkristallen bei der oben beschriebenen Präparationsmethode. - Durch Messen der transmittierten Leistung hat man eine gute Kontrolle über die Bestrahlungsleistung. - Der slab-line Wellenleiter ist in einem breiten Frequenzband einsetzbar: von DC bis ca. 18 GHz. Der unmodifizierte slab-line Wellenleiter besteht aus zwei parallelen Aluminiumplatten mit D = 5, 5 mm Abstand und einem zentralen, runden Mittelleiter mit einem Durchmesser von d = 3 mm. Beide Enden wurden mit N-Typ Anschlüssen versehen. Der Leiter ist zwar an beiden Seiten offen, strahlt aber nicht ab, da das Feld entlang des Innenleiters geführt wird und bis zum Rand der 30 mm breiten Platten in guter Näherung auf Null abfällt. Die Impedanz des Wellenleiters wird durch das Verhältnis D/d bestimmt und sollte bei den gewählten Werten 50 Ω betragen [124]. r 1 µµ0 4D ln = 50 Ω Z= 2π ²²0 πd Abb. 3.2 zeigt die Ergebnisse einer numerischen time-domain finite-difference (TDFD) Rechnung [125] für ν = 2 GHz, durchgeführt von T. Reinhardt [9]. Die 76 KAPITEL 3. XRD UND MIKROWELLENBESTRAHLUNG (b) (a) LM G SL V P D K Abbildung 3.3: (a) Versuchsanordnung zur Mikrowellenbestrahlung von Proteinkristallen. (b) Die genaue Positionierung des Kristalls über dem Mittelleiter kann durch ein verschließbares, konusförmiges Loch beobachtet werden. G: Mikrowellen Generator, V: Verstärker, SL: slab-line, P: Proteinkristall, D: Dämpfungsglied, LM: Leistungsmeter, K: Kapillare. Auflösung beträgt 0, 48 mm in z-Richtung und 0, 05 mm in x- und y-Richtung. In (a) ist die E-Feldstärkenverteilung nahe des Innenleiters für die fundamentale transversale Mode gezeigt. Wie man sieht konzentriert sich das elektrische Feld in den kleinen Bereichen zwischen dem Innenleiter und den beiden Platten. Das kleine weiße Quadrat deutet die Position der Proteinkristalle während der Bestrahlung und deren Größe an. Bei 1 W Eingangsleistung ergibt sich an dieser Stelle eine Feldstärke von 9, 5 kV/m, bei einer Leistungsdichte von 0, 12 W/mm2 . Die berechnete Impedanz der Leitung beträgt 50, 19 Ω. In (b) ist die ortsabhängige Richtung des E-Feldes gezeigt. Versuchsaufbau zur Bestimmung der Schadensschwelle Die in Kapitel 3.2.1 beschriebenen Experimente zur Bestimmung der Schadensschwelle wurden mit einer 180 mm langen Leitung durchgeführt (Abb. 3.3). Dabei wurde das 8 GHz cw-Signal des Generators1 mittels eines WanderfeldröhrenLeistungsverstärkers2 (8 − 18 GHz) auf bis zu 20 W verstärkt und in den Wellenleiter eingekoppelt. Die transmittierte Leistung wurde abgeschwächt und mit einem Leistungsmeter3 gemessen. Um die Kristalle möglichst reproduzierbar und exakt über dem Mittelleiter positionieren zu können, wurde die obere Leiterplatte des Wellenleiters mit einem konusförmiges Loch und passendem AluminiumGegenstück versehen. Zur Charakterisierung des Wellenleiters wurden time-domain reflectivity Mes1 Micro-Tel Corporation SG-811B Varian TWTA 6991K3; 8 − 18 GHz 3 Hewlett-Packard 432A mit dem Leistungssensor 8478B 2 3.1. THEORIE UND METHODEN 77 Abbildung 3.4: (a) Ortsabhängige Impedanz des unmodifizierten slab-line Wellenleiters, bestimmt mittels TDR-Messungen. (b) Frequenzabhängige Transmission durch den Leiter. sungen (TDR) [126] mit einem digitalen Sampling-Oszilloskop4 durchgeführt. Dabei wird ein Einheitssprung durch den Wellenleiter geschickt und die zurückkehrenden Reflexionen r(t) werden zeitaufgelöst gemessen. Der Ort einer Störung im Leiter s = ct/2 kann dann über die Laufzeit t des Reflexes bestimmt werden. Der Wellenleiter wird hierzu mit einem 50 Ω-Widerstand abgeschlossen. Die ortsabhängige Impedanz Z(s) der Leitung wird nach folgender Gleichung bestimmt: Z(s) = ZW 1 + r(t) 1 − r(t) ZW = 50 Ω ist die Impedanz der Zuleitung und es wird davon ausgegangen, dass die dielektrische Konstante in der gesamten Leitung ² = 1 beträgt. Die mit dieser Methode erreichbare Ortsauflösung ist durch die Anstiegszeit τ = 35 ps des Einheitssprunges gegeben: c0 τ ∆xmin. = √ = 2, 7 mm ²4 Wie aus Abb. 3.4 (a) zu ersehen ist, beträgt die Impedanz des slab-line Wellenleiters im Mittel ca. 51 Ω, was in guter Übereinstimmung mit den theoretischen Vorhersagen steht. An dem Ort, wo sich die Proteinkristalle während der Bestrahlung befinden erhöht die Diskontinuität durch den Aluminiumkonus die Impedanz noch etwas auf ca. 51, 5 Ω. Die stärksten Reflexionen stammen von dem Übergang des N-Norm Anschlusses zur slab-line Geometrie und umgekehrt. An diesen Stellen steigt die Impedanz auf fast 53 Ω an. Auch der Übergang zum 4 Tektronix 11801 78 KAPITEL 3. XRD UND MIKROWELLENBESTRAHLUNG (b) Querschnitt (a) Seitenansicht y z LM D x x AF P X ki AF P X ki SL kf kf SL S K G V Abbildung 3.5: Schematische Versuchsanordnung zur Röntgenbeugung mit simultaner Mikrowellenbestrahlung. (a) Seitenansicht und (b) Querschnitt des modifizierten slab-line Wellenleiters. G: Mikrowellen Generator, V: Verstärker, SL: slab-line, P: Proteinkristall, AF: Aluminiumfolie, X: Röntgenstrahl , D: Dämpfungsglied, LM: Leistungsmeter, K: Kapillare, S: Salzlösung, ~ki und ~kf sind die Wellenvektoren des einfallenden und gestreuten Röntgenstrahls. 50 Ω-Abschlusswiderstand erzeugt durch eine kleine Fehlanpassung um 2 Ω einen Rückreflex. Abb. 3.4 (b) zeigt die Transmission des Wellenleiters in Abhängigkeit der Frequenz. Bis ca. 13 GHz beträgt die Transmission über 90 %. Bei höheren Frequenzen gibt es drastische Einbrüche. Versuchsaufbau zur simultanen Bestrahlung und Röntgenbeugung Bei den in Kapitel 3.2.4 beschriebenen Experimenten wurde erstmals WeitwinkelRöntgenbeugung an gleichzeitig mikrowellenbestrahlten Proteinkristallen durchgeführt. Dies erforderte einige Modifikationen des slab-line Wellenleiters (Abb. 3.5) [9]: - Um den Primär-Röntgenstrahl ungestört durch den Wellenleiter und auf den Kristall führen zu können wurde ein Loch mit 0, 7 mm Durchmesser senkrecht durch die beiden Platten und den Innenleiter gebohrt. - Damit die am Kristall gebeugten Röntgenstrahlen ohne Abschattung den Detektor erreichen, wurde die dem Detektor zugewandte Aluminiumplatte durch einen mit Aluminiumfolie bespannten Aluminiumrahmen ersetzt. Die 3.1. THEORIE UND METHODEN 79 Folie erhielt für den Primästrahldurchgang in Verlängerung der Bohrung ein Loch mit 0, 7 mm Durchmesser. - Aus Platzgründen wurde der slab-line Wellenleiter nur 30 mm lang gebaut und ein Zuleitungskabel mit 90◦ -Winkelanschluss verwendet. Die Leitungseigenschaften des Wellenleiters sollten mit der Aluminiumfolie unverändert bleiben, da ihre Dicke von δ = 20 µm so gewählt wurde, dass sie wesentlich größer ist als die Skintiefe in Aluminium im Mikrowellenbereich [126]: r 1 δSkin = πµµ0 νσ Mit der Permeabilität µ = 1, 00002 und der spezifischen Leitfähigkeit σ = 3, 77 × 107 Ω−1 m−1 für Aluminium bei 293 K [86] ergibt sich δSkin (1 GHz) = 2, 6 µm und δSkin (18 GHz) = 0, 61 µm. Der vom Drehanoden-Generator kommende Röntgenstrahl wird mit Blenden auf einen Durchmesser von ca. 3 mm eingestellt. Damit der Strahl sauber durch die Bohrung des Wellenleiters verlaufen kann, wurde der Durchmesser der Bohrung mit 0, 7 mm etwas größer gewählt. Auch dies sollte die Leitungseigenschaften des Wellenleiters kaum verändern, da die Bohrung wesentlich kleiner ist als eine Wellenlänge im Mikrowellenbereich: λ(1 GHz) = 30 cm und λ(18 GHz) = 1, 6 cm. Um diese Annahmen zu überprüfen wurden auch am modifizierten Wellenleiter TDR Messungen vorgenommen. Falls sich die Leitungseigenschaften am Ort der Bohrung ändern, sodass die fundamentale transversale Mode gestreut und evtl. Moden höherer Ordnung mit einer anderen Feldverteilung angeregt werden, so müsste sich dies in der TDR- Messung als eine erhöhte Reflektivität an dieser Stelle bemerkbar machen. Insbesondere werden zwei Messungen miteinander verglichen. Bei der schwarzen Kurve in Abb. 3.6 (a) handelt es sich um eine TDR-Messung, bei der die Bohrung des Innenleiters wie in Abb. 3.5 in x-Richtung orientiert war. In dieser Orientierung sollte die Bohrung einen maximalen Einfluss auf die Leitungseigenschaften haben. Die rote Kurve hingegen zeigt eine Messung, bei der der Innenleiter um 90◦ um die z-Achse gedreht war und die Bohrung somit in y-Richtung zeigte. Aufgrund der in Abb. 3.2 gezeigten Feldverteilung sollte der Einfluss der Bohrung in dieser Orientierung wesentlich geringer sein. Wie zu sehen ist unterscheiden sich die beiden Kurven jedoch nur geringfügig. Dies spricht dafür, dass auch am Ort der Bohrung, wo während der XRD-Experimente mit gleichzeitiger Mikrowellenbestrahlung der Kristall platziert wird, die in Abb. 3.2 gezeigte Feldverteilung und die numerisch berechnete Leistungsdichte und Feldstärke am Kristallort vorliegen. Die Impedanz im Wellenleiter beträgt ca. 53 Ω. Wie auch beim langen Wellenleiter, zeigen die Übergänge zu den N-Norm Anschlüssen eine leichte Fehlanpassung. Die mit Abstand stärkste Reflexion zeigt jedoch der 90◦ -Winkelanschluss 80 KAPITEL 3. XRD UND MIKROWELLENBESTRAHLUNG Abbildung 3.6: (a) Ortsabhängige Impedanz des modifizierten slab-line Wellenleiters, bestimmt mittels TDR-Messungen. Die Bohrung im Innenleiter für den freien Durchgang des einfallenden Röntgenstrahls, ist einmal wie während den XRD-Messungen in x-Richtung orientiert (schwarze Kurve) und einmal in yRichtung (rote Kurve). (b) Frequenzabhängige Transmission des modifizierten slab-line Wellenleiters. Die Bohrung im Innenleiter ist in x-Richtung orientiert. Die schnellen Oszillationen auf der Kurve stammen von Mehrfachreflexionen im Zuleitungskabel. des kommerziellen Mikrowellen-Koaxialkabels durch das der slab-line Wellenleiter mit der Leistungsquelle verbunden ist. Durch ihn sind deutliche Leistungsverluste hinzunehmen. Abb. 3.6 (b) zeigt die frequenzabhängige Transmission der Leitung. Sie sinkt annähernd kontinuierlich bis auf ca.70 % bei 12 GHz und beträgt zwischen 15 GHz und 18 GHz schon nur noch um die 40 %. Die schnellen Oszillationen auf der Kurve stammen von Mehrfachreflexionen im 1 m langen Zuleitungskabel. In Abb. 3.7 ist ein Foto des in den XRD-Aufbau integrierten slab-line Wellenleiters zu sehen. Er ist mittels dreier Verschiebetische an der Schiene darüber befestigt und somit horizontal und senkrecht zum Röntgenstrahl grob verschiebbar und in allen drei Raumrichtungen fein positionierbar. Bei der Versuchsdurchführung der in Kapitel 3.2.4 beschriebenen Experimente wurde zunächst die Kapillare mit dem Kristall derart auf den Goniometerkopf montiert, dass ihre Längsachse möglichst gut mit der Drehachse während der Messung übereinstimmt. Dann wurde der Goniometerkopf auf den Dreharm der MAR 345 geschraubt und der Kristall in den Röntgenstrahl positioniert, ohne die Kapillare dabei zu verkippen. Nun konnte der mit den Verschiebetischen richtig positionierte slab-line Wellenleiter entlang der Schiene von der Seite über die Kapillare geschoben werden, bis die Bohrung den Primär-Röntgenstrahl wieder frei gab, sodass er auf einem Fluoreszenzschirm auf der Detektor-Seite des Wellenleiters erkennbar wurde. Der Proteinkristall befand sich somit im Röntgenstrahl zwischen 3.1. THEORIE UND METHODEN 81 Abbildung 3.7: Foto der Versuchsanordnung zur Röntgenbeugung mit simultaner Mikrowellenbestrahlung. der Aluminiumfolie und dem Mittelleiter, an der Stelle der Bohrung. Auf eine spezielle Orientierung der Lysozymkristalle relativ zum Mikrowellenfeld konnte verzichtet werden, da tetragonal kristallisiertes Lysozym in 8 verschiedenen Orientierungen in der Einheitszelle eingebaut ist (s. Abb. 1.7). Zur Erzeugung der Mikrowellen und für die Leistungsmessung wurden die selben Geräte wie bei der Bestimmung der Schadensschwelle verwendet. Abb. 3.8 zeigt zwei Diffraktogramme, des selben tetragonalen Lysozymkristalls bei gleicher Orientierung. Bei der Aufnahme (a) befand sich der Wellenleiter über dem Kristall platziert und die am Kristall gebeugten Röntgenstrahlen mussten auf ihrem Weg zum Detektor die Aluminiumfolie durchqueren. Die mit größerem Streuwinkel θ gebeugten Strahlen müssen dabei weitere Wege in der Aluminiumfolie zurück legen. Dies führt zu folgender, vom Streuwinkel abhängigen Transmissionsfunktion: T (θ) = e −µ0 (λ)%Alu δ cos θ Mit der Dichte von Aluminum %Alu = 2, 72 g/cm3 [86] und dem Massenabschwächungskoeffizienten von Aluminium µ0 (1, 54 Å) = 48, 5 cm2 /g [127] ergibt sich hiermit für den maximalen Streuwinkel θ = 45◦ eine Transmission von T = 0, 69. In (b) ist eine unter sonst gleichen Bedingungen, aber ohne Wellenleiter entstandene Aufnahme zu sehen. Wird die winkelabhängige Abschwächung der Röntgenstrahlen bei der Datenverarbeitung nicht berücksichtigt, so führt die Anwesenheit der Aluminiumfolie zu einem erhöhten Wilson B-Faktor. Für die Mes- 82 (a) KAPITEL 3. XRD UND MIKROWELLENBESTRAHLUNG (b) Abbildung 3.8: Diffraktogramme des selben tetragonalen HEW-Lysozym Einkristalls, der zuerst in (a) und anschließend unter sonst identischen Bedingungen außerhalb (b) des modifizierten slab-line Wellenleiters positioniert war. sungen außerhalb des Wellenleiters ergab die Datenanalyse des Diffraktogramms 2 in (b) einen Wilson B-Faktor von 24 Å während das durch die Aluminiumfolie 2 aufgenommene Diffraktogramm in (a) einen Wilson B-Faktor von 26 Å ergibt. Die Abschwächung durch die Aluminiumfolie kann bei der Datenanalyse mit dem Programm XDS wenn nötig korrigiert werden, indem ein höherer, fiktiver Luftdruck als Eingabeparameter verwendet wird. 3.2. ERGEBNISSE 3.2 3.2.1 83 Ergebnisse Bestimmung der Schadensschwelle Im Vorfeld der zeitaufwendigen XRD-Experimente mit gleichzeitiger Mikrowellenbestrahlung, wurde die Leistungsschwelle gesucht, bis zu der Proteinkristalle ohne Schaden zu nehmen mit Mikrowellen bestrahlt werden können. Hierzu wurden HEW-Lysozymkristalle in dem unmodifizierten slab-line Wellenleiter (s. S. 76) mit steigender Mikrowellenleistung bei 8 GHz für jeweils 10 Min. bestrahlt. Für jede Bestrahlung wurde ein neuer Lysozymkristall verwendet. Jeweils vor und unmittelbar nach der Bestrahlung wurden XRD-Messungen durchgeführt, wobei immer 10 Diffraktogramme (∆ϕ = 1, 5 ◦ ) aufgenommen wurden (s. S. 73). Mit dem Programm XDS wurden vier charakteristische Größen bestimmt, die eine Aussage über den Zustand der Kristalle erlauben: die Standardabweichung der Reflexdivergenz σD und des Reflexwinkelbereichs σM , die Gitterkonstanten und der Wilson B-Faktor. Die Kristalle wurden auf zwei verschiedene Arten in den Kapillaren montiert (s. S. 74). Bei den im Folgenden als nasse Kristalle“ bezeichneten Lysozymkris” tallen wurde die Mutterlösung soweit abgesaugt, dass die Kristalle sich jeweils noch in einem kleinen Tropfen befanden, während bei den trockenen Kristal” len“ nur noch ein dünner Film Mutterlösung zwischen den Kristallen und der Kapillarwand übrig blieb (vgl. Abb. 3.9 (a) und (b)). Am deutlichsten zeichnet sich der Mikrowellen induzierte Schaden bei den Größen σD und σM ab. In Abb. 3.10 (a) und (b) sind sie als Funktion der durch den Wellenleiter transmittierten Leistung zu sehen. Bei kleinen Leistungen P ≤ 3 W betragen beide Werte constant ca. 0, 1◦ . Nach der Bestrahlung mit P ≥ 4 W zeigen σD und σM von nassen Kristallen (blaue Dreiecke) einen deutlichen Anstieg auf ca. 0, 17◦ bzw. > 0, 5◦ . Diese Kristalle wurden rissig und zum Teil opak (Abb. 3.9 (a)). Nasse Kristalle, die mit Leistungen P > 9 W bestrahlt wurden beugten schließlich so schlecht, dass eine sinnvolle Bestimmung von σD und σM nicht mehr möglich war. Trockene Kristalle (rote Kreise) zeigten hingegen konstante σD und σM Werte bis zu einer Leistung von P = 7 W. Die Bestrahlung mit noch höheren Leistungen zerstörte vorübergehend auch die Beugungseigenschaften dieser Kristalle. Bis auf wenige große Risse in den mit P = 15 W und 20 W bestrahlten Kristallen schienen die Kristalle äußerlich unverändert (Abb. 3.9 (b)). Interessanterweise zeigten die Diffraktogramme dieser Kristalle eine allmähliche, fast vollständige Erholung nach der Bestrahlung (Abb. 3.9 (c)). Die in Abb. 3.10 gezeigten Größen der mit P = 10 W, 15 W und 20 W bestrahlten Kristalle wurden aus XRD-Messungen bestimmt, die frühestens 45 Min. nach der Mikrowellenbestrahlung durchgeführt wurden. Während dieser Zeit konnten sich die Kristalle soweit von der Bestrahlung erholen, dass die σD dieser Datensätze nur eine geringe Erhöhung auf maximal 0, 12◦ aufwiesen. Auch die σM der mit 15 W und 20 W bestrahlten Kristalle 84 KAPITEL 3. XRD UND MIKROWELLENBESTRAHLUNG (a) 8 GHz ; 7 W 10 Min. (b) 8 GHz ; 10 W 10 Min. 45 Min. (c) 2 Min. 5 Min. 50 Min. Abbildung 3.9: (a) Fotos eines nass montierten HEW-Lysozymkristalls vor und nach der Mikrowellenbestrahlung bei ν = 8 GHz mit P = 7 W für τ = 10 Min.. (b) Fotos eines trockengelegten HEW-Lysozymkristalls vor, gleich nach und 45 Min. nach der Mikrowellenbestrahlung bei ν = 8 GHz mit P = 10 W für τ = 10 Min.. (c) Diffraktogramme des Kristalls von (b), aufgenommen 2 Min., 5 Min. bzw. 50 Min. nach der Mikrowellenbestrahlung. Der Rand der Diffraktogramme entspricht einer Auflösung von 2, 0 Å. stiegen an, erreichten mit maximal 0, 36◦ jedoch nicht die hohen Werte der mit wesentlich weniger Leistung bestrahlten nassen Kristalle. Im Gegensatz zur Leistungsabhängigkeit von σD und σM , ändern sich der Wilson B-Faktor und die Gitterkonstanten der Kristalle durch die Bestrahlung kaum (Abb. 3.10 (c) und (d)). Dies gilt für trockene und nasse Kristalle, selbst wenn sie offensichtlich unter der Bestrahlung gelitten hatten. Auch hier wurden die Werte der trockenen Kristalle die mit P = 10 W, 15 W und 20 W bestrahlt wurden, von Messungen nach einer 45 minütigen Erholungszeit bestimmt. Zur Klärung der Frage, ob der Verlust und die anschließende Erholung der Beugungseigenschaften der trockenen Kristalle nach Bestrahlung mit P ≤ 10 W ein direkt durch Kopplung der Mikrowellen an die Proteindynamik induzierter Effekt, oder nur rein thermischer Natur ist, wurde ein trockener Kristall bei ver- 3.2. ERGEBNISSE 85 Abbildung 3.10: (a) Standardabweichung der Reflexdivergenz, (b) Standardabweichung des Reflexwinkelbereichs (Mosaizität), (c) Gitterkonstanten a = b ≈ 79, 2 Å, c ≈ 37, 9 Å und (d) Wilson B-Faktor von HEW-Lysozymkristallen nach der Mikrowellenbestrahlung bei ν = 8 GHz für τ = 10 Min. als Funktion der eingestrahlten Mikrowellenleistung. Die schwarzen Symbole entsprechen den jeweiligen Werten vor der Bestrahlung. Die blauen Symbole stammen von Kristallen die sich während der Bestrahlung in einem kleinen Tropfen Reservoirlösung befanden und die roten Symbole stammen von trockengelegten Kristallen. schiedenen Temperaturen in einer Glaskapillare erwärmt. Dazu wurde der Kristall in dem abgeschmolzenen Ende der Kapillare positioniert. Das andere Ende wurde mit Mutterlösung gefüllt und mit Wachs verschlossen. So konnte das Ende mit dem Kristall in ein Bad mit definierter Temperatur getaucht werden, während das Reservoir weiterhin Raumtemperatur hatte. Diese Situation entspricht einem Kristall in einer Kapillare im Wellenleiter mit den Reservoiren außerhalb des Leiters. Nach der Erwärmung des Kristalls in einem Bad mit 47◦ C für 10 Min. zeigten die anschließend aufgenommenen Diffraktogramme ein ähnliches Erholungsverhalten wie in Abb. 3.9 (c). Zusammengefasst deuten die Ergebnisse darauf hin, dass die Mikrowellen hauptsächlich vom Kristallwasser und dem umgebenden freien Wasser absorbiert werden. Freies Wasser zeigt starke Absorption im gesamten Mikrowellenbereich mit einem Maximum bei 18 GHz [62, 63]. Wenn ein nass präparierter Protein- 86 KAPITEL 3. XRD UND MIKROWELLENBESTRAHLUNG kristall durch die Absorption des freien Wassers zu schnell oder zu stark erwärmt wird (P ≥ 4 W), bilden sich durch die thermisch induzierten Spannungen Risse im Kristall aus, wodurch die Mosaizität und somit σD und σM des Kristalls stark ansteigen. Die kaum veränderten Gitterkonstanten und der annähernd konstante Wilson B-Faktor dieser Kristalle weisen darauf hin, dass die einzelnen Bruchstücke hierbei immer noch hohe kristalline Ordnung besitzen. Im Fall der trocken präparierten Kristalle kann das durch Mikrowellenabsorption erwärmte Kristallwasser abdampfen. Die resultierende Dehydratisierung der Kristalle ist mit Schrumpfung und Verzerrungen des Gitters verbunden, wodurch die Beugungseigenschaften verloren gehen. Im dehydratisierten Zustand geht die Mikrowellenabsorption der Kristalle offensichtlich soweit zurück, dass eine Bestrahlung mit bis zu P = 20 W über 10 Min. die Fähigkeit zur Erholung durch anschließende Rehydratisierung nicht zerstört. Diese Deutung der Ergebnisse stimmt mit Arbeiten überein, in denen der hydratationsabhängige, reversible Strukturübergang von tetragonalen Lysozymkristallen mittels definierten relativen Luftfeuchtigkeiten untersucht wurde [36, 102, 4, 103]. So finden z. B. Dobrianov et al. bei der Erniedrigung der relativen Luftfeuchtigkeit von 98% auf ≥ 89 %, dass sich die Gitterkonstanten a = b monoton von ca.79, 3 Å auf ca. 77, 5 Å erniedrigen während c von ca. 38 Å auf nur ca. 37, 3 Å sinkt. Die Mosaizität und die Auflösung der Diffraktogramme haben sich hierbei kaum geändert. Bei einer relativen Luftfeuchtigkeit von um die 88 % wird von einem abrupten Abfall von c auf ca. 34 Å berichtet, mit dem ein Einbruch der Auflösung und ein Anstieg der Mosaizität einher geht. Dieser strukturelle Übergang, der metastabile Eigenschaften und eine Hysterese zeigt (vgl. Kap. 2.2.2), wird dem plötzlichen Verlust von Kristallwasser zugeschrieben. Im Rahmen der hier vorgestellten Experimente wurden von jedem Kristall unmittelbar nach der Mikrowellenbestrahlung 10 Diffraktogramme aufgenommen. Die Belichtungszeit pro Diffraktogramm betrug 2 Min. und vor jeder neuen Messung wurde die image plate erst ausgelesen und schließlich wieder gelöscht. Insgesamt vergingen zwischen dem Start zweier Messungen 2, 83 Min.. Für die mit 10 W, 15 W und 20 W bestrahlten trockenen Kristalle wurden σD , σM und die Gitterkonstanten für jedes einzelne Diffraktogramm bestimmt, und somit als Funktion der Zeit während der Rehydratationsphase. Bei der Betrachtung der Ergebnisse sollte bedacht werden, dass die Größen bei der Auswertung einzelner, sich erholender Diffraktogramme mit größeren Fehlern behaftet sind, als bei der Mittelung über 10 Diffraktogramme eines stabilen Kristalls. Dies gilt insbesondere für die ersten 2 bis 3 Diffraktogramme nach der Bestrahlung, aufgrund ihrer geringen Auflösung (vgl. Abb. 3.9 (c)). Die Resultate sind in Abb. 3.11 gezeigt. In (a) und (b) ist die erwartete Abnahme der σD - und σM -Werte während der Rehydratation zu sehen. Sie erreichen innerhalb der Messzeit von einer halben Stunde schon fast wieder den Ausgangswert von 0, 1◦ . Auch die Gitterkonstanten a = b zeigen in (c) einen Anstieg von 78, 6 Å auf ca. 79, 3 Å. Die Gitterkonstante c springt abrupt von 35, 7 Å auf 37, 9 Å während den ersten beiden Messungen und 3.2. ERGEBNISSE 87 Abbildung 3.11: (a) Standardabweichung der Reflexdivergenz σD , (b) Standardabweichung des Reflexwinkelbereichs σM (Mosaizität), (c) Gitterkonstanten a = b und (d) Gitterkonstante c von trockengelegten HEW-Lysozym Einkristallen nach einer Mikrowellenbestrahlung bei ν = 8 GHz für τ = 10 Min. als Funktion der Zeit nach der Bestrahlung. Die blauen Dreiecke stammen von einem Kristall der mit P = 10 W bestrahlt wurde. Die grünen Kreise und roten Quadrate stehen jeweils für einen mit P = 15 W und einen mit P = 20 W bestrahlten Kristall. steigt dann nur noch gering auf 38, 1 Å. Insgesamt deutet somit nochmals alles darauf hin, dass es sich bei dem durch Mikrowellenbestrahlung von trockenen Lysozymkristallen verursachten Effekt um die Auswirkungen der thermisch induzierten De- und Rehydratation der Kristalle handelt. Das Ziel der eben diskutierten Vorexperimente war, die besten Voraussetzungen für die XRD-Messungen mit gleichzeitiger Mikrowellenbestrahlung zu finden. Bei diesen Messungen war es nötig, über mehrere Stunden mit möglichst hoher Leistung zu bestrahlen. Aufgrund der Ergebnisse dieses Unterkapitels wurden die Kristalle hierzu trocken präpariert, da in diesem Fall die Absorption durch das Kristallwasser am geringsten ist, und die Bestrahlungsleistung wurde zwischen 0, 5 W und 3 W gewählt, um eine starke Dehydratation der Kristalle zu vermeiden. 88 KAPITEL 3. XRD UND MIKROWELLENBESTRAHLUNG Abbildung 3.12: Vergleich der B-Faktoren aus zwei identischen Messungen an einem tetragonalen HEW-Lysozymkristall bei 291 K. (a) Histogramm der B2 Faktor-Differenzen Bi,2 − Bi,1 (Integrationsbreite = 0, 2 Å ). Die gefittete Gauss 2 Kurve mit dem Maximum bei h∆Bi = (0, 18 ± 0, 01) Å zeigt eine Standardab2 weichung von σ∆B = 0, 74 Å . (b) Korrelationsplot der atomaren B-Faktoren. 2 Die Koeffizienten des linearen Fits haben die Werte A = (0, 07 ± 0, 05) Å , 2 S = (1, 007 ± 0, 002) und σ = 0, 8 Å . 3.2.2 Reproduzierbarkeit und Strahlenschaden Um den statistischen Fehler bei der Bestimmung der atomaren B-Faktoren und die Auswirkungen des Strahlenschadens abschätzen zu können, wurden direkt nacheinander zwei Datensätze des selben tetragonalen HEW-Lysozymkristalls über den selben Winkelbereich und unter gleichen Bedingungen bei 291 K gemessen. Bei jeder Messung wurden 60 Diffraktogramme (∆ϕ = 1 ◦ ) aufgenommen und mit XDS ausgewertet. Anschließend wurde der PDB-Datensatz 193L gegen die Daten verfeinert (s. S. 73). Dies lieferte die atomaren Koordinaten und die BFaktoren der 1001 nicht-H-Atome von Lysozym sowie einiger stark gebundener Wassermoleküle. Die Differenzen zwischen den entsprechenden atomaren B-Faktoren der bei2 den Datensätze sind mit einer Standardabweichung von σ∆B = 0, 74 Å um das 2 Maximum bei h∆Bi = (0, 18 ± 0, 01) Å Gauss-verteilt (Abb. 3.12 (a)). Die Verschiebung des Maximums der Gauss-Verteilung findet sich auch in der Erhöhung 2 2 des Wilson B-Faktors von 22, 80 Å auf 22, 98 Å wieder. Dieser Anstieg des Wilson B-Faktors wird dem Strahlenschaden zugeschrieben, den der Kristall während der Messzeit von 4 Stunden durch den intensiven Röntgenstrahl erlitt. Da die Messzeiten und die Intensität des Röntgenstrahls bei allen in den Kapiteln 3.2.3 und 3.2.4 vorgestellten Experimenten gleich waren und der Strahlenschaden pro- 3.2. ERGEBNISSE 89 portional zur Bestrahlungsdosis zunehmen sollte, kann dieser Wert als Maß für den entstandenen Strahlenschaden bei den aufeinander folgenden Messungen in diesen Kapiteln benutzt werden. Im Korrelationsplot der Abb. 3.12 sind die atomaren B-Faktoren der zweiten Messung gegen die der ersten Messung aufgetragen. Der lineare Fit B2 = 2 A + SB1 mit dem Achsenabschnitt A = (0, 07 ± 0, 05)Å und der Steigung S = (1, 007 ± 0, 002) weist wie die Gauß-Verteilung eine Standardabweichung 2 von σ = 0, 8 Å auf. Dies wird im Weiteren als die untere Grenze für die Bestimmung der atomaren B-Faktor-Differenzen zwischen Datensätzen des selben Kristalls angesehen. Eigentlich wäre zu erwarten gewesen, dass sich der mittlere 2 Anstieg der atomaren B-Faktors um 0, 18 Å in einem ähnlich hohen Anstieg des Achsenabschnittes A wiederfindet. 3.2.3 Thermische Effekte Bei den XRD-Messungen mit gleichzeitiger Mikrowellenbestrahlung ist zu erwarten, dass sich die Kristalle aufgrund der Absorption durch das Kristallwasser [62, 63] während der Bestrahlung erwärmen. Mit der Zeit wird sich durch die Wärmeleitung über die Kapillarenwand und die umgebende Luft ein stationärer Zustand mit einer bestimmten Temperaturerhöhung über der Raumtemperatur einstellen. Theoretisch sollten dadurch die B-Faktoren Bi (T ) aller Atome um den Faktor T /T0 ansteigen. Zudem können sich bei Erwärmung die Bindungsverhältnisse und nächsten Nachbarschaften der Proteine im Kristall ändern, was wiederum eine spezifische Änderung der atomaren B-Faktoren zur Folge hat. Ein wesentlicher Punkt zur Klärung der Frage, ob Mikrowellen an Proteindynamik koppeln, ist somit die genaue Kenntnis der rein thermisch induzierten Effekte. Aus diesem Grund wurden erstmals XRD-Messungen an einem tetragonalen HEW-Lysozymkristall bei Temperaturen zwischen 291 K und 310 K durchgeführt. Zudem erfolgte nochmals eine Messung nach der Temperaturreihe bei 291 K. Die Temperaturkontrolle des Kristalls und der beiden Reservoire nahe beim Kristall erfolgte indem der Gasstrom eines Stickstoff-Kühlers (Oxford 600 Series Cryostream) auf die Kapillare gerichtet wurde. Da die Reservoire also mit erwärmt wurden, kann davon ausgegangen werden, dass die Kristalle während den Messungen vollständig hydratisiert waren. Bei jeder Messung wurden 60 Diffraktogramme (∆ϕ = 1 ◦ ) aufgenommen und mit XDS ausgewertet. Anschließend wurde der PDB-Datensatz 193L gegen die Daten verfeinert (vgl. Kapitel 3.1.1). Dies lieferte die atomaren Koordinaten und die B-Faktoren der 1001 nicht-H-Atome von Lysozym sowie einiger stark gebundener Wassermoleküle. Die genauen Werte der Datenanalyse und der Verfeinerung sind in Tabelle 3.1 aufgelistet. 90 KAPITEL 3. XRD UND MIKROWELLENBESTRAHLUNG Kristall Temperatur [K] Datenanalyse Auflösung [Å]† hI/σI i‡ σM [◦ ] Wilson B-Faktor Gitterkonstanten: a [Å] c [Å] Anzahl Reflexe Anzahl unabh. Refl. Vollständigkeit [%] Rmess Verfeinerung Auflösung [Å] Anzahl benutzter Refl. Anzahl Nicht-H-Atome Anzahl Wassermoleküle Anzahl Ionen R Rfrei rmsd vom Idealwert: Bindungslängen [Å] Bindungswinkel [◦ ] mittl. B-Faktoren: 2 alle Nicht-H-Atome [ Å ] 2 Protein Atome [ Å ] 2 Wasser O-Atome [ Å ] 2 Na+ [ Å ] 2 Cl- [ Å ] 1 291 1 296 1 298 1 300 1 305 1 310 1 291 2,00 2,00 2,00 24,2 22,5 20,8 (10,9) (11,2) (10,4) 0,091 0,096 0,091 24,69 24,96 25,39 2,00 19,6 (10,2) 0,108 26,04 2,00 18,9 (9,6) 0,124 27,70 2,00 12,5 (4,9) 0,220 28,53 2,00 14,8 (7,8) 0,194 27,07 79,13 37,98 36538 8292 95,3 0,047 79,13 38,02 37118 8338 95,8 0,050 79,11 38,04 36518 8321 95,6 0,054 79.08 79,11 79,10 79,08 38,04 38,04 38,01 38,00 36927 37124 37108 36659 8339 8350 8334 8334 95,8 95,9 95,9 95,9 0,055 0,056 0,088 0,072 2,00 7898 1001 142 2 0,126 0,173 2,00 7941 1001 142 2 0,123 0,175 2,00 7924 1001 142 2 0,129 0,175 2,00 7942 1001 142 2 0,129 0,172 2,00 7952 1001 142 2 0,131 0,172 2,00 7936 1001 142 2 0,140 0,203 2,00 7936 1001 142 2 0,131 0,180 0,01 1,310 0,01 1,294 0,01 1,291 0,01 1,302 0,01 1,296 0,01 1,336 0,01 1,294 23,74 21,41 40,22 34,36 29,13 23,93 21,63 40,34 25,68 27,65 24,43 22,13 40,80 23,35 26,81 25,29 23,01 41,60 23,06 27,18 27,34 25,07 43,55 22,77 28,37 28,04 25,61 45,3 23,09 28,95 26,26 23,86 43,23 37,85 30,38 Tabelle 3.1: Charakteristische Größen der Datenanalyse und der Verfeinerung zu den temperaturabhängigen Messungen an Kristall Nr. 1. † Ein Diffraktogramm deckt einen Auflösungsbereich von 50, 00 − 2, 00 Å ab. ‡ Die Werte in Klammern beziehen sich auf das Gauß-Profil der Reflexe in der höchsten Auflösungsschale 2, 12 − 2, 00 Å. 3.2. ERGEBNISSE 91 Abbildung 3.13: Die atomaren B-Faktoren der 1001 Nicht-H-Atome von HEWLysozym als Funktion der Atomnummer. Die unterschiedlich gefärbten Kurven zeigen die atomaren B-Faktoren Bi,T zu Messungen am selben Kristall bei verschiedenen Temperaturen: 291 K (grau), 296 K (schwarz), 298 K (blau), 300 K (grün), 305 K (rot) und 310 K (orange). Lokale Betrachtung Abb. 3.13 zeigt die atomaren B-Faktoren Bi,T = 8π 2 h~u2i i/3 bei verschiedenen Temperaturen als Funktion der Atomnummer. Diese Verteilung der atomaren B-Faktoren, stellt eine Art Fingerabdruck“ für tetragonal kristallisiertes HEW” 2 2 Lysozym dar. Die Werte variieren stark zwischen 8 Å und 75 Å , je nach Bindung und Position der Atome. Während Rückgratatome eine eher geringere Beweglichkeit besitzen und kleinere B-Faktoren aufweisen, sind Atome in Seitenketten deutlich mobiler, besonders, wenn sie am Ende langer Seitenketten wie z. B. Arginin oder Lysin (s. S. 9) und an der Proteinoberfläche liegen. Wie zu erkennen ist änderte sich die Grundstruktur der Verteilung der B-Faktoren durch die Temperaturerhöhung bis auf 310 K nicht wesentlich. In Abb. 3.14 sind die B-FaktorDifferenzen Bi,T −Bi,291 K gezeigt (Kurven im oberen Teil der Abb.). Wie erwartet steigen fast alle atomaren B-Faktoren mit der Temperatur an, weisen somit positive Differenzen zu den Werten der Raumtemperaturmessung auf. Wiederum zeigen Atome die sich am Ende langer Seitenketten und an der Proteinoberfläche befinden den größten B-Faktoranstieg. So stammt z. B. der höchste B-Faktor2 Anstieg um 16, 5 Å im Bereich der Atomnummer 356 von den Atomen CZ und NH2 am Ende von Arg 45. Unerwartet ist die Verringerung einiger atomarer B- 92 KAPITEL 3. XRD UND MIKROWELLENBESTRAHLUNG Abbildung 3.14: Die Änderung der atomaren B-Faktoren (oben) und die Änderung der mittleren Atompositionen (unten) bei Erwärmung des Kristalls auf 296 K (schwarz), 298 K (blau), 300 K (grün), 305 K (rot) und 310 K (orange). Die Differenzen wurden jeweils zu den bei 291 K gemessenen Werten gebildet. Die auffälligsten Korrelationen zwischen den B-Faktor- und Atompositionsänderungen sind durch vertikale Linien gekennzeichnet. Abbildung 3.15: Vergrößerung des Bereiches der charakteristischen negativen BFaktor-Differenzen bei Erwärmung des Kristalls. 3.2. ERGEBNISSE 93 Abbildung 3.16: Die Änderung der atomaren B-Faktoren (oben) und die Änderung der mittleren Atompositionen (unten) bei Erwärmung des Kristalls auf 310 K (orange) und nach der Temperaturreihe wieder bei 296 K (grau). Die Differenzen wurden jeweils zu den bei 291 K vor der Temperaturreihe gemessenen Werten gebildet. Faktoren im Bereich der Atomnummern 560 bis 590. Solch ein Verhalten könnte durch eine strukturelle Veränderung erklärt werden, infolge derer die Atome an Bewegungsfreiheit verlieren. Im unteren Teil von Abb. 3.14 sind die Beträge der Verschiebungen der mittleren Atompositionen gegenüber den Werten der Raumtemperaturmessung gezeigt. Nur bei wenigen Atomen sind große Positionsänderungen mit hohen B-Faktor-Differenzen korreliert. Sie sind durch die gestrichelten vertikalen Linien gekennzeichnet. Auch im Bereich der Atomnummern 560 bis 590 haben sich manche mittlere Atompositionen aufgrund der Erwärmung geändert. Abb. 3.15 zeigt die B-Faktor-Differenzen an dieser Stelle der Polypeptidkette nochmals vergrößert. Am stärksten hat sich der B-Faktor des O-Atoms in 2 2 Gly 71 erniedrigt. Er ist von 52, 6 Å bei 291 K auf 35, 35 Å bei 310 K gesunken. Dabei wurde das Atom um 0, 38 Å versetzt. Bei dem OG-Atom in Ser 72 sank 2 2 der B-Faktor von 37, 82 Å auf 25, 52 Å bei einer Versetzung um 0, 4 Å und beim 2 2 O-Atom von Arg 73 von 36, 22 Å auf 27, 11 Å mit einer 0, 29 Å Versetzung. Auch ein detaillierter Vergleich der Proteinstrukturen in diesem Bereich der Polypeptidkette bei den verschiedenen Temperaturen lieferte keine stichhaltige Erklärung für dieses erstaunliche Verhalten. Ein Zusammenhang damit, dass die Atome OG in Ser 72 und O in Arg 73 zusammen mit den O-Atomen in Ser 60 und in Cys 64 94 KAPITEL 3. XRD UND MIKROWELLENBESTRAHLUNG Abbildung 3.17: Korrelationsplot der atomaren B-Faktoren Bi,T eines Kristalls bei verschiedenen Temperaturen gegen die atomaren B-Faktoren bei 291 K. Gezeigt sind auch die jeweiligen linearen Fits BT = A+SB291K mit den Koeffizienten A und S. und zwei gebundenen Wassermolekülen ein Na+ -Ion (Atomnummer 1014) stabilisieren (s. Abb 1.4), dessen B-Faktor ebenfalls mit steigender Temperatur sinkt (s. Tab. 3.1), ist nicht auszuschließen. Jedenfalls handelt es sich um einen reversiblen Effekt, wie die Messung bei 291 K nach der Temperaturreihe gezeigt hat. In Abb. 3.16 sind nochmals die B-Faktor-Differenzen und Verschiebungsbeträge der mittleren Atompositionen für die Messung bei 310 K gezeigt, zusammen mit den Werten der Messung bei 291 K nach der Erwärmung . Die Differenzen wurden wieder zu den bei 291 K, vor der Temperaturreihe gemessenen Werten gebildet. Während die meisten strukturellen Veränderungen weitgehend reversibel sind, bleibt der Mittelwert der atomaren B-Faktor-Differenzen doch deutlich positiv. Das mittlere Verhalten der atomaren B-Faktoren soll im Folgenden näher untersucht werden. Globale Betrachtung Um den mittleren Anstieg der atomaren B-Faktoren zu bestimmen, werden in den Korrelationsplots in Abb. 3.17 die atomaren B-Faktoren bei erhöhter Temperatur 296 K ≤ T ≤ 310 K gegen ihre Werte bei T0 = 291 K aufgetragen. Die Korrelationen der Bi,T zu ihren Ausgangswerten wurden jeweils durch einen linearen Fit BT = A + SB291 K mit den Fitparametern A und S und der Standardabweichung 3.2. ERGEBNISSE 95 Abbildung 3.18: (a) Achsenabschnitt A und die Standardabweichung σ sowie (b) die Steigung S der Ausgleichsgeraden als Funktion der Temperatur. Die gestrichelte Linie ist die Theoriekurve bei linearen Kräften: S = T /291 K. Die offenen Symbole stehen jeweils für den Wert, der aus der Korrelation der Messungen vor und nach der Temperaturreihe entstanden ist. σ quantifiziert. Wären die mittleren Auslenkungsquadrate der Atome durch rein harmonische Kräfte bestimmt, so müsste sich eine Temperaturerhöhung von T0 auf T durch einen Anstieg aller atomaren B-Faktoren um den Faktor T /T0 bemerkbar machen. Der Achsenabschnitt A im Korrelationsplot sollte dann für alle Temperaturen verschwinden und die Steigung sollte S = T /T0 betragen. Die Korrelationsplots weisen jedoch ein anderes Verhalten auf. Abb. 3.18 (a) zeigt den deutlichen Anstieg der Achsenabschnitte und der Standardabweichungen mit der Temperatur. Da sich die Steigungen der Ausgleichsgeraden nur sehr wenig ändern, bedeutet dies, dass bei einer Temperaturerhöhung des Kristalls im Mittel alle atomaren B-Faktoren um den gleichen Betrag ansteigen. Dies kann mit einer Verschlechterung der Periodizität des Kristalls zusammenhängen, oder durch akustische Phononen erklärt werden. Da deren Wellenlängen wesentlich größer als der Proteindurchmesser ist, könnten sie einen gleichmäßigen, reversiblen Beitrag zu allen atomaren B-Faktoren liefern. Da die Zustandsdichte der Phononen in Lysozymkristallen nicht bekannt ist, und Modelle wie das DebyeModell wegen der vielatomigen Basis in Proteinkristallen nicht anwendbar ist, ist eine Abschätzung für den Beitrag der akustischen Phononen zum Achsenabschnitt A nur schwer möglich (vgl. S. 57). Der starke Anstieg der Standardabweichung spiegelt das inhomogene Temperaturverhalten der individuellen Atome im Protein wieder, wie es bereits in Abb. 3.14 zu sehen ist. In Abb. 3.18 (b) sind die Steigungen der linearen Fits über die Temperatur aufgetragen. Alle Werte liegen unterhalb der Theoriekurve für lineare Kräfte 96 KAPITEL 3. XRD UND MIKROWELLENBESTRAHLUNG Abbildung 3.19: (a) Wilson B-Faktor und (b) Mosaizität (blaue Kreise) sowie Reflexdivergenz (rote Dreiecke) als Funktion der Temperatur. Die offenen Symbole stehen jeweils für den Wert nach der Temperaturreihe, wieder bei 291 K gemessen. S = T /291 K (gestrichelte Linie). Dies kann unter anderem durch die in der lokalen Betrachtung diskutierten Verringerung einiger atomarer B-Faktoren bei 2 steigender Temperatur erklärt werden. Da ihre Werte mit über 36 Å deutlich größer sind als die mittleren B-Faktoren kippen sie die Fits mit ihrem statistischen Gewicht zu etwas kleineren Steigungen. Außerdem könnte der Kristall aus experimentellen Gründen nicht die eingestellte Temperatur erreicht haben, was systematisch zu kleine Steigungen liefern würde. Steigungswerte kleiner 1 können hiermit jedoch nicht erklärt werden. Insbesondere fällt die schwer erklärbare Steigung von nur 0, 99 der Fitgeraden bei 310 K auf. Ein Grund für diesen zu geringen Wert könnte sein, dass die während der Erwärmung stattfindenden strukturellen Veränderungen im Kristall die Beweglichkeit einiger Atome mit hohen B-Faktoren einschränken. Die nicht ausgefüllten Symbole in Abb. 3.18 (a) und (b) bei 291 K stehen für die Fitparameter, die aus der Korrelation der Messungen vor und nach der Temperaturreihe entstanden. Wären die beobachteten Effekte vollkommen reversibel, 2 2 so müsste wieder A ≈ 0 Å , S ≈ 1 und σ ≈ 0, 8 Å betragen. Aufgrund des durch die sieben Messungen erzeugten Strahlenschadens würde man jedoch er2 warten, dass der mittlere B-Faktor um ca. 1, 08 Å angestiegen wäre (s. S. 88). Dies sollte sich im Achsenabschnitt A ähnlich stark äußern. Tatsächlich fällt A 2 2 von 4, 44 Å bei 310 K auf 1, 78 Å bei 291 K zurück. Auch die Standardabwei2 chung mit σ = 1, 5 Å und die Steigung mit S = 1, 03 bei 291 K deuten auf eine eingeschränkte Reversibilität der Temperatureffekte hin. In Abb. 3.19 (a) ist das Temperaturverhalten des Wilson B-Faktors gezeigt. 3.2. ERGEBNISSE 97 2 2 Auch sein Wert steigt mit der Temperatur von 24, 69 Å bei 291 K auf 28, 53 Å bei 310 K an, vergleichbar mit dem Anstieg der Achsenabschnitte der linearen Fits der Korrelationsplots. Die zweite Messung bei 291 K nach der Temperaturreihe weist ebenfalls einen nicht allein durch den Strahlenschaden erklärbaren, hohen 2 Wilson B-Faktor von 27, 01 Å auf (nicht ausgefülltes Quadrat). Dass der Kristall durch die Temperaturreihe irreversiblen Schaden erlitten hat, wird besonders deutlich, wenn man die Werte der Reflexdivergenz und der Mosaizität in Abb. 3.19 (b) betrachtet. Sie zeigen einen starken, weitgehend irreversiblen Anstieg, besonders für die Messung bei 310 K. Zusammenfassend kann Folgendes gesagt werden: aufgrund der Erwärmung lässt sich eine charakteristische, reversible Verringerung einiger atomarer BFaktoren in den Aminosäuren Gly 71, Ser 72 und Arg 73 beobachten. Die Steigungsänderungen der linearen Fits der Korrelationsplots sind sehr gering und können nur eingeschränkt als Indikator für die Kristalltemperatur benutzt werden. Der Achsenabschnitt A steigt überraschenderweise systematisch mit der Temperatur an, was mit akustischen Phononen im Kristall zusammenhängen könnte. Zudem kann gesagt werden, dass der Kristall unter der Erwärmung irreversibel gelitten hat. Dies äußert sich nicht nur in einer erhöhten Mosaizität, sondern auch durch einen irreversiblen Anteil des Achsenabschnitts A. Da der Achsenabschnitt für den mittleren Anstieg aller atomarer B-Faktoren steht, bedeutet dies, dass sich die Periodizität des Kristalls durch die Erwärmung verschlechtert hat. 98 3.2.4 KAPITEL 3. XRD UND MIKROWELLENBESTRAHLUNG XRD mit simultaner Bestrahlung Im folgenden Abschnitt werden Experimente vorgestellt, bei denen erstmalig XRD-Messungen an tetragonalen HEW-Lysozymkristallen unter gleichzeitiger Mikrowellenbestrahlung durchgeführt wurden. Wenn das elektrische Feld der Mikrowelle an polare oder geladene Einheiten des Proteins koppelt und diese zu Schwingungen anregt, dann sollten leistungsabhängige Änderungen der BFaktoren der entsprechenden Atome beobachtbar sein [128]. Eine systematische Änderung der atomaren B-Faktoren ganzer Domänen würde sogar auf die Anregung kollektiver niederfrequenter Moden des Proteins im Mikrowellenbereich hindeuten. Da diese niederfrequenten kollektiven Moden als entscheidend bei Konformationsübergängen angesehen werden [7], würde somit eine ernsthafte Chance auf die Verbesserung schlecht beugender Kristalle bestehen. Entsprechend den Ergebnissen der in Kap. 2 gezeigten inelastischen Lichtstreu-Messungen befindet man sich im Mikrowellenbereich vermutlich deutlich unterhalb der Frequenzen der langsamsten kollektiven Vibrationsmoden. Da somit keine Anregung scharfer Resonanzen zu erwarten ist, genügt es, alle Experimente nur bei einer Frequenz des zur Verfügung stehenden Bereiches (8−18 GHz) durchzuführen. Da das Absorptionsmaximum von freiem Wasser bei 18 GHz liegt [62, 63] und die Transmission des Wellenleiters mit steigender Frequenz deutlich abnimmt (s. S. 80) wurden alle Kristalle bei 8 GHz bestrahlt. Entsprechend den Ergebnissen in Abschnitt 3.2.1 wurden zwei tetragonale HEW-Lysozymkristalle für die im Folgenden beschriebenen Experimente tro” cken“ präpariert (s. S. 74). Kristall Nr. 2 wurde sukzessive mit 0, 5 W, 1 W, 2 W und 3 W Leistung bestrahlt und Kristall Nr. 3 mit 1 W, 3 W und 5 W. Jeweils vor, während und nach einer Bestrahlung wurden XRD-Messungen an den Kristallen durchgeführt (s. S. 78). Um den Strahlenschaden an Kristall Nr. 2 gering zu halten wurde auf die Messung nach der Bestrahlung mit 0, 5 W verzichtet. Eine Temperaturmessung der Kristalle während der Bestrahlung konnte leider nicht erfolgen, da ein metallischer Sensor die Feldverteilung im Wellenleiter stark gestört hätte. Zudem würde die geringe Wärmekapazität der kleinen Kristalle eine Kontaktmessung erschweren. Der Versuch, die Kristalltemperatur mit einem IR-Thermometer zu messen, scheiterte an der Absorption der Glaskapillare um λ = 10 µm und an der geringen Größe der Kristalle. Umso wichtiger wird im Folgenden sein, die Daten mit den Ergebnissen der temperaturabhängigen Messungen zu vergleichen. Auch hier wurden bei jeder Messung 60 Diffraktogramme (∆ϕ = 1◦ ) aufgenommen und mit XDS ausgewertet. Ebenso wurde anschließend der PDBDatensatz 193L gegen die Daten verfeinert (s. Kap. 3.1.1). Die genauen Werte der Datenanalyse und der Verfeinerung sind in Tab. 3.2 und Tab. 3.3 aufgelistet. 3.2. ERGEBNISSE Kristall Leistung [W] vor/während/nach Datenanalyse Auflösung [Å]† hI/σI i‡ σM [◦ ] Wilson B-Faktor Gitterkonstanten: a [Å] c [Å] Anzahl Reflexe Anzahl unabh. Refl. Vollständigkeit [%] Rmess Verfeinerung Auflösung [Å] Anzahl benutzter Refl. Anzahl Nicht-H-Atome Anzahl Wassermoleküle Anzahl Ionen R Rfrei rmsd vom Idealwert: Bindungslängen [Å] Bindungswinkel [◦ ] mittl. B-Faktoren: 2 alle Nicht-H-Atome [ Å ] 2 Protein Atome [ Å ] 2 Wasser O-Atome [ Å ] 2 Na+ [ Å ] 2 Cl- [ Å ] 99 2 0 v 2 0,5 w 2 1 w 2 1 n 2 2 w 2 2 n 2,00 2,00 2,00 20,0 19,3 19,2 (10,9) (10,7) (10,5) 0,087 0,089 0,088 26,42 26,65 26,87 2,00 18,8 (10,0) 0,088 27,29 2,00 14,3 (8,4) 0,099 27,90 2,00 17,8 (8,8) 0,089 28,14 79,18 37,98 37170 8084 93,7 0,063 79,18 37,99 37129 8080 93,7 0,066 79,15 37,99 37169 8080 93,8 0,066 79.17 79,19 79,16 37,99 38,03 38,00 37209 36868 37280 8084 8046 8088 93,8 93,6 93,0 0,066 0,080 0,068 2,0 7703 1001 142 2 0,128 0,194 2,0 7699 1001 142 2 0,127 0,191 2,0 7699 1001 142 2 0,129 0,193 2,0 7703 1001 142 2 0,129 0,194 2,0 7668 1001 142 2 0,131 0,189 2,0 7700 1001 142 2 0,131 0,171 0,01 1,305 0,01 1,293 0,01 1,294 0,01 1,311 0,01 1,292 0,01 1,303 25,01 22,76 40,82 30,61 30,38 24,83 22,59 40,60 27,38 29,59 25,08 22,87 40,67 23,94 28,90 25,76 23,53 41,45 28,72 30,66 25,93 23,66 41,89 22,35 29,30 26,75 24,45 42,9 29,94 30,97 Tabelle 3.2: Charakteristische Größen der Datenanalyse und der Verfeinerung zu den leistungsabhängigen Messungen an Kristall Nr. 2. † Ein Diffraktogramm deckt einen Auflösungsbereich von 50, 00 − 2, 00 Å ab. ‡ Die Werte in Klammern beziehen sich auf das Gauß-Profil der Reflexe in der höchsten Auflösungsschale 2, 12 − 2, 00 Å. 100 KAPITEL 3. XRD UND MIKROWELLENBESTRAHLUNG Kristall Leistung [W] vor/während/nach Datenanalyse Auflösung [Å]† hI/σI i‡ σM [◦ ] Wilson B-Faktor Gitterkonstanten: a [Å] c [Å] Anzahl Reflexe Anzahl unabh. Refl. Vollständigkeit [%] Rmess Verfeinerung Auflösung [Å] Anzahl benutzter Refl. Anzahl Nicht-H-Atome Anzahl Wassermoleküle Anzahl Ionen R Rfrei rmsd vom Idealwert: Bindungslängen [Å] Bindungswinkel [◦ ] mittl. B-Faktoren: 2 alle Nicht-H-Atome [ Å ] 2 Protein Atome [ Å ] 2 Wasser O-Atome [ Å ] 2 Na+ [ Å ] 2 Cl- [ Å ] 3 0 v 3 1 w 3 1 n 3 3 w 3 3 n 2,00 2,00 21,3 19,3 (15,2) (14,2) 0,120 0,183 25,87 25,92 2,00 20,1 (14,1) 0,132 26,30 2,00 16,1 (11,6) 0,144 28,01 2,00 18,1 (12) 0,177 27,92 79,16 37,95 37009 7402 85,8 0,073 79,15 37,98 36466 7355 85,3 0,079 79,15 37,96 36852 7378 85,5 0,077 79.13 79,13 38,04 38,00 35604 36694 7180 7304 84,0 84,4 0,087 0,083 2,00 7046 1001 142 2 0,123 0,182 2,00 7000 1001 142 2 0,129 0,188 2,00 7023 1001 142 2 0,129 0,187 2,00 6850 1001 142 2 0,131 0,189 2,00 6958 1001 142 2 0,130 0,190 0,01 1,282 0,01 1,295 0,01 1,281 0,01 1,328 0,01 1,290 22,79 20,50 38,85 26,80 26,85 22,64 20,33 38,83 21,95 25,92 22,97 20,68 39,11 25,19 27,23 25,03 22,84 40,43 19,80 25,64 24,83 22,57 40,72 24,30 29,05 Tabelle 3.3: Charakteristische Größen der Datenanalyse und der Verfeinerung zu den leistungsabhängigen Messungen an Kristall Nr. 3. † Ein Diffraktogramm deckt einen Auflösungsbereich von 50, 00 − 2, 00 Å ab. ‡ Die Werte in Klammern beziehen sich auf das Gauß-Profil der Reflexe in der höchsten Auflösungsschale 2, 12 − 2, 00 Å. 3.2. ERGEBNISSE 101 Abbildung 3.20: Änderung der atomaren B-Faktoren der Kristalle Nr. 2 (links) und Nr. 3 (rechts) durch Mikrowellenbestrahlung mit P = 0, 5 W, 1 W, 2 W und 3 W. Die roten Kurven zeigen die Differenzen der atomaren B-Faktoren während der Bestrahlung (Bi,w ) zu den Werten vor der ersten Bestrahlung (Bi,v ). Die schwarzen Kurven zeigen die Differenzen der atomaren B-Faktoren nach der jeweiligen Bestrahlung (Bi,n ) zu den Werten vor der ersten Bestrahlung. 102 KAPITEL 3. XRD UND MIKROWELLENBESTRAHLUNG Lokale Betrachtung Da sich die Reservoire an den beiden Enden der Kapillaren außerhalb des Wellenleiters befanden, und sich somit, im Gegensatz zum Kristall, während der 4-stündigen Bestrahlung nicht erwärmten, kann davon ausgegangen werden, dass die Kristalle während den Messungen allmählich dehydratisierten (s. Kap. 3.2.1). Kristall Nr. 2 dehydratisierte gegen Ende der Bestrahlung mit P = 3 W so stark, dass eine sinnvolle Auswertung der Diffraktogramme nicht mehr möglich war. Kristall Nr. 3 lieferte hingegen auch noch bei P = 3 W Beugungsbilder mit Reflexen bis zu hoher Auflösung. Der Grund hierfür liegt wahrscheinlich in kleinen Unterschieden in der Probenpräparation und Kristallpositionierung im Feld. Bei einer Bestrahlungsleistung von 5 W dehydratisierte schließlich auch Kristall Nr. 3 während des ersten Drittels der Messung. Zur Übersicht sind in Abb. 3.20 die Änderungen der atomaren B-Faktoren aufgrund der Mikrowellenbestrahlung gezeigt. Alle Differenzen wurden zu den Werten der ersten Messung am jeweiligen Kristall ohne Bestrahlung gebildet. Die roten Kurven stehen für die Messungen bei gleichzeitiger Bestrahlung und die schwarzen für jene nach der Bestrahlung. Die Streuung der Werte nimmt mit steigender Bestrahlungsleistung stark zu. Dies gilt nicht nur für die Messungen während der Bestrahlung, sondern in geringerem Ausmaß auch für die Messungen danach. Zudem steigt der Mittelwert der atomaren B-Faktor-Differenzen kontinuierlich an, was ein weiteres Zeichen für eine irreversible Verschlechterung der Kristalle ist. In der weiter unten folgenden globalen Betrachtung wird dieses Verhalten noch quantitativ diskutiert. Alle Kurven weisen die für eine Erwärmung charakteristische Verringerung der B-Faktorendifferenzen im Bereich der Atomnummern 560 bis 600 auf. Im Gegensatz zur Temperaturreihe scheint diese Erniedrigung im Falle der Mikrowellenbestrahlung jedoch nicht vollständig reversibel zu sein. Beide Messungen unter Bestrahlung an Kristall Nr. 3 und auch die 2 W-Messung an Kristall Nr. 2 weisen zusätzlich eine Erniedrigung der B-Faktorendifferenzen im Bereich der Atomnummern 100 bis 150 auf und um die Atomnummer 752. Abb. 3.21 (a) zeigt die atomaren B-Faktor-Differenzen des Kristalls Nr. 2 während der Bestrahlung mit P = 0, 5 W, 1 W und 2 W. In (b) sind nochmals Vergrößerungen der beiden Bereiche mit charakteristischen negativen BFaktor-Differenzen zu sehen. Ein Vergleich mit Abb. 3.14 und 3.15 der Temperaturreihe macht deutlich, dass sich der Kristall aufgrund der Absorption durch das Kristallwasser während der Bestrahlung erwärmt hat. So stimmen z. B. die B-Faktor-Differenzen der 2 W-Messung weitgehend mit denen der Messung bei 298 K überein. Die Atome O in Gly 71, OG in Ser 72, O in Arg 73 und die Atome der Seitenkette von Asn 77 zeigen eine vergleichbare Abnahme der atomaren BFaktoren mit steigender Bestrahlungsleistung, wie bei der Temperaturerhöhung. Ebenso weist auch das Na+ -Ion in beiden Fällen eine sinkende Beweglichkeit auf. Einige Atome an den Enden langer Seitenketten an der Oberfläche des Proteins, wie z. B. in Arg 45 und Arg 68 steigen mit der Bestrahlungsleistung wie bei der 3.2. ERGEBNISSE 103 Abbildung 3.21: Änderung der atomaren B-Faktoren des Kristalls Nr. 2 durch Mikrowellenbestrahlung bei ν = 8 GHz. (a) Differenzen der atomaren B-Faktoren während der Bestrahlung mit P = 0, 5 W (schwarz), 1 W (blau) und 2 W (grün) zu den Werten vor der Bestrahlung. (b) Zoom in die zwei Bereiche der charakteristischen negativen B-Faktor-Differenzen in den Aminosäuren Gly 71, Ser 72, Arg 73 und Asn 77 sowie in Arg 14. 104 KAPITEL 3. XRD UND MIKROWELLENBESTRAHLUNG Abbildung 3.22: (a) Histogramm der Unterschiede zwischen den atomaren BFaktor-Differenzen von Kristall Nr. 2 während der Bestrahlung mit P = 2 W (ν = 8 GHz) und von Kristall Nr. 1 während der Messung bei T = 298 K (Integra2 tionsbreite = 0, 2 Å ). Der Fit einer Gauß-Kurve ergibt: h∆Bi,2 W − ∆Bi,298 K i = 2 2 (0, 19 ± 0, 03) Å mit einer Standardabweichung von σ∆Bi,2 W −∆Bi,298 K = 1, 46 Å . (b) Die ∆Bi,2 W − ∆Bi,298 K Werte als Funktion der Atomnummer. Temperaturerhöhung auffällig an. Zur Klärung der Frage, ob es neben den Temperatureffekten noch eine direkte Kopplung der Mikrowellen an das Protein gibt, werden die B-FaktorDifferenzen der Messung bei 298 K von den B-Faktor-Differenzen der 2WMessung abgezogen. Das Resultat ist in Abb. 3.22 (a) als Histogramm (Integra2 tionsbreite = 0, 2 Å ) dargestellt. Es lässt sich gut durch eine Gauß-Kurve fit2 ten: h∆Bi,2 W − ∆Bi,298 K i = (0, 19 ± 0, 03) Å mit einer Standardabweichung von 2 σ∆Bi,2 W −∆Bi,298 K = 1, 46 Å . Theoretisch ergibt sich für die Standardabweichung aus dem Fehlerfortpflanzungsgesetz von Gauß und der in Kapitel 3.2.2 bestimmten unteren Fehlergrenze für die Standardabweichung von B-Faktor-Differenzen 2 2 2 2 σ∆B = 0, 8 Å bereits ein Wert von ((0, 8 Å )2 + (0, 8 Å )2 )1/2 = 1, 13 Å . Das bedeutet, dass die B-Faktor-Differenzen nach Abzug der Temperatureffekte weitgehend im Rahmen der Messgenauigkeit ohne statistische Signifikanz normalverteilt sind und keine direkte Kopplung festzustellen ist. In Abb. 3.22 (b) sind die Werte von ∆Bi,2 W −∆Bi,298 K über der Atomnummer aufgetragen. Würden durch Kopplung der Mikrowellen niederfrequente Vibrationsmoden im Protein resonant angeregt werden, so müsste sich dies durch erhöhte Werte ganzer Domänen bemerkbar machen. Dies ist nicht der Fall. Besonders auffällig ist das Verhalten des OXT-Atoms in Leu 129, das den C-Terminus des Proteins bildet. Bei ihm ist die 2 B-Faktor-Differenz der 2 W-Messung um 10, 65 Å größer als bei der Messung bei 298 K. Dieses Verhalten findet sich allerdings in keiner der anderen Messungen 3.2. ERGEBNISSE 105 Abbildung 3.23: (a) Die Änderung der mittleren Atompositionen bei Erwärmung des Kristalls Nr. 1 auf 296 K (schwarz), 298 K (blau), 300 K (grün), 305 K (rot) und 310 K (orange). Die Differenzen wurden jeweils zu den bei 291 K gemessenen Werten gebildet. (b) Die Änderung der mittleren Atompositionen während der Mikrowellenbestrahlung von Kristall Nr. 2 mit P = 0, 5 W (schwarz), 1 W (blau), 2 W (grün) und von Kristall Nr. 3 mit P = 3 W (rot). Die Differenzen wurden jeweils zu den vor der Bestrahlung gemessenen Werten gebildet. 106 KAPITEL 3. XRD UND MIKROWELLENBESTRAHLUNG OXT Arg 14 Lys 97 Asn 77 Arg 45 Arg 68 Arg 73 Ser 72 Gly 71 Abbildung 3.24: Die Struktur von HEW-Lysozym mit allen Atomen außer Wasserstoff, bestimmt durch XRD an Kristall Nr. 2 während der Bestrahlung mit P = 2 W. Die Aminosäuren, mit den im Text diskutierten Atomen mit negativen (blau) und positiven (rot) B-Faktor-Differenzen werden extra bezeichnet. unter Mikrowellenbestrahlung wieder und scheint nicht einmal auf das C-Atom 2 Einfluss zu haben, an das es kovalent gebunden ist, da dessen Wert nur 2, 7 Å beträgt. Daher wäre die Deutung dieser Beobachtung als Mikrowelleneffekt gewagt. Wie bereits erwähnt, zeigen einige Bereiche systematisch nur bei der Mikrowellenbestrahlung eine Verringerung der Beweglichkeit, und nicht bei direkter Erwärmung. Zu diesen Bereichen gehören die Atome CZ, NH1 und NH2 am Ende der Seitenkette von Arg 14 oder CD, CE, und NZ am Ende der Seitenkette von Lys 97 (vgl. Abb. 3.21). Beide Seitenketten liegen an der Oberfläche des Proteins (s. Abb. 3.24). Eine mögliche Erklärung für dieses unerwartete Verhalten liefert Abb. 3.23. Hier sind die mittleren Positionsänderungen der Atome während der Temperaturreihe in (a) und während der Mikrowellenbestrahlung in (b) als Funktion der Atomnummer aufgetragen. Ohne auf Details einzugehen, lässt sich feststellen, dass es sich um zwei weitgehend unterschiedliche Verschiebungsmuster handelt, was wahrscheinlich mit den unterschiedlichen Versuchsbedingungen bezüglich der Kristallhydratation zusammenhängt. Während bei der Temperaturreihe die Reservoire in der Kapillare miterwärmt wurden, befanden sie 3.2. ERGEBNISSE 107 sich bei allen Mikrowellenbestrahlungen außerhalb des Wellenleiters und blieben auf Raumtemperatur, während sich die Proteinkristalle aufgrund der Absorption durch das Kristallwasser erwärmten. Der entstandene Temperaturgradient zwischen Kristall und Reservoir führte über Dampfdiffusion schließlich zur Dehydratisierung der bestrahlten Kristalle. Dies führt zwangsläufig zu hydratationsabhängigen Komponenten im Verschiebungsmuster der Atome. Die atomaren B-Faktoren gleicher Atome könnten sich also in den beiden Messreihen aufgrund der leicht unterschiedlichen nächsten Nachbarschaft und dem veränderten Wassergehalt unterscheiden. Die Bestimmung der Zugänglichkeit für Wasser von allen Aminosäuren in Lysozym mit dem Programm DSSP (Apr. 2000) [129] liefert für 2 2 Arg 14 den zweithöchsten Wert mit 203 Å , und 103 Å für Lys 97. Bei allen anderen Aminosäuren mit hoher Zugänglichkeit ist jedoch keine weitere Korrelation zu den B-Faktor-Differenzen zu erkennen. Im Falle von CG und NH1 in Arg 14 könnte auch eine Rolle spielen, dass sie zu den 218 Kontaktatomen gehören, bei denen sich innerhalb eines Radius von 4 Å ein Atom eines benachbarten Proteinmoleküls befindet. Sie wurden mit dem Unterprogramm CONTACTS des Paketes CCP4 4.2 [119] bestimmt. Aber auch hier ist bei allen anderen Kontaktatomen keine weitere Systematik festzustellen. Globale Betrachtung Zur Analyse des mittleren Anstiegs der atomaren B-Faktoren aufgrund der Mikrowellenbestrahlung wird wie in Kap. 3.2.3 vorgegangen. In Abb. 3.25 (a) sind die Korrelationsplots der atomaren B-Faktoren während der Bestrahlung gegen ihre Werte vor der Bestrahlung aufgetragen. Abb. 3.25 (b) zeigt die Korrelationen der atomaren B-Faktoren nach der Bestrahlung zu den Werten vor der Bestrahlung. Die Daten zu P = 0, 5 W, 1 W und 2 W stammen von Kristall Nr. 2 und die 3 W-Daten von Kristall Nr. 3. Die Ausgleichsgeraden Bw/n,P = A + SBv der Korrelationsplots liefert die in Abb. 3.26 (a)-(c) dargestellten Größen, den Achsenabschnitt A, die Steigung S und die Standardabweichung σ, wobei Dreiecke die Werte zu Kristall Nr. 2 darstellen und Kreise die zu Kristall Nr. 3. Während die Steigung S bei allen Korrelationen in etwa 1 beträgt und nicht systematisch von der Bestrahlungsleistung abzuhängen scheint, wächst der Achsenabschnitt A monoton mit steigender Bestrahlungsleistung. Somit steigen während der Mikrowellenbestrahlung, wie bei der Temperaturerhöhung, die atomaren B-Faktoren aller Atome im Mittel um den gleichen Betrag an. Die Irreversibilität dieses Anstiegs ist jedoch noch stärker ausgeprägt als bei der Temperaturerhöhung. Die offenen Symbole in Abb. 3.26 (a)-(d) stehen für die Werte der jeweiligen Größen nach der Bestrahlung. Der Achsenabschnitt von Kristall Nr. 2 2 beträgt A = 1, 4 Å während der Bestrahlung mit P = 2 W und sinkt lediglich 2 2 auf 1, 1 Å nach der Bestrahlung. Auch bei Kristall Nr. 3 sinkt A von 2, 6 Å nur 2 auf 2, 3 Å nach der Bestrahlung mit P = 3 W. Die eingeschränkte Reversibi- 108 KAPITEL 3. XRD UND MIKROWELLENBESTRAHLUNG Abbildung 3.25: (a) Korrelationsplots der atomaren B-Faktoren während der Mikrowellenbestrahlung bei ν = 8 GHz gegen die B-Faktoren vor der Bestrahlung. (b) Die entsprechenden Plots nach der jeweiligen Bestrahlung. Die Werte mit P = 0, 5 W (schwarz), 1 W (blau) und 2 W (grün) stammen von Kristall Nr. 2 und die mit P = 3 W (rot) von Kristall Nr. 3. Gezeigt sind auch die linearen Fits Bw/n,P = A + SBv mit den Koeffizienten A und S. 3.2. ERGEBNISSE 109 Abbildung 3.26: (a) Achsenabschnitt A und (b) die Steigung S der Fitgeraden in Abb. 3.25 als Funktion der transmittierten Mikrowellenleistung. (c) Die Standardabweichung σ der atomaren B-Faktoren vom Fit und (d) die Wilson B-Faktoren der Datensätze als Funktion der transmittierten Mikrowellenleistung. Die Dreiecke geben die Werte für Kristall Nr. 2 und die Kreise die für Kristall Nr. 3 wieder. Gefüllte Symbole stehen für die Werte während der Bestrahlung und die offenen Symbole geben die Werte nach der Bestrahlung wieder. lität kann nicht alleine durch den Strahlenschaden erklärt werden. Der Beitrag 2 des Strahlenschadens zum Anstieg von A sollte höchstens ca. 0, 18 Å für jede Messung betragen (s. S. 88). Für Kristall Nr. 2 ergibt sich hiermit ein Beitrag von 2 0, 90 Å und für Kristall Nr. 3, der einmal weniger geröntgt wurde, ein Beitrag 2 von 0, 72 Å zu A. Dies macht deutlich, dass der Wert von A eher mit mit der eingestrahlten Mikrowellenleistung korreliert, als mit dem Strahlenschaden der aufeinander folgenden Messungen. Wie bei der Temperaturerhöhung steigt auch die Standardabweichung σ, aufgrund des inhomogenen Verhaltens der individuellen Atome im Protein, monoton mit der Bestrahlungsleistung an und kehrt nach der Bestrahlung nicht vollständig zu den Ausgangswerten zurück. Die Wilson B-Faktoren von Kristall Nr. 2 und Nr. 3 steigen ebenfalls mit der Bestrahlungsleistung deutlich an (Abb. 3.26 (d)). Hier manifestiert sich der irre- 110 KAPITEL 3. XRD UND MIKROWELLENBESTRAHLUNG Abbildung 3.27: Überlagerung der Koeffizienten der linearen Fits der Abb. 3.17 und Abb. 3.25. Achsenabschnitt A (Kreise), Steigung S (Quadrate) und die Standardabweichung σ (Dreiecke) der jeweiligen Fits als Funktion der Temperatur (schwarz) bzw. der Mikrowellenleistung (rot). Die Skalen wurden so angepasst, dass die jeweiligen Größen möglichst zur Deckung kommen und so eine Temperaturbestimmung für die Kristalle unter Mikrowellenbestrahlung resultiert. versible Schaden aufgrund der Mikrowellenbestrahlung am deutlichsten, da die Messungen nach der Bestrahlung meist einen noch höheren Wert aufweisen als während der Bestrahlung. Dies ist ein eindeutiges Zeichen für eine Verschlechterung der Kristallperiodizität. Die Koeffizienten der linearen Fits der Korrelationsplots und die Standardabweichung verhalten sich unter Mikrowellenbestrahlung sehr ähnlich wie bei der in Kap. 3.2.3 beschriebenen Temperaturerhöhung. In Abb. 3.27 sind daher Achsenabschnitt A, Steigung S und die Standardabweichung σ der jeweiligen Fits als Funktion der Temperatur (schwarz) bzw. der Mikrowellenleistung (rot) in einem Diagramm dargestellt. Die Skalen wurden so angepasst, dass die jeweiligen Größen möglichst zur Deckung kommen. Auf diese Art lässt sich die Temperatur der bestrahlten Kristalle abschätzen. Für Kristall Nr. 2 ergibt sich demnach z. B. eine Temperatur von 299, 5 K während der Bestrahlung mit P = 2 W. Dieses Ergebnis steht in guter Übereinstimmung mit den geringen Unterschieden zwischen den atomaren B-Faktor-Differenzen der Messung mit 2 W Bestrahlungsleistung und der Messung bei T = 298 K (s. Abb. 3.22). 3.2. ERGEBNISSE (a) 111 (b) Abbildung 3.28: Zwei Diffraktogramme des selben Glycinoxidase-Kristalls, die bei der selben Orientierung aufgenommen wurden. (a) Vor der Mikrowellenbestrahlung. (b) Nach einer zweistündigen Bestrahlung bei 8 GHz mit P = 1 W. Der äußere Rand entspricht einer Auflösung von 2 Å. 3.2.5 Die Bestrahlung von Glycinoxidase- und FhuAKristallen Zur direkten Überprüfung, ob die Bestrahlung mit Mikrowellen einen positiven Effekt auf schlecht beugende Proteinkristalle hat, standen zwei solcher Kristalle zur Verfügung: ein Glycinoxidase Kristall (Bacillus subtilis) und ein FhuAKristall. Beide Kristalle wurden 2 Stunden lang bei 8 GHz mit P = 1 W bestrahlt und während dessen wiederholt über den selben 5◦ -Bereich geröntgt (∆ϕ = 1◦ ). Vergleicht man ein vor der Bestrahlung aufgenommenes Diffraktogramm des Glycinoxidase Kristalls mit dem letzten, am Ende der zweistündigen Bestrahlung aufgenommenen Diffraktogramm bei der selben Kristallorientierung, so ist kein Anzeichen einer Verbesserung zu erkennen (Abb. 3.28). Aufgrund der geringen Anzahl an Beugungsspots und der geringen Auflösung von nur ca. 10 Å wurde auf eine eingehende Analyse der Diffraktogramme verzichtet. Die Bestrahlung des FhuA Kristalls führte zum gleichen negativen Ergebnis. 3.3 Diskussion und Ausblick Durch die in den letzten Abschnitten beschriebenen Experimente konnte nachgewiesen werden, dass eine Kopplung von Mikrowellen an niederfrequente Proteindynamik von HEW-Lysozym in tetragonalen Kristallen bis zu einer Bestrahlungsleistung von P = 3 W bei ν = 8 GHz selbst mittels XRD mit atomarer Auflösung 112 KAPITEL 3. XRD UND MIKROWELLENBESTRAHLUNG nicht messbar ist. Nach den TDFD-Rechnungen von T. Reinhardt entspricht dies einer Leistungsdichte von 0, 36 W/mm2 und einer elektrischen Feldstärke von 28, 5 kV/m am Ort des bestrahlten Kristalls. Die Kristalle erwärmten sich während der Bestrahlung aufgrund der Absorption durch das Kristallwasser und verloren an Qualität. Bei höheren Leistungen P ≥ 3 W dehydratisierten die Kristalle und verloren ihre Beugungseigenschaften während der XRD-Messung. Will man bei noch höherer Mikrowellenleistung XRD betreiben, so muss man zu Proteinkristallen übergehen, die auch im dehydratisierten Zustand noch bis zu hoher Auflösung gut beugen. Monokline HEWLysozymkristalle besitzen diese erstaunliche Eigenschaft [36, 130, 37]. Aufgrund einer strukturellen Umordnung bei reduziertem Wassergehalt verbessern sich sogar die Beugungseigenschaften durch die Dehydratisierung. Im Rahmen erster Vorexperimente in dieser Richtung gelang es zwei monokline Kristalle über mehrere Stunden mit bis zu P = 10 W zu bestrahlen, ohne, dass die Kristalle offensichtlichen Schaden nahmen oder die Beugung verloren ging. Eine Bestrahlung mit noch höherer Leistung konnte nicht mehr getestet werden, ist aber wahrscheinlich ebenso möglich. Eine weitere Möglichkeit wäre die Verwendung von mit Glutaraldehyd getränkten tetragonalen Lysozymkristallen. Ob sich bei höheren Leistungen eine Kopplung nachweisen lässt bleibt offen. Dem Ziel, schlecht beugende Proteinkristalle mittels Mikrowellenbestrahlung zu verbessern, käme man damit jedoch nicht näher. Man kann davon ausgehen, dass die große Mehrheit der Proteinkristalle weniger robust sind als tetragonale Lysozymkristalle, und eine starke Erwärmung oder Dehydratisierung, aufgrund von Mikrowellenbestrahlung, in den meisten Fällen zu einer weiteren Verschlechterung der Kristalle führen würde. Für die wenigen bekannten Fälle, wo eine mäßige Dehydratisierung bessere Beugung bewirkt, gibt es besser kontrollierbare Dehydratationsmethoden als die Mikrowellenbestrahlung [4, 131]. Zusammenfassung Das Ziel der vorliegenden Arbeit war die Beantwortung der Frage, ob sich die schlechten Beugungseigenschaften von Proteinkristallen mit einem hohen Maß an Konformations-Unordnung durch die Bestrahlung mit Mikrowellen verbessern lassen. Hierzu wurde zunächst inelastische Lichtstreuung an tetragonalen HEWLysozymkristallen mit einem Tandem-Fabry-Pérot-Interferometer und einem Doppelgitter-Monochromator über einen Frequenzbereich von 1 GHz (0, 03 cm−1 ) bis zu 120 THz (4000 cm−1 ) durchgeführt. Dabei stellte sich heraus, dass unterhalb des sog. Bose-Peaks, der sich im Bereich von ca. 0, 2 − 6 THz befindet, keine weiteren niederenergetischen kollektiven Vibrationsmoden messbar sind. Somit wird deutlich, dass der Versuch, schlecht beugende Proteinkristalle über die resonante Kopplung von elektromagnetischer Strahlung an Proteindynamik zu verbessern, im günstigsten Fall mit THz-Strahlung und nicht mit Mikrowellen unternommen werden sollte. Da zur Zeit jedoch noch keine einfach zugänglichen und leistungsstarken THz-Quellen zur Verfügung stehen, wurde im weiteren Verlauf dieser Arbeit untersucht, in wie weit man nicht doch auch mit Mikrowellen an die Dynamik von tetragonalen HEW-Lysozymkristallen, unterhalb jeder Resonanz koppeln kann. Mittels Röntgenbeugung bei gleichzeitiger Mikrowellenbestrahlung konnte erstmals nachgewiesen werden, dass eine nicht-thermische Kopplung von Mikrowellen an niederfrequente Proteindynamik bis zu einer Leistungsdichte von 0, 36 W/mm2 (was einer elektrischen Feldstärke von 28, 5 kV/m entspricht) bei ν = 8 GHz selbst mit atomarer Auflösung nicht messbar ist. Da Lysozym als ein repräsentatives globuläres Protein gelten kann, und da die niederfrequenten kollektiven Vibrationsmoden in Proteinen, wie bereits erwähnt im Frequenzbereich von ca. 0, 2 − 6 THz zu finden sind, könnte dieses Ergebnis allgemeine Gültigkeit im gesamten unteren Mikrowellenfrequenzbereich für alle Proteine haben. Somit kann die gestellte Frage klar beantwortet werden: aufgrund der zu geringen nicht-thermischen Kopplung von Mikrowellen sind die Aussichten gering, mittels Mikrowellenbestrahlung Konformations-Unordnung in Proteinkristallen beheben zu können. Hinzu kommt, dass aufgrund der Absorption der Mikrowellen durch das Wasser im Kristall eine Erwärmung der Kristalle bei hohen Bestrahlungsleistungen unvermeidbar ist. Dies kann zu vorübergehender Dehydratation des 113 114 ZUSAMMENFASSUNG Kristalls und bleibenden Defekten in der Gitterstruktur führen. Unabhängig von der Frage der Kopplung elektromagnetischer Wellen konnte aus den bereits erwähnten Lichtstreu-Experimenten einiges über Proteindynamik und die Elastizität von Proteinkristallen gelernt werden. So wurde erstmals Raman- und Brillouin-Streuung an tetragonalen HEW-Lysozymkristallen w bei kontrollierten Wassergehalten von H = 41 % w bis H = 9 % w gemessen. w Dabei hat sich gezeigt, dass die niederfrequenten harmonischen Vibrationsmoden des Proteins (Bose-Peak) bis zu H = 9 % w hydratationsunabhängig sind. w Der quasielastisch gestreute Intensitätsbeitrag nimmt hingegen mit fortschreitender Dehydratisierung deutlich ab, was darauf hindeutet, dass diffusive Bewegungen und Relaxationsprozesse eingeschränkt wurden. Dies betrifft vermutlich sowohl Relaxationen von Wassermolekülen in der Hydrathülle, als auch anharmonische Bewegungen der Proteine durch Konformationsübergänge. Letzteres hängt damit zusammen, dass die Flexibilität eines Proteins nicht nur von seiner Struktur, sondern auch sehr stark vom Wassergehalt abhängt. Dies äußert sich auch sehr deutlich in den elastischen Eigenschaften des Proteinkristalls. Das mittels Brillouin-Streuung bestimmte Elastizitätsmodul des Kristalls verdoppelt sich durch die Dehydratisierung von E = 4, 4 GPa auf E = 9 GPa. Durch die Dehydratisierung der Kristalle konnten erstmals auch transversalakustische Phononen in einem Proteinkristall beobachtet werden, wodurch sich die Poisson-Zahl für tetragonale HEW-Lysozymkristalle zu σ = 0, 32 bestimmen ließ. Erste temperaturabhängige Brillouin-Messungen an tetragonalen HEW-Lysozymkristallen haben zudem gezeigt, dass der bisher hauptsächlich mittels Neutronenstreuung und Mössbauer-Spektroskopie untersuchte glasartige Übergang der Proteindynamik bei ca. T = 200 K auch mit der relativ einfachen Methode der Brillouin-Streuung beobachtbar ist. Weiterführende Arbeiten in dieser Richtung, insbesondere in Abhängigkeit des Wassergehalts der Kristalle, könnten einen wesentlichen Beitrag zum Verständnis des Glasübergangs“ in Proteinen leisten. ” Dank Zum Schluss möchte ich mich herzlichst bei allen bedanken, die zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen haben. Meinem Doktorvater Prof. Dr. Georg Maret danke ich für die freundliche Aufnahme an seinen Lehrstuhl, das spannende Thema und die absolut freie Arbeitsatmosphäre mit viel Raum für Ideen und eigene Schwerpunkte. Besonderen Dank schulde ich Dr. Thomas Gisler für die uneingeschränkte Unterstützung beim Planen und Durchführen aller meiner Experimente. Wo es auch immer einen Antrag oder Bericht zu schreiben gab nahm er mir die Arbeit ab. Durch sein stetes Interesse und den humorvollen, freundschaftlichen Umgang verging mir trotz so manchen Rückschlägen nie die Lust an der Arbeit. Ich danke Prof. Dr. Wolfram Welte und PD Dr. Kai Diederichs vom Fachbereich Biologie für die äußerst angenehme und konstruktive Zusammenarbeit. Ihr großes Interesse und ihre Hilfsbereitschaft hat wesentlich zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen. Insbesondere sei PD Dr. Kai Diederichs für seinen Einsatz bei der Datenanalyse der XRD-Messungen gedankt und Prof. Dr. Wolfram Welte für seine Bereitschaft diese Arbeit zu begutachten. Tina Reinhardt und Prof. Dr.-Ing. Volkert Hansen der Uni Wuppertal danke ich für die Feld-Berechnungen und Hansruedi Benedickter von der ETH Zürich für die freundliche Hilfe bei der Charakterisierung der Wellenleiter. Zudem sei ihm und Prof. Dr. Robert Kremer von der FH Konstanz für die Hilfe in der Anfangsphase der Arbeit und die vertrauensvollen Leihgaben verschiedener technischer Geräte gedankt. Weitere, wertvolle Leihgaben kamen von PD Dr. Manfred Deicher und dem LS von Prof. Dr. Vahid Sandoghdar von der ETH Zürich. Auch hierfür sei gedankt. Dem BESSY-Team um Dr. Ulrich Schade, den Leuten vom ISAS in Berlin und im speziellen Eugen Speiser möchte ich für ihre große Hilfe bei der Organisation und Durchführung der Experimente an der THz-beamline am BESSY II danken. Meinem Kollegen Roman Lehner sei für die vielen Diskussionen und Anregungen gedankt. Und natürlich gilt mein Dank allen Mitarbeitern und Freunden auf P10, durch die mir die Zeit am LS Maret in bester Erinnerung bleiben wird. 115 116 Literaturverzeichnis [1] H. M. Berman, J. Westbrook, Z. Feng, G. Gilliland, T. N. Bhat, H. Weissig, I. N. Shindyalov and P. E. Bourne: The Protein Data Bank, Nucleic Acids Research 28, 235 (2000). [2] J. I. Yeh and W. G. J. Hol: A flash-annealing technique to improve diffraction limits and lower mosaicity in crystals of glycerol kinase, Acta Cryst. D54, 479 (1998). [3] J. M. Harp, B. L. Hanson, D. E. Timm and G. J. Bunick: Macromolecular crystal annealing: evaluation of techniques and variables, Acta Cryst. D55, 1329 (1999). [4] R. 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