Schwerpunkt | Soft Skills und Weiterbildung Gegenrede: Im Zeitalter des Excelsheet-Managements stören Soft Skills doch nur! Neue Werte-Orientierungen finden Google reagiert in 0,7 Sekunden mit 17.800.000 Einträgen auf den Suchbegriff „Soft Skills“. Unschwer finden sich jede Menge Studien über die Bedeutung von Soft Skills im beruflichen, pädagogischen, ja politischen Alltag für den Erfolg. Nicht zu vergessen die Unmengen an Literatur im Genre allgemeiner Lebensberatung, die das Thema in „Erfolgsfragen“ wie Partnerwahl, Umgang mit schwierigen Kindern oder Umgang mit Lehrern ebenfalls weidlich ausschlachten. Spätestens seit dem Bestseller „Emotionale Intelligenz“ von Daniel Goleman sind die Soft Skills ständige Begleiter in Management-Büchern zu Leadership, Führung, Change Management und natürlich vor allem zu Coaching. Sind Soft Skills also ein besonders wirksames Allheilmittel der Kommunikation, des persönlichen und des geschäftlichen Erfolgs? Muss nicht jeder Mensch danach streben, diese Fähigkeiten zu pflegen, zu erarbeiten und sich zu erhalten? Wenn jeder darüber spricht, dann muss doch was dran sein! Aber ein Blick in die Realität von Wirtschaftsunternehmen enthüllt: Was heute zählt, sind erfüllte Key Performance Indicators, die berühmten „KPIs“. In aller Regel interessiert im ReportingAutor | Dr. Ulrich Althauser, selbstSystem nicht, wie, mit welchen Fähigkeiten diese Zahständiger Unternehmenslen zustande kamen, Hauptsache, diese sind erfüllt berater in Kooperation mit und übererfüllt. Daran wird die Leistung eines MitarBeraternetzwerken im beiters gemessen. Und das betrifft mittlerweile ja Bereich Human Resources Management, Change- und auch öffentliche Institutionen, Schulen, Publizistik, Integrationsmanagement den Kunstbetrieb genauso wie den Sport. Führt ein Manager etwas ruppig, mit Ecken und Kanten, so gar [email protected] nicht nach dem Anspruch von Soft Skills, hat er auch noch Erfolg, wird sein Führungsstil gelobt und seine „Stärke“ hervorgehoben. Dass er (oder sie) so gar nicht kommunikativ, einfühlsam und mitarbeiterorientiert auftritt und führt, interessiert nicht. Stören also in Zeiten verdichteter Arbeitsinhalte, strikter Ergebnisorientierung, verpflichteter Arbeit und in Prozessen gezwängter Abläufe die allzu oft humanistischer Prägung verdächtigten Soft Skills? Man könnte meinen, um mit Kets de Vries zu sprechen, die Verletzungen und Unzulänglichkeiten von Managern sind viel zu gewichtig, als dass Soft Skills je in ihrer vollen 22 positiven Wirkung zum Tragen kämen (2004). Soweit ist die Wirklichkeit eben (noch lange?) nicht. Das Credo der Wichtigkeit von Soft Skills ist also eine Schimäre, in großen Teilen eine Illusion. Kleiner Test: Überzeugen Sie mal einen auf Zahlen, Daten, Fakten fixierten Manager von der Bedeutung und Erfolgsträchtigkeit von Soft Skills. Ohne auf Messgrößen basierte Argumente wird das schwierig werden. Begriffsdefinition klären Die Krux mit Soft Skills ist, dass der Begriff alles andere als eindeutig ist. Wird damit die soziale Kompetenz, Soziabilität, emotionale Intelligenz, emotionale Kompetenz gemeint, was hat Soft Skills mit personaler Kompetenz zu tun? Wie lässt sich das Phänomen fassen? Also auch hier der Versuch einer Definition: Es geht um den Umgang mit sich selbst (Stichworte: Selbstvertrauen, Selbstwertgefühl, Urvertrauen, Selbstdisziplin, Eigenverantwortung, Selbstbeobachtung, Wertschätzung), es geht um den Umgang mit anderen (Menschenkenntnis und Empathie, Achtung und Respekt, Anerkennung, Wertschätzung, passive und aktive Kritikfähigkeit, Toleranz, Kompromissfähigkeit, Zivilcourage), es geht um das Thema Zusammenarbeit, Gestalten des Miteinanders (Teamfähigkeit, Kooperation und Konfliktfähigkeit, Kommunikations- und Interaktionsfähigkeit, Motivation) und ganz allgemein Weiterbildung 6|2011 Schwerpunkt | Soft Skills und Weiterbildung „Das Credo der Wichtigkeit von Soft Skills ist in großen Teilen eine Illusion“ um Engagement und tatsächlich um die vielfach beschworene „emotionale Intelligenz“ (unter anderem Takt, Feingefühl, Einfühlungsvermögen, Menschlichkeit, Kommunikationsfähigkeit, aber auch Selbstbewusstsein und Selbst-Kontrolle der Gefühle). Soft Skills umfassen somit generell die „weichen Fähigkeiten und Fertigkeiten“ und diese sollen besonders in Bereichen und Berufen bedeutsam sein, in denen viel kommuniziert wird. Es wird behauptet, dass sie vor allen Dingen in Bereichen der Wirtschaft, Politik und Gesellschaft, die immaterielle Güter erstellen und verkaufen, wichtig sind. Kreative Kopfarbeit, effektives und effizientes Arbeiten im Team, kundenorientiertes Beraten und Verkaufen – all das sind typische Anwendungsbereiche, in denen Soft Skills eine essenzielle Rolle spielen. Stimmt das aber? Sitzen wir da nicht einer beschönigenden Gut-Mensch-Sicht auf? Sind nicht vielmehr im Alltag von Mitarbeitern und von Führungskräften ganz andere Dinge ausschlaggebend? Beispielsweise die Struktur setzenden, die Zielerreichung betonenden, die fordernden Fähigkeiten, Durchsetzungskraft, die kleinen Unverschämtheiten und Drückereien von Kollegen und Vorgesetzten? Machen wirklich diejenigen Karriere, die das Maximum an sozialer Kompetenz oder eben Soft Skills zeigen oder sind es nicht eher diejenigen, die frech, unverfroren, teilweise kalt und arrogant, interessengeleitet und egoistisch die Seilschaft pflegen und sich Vorteile herausarbeiten? Kritisch könnte auch hinterfragt werden, inwiefern das Erlernen von Soft Skills (es werden ja auch Verhandlungsgeschick, Einwandbehandlung, Steuern von Mitarbeitergesprächen, „gewinnendes Auftreten“ und ähnliches mehr dazu gezählt) nicht der Manipulation dient und dazu missbraucht (?) wird, Mitarbeiter zum Funktionieren zu bringen oder sich beispielsweise in Bewerbungsgesprächen möglichst vorteilhaft zu verkaufen. Ein Blick auf den Markt einschlägiger Fort- und Weiterbildungen zeigt, dass vielfach derlei Nutzenaspekte im Vordergrund stehen und nicht das persönWeiterbildung 6|2011 liche Wachsen und Reifen der Menschen. Ganz zu verneinen ist das Argument nicht, dass es eine Industrie „Soft Skills“ gibt, die gute Geschäfte mit diesem Thema macht. Schließlich ist mittlerweile bekannt, dass sich Soft Skills erlernen und systematisch entwickeln lassen. Kein Manipulationsinstrument Sicher ist, dass es in einem sozialen System um persönliche Eigenschaften, Einstellungen, Fähigkeiten und Fertigkeiten geht, die es erlauben, das Miteinander zu gestalten. Ohne die Schlüsselkompetenz der Soft Skills geht dies nicht. Soft Skills lediglich als eine Aufzählung, als ein Raster von 1 bis n an Fähigkeiten und Fertigkeiten zu begreifen, die je nach Kontext neu gemixt werden, ist aber aus mehreren Gründen zu kurz gegriffen. Zum einen ist Persönlichkeit im umfassenden Sinne gefragt: Reife, Stabilität, Reflexion und beständiges Wachsen. Zum zweiten entstehen Soft Skills im Sinne sozialer Kompetenz in einem längerfristigen Prozess – und um diesen Lernprozess, um die Gestaltung und Organisation des weiträumigen Lernens und Wachsens geht es letztlich (siehe die Praxisbeispiele in diesem Heft). Erst die langfristige Investition lässt Soft Skills wirksam werden. Erst dann werden die vielfältigen Abhängigkeiten der einzelnen Soft Skills untereinander und von den jeweiligen situativen Umständen deutlich und unter Umständen für den Einzelnen beherrschbar. Zum dritten: Werden Soft Skills lediglich als Werkzeuge, als Fertigkeiten begriffen, steht damit impliziert ein erlernbares, wie auch immer positiv oder negativ nutzbares Handlungsrepertoire im Fokus, hier fehlt aber die Basis einer klaren Werte-Haltung. Was ist wann angemessen? Was ist angebracht, erlaubt und gut, welches Verhalten nicht? Klare WerteOrientierungen sind nötig, soll das Konzept Soft Skills im Extremfalle nicht ein Manipulationsinstrument sein, sondern ein Wachstumstreiber, aber vielleicht auch ein Gegengewicht zu allzu starkem Zahlen-, sprich Excelsheet-Management. Literatur | Kets de Vries, M.: Führer, Narren, Hochstapler. Stuttgart 2004 23