Die Herausforderung der Religionen – Philosophie und Religion im Widerstreit? Eine interkulturelle Perspektive Tagung am 20.12.2004 Universität zu Köln, Alter Senatssaal Eine Veranstaltung des Philosophischen Seminars der Universität zu Köln in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für Interkulturelle Philosophie (GIP) Organisation und Leitung: Prof. Dr. Claudia Bickmann Die Tagung widmet sich einem Problemfeld, das zunehmend – weltweit - in das Zentrum unserer philosophischen Fragen rückt: An den Grenzen unserer philosophischen Selbstverständnisse wird zunehmend ein Horizont eingeklagt, der, dem Wissen unverfügbar, selbst noch unsere Vernunft zu depotenzieren vermag. Auch wenn die aufgeklärte Vernunft Religion und Philosophie deutlich zu scheiden suchte, und seither die Philosophie durch ihr vorgelagerte Sphären (im Horizonte des Willens zur Macht, des gesellschaftlichen Seins, der Triebstruktur des Menschen, oder in jüngster Zeit durch die sich ständig wandelnden Erfahrungswissenschaften) in ihre Grenzen gewiesen wurde, werden erneut jene unverfügbaren Horizonte eingeklagt, die uns traditionell in der Gestalt der Religionen entgegentraten. Wie läßt sich das Verhältnis von Religion und Philosophie angesichts dieser Herausforderungen bestimmen? Welche Funktion wächst den Philosophen in dieser Situation zu? Sollten sie vornehmlich in möglichen Metadiskursen die Rationalität unserer Argumente prüfen? Oder sollten Sie zu den Sachfragen selbst vordringen und nach dem Sitz der Religionen in unserem gelebten Leben fragen? Leitend für die Tagung ist der Gedanke, daß eine über sich selbst aufgeklärte Philosophie nicht nur die Grenzfragen des Wissens, sondern auch Fragen nach den letzten Gründen unserer Existenz nicht von sich weisen kann. Auch wenn wir uns daran gewöhnt haben, diese Fragen in die Evolutionstheorie, in die physikalische Kosmologie etc. auszulagern, so scheint in solchen Bezugssystemen die Frage nach der Sinnhaftigkeit unseres gelebten Lebens, nach dem Warum und Wozu unserer Existenz, noch nicht einmal in Ansätzen berührt. Philosophiegeschichtlich verfügen wir jedoch – in all ihren europäischen und außereuropäischen Traditionen - über verschiedene Modelle, sich dieser vor- und überrationalen Quellen unser Selbst- und Weltverständnisse zu vergewissern: Demnach suchte die Philsophie das vor- und über-rational Göttliche entweder - im Überstieg über das Wissen als tragenden Grund allen Denken und Seins zu gewinnen (Platonismus, Hinduismus, Buddhismus) - es als Konstitutionsgrund und höchsten Gegenstand im und durch das Denken zu vindizieren (Aristotelismus, Averroismus, Hegelianismus) oder aber - es nach Abwendung von allen Formen des Wissens allein auf der Ebene des gelebten Lebens, in der praktischen Vernunft zu verorten. - (Neuplatonismus, Konfutianismus, Kantianismus, Taoismus, Dekonstruktion). Christlich verschmelzen Wissen und Glauben in einer langwährenden Tradition mittelalterlich-scholastischer Transzendentalienlehre – lange noch bevor die christliche Soziallehre und der Wertehorizont unserer Verfassungen den moralisch-praktischen Impetus der christlichen Tugendlehre beerbt. Neuzeitlich scheinen die religiösen Quellen unseres Weltverstehens in die Obhut unserer wissenschaftlichen – theoretischen wie praktischen Vernunft zu geraten. Bedarf es nun einer erneuten Grenzbestimmung unserer aufgeklärten Vernunft, einer `Selbstaufklärung der Aufklärung´, um jene Horizonte zurückzugewinnen, die über die Vernunft hinaus auf ein Unverfügbares verweisen? Oder müssen wir – in der heutigen Welt – Rationalität noch deutlicher vor den Ansprüchen jener vor- und überrationalen Quellen unseres Weltverstehens scheiden? Wie sind beide Sphären aufeinander bezogen? Wo liegen ihre gemeinsamen Wurzeln? Die Tagung sucht sich der Frage nach einer Ortsbestimmung der Religion in unserem Weltverhältnis zuzuwenden; sucht jene Potentiale zu erfassen, die weder den Wissenschaften noch auch der Philosophie zugänglich sind, so daß es zur herausgehobenen Aufgabe einer interkulturellen Philosophie werden kann, sich – auf gedanklichem Wege in jenes Nicht- bzw. Vor-gedankliche hineinzufragen, das uns im Phänomen der weltweit erstarkenden Religionen entgegentritt. Dieses neu oder wieder erwachende Phänomen religiöser Weltauslegung philosophisch zu bedenken, ist eine entscheidende Herausforderung insbesondere für eine Form des Philosophierens, der eine grenzüberschreitende Annäherung als ureigenstes Anliegen eingeschrieben ist. Mit dieser Frage ist zugleich das Selbstverständnis der Philosophie im Weltgespräch der Philosophen berührt: d.h. jener in allen Weltphilosophien vorherrschende Weg, angrenzend an ihre eigenen Möglichkeiten - in die unergründlichen Quellen unserer Existenz hineinzufragen. Nicht wird darum die Philosophie selbst zu einer religiösen Philosophie, sondern vielmehr wird ihr – auf dem Wege rationaler Rekonstruktion - das Phänomen der Religionen in kritischer Begrenzung ihres Deutungsanspruchs als jener Ort greifbar, der über unser Denken und Wissen hinaus in den Bereich des Unaussprechlichen, des Noumenalen, des Göttlichen, des Unverfügbaren etc. verweist. Von je her haben die Menschen aus diesen vor-rationalen Quellen die Kraft ihrer Existenz, aber auch die Legitimation für ihre gemeinschaftsbildenden Strukturen bezogen. Der säkulare Staat behält – aufgeklärt - die Forderung nach der Unverrechenbarkeit der Menschenwürde als ein Reststück religiöser Weltdeutung im Gedächtnis. So sind Orte des Unbedingten in unseren säkularen Verfassungen fest verankert. Wir werden darum nach dem Orte der Religion, ihrem Platz in unserem bewußten Leben wie ihrem Stellenwert im Horizont unserer Wissenskulturen fragen, um uns der Herausforderung eines allseits neu belebten Transzendenzbewußtseins auf philosophische Weise zu stellen. Und so ist die Tagung zugleich mit einer Leitfrage befaßt, die unsere Gesellschaften zur Zeit durchherrscht: Wie läßt sich der Horizont aufgeklärt-rationaler Verständigung, der für die modernen Zivilgesellschaften leitend ist, mit jener Idee von Transzendenz, in der das individuelle und soziale Leben je schon eingebettet ist, in Einklang bringen? (Claudia Bickmann) Programm Moderation: 14:30-15:00 15:00-16:00 16:00-16:15 16:15 -17:45 17:45-18:15 18:15-18:45 18:45-19:15 19:15-20:15 PD Dr. Georg Stenger, Universität Würzburg Prof. Dr. Claudia Bickmann, Universität zu Köln Begrüßung und Einführung: „Metaphysische Grenzgänge zwischen Religion und Philosophie“ Dr. Klaus von Stosch, Universität zu Köln „Der Wahrheitsanspruch religiöser Traditionen als Problem für interkulturelle Philosophie und Theologie. Philosophische Erkundungen im Spannungsfeld zwischen Theologie der Religionen und komparativer Theologie“ - Kaffee-Pause – Beiträge: Dr. des. Markus Wirtz, Universität zu Köln „Letzte und vorletzte Götter – Philosophische Überbietungsversuche des religiösen Anliegens“ Tobias Voßhenrich, Universität zu Köln „Reductio in mysterium? Epistemologische Grenzziehungen“ Myriam Sonja Handtke, Universität zu Köln „Eros oder Agape? Ein Dialog zwischen Philosophie und Religion“ Sasa Josifovic, Universität zu Köln „Tao: Annäherungsversuche in der Philosophie und Religion“ PD Dr. Hermann-Josef Scheidgen, Universität Bonn „Vollendung des ‚Gesamtkunstwerks’? Richard Wagners eigenwillige Rückkehr zum Christentum bei gleichzeitiger Annäherung an den Buddhismus“ Prof. Dr. Helmut Girndt, Universität Duisburg „Über das Verhältnis der Kyoto-Schule zur Transzendentalphilosophie“ (Bericht zur Tagung in Kyoto) - Kaffee-Pause – Prof. Dr. Ram Adhar Mall, LMU München „Das Verhältnis von Religion und Kultur in interkultureller Perspektive“ Prof. Dr. Rainer Enskat, Universität Halle „Wege zur Spiritualität? Eine Fallstudie der Philosophie des Geistes zu einer ‚Erfahrung des Bewusstseins’“ Anschließend: Geselliges Beisammensein im Restaurant Pinocchio Dasselstr. 3 (Ecke Zülpicher Straße) Gesellschaft für Interkulturelle Philosophie e.V. Society of Intercultural Philosophy Société de Philosophie Interculturelle Präsidentin: Prof. Dr. Claudia Bickmann GIP Geschäftsführer: Bernd Müller und PD Dr. Hermann-Josef Scheidgen Die Gesellschaft für Interkulturelle Philosophie (GIP) wurde 1992 als gemeinnütziger Verein gegründet und hat inzwischen Mitglieder in allen Erdteilen, die gemeinsam an der Sache der Interkulturellen Philosophie arbeiten. Es gilt die engen Schranken der eigenen kulturellen Bedingtheiten im Philosophieren zu öffnen und sich sowohl systematisch als auch historisch im gegenseitigen Austausch mit den philosophischen Bemühungen anderer, zunächst fremder Kulturen auseinander zusetzen. Die GIP und ihre Schwestergesellschaften veranstalten zu diesem Zweck regelmäßig Tagungen und Kongresse; außerdem wird die Diskussion in zahlreichen Publikationen geführt. Die Mitglieder der GIP bemühen sich darüber hinaus, das Anliegen der Interkulturalität in Vorträgen, in Forschung und Lehre und in Diskussionsrunden bekannt zu machen. Gesprächskreise finden auf regionaler Ebene statt. Weitere Infos: www.int-gip.de Mitgliedschaft Die Mitgliedschaft bei GIP e.V. steht jedem offen. Der Jahresbeitrag beträgt z. Zt. 25,- Euro für ordentliche Mitglieder und 12,- Euro für Studierende (bei Vorlage einer Studienbescheinigung). Wenn Sie sich für eine Mitgliedschaft interessieren, richten Sie bitte Ihre Anfrage an: Adresse Gesellschaft für Interkulturelle Philosophie GIP e.V. Karin Farokhifar Hermeskeiler Str. 24 [email protected] 50935 Köln