Realisierung endlicher abelscher Gruppen als Galoisgruppen über Q Schriftliche Ausarbeitung des Vortrages vom 29.06.2005 im Rahmen des Seminars ’Algebra II’ bei Prof. Dr. Gamst vorgelegt von Johannes Jaerisch an der Universität Bremen im SS 2005 1 Einleitung Die konstruktive Galoistheorie befaßt sich mit der Frage, welche Gruppen als Galoisgruppen einer Körpererweiterung eines festen Grundkörpers vorkommen, und der Konstruktion der zugehörigen Körpererweiterungen. Die vorliegende Arbeit zeigt, daß sich jede endliche abelsche Gruppe als Galoisgruppe über Q realisieren läßt. 1 Vorbereitungen 1.1 Sammlung bekannter Tatsachen Theorem 1.1.1 (Chinesischer Restsatz). Seien n1 , n2 , . . . nk teilerfremde Zahlen. Bezeichne πi : Z 7−→ Z/ni Z die kanonische Projektion. Dann ist der Ringhomomorphismus φ : Z −→ Z/n1 Z × Z/n2 Z × · · · × Z/nk Z x 7−→ (π1 (x), . . . , πk (x)) surjektiv und erfüllt ker φ = (n1 · n2 · ... · nk )Z. Es gilt also Z/(n1 · n2 · ... · nk )Z ' Z/n1 Z × Z/n2 Z × ... × Z/nk Z. Das gibt einen Gruppenisomorphismus zwischen den multiplikativen Gruppen (Z/(n1 · n2 · ... · nk )Z)∗ ' (Z/n1 Z)∗ × (Z/n2 Z)∗ × ... × (Z/nk Z)∗ . Theorem 1.1.2 (Hauptsatz über endliche abelsche Gruppen). Sei G eine endliche abelsche Gruppe. Dann ist G direktes Produkt zyklischer Gruppen: es existieren natürliche Zahlen n1 , n2 , . . . , nk , so daß G ' Z/n1 Z × Z/n2 Z × ... × Z/nk Z. Theorem 1.1.3. Sei ζ eine primitive n-te Einheitswurzel über Q. Dann ist Ψ: Gal(Q(ζ)/Q) −→ (Z/nZ)∗ σ 7−→ Ψ(σ) mit ζ Ψ(σ) = σ(ζ) ein Gruppenisomorphismus. 1.2 F∗p ist zyklisch Lemma 1.2.1. Sei G eine abelsche Gruppe. Seien a, b ∈ G mit ord(a) = m und ord(b) = n. Dann existiert c ∈ G mit ord(c) = kgV (m, n). 2 Beweis. Wir unterscheiden zwei Fälle: a) Falls ggT (m, n) = 1, so folgt ord(ab) = mn = kgV (m, n), denn es gilt: (ab)mn = (am )n · (bn )m = 1. Und aus (ab)t = 1 ergibt sich mit ant bnt = ant = 1, daß m|nt und wegen ggT (m, n) = 1, daß m|t. Ganz analog ergibt sich n|t. Also ord(ab) = mn. b) Falls m, n nicht teilerfremd, wählen wir Zerlegungen m = m0 m0 und n = n0 n0 mit kgV (m, n) = Q m0 n0 und ggT (m0 , n0 ) = 1. Betrachte dazu die Primfaktorzerlegung von kgV (m, n) = i pvi i und definiere m0 als Produkt aller Primpotenzen pvi i , die m teilen, 0 n0 als Produkt aller Primpotenzen pvi i , die m nicht teilen. Es gilt nun ord(am ) = m0 , 0 ord(bn ) = n0 , mit m0 , n0 teilerfremd und kgV (m0 , n0 ) = m0 n0 = kgV (m, n). Mit a) folgt die Behauptung. Theorem 1.2.2. Sei K ein Körper, H eine endliche Untergruppe von K ∗ . Dann ist H zyklisch. Beweis. Sei a ∈ H ein Element mit maximaler Ordnung m und sei Hm := {h ∈ H| ord(h)|m}. Wegen x ∈ Hm ⇒ x Nullstelle von X m − 1 folgt |Hm | ≤ m. Also wird Hm von a erzeugt. Es gilt nun H = Hm , denn, angenommen, es existierte z ∈ H − Hm . Dann folgte: ord(z) teilt nicht m und mit Lemma 1.2.1 folgte die Existenz eines Elementes der Ordnung kgV (ord(z), m) > m. Widerspruch! Korollar 1.2.3. Sei p eine Primzahl. Dann ist F∗p ' Z/(p − 1)Z. 1.3 Spezialfall eines Satzes von Dirichlet In diesem Abschnitt zeigen wir für n > 1 die Existenz unendlicher vieler Primzahlen p mit n|p − 1. Dies ist ein Spezialfall eines Satzes von Dirichlet. Allgemeiner gilt: Für a und n teilerfremd existieren unendliche viele Primzahlen p ≡ a (mod n). Für einen Beweis vgl. ’A Course in Arithmetic’ von Jean-Pierre Serre. P Lemma 1.3.1. Sei f (X) = ni=0 ai X i ∈ Z[X], n > 0 ein nicht konstantes Polynom. Dann existieren unendlich viele Primzahlen p, zu denen es ein a ∈ Z mit f (a) ≡ 0 (mod p) gibt. Beweis. Reduktion auf den Fall a0 = 1. Denn: Falls a0 = 0, gilt f (p) ≡ 0 (mod p) für alle p ∈ Z. Für a0 6= 0 gilt f (a0 X) = a0 f˜(X), wobei f˜(X) konstantes Glied 1 hat. Seien p1 , p2 , . . . pk Primzahlen. Wir konstruieren im Folgenden eine weitere Primzahl p, so daß f eine Nullstelle in Fp besitzt. Für beliebiges z ∈ Z gilt für alle j ∈ {1, . . . , k} : f (p1 · · · · · pk · z) ≡ 1 (mod pj ), 3 da a0 = 1. Sei z so gewählt, daß f (p1 · · · · · pk · z) 6= ±1 gilt. Wähle einen Primfaktor q ∈ Z von f (p1 · · · · · pk · z). Es folgt q 6= pj für alle j ∈ {1, . . . , k}, da f (p1 · · · · · pk · z) ≡ 0 (mod q), aber f (p1 · · · · · pk · z) ≡ 1 (mod pj ). q ist also eine weitere Primzahl, so daß f eine Nullstelle in Fq besitzt. Lemma 1.3.2. Sei n ∈ N, p eine Primzahl, die nicht n teilt. Das n-te Kreisteilungspofn (X) über Fp entsteht aus dem n-ten Kreisteilungspolynom Φn (X) über Q durch lynom Φ Reduktion der Koeffizienten modulo p. fn (X) := Q Beweis. Nach Definition gilt Φ ζi prim. n-te EW (X − ζi ) ∈ Fp [X], wobei Fp ein algebraischer Abschluß von Fp sei. fn (X) ∈ Fp [X]. i) Es gilt Φ fn (X) sind invariant unter Frobenius φ : x 7−→ xp . Zeige: die Koeffizienten von Φ φ liefert eine Permutation der primitiven n-ten Einheitswurzeln über Fp , denn: Falls ζ primitive n-te Einheitswurzel, dann auch ζ p . Es gilt nämlich (ζ p )n = ζ (pn) = 1 und aus 1 = (ζ p )k = ζ (pk) folgt n|pk und wegen n und p teilerfremd n|k. fn (X) sind die elementarsymmetrischen Funktionen in den priDie Koeffizienten von Φ mitiven n-ten Einheitswurzeln, also invariant unter Frobenius und daher in Fp . fn (X) = Φn (X). ii) Es gilt Φ Per vollständige Induktion: f1 (X) = X − 1 = Φ1 (X). n = 1: klar, denn Φ fd (X) = Φd (X) für d < n. Sei nun n > 1 und gelte nach Induktionsvoraussetzung Φ Q f n Es gilt X − 1 = d|n Φd (X) in Fp [X], denn jede n-te Einheitswurzel ist eine primitive f f d-te Einheitswurzel. Daher für dQ< n. Q ist Φn (X) rekursiv bestimmt durch Φd (X) n n Außerdem gilt X −1 = d|n Φd (X) in Z[X] und Reduktion gibt: X −1 = d|n Φd (X). fn (X) = Φn (X). Also folgt Φ Theorem 1.3.3. Spezialfall eines Satzes von Dirichlet Für n > 1 existieren unendliche viele Primzahlen p ≡ 1 (mod n). Beweis. Bezeichne Φn (X) ∈ Z[X] das n-te Kreisteilungspolynom über Q. Nach Lemma 1.3.1 gibt es unendlich viele Primzahlen p, so daß ein a ∈ Z mit Φn (a) ≡ 0 (mod p) existiert. Sei nun p > n eine solche Primzahl und a ∈ Z eine dazugehörige Nullstelle modulo p. Für das n-te Kreisteilungspolynom Φn (X) über Fp , das durch Reduktion der Koeffizienten modulo p aus Φn (X) entsteht, gilt dann Φn (a) = 0. D.h. nach Lemma 1.3.2 ist a eine primitive n-te Einheitswurzel über Fp . Also gilt ord(a) = n in F∗p . Wegen ord(a)|ord(F∗p ) = p − 1 folgt n|p − 1. 4 2 Realisierung endlicher abelscher Gruppen als Galoisgruppen über Q Theorem 2.1.1. Sei G eine endliche abelsche Gruppe. Dann existiert eine Körpererweiterung E/Q mit Gal(E/Q) ' G. Beweis. 1) Wir werden in 2) sehen, daß es n ∈ N gibt, zu dem man einen surjektiven Homomorphismus φ : (Z/nZ)∗ −→ G hat. Dann gilt (Z/nZ)∗ /kerφ ' G. Unter Verwendung des Hauptsatzes der Galoistheorie ist die Behauptung dann einfach: Sei ζn eine n-te primitive Einheitswurzel über Q. Nach 1.1.3 gilt dann Gal(Q(ζn )/Q) ' (Z/nZ)∗ . Wegen (Z/nZ)∗ /kerφ ' G gibt es eine in Gal(Q(ζn )/Q) normale Untergruppe H, so daß Gal(Q(ζn )/Q)/H ' G. Nach dem Hauptsatz der Galoistheorie ist dann E := F ix(H) eine Galoiserweiterung von Q mit Gal(E/Q) ' Gal(Q(ζn )/Q)/H ' G. 2) Wir suchen n ∈ N, so daß es einen surjektiven Homomorphismus φ : (Z/nZ)∗ −→ G gibt. Nach 1.1.2 existieren natürliche Zahlen n1 , n2 , . . . , nk , so daß G ' Z/n1 Z × Z/n2 Z × · · · × Z/nk Z. Nach 1.3.3 gibt es paarweise verschiedene Primzahlen pi , so daß pi ≡ 1 (mod ni ) für i ∈ {1, 2, . . . , k}. Für i ∈ {1, 2, . . . , k} existiert ein surjektiver Homomorphismus ∗ ∗ Ψi : Fpi −→ Z/ni Z, denn: Nach 1.2.3 gilt Fpi ' Z/(pi − 1)Z und wegen ni |pi − 1 existiert ein surjektiver Homomorphismus Z/(pi − 1)Z −→ Z/ni Z. Nach dem Chinesischen Restsatz kann nun n := p1 · · · · · pk definiert werden, so daß (Z/nZ)∗ ' (Fp1 )∗ × · · · × (Fpk )∗ Ψ1 ,...,Ψk −→ Z/n1 Z × · · · × Z/nk Z ' G gilt. Beispiel 2.1.2. Realisierung der Gruppe Z/8Z als Galoisgruppe einer Gleichung über Q. Nach 2.1.1 gibt es eine Körpererweiterung E/Q mit Gal(E/Q)' Z/8Z. Nach dem Satz vom primitiven Element gilt E = Q(α) für ein α ∈ E. Dann ist das Minimalpolynom f (X) ∈ Q[X] von α ein Polynom vom Grad 8 und die Gleichung f (X) = 0 hat die Galoisgruppe Gal(E/Q)' Z/8Z, denn der Zerfällungskörper Ef ist gerade Q(α) = E. Wir suchen zunächst eine Primzahl p, so daß p ≡ 1 (mod 8). Wähle p = 17. Mit einer primitiven 17-ten Einheitswurzel ζ über Q gibt Q(ζ)/Q nach 1.1.3 eine Galoiserweiterung mit G = Gal(Q(ζ)/Q) ' (Z/17Z)∗ zyklisch von der Ordnung 16. Mit dem Isomorphismus Ψ aus 1.1.3 gilt Ψ(Gal(Q(ζ)/Q)) = {±1, ±2, . . . , ±8} = (Z/17Z)∗ . Wir suchen eine Untergruppe U vom Index 8 in Gal(Q(ζ)/Q). Diese wird von einem Element der Ordnung 2 erzeugt. Also gilt U = {id, ζ 7→ ζ −1 }. Nach dem Hauptsatz der Galoistheorie ist nun F ix(U )/Q Galois und Gal(F ix(U )/Q) ' G/U zyklisch 5 von der Ordnung 8. Wegen Ψ(U ) i {ζ 7−→ ζ|F ix(U ) | 1 ≤ i ≤ 8} gilt. = {±1} ist klar, daß Gal(F ix(U )/Q) = Zeige: F ix(U ) = Q(ζ + ζ −1 ). Nach dem Hauptsatz der Galoistheorie ist [Q(ζ) : F ix(U )] = 2. ζ + ζ −1 ∈ F ix(U ) ist klar. Bleibt zu zeigen, daß auch [Q(ζ) : Q(ζ + ζ −1 )] = 2. Es gilt [Q(ζ) : Q(ζ + ζ −1 )] ≤ 2, denn: Wegen Gal(Q(ζ)/F ix(U )) = U ergibt sich das Minimalpolynom von ζ über F ix(U ) zu (X − ζ)(X − ζ −1 ) ∈ F ix(U )[X] und es gilt (X − ζ)(X − ζ −1 ) = X 2 − (ζ + ζ −1 )X + 1 ∈ Q(ζ + ζ −1 )[X]. Es folgt [Q(ζ) : Q(ζ +ζ −1 )] = 2, weil Q(ζ +ζ −1 ) in C einem reellen Teilkörper entspricht. Denn: ζ 7−→ ζ −1 ist das komplexe Konjugieren. Bestimmung des Minimalpolynoms f (X) von ζ + ζ −1 über Q. Da Q(ζ + ζ −1 ) normal über Q, zerfällt das Minimalpolynom über Q(ζ + ζ −1 ) in Linearfaktoren. Da f (X) ∈ Q[X] irreduzibel, operiert Gal(Q(ζ + ζ −1 )/Q) transitiv auf den Nullstellen von f (X). Es folgt also Y f (X) = (X − σ(ζ + ζ −1 )) σ∈Gal(Q(ζ+ζ −1 )/Q) 8 Y = (X − (ζ i + ζ −i ) ∈ Q[X]. i=1 Mit etwas Rechenaufwand (z.B. unter Verwendung von ’Mathematica’) ergibt sich f (X) = X 8 + X 7 − 7X 6 − 6X 5 + 15X 4 + 10X 3 − 10X 2 − 4X + 1 ∈ Q[X]. Es scheint kein allgemeines Rezept zu geben, eine Gleichung über Q hinzuschreiben, deren Galoisgruppe eine endliche zyklische Gruppe Z/nZ ist. Literatur [1] S. Bosch: Algebra. Springer, Berlin, 4. Auflage (2001) [2] M. H. Fenrick: Introduction to the Galois Correspondence. Birkhäuser, Boston (1992) [3] J.-P. Serre: A Course in Arithmetic. Springer, New York (1973) 6