Abschlussbericht zum Projekt Zi 1009/1 Real Hypercomputation Martin Ziegler, Universität Paderborn an die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) 1 Allgemeine Angaben 1 Liste der Publikationen aus diesem Projekt 2 Weitere Referenzen 3 2 Arbeits- und Ergebnisbericht 2.1 Ausgangsfragen und Zielsetzung des Projekts . . . . . . . . 2.2 Entwicklung der durchgeführten Arbeiten . . . . . . . . . . 2.3 Darstellung der erreichten Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . a) Entwicklung und Vergleich reeller Hypercomputer . b) Übertragung klassischer Resultate diskreter (Hyper-) Berechenbarkeitstheorie ins Reelle . . . . . . . . . . c) Exploration ‘schwacher’ Hypercomputer . . . . . . . d) Miscellanea . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Zur wirtschaftlichen Verwertbarkeit . . . . . . . . . . . . . . 2.5 Mögliche Folgeuntersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6 Projektmitarbeiter und Kooperationspartner . . . . . . . . 2.7 Qualifikation des wissenschaftlichen Nachwuchses . . . . . . 3 Zusammenfassung 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 4 4 4 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 6 7 7 8 8 8 9 Allgemeine Angaben DFG-Geschäftszeichen: Antragsteller: Zi 1009/1-1 und Zi 1009/1-2 Martin Ziegler, Dr.rer.nat. Institut für Informatik, Fakultät für Elektrotechnik, Informatik und Mathematik Universität Paderborn Thema des Projekts: Real Hypercomputation als Kombination der Theorie des Rechnens über und mit reellen Zahlen einerseits, andererseits der Entwicklung und Analyse von (diskreten) Rechenmodellen jenseits der Church-Turing Hypothese. Berichts- und Förderungszeitraum: Oktober 2005 bis Februar 2009 einschließlich (in Absprache mit der DFG erweitert durch JSPS-finanzierten Forschungsaufenthalt am Japan Institute of Science and Technology April 2006 bis Oktober 2006 einschließlich) 1 Liste der Publikationen aus diesem Projekt [1] K. Meer, M. Ziegler: “An Explicit Solution to Post’s Problem over the Reals”, S.456-467 in Proc. 15th International Symposium on Fundamentals of Computation Theory (FCT’05), Springer LNCS Bd.3623; siehe auch [17]. [2] S. Köhler, C. Schindelhauer, M. Ziegler: “On Approximating Real-Word Halting Problems”, S.433-455 in Proc. 15th International Symposium on Fundamentals of Computation Theory (FCT’05), Springer LNCS Bf.3623. [3] M. Ziegler: “Computational Power of Infinite Quantum Parallelism”, S.2057-2071 im International Journal of Theoretical Physics (IJTP) Bd.44:11 (2005). [4] M. Ziegler: “Computability and Continuity on the Real Arithmetic Hierarchy”, S.562-571 in Proc. CiE 2005: New Computational Paradigms, Springer LNCS Bd.3526. [5] M. Ziegler: “Stability versus Speed in a Computable Algebraic Model”, S.14–26 in Theoretical Computer Science Bd.351 (2006). [6] M. Ziegler: “Effectively Open Real Functions”, S.827–849 im Journal of Complexity Bd.22 (2006). [7] K. Meer, M. Ziegler: “Uncomputability below the Real Halting Problem”, S.368-377 in 2nd Conf. on Computability in Europe (CiE’06), Springer LNCS Bd.3988. [8] M. Ziegler: “Real Hypercomputation and Continuity”, S.177–206 in Theory of Computing Systems vol.41 (2007). [9] M. Ziegler: “Revising Type-2 Computation and Degrees of Discontinuity”, S.255–274 in Proc. 3rd International Conference on Computability and Complexity in Analysis (CCA’06), Electronic Notes in Theoretical Computer Science Bd.167 (2007). [10] M. Ziegler: “(Short) Survey of Real Hypercomputation”, S.809–824 in Proc. 3rd Conference on Computability in Europe (CiE’07), Springer LNCS Bd.4497. [11] C. Schindelhauer, K. Volbert, M.Ziegler: “Geometric spanners with applications in wireless networks”, pp.197-214 in Computational Geometry vol.36:3 (2007). [12] K. Meer, M. Ziegler: “Real Computational Universality: The Word Problem for a Class of Groups with Infinite Presentation”, S.726–737 in Proc. 32nd International Symposium on Mathematical Foundations of Computer Science (MFCS 2007), Springer LNCS Bd.4708; siehe auch [23]. [13] M. Ziegler: “Real Computability and Hypercomputation”, Habilitationsschrift, Universität Paderborn (2008). [14] M.R. Emamy-K., M. Ziegler: “On the Coverings of the d-Cube for d ≤ 6”, S.3156–3165 in Discrete Applied Mathematics Bd.156:17 (2008). [15] M. Ziegler: “(A Meta-Theory of) Physics and Computation”, p.145 in Verhandlungen der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (Feb 2008). [16] S. Le Roux, M. Ziegler: “Singular Coverings and Non-Uniform Notions of Closed Set Computability”, S.545–560 in Mathematical Logic Quarterly Bd.54 (2008). [17] K. Meer, M. Ziegler: “An Explicit Solution to Post’s Problem over the Reals”, S.3–15 in Journal of Complexity Bd.24 (2008). [18] S. Köhler, M. Ziegler: “On the Stability of Fast Polynomial Arithmetic”, S.147–156 in Proc. 8th Conference on Real Numbers and Computers (RNC8). 2 [19] K. Lürwer-Brüggemeier, M. Ziegler: “Faster Integer Calculations using Non-Arithmetic Primitives”, S.111-128 in Proc. 7th International Conference on Unconventional Computation (UC’08), Springer LNCS Bd.5204 (2008). [20] W.M. Koolen, M. Ziegler: “Kolmogorov Complexity Theory over the Reals”, S.153–169 in Proc. 5th Int. Conf. on Computability and Complexity in Analysis, Electronic Notes in Theoretical Computer Science Bd.221 (2008). [21] M. Ziegler: “Real Computation with Few Discrete Advice: A Complexity Theory of Nonuniform Computability”, arxiv.org/abs/0811.3782 (2008); eingereicht. [22] M. Ziegler: “Physically-Relativized Church-Turing Hypotheses”, erscheint bei Applied Mathematics and Computation. [23] K. Meer, M. Ziegler: “Real Computational Universality: The Word Problem for a Class of Groups with Infinite Presentation”, erscheint bei Foundations of Computational Mathematics. [24] M. Fischer, M. Hilbig, C. Jähn, F. Meyer auf der Heide, M. Ziegler: “Planar Visibility Counting”, 4-seitige Kurzversion: pp.203–206 in Proc. 25th European Workshop on Computational Geometry (2009); Vollversion arxiv.org/abs/0810.0052 eingereicht. Weitere Referenzen [Brat05] V. Brattka: “Effective Borel measurability and reducibility of functions”, pp.19–44 in Mathematical Logic Quarterly vol.51 (2005). [BrCo06] M. Braverman, S. Cook: “Computing over the Reals: Foundations for Scientific Computing”, pp.318–329 in Notices of the AMS vol.53:3 (2006). [BSS89] L. Blum, M. Shub, S. Smale: “On a Theory of Computation and Complexity over the Real Numbers: N P-Completeness, Recursive Functions, and Universal Machines”, pp.1–46 in Bulletin of the American Mathematical Society (AMS Bulletin) vol.21 (1989). [ChHo99] T. Chadzelek, G. Hotz: “Analytic Machines”, pp.151–165 in Theoretical Computer Science vol.219, Elsevier (1999). [Cope02] J. Copeland: “Hypercomputation”, pp.461–502 in Minds and Machines vol.12, Kluwer (2002). [Cuck92] F. Cucker: “The Arithmetical Hierarchy over the Reals”, pp.375–395 in Journal of Logic and Computation vol.2:3 (1992). [Mosc80] Y.N. Moschovakis: “Descriptive Set Theory”, North-Holland Studies in Logic (1980). [Weih00] K. Weihrauch: “Computable Analysis”, Springer (2000). [ZhWe01] X. Zheng, K. Weihrauch: “The Arithmetical Hierarchy of Real Numbers”, pp.51–65 in Mathematical Logic Quarterly vol.47 (2001). [ZiBr04] M. Ziegler, V. Brattka: “Computability in Linear Algebra”, pp.187–211 in Theoretical Computer Science vol.326 (2004). 3 2 Arbeits- und Ergebnisbericht 2.1 Ausgangsfragen und Zielsetzung des Projekts Ausgangspunkt waren zwei aktuelle Forschungsgebiete: • Hypercomputation untersucht Modelle und Fähigkeiten (diskreten) Rechnens jenseits der Church-Turing Hypothese [Cope02]. “Diskret” bedeutet hier die Beschränkung auf endliche Binärstrings, natürliche oder rationale Zahlen als Eingabe, bei Verarbeitung und Ausgabe. • Theorien reellen Rechnens beschreiben und entwickeln Erweiterungen der klassischen Turingmaschine zur Verarbeitung reeller Zahlen als inhärent nicht-diskrete Objekte. Beide Gebiete haben in den letzten Dekaden einen starken Aufschwung erlebt und wesentliche Einsichten geliefert. Das Projekt befaßte sich mit ihrer Synthese, nämlich der Entwicklung von Modellen reellen Rechnens jenseits der Church-Turing Hypothese und der Bestimmung und dem Vergleich ihrer jeweiligen Mächtigkeiten. 2.2 Entwicklung der durchgeführten Arbeiten Ausgangspunkt waren einerseits Orakel-Turingmaschinen als gängige Modelle diskreten Rechnens jenseits der Church-Turing Hypothese; andererseits BSS- und Typ2-Maschinen, jeweils als ebenfalls wohletablierte Idealisierungen numerischer Rechenpraxis und Erweiterungen der klassischen Turingmaschine von binären bzw. rationalen auf reelle Zahlen. Erstere verarbeiten reelle Zahlen als Entitäten exakt und liefern das Ergebnis nach endlich vielen arithmetischen Operationen [BSS89]; letztere [Weih00] approximieren eine reelle Ausgabe im Grenzwert durch rationale Zahlen (Zähler und Nenner binärkodiert) mit effektiven Fehlerschranken, bekommen die Eingabe aber ebenfalls als solche Folge von Näherungen. Beide sind wesentlich unvergleichbar; eine Synthese stellen die sogenannten robust quasi-stark δ-Q-analytischen Maschinen dar [ChHo99]: sie dürfen die effektiven Fehlerschranken bei der Ausgabeapproximation unbeschränkt aber endlich oft verletzen, erhalten die Eingabe in ebensolcher Weise (oder o.B.d.A. mit stets eingehaltenen Fehlerschranken). Meine Herangehensweise folgte im Wesentlichen dem beantragten Arbeitsprogramm, dessen Punkte sich rückblickend in vier Bereiche gliedern lassen: (a) Entwicklung und Vergleich reeller Hypercomputer (b) Übertragung klassischer Resultate diskreter Berechenbarkeitstheorie auf (a) (c) Exploration ‘schwacher’ (und damit potentiell realistischer) Hypercomputer (d) Miscellanea 2.3 Darstellung der erreichten Ergebnisse Die erreichten Ergebnisse wurden wie oben genannt publiziert. Ein “(Short) Survey” (15 Seiten) erschien in [10], eine ausführliche Version (brutto 160 Seiten) ist als [13] beigefügt. Auf die seitdem erschienenen oder eingereichten Arbeiten wie [16, 17, 18, 20, 15, 22, 21] gehe ich besonders ein. a) Entwicklung und Vergleich reeller Hypercomputer Klassische Hypercomputer sind Turingmaschinen mit Orakelzugriff: auf das Halteproblem H = ∅0 für Turingmaschinen; auf das Halteproblem H H = ∅00 für Turingmaschinen mit Zugriff auf das Halteorakel H; und so fort. Verschiedene Modelle (bzw. genauer: die von ihnen semi-/entschiedenen Probleme) vergleicht man im Rahmen der partiellen Ordnung der Turing-Reduzierbarkeit. Analog erhält man beim BSS-Modell das reelle Halteproblem H und seine Iterationen HH etc.; und parallel dazu eine arithmetische Hierarchie beginnend mit 1 : allen BSS-semientscheidbaren 4 Sprachen; weiter mit 2 : allen mit Orakelzugriff auf das BSS-Halteproblem H semientscheidbaren Sprachen; und 3 : allen reellen Sprachen, die semi-entscheidbar sind mit Orakelzugriff auf HH etc. Siehe hierzu Abschnitt 5.4 in [13] und vgl. [Cuck92]. In [7] haben wir weiterhin den Einfluß reeller Konstanten auf die Mächtigkeit von BSSMaschinen formal untersucht und gezeigt, daß deren Anzahl ebenfalls zum Vergleich von BSSMaschinen taugt in dem Sinn, daß sie die obige arithmetische BSS-Hierarchie verfeinert. Hier spielt reelle Algebra als Beweistechnik eine wichtige Rolle, genauer: der Transzendenzgrad und das Theorem von Lindemann-Weierstraß, vgl. Abschnitt 2.3.4 in [13]. In [13, Abschnitt 6.2] werden die topologischen Eigenschaften Euklidischer Teilmengen der Stufen d der arithmetischen BSS-Hierarchie taxiert und in die Borel-Hierarchie eingeordnet. Letztere spielt mit ihren Stufen eine wesentliche Rolle zum Vergleich von Erweiterungen der Typ2Maschine: Originär können diese nur stetige Funktionen berechnen (sog. Hauptsatz der Rekursiven Analysis), und daran ändern auch Orakel nichts! Statt dessen wurden in [4, 8] Abschwächungen an die Ein- und/oder Ausgabe reeller Zahlen untersucht, nämlich das Fallenlassen der effektiven Konvergenz (Fehlerschranken) der rationalen Approximationen. Diese, so stellt sich heraus [9], führen auf Mächtigkeiten, die genau zu den Stufen der effektiven Borel-Hierarchie korrespondieren [Mosc80, Brat05]. Das Konzept abgeschwächter Arten der Ein- und Ausgabeapproximation ist also ganz wesentlich für Typ2-Hypercomputer: für einzelne reelle Zahlen korrespondiert es zur den Orakelmaschinen im diskreten Fall [ZhWe01]; für reelle Funktionen aber sind Orakel wenig hilfreich, hier weisen nur die abgeschwächten Ein- und Ausgabeapproximationen analoge Eigenschaften auf wie Orakelmaschinen im Diskreten. Genauer lassen sich zahlreiche andere Arten reeller Hypercomputer, und insbesondere die o.g. analytischen Maschinen, auf diese Weise einordnen [13, Abschnitt 6.4]. Das Konzept des Hypercomputing erlaubt es auch, BSS-Modell und Typ2-Maschine zu vergleichen [13, Abschnitt 6.3]: Jede stetige reelle (konstantenfrei) BSS-berechenbare Funktion ist auch durch eine Typ2-Maschine berechenbar, sofern letzter Zugriff auf das Halteorakel H hat; und im allgemeinen braucht sie diesen auch. b) Übertragung klassischer Resultate diskreter (Hyper-) Berechenbarkeitstheorie ins Reelle Die Arbeiten [1, 17] greifen Emil Posts 1944er Frage auf nach unentscheidbaren semi-entscheidbaren Problemen, die im Sinne von Turing-Graden echt leichter sind als das Halteproblem. Sie wurde erst 1957/58 nichtkonstruktiv beantwortet von Friedberg/Muchnik. Im Reellen zeigen wir unter anderem, daß die Menge Q der rationalen Zahlen ein explizit angebbares Problem darstellt, welches BSS-unentscheidbar, semi-entscheidbar aber echt leichter als das BSS-Halteproblem ist: Selbst mit Orakelzugriff auf Q kann keine BSS-Maschine entscheiden, ob eine weitere gegebene BSSMaschine terminiert. Der Beweis kombiniert Resultate der reellen Algebra (Körpererweiterungen und Minimalpolynome) mit Topologie. Ein weiteres wichtiges Konzept diskreter Berechenbarkeitstheorie ist die Kolmogorov Komplexität K(σ̄). Sie beschäftigt sich mit, und mißt in gewisser Weise, die ‘Generizität’ eines endlichen Binärstrings σ̄. Im BSS-Modell stellt sich heraus [20], daß die kanonische Übertragung dieses Begriffs auf reelle Strings K(~x) ‘fast’ (nämlich bis auf +{0, 1}) mit deren Transzendenzgrad übereinstimmt. Zudem bleiben wesentliche strukturelle Eigenschaften erhalten: • asymptotische Invarianz unter Wechsel der universellen Maschine; • Existenz unkomprimierbarer Strings; • Unberechenbarkeit der Kolmogorov-Komplexitätsfunktion, • jedoch Approximierbarkeit von oben; • Anwendung beim Beweis unterer Laufzeitschranken. Die Beweise dieser Eigenschaften liessen sich jedoch i.d.R. nicht übertragen sondern erforderten völlig neue, typischerweise stark algebraische Argumente. Tatsächlich zeigt der diskrete Beweis der 5 Unberechenbarkeit von σ̄ 7→ K(σ̄), daß diese Funktion Turing-vollständig (also gradtheoretisch äquivalent zum Halteproblem H) ist; wohingegen ~x 7→ K(~x) beweisbar echt leichter als H ist, seine Unberechenbarkeit also auf anderem Wege nachgewiesen werden mußte. Zwei wichtige Unentscheidbarkeitsresultate der klassischen Berechenbarkeitstheorie sind die folgenden: das Wortproblem für Gruppen und das Nullstellenproblem multivariater Polynome (Stichwort Matijassewitsch). Über den reellen Zahlen ist letzteres BSS-entscheidbar mittels Tarskis Quantorenelimination. Ersteres hingegen läßt sich vom diskreten ins BSS-Modell übertragen, wie wir in [12, 23] gezeigt haben. Auch hier konnte der klassische Beweis jedoch nicht übertragen werden, sondern bedurfte wesentlicher neuer Konzepte und Argumente. c) Exploration ‘schwacher’ Hypercomputer Als realistischstes Modell reellen Rechnens wird generell die Typ2-Maschine angesehen [BrCo06]. Dennoch liegt das BSS-Modell einerseits routinemäßig der Algorithmischen Geometrie zu Grunde, wird andererseits aber als unrealistisch kritisiert wegen der Fähigkeit, reelle Zahlen in einem Schritt zu verarbeiten und insbesondere exakt zu vergleichen. (Dies entspricht in der Typ2-Maschine Orakelzugriff auf das Halteproblem, vergleiche Punkt a) In [5] habe ich daher eine typische Komplexitätsuntersuchung für das klassische Point Location-Problem der Algorithmischen Geometrie wiederholt in einer Mischung beider Rechenmodelle; nämlich mit dem Ziel, möglichst wenig exakte Tests auf Gleichheit reeller Zahlen zu verwenden, andererseits aber dennoch eine kurze Laufzeit im Sinne der Anzahl arithmetischer Operationen und Verzweigungen zu erreichen. Dies führte auf einen interessanten Trade-Off zwischen beiden Größen. Die Beweise benützten wesentlich Zählargumente der kombinatorischen Geometrie von Linienarrangements in der Ebene. Unter a) hatten wir ein ‘marketing-technisches’ Dilemma der Typ2-Maschinen erwähnt: die Unfähigkeit, selbst einfachste unstetige Funktionen f zu berechnen. Dort konnte dem mittels Hypercomputation behoben werden: als Eingabe Approximationen mit Fehlerschranken verlangen und als Augabe solche ohne zulassen. In [16, 21] wurde eine sanftere Erweiterung der Typ2Maschine betrachtet: nichtuniformes Rechnen, bei für jede berechenbare Eingabe x muß f (x) berechenbar sein, nicht jedoch die Abbildung x 7→ f (x) selbst. Mit anderen Worten: wann immer es eine Typ2-Maschine M gibt, die x berechnet (mit Fehlerschranken), so muß es auch eine Typ2Maschine N geben (!), welche f (x) mit Fehlerschranken berechnet. Genauer untersuchten wir in [16] topologische Bedingungen (konkret: Konvexität, Sternförmigkeit, Einfachzusammenhang, Zusammenhang) an nichtleere abgeschlossene berechenbare Teilmengen A ⊆ Rd , ob sie die Existenz eines berechenbaren Punktes ~x ∈ A sicherstellen, ohne daß man solch ein ~x notwendig effektiv zu finden in der Lage sein braucht. Zu jedem x-berechnenden M gibt es also ein f (x)-berechnendes N , das sich jedoch nicht notwendig algorithmisch finden läßt. Auf der anderen Seite wird die Abbildung x 7→ f (x) trivialerweise berechenbar, wenn als Eingabe zusätzlich zu Approximationen an x eine endliche Kodierung hN i ∈ Σ∗ zur Verfügung steht. Und in den meisten praktischen Fällen genügt sogar viel weniger Zusatzinformation: Zur Berechnung der Gaußklammerfunktion z.B. ein einziges Bit; zur Lösung linearer Gleichungssysteme oder zur Diagonalisierung einer symmetrischen n × n–Matrix eine Zahl zwischen 1 und n [ZiBr04]. Die Arbeit [21] untersucht nun für diese und weitere Probleme quantitativ, wie viel diskrete (und daher unberechenbare) Zusatzinformation hinreichend und notwendig ist, um sie berechenbar zu machen. Diskrete Unberechenbarkeit hängt typischerweise am Halteproblem und verhindert beispielsweise fundamental automatisierte Software-Korrektheitstests im strengen Sinn. Daher haben wir in [2] untersucht, ob und wie gut sich H approximieren läßt, d.h. entscheiden in einer abgeschwächten Weise mit (asymptotisch möglichst wenig) erlaubten falschen Antworten: auch eine Art schwaches Hypercomputing. Nun stellt sich heraus, daß die Approximierbarkeit von H wesentlich abhängt von der betrachteten Gödelisierung, also der zugrunde liegenden universellen Maschine: Interessant sind nur sogenannte dichte Kodierungen. Und wir konnten unter anderem nachweisen, daß die extrem einfache Turing-vollständige Programmiersprache BF eben diese Bedingung erfüllt. 6 d) Miscellanea Hierzu zählen Publikationen, die der klassischen reellen Berechenbarkeitstheorie [6] oder der diskreten Hypercomputation [3] zuzuordnen sind; weiterhin Untersuchungen zu den physikalischen Grundlagen der Berechenbarkeit [15, 22]; und Arbeiten, die im Zusammenhang mit der (Co)Betreuung von Doktoranden entstanden sind [11, 19, 24]. Konkret untersucht [6] effektive Zusammenhänge zwischen der Eigenschaft einer Funktion stetig zu sein (d.h. das Ur bild jeder offenen Menge ist offen) und ihrem Dual: Offenheit (d.h. das Bild jeder offenen Menge ist offen). Es wird die Frage behandelt, ob jede Typ2-berechenbare (äquivalent: effektiv stetige) offene Funktion auch effektiv offen ist; und positiv beantwortet für mehrere große Klassen von Funktionen. Einige Beweise verstärken hierzu klassische Existenzaussagen der Analysis durch Berechenbarkeitsaussagen (z.B. den Satz über die stetig-differenzierbare Umkehrabbildung); andere benutzen in überraschender Weise Tarskis Quantorenelimination, obwohl diese polynomielle Un- und Gleichungen beinhaltet und daher traditionell nur für das BSS-Modell relevant scheint. Hier wird sie jedoch nichtuniform eingesetzt, d.h. für eine beliebige aber feste Funktion, wo die Gleichungen sich in einer geeigneten linearen Q-Basis der reellen Polynomkoeffizienten entwickeln lassen und so über den rationalen Zahlen doch wieder exakt lösen lassen. In [3] geht es um die Frage, ob – und genauer: welche Art von – Quantencomputer als Hypercomputer aufzufassen sind. Gängigerweise versteht man unter einem Quantencomputer einen reversiblen Schaltkreis auf endlich vielen Qubits mit unitären Gattern. Unabhängig von der bereits hier heiß diskutierten Frage, in wie weit dies praktisch realisierbar sei, ‘lebt’ die Quantentheorie der Physik in einem Hilbertraum wie L2 , der Platz und unitäre Operationen auf abzählbar-unendlich vielen Qubits erlaubt. Dies, so stellt sich heraus, führt auf ein Rechenmodell äquivalent zu Turingmaschinen mit Orakelzugriff auf H. Den Ansatz, physikalische Theorien zur Basis von Berechenbarkeits- und Berechnungskomplexitätsuntersuchungen zu machen, verfolgen [15, 22] weiter: Jede physikalische Theorie Φ, formalisiert in einem etablierten wissenschaftstheoretischen (also meta-physikalischen) Sinn, bildet inhärent nur einen gewissen Teil der Natur wider; und die Möglichkeit und Komplexität, diesen Teil auf einem Digitalcomputer zu simulieren, möchte ich untersuchen: als konstruktiven Zugang, die (andernfalls sehr vage und dadurch für differierende Interpretationen und Dispute anfällige) Church-Turing Hypothese zu überprüfen. Für zwei rudimentäre Beispiele (Aristotelisches Sonnensystem und Quantenlogik) wird dieser Ansatz in [22] exemplarisch durchgeführt; weitere sind Gegenstand des aktuellen Projekts Zi 1009/2-1. 2.4 Zur wirtschaftlichen Verwertbarkeit Es handelte sich um dezidierte Grundlagenforschung unabhängig von konkretem und kurzfristigem ökonomischen Nutzen. Von besonderem Potential sind in dieser Beziehung die in Abschnitt 2.24) beschriebenen schwachen Hypercomputer: sie lassen sich tatsächlich realisieren! i) Konkret liefert [5] neue Algorithmen für das Point Location-Problem, die (in Geometric Information Systems wie z.B. Navigations-PDAs) das Problem der Instabilität gleichwohl beweisbar nicht vermeiden können, so doch verringern – wenn auch, ebenfalls notwendig, auf Kosten der Laufzeit). ii) Relevant ist hier auch das negative Resultat [18]: Es zeigt, daß zumindest die bisher in theoretischen Arbeiten routinemäßig eingesetzte schnelle Polynomarithmetik wegen ihrer numerischen Instabilität bei reellen/kompleten Eingaben keinen praktischen Nutzen oder Vorteil zeigt gegenüber dem naiven Ansatz. iii) [2] demonstriert, daß und wie die Korrektheit von Software für praxisrelevante Turingvollständigen Programmiersprachen zumindest im Prinzip und näherungsweise gelöst werden kann. iv) Und aus [21] kann man lernen, numerische Algorithmen gezielt mit zusätzlichen diskreten Informationen zu versehen. 7 2.5 Mögliche Folgeuntersuchungen Besonders Punkt iv) aus Abschnitt 2.4 lohnt es sich, in eines der gängigen Programm-Pakete/Bibliotheken zum praktischen exakten Rechnen mit reellen Zahlen iRRAM oder realLib zu inkorporieren. Außerordentlich spannend findet der Antragsteller, aufbauend auf [22] die Beziehungen zwischen Rechenmodellen, Berechenbarkeit und Berechnungskomplexität in der Theoretischen Informatik einerseits und der Theoretischen Physik andererseits genauer zu erforschen. Tatsächlich ist dies Thema des aktuellen DFG-Projekts Zi 1009/2-1. 2.6 Projektmitarbeiter und Kooperationspartner Im Rahmen des Projekts wurde, neben dem Antragsteller selbst (“eigene Stelle”), auch Herr Sven Köhler erst als studentische und dann (nach genehmigter Umwidmung durch die DFG) als wissenschaftliche Hilfskraft beschäftigt. Weitere Kooperationspartner umfassten in alphabetischer Reihenfolge: • Prof. Vasco Bratta (Univ. Kapstadt) • Prof. Peter Bürgisser (Uni Paderborn) • Prof. Cheong Jiwon (Korea Advanced Institute for Science and Technology) • Dr. Matthias Fischer (Heinz Nixdorf Institut & Uni Paderborn) • Prof. Peter Hertling (Bundeswehr-Uni München) • Prof. Hajime Ishihara (Japan Advanced Institute for Science and Technology) • Prof. Klaus Meer (BU Cottbus) • PD. Dr. Robert Rettinger (FernUniversität in Hagen) • Dr. Stéphane Le Roux (ENS Lyon & INRIA & LIX) • Dr. Peter Scheiblechner (Purdue University) • Prof. John V. Tucker (University of Swansea) • Prof. Chee K. Yap (Courant Institute New York & Korea Institute of Advanced Study) 2.7 Qualifikation des wissenschaftlichen Nachwuchses • Der Antragsteller hat sich im Rahmen dieser “eigenen Stelle” an der Uni Paderborn im März 2008 habilitiert mit der Schrift [13]. • Weiterhin hat er Frau Dipl.-Math. Katharina Lürwer-Brüggemeier bei ihrer Promotion mitbetreut [19] und ihre Dissertation mitbegutachtet, die sie im Dezember 2008 erfolgreich verteidigte. • Herr Le Roux konnte, nicht zuletzt auf Grund der gemeinsamen Arbeit [16], Post-Doc Positionen erst bei INRIA–Microsoft Research und dann bei LIX–Ecole Polytechnique erlangen. • Die Studenten Jochen Darley, Sven Köhler, Matthias Hilbig, Alexander Spot und Sven Kurras haben im Berichtszeitraum mit vom Antragsteller ausgeschriebenen und betreuten Themen ihre Studien- bzw. Diplomarbeiten erstellt. Die Herren Köhler [18] und Hilbig [24] haben inzwischen in Hamburg zu promovieren begonnen. • Derzeit laufen Bachelorarbeiten von Max Drees, von Lukas Jillek und von Florentin Neumann sowie das Promotionsvorhaben von Claudius Jähn. 8 3 Zusammenfassung Bei Real Hypercomputation handelt es sich um die Synthese zweier moderner Forschungsgebiete: der Theorie des Rechnens über und mit reellen Zahlen einerseits, andererseits der Entwicklung und Analyse von (diskreten) Rechenmodellen jenseits der Church-Turing Hypothese, sogenannten Hypercomputern. Zahlreiche Konzepte der diskreten Rekursionstheorie lassen sich auf reelle Rechenmodelle übertragen; so zum Beispiel das der Orakelmaschinen. Auch viele klassische Resultate besitzen Gegenstücke für den reellen Fall; oftmals erfordern diese allerdings völlig neue Beweise: zusätzlich zu den typischersweise stark logisch geprägten Argumenten im Diskreten (Diagonalisierung, Richard-Berry Paradoxon, Königs Lemma) müssen hier algebraische (z.B. Transzendenzgrad) und/oder topologische Eigenschaften (z.B. Borel-Meßbarkeit) der Informationsverarbeitung von reellen Zahlen ausgenutzt werden. Dieses Wechselspiel zwischen Theoretischer Informatik und verschiedenen mathematischen Disziplinen hat sich als außerordentlich fruchtbar erwiesen! Daß und welche anderen klassischen Resultate der diskreten Berechenbarkeitstheorie im Reellen fehlschlagen, hat zu wichtigen Einsichten geführt. Beispielsweise vergrößern Orakel zwar die Mächtigkeit von Typ2-Maschinen bei der Fähigkeit, reelle Funktionen näherungsweise auszuwerten; sie können jedoch nicht das topologische Hindernis überwinden, daß die betrachteten Funktionen sämtlich stetig sein müssen. Dies gelingt erst anderen, neuen Arten von Hypercomputern: (endlich-) nichtuniformes Rechnen bzw. zusätzliche diskrete Eingabeinformationen. Noch stärker (aber auch unrealistischer) sind Modelle, bei denen die Ausgabeapproximationen nicht von Fehlerschranken begleitet werden – sofern die Eingaben weiterhin exakt oder mit Fehlerschranken vorliegen. 9