PD Dr. Dr. Renate Huber Projektidee 2011/1: Philosophenkino zum Thema: „Schwarzwald-Kongress“ Redner-Pult, sieben Stühle Schwarzwald-Hintergrund Es spielen 1 Vertreter der Tierwelt / Jens 2 Philosophin / Victoria 3 Evolutions-, Neuro- & Sozio-Biologe / Christian 4 Kognitive Ethologin / Marie 5 Kath. Theologe / Chris 6 chairwoman Edda & songwriter Rainer Jens kommt aus dem „Schwarzwald“, Vortrag: Klage-Rede Liebe Menschen! Ich – als Vertreter der Tierwelt – begrüße Sie sehr herzlich und eröffne hiermit den Schwarzwald-Kongress. Ich bedanke mich, dass Sie meiner Einladung gefolgt sind. Ich freue mich sehr, dass zumindest einige Menschen überhaupt geneigt sind, die verzweifelten Klagen der Tierwelt endlich zur Kenntnis zu nehmen. Und ich hoffe, dass viele Menschen unser inständiges Flehen um ein wohlwollendes und fürsorgliches Verhalten gegenüber uns Tieren erhören. Ich habe Sie zu einem Kongress in den Schwarzwald eingeladen, um mit Ihnen ein sehr schwieriges und besonders heikles Problem zu diskutieren, das bei uns in der Tierwelt Anlass zu wachsender Besorgnis gibt. Wir – die Tiere – werden von den Menschen systematisch in unseren kognitiven Fähigkeiten unterschätzt und folglich schlecht behandelt, ausgebeutet, gequält und zunehmend sogar ausgerottet. Das Thema unseres Kongresses soll daher lauten: der Vergleich der kognitiven Fähigkeiten von Tieren und Menschen. Wir – die Tiere – wollen die Menschen nachdrücklich darauf aufmerksam machen, dass viele Tierarten nicht nur über verschiedene Intelligenzformen, sondern auch über differenzierte Bewusstseinsformen verfügen. Insbesondere aber haben auch wir ein phänomenales Bewusstsein, das uns empfindungsfähig und damit leidensfähig macht. Wir hoffen daher inständig, dass die Menschen – wenn sie erst einmal begreifen, dass wir eigentlich Verwandte sind – einen einfühlsameren Umgang mit uns pflegen. Wenn die Menschen darüber hinaus auch noch beherzigen, dass wir alle von einer intakten und vielfältigen Natur abhängig sind, dann besteht sogar eine zaghafte Hoffnung, dass die Menschen zukünftig ihre vernunft-widrige Ausplünderung und Verwüstung der Erde unterlassen. Ich klage die Menschen daher an: Die Menschen nehmen sich das Recht heraus, sich ungebremst auf dieser Erde zu vermehren. Sie denken gar nicht erst darüber nach, dass die explosionsartige Zunahme auf nun beinahe sieben Milliarden Menschen für uns Tiere katastrophale Auswirkungen hat. Sie klassifizieren uns nach der jeweiligen Verwendungsweise, die sie für uns vorgesehen haben und sie belegen uns mit Kennzeichnungen wie „Nutztiere“, „Kuscheltiere“, „Wildtiere“ usw. Sie betrachten uns dann als Sachen, mit denen sie nach ihren Vorlieben und Zwecken verfahren können. Die Menschen begrenzen den Lebensraum der „Wildtiere“, so dass immer mehr Tierarten vom Aussterben bedroht sind. Raffgierig plündern sie die Ressourcen der Erde und sie vergiften die Natur mit Ihrem Müll, so dass wir Tiere zunehmend an schweren Krankheiten leiden. Bei besonders großen, durch die Technik verursachten Katastrophen – wie etwa der Reaktorunfall in Japan 2011 oder der Tiefwasserbohrunfall im Golf von Mexiko 2010 – sind die Wildtiere völlig schutzlos den unermesslichen Verwüstungen ihres Lebensraumes ausgesetzt. Aber auch die Tiere, die die Menschen in Ihrer Klassifizierung als „Kuscheltiere“ betrachten, haben durchaus kein art-gerechtes Leben. Es sind dies hauptsächlich Katzen, Hunde, Ziervögel und andere pelzige oder gefiederte Lebewesen, die die Menschen zu ihrem eigenen Wohlbefinden halten. Diese Tiere werden nach den besonderen Vorstellungen der Menschen gezüchtet und dann in Stadtwohnungen oder gar Käfigen gehalten, wo sie sich fast zu Tode langweilen. Besonders schlecht ergeht es den Tieren, die die Menschen mit dem hässlichen Wort „Nutztiere“ bezeichnen. Sie werden rücksichtslos vermehrt, optimiert, gequält und ausgebeutet. Eine unbarmherzige Massentierhaltung, gnadenlose Tiertransporte und grausame Tierversuche sind an der Tagesordnung. Schlimmste Qualzüchtungen erhöhen das Potential der Ausbeutung und diese brutalen Optimierungen unterliegen den strengen Nutzenkalkulationen der Menschen. Sie rechtfertigen ihr Vorgehen mit ökonomischen Notwendigkeiten und verschleiern damit nur ihre unersättliche Gier nach immer mehr Konsum. Die Menschen behaupten, unter Berufung auf einen Gott, dass sie eine Sonderstellung unter allen Lebewesen einnehmen. Wir – die Tiere – kennen diesen Gott nicht. Zu keiner Zeit wurde uns von einem Gott mitgeteilt, dass es sein göttlicher Wille sei, dass die Menschen uns ausbeuten. Wir glauben, dass die Menschen diesen Gott bloß erfunden haben, um ihr eigenes hartherziges Tun als Bestandteil einer gottgestifteten Ordnung zu legitimieren. Die Menschen sind in ihrer eigenartigen Selbstüberschätzung davon überzeugt, dass sie – im schroffen Gegensatz zu uns Tieren – vernunft-fähig und moral-fähig sind. Ihr tatsächliches Verhalten aber spricht eine ganz andere Sprache. Völlig vernunft-widrig plündern und verwüsten sie die Erde und damit auch ihre eigene Lebensgrundlage. Aus der Perspektive der Tiere sind viel zu viele Menschen viel zu oft unbarmherzig, gnadenlos, egoistisch und brutal. Ich frage Sie – die geschätzten Teilnehmer dieses Kongresses – daher in aller Bescheidenheit: Warum zerstören Sie die Natur? Warum vermenschlichen oder verdinglichen Sie die Tiere? Warum respektieren Sie uns nicht als Tiere mit unseren je art-eigenen Empfindungen und Bedürfnissen? Vielleicht stehen uns ja – nach Ihrer Menschen-Justiz – keine Tierrechte zu, aber dürfen wir aufgrund unseres VerwandtschaftsVerhältnisses nicht wenigstens auf etwas mehr Rücksichtnahme und Wohlwollen hoffen? Jens setzt sich auf den Stuhl, links vorne Chris kommt, Vortrag: kath. Theologie Liebe Geschöpfe unseres himmlischen Vaters! Lasset uns den Herrn loben und preisen! Geheiligt werde sein Name und sein Wille geschehe! Amen! Ich – als katholischer Theologe – nehme mit großer Verwunderung die Klagen der Tierwelt zur Kenntnis. Die höchst sonderbare VerwandtschaftsThese, die der Vertreter der Tierwelt soeben vorgetragen hat, kann ich nur mit einem verständnislosen Kopfschütteln quittieren. Gewiss! – Uns alle hat unser himmlischer Vater in seiner grenzenlosen Güte und zu seinem ewigen Ruhme erschaffen. Folglich stehen wir alle in einem höchst bewunderungswürdigen Schöpfer-Schöpfungs-Verhältnis. Aber dies begründet keineswegs ein Verwandtschafts-Verhältnis zwischen Mensch und Tier. Ein Mensch-Tier-Vergleich ist daher völlig abwegig, weil es Gott in seiner unerforschlichen Güte gefallen hat, allein dem Menschen ein Selbst-Bewusstsein und sogar ein Transzendenz-Bewusstsein zu verleihen. Tiere hingegen verfügen nicht über diese besonderen Gaben. Wie ich der Klage-Rede entnehme, wollen die Tiere ernsthaft unseren gottgewollten Anspruch auf Sonderstellung unter allen Lebewesen in Zweifel ziehen. Doch ich frage: Ist das wirklich Gottes Wille? Besonders verwerflich ist allerdings die Unterstellung, dass wir Christen uns auf einen angeblich selbst erfundenen Gott berufen. – So jedenfalls wird dies in der Tierwelt behauptet. Ich möchte diese ungeheuerliche Unterstellung nachdrücklich zurückweisen und unseren gottgestifteten Herrschaftsanspruch verteidigen. Die heilige Schrift hat die hierarchischen Verhältnisse der Lebewesen höchst selbst zum Ausdruck gebracht, wenn wir in Genesis 9.1-3 lesen: Und Gott segnete Noah und seine Söhne und sprach: Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde. Furcht und Schrecken vor euch sei über allen Tieren auf Erden und über allen Vögeln unter dem Himmel, über allem, was auf dem Erdboden wimmelt, und über allen Fischen im Meer. In eure Hände seien sie gegeben. Alles, was sich regt und lebt, das sei eure Speise. Auch Psalm 8.5-7 belegt nachdrücklich die Sonderstellung des Menschen, wenn der Psalmist an Gott die Frage richtet: Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst? – Du hast ihn wenig niedriger gemacht als Gott, mit Ehre und Herrlichkeit hast du ihn gekrönt. Du hast ihn zum Herrn gemacht über deiner Hände Werk, alles hast du unter seine Füße getan. Diese Bibeltexte belegen mit aller wünschenswerten Klarheit die gottgestiftete Sonderstellung des Menschen unter allen Lebewesen. Unsere heilige Kirche folgt seit 2000 Jahren dieser gottgewollten Tradition. Der Kirchenlehrer Origenes schreibt sinngemäß: Wir Christen, die wir den allmächtigen und allgütigen Gott als den Schöpfer aller Dinge verehren, stellen die Menschen als vernünftige Lebewesen über die unvernünftigen Tiere. Wir behaupten, dass die göttliche Vorsehung um der vernünftigen Menschen willen alles hervorgebracht hat. Auch der heilige Augustinus schreibt: Wenn wir in der Bibel lesen: ‚Du sollst nicht töten’, nehmen wir nicht an, dass sich dies auf Pflanzen bezieht, und zwar weil sie keine Empfindung besitzen. Ebenso wenig nehmen wir an, dass damit vernunftlose Tiere gemeint sind, ob sie nun fliegen, schwimmen, laufen oder kriechen, weil sie uns durch den Mangel an Vernunft nicht zugesellt sind. Darum hat auch die gerechteste Anordnung des Schöpfers ihr Leben und ihr Sterben unserem Nutzen angepasst. So bleibt also nur, das Verbot der Tötung einzig auf den Menschen zu beziehen. Schließlich findet auch Thomas von Aquin in dieser Angelegenheit eindeutige Worte. Auf die Frage, ob es Sünde ist, Tiere zu töten, antwortet er unmissverständlich: Keiner sündigt, indem er eine Sache zu dem verwendet, wozu sie bestimmt ist. In der Ordnung der Lebewesen aber sind die unvollkommenen wegen der vollkommenen da. Die Tiere und Pflanzen haben nicht das Vermögen der Vernunft. Das ist ein Zeichen dafür, dass sie zum Dienste und zum Gebrauch bestimmt sind. Wer das Schaf oder Rind eines anderen tötet, sündigt zwar, doch nicht, weil er ein Tier getötet hat, sondern weil er einen Menschen an seinem Eigentum geschädigt hat. Deshalb fällt dies nicht unter die Sünde des Tötens, sondern unter die Sünde des Diebstahls. Somit ist der Wille Gottes hinreichend durch die beiden folgenden Thesen kundgetan: Erstens die imago-dei-These: Der Mensch ist das Ebenbild Gottes. Zweitens die dominum-terrae-These: Der Mensch ist von Gott zur Herrschaft über die Tiere bestimmt. Und dennoch gilt: Gerade wir Christen rufen stets auf zur „Bewahrung der Schöpfung“. Wir glauben, dass wir Menschen – als moral-fähige Wesen – berufen sind, unsere Herrschaft über die Tiere in besonderer Verantwortung vor Gott auszuüben. Die heilige Kirche legt daher ihr besonderes Augenmerk darauf, die Welt so, wie sie von Gott erschaffen wurde, auch für spätere Generationen zu erhalten. Gewiss! – Eine vernunft-widrige Ausplünderung und Verwüstung der Erde entspricht nicht dem Willen Gottes. Insofern unser Verhalten hier ganz offensichtlich beträchtliche Defizite zeigt, begreifen wir uns als Sünder, die einer Erlösung bedürftig sind. Der Herr erbarme sich unser! Amen! Gestatten Sie mir zum Schluss meines Vortrages noch meine ganz persönliche Betroffenheit hinsichtlich der Umweltkatastrophen von 2010 im Golf von Mexiko und 2011 in Japan zum Ausdruck zu bringen. Ich trauere um die menschlichen Opfer und um den Verlust des vielfältigen Lebens in der Tierwelt. Mit allem Nachdruck möchte ich betonen, dass ich Gott inbrünstig im Gebet um Hilfe anflehe. – Aber mit unserem Herrn Jesus Christus wollen wir sprechen: Himmlischer Vater, nicht wie wir wollen, sondern wie du willst. Dein Wille geschehe! Amen! Chris geht Victoria kommt, Vortrag: Moralphilosophie Meine sehr geehrten Damen und Herren, lieber Vertreter der Tierwelt. Menschen und Tiere lassen sich grundsätzlich nicht in eine gemeinsame Klassengemeinschaft einfügen. Sie sind – ontologisch gesehen – nicht vergleichbar und in dieser Perspektive nicht als Subjekte mit einem eigenen moralischen Status zu bestimmen. In dieser Frage stimme ich daher ausdrücklich meinem Kollegen aus der Theologie zu. Allerdings möchte ich eine andere Begründung für die Sonderstellung des Menschen vortragen. Bevor ich meine moral-philosophische Begründung entfalte, möchte ich aber zunächst das theologische Argument entkräften. Ich bin nicht davon überzeugt, dass sich die imago-dei-These und die dominum-terrae-These tatsächlich begründen lassen. Um überhaupt beurteilen zu können, ob der Mensch ein Ebenbild Gottes ist, müsste zuallererst das Wesen Gottes bekannt sein. Nach Kant ist Gott jedoch kein Erkenntnisgegenstand. Auch ist es sicherlich nicht sehr überzeugend, so folgenreiche Thesen bloß durch den Verweis auf bestimmte Autoritäten zu begründen. Zu Recht könnte der Vertreter der Tierwelt darauf beharren, dass ihm alle genannten Autoritäten – Bibelschreiber, Origenes, Augustinus und Thomas von Aquin – gar nicht bekannt sind. Und er könnte sagen, dass sich auch andere Autoritäten – etwa David Hume, Jeremy Bentham und Peter Singer – benennen lassen, die in dieser Angelegenheit ganz anders geurteilt haben. Es ist die genuine Aufgabe der Moralphilosophie, das Verhältnis von Mensch und Tier zu bestimmen – und zwar verstanden als ein Rechtsverhältnis. Ich möchte nun mit guten philosophischen Gründen für die These der Sonderstellung des Menschen argumentieren. Bereits der Philosoph Kant schrieb sinngemäß: Als der Mensch das erste Mal zum Schafe sagte: ‚Den Pelz, den du trägst, hat dir die Natur nicht für dich, sondern für mich gegeben’ und ihm diesen Pelz abzog, um ihn sich selbst anzulegen, sprach er sich selbst ein Recht zu. Das Recht nämlich, über die Tiere zu herrschen und sie als Mittel zur Erreichung seiner beliebigen Absichten anzusehen. Auch der Philosoph Hegel macht die Rechtslage deutlich, wenn er schreibt: Die Tiere haben kein Recht auf ihren Körper. Ich möchte in dieser Sache nicht missverstanden werden. Es geht mir nicht darum, auf weitere Autoritäten zu verweisen. Ich will aber das moralphilosophische Argument der Selbst-Gesetzgebung hervorheben. Der Mensch allein besitzt Moralität und nur er ist befähigt, sich selbst Pflichten aufzuerlegen. Dieser Sachverhalt schließt den Gedanken des Gegensatzes von Mensch und Tier ein, wie Kant weiter ausführt: Dass der Mensch ein Ich-Bewusstsein haben kann, erhebt ihn unendlich über alle anderen Lebewesen. Dadurch ist er eine Person und ein von Sachen, dergleichen die vernunftlosen Tiere sind, mit denen man nach Belieben schalten und walten kann, durch Rang und Würde ganz unterschiedenes Wesen. Der Mensch verpflichtet sich selbst, dass er so etwas zu keinem Menschen sagen dürfe. Es geht hier also – um das Argument nochmals in aller Deutlichkeit zu betonen – um ein Rechtsverhältnis, genauer um eine Selbst-Verpflichtung. Nur der Mensch ist eine Person und damit ein Rechtssubjekt, dem Rechte zugesprochen und Pflichten auferlegt werden können. Ich verstehe dies im Sinne einer hobbesschen Vertrags-Ethik oder im Sinne einer kantischen Pflichten-Ethik. Damit ist der vernünftige Mensch – im Unterschied zum Tier – ein Selbst-Gesetzgeber, der befähigt ist, Normen aufzustellen und sich in Freiheit an seine Gesetze zu binden. Diese Selbst-Verpflichtung ist aber eine kulturelle Leistung, die kein Analogon in der Natur aufweist. Kommen wir nun zur nächsten Frage: Ist eine Rückbindung der normativen Ebene an eine deskriptive Ebene erforderlich? Die Antwort lautet: Wir müssen es zwar nicht, aber wir können es mit guten Gründen tun. Es kann hilfreich sein, Wissen über die Möglichkeiten und Grenzen der menschlichen Lebensform zu berücksichtigen, um sich nicht in einem moralischen Utopismus zu verlieren. Dieses Wissen kann nur von der philosophischen Anthropologie bereitgestellt werden und bezieht sich auf unsere Fähigkeit zur Reflexion als Grundlage der Moralität. Bedingungen für das Reflexions-Bewusstsein sind – abgesehen vom Sprachvermögen – das phänomenale und intentionale Bewusstsein, das Selbst-, Zukunfts- und Todes-Bewusstsein. Diese verschiedenen Bewusstseinsformen lassen sich nur aus der 1-Person-Perspektive erfassen. Die exakten Wissenschaften müssen sich aber zwangsläufig auf die 3-Person-Perspektive beschränken und damit sind sie prinzipiell ungeeignet für die Erforschung von Bewusstseins-Phänomenen. Die Philosophie des Geistes hat es schon immer gewusst und schon immer behauptet: Der Menschen ist kein Forschungsgegenstand wie jeder andere. Anthropologie ist ihrem Kern nach Selbst-Begegnung. In der philosophischen Tradition war und ist der Mensch der Mittelpunkt des Denkens. Eine kritische Tierphilosophie kann keine Philosophie aus der Perspektive der Tierwelt sein, sondern sie kann immer nur eine Philosophie über unsere Vorstellungen von der Tierwelt sein. Philosophisch gesicherte Aussagen über die Tierwelt können sich prinzipiell nur aus der AußenPerspektive auf das Verhalten beziehen. Die Frage, ob Tiere überhaupt eine Innen-Perspektive haben, übersteigt unsere epistemischen Grenzen. Alle Belege für die Empfindungsfähigkeit der Tiere bleiben letztlich ungesichert. Es führt unweigerlich in die Sackgasse eines bloß spekulativen Anthropomorphismus, wenn die menschlichen kognitiven Fähigkeiten als Vergleichspunkte für den Aufbau einer Bewusstseins-Theorie für Tiere herhalten sollen. Ich möchte daher abschließend in aller Deutlichkeit sagen: Ich halte das Thema dieses Kongresses für völlig verfehlt. Victoria geht Christian kommt, Vortrag: ENS-Biologie Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen. Menschen und komplex organisierte Tiere sind bio-psycho-soziale Lebewesen und folglich sehr wohl vergleichbar. In dieser Frage stimme ich – als Biologe – den Vertretern der Unvergleichbarkeits-These aus der Theologie und der Philosophie keineswegs zu. Im Gegenteil: Ich behaupte, dass es zwischen Menschen und komplex organisierten Vögeln und Säugetieren keinen prinzipiellen Unterschied gibt. Meine Vergleichbarkeits-These möchte ich im Rückgriff auf den empirischen Befund mit drei grundlegenden Argumenten aus der Evolutions-, der Neuro- und der Sozio-Biologie verteidigen: 1. Das evolutionsbiologische Argument besagt, dass der Mensch – wie jedes andere Tier auch – eine evolutionäre Entwicklung durchlaufen hat. Die evolutionären Mechanismen sind für alle Lebewesen gleich. Mag es auf der Phänomen-Ebene auch diverse Unterschiede zwischen Mensch und Tier geben, in den zugrunde liegenden Mechanismen finden wir nur Übereinstimmung. Die wichtigsten evolutionären Antriebe sind die Selbstund Gen-Erhaltung. Auch die evolutionären Mechanismen sind stets die gleichen: Es geht um Mutation, natürliche Selektion, sexuelle Selektion, Exaptation und andere Mechanismen, an deren Entschlüsselung wir Biologen seit 150 Jahren mit großem Erfolg arbeiten. Es gibt nicht den kleinsten Hinweis, dass eine Sonderstellung des Menschen vorliegt. 2. Im neurobiologischen Argument geht es um die gehirn-internen Verarbeitungsmechanismen. Komplex organisierte, sozial lebende Tiere verfügen über intuitive Ontologien und intuitive Soziologien, die es ihnen ermöglichen, ihren Lebensalltag und ihr tierliches Zusammenleben erfolgreich zu meistern. Sie können dies, weil sie über ein natürliches, vorsprachliches Wissen verfügen, das für alle praktischen Zwecke völlig ausreicht. Jedenfalls benötigen sie keine syntaktisch strukturierte Sprache. Auch der Mensch organisiert seinen Lebensalltag vorwiegend im Rückgriff auf diese intuitiven Verarbeitungsmechanismen. Die Vertreter der Unvergleichbarkeits-These müssten explizit zeigen, welcher völlig neuartige neurobiologische Mechanismus als Korrelat höherer Bewusstseinsformen ausschließlich beim Menschen vorliegt. 3. Das soziobiologische Argument besagt, dass die wichtigste Grundlage für jeden erfolgreichen sozialen Zusammenhalt im reziproken Altruismus liegt. Hier geht es um ein Kosten-Nutzen-Verhältnis. Nicht nur sozial lebende Tiere, sondern auch Menschen organisieren ihre Sozietäten nach diesem Naturprinzip. Der reziproke Altruismus fordert einen gewissen Verzicht auf den unmittelbaren eigenen Vorteil. Menschen und Tiere leisten diesen Verzicht immer dann, wenn ihre eigenen Bedürfnisse besser durch Kooperation befriedigt werden können. Ich möchte alle Theologen und Philosophen auffordern, den Befund aus der Evolutions-, der Neuro- und der Sozio-Biologie endlich zur Kenntnis zu nehmen. Verlassen Sie Ihren natur-fernen Sessel, in dem Sie immerzu herumsitzen, um Ihren sonderbaren Hirngespinsten nachzuhängen, die mit den Bedingungen der Natur einfach gar nichts zu tun haben! Sollten wir hier soweit Konsens erzielen, dann können wir uns nachgeordnet auch ethischen Fragen zuwenden. Hier müssen wir feststellen, dass es in der Natur weder eine Vertrags-Ethik noch eine Pflichten-Ethik gibt. Insofern stimme ich meiner Kollegin aus der Philosophie zu. Aber! – Und nun komme ich zu einem wichtigen Punkt: Diese famosen Ethiken gibt es auch nicht als wirksame Handlungsmotive beim Menschen. Diese Ethik-Utopien existieren nur als drollige Hirngespinste verspielter Moralphilosophen. Die Natur ist moralisch indifferent. Sie ist frei von Verträgen und Pflichten. Das moral-philosophische Argument der Selbst-Verpflichtung besagt doch – bei Lichte betrachtet – lediglich dies: Wir geben uns selbst genau die moralischen Gesetze, die wir immer schon durch eine natürliche Neigung bevorzugen. Menschen mit großer Sympathie für Tiere und geringer Neigung zum Fleischverzehr, werden für schärfere Tierschutzgesetze plädieren. Menschen mit geringer Zuneigung zu Tieren, aber ausgeprägter Fleischeslust werden eher Argumente gegen Tierschutzgesetze suchen. Menschen, die mit Tierfabriken viel Geld verdienen, werden vehement gegen jedes noch so klitze-kleine Tierschutzgesetzchen streiten. In dieser Perspektive ist die Klage-Rede des Vertreters der Tierwelt völlig unberechtigt. Biologisch gesehen ist allein die Tier-Pflanze-Differenz von Bedeutung und keineswegs eine Mensch-Tier-Differenz. Wir begreifen Tiere im Unterschied zu Pflanzen hinsichtlich ihrer typischen Ernährungsweise und ihrer dominierenden Nahrungsquelle. Pflanzen sind Lebewesen, die ihre organischen Bestandteile aus anorganischen Stoffen und Licht aufbauen. Tiere hingegen – und dazu gehören auch Menschen – decken ihren Energiebedarf dadurch, dass sie andere Lebewesen vernichten. Sie sind entweder Herbivoren – also Pflanzenfresser –, Karnivoren – also Fleischfresser – oder Omnivoren – also Allesfresser. Damit ist klar: Pflanzen sind vorwiegend autotrophe Lichtesser. Tiere hingegen sind heterotrophe Energieräuber. Diese energetische Charakterisierung ist die unaufhebbare biologische Bedingung aller Lebewesen. Ich frage daher den Vertreter der Tierwelt: Ernährst Du dich etwa nicht auch von anderen Lebewesen – sogar von anderen Tieren? Und weiter: Gelegentlich kommt es vor, dass Tiere – denken wir etwa an Haie oder Bären – Menschen anfallen und töten. Geschieht dies etwa nicht nach dem gleichen Naturprinzip, nach dem auch der Mensch die Tiere tötet? Ich verstehe folglich die Klage-Rede des Vertreters der Tierwelt nicht. Christian geht Marie kommt, Vortrag: Kognitive Ethologie Liebe Tiere! Mit tiefem Mitgefühl habe ich die sehr berechtigten Klagen des Vertreters der Tierwelt vernommen und mit einigem Erstaunen habe ich die bisherigen Vorträge zur Kenntnis genommen. Es liegt in der Tradition der Menschen, dass sie Tiere belächeln. Noch heute gibt es Menschen, die überheblich auf die vermeintlich defizitären kognitiven Fähigkeiten der Tiere herabblicken. Es ist daher an der Zeit, dass die Kognitive Ethologie – die ich hier vertrete – diesem herabwürdigenden Treiben entschieden ein Ende setzt. Ich kann dem Vertreter der Tierwelt nur nachdrücklich zustimmen, wenn er behauptet, dass die Tiere systematisch in ihren kognitiven Fähigkeiten unterschätzt werden. Und ich schließe mich auch dezidiert seiner Einschätzung an, dass Menschen und Tiere in einem sehr engen Verwandtschafts-Verhältnis stehen. Diese Verwandtschafts-These möchte ich im Rückgriff auf die Ergebnisse der neueren Kognitiven Ethologie mit folgenden Argumenten verteidigen: 1. Zunächst geht es um das schwierige Unternehmen, den empirischen Befund über das tierliche Verhalten zu erheben und angemessen zu deuten. In aller Eindringlichkeit möchte ich darauf verweisen, dass die Kognitive Ethologie von Donald Griffin vor ca. 40 Jahren begründet wurde und seither als eigenständige wissenschaftliche Disziplin besteht. Folglich dürfte unmittelbar einsichtig sein, dass der empirische Befund sowohl in seiner phänomen-bezogenen Breite als auch in seiner theorie-bezogenen Tiefe noch ausgesprochen lückenhaft ist. Auf der Grundlage dieses defizitären Kenntnisstandes kann und darf keineswegs geschlossen werden, dass in der Tierwelt die verschiedenen Bewusstseinsformen, die dem Menschen exklusiv zugesprochen werden, tatsächlich nicht vorkommen. Wir stehen hier erst am Anfang der Forschung. Auf dieser schmalen Datenlage lassen sich noch keine gesicherten Aussagen über das Tier-Bewusstsein machen. 2. Hier sind folglich tiefer gehende Forschungen erforderlich, um sich ein wirklich zutreffendes Bild von den kognitiven Fähigkeiten in der Tierwelt verschaffen zu können. Aber schon jetzt lässt sich zumindest eine eindeutige Forschungs-Tendenz erkennen: Je länger wir forschen, desto eindrucksvoller vermehren sich die Indizien dafür, dass in der Tierwelt hoch entwickelte kognitive Fähigkeiten zu finden sind, die wir bisher den Tieren niemals zugetraut hätten. Ich denke da zuallererst an bestimmte Formen der Rationalität, sowohl im Sinne von Ursache-WirkungsRelationen als auch im Sinne von Zweck-Mittel- Relationen. Des Weiteren finden wir aber auch Vorformen der Moralität im Sinne einer Fähigkeit zur Empathie und Rücksichtnahme. Es gibt sogar bemerkenswerte Hinweise auf ein gewisses Todes-Bewusstsein. Dies sind wichtige Indizien für ein sehr enges Verwandtschafts-Verhältnis zwischen Menschen und Tieren und zwar gerade auch im Hinblick auf kognitive Fähigkeiten. 3. Bewusstseinsphänomene sind vielschichtig. Es ist wichtig, vorab zu bedenken, wonach sinnvoll gefragt werden kann. Es ist unsinnig, epistemische Forderungen zu stellen, die prinzipiell nicht erfüllbar sind. Metaphorisch können wir fragen: Gibt es Fenster zum Tier-Bewusstsein? Die Kognitive Ethologie antwortet hier differenziert: Es gibt Fenster, die prinzipiell verschlossen sind. Damit ist das phänomenale Bewusstsein gemeint. Die individuelle Erlebens-Perspektive muss ausgeklammert werden, weil sie tatsächlich nicht direkt zugänglich ist. Aber! – Es gibt auch Fenster, die durch möglichst unvoreingenommene Forschungen weit geöffnet werden können. Hier verweise ich insbesondere auf die Erforschung der strukturellen und funktionalen Bedingungen für TierBewusstsein aus der 3-Person-Perspektive. Ein hoch interessanter Beleg für diese Option ist Rizzolattis Entdeckung der Spiegelneuronen bei Affen. 4. Ich weiß, dass an diesem Punkt meiner Argumentation die Kollegin aus der Philosophie den Anthropomorphismus-Vorwurf vortragen wird. Ich will daher im Folgenden mit dem Speziesismus-Vorwurf kontern. Bewusstseinsformen sind nur aus der 1-Person-Perspektive erfahrbar. Die Introspektion belehrt uns über unsere eigenen Bewusstseinszustände. Wir haben keinen direkten epistemischen Zugang zu den Bewusstseinsformen anderer Lebewesen. Mit Blick auf unsere Mitmenschen bedienen wir uns folglich eines Analogieschlusses, um zu der Behauptung zu gelangen, dass auch sie über Bewusstsein verfügen. Wir tun dies hauptsächlich deshalb, weil wir das differenzierte Verhalten anderer Menschen ohne Annahme einer Innen-Perspektive gar nicht erklären könnten. Folglich sind wir überzeugt, dass der Analogieschluss berechtigt ist. Bezüglich der Tierwelt scheinen wir uns allerdings in einer Sackgasse zu befinden. Da wir nicht wirklich begreifen, was Bewusstsein ist, wissen wir auch nicht verlässlich, ob und welche Bewusstseinsformen in der Tierwelt vorkommen. Das bedeutet – so das Argument gegen den Anthropomorphismus –, dass wir nicht berechtigt sind, den Analogieschluss auf die Tierwelt auszudehnen. Umgekehrt folgt aber auch, dass wir nicht berechtigt sind, der gesamten Tierwelt alle Bewusstseinsformen rigoros abzusprechen. Es gibt noch heute Philosophen – ich denke an Donald Davidson, Peter Carruthers und Raymond Frey –, die behaupten, dass prinzipiell kein Tier über eine InnenPerspektive verfügt. Ich stelle hier mit allem Nachdruck fest: Wenn das Zuschreiben einer Innen-Perspektive unsere epistemischen Grenzen tatsächlich überschreitet, dann gilt dies folgerichtig auch für das Absprechen einer Innen-Perspektive. Wer dies dennoch tut, muss sich den Speziesismus-Vorwurf gefallen lassen. 5. Die Frage, ob Tiere eine Innen-Perspektive haben, übersteigt unsere epistemischen Grenzen. So jedenfalls behauptete dies zuvor die Kollegin aus der Philosophie. Das Argument überzeugt mich allerdings nicht ganz. Die Frage ist doch die: Stimmt es tatsächlich, dass wir in gar keiner Hinsicht berechtigt sind, den Analogieschluss auf die Tierwelt auszudehnen? Ich behaupte: Nein! – Doch wie ist meine Antwort aus wissenschaftlicher Perspektive zu begründen? Mit Blick auf komplex organisierte Tiere schlage ich folgendes Forschungsprogramm vor: In einem ersten, phänomen-bezogenen Schritt intensivieren wir unsere empirischen Forschungen über das tierliche Verhalten. In einem zweiten, theorie-bezogenen Schritt entwickeln wir verschiedene konkurrierende Theorien. Diesen theorie-bezogenen Teil nennen Philosophen „Denken auf Vorrat“. In einem dritten, bewertenden Schritt vergleichen wir die jeweiligen Erklärungsleistungen der Bewusstseins-Theorien. Ich vermute, dass die Forschungen dann ergeben, dass die Zuschreibung einer InnenPerspektive unaufgebbar ist. Das bedeutet, es wäre völlig unverständlich, wie Tiere ohne Bewusstsein bestimmte beobachtbare kognitive Leistungen erbringen können, wozu Menschen nur mit Bewusstsein fähig sind. 6. In meinem letzten Argument möchte ich nun zu der heiklen Frage nach der Tierethik kommen. Meine Kollegin aus der Philosophie und mein Kollege aus der Biologie behaupten, dass die gesamte Natur moralisch völlig indifferent sei und dass folglich eine Tierethik von der Natur nicht vorgesehen ist. Doch diese Prämisse stimmt so keineswegs und die Konklusion ist folglich zweifelhaft. Im Gegenteil! – Komplex organisierte, sozial lebende Tiere zeigen durchaus ein gewisses moralisches Verhalten und pflegen untereinander Freundschaften. Biologen und Philosophen mögen mir doch einmal genau erklären, wieso die tierlichen Sozietäten erstaunlich friedfertig zusammenleben, ohne jemals an Tieruniversitäten in Moralphilosophie unterrichtet worden zu sein. Vergleichen wir MenschenGesellschaften mit Raben-Gesellschaften oder Bonobo-Gesellschaften, dann fällt dieser Vergleich nicht sehr günstig für uns Menschen aus. Die Frage ist demnach: Gibt es eine natürliche Fähigkeit zur Empathie in der Tierwelt? Ist eine vor-sprachliche Moral bereits in der Natur implementiert? Wenn dies der Fall ist – und ich bin fest davon überzeugt, dass dies der Fall ist – dann verbindet uns auch in dieser Hinsicht ein sehr enges VerwandtschaftsVerhältnis mit der Tierwelt. Folglich sollten wir Menschen uns ein natürliches Wohlwollen für unsere Verwandten bewahren! Ich schlage aber vor, dass wir uns im August zu intensiven Forschungen in den Schwarzwald zurückziehen, um unsere Studien über die kognitiven Fähigkeiten der Tiere und ihren verschiedenen Bewusstseinsformen fortzuführen. Ich möchte abschließend – im strikten Gegensatz zur Position meiner Kollegin aus der Moralphilosophie – in aller Deutlichkeit sagen: Ich halte das Thema dieses Kongresses als Grundlage einer angemessenen Tierethik für wichtig und unverzichtbar. Marie geht Tagungs-Pause: Rainer: „Klage-Lied der Tiere“ Edda kommt, chairwoman Vielen Dank für die hoch interessanten und sehr gehaltvollen Vorträge. Wir wollen nun in die Diskussion eintreten und einige besonders strittige Punkte vertiefend diskutieren. Ich möchte Sie bitten, Ihre Beiträge kurz und knapp zu halten, damit möglichst alle Diskutanten mehrmals zu Wort kommen können. Wer möchte mit einem Redebeitrag beginnen? Jens & Chris melden sich per Handzeichen Gut! – Wir hören zuallererst den Vertreter der Tierwelt und dann den Theologen. – Bitte! Jens kommt Zuallererst möchte ich mich bedanken, für das traurig-schöne Klage-Lied, dem wir in der Tagungs-Pause lauschen konnten. Ich fühle mich ausnahmsweise auch einmal von einem Menschen verstanden. Wir – den Tieren – ist durchaus bekannt, dass wir den selbstherrlichen MoralVorstellungen der Mehrheit der Menschen niemals werden entkommen können. Dennoch stelle ich meinen 8-Punkte-Katalog vor und fordere die Menschen nachdrücklich auf: 1. Akzeptieren Sie endlich, dass wir alle miteinander verwandt sind! 2. Begreifen Sie Ihre Abhängigkeit von einer intakten und vielfältigen Natur – anstatt von einem bloß erfundenen und selbst fabrizierten Gott! 3. Begrenzen Sie die Zahl Ihrer eigenen Artgenossen, damit noch ein wenig Platz für die Tierwelt übrig bleibt! 4. Beschränken Sie Ihren Fleischkonsum! Wir Tiere gestehen den Menschen durchaus auch eine karnivorische Ernährungsweise zu. Aber, muss dies denn in eine gnadenlose Ausbeutung und Verschwendung von Tierleben ausarten? 5. Gestehen Sie der Tierwelt ein eigenes Existenzrecht zu! 6. Respektieren Sie uns als empfindsame, wollende und denkende Lebewesen – und zwar auch dann, wenn Sie nicht imstande sind, die verschiedenen Bewusstseinsformen bei Tieren wissenschaftlich exakt nachzuweisen! 7. Nehmen Sie endlich Rücksicht auf unsere art-spezifischen Bedürfnisse! 8. Erweisen Sie sich tatsächlich als barmherzig und behaupten sie nicht nur, dass Sie einer, Barmherzigkeit lehrenden Religion folgen! Von bloßen Lippenbekenntnissen der angeblich so vernunft- und moral-fähigen Menschen profitiert die Tierwelt nicht! Jens geht Vielen Dank für Ihren bedenkenswerten Beitrag! – Nun hören wir den Theologen. – Bitte! Chris kommt Lasset uns flehen um die rechte Erleuchtung durch den heiligen Geist. Amen! – Ich möchte hier zuallererst und vor allem anderen vor den verderblichen Behauptungen der Naturalisten warnen. Die Biologie und die Kognitive Ethologie können das Spezifische der menschlichen Lebensform gerade nicht erfassen. Die Fragen nach Sinn und Moral gehören aber unaufgebbar zur conditio humana. Für den Theologen kann die Schöpfung nur verstanden werden als Ausdruck des Heilswillens eines personal gedachten Gottes und damit ist sie von vornherein eingebettet in eine göttliche Willens- und Handlungsordnung. Nach biblischer Auffassung steht ein, dem göttlichen Heilswillen und dem göttlichen Schöpfungsvorbild entsprechendes Handeln des Menschen im Vordergrund. Bedauerlicherweise begreifen dies aber die Naturalisten nicht. Als Repräsentant Gottes in der Welt ist der Mensch Gott verantwortlich und herrscht nur innerhalb einer von Gott gestifteten Ordnung. In genau diesem Sinne sprechen Christen von der „Bewahrung der Schöpfung“ – auf dass Gottes Wille geschehe. Amen! Chris geht Vielen Dank! – Wer möchte darauf antworten? Christian & Jens melden sich per Handzeichen Bitte! – Zuerst der Biologe und dann noch mal der Vertreter der Tierwelt. Christian kommt Ich möchte hier kritisch anmerken, dass der Sinn dieses noblen christlichen Slogans „Bewahrung der Schöpfung“ keineswegs klar ist. Ich frage den Theologen: In welchem Zustand soll denn diese Schöpfung erhalten werden? Soll die Schöpfung in einem natur-nahen, technik-armen Zustand bewahrt werden? Oder in einem natur-fernen, hoch technisierten Zustand? Und wenn es stimmt, dass die Natur die perfekte Schöpfung eines allmächtigen Gottes ist – wie Theologen stets behaupten –, müsste dann nicht ein natur-naher, technik-armer Zustand bewahrt werden, anstatt ein natur-ferner, von menschlichen Interventionen verpfuschter Zustand? Gibt hierzu die Bibel überhaupt Auskunft? – Und weiter. Worin genau bestehen eigentlich der göttliche Heilswille und das göttliche Schöpfungsvorbild? Und worin bestehen die Bedingungen des Mensch-Seins? Der göttliche Auftrag an die Menschen lautet nach Auskunft der Bibel: Vermehret euch und lehret den Tieren das Fürchten. – So jedenfalls zitierte der Theologe in seinem Vortrag die Rede Gottes an Noah aus Genesis 9.1-3. In der Biologie nennen wir dies Fortpflanzung und Selbsterhaltung auf Kosten anderer Lebewesen. Wir könnten den göttlichen Auftrag auch auf den pfiffigen Slogan bringen: „sex and crime“. – Das also ist der göttliche Heilswille? – Na gut! Aber genau dies tun wir doch ständig. – Und vor allem: Genau dies behaupten wir Biologen. Was also sollen die Naturalisten nicht verstanden haben und folglich nicht erfassen können? Wo also – frage ich – liegt überhaupt das Problem? Christian geht, Jens meldet sich energisch per Handzeichen Vielen Dank für diesen wichtigen Beitrag! – Ich sehe, dass der Vertreter der Tierwelt schon ganz ungeduldig wird und daher möchte ich ihn gleich antworten lassen. – Bitte! Jens kommt, sehr aufgebracht Die Menschen behandeln die gesamte Tierwelt rücksichtslos, grausam und ausbeuterisch. Nicht genug damit, sie bringen dabei auch noch eine Unmenge kaltschnäuziger Gründe zur Rechtfertigung ihres hartherzigen Verhaltens vor. 1. Die Biologen halten einen fürsorglichen Umgang mit Tieren grundsätzlich für überflüssig, weil dies die Natur angeblich gar nicht vorgesehen hat. Ich möchte dies aber energisch bestreiten. Auch in der Tierwelt gibt es Zuneigung, Hilfsbereitschaft und Freundschaft. Die Natur hat fürsorgliches Verhalten durchaus in ihrem Repertoire – wie zumindest die Kognitive Ethologie bereits herausgefunden hat. 2. Auch die Theologen sind nicht wirklich am Wohlergehen der Tiere interessiert. Sie haben immer nur ihr eigenes Seelenheil im Blick. Einige gewähren uns zwar ein wenig Barmherzigkeit, aber nur, insofern es der Wille ihres Gottes ist. Ob es aber tatsächlich der Wille ihres Gottes ist, über diese Frage behalten sie stets die Deutungshoheit. Am schrecklichsten stellt sich dies in jenem Teil der heiligen Schrift dar, den die Menschen Altes Testament nennen. Zu jenen Zeiten mussten wir Tiere auch noch als Opfertiere herhalten, um die aufmüpfigen Menschen mit ihrem stets schlecht gelaunten Gott zu versöhnen. Ein sonderbarer Gedanke und ein widerliches Verhalten! 3. Besonders empörend finde ich die Position der Moralphilosophen. Sie sind zutiefst ungerecht: Sie stellen sich schützend vor alle befruchteten menschlichen Eizellen, obwohl diese weder über Empfindungen noch über sonstige kognitive Fähigkeiten und schon gar nicht über Ich-Bewusstsein verfügen. Sie ignorieren aber das unsägliche Leid eines ich-bewussten Schweins, das sie nur in Schnitzelform auf ihrem Teller zu schätzen wissen. Bei all dieser Ungerechtigkeit rühmen sie sich selbst als vernunft-fähig und moral-fähig. Dabei stört es sie nicht, dass diese Selbstzuschreibung mit den tatsächlich ausgeübten Grausamkeiten gegen die Tierwelt einfach nicht zusammenpasst. Jens geht Victoria meldet sich per Handzeichen Eine sehr überzeugende Kritik an den Rechtfertigungsgründen der Menschen, wie mir scheint. Vielen Dank! – Nun wollen wir dazu die Stellungnahme der Moralphilosophin hören. – Bitte! Victoria kommt Die bisherigen Diskussionen zeigen eindrucksvoll, dass wir durch den irreführenden Mensch-Tier-Vergleich schnurstracks in eine Sackgasse geraten sind. Hier wird deutlich, wie wichtig die philosophische Klärung von Begriffen ist. Der eigentliche Grundbegriff ist der Begriff „Person“ und nicht der Begriff „Mensch“. Der Begriff „Person“ ist keine biologische Kategorie, sondern er bezeichnet ein Rechtssubjekt. Wäre er nur eine biologische Kategorie, dann bekämen wir tatsächlich ernsthafte Abgrenzungsprobleme. Warum schützen wir befruchtete menschliche Eizellen, obwohl sie keine Empfindungen haben? Und warum schützen wir keine Schweine, obwohl sie möglicherweise mit Ich-Bewusstsein ausgestattetet sind? Diese Fragen können wir im Rückgriff auf das kognitive Merkmal sicherlich nicht beantworten. Der Verweis auf das genetische Merkmal macht die Sache noch schlimmer: Wir teilen beinahe 99% des genetischen Materials mit den Schimpansen und immerhin noch 50% mit Bananen. Sollte zukünftig der Verzehr von Bananen aus moralischen Gründen untersagt sein? Dies würde ich zutiefst bedauern. – Doch Scherz beiseite. Ja, ich möchte nochmals nachdrücklich betonen: Der naturalistische Versuch der Angleichung der tierischen Lebensform an die menschliche Lebensform zur Begründung moralischer SelbstVerpflichtungen ist untauglich. Weder das kognitive Merkmal noch das genetische Merkmal sind vernünftige Kriterien dafür, ob einem Lebewesen eine moralische Berücksichtigung zukommen sollte oder nicht. Aus dem Sein folgt kein Sollen. Um aus einem Tatsachenurteil einen Handlungsgrund zu machen, bedarf es der Anerkennung eines Werturteils durch den freien Willen. Ein gutes Argument vermag nicht zur Einwilligung zu zwingen – es kann bestenfalls überzeugen oder eben auch nicht. Daher möchte ich abschließend betonen: Nur der Mensch kann 1. Absichten haben und Zwecke verfolgen, 2. eine Sein-Sollen-Differenz erkennen, 3. Wertzuschreibungen vornehmen und 4. sich selbst durch einen Akt des freien Willens moralische Pflichten auferlegen. Das macht den Menschen zu einer Person und damit zum Subjekt der Moralität – wie schon Kant zutreffend bemerkte. Victoria geht Das waren die Ausführungen der Moralphilosophin. – Vielen Dank. Wer möchte darauf antworten? Marie meldet sich per Handzeichen Bitte! – Die Kognitive Ethologin. Marie kommt Ich möchte die, von unserer Moralphilosophin zuvor gestellten Fragen nochmals aufgreifen und kritisch hinterfragen. Sie fragt: Warum schützen wir befruchtete menschliche Eizellen, obwohl sie keine Empfindungen haben? Und warum schützen wir keine Schweine, obwohl sie mit IchBewusstsein ausgestattetet sind? – Ja, warum tun wir das eigentlich? Haben wir dafür wirklich gute Gründe oder tun wir dies nur aus einer speziesistischen Haltung heraus? Das ist doch die eigentliche Frage und ich möchte betonen, dass diese Frage bislang nicht beantwortet wurde! – Und weiter sagt sie: Ein gutes Argument vermag nicht zur Einwilligung zu zwingen – es kann bestenfalls überzeugen oder eben auch nicht. – Richtig! Aber welches famose Argument soll es denn für dieses ungerechte menschliche Verhalten geben? Weder das genetische Merkmal noch das kognitive Merkmal sollen hier relevant sein. Doch welches Argument soll und kann mich denn überzeugen? Und wie genau schafft es eigentlich ein moralisches Argument, die Anerkennung durch meinen angeblich freien Willen zu erlangen? Ich vermute, es muss mit meinen persönlichen Vorlieben und Neigungen übereinstimmen, damit es mich überzeugt, nicht wahr? – Nun gut, ich gebe zu, ich kenne mich als Kognitive Ethologin in der Moralphilosophie nicht besonders gut aus. Ich habe jedenfalls die philosophische Rede vom freien Willen bislang nicht verstanden. Der freie Wille scheint mir – bei Lichte betrachtet – nur der Gefangene der allmächtigen Natur zu sein. Alle diesbezüglichen Erläuterungsbemühungen der Moralphilosophen haben mich nur noch ratloser gemacht. Aber ich habe den schlimmen Verdacht, dass hier lediglich die abscheulichen Gedanken der Speziesisten vertreten werden. Soll hier etwa deshalb eine Unvergleichbarkeits-These etabliert werden, um die Grausamkeiten gegenüber der Tierwelt zu rechtfertigen? Der Rückgriff auf die sonderbare Tierethik Kants hilft auch nicht weiter. Kant war ein Speziesist. Er hatte keine Ahnung von Tieren – und als Frau möchte ich ergänzen – er hatte auch keine Ahnung von Frauen. Ich bleibe dabei und bestehe darauf: Bislang habe ich noch kein einziges überzeugendes Argument gehört, warum befruchtete menschliche Einzellen schützenswert sein sollen. Ich fordere daher: Kein Schutz für befruchtete menschliche Eizellen! – Aber Hände weg von ich-bewussten Schweinen! Marie geht Chris meldet sich per Handzeichen Vielen Dank für diese provokante Forderung. – Ich vermute, dass es dazu reichlich Widerspruch geben wird. – Bitte! Der Theologe hat das Wort. Chris kommt Vater unser im Himmel vergib uns unsere Schuld. Amen! – Die Forderung der Naturalistin ist bestürzend und erschütternd. Die heilige Schrift belehrt uns unbezweifelbar über die Heiligkeit des menschlichen Lebens und das menschliche Leben beginnt nun mal mit der Befruchtung der Eizelle. Es ist daher bibelgemäß und folglich gottgewollt, dass wir befruchtete menschliche Eizellen schützen … Marie kommt dazu, es kommt zum Schlagabtausch Immerzu berufen sich die Theologen auf ein altorientalisches Märchenbuch. Wir berufen uns nicht auf ein altorientalisches Märchenbuch, sondern auf das Wort Gottes. – Gepriesen sei der Name des Herrn. Amen! Wort Gottes! Wort Gottes! – Gibt es diesen Gott überhaupt? Gewiss! – Die Bibel bestätigt uns ausdrücklich, dass sie das geoffenbarte Wort Gottes ist und damit bestätigt sie auch die Existenz Gott. Die Bibel ist kein Beleg für die Existenz Gottes. Grimms Märchen sind schließlich auch keine Belege für sprechende Wölfe oder Katzen mit Stiefeln an den Füßen. Der Vertreter der Tierwelt hat völlig zu Recht behauptet, dass dieser Gott bloß erfunden und selbst fabriziert ist. Ich bin zutiefst erschüttert über diese ungeheuerlichen Gotteslästerungen! – Die Naturalisten prangern uns Theologen immerzu an, dass wir an einen Gott glauben, dessen Existenz wir nicht belegen können. – Aber was tun die Naturalisten? Sie glauben an die Existenz eines Tier-Bewusstseins, obwohl sie dies ebenfalls nicht belegen können. Es überrascht mich keineswegs, dass diese Himmelskomiker in diesen Fragen keinen Unterschied erkennen können. Was Gott betrifft, so ist völlig unklar, ob es ihn gibt und wenn ja, welche Eigenschaften er hat. Was hingegen die Tierwelt anbelangt, so ist völlig gesichert, dass es Tiere gibt oder wollen Sie dies etwa bestreiten? Falls Sie dies ernsthaft bestreiten wollen, dann bedenken Sie, dass Sie damit auch die göttliche Schöpfung vernichten! – Im Übrigen geht es darum, das beobachtbare tierliche Verhalten in seinem vielschichtigen phänomenalen Gehalt zu begreifen und da kommen wir wohl ohne die Annahme bestimmter Bewusstseinsformen bei Tieren nicht aus. Hierin liegt folglich der Unterschied der beiden Existenzannahmen. – Kapieren das eigentlich die Himmelskomiker irgendwann auch mal? Edda geht energisch dazwischen Ich möchte hier die Diskussion lieber abbrechen. – Bitte beruhigen Sie sich doch wieder. Marie geht Ich möchte hier entschieden die Gotteslästerung zurückweisen, dass Gott bloß von Menschen erfunden und selbst fabriziert sei. Wenn die Naturalisten mit dieser Unterstellung Recht hätten, dann könnten wir den Menschen niemals einen Vorwurf daraus machen, dass sie sich so verhalten wie sie sich verhalten. Wir können den Begriff „Verantwortung“ nur im Sinne von „Verantwortung vor Gott“ verstehen. Es muss folglich einen Gott geben, da wir sonst die Frage nach der Verantwortung überhaupt gar nicht erst stellen könnten. Und wenn dieser Gott existiert, dann wird er sich uns Menschen wohl auch geoffenbart haben, um uns über einen verantwortlichen Umgang mit der göttlichen Schöpfung aufzuklären. Christian kommt dazu, es kommt zum Schlagabtausch Vielleicht wäre ein verantwortlicher Umgang mit der Natur durchaus wünschenswert. – Aber bleiben wir doch bei den Fakten! Es gibt uns Menschen nun mal nicht zum Aussuchen! Wir sind, wie wir sind! Wir sollten auf Theologie und Moralphilosophie völlig verzichten. Wir reden zwar gerne über Gott und Moral, aber dann handeln wir doch, wie es uns die Natur diktiert. Es ist eine schwere Sünde wider den Heiligen Geist, wenn die Naturalisten die gottgewollte Bestimmung des Menschen hartnäckig leugnen. Unsere moral-philosophierende Kollegin sagte völlig zu Recht: Ein moralisches Argument vermag nicht zur Einwilligung zu zwingen. – Richtig! Und ich ergänze: Auch ein nicht-existierender Gott vermag nicht zur Einwilligung zu zwingen. Die Sachlage ist doch einfach: Wenn dem Menschen ein moralisches Argument oder der angebliche Wille Gottes nicht schmeckt, dann sucht er einfach ein anderes moralisches Argument oder eine andere Bibelstelle oder sogar einen ganz anderen Gott. Und der Fakten-Check zeigt: Hierin ist der Mensch ausgesprochen innovativ. Die gottlosen Naturalisten unterschätzen stets die Gnade Gottes. Das besondere Wirken des Heiligen Geistes führt zur heilsamen Einsicht. Gepriesen sei der Herr für diese segensreichen Gaben! Amen! Nun da bin ich ja sehr beglückt, dass ich geradezu ein lebendes Gegenbeispiel für diese wundersame theologische Gaben-Theorie bin. Edda geht energisch dazwischen Ich möchte hier die Diskussion lieber abbrechen. – Bitte beruhigen Sie sich doch wieder. Christian & Chris gehen Möchte noch jemand in gemäßigter Weise zur Diskussion beitragen? Victoria meldet sich per Handzeichen Aha, die Moralphilosophin. – Bitte! Victoria kommt Eine theozentrische Begründungsstruktur mit dem Begriff „Verantwortung vor Gott“ ist sicherlich problematisch, insofern die Existenz Gottes ungesichert und der Wille Gottes unklar bleiben. Aber hier hilft Kants Pflichtenlehre im Sinne einer Fürsorge- und Verantwortungsverpflichtung weiter. Der Mensch selbst wird zur entscheidungseffektiven Instanz der Verantwortung, indem er sich selbst indirekte Pflichten in Ansehung der Tiere setzt. Das bedeutet: Sinnlose Tierquälerei erschüttert die menschliche Moralität in ihren Grundfesten und ist daher zu unterlassen. Aber in einer Rechtsbeziehung zur Tierwelt stehen wir dennoch nicht. Marie kommt dazu, es kommt zum Schlagabtausch Wenn die Kognitive Ethologie zu der Erkenntnis kommt, dass es Tierarten gibt, die über verschiedene Bewusstseinsformen verfügen – beispielsweise das Ich-Bewusstsein –, können wir es dann rechtfertigen, dass wir diese Tierarten moralisch nicht berücksichtigen? Der Rückgriff auf vermeintliche Bewusstseinsformen bei Tieren ist völlig unbrauchbar, weil diese Forschungen stets an einem unangemessenen Anthropomorphismus leiden. Ich betone nochmals: In einer Rechtsbeziehung zur Tierwelt stehen wir nicht, und zwar deshalb nicht, weil Tiere keinen autonomen Willen haben und damit keine moralischen Subjekte sind. Befruchtete menschliche Eizellen haben auch keinen autonomen Willen … Die moralische Berücksichtigung der menschlichen Lebensform begründet sich allein in der Würde des Menschen. Und wo bleibt die Würde des Tieres? Die argument-freie Behauptung von der Würde des Menschen ist bloß eine willkürliche Setzung selbstherrlicher Theologen und Moralphilosophen und setzt sich unwiderruflich dem Speziesismus-Vorwurf aus. Im Übrigen vermute ich, dass die Moralphilosophie einen Buchstaben zuviel hat. – Die Moralphilosophie sollte vielleicht besser Oralphilosophie heißen. Aha! – Was wollen Sie damit sagen? Damit will ich nur sagen, dass Moralphilosophen ein Club von natur-fernen Quasselstrippen sind, die in ihrer egozentrischen Weltsicht nicht einmal die Vorderseite eines Schimpansen von seiner Rückseite unterscheiden könnten. Edda geht sehr energisch dazwischen Ich möchte hier endgültig die Diskussion schließen, bevor es noch schlimmer kommt. Victoria & Marie gehen Ich bedanke mich herzlich für die sehr engagierten und hoch emotionalen Diskussionsbeiträge. Edda geht Jens kommt Liebe Menschen! Ich schließe hiermit den Schwarzwald-Kongress und bedanke mich sehr herzlich, dass Sie meiner Einladung gefolgt sind und die Klagen der Tierwelt zumindest zur Kenntnis genommen haben. Mit großem Erstaunen habe ich Ihren interessanten Argumenten gelauscht. Ich bin sehr überrascht, dass jede Position, die Sie vorgetragen haben, letztlich nur in eine jeweils andere Sackgasse führt. Wir – die Tiere – haben die Menschen stets ob ihrer kognitiven Fähigkeiten bewundert. Nun aber musste ich lernen, dass die Menschen seit den Tagen des legendären Sokrates in ihrem Bemühen um gesichertes Wissen noch keinen Schritt weitergekommen sind. Die Menschen stolpern lediglich von einer Sackgasse in die andere und zum Schluss müssen sie sich dann doch eingestehen: Wir haben nicht gefunden, was der Mensch bzw. was das Tier ist! Wir müssen weitersuchen! Aber warum sind die Menschen nur so stolz auf ihr Wissen, das – bei Lichte betrachtet – nur ein Nicht-Wissen ist? Das habe ich bislang noch nicht verstanden. Obgleich das Anliegen der Tierwelt äußerst kontrovers diskutiert wurde, so hat es doch zumindest das erfreuliche Ergebnis gezeigt, dass wir uns bald wieder treffen wollen, um über die verschiedenen Bewusstseinsformen in der Tierwelt zu forschen. Diese Frage dürfte für die Menschen und die Tiere gleichermaßen wichtig sein: 1. Für die Menschen könnte die Erforschung des Tier-Bewusstseins ein vertieftes Selbstverständnis befördern. 2. Für die Tierwelt ist die Erforschung des Tier-Bewusstseins deshalb wichtig, weil wir noch immer darauf hoffen, dass wir die Menschen von der Notwendigkeit einer fürsorglichen und wohlwollenden Tierethik überzeugen können. 3. Für uns alle aber könnten die Ergebnisse interessant sein, damit wir uns – als naturgemäße Brüder und Schwestern – gegenseitig besser verstehen. Vielleicht verstehen wir – die Tiere – dann auch, warum viele Menschen so selbstverliebt sind und nicht mit uns verwandt sein wollen. Aber bitte denken Sie stets daran: Vielleicht wird es später einmal Lebewesen geben, die auch nicht glauben wollen, dass sie von Menschen abstammen. Ich bedanke mich nochmals sehr herzlich und freue mich auf ein Wiedersehen im August im Schwarzwald. – Tschüss! Jens verschwindet im „Schwarzwald“, winkend