Ordensfrauen - Historisches Lexikon der Schweiz

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13/10/2011 |
Ordensfrauen
Die religiösen Frauengemeinschaften der Nonnen, Monialen oder O. mit feierl. Gelübden, Klausur und
Verpflichtung zum kirchl. Stundengebet (Chordienst, Offizium) werden im Folgenden in ihrer Entwicklung
beschrieben.
1 - Frühe Gründungen von Frauenkonventen bis 1230
Die ersten Frauenklöster wurden im 8. Jh. in den rät. und alemann. Landesteilen der Schweiz gegründet (um
700 Cazis, um 740 Lützelau, vor 806 Mistail). Diese richteten sich wie die Männerklöster (Mönchtum) nach
mehreren monast. Traditionen aus. Von den beiden im 9. Jh. errichteten Frauenklöstern Schänis (zwischen
814 und 823) und Fraumünster (853) folgte das Zürcher Stadtkloster von Anfang an der Benediktinerregel.
Die von der Gregorian. Kirchenreform beeinflussten Benediktinerklöster schufen ab Ende des 11. Jh.
Frauenkonvente, die mit den Männergemeinschaften Doppelklöster bildeten (u.a. 1082 Muri, zwischen 1143
und 1178 Engelberg). Die Äbte waren in geistl. und weltl. Belangen auch Obere der klausurierten
Nonnengemeinschaften, deren Dotation als Eigentum der Männerklöster konstituiert war. Bis zum Ende des
12. Jh. differenzierte sich das Ordenswesen in der Schweiz. Neben die Benediktiner traten Klöster nach der
Augustinerregel (Augustiner Chorherren). Einige waren, wie z.B. Interlaken, ebenfalls Doppelklöster. Dazu
kamen die neuen Orden der Prämonstratenser und der Zisterzienser, die sich beide an der Gründung und
Organisation von Frauenklöstern beteiligten. Bis 1230 entstanden in der Schweiz - nebst 150 Männerklöstern 28 Frauenkonvente, von denen sich die Mehrzahl dauerhaft etablieren konnte.
Autorin/Autor: Brigitte Degler-Spengler
2 - Von 1230 bis zur Reformation
Um 1230 setzte im Zusammenhang mit der sog. religiösen Frauenbewegung eine stürm. Entwicklung ein. Bis
1300 hatten sich, nach Umformungen, Ortswechseln und Zusammenlegungen, insgesamt 51 Frauenkonvente
herausgebildet, nämlich 40 Nonnenklöster und 11 Beginensamnungen (Beginen). Die Frauenkonvente
suchten rechtl. Verbindung zu den Zisterziensern und den neuen Orden der Dominikaner und Franziskaner
(Franziskusorden). Nach langwierigen Kämpfen um die Regelung von Jurisdiktion und Betreuung in geistl. und
weltl. Belangen erhielten 32 Frauenkonvente durch Inkorporation jurisdiktionellen Anschluss an einen der
Orden, acht Gemeinschaften verblieben unter der Aufsicht der Bischöfe, die Ordensleute mit der Visitation
beauftragten. Bedingung für die Ordensanbindung war die Einhaltung der strengen Klausur durch die Nonnen,
was ein gewisses Vermögen der Konvente voraussetzte. Nach diesem Prinzip organisierten die monast.
Zisterzienser sowie die Predigtorden der Dominikaner und Franziskaner, so verschieden ihre
Ordensprogramme auch waren, ihre Frauenklöster auf die gleiche Weise. Es entstanden 17 zisterziensische,
15 dominikanische und drei franziskanische Konvente (Klarissen). Zu den frühesten gehörten 1233 Töss,
1240-44 Frauenthal und 1253 resp. 57 Paradies.
Im 14. Jh. wurden in der Eidgenossenschaft noch zahlreiche Beginengemeinschaften, aber nur noch wenige
Frauenklöster gegründet. Das bedeutendste war das Klarissenkloster Königsfelden (1309). Auch im 15. Jh.
entstanden nur noch einzelne Nonnenkonvente, darunter das erste im Tessin (1490 Claro). In die
konfliktreichen Auseinandersetzungen um Kloster- und Ordensreformen des SpätMA waren die Frauenklöster
einbezogen. Ein Hauptziel der Reformer war die korrekte Befolgung der Klausur, die sich nicht immer
durchsetzen liess. In der Westschweiz entstanden nach der Reform der Colette von Corbie die Klarissenklöster
Vevey (1422/24), Orbe (1426/30) und Genf (1474). Mit der Reformation hoben die Räte der ref. Orte die
Klöster auf (Säkularisation). In den katholisch gebliebenen und parität. Gebieten überlebten 28 Frauenklöster,
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oft in schlechter wirtschaftl. und disziplinärer Verfassung.
Autorin/Autor: Brigitte Degler-Spengler
3 - Frühe Neuzeit
In der Gegenreformation und Katholischen Reform wurden die noch bestehenden Frauenklöster mit
tatkräftiger Hilfe der weltl. Obrigkeit saniert, und wo die Voraussetzungen gegeben waren, aufgehobene
wieder eingerichtet. Dabei wurden Konvente zusammengelegt und neu reguliert (1549 Benediktinerinnen
Münsterlingen, 1588 Zisterzienserinnen Eschenbach, 1647 Dominikanerinnen Cazis). Unter Anleitung der
Kapuziner entstanden von 1591 bis 1614 v.a. durch Umwandlung franziskanisch orientierter Beginenhäuser
(Terziarinnen) 14 neue Frauenklöster (Kapuzinerinnen). Entscheidend für die Reform der Frauenklöster nach
den Dekreten des Konzils von Trient (1545-63) war - wie in früheren Jahrhunderten - die Einführung der
strengen Klausur, wobei die Päpste das bestehende Klausurgesetz verschärften (päpstl. Klausur).
Das 17. Jh. war erfüllt vom Kampf für und gegen die Klausur. Die Nuntien bestanden strikt auf ihr, die
Frauenklöster wehrten sich dagegen, sei es weil ihre Armut die Einschliessung nicht erlaubte, sei es weil die
Wirtschaft sich von klausurierten Nonnen nicht führen liess. Im Laufe des 17. und 18. Jh. wurde die Klausur
den besonderen Gegebenheiten der Frauenklöster angepasst (funktionelle Klausur). So begrenzt der Erfolg
der strikten Klausurforderung auch war, so veränderte sie die Frauenklöster doch völlig. Die Gebäude wurden
klausurgerecht erweitert und umgestaltet, Wohnungen für Laienschwestern, Beichtvater und Gäste von den
Konventsbauten abgetrennt, Klausurmauern errichtet oder Kirchen umgebaut. Die Mitgliederzahl der neu
geordneten Konvente, deren vornehmste Aufgabe das Chorgebet war, stieg durch den Eintritt zahlreicher
Töchter aus Patriziat und Beamtenschaft an. Wie einst im 13. Jh. erwies sich die Klausurforderung indirekt als
Mittel, Frauenklöster in ein gehobenes soziales Umfeld einzupflanzen. Durch neue und wiederbelebte
Frömmigkeitsformen (Katakombenheilige, Wallfahrten, Bruderschaften, Ewige Anbetung) förderten auch
Frauenklöster die Kath. Reform. Die klosterfeindl. Verfassung der Helvetik (1798-1803) betraf Männer- und
Frauenklöster. Sie wurde durch die Mediationsakte Napoleons zwar rückgängig gemacht, doch sicherten sich
die Kantone gegenüber den Klöstern wichtige Mitspracherechte.
Autorin/Autor: Brigitte Degler-Spengler
4 - 19. und 20. Jahrhundert
Anzahl und rechtl. Stellung der Frauenklöster veränderten sich im 19. und 20. Jh. nochmals grundlegend. In
den Kantonen mit radikal-liberalen Regierungen wurden sie wie die Männerklöster aufgehoben (u.a. 1811
Schänis, 1834 St. Wiborada in St. Gallen, 1836 Paradies). Im Kt. Aargau wurden die vier Frauenklöster
vorübergehend wiederhergestellt (Aargauer Klosterstreit). Die Bundesverfassung von 1874 verbot die
Gründung neuer oder die Wiederherstellung aufgehobener Klöster (Ausnahmeartikel, 1973 aufgehoben).
Inzwischen hatten sich neuartige Gemeinschaften von O. gebildet, die Aufgaben in Mädchenerziehung,
Kranken- und Armenpflege übernahmen. Sie befolgten wie die Schwestern der Kongregationen eine weniger
strenge Klausur und legten statt feierlicher einfache Gelübde ab (u.a. 1857 Maria Rickenbach, 1866 Melchtal).
Aber auch klausurierte Frauenklöster waren gezwungen, ihren Fortbestand durch die Übernahme von sozialen
Verpflichtungen zu sichern, wozu die Klausur teilweise gelockert wurde. Dadurch entstanden Mischformen von
Ordensfrauenkonventen. Ihr ungewisser Status zwischen Nonnen- und Schwesternkloster wurde mit Hilfe des
"Corpus Iuris Canonici" (CIC) 1917 teilweise geklärt. Nach Anpassungen an die Moderne durch das 2. Vatikan.
Konzil (1962-65, Vatikanische Konzile) stellte das CIC 1983 Orden und Kongregationen als "Institute des
geweihten Lebens" rechtlich einander gleich und gab damit auch geschlossenen Frauenklöstern und solchen
mit sozialen Aufgaben den gleichen rechtl. Status. Geblieben ist die unterschiedl. Ausrichtung der beiden
Arten von Ordensfrauenkonventen, der geschlossenen auf das kirchl. Stundengebet, der eher offenen auf
soziale Aufgaben, verbunden mit Gebetsdienst. Die Klausur wurde mit den Zielsetzungen der Konvente in
Einklang gebracht (päpstl. oder konstitutionelle Klausur). Seit Ende des 20. Jh. stehen die Frauenklöster
vermehrt für Laien als Rückzugsort und zur Teilnahme am religiösen Leben offen. Dem immer schärfer zu
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Tage tretenden Nachwuchsmangel begegnen sie durch Bildung von Konföderationen, die gegenseitige
Aushilfe ermöglichen.
Autorin/Autor: Brigitte Degler-Spengler
Quellen und Literatur
Literatur
– HS I/1-6; III/1 (Benediktinerinnen); III/3 (Zisterzienserinnen); IV/2 (Augustiner-Chorfrauen); IV/3
(Prämonstratenserinnen); IV/5 (Dominikanerinnen); IV/6 (Augustinerinnen); V/1 (Klarissen); V/2
(Kapuzinerinnen); IX/2 (Beginen); X (Register)
– Frauenklöster in der Schweiz, 1984
– TRE 25, 315-330
– A. Gerhards Dictionnaire historique des ordres religieux, 1998, 397-402
– Benediktin. Gemeinschaften in der Schweiz, 2002
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