16. Wasserbauseminar an der Universität Duisburg

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16. Wasserbauseminar an der Universität Duisburg-Essen am 20.02.2003
Kurzfassung
Durchgängigkeit von Fließgewässern –
Bewertungen aus Sicht des Wanderfischprogramms Nordrhein-Westfalen
Dr. rer. nat. Frank Molls
Zentrale Lenkungsgruppe beim Ministerium für Umwelt und Naturschutz,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz NRW
Durchgängigkeit von Fließgewässern wird häufig im Sinne der
„Durchwanderbarkeit“ vor allem für Fische aufgefasst. Somit war dieses Thema
meist eng mit dem Bau von Fischaufstiegsanlagen verbunden. In der jüngeren
Vergangenheit rückte zusätzlich die stromabwärts gerichtete Wanderung von
Fischen in den Focus. Tatsächlich kann es bei der Abwanderung von Fischen an
Wasserkraftanlagen zu erheblichen Mortalitäten kommen, so dass die
Nachrüstung mit modernen Fisch-Schutzanlagen zu fordern ist. Zusätzlich ist
die Erkenntnis gewachsen, dass neben der linearen auch die laterale
Durchwanderbarkeit, also die Vernetzung von Hauptgerinne und Neben- bzw.
Auengewässern, von Bedeutung ist.
Die beschriebene „Durchwanderbarkeit“ für Lebewesen ist aber nur eine
Komponente der Durchgängigkeit von Fließgewässern. Die tatsächliche
Durchgängigkeit des „Ökosystems Fließgewässer“ meint ein Kontinuum der
biotischen und abiotischen Elemente, eine intakte Vernetzung der Habitate und
Wirkungsgefüge. Dahinter steht eine natürliche und ununterbrochene Abfolge
von regionsspezifischen Gewässerstrukturen und dazugehörigen
Lebensgemeinschaften. Abiotische Faktoren wie Temperatur, Gefälle und
Hydrologie bedingen z.B. die typische Abfolge von der hochliegenden
Forellenregion über die Äschen-, Barben- und Brassenregion bis hinunter in den
Brackwasserbereich. Die fließgewässertypischen Fischarten wie auch
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Wirbellose sind dabei auf die laufenden Prozesse des Gewässers, wie z.B.
Stofftransport, Abflussdynamik und Geschiebeumlagerung angewiesen.
Auch die Wechselwirkungen mit dem Gewässerumland, z.B. der
natürlicherweise gedämpfte Transport von Wasser und Nährstoffen aus dem
gesamten Einzugsgebiet in das Gewässer ist mit unter den Begriff der
Durchgängigkeit von Gewässer-Ökosystemen zu fassen.
Neben dem klassischen Thema der Durchwanderbarkeit sind also bei einer
umfassenden Betrachtung von Gewässern auch die komplexen Abhängigkeiten
und Wirkungsgefüge zu betrachten und zwar sowohl im eigentlichen
Fließgewässer als auch in der räumlichen Dimension des Einzugsgebietes.
Wanderfische sind in diesem Zusammenhang hervorragende Indikatoren für die
Intaktheit von Gewässer-Ökosystemen. Sie zeigen zum einen die Vernetzung der
Fließgewässer und zum anderen die Qualität der verschiedenen
Gewässerregionen an, da sie im Laufe ihres Lebens ganz unterschiedliche
Habitate besiedeln. Insbesondere neuere Erkenntnisse zu den Laichgebieten von
Salmoniden liefern ein beeindruckendes Beispiel dafür, wie komplex die
Wirkungsgefüge der Fließgewässer sind und wie groß die Bedeutung einer
unbeeinträchtigen Fließdynamik ist. Sowohl Stoffeinträge aus den
Einzugsgebieten als auch die Einschränkung der Gewässerdynamik - z.B. durch
Stauanlagen – führen letztlich zu einer gravierenden Störung des
Kieslückensystem im Gewässergrund und können so eine erfolgreiche
Reproduktion von Fischen verhindern.
Im Rahmen des Wanderfischprogramms NRW werden die weitwandernden
Fischarten daher als Zeiger-Arten auf dem Weg der weiteren
Gewässerentwicklung genutzt. Die Bestände anspruchsvoller Arten, wie Lachs,
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Neunaugen und Aal sind das Gütesiegel für tatsächlich intakte und vernetzte
Gewässer-Ökosysteme.
Fazit: Durchgängigkeit von Fließgewässern erfordert heute weit mehr als den
Bau von Fischaufstiegsanlagen an Stauwehren. Die tatsächliche Kontinuität
eines Gewässer-Ökosystems lässt sich nur durch die Schaffung frei fließender,
dynamischer Gewässerstrecken wiederherstellen. An erster Stelle müssen daher
der Rückbau übermäßiger Querbauwerke und die laterale Entfesselung stehen.
Dafür und zum Schutz abwandernder Fische sind Gesamtkonzepte für
Gewässersysteme unerlässlich.
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