SWR 2 ZEITWORT 14.04.2011, 6.45 Uhr 14.04.1865: Abraham Lincoln wird ermordet von Alfred Marquart© Der Präsident hatte schlecht geschlafen. Obwohl Karfreitag war, lud er am Vormittag des 14. April 1865 das Kabinett zu einer Sitzung. Der Bürgerkrieg war zwar gewonnen, aber es gab genügend zu tun. „Ich habe einen seltsamen Traum gehabt“, erzählte er seinen Ministern, die ihn nach den Ringen unter seinen Augen fragten. „Ich saß in einem sonderbaren Boot, das ich nicht beschreiben kann. Es bewegte sich auf ein dunkles Ufer zu. Den gleichen Traum hatte ich vor allen Siegen, vor Gettysburg vor Vicksburg ...“ Das Kabinett war beruhigt. Aber der Präsident – es war kein anderer natürlich als Abraham Lincoln – sollte sich in der Deutung seines Traumes getäuscht haben. Am Abend stand ein Theaterbesuch auf dem Programm; im Washingtoner Ford-Theater wurde ein englisches Stück gespielt, „Our American Cousin“, (Unser amerikanischer Vetter), und „Vater Abraham“, wie man Lincoln in der amerikanischen Hauptstadt liebevoll nannte, wollte es sich gemeinsam mit seiner Gattin anschauen. Selbstverständlich bekam er einen Platz in der Proszeniumsloge, die mit amerikanischen Fahnen, die um ein Portrait George Washingtons drapiert waren, reich geschmückt worden war. Während einer besonders lauten und aufregenden Szene drang ein Mann in die Präsidentenloge ein. Der Schauspieler John Wilkes Booth war ein fanatischer Anhänger der Südstaaten, der Sezession. In seinen Händen hielt er einen Revolver und einen Dolch. Aus nächster Nähe schoss er auf Präsident Lincoln; der Schuss ging im Applaus des Publikums unter. Die Kugel drang hinter dem linken Ohr des Präsidenten in dessen Kopf ein. Major Rathbone, der persönliche Adjudant Lincolns, stürzte sich auf Booth, versuchte, diesen festzuhalten, wurde aber von mehreren Dolchstichen getroffen. Booth schrie: „Suc semper tyrannis“, sprang aus der Loge auf die Bühne und flüchtete durch die Kulissen. Das Publikum, das nichts aus der Loge gehört hatte, war zunächst nur irritiert, erkannte dann aber den Schauspieler, der oft im Ford-Theater aufgetreten war, unter anderem als Shylock, Hamlet und Richard III., und hielt das alles für einen Regieeinfall. Der Präsident war nur ein wenig in sich zusammengefallen; Blut war keines geflossen, jedenfalls nicht bei ihm. Umso mehr aber bei Major Rathbone, um den sich deshalb zunächst auch alle kümmerten. Mrs. Lincoln stupste ihren Mann, um ihn auf die Verwundung Rathbones aufmerksam zu machen, und erst in diesem Moment erkannten alle, dass der Präsident tödlich verwundet war. Erst jetzt stürzte die Tochter des Senators Harris an die Logenbrüstung und rief in den Saal: „Haltet diesen Mann fest!“ – aber es war zu spät. Der sterbende Präsident wurde über die Straße in das Haus eines Mr. Peterson getragen. Sechs Ärzte kümmerten sich um ihn. Um 7 Uhr 22 am Morgen des nächsten Tages tat er seinen letzten Atemzug – wer aber war dieser John Wilkes Booth, der ihn ermordet hatte? Er stammte aus einer Schauspielerfamilie, sein Vater, ebenfalls Mime, war ein wohlhabender Mann, der auch Sklaven besaß. Als der Bürgerkrieg ausbrach, hoffte Booth geradezu monomanisch auf den Sieg der konföderierten Armee. Nach der Siegesansprache des Präsidenten war für ihn klar, dass Lincoln sterben musste. Nach seiner Tat war Booth ein gehetztes Wild. Er hatte sich beim Sprung aus der Loge verletzt; sein Bein war in einer der Girlanden hängen geblieben, beim Aufprall auf die Bühne war es gebrochen. Dennoch gelang es ihm aus Washington nach Maryland zu entkommen. Aber am 26. April wurde Booth in einem Tabakschuppen in der Nähe von Port Royal in Virginia von Truppen umstellt. Der Schuppen wurde an gezündet, als er sich nicht ergeben wollte. Als er auszubrechen versuchte, schoss ihm ein Soldat ins Genick. Man möge seiner Mutter mitteilen, er sei für sein Vaterland gestorben, soll er noch gesagt haben, und mit den Worten: „Sinnlos! Sinnlos!“ sei er gestorben.