Kann der Computer jemals vollwertiger Kommunikationspartner sein? Manche Leute, z.B der Philosoph Searle, meinen "Nein!". Er führt sein berühmtes Argument vom chinesischen Zimmer an: Ein Mensch, der kein Chinesisch kann, sitzt in einem abgeschlossenen Raum. Durch eine Luke bekommt er Zettel mit chinesischen Schriftzeichen hereingereicht. Dann schlägt er in dicken Wälzern syntaktische Operationen nach, die er mit den Zeichen anstellen soll, also etwa: "Wenn Krickel-Krickel, dann male KrackelKrackel". Wenn ihm seine Regeln sagen, dass er fertig ist, reicht er das Ergebnis aus der Luke heraus. Angenommen der hereingereichte Zettel enthielt eine Frage und auf dem herausgereichten Zettel steht nun die korrekte Antwort (Die Wälzer müssen sehr dick sein), kann man dann sagen, dass der Mensch Chinesisch versteht? Offenbar nicht! Nach Searle sind Computer nun aber in der gleichen Lage, wenn sie aufgrund von Programmen und Daten rein syntaktische Manipulationen durchführen. Selbst wenn der Output vernünftig aussähe, könnte man nicht davon, reden, dass der Computer natürliche Sprache versteht. Man kann aber nicht sehen, wie der Computer etwas anderes tun sollte als syntaktische Operationen. Dieses Argument hat zu einer sehr lebhaften Diskusssion geführt. Manche Leute sagen, man solle das letztlich empirisch überprüfen. Der bekannteste Ansatz ist der Turing-Test: Ein Mensch kann über Computer Fragen stellen an A und B, einer von beiden ist ein Mensch am Terminal, der andere ein Computer. Kann man herausbekommen, wer wer ist? Wenn einem das nicht gelingt, gilt das laut Turing als Beweis für die Intelligenz des Computers. Über Sinn und Unsinn dieses Tests kann man streiten. Der ElizaEffekt (s.u.) kann dazu führen, dass ein Computer den Test besteht, ohne intelligent zu sein. Für das Bestehen des vollständigen TuringTests ist ein Preis von $ 100.000 ausgesetzt! 1991 wurde ein eingeschränkter Turing-Test durchgeführt. Dabei mussten Gespräche nur über einen sehr eingeschränkten Bereich geführt werden können. Die eingereichten Programme konnten etwa über "Trockene Martinis", "Shakespeares Dramen", "Frauenkleidung", "Burgunder Weine" oder "Nonsense" reden. An 8 Terminals "Judges" jeweils 3 Minuten lang auf die 6 Programme losgelassen, an zwei Terminals saßen am anderen Ende der Leitung Menschen. Gezählt wurde, wieviele Judges sich von dem jeweiligen Programm übers Ohr hauen ließen. Sieger des Preises ($ 1.500) war das Programm, das über Nonsense (sic!) reden konnte. Als Ergebnisse war festzuhalten, dass die Programme recht gut abschnitten und die besten jeweils mehrere Judges übertölpeln konnten. Es wurden raffinierte Kniffe angewendet, wie etwa simulierte Tippfehler o.ä. Andererseits wurde sogar ein Mensch für einen Computer gehalten, weil sie so viel über Shakespeare wusste und seitenweise zitieren konnte! Der Sieger hatte wohl vor allem durch die geschickte Themenwahl einen Vorteil: auch suboptimale Antworten konnten noch als witzige Bemerkungen/Wortspielereien interpretiert werden. Welche Vorstellung, welche Metapher von Kommunikation liegt der Computerlinguistik / KI zugrunde? Hierzu einige Zitate: "Language is a system for encoding and transmitting ideas". [Kay 1985, S. 251] "One source of difficulty is that language has evolved as a communication medium between intelligent beings. Its primary use is for transmitting a bit of"mental structure" from one brain to another. [..] Thus generating and understanding language is an encoding and decoding problem of fantastic complexity." [Nilsson 1982, S. 2] "Natural languages, such as English or Japanese, have evolved as vehicles through which people can communicate a wide variety of kinds of information in an equally wide variety of settings. These languages have been designed to support communication from one person to another,.." [Rich 1985, S. 372] "In certain types of dialogue translations, we can define rather clearly what information should be transmitted from source sentences to target translations, " [Tsujii 1988, S. 689] "We cannot have the writers of texts at the time of translations, the persons who prepare texts and really want to communicate something through the texts. The actual readers of translated texts are not available, either, at the time of translation, who really want to get messages or information encoded in the texts." [Tsujii 1988, S. 689] "Actually , teaching as well as learning, can be conceived of as problem solving or reasoning in an information-exchange environment. There is a sender, a goal, a message and a receiver. The SENDER may be a native speaker, a teacher, a paremt, a book or a computer. The GOAL is the task or performance (output). In our case it is knowledge of how to produce sentences in French. The MESSAGE is the input to the learning component: examples from which the rules have to be inferred [...]. The RECEIVER or learner can be any system, natural or artificial, capable of perceiving, memorizing and analyzing a set of data and drawing the necessary conclusions: a child, a student, or a computer program." [Zock 1988, S. 806] Offenbar liegt hier die Übertragungsmetapher zugrunde, bzw. das einfache Kommunikationsmodell à la Shannon / Weaver (s.o.). Dies hat einige negative Konsequenzen: • Nach dem Vorbild "Kommunikation = Übertragung von Information" bildet man weitere Konzeptualisierungen, etwa "Lehren/Lernen = Übertragung von Wissen". • Es scheint möglich, die "Bedeutung eines Textes" wie ein Ding aufzubewahren, etwa in Repräsentationsformalismen. • Übersetzung erscheint lediglich als die "Umkodierung" von "Information". • Kommunikation scheint der technischen Datenübertragung sehr ähnlich zu sein; da Computer für DFÜ sehr geeignet sind, müssten sie es auch für Kommunikation sein, oder? Insgesamt wird die Schwierigkeit, Computer zu Kommunikationspartnern für den Menschn zu machen, stark unterschätzt! Wenn man jedoch ein reichhaltiges Kommunikationsmodell heranzieht und mit den Fähigkeiten des Computers vergleicht, sieht die Sache anders aus: • Beispiel "Innen-Außen-Dichotomie". Beim Menschen ist sie die eigentliche Ursache für die Notwendigkeit von Kommunikation. Beim Computer existiert sie nicht, denn ich kann ja in das Innere des Computers hineinschauen und mir den Inhalt des Speichers ansehen. Es gibt kein verborgenes Innenleben, das nur über Kommunikation zugänglich wäre. • Beispiel "Handeln". Kommunikation beim Menschen ist immer Handeln. Computer können nicht handeln, sie können sich nur verhalten, da sie kein Selbstbewusstsein und keinen Willen haben. Daher ist nur Interaktion (gegenseitige Verhaltensbeeinflussung) möglich, keine Kommunikation. • Beispiel "Nonverbales". Menschen können sehen, riechen usw., sie teilen im Gespräch eine gemeinsame Umgebung, Computern bleibt dieses alles verschlossen. • Beispiel "Metaphern". Sprachliche Kommunikation ist beim Menschen durch und durch metaphorisch / tropisch durchsetzt. Sprachverarbeitung durch den Computer bezieht sich fast immer auf "wörtliche" Lesarten. Menschen verstehen und produzieren auch neue Metaphern ständig und ohne Probleme. Keiner weiß, wie man Computern das beibringen könnte. • Beispiel "Elliptizität". Menschliche Kommunikation ist immer elliptisch, da sehr vieles vorausgesetzt wird. Dies geht, weil Menschen sehr viele Erfahrungen teilen, z.B. sehr vieles, was sie während der Kindheit über unsere Welt gelernt haben. Computern fehlt das. Insgesamt: Computer könne niemals zu (vollwertigen) Kommunikationspartnern von Menschen gemacht werden. (Viele sehen das allerdings anders.) Und NL-Systeme mit heutigen Fähigkeiten können gefährlich sein: Undurchschaubarkeit von Computern für viele Menschen + Komplexität von Computern + generelle Anthropomorphisierungstendenz des Menschen + Sprachverhalten als Intelligenzindikator bei Menschen ------------------------------------------------------NL-Systeme erzeugen starke Tendenz, den Computer zu überschätzen! "Computerunterstütze Halluzination" [Lutz 90] (Siehe z.B. ELIZA) Der Gegensatz zwischen Erwartungen der Benutzer und tatsächlichen Fähigkeiten des Computers kann zu Gegenreaktion führen: "Computertalk" KI-NL-Systeme haben jedoch als Modelle viele Vorteile gegenüber den Modellbildungen und Theorien der Linguistik: • Während die Linguistik statische Grammatiken betrachtet, sind NL-System dynamisch, sie bilden den Kommunikationsprozess viel besser nach. • Es wird deutlicher, dass auch nichtsprachliches Wissen bei der Kommunikation eingesetzt wird. • Es wird mehr Wert gelegt auf die Interpretationsprozesse durch den Hörer/Leser. • Man versucht, viele Phänomene, die sonst nur informal diskutiert wurden, etwa die Beeinflussung der Kommunikation durch das Bild vom Anderen, wirklich operationalisierbar zu machen. Dies führt zu viel genaueren Beschreibungen und Erkenntnissen. (Siehe Benutzermodellierung) • Die KI-Methode ist inzwischen anerkannte Methode auch der Kognitionswissenschaft: Wenn man ein Modell angeben kann, das auf dem Computer ein ähnliches Verhalten erzeugt, wie man es beim Menschen beobachten kann, so kann man annehmen, dass es beim Menschen auch in etwa so läuft. Dies gilt zumindest solange bis ein besseres Modell vorgelegt wird. • DieserAnspruch auf "Psychological Reality" darf jedoch nicht zu weit getrieben werden, denn dieses kann zur Lächerlichkeit führen (siehe TG).